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Exakt im Gespräch mit einem Kritiker | Manuskript
Exakt im Gespräch mit einem Kritiker
Bericht: Annett Glatz
Und so fahre ich heute zu einem Zuschauer, der sich bitter über unsere Sendung und einen
Flüchtlingsbeitrag von mir beschwert hat. Sein Vorwurf: Wir erkennen Missstände nicht,
stellen dumme Fragen, können nicht logisch denken. In letzter Zeit häuft sich auch bei uns
die Medienschelte. Doch als wir versuchen, mit den Kritikern zu sprechen, sind die meisten
dazu nicht bereit. Heinz Fischer aus Zwickau lässt sich darauf ein
Reporterin und Heinz Fischer
Na Herr Fischer, wie sieht hier Ihr Leben aus?
Ja eher bescheiden. Klein, ich lebe alleine hier, bin seit letztem Jahr geschieden. Also 36
Quadratmeter und da ist nicht viel an Leben möglich. Aber mir reicht´s. Ich stelle keine
großen Ansprüche.
Seit zehn Jahren lebt er immer wieder von Hartz IV, 300 Euro im Monat hat er zur Verfügung,
Urlaub ist nicht drin. Die blühenden Landschaften die Altkanzler Helmut Kohl einst
versprach, sind für Heinz Fischer nie Wirklichkeit geworden.
Heinz Fischer
Und da seh‘ ich im Fernsehen den Herrn Kohl, wo sie alle hinüber in den Westen sind und
die gedacht haben: Um Gottes willen, die DDR wird leer, jetzt sind die alle hinüber in den
Westen. Dann hat der gefleht im Fernsehen – bleibt drüben und baut Euch was auf und
geht nicht alle in Westen. Und ich hab gedacht, ok – ist ‘ne Herausforderung. Ich bleib hier.
Ich versuch hier was auf die Beine zu stellen. Und ich muss sagen, jetzt 26, 27 Jahre danach
– ich bereue diesen Schritt am allermeisten in meinem ganzen Leben, dass ich hier
geblieben bin. Du gehst hier sang und klanglos ein. Du kämpfst hier nur noch ums
Überleben.
Als Jugendclubleiter in der DDR versucht er nach der Wende sein Glück als Diskotheken- und
Clubbetreiber. Doch dauerhaft kann er nie davon leben. Immer wieder, so berichtet Heinz
Fischer fehlt es an Unterstützung der Kommunen. Ein wirkliches Nachtleben wie es in seiner
Branche von Nöten wäre, gibt es in Zwickau nicht. Und so musste er vergangenes Jahr auch
seine letzte Bar schließen.
Heinz Fischer:
Man ist an dem Punkt, wo man sich sagt, es hat alles gar keinen Sinn mehr, es ist alles
sinnlos. Und da versteht man auch die Leute, die mit überhitzten Äußerungen zu den
Demonstrationen gehen und dort ihre Wut rauslassen wollen.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Wütend ist auch Heinz Fischer, er gründet die Facebookseite Zwigida, verfolgt Politik
stundenlang am Fernseher oder online. An ehrliche Berichterstattung glaubt er nicht.
Heinz Fischer und Annett Glatz
Vorauseilender Gehorsam ist das perfekte Wort dafür. Jeder weiß, wenn er weiter
kommen will, wenn er weiter sein Brot dort verdienen will. Sowieso schon alleine, noch
nicht mal Karriere machen will, weiß, dass er die Fresse zu halten hat.
Sie glauben, dass wir im Sinne der jetzt herrschenden Politik dann auch im vorauseilenden
Gehorsam berichten?
Selbstverständlich. Keiner will doch weg vom Fenster sein. Sie würden ja bei Exakt dann
auch nicht irgendein Beitrag bringen, der von der Obrigkeit nicht gesehen werden will.
Vorurteile, die uns schockieren und die wir versuchen zu widerlegen. Deshalb laden wir den
52-jährigen zu uns in die Redaktion nach Leipzig ein. Die Chefin vom Dienst Anja Riediger
erläutert die Themen der nächsten Sendung.
Anja Riediger, Chefin vom Dienst Exakt, Annett Glatz und Heinz Fischer
Anja Riediger: Also in der nächsten Sendung machen wir eine AfD Reportage mit dem
Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt.
Annett Glatz: Bei der AfD haben Sie ja was für ein Gefühl den Medien gegenüber?
Heinz Fischer: Also bei der AfD speziell hau drauf. Es ist schon schlimm, dass die Politiker
so denken, von Grün, SPD, CDU, und was nicht alles. Aber dass das von Medien bestärkt
oder bestätigt wird, dass ist das Problem. Also ein TV-Sender sollte immer neutral bleiben.
Anja Riediger: Natürlich muss man zugeben, dass jeder Kollege, der hier arbeitet, der hat
natürlich ‘ne persönliche Meinung und das ist auch nicht alles gleich. Das ist vielleicht was,
was sie nicht glauben, also wir sind nicht alle gleichgeschaltet und wir sind nicht alle gleich
als Personen und wir denken nicht alle das gleiche oder sehen bestimmte Personen in der
gleichen Weise. Aber so ein Handwerk.
Heinz Fischer: Aber das ist doch ein Handwerk.
Anja Riediger: Das ist richtig.
Heinz Fischer: Da muss ich doch meine persönliche Meinung hinten anstellen.
Anja Riediger: Und dafür ist ja die Struktur auch da, dass ich als CvD darauf achte, niemand
kann hier seinen persönlichen Rachefeldzug planen.
Als wir uns dann konkret mit dem Exakt-Beitrag über die Demonstrationen gegen Flüchtlinge
beschäftigen, ist seine Kritik nicht mehr so pauschal. Seiner Meinung nach hätten wir uns
allerdings dem Kern der Probleme der Menschen nicht genug genähert.
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Heinz Fischer
Wenn jemand auf die Straße geht, das macht er nicht, weil jetzt gerade mal ein paar
Flüchtlinge kommen, sondern ihn kotzt vieles an. Weil der Schritt auf die Straße zu gehen,
das kostet für viele ja auch eine Überwindung.
Dass wir durchaus unvoreingenommen zu solchen Dreharbeiten fahren und die Menschen
ganz offen nach ihren Sorgen mit den Flüchtlingen fragen, da hat Heinz Fischer seine Zweifel.
Annett Glatz und Heinz Fischer
Annett Glatz: So haben wir finde ich schon, Ängste der Menschen ernst genommen und die
waren da erst mal: wir haben Angst vor Übergriffen, wir glauben nicht, dass wir das
stemmen mit den Flüchtlingen. Das waren die Themen. Und da haben Sie jetzt den
Eindruck, Sie haben mich ja auch gesehen in dem Film, dass ich jetzt von irgendeinem
Parteigenossen angerufen wurde oder in der Redaktion so ne Stimmung herrscht, wo Sie
jetzt denken, naja, die ist jetzt auch mit so nem Auftrag hingegangen, Pegida schlecht?
Heinz Fischer: Nein- den Eindruck hatte ich ja auch von dem Beitrag selber nicht. Im
Allgemeinen finde ich das einfach zu kurz gefasst. Natürlich müsste das Ding dann drei
Stunden lang gehen. Das ist mir klar.
Im Laufe des Nachmittags müssen wir feststellen, wir haben es schwer, mit konkreten
Gegenbeispielen Heinz Fischers Misstrauen den Medien gegenüber zu erschüttern.
Anja Riediger und Heinz Fischer
Anja Riediger: Wem vertrauen Sie denn noch? Weil wer soll denn noch Bericht erstatten?
Es ist ja so, dass man Teile der Wirklichkeit ausklammert und dann daraus einen Bericht
macht, weil, man kann nicht alles zeigen. Das geht einfach nicht. Man muss ‘ne Auswahl
treffen.
Heinz Fischer: Es geht nicht darum was man zeigt, sondern wie man das rüberbringt. Und
das ist das Problem. Die richtigen Fragen zu stellen. Ist gefährlich in der heutigen Zeit. Weil
das ist das Problem, was ich habe. Weil, dann kommt nämlich der Anruf in ihrem Büro – so
ne Sendung machen wir nicht noch mal.
Anja Riediger: Der kommt nicht der Anruf.
Heinz Fischer: Ich vermute das, oh ja.
So ernüchternd der Austausch erscheinen mag. –wir wollen weiter im Gespräch bleiben mit
Zuschauern wie Heinz Fischer.
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