Fall 4 O hält mit seinem Cabrio an einem Samstag im August an

Fall 4
O hält mit seinem Cabrio an einem Samstag im August an einer roten Ampel. Aufgrund des
schönen Wetters hat O das Verdeck geöffnet. Er nimmt es mit der Rechtstreue nicht so genau
und telefoniert mit seinem neuen Smartphone am Ohr mit seiner Freundin und bespricht mit
ihr die Abendplanung. Der an der Fußgängerampel stehende T bemerkt dies, während er auf
die Grünphase wartet. Spontan fasst er den Entschluss, seine Haushaltskasse etwas aufzubessern und O um sein Handy zu erleichtern, um es gewinnbringend auf einer Internet-Auktionsplattform zu versteigern. Als die Fußgängerampel auf „Grün“ schaltet, läuft er auf das stehende Cabrio zu, greift den Sicherheitsgurt, bringt ihn auf Höhe des Halses des O und zieht ihn so
zu, dass bei O die Luftzufuhr beeinträchtigt und er zudem mit seinem gesamten Oberkörper in
den Sitz gedrückt wird. Sodann reißt er ihm das Handy aus der Hand und sucht das Weite.
Der Passant P hat das Ganze beobachtet und versucht, sich T in den Weg zu stellen. Dieser
jedoch zeigt sich davon unbeeindruckt und stößt den P im Lauf so mit dem Ellenbogen in den
Magen, dass er zur Seite stürzt und benommen liegen bleibt. Indes gelingt T die Flucht.
Strafbarkeit des T?
Gutachten
I.
Strafbarkeit aus § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, c, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a
StGB
T könnte sich gem. § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, c, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 lit. a
StGB strafbar gemacht haben, indem er O mit dem Sicherheitsgurt würgte und ihm das
Handy aus der Hand riss.
1. Tatbestand des Grunddelikts
a) Objektiver Tatbestand
T hat eine fremde bewegliche Sache weggenommen. Dies müsste auch mit Gewalt gegen eine Person erfolgt sein. Vorliegend liegt ein Fall der vis absoluta, also
der willensausschaltenden Gewalt, vor, da O die freie Willensbetätigung absolut
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unmöglich gemacht wurde. Auch der erforderliche räumlich-zeitliche Zusammenhang zwischen Wegnahme und Gewaltanwendung ist im vorliegenden Fall gegeben.
Das qualifizierte Nötigungsmittel – hier die Personengewalt – und die Wegnahme
müssten in einem finalen Zusammenhang zueinander gestanden haben. Die Gewalt müsste also eingesetzt worden sein, um die Wegnahme zu ermöglichen. Da T
dem O erst den Sicherheitsgurt um den Hals zog, um ihm dann das Handy wegnehmen zu können, ist ein Finalzusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme
vorhanden.
[Der Finalzusammenhang kann ebenso vertretbar auch im subjektiven Tatbestand
geprüft werden.]
b) Subjektiver Tatbestand
T handelte vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
T müsste zudem auch mit der Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt haben.
[Vorsicht: In Klausuren ist häufig die Formulierung anzutreffen: „X müsste mit
rechtswidriger Zueignungsabsicht gehandelt haben“. Diese Formulierung ist
falsch! Denn nicht die Absicht der Zueignung muss rechtswidrig sein, sondern die
Absicht muss sich auf die Zueignung und deren Rechtswidrigkeit erstrecken.]
Dies ist der Fall, wenn er sich die Sache wenigstens vorübergehend aneignen und
den Berechtigten hinichtlich der weggenommenen Sache dauerhaft enteignen wollte. Laut Sachverhalt wollte T das Handy gewinnbringend verkaufen. Somit wollte
er O dauerhaft enteignen und sich die Sache zum Zwecke des Verkaufs zumindest
vorübergehend aneignen; er handelte daher mit Zueignungsabsicht. Zudem wäre
die Zueignung auch rechtswidrig gewesen.
2. Tatbestand der Qualifikation
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a) Objektiver Tatbestand
T könnte ein schwerer Raub i.S.d. § 250 StGB vorliegen. In Betracht kommen vorliegend § 250 Abs, 1 Nr, 1 lit. a u. c, Abs. 2 Nr. 1 u. Nr. 3 lit. a StGB.
Gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a StGB müsste T ein gefährliches Werkzeug bei sich
geführt haben. Ein Werkzeug ist jeder Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Gefährlich ist das
Werkzeug, wenn es nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner
Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Problematisch ist vorliegend, dass der Sicherheitsgurt fest mit dem Fahrzeug
verbunden war.
Die Frage, ob der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ nur bewegliche Gegenstände umfasst, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten.
Auf den Streit um die Frage, ob nur bewegliche Gegenstände dem Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ unterfallen, käme es jedoch nicht an, wenn der Gurt ohnehin als beweglicher Gegenstand in diesem Sinne anzusehen wäre. Im vorliegenden
Fall hat T den Gurt gerade bewegt und ihn aktiv auf Höhe des Halses des O gebracht, um ihn sodann damit zu würgen. Somit war der Gurt, jedenfalls in den
Grenzen seiner Verbindung mit dem Fahrzeug, zumindest teilweise beweglich, da
er gezielt in eine Position gebracht wurde, die vom Täter für seine Zwecke benötigt wurde. Die Tatsache, dass der Gurt nicht ohne Weiteres aus dem Auto entfernt
werden kann, steht seiner Beweglichkeit nicht entgegen, da es insoweit nur darauf
ankommt, dass das Werkzeug jedenfalls so beweglich ist, dass der Täter es als
Tatmittel verwenden kann. Nicht erforderlich ist eine vollständige und uneingeschränkte Beweglichkeit, da sich die Gefährlichkeit – wie der vorliegende Fall
zeigt – gerade auch daraus ergeben kann, dass der Gegenstand nur in einem gewissen Umfang bewegt werden kann, solange dieser zur Tatbegehung ausreicht. Dem
war vorliegend der Fall, sodass der Gurt als beweglicher Gegenstand anzusehen ist
und dem Begriff des Werkzeugs i.S.d. § 250 StGB unterfällt. An der Gefährlichkeit des Werkzeugs bestehen weiterhin keine Zweifel, da die Verwendung eines
Gurtes zur Strangulation immer erhebliche Gefahren für die körperliche Unver
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sehrtheit des Opfers mit sich bringt. Bei dem Gurt handelt es sich somit um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 250 StGB.
Dieses müsste T jedoch auch bei sich geführt haben. Nicht erforderlich für ein
„Beisichführen“ ist es, dass der Täter das Werkzeug in der Hand hat oder am Körper trägt. Es reicht insoweit vielmehr aus, dass sich der Täter des Werkzeugs zu irgendeinem Zeitpunkt während der Tatbegehung ohne besonderen Aufwand bedienen kann. Insoweit ist jedoch die Wortlautgrenze des Art. 103 Abs. 2 GG zu beachten. Um ein Tatmittel „bei sich zu führen“, kann es daher nicht ausreichen, dass
der Täter dasselbe erst am Tatort vorfindet und sich dann für die Tatbegehung
zunutze macht. Im allgemeinen Sprachgebrauch kann bei einem Sicherheitsgurt,
der fest im Auto des Opfers eingebaut ist, wohl kaum die Rede davon sein, dass
der Täter diesen „bei sich geführt“ habe. Zudem ist anerkannt, dass das Merkmal
des „Beisichführens“ inhaltsgleich ist mit demjenigen des „Mitsichführens“ in
§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG. Im vorliegenden Fall hat T den Gurt aber gerade nicht
bei respektive mit sich geführt, sondern erst am Tatort aufgefunden. Unter Beachtung der Wortlautgrenze kann daher nicht von einem „Beisichführen“ i.S.d. § 250
StGB gesprochen werden.
Das Verhalten des T könnte aber die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung für O gem. § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c StGB begründet haben. Dadurch, dass T
dem O den Sicherheitsgurt um den Hals legte und ihn sodann damit würgte, bestand die konkrete Gefahr des Eindrückens des Kehlkopfs, was eine schwere Gesundheitsschädigung zur Folge gehabt hätte. Zudem besteht beim Würgen eines
Opfers aufgrund der Sauerstoffunterversorgung des Gehirns während des Würgevorgangs generell eine nicht unerhebliche Gefahr für Leib und Leben. Somit bestand für O die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung i.S.d. § 250 Abs. 1
Nr. 1 lit. c StGB.
Zudem hat T ein gefährliches Werkzeug (vgl. dazu oben) i.S.d. § 250 Abs. 2 Nr. 1
StGB verwendet, da es für die Verwirklichung dieses Tatbestandes gerade nicht
darauf ankommt, dass das Tatmittel vom Täter mitgeführt wurde und T den Sicherheitsgurt auch zur Tatbegehung eingesetzt hat.
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Schließlich könnte T den O gem. § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. a StGB bei der Tat körperlich schwer misshandelt haben. T hat mit Hilfe des Sicherheitsgurtes Druck auf
den Hals von O ausgeübt. Zudem hat er so stark an dem Gurt gezogen, dass O fest
in den Sitz gedrückt wurde. Da der Hals die Luftzufuhr und somit das Leben sichert, reagiert der Körper i.d.R. panisch bei festem Druck auf die Luftröhre. Jedoch ist auch zu beachten, dass das Tatbestandsmerkmal des § 250 Abs. 2 Nr. 3
lit. a StGB mit demjenigen des § 250 Abs. 2 Nr. 3 lit. b StGB gleichgestellt ist, bei
dem eine Lebensgefährdung des Opfers eingetreten sein muss. Lit. a kann somit
normlogisch nur erfüllt sein, wenn die körperliche Misshandlung ein Ausmaß erreicht, das mit der Tatmodalität des lit. b qualitativ vergleichbar ist. Im vorliegenden Fall kann das bloße kurzfristige Abschnüren der Luftzufuhr und eine hierdurch
evtl. ausgelöste Panik des Opfers noch nicht ausreichen, zumal dieses keine erheblichen Folgeschäden oder starke Schmerzen erlitt. Eine Gleichstellung mit lit. b erscheint daher qualitativ nicht berechtigt, sodass das Merkmal bei gebotener restriktiver Auslegung aus o.g. Gründen abzulehnen ist.
b) Subjektiver Tatbestand
T handelte vorsätzlich hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale.
3. Rechtswidrigkeit und Schuld
T handelte rechtswidrig und schuldhaft.
4. Ergebnis
T hat sich gem. § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Abs. 2 Nr. 1 StGB strafbar gemacht.
II. Strafbarkeit aus §§ 253, 255 StGB
Nach Ansicht der Rechtsprechung erfüllt auch die Gewaltanwendung mit dem Ziel der
Duldung einer Wegnahme den Tatbestand der §§ 253, 255 StGB. Dem hält die Literatur
entgegen, dass die Wegnahme die tatbestandsmäßige Opferreaktion ausschließt, da § 255
StGB eine Vermögensverfügung erfordere.
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Wann dieser Streit im Rahmen einer angemessenen Schwerpunktsetzung ausführlich
darzustellen ist, orientiert sich an folgenden Fallgruppen:
1. Fallgruppe: Ist der Tatbestand des § 249 StGB tatbestandlich voll verwirklicht, ist
der Streit allenfalls in 1-2 Sätzen, jedenfalls aber nicht ausführlich, darzustellen und auf
keinen Fall zu entscheiden. Im Grunde kann die Darstellung auch ganz unterbleiben, da
eine Strafbarkeit aus § 255 StGB nach keiner Auffassung vorliegt. Nach Ansicht der
Rechtsprechung ist der Tatbestand von § 255 StGB zwar erfüllt, tritt jedoch hinter die
Strafbarkeit aus § 249 StGB zurück. Nach Ansicht der Literatur ist der Tatbestand des
§ 255 StGB erst gar nicht erfüllt und es liegt somit auch keine Strafbarkeit hieraus vor.
2. Fallgruppe: Ist der Tatbestand von § 249 StGB nicht erfüllt, da keine Wegnahme,
sondern eine Weggabe vorliegt, ist der Streit wie bei der ersten Fallgruppe allenfalls
knapp zu erwähnen, da beide Ansichten zum gleichen Ergebnis führen. Laut Rechtsprechung liegt eine qualifizierte Nötigung zu einer Opferreaktion vor und eine Strafbarkeit
aus § 255 StGB ist somit gegeben. Auch die Literatur kommt zu diesem Ergebnis – allerdings aufgrund einer Vermögensverfügung.
Hier ist jedoch darauf zu achten, dass die Literatur § 255 StGB nur bei vis compulsiva
anwendet, während die Rechtsprechung den Tatbestand auch bei vis absoluta als erfüllt
ansieht. Der Streit ist in diesem Fall bei der Prüfung des § 255 StGB im Rahmen der Erörterungen zum Gewaltbegriff zu entscheiden.
3. Fallgruppe: Scheitern §§ 253, 255 sowie § 249 StGB an anderen Tatbestandsvoraussetzungen als der Wegnahme bzw. der tatbestandlichen Opferreaktion, ist der Streit
kurz zu erwähnen, jedoch nicht zu entscheiden, da die Strafbarkeit ja ohnehin an anderen
Tatbestandsvoraussetzungen scheitert. Ein Beispiel für diese Fallgruppe wäre es, wenn
der Täter dem Opfer eine Sache als Pfand für die Bezahlung von Schulden wegnimmt. In
einem solchen Fall wäre nach Ansicht von Literatur und Rechtsprechung § 249 StGB
mangels Zueignungsabsicht und § 255 StGB mangels Stoffgleichheit zwischen Vermögensvorteil und eingetretenem Schaden nicht einschlägig.
4. Fallgruppe: Der Streit ist darzustellen und zu entscheiden, wenn § 249 StGB an der
Zueignungsabsicht scheitert und sich so das Problem der Anwendbarkeit von §§ 253,
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255 StGB stellt. Ein Beispiel dafür ist eine mit Gewalt erzwungene Taxi-Spritztour (mit
Rückführungswillen). Nach Ansicht der Rechtsprechung ist in diesem Fall zwar der objektive Tatbestand von § 249 StGB erfüllt, der subjektive Tatbestand scheitert jedoch aufgrund des Rückführungswillens am Zueignungsvorsatz. §§ 253, 255 StGB wären dann jedoch anwendbar, da ein Vermögensnachteil ausreicht und keine Vermögensverfügung erforderlich ist. Es reicht aus, wenn die Wegnahme insoweit geduldet wird. Nach Ansicht
der Literatur scheitert § 249 StGB aus den gleichen Gründen. §§ 253, 255 StGB scheitern jedoch ebenfalls, da keine Vermögensverfügung, sondern eine Wegnahme vorliegt.
5. Fallgruppe: Für den Fall dass die Wegnahme in § 249 StGB aufgrund einer Mitwirkung des Opfers beim Gewahrsamswechsel problematisch ist, ist der Streit in der Prüfung von § 249 StGB darzustellen und zu entscheiden. Ein Beispiel für diese Fallgruppe
ist das Bedrohen des Opfers mit einer Schusswaffe, um es zur Herausgabe seiner Geldbörse zu bewegen. Die Rechtsprechung sieht darin nach dem äußeren Erscheinungsbild
eine Weggabe und kommt so zur Anwendung von §§ 253, 255 StGB. Die Literatur grenzt
nach der inneren Willensrichtung des Opfers ab. Da das Opfer in diesem Fall keine Wahl
hat, liegt eine Wegnahme vor. Auch die Alternative, sich erschießen zu lassen, würde zum
Gewahrsamsverlust führen.
Da im vorliegenden Fall die Fallgruppe 1 einschlägig ist, ist in der Prüfung nur kurz
festzustellen:
§§ 253, 255 StGB sind nach Ansicht der Rechtsprechung zwar erfüllt, treten jedoch hinter
dem spezielleren § 249 StGB zurück. Nach Auffassung der Literatur kommt eine Strafbarkeit aus §§ 253, 255 StGB nicht in Betracht, da es an einer tatbestandlichen Opferreaktion fehlt.
III. Strafbarkeit aus § 316a StGB
T könnte sich gem. § 316a Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem O sein
Handy wegnahm, als dieser an einer roten Ampel wartete.
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1. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
Indem T dem O den Sicherheitsgurt in den Hals drückte, hat er diesen sowohl
körperlich als auch in seiner Entschlussfreiheit angegriffen. O befand sich im Auto an einer roten Ampel und war somit auch Kraftfahrzeugführer.
T müsste außerdem die besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs ausgenutzt
haben. Unter besonderen Verhältnissen des Straßenverkehrs versteht man eine
sich aus dem fließenden Straßenverkehr ergebende, ihm eigentümliche Gefahrenlage durch die Ablenkung des Verkehrsteilnehmers. Dazu muss die Aufmerksamkeit des Fahrers auf die Bewältigung des Verkehrsvorgangs oder auf die Beobachtung der Verkehrssituation gerichtet sein. Hierzu gehört auch ein verkehrsbedingter Halt an einer roten Ampel, da die Aufmerksamkeit des Kraftfahrzeugführers
hier gerade auf die Beobachtung der Verkehrssituation gerichtet ist, da er jeden
Moment mit einem Umschalten der Ampel rechnen muss. Dem ist vorliegend der
Fall, sodass von einem Ausnutzen der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs durch T auszugehen ist.
T müsste dies nun auch ausgenutzt haben. Das heißt, er müsste eine Situation vorgefunden haben, in der das Opfer einer dem fließenden Verkehr eigentümlichen
Gefahrenlage ausgesetzt war und im Bewusstsein und mit Willen diesbezüglich
gehandelt haben. O war vorliegend angeschnallt und musste jederzeit mit einem
Umschalten der Ampel rechnen. Er war also abgelenkt und war zudem – bedingt
durch die Einhaltung des § 21a Abs. 1 S. 1 StVO sowie durch die Beobachtung
der Verkehrssituation – in seinen Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Der objektive Tatbestand des § 316a StGB ist daher verwirklicht.
Vertretbar ist es selbstverständlich auch, das gemischt objektiv-subjektive Merkmal des Ausnutzens der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs in ein objektives Merkmal des Vorliegens besonderer straßenverkehrsrechtlicher Verhältnisse und ein subjektives Merkmal des Ausnutzens zu unterteilen und dieses im
subjektiven Tatbestand zu prüfen.
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b) Subjektiver Tatbestand
T handelte vorsätzlich bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Weiterhin handelte T auch mit der Absicht der Begehung eines Raubes.
[Vorsicht! Hier ist die Absicht ausreichend; der Raub muss nicht tatsächlich begangen werden.]
2. Rechtswidrigkeit und Schuld
T handelte rechtswidrig und schuldhaft
3. Ergebnis
T hat sich gem. § 316a Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
4. Konkurrenzen
§ 316a StGB und §§ 249, 250 StGB stehen in Idealkonkurrenz zueinander. Es liegt
folglich eine tateinheitliche Begehung vor (§ 52 StGB).
IV. Strafbarkeit aus § 252 StGB
T könnte sich außerdem gem. § 252 StGB strafbar gemacht haben, indem er, nachdem er
O das Handy abgenommen hatte, dem P im Lauf seinen Ellenbogen derart in den Magen
schlug, dass dieser benommen liegen blieb, und anschließend davon rannte.
1. Tatbestand
a) Objektiver Tatbestand
Zunächst müsste eine taugliche Vortat vorliegen. Dies kann nicht nur ein Diebstahl, sondern vielmehr auch ein Raub sein, da der Raub alle Diebstahlselemente
(Wegnahme einer fremden beweglichen Sache) vollständig enthält. T hat, wie
oben bereits gezeigt, einen Raub begangen.
Die Vortat müsste objektiv vollendet, aber noch nicht beendet, sein. Im vorliegenden Fall war der Raub vollendet, jedoch aufgrund der Tatsache, dass die Beute
noch nicht endgültig gesichert war, noch nicht beendet.
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Des Weiteren hat T auch Gewalt in Form der vis absoluta angewendet. Zudem
wurde er auch auf frischer Tat betroffen, da die Gewaltanwendung in einem engen
zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Vortat (dem Raub) stand.
b) Subjektiver Tatbestand
T handelte vorsätzlich hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale. Er handelte des Weiteren auch mit Beuteerhaltungsabsicht.
2. Rechtswidrigkeit und Schuld
T handelte rechtswidrig und schuldhaft.
3. Ergebnis
T hat sich gem. § 252 StGB strafbar gemacht.
V. Gesamtergebnis
T hat sich gem. § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. c, Abs. 2 Nr. 1 StGB in Tateinheit
(§ 52 StGB) mit § 316a Abs. 1 StGB strafbar gemacht. In Tatmehrheit (§ 53 StGB) hierzu steht der von T begangene räuberische Diebstahl nach § 252 StGB.
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