Programmheft - Universität Hamburg

Jenseits der Geschlechtergrenzen
Vortrage im
Sommersemester 2016
mittwochs 19 bis 21 Uhr
Von-Melle-Park 5
Raum 0079
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Die Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ setzt sich mit (hetero-)sexistischen, gesellschaftlichen, aber auch in der Wissenschaft (re)produzierten Hierarchisierungen, Normierungen und Ausgrenzungen auseinander. Dementsprechend geht
es dabei nicht nur um queere Theorie und Forschung, sondern auch um Möglichkeiten
des politischen Handelns. In unserer Reihe ist gerade die Beschäftigung mit der Simultanität und Verschränkung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse stärker in den
Vordergrund gerückt.
Themen wie Rassismus und Dis/ability spielen deshalb für unseren Begriff einer
queeren Vorlesungsreihe eine große Rolle. Gerne laden wir auch Aktivist*innen und
Künstler*innen ein, um den Blick über den Uni-Horizont hinaus zu erweitern.
Die Vorlesungsreihe bietet ein breites und interdisziplinäres Spektrum an Themen und
richtet sich ausdrücklich auch an außeruniversitäre Zuhörer*innen.
In diesem Heft finden sich Kurzbeschreibungen zu den vielfältigen und spannenden
Beiträgen des Sommersemesters 2016.
Wir wünschen viel Spaß beim Stöbern und vor allem vor Ort!
„Jenseits der Geschlechtergrenzen“ wird organisiert von der AG Queer Studies.
Aktuelles und Ankündigungen auf unserem Blog unter http://agqueerstudies.de/
Kontakt zu uns:
[email protected]
„JENSEITS DER GESCHLECHTERGRENZEN“ IM RADIO UND ALS PODCAST
Seit Mai 2005 hat die AG Queer Studies eine eigene Radiosendung beim Freien
Sender Kombinat (FSK) in Hamburg. Wir senden an jedem ersten und dritten Montag
im Monat jeweils von 14 Uhr bis 15.30 Uhr Vorträge aus der Reihe „Jenseits der
Geschlechtergrenzen“.
FSK ist zu empfangen über Antenne auf 93,0 MHz, im Kabelnetz bei 101,4 MHz (im
südlichen Schleswig-Holstein: 105,7 MHz) und als Stream auf
http://fsk-hh.org/livestream.
Die Ankündigungen zu den jeweiligen nächsten Sendungen findet ihr im FSK
Transmitter, dem Programmheft des FSK, und auf unserer Website
http://www.agqueerstudies.de.
In unserem Podcast, der über die Website zu beziehen ist, bieten wir außerdem
Vortragsmitschnitte der vergangenen Semester zum Download an.
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13.04.2016
Negation & Annihilation. Über Biphobie, Monosexismus und das ‚Verschwinden
Lassen’ des Phanomens der Bisexualitat
Dr. Christian Klesse, Senior Lecturer am Department of Sociology, Manchester
Metropolitan University
Das vorherrschende Sexualitätsverständnis ist von heteronormativen oder dualistischen Annahmen geprägt, nach welchen Menschen sowohl klar einem Geschlecht
zuzuordnen sind und sich im Normalfall auch heterosexuell begehrend, romantisch
auf das sogenannte andere Geschlecht beziehen; oder aber – dies jedoch nur im
Ausnahmefall! – sich als schwule oder lesbische Personen dem gleichen Geschlecht
zuwenden. Menschen, deren Partnerwahl nicht auf ein Geschlecht festgelegt ist,
erfahren häufig eine Infragestellung ihrer Sexualität. Der Juraprofessor Kenji Yoshino
stellt fest, dass das dominante Sexualitätsverständnis darauf angelegt ist, bisexuelle
Identitäten und Kultur unsichtbar zu machen, zum Verschwinden zu bringen.
Die Konzepte der Biphobie und des Monosexismus bieten sich an, um diese und
andere Formen der Verneinung, Abwertung und Stereotypenbildung hinsichtlich
bisexueller Lebensweisen oder nicht eindeutig geschlechtlich kodierter Begehrensmuster in ihrem materiellen Zusammenhang zu begreifen. Der Vortrag legt nahe,
dass Biphobie kein eindimensionales und universal operierendes, sondern vielmehr
ein vielschichtiges und dynamisches Machtverhältnis darstellt, das auch andere
Formen des Ausschlusses und der Diskriminierung mobilisiert.
Jüngere Forschungen verkomplizieren gängige Sichtweisen von Biphobie als ein
hauptsächlich symbolisches Gewaltverhältnis, welches sich auf stereotype Wahrnehmung reduzieren ließe. Biphobie strukturiert auch den Zugang zu Privilegien und
zu materiellen Ressourcen und Sicherheiten. Biphobiekritik ist somit ein wichtiger und
notwendiger Bestandteil effektiver intersektionaler Herrschaftskritik.
27.04.2016
Decolonize Your Veranstaltungsplanung aka Verantwortlich Veranstalten.
Epic Fails und Bessere Praxis für die Planung transformativer Projekte – Eine
Einführung
Noah Sow, Künstlerin, Autorin, Theoretikerin, Aktivistin, Hamburg
Es gibt viele Traditionen, wie in Deutschland kommuniziert und veranstaltet wird. Diese
Traditionen – und oft auch unhinterfragten "automatischen" Abläufe, Besetzungspolitiken und Programmpunkte – sind genauso gewachsen wie die gesellschaftlichen
Zustände, die wir verändern wollen. Wenn wir herkömmliche Regeln und Traditionen
befolgen, ohne sie zu hinterfragen, verlaufen selbst transformativ beabsichtigte
Veranstaltungen oft nicht vorteilhaft – und die politische veranstalterische Konzeption
und Praxis sabotiert ihre eigenen (vorgeblichen) Absichten.
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Auch Aktivist_innen unterlaufen planerische Automatismen, die mit ihren politischen
Zielen nicht im Einklang sind. Mit besonderem Augenmerk auf die Meta-Ebenen und
unterschiedlichen Interessens-, Macht- und Zumutungslagen, die sich aus unterschiedlichen Positioniertheiten ergeben, gibt der Vortrag eine Einführung in Noah Sows
aktuellen gesellschaftswissenschaftlichen und aktivistischen Arbeitsschwerpunkt. Wir
betrachten das Gerüst verschiedener klassischer Unhinterfragtheiten aktivistischer/
kultureller/kunst-und kulturpolitischer Veranstaltungsunternehmungen. Durch die
Sichtbarmachung werden Vor- und Nachteile identifiziert, analysiert und Raum wird
eröffnet für bewusstere und neue kuratorische/veranstalterische Experimente und
Freiheiten.
11.05.2016
Zur Situation von queeren Geflüchteten in Deutschland
Jouanna Hassoun, Sozialmanagerin, LSVD, Berlin
Aus welchen Ländern kommen die LSBTIQ Geflüchteten, welche Situation herrscht in
den Herkunftsländern? Mit welchen Strafen müssen Sie aufgrund der sexuellen
Orientierung/Identität rechnen?
Welche Herausforderungen begegnen queere Geflüchtete in Deutschland?
Welche Konflikte können entstehen in der Zusammenarbeit mit
geflüchteten/traumatisierenden Menschen
Vor welcher Situation steht die queere Community und wie können Sie sich
engagieren
Welche Informationsmöglichkeiten gibt es ?
01.06.2016
Arbeitsskizzen zu passing/belonging
Dr. Sushila Mesquita, Referat Genderforschung, Universität Wien &
Nick Prokesch, Queer-Filme-Macher, Bildproduzent und Graffitikünstler, Wien
Wir stehen am Beginn eines längeren (Film)Projekts, das sich mit unterschiedlichen
Formen von und Zugängen zu passing (als jemand „anderes“ Durchgehen) und
belonging (ein Gefühl des Dazugehörens) auseinandersetzt. Mit Hilfe von Videosequenzen und Zitaten wollen wir uns dem Spannungsverhältnis der beiden Figuren
annähern. Im Gespräch suchen wir von unseren unterschiedlichen Perspektiven als
trans/non-binary und weiß/nicht-weiß nach gemeinsamen Anknüpfungspunkten und
Formen des transdisziplinären Austauschs.
15.06.2016
Intersektionen Klasse und Geschlecht am Beispiel von Interventionen in den
feministischen Mainstream der 80er und 90er – Arbeiter_innentöchter und
Prololesben
Tanja Abou, Institut für Klassismusforschung, pädagogische Tresenkraft,
Sozialarbeiterin, Social-Justice-Trainerin und Kinderbuchautorin, Berlin
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In dem Vortrag werden verschiedene Formen der Selbstorganisation nicht-bürgerlicher
Feminist_innen der 1980er und 1990er Jahre vorgestellt und aufgezeigt, wie Mehrfachzugehörigkeit(en) sich verschränken und Ausschlüsse verstärken können.
Der Begriff Intersektionalität wurde zum ersten Mal von der US-amerikanischen Juristin
Kimberlé Crenshaw verwendet. Der Begriff beschreibt die Überschneidung verschiedener Diskriminierungen in einer Person. Diese Diskriminierungen können nicht
einfach zusammen addiert werden, sondern führen zu spezifischen Diskriminierungserfahrungen. Crenshaw nutzt das Bild einer Kreuzung (intersection), um die spezifische Diskriminierung von Schwarzen Frauen sichtbar zu machen. Jede Straße steht
für eine strukturelle Diskriminierung – bei Crenshaw Rassismus und Sexismus. Für
eine Schwarze Frau erhöht sich das Risiko eines Unfalls, weil sie sowohl von
Rassismus als auch von Sexismus betroffen sein kann.
Im deutschsprachigen Raum war es Clara Zetkin, die auf den Zusammenhang von
Klasse und Geschlecht aufmerksam machte und die bürgerliche Frauenbewegung
dafür kritisierte, dass sie sich nur für ihre Interessen einsetze. Die Diskussion wurde
von den Arbeiter_innentöchtern und den Prololesben weiter geführt. Sie kritisierten,
dass die Bürgerlichen in der damaligen FrauenLesben-Bewegung den Ton angaben.
Die Arbeiter_innentöchter waren organisierte Feminist_innen, die an Universitäten
studierten und auf ihre spezifische Situation aufmerksam machten und auch Kolloquien für Betroffene anboten. Eine Gruppe gab zum Beispiel den Reader "Kommen sie
auch aus der Bildungsferne?" heraus. Die Prololesben waren Teil – oder eben nichtTeil – der autonomen FrauenLesbenbewegung, an der sie kritisierten, dass nichtBürgerliche sich anpassen müssten, um nicht unangenehm aufzufallen oder um
überhaupt ernst genommen zu werden.
29.06.2016
Return the gaze! – Performative Strategien für queer-feministischen Widerstand
Julischka Stengele, freie Künstlerin, Kulturarbeiterin und Aktivistin, Wien
Die Auseinandersetzung mit dem Blick, das Verhältnis von anschauen und angeschaut
werden ist in meiner künstlerischen Arbeit von zentraler Bedeutung. Dabei interessiert
mich insbesondere der Blick auf gesellschaftlich diskriminierte Körper, sowie der Blick
von jenen, die diskriminiert werden, auf sich selbst und die unterdrückenden Mechanismen. In meiner Kunst wie auch in meiner Lohnarbeit als Aktmodell erprobe ich Strategien für
das Zurückgeben solcher Blicke. Mein eigener Körper und die gesellschaftlichen
Verhältnisse, in die er eingebunden ist, sind sowohl Inhalt als auch Ausdrucksmittel.
Die Bühne – ob im Theater, dem Aktzeichensaal oder auf der Straße – dient mir als
Austragungsort für selbstbestimmte Sichtbarkeit. Vorgefertigten Bildern setze ich
eigene entgegen – unbequeme, widerständige, bestärkende.
In diesem performativen Vortrag stelle ich eine Auswahl meiner Projekte und Strategien vor, die zeigen sollen, wie queer-feministische und künstlerische Praxen zusammenwirken können.
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13.07.2016
Queer DisAbility Studies und Crip Theory
Mag.a Elisabeth Magdlener, Vorsitzende des Vereins CCC** - Change Cultural
Concepts, Lehrende der Queer DisAbility Studies, Aktivistin, Teil der CommunityTanzbewegung DanceAbility und A.D.A.M. (Austrian DanceArt Movement)
Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Zentrum für Disability Studies (ZeDis)
statt und wird schriftgedolmetscht.
In den letzten Jahren entwickelte sich im anglo-amerikanischen Raum ein neuer
Forschungszweig von Betroffenen für betroffene Aktivist_innen, Theoretiker_innen und
ihre Mitstreiter_innen, die Queer DisAbility Studies. Sie haben sich aus der Verknüpfung von Gender- und Feminist Studies sowie Disability Studies herausgebildet.
In einer kulturwissenschaftlichen Herangehensweise setzen sich die Queer Dis_ability
Studies gesellschaftsanalytisch mit Normierungsstrukturen, Macht- und Gewaltverhältnissen auseinander, die in unserem normierenden Gesellschaftssystem verankert sind.
Dieser Vorlesungsbeitrag im Rahmen der Vortragsreihe „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ soll eine erste Annäherung an Queer DisAbility Denkungsweisen sein. Dabei
werden unterschiedliche Thematiken des Umgangs mit Normvorstellungen gesellschaftskritisch beleuchtet.
Koordination:
Prof. Dr. Marianne Pieper, Hamburg,
organisiert von der AG Queer Studies, Hamburg
Mit besonderem Dank an das
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Allgemeines Vorlesungswesen
Sommersemester 2016
Jenseits der Geschlechtergrenzen
MITTWOCHS, 19
– 21 Uhr, Raum 0079 im Von-Melle-Park 5
13.04. Negation & Annihilation. Über Biphobie, Monosexismus und das
‚Verschwinden Lassen’ des Phanomens der Bisexualitat
Dr. Christian Klesse, Senior Lecturer am Department of Sociology, Manchester
Metropolitan University
27.04. Decolonize Your Veranstaltungsplanung aka Verantwortlich Veranstalten.
Epic Fails und Bessere Praxis für die Planung transformativer Projekte –
Eine Einführung
Noah Sow, Künstlerin, Autorin, Theoretikerin, Aktivistin, Hamburg
11.05. Zur Situation von queeren Geflüchteten in Deutschland
Jouanna Hassoun, Sozialmanagerin, LSVD, Berlin
01.06. Arbeitsskizzen zu passing/belonging
Dr. Sushila Mesquita, Referat Genderforschung, Universität Wien &
Nick Prokesch, Queer-Filme-Macher, Bildproduzent und Graffitikünstler, Wien
15.06. Intersektionen Klasse und Geschlecht am Beispiel von Interventionen in
den feministischen Mainstream der 80er und 90er – Arbeiter_innentöchter
und Prololesben
Tanja Abou, Institut für Klassismusforschung, pädagogische Tresenkraft,
Sozialarbeiterin, Social-Justice-Trainerin und Kinderbuchautorin, Berlin
29.06. Return the gaze! – Performative Strategien für queer-feministischen
Widerstand
Julischka Stengele, freie Künstlerin, Kulturarbeiterin und Aktivistin, Wien
13.07. Queer DisAbility Studies und Crip Theory
Mag.a Elisabeth Magdlener, Vorsitzende des Vereins CCC** - Change Cultural
Concepts, Lehrende der Queer DisAbility Studies, Aktivistin, Teil der CommunityTanzbewegung DanceAbility und A.D.A.M. (Austrian DanceArt Movement)
Koordination: Prof. Dr. Marianne Pieper, organisiert von der AG Queer Studies Hamburg,
http://agqueerstudies.de
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