Predigt vom 12. Juli 2015

You-Be
12. Juli 2015 (6. So. n. Tr.) – Jes 43, 1
Liebe Gemeinde,
sie sollen ja nicht nur optische Eindrücke von unserer Freizeit bekommen in
Form des unrasierten Pfarrers, sondern auch mithineingenommen werden in
ein zentrales Thema unserer Tage in Coutainville – nämlich die Bibelarbeiten
morgens, die unter dem Thema standen: YouBe. YouBe, das ist ein Kunstwort,
grammatikalisch gar nicht mal korrekt, das sich zusammensetzt aus den
englischen Wörtern You –Du – und be –bist.
You Be – wir haben das Wort dann dreimal erweitert
1. You be-long, also die Einladung: du gehörst dazu
2. You be-lieve, also die Ermutigung: du glaubst, bist zum Glauben
eingeladen, du darfst glauben
3. You be-have: also die Herausforderung: dass du wissen darfst, wohin zu
gehörst und dass du glauben kannst, all das ist viel zu wichtig, als dass es
für dich folgenlos bleiben dürfte. Es hat Einfluss auf dein Verhalten: du
verhältst dich - anders, weniger auf dich selbst bezogen, freigiebiger,
gnädiger, liebevoller; seitdem du weißt, zu wem du gehörst und an wenn
du glauben darfst
You belong, you believe, you behave – ich möchte diese Spur noch einmal uns
aufgreifen und sie heute Morgen und nächsten Sonntag nachzeichnen; und
zwar anhand des Bibelverses, der als Spruch über diese Woche steht. Er ist uns
bereits begegnet zu Beginn des Gottesdienstes und in der Lesung.
Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob und dich gemacht hat,
Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem
Namen gerufen; du bist mein“ (Jes 43, 1)
Du gehörst dazu – zu Gott, dem Herrn, der sich geschaffen hat und dich
gemacht hat – sein bist du!
Du glaubst – das darfst du ihm vom Herzen glauben: du brauchst dich nicht zu
fürchten, denn er hat dich erlöst
Du verhältst dich – so ganz neu und anders, denn er hat dich ja bei deinem
Namen gerufen
You belong, you believe you behave. Ich möchte den ersten Schritt mit uns
gehen – den Schritt: You Belong. Du gehörst zu Gott. Er hat dich geschaffen, so
bekennt es die Bibel und damit sagt sie etwas, das ihr so grundlegend wichtig
ist, dass damit ihre Geschichte beginnt. Gott hat dich geschaffen. Du bist sein
Geschöpf, das bedeutet Idee, Wunschkind, gewollt, bedacht und geehrt! Kein
Zufall, kein Unfall, kein Grund zum Missfallen. Du bist geliebtes Geschöpf, das
darfst du sein. Geadelt, begabt, getragen, gewollt. Gottes Geschöpf. Mehr
musst du nicht sein. Kein Übermensch, kein Gott, kein Alleskönner, kein
Jedermannsgefaller, kein Es-Allen-Recht-Machen-Müsser. Diese Vorgabe musst
du nicht erfüllen. Vorgegeben ist dir einzig, dass er dich geschaffen hat, du sein
liebevoller Gedanke bist. Das kann dir keiner nehmen. Übrigens nicht einmal du
dir selber. Du kommst nicht aus dem Nichts, bist keine Laune der Natur. Du
gehörst zu ihm, der dich geschaffen hat.
Aber: er hat dich nicht nur geschaffen. Er hat dir nicht nur das Leben geschenkt,
dich nicht allein ins Leben gerufen. Er hat dich auch gemacht. Geschaffen und
gemacht. Da ist im Hebräischen ein großer Unterschied: Geschaffen, das ist der
Anfang, den Gott gemacht hat. Gemacht ist, was er daran angeschlossen hat. Er
hat etwas aus deinem Leben gemacht, dich geformt und geprägt, ist an dir am
Werke, verleiht dir deine unverlierbare Identität.
Wir meinen ja oft, wir sein das, was das Leben aus uns gemacht hat. Und dann
sehen wir auf die Verletzungen, das Unversöhnte, die vielen Versäumnisse und
das nicht Wiedergutzumachende, das uns in unserem Leben bislang begegnet
ist. Wir sehen dann, wie unsere Fehler aus der Vergangenheit bis in unsere
Gegenwart nach uns greifen und fühlen uns durch sie festgelegt. Wir entdecken
auch manches, das noch nicht einmal wir selber und selber verzeihen können,
manches, in das wir immer wieder zurückfallen und von dem wir meinen, wir
kämen damit nicht mehr aus unserer Haut. Wir spüren den Schmerz der
Erinnerung und meinen, wir seien dem allem ausgeliefert.
Sind wir, was das Leben aus uns gemacht hat?
Oder nicht doch, was Gott aus uns gemacht hat, immer noch macht und auch
weiterhin machen wird?
Er hat dich gemacht. So spricht es uns die Bibel zu. Und damit weitet sie
unseren Blick.
Gleich nachdem er dich geschaffen hat, hat er etwas in Gang gesetzt, ging sein
Werk an dir weiter. Auf Adelers Fittichen hat er dich seither sicher geführet.
Deinen Stand hat er sichtbar gesegnet. Aus den Himmeln hat er mit Wolken der
Liebe geregnet (Joachim Neander, Lobe den Herren, den mächtigen König der
Ehren, eg 317). Auf dich. Denn er hat dich ja nicht aus den Augen verloren,
nachdem er dich einmal in diese Welt hineingesetzt hatte. Er ist dir auch
danach noch begegnet, hat dich beschützt und getragen, dich geformt und
geprägt. Hat bei dir angeklopft, ist dir nachgegangen, hat um dich gekämpft
und gerungen. Auf der Achterbahn zwischen Hoffen und Bangen, in den
Widerfahrnissen, die dir begegnet sind, ist er nicht von dir gewichen, hat um
dein Vertrauen geworben, auf sich aufmerksam gemacht und dich gebeten,
ihm ganz und gar zu vertrauen. Er hat dir Christus durch einen anderen
Menschen groß vor Augen gemalt, dich eingeladen, dein Herz seiner Liebe zu
öffnen und zu vertrauen. Da hat sich dein Leben von Grund auf gewandelt, bist
du nicht länger nur sein Geschöpf geblieben, sondern sogar ein „neue Kreatur“
(2. Kor 5, 17) geworden, jemand, in dem das Alte vergangen ist, weil der Heilige
Geist Einzug genommen hat, um in dir zu wirken. Vieles konnte seitdem aus
unserem Leben weichen, seinen Einfluss verlieren. Manche Illusion vom Leben
konnte endlich Gottes Vorstellungen weichen, Angewohnheiten verschwinden.
Dankbarkeit und Hoffnung Einzug nehmen. Frieden hat sich seitdem
ausgebreitet. Geschaffen hat er dich. Das ist der Angang, den er gesetzt hat.
Gemacht hat er dich daraufhin zu dem, was du heute sein darfst. Neues
Geschöpf, geliebtes Kind Gottes, von seiner Liebe und Vergebung getragen und
wunderbar gemacht (Psalm 139, 14).
Von Gott geschaffen und gemacht. Und deshalb sind wir mehr als alles, was
das Leben aus uns macht. Wie gut, das glauben zu dürfen, dass wir nicht
ausgeliefert sind den Mächten und Gewalten, nicht ausgesetzt sind den
dunklen Seiten des Lebens und nicht festgelegt sind auf das, wie das Leben
bislang zu uns war.
Aber wir sind auch mehr, als alles, was wir aus unserem Leben machen, mehr
als die großen oder kleinen Erfolgsgeschichten, die wir vorzuweisen haben und
um die andere uns beneiden. Wir verdanken unsere Existenz eben nicht uns
selber und sind auch nicht allein dafür zuständig, dass unser Leben zur
Erfüllung kommt. Wir sind nicht dem Diktat der Selbstvervollkommnung
ausgeliefert, brauchen uns nicht hetzen lassen oder unseres Glückes Schmied
sein! Wir müssen uns nicht selber immer neu definieren, uns nicht selber
konstruieren, uns nicht erst einmal eine eigene Identität zurechtlegen. Nicht
wir machen uns. Sondern: Er macht uns. Was für eine gute Nachricht, gerade in
einer Zeit, in der viele meinen, das Gelingen ihres Lebens hinge in erster Linie
von ihnen selber ab. Wie oft stößt gerade diese Vorstellung uns an unsere
Grenzen. Nein: Er hat uns geschaffen. Er hat uns gemacht. Und er bleibt bei uns
am Werke, sitzt auch in uns im Regimente. Was wir sind und wer wir sind,
hängt nicht an dem, was wir aus unserem Leben machen, sondern wird uns
durch Gottes Wort zugesprochen aus lauter Gnade allein um Jesu willen.
Geschaffen und gemacht zu dem, was wir in seinen Augen sind.
Aber auch damit ist sein Werk an uns noch lange nicht beendet, seine Pläne
mit uns noch nicht an ihr Ziel gekommen. Denn das steht ja vielleicht noch aus:
Er, der uns unsere Identität gegeben hat, träumt nun auch den ganz großen
Traum für unser Leben. Es soll weitergehen. Wir sollen mehr und mehr etwas
sein zum Lobe seiner Herrlichkeit (Eph 1, 6.12.14), so sagt es sein Wort und gibt
uns damit die weitere Richtung vor. Ihm immer ähnlicher werden –
jesusgemäßer und gottergebener werden. Das ist das Bild, das er von uns hat
und das sich nun auch mehr und mehr in uns ausbreiten soll. Ja, an uns soll
sichtbar und erkennbar werden, was durch ihn an Verwandlung möglich ist.
Etwas sein zum Lobe seiner Herrlichkeit. Und dafür wird er auch weiterhin in
uns wirken, an uns arbeiten, wird die Geduld mit uns nicht verlieren und unser
Versagen nicht zum Anlass nehmen uns aufzugeben. Unsere Rückschläge
werden ihn nicht von Kurs abbringen. Unsere Schuld wird ihm noch manche
Arbeit kosten (Jes 43, 24), seine Geduld mit uns ist deshalb aber noch lange
nicht am Ende und seine Gnade bleibt jeden Morgen neu. Er bleibt an uns dran,
wird uns weiterhin liebevoll korrigieren, aufrichten und ermutigen, die Schuld
vergeben, uns wachsen und reifen lassen, jeden Tag ein bisschen mehr, wenn
wir es zulassen. Heilsame und heilende Prozesse bringt er damit in Gang, bis
wir tatsächlich eines Tages von ihm dorthin geführt sein werden, dass wir alle
in unserem Glauben und in unserer Kenntnis von Gottes Sohn zur vollen Einheit
gelangen und dass wir eine Reife erreichen, deren Maßstab Christus selbst ist
in seiner ganzen Fülle (Eph 4, 13).
Ganz und vollkommen. Dazu will er uns machen. Dahin den Weg, den er mit
uns begonnen hat, an sein Ziel führen – Christus in seiner ganzen Fülle in uns
und wir bei ihm.
Als wir in Coutainville abends in der Kapelle zur Andacht und zum Praisen
zusammenkamen, da haben wir oft ein Lied gesungen, das die Spur – You
belong aufnimmt und uns in einer ganz tiefgehenden Weise zuspricht, zu wem
wir gehören. Es stammt von der Band Casting Crowns und heißt auf Deutsch:
„Wer bin ich?“
Who am I, that the Lord of all the earth
Wer bin ich, dass der Schöpfer dieser Erde
Would care to know my name,
mich überhaupt beim Namen kennt
Would care to feel my hurt?
und sich um meine Schmerzen kümmert?
Who am I, that the Bright and Morning Star
Wer bin ich, dass Jesus, der helle Morgenstern
Would choose to light the way
überhaupt meinen Weg mit seinem Licht erhellt
For my ever wandering heart?
Not because of who I am
Was ich bin, bin ich nicht wegen dem, war ich meine zu sein
But because of what You've done.
Sondern wegen dem, was du, Gott für mich gemacht hast
Not because of what I've done
All das, was ich bin, bin ich nicht wegen dem, was ich gemacht habe
But because of who You are.
Sondern wegen dem, wer du bist
I am a flower quickly fading,
Ich bin eine Blume, die schnell verblüht
Here today and gone tomorrow.
heute hier und morgen verschwunden
A wave tossed in the ocean.
Eine Welle, die ans Ufer gespült wird
A vapor in the wind.
Ein Dampf, der vom Wind verweht wird
Still You hear me when I'm calling.
Dennoch hörst du mich, wenn ich dich rufe
Lord, You catch me when I'm falling.
Du fängst mich, wenn ich falle
And You've told me who I am.
Und sagst mir, zu wem ich gehöre
I am Yours, I am Yours.
Ich bin dein!
Zu diesem Gott gehörst du. You belong. Er hat dich geschaffen und gemacht.
Sein bist du! Etwas Besseres kann uns nicht passieren. Amen.