Appendix oder Anwalt von morgen?

Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
1 von 7
Status RAA – Appendix oder Anwalt von morgen?
Zur Autorin:
Mag. Silke Santner. Die Autorin ist Rechtsanwaltsanwärterin in der Rechtsanwaltssozietät KonradSchinko & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, Mitglied des Ausschusses der Steiermärkischen
Rechtsanwaltskammer aus dem Kreis der Rechtsanwaltsanwärter und daher Mietglied der AG-RAA
sowie Vorstandsmitglied des Steiermärkischen Konzipientenverbandes (SKV).
Der Berufswunsch Anwalt zu werden, ist auf viele Motive zurückzuführen: Neben einer umfassenden
rechtsberatenden Tätigkeit, neben Verantwortung, Ansehen sowie den Ver-
dienstmöglichkeiten an sich, prägt üblicher Weise auch das Unternehmerdasein mit allem,
was dazu gehört, das Berufsbild des Rechtsanwaltes. Doch ist es das wert? Vermag die
zielorientierte Verfolgung der Chance, Rechtsanwalt zu werden, ein temporäres Dasein als
letztes Glied in der Kette, als Weisungsempfänger und Kämpfer für Grundrechte, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitslohn, Ausbildung und Urlaub, zu rechtfertigen? Der
Weg als „Appendix“ ist steinig und prägend, jedoch auch bildend und prüfend. Sprüche wie
„Aller Anfang ist schwer“ oder „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ treffen wohl auf viele Berufsanfänger aller Berufssparten zu, doch beschreiben beide Aussagen den Berufseinstieg
eines Rechtsanwaltsanwärters (RAA) in die Anwaltschaft besonders eindrucksvoll.
Gerade das Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich absolviert und die Entscheidung
für den beruflichen Werdegang als Rechtsanwalt (RA) getroffen, kommt man nun in den Genuss, die nächsten (fünf) Jahre damit zuzubringen, dem anwaltlichen Berufsalltag sowie der
Horizonterweiterung durch Aus- und Fortbildung zu frönen. Jene Zeit als „Appendix der Anwaltschaft“ entspricht streng genommen, einem Studium nach dem Studium, wobei nun zum
ersten Mal „in medias res“ gegangen wird und daher der Praxisbezug – in all seinen Facetten – auf der Tagesordnung steht.
I.
Am Anfang war der „Appendix“
Trifft man als Jurist die Entscheidung, eine derartige weitere Ausbildung als RAA zur Erlangung der Berufsvoraussetzungen eines RA zu absolvieren, so hat dieser bereits im Vorfeld
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
2 von 7
die erste Grundsatzentscheidung zu treffen – in welchem Bundesland möchte ich tätig sein?
Wo genau soll mein Ausbildungs- und Dienstort liegen? Insbesondere für steirische Konzipienten stellt sich zumeist die Frage - Steiermark oder Wien? Hinzu kommt die Arbeitsmarktsituation, welche – wie in allen Berufssparten – von der Relation zwischen Angebot und Nachfrage geprägt ist. Die Hochschulstatistik 1 der STATISTIK AUSTRIA spricht eine deutliche
Sprache: Die Zahl der JUS-Studenten ist mit 41.856 2 Studierenden im Wintersemester
2014/2015 hoch wie nie zuvor. Nun belegen doppelt so viele Studenten wie noch vor 10 Jahren die Fachrichtung „Rechtswissenschaften“. Auch die Zahl3 der einschlägigen Studienabschlüsse ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Derzeit wirken rund 2.000 JUSAbsolventen in jobsuchender Weise auf den Arbeitsmarkt in Österreich ein.
Jener Anstieg der Zahl der Studierenden sowie der facheinschlägigen Studienabschlüsse
erhöht nun auch die Nachfrage nach Jobs, was wiederum im Bereich der RAA zu einer (weiteren) Steigerung des Wettbewerbes führt. Mit Stichtag 31.12.2014 können in Österreich
2.072 RAA verzeichnet werden, welche im jeweiligen Bundesland in die dort geführte Liste
der RAA eingetragen sind. Dass auch schon vor 10 Jahren, also im Jahr 2004, österreichweit 1.886 Personen als RAA tätig waren, verdeutlicht, dass der Arbeitsmarkt den Bedarf an
Ausbildungsplätzen nicht proportional zur erhöhten Stellen-Nachfrage zu decken vermag.
Das Fazit: Die Wahl des Dienst- und Ausbildungsortes wird maßgeblich durch das jeweils
aktuelle Stellenangebot geprägt.4
1
2
3
4
Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Ordentliche Studierende an öffentlichen Universitäten 1955 –
2014, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/ formales_bildungswesen/universitaeten_studium/index.html (29.09.2015).
Anm.: Waren es im WS 04/05 lediglich 21.888 Personen, welche an einer öffentlichen, österreichischen Universität JUS belegten, so hat sich die Anzahl der JUS-Studenten WS 14/15
(41.856 Personen) fast verdoppelt (Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Ordentliche Studierende an öffentlichen Universitäten 1955 – 2014, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen
_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/universitaeten_studium/index.
html (29.09.2015)).
Anm.: Die Studienabschlussrate im Studium der Rechtswissenschaften belief sich im WS
04/05 auf 1.643 Absolventen, wohingegen im WS 13/14 in diesem Studienfach bereits 2.031
Abschlüsse vorliegen (Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Studienabschlüsse inländischer ordentlicher Studierender an öffentlichen Universitäten 1971 – 2014, http://www.statistik.at/web_de/
statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/formales_bildungswesen/bildungsabschluesse/index.html (30.09.2015).
Vgl. Koller, Berufseinstieg: Umbrüche am Arbeitsmarkt, http://karrierenews.diepresse.com/
home/karrieretrends/juristen/742851/Berufseinstieg_Umbruche-am-Arbeitsmarkt (29.09.2015).
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
3 von 7
II.
Exkurs Zahlen und Fakten5
Zum 31.12.2014 zählt die RAK Steiermark 724 Standesmitglieder, davon sind 181 Mitglieder
Rechtsanwaltsanwärter und 543 Rechtsanwälte. Das bedeutet, dass knapp 0,0593 % der
Bevölkerung der Steiermark (rund 1,22 Mio Einwohner6) als RA bzw. RAA tätig sind. Demgegenüber weist die RAK Wien einen Mitgliederstand von insgesamt 4.000 Personen auf,
wobei sich jener Stand aus 2.788 Anwälten und 1.212 Berufsanwärtern zusammensetzt.
Daraus folgt, dass in Wien knapp 0,2235 % der rund 1,79 Mio Einwohner dem Beruf des
Rechtsanwaltsanwärters bzw. des Anwaltes nachgehen.7
Vergleicht man die Dichte der Rechtsanwälte in den Städten Wien und Graz, so zeigt sich
schnell, was längst vermutet wird: In der Metropole Wien herrscht eine größere Verdrängung
und ein höheres Wettbewerbsaufkommen als beispielsweise im Ballungszentrum Graz. Mit
anderen Worten: Während in Wien ein Anwalt auf rund 642,04 Einwohner kommt, entfallen
in Graz 805,41 Einwohner auf einen RA, da rund 340 Personen der Grazer Gesamtpopulation (273.838 Einwohnern) als RA tätig sind.8
Stellt man nun die beiden Kammern, Wien und Steiermark, vergleichend gegenüber, so lässt
sich in Hinblick auf den Frauenanteil im Stand folgender Schluss ziehen: In der RAK Wien
sind lediglich 23,39 % der RA (652 von 2.788 RA), jedoch 48,02 % der RAA (582 von 1.212
RAA) weiblich. Daraus folgt, dass die Frauenquote von knapp unter 50 % während der Ausbildungszeit als RAA auf unter 25 % als RA sinkt. Nur rund ein Viertel der Rechtsanwälte in
Wien sind daher Frauen.
Ähnlich stellt sich die Situation in der Steiermark dar, da sich der Anteil der Frauen unter den
steirischen RA dieser Orts auf 17,68 % (96 von 543 RA) und unter den RAA auf 49,17 % (89
von 181 RAA) beläuft. Auch hier wird deutlich, dass der Frauenanteil in der Rechtsanwaltschaft von knapp 50 % während der Ausbildungszeit als RAA auf unter 20 % des Berufsstandes als RA sinkt.
5
6
7
8
Anm.: Die übrigen Bundesländer (NÖ, OÖ, V, T, B, S, K) bleiben hier zur Vermeidung einer
thematischen Ausuferung dieser Abhandlung wertungsfrei außer Betracht.
Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Regionale Gliederungen – Bundesländer, http://www.statistik.at/
web_ de/klassifikationen/regionale_gliederungen/bundeslaender/index.html (28.09.2015).
Vgl. ÖRAK, Mitgliederzahlen, https://www.rechtsanwaelte.at/kammer/kammer-in-zahlen/mitglieder/ (30.09.2015).
Vgl. ÖRAK, Tätigkeitsbericht 2015, 45.
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
4 von 7
Trotz der Autonomie der einzelnen Rechtsanwaltskammern sowie der jeweiligen Bundesländer kann also bundesweit ein deutlicher Rückgang der weiblichen Beteiligung im Stand der
Rechtsanwälte verzeichnet werden. Obwohl die Erwerbsquote bei Frauen zwischen 15 und
64 Jahren generell ansteigt und 2014 bereits 70,8 % erreichte (2004 betrug die Quote nur
63,5 % 9 ), ist die Erhöhung der weiblichen Beteiligung im Erwerbsleben laut STATISTIK
AUSTRIA lediglich auf eine Ausweitung der Teilzeit- und Geringfügigkeitsbeschäftigungen,
und nicht auf einen direkten Anstieg des (weiblichen) Arbeitsvolumens zurückzuführen. 10
Jene Situation spiegelt sich auch in der an sich teilzeit- und geringfügigkeitsimmunen Arbeitswelt der Rechtsanwälte Österreichs wieder: Nur rund ein Fünftel (20,37 %) aller österreichischen Anwälte sind Frauen (1.210 von 5.940 RA), obwohl sich der weibliche Anteil im
Stadium der Berufsausbildung auf rund die Hälfte (48,50 %; dies entspricht 1.005 von 2.072
RAA) aller Berufsanwärter beläuft. Jene fehlende Attraktivität des Berufes des RA für Frauen
ist wohl auf eine Vielzahl von Gründen zurückzuführen, wobei hier (unter anderem) die steigende Verantwortung, die Schwierigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das immer
weniger kalkulierbare Unternehmerrisiko, die fehlende Planbarkeit des (selbstständigen) Einkommens und die stete Bemühung zur Minimierung des Haftungsrisikos als permanente
Wegbegleiter im Vordergrund stehen.11
III.
Heute RAA – morgen RA? – Ein Überblick
Jeder RAA muss daher für sich selbst entscheiden, ob er einer Großkanzlei, einem mittleren
Kanzleibetrieb oder doch einer ländlichen Familienkanzlei oder einem Einzelanwalt als Ausbildungsstätte den Vorzug gibt. In jeden Fall ist eine gute Portion Selbstbewusstsein und
große Wissbegierde bereits in der Ausbildungszeit klar von Vorteil. Auch die soziale Kompetenz (besser bekannt als soft skills) gehört – neben vielen anderen Accessoires – zum täglichen Repertoire eines jeden RAA. Egal ob gegenüber Mandanten, Gerichten und Behörden,
im Verhältnis zu anderen RA oder RAA, oder auch gegenüber dem eigenen Ausbildungsanwalt – stets wird hier die richtige Mischung zwischen seriösem Auftreten und fachkompetentem Ausdruck und Rhetorik erwartet.
Der Berufsanwärter befindet sich im Zuge seiner Ausbildung überwiegend am Prüfstand und
lebt oftmals nach dem Motto Schillers „früh übt sich, was ein Meister werden will“. Die erlern9
10
11
Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Erwerbsstatus, http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/arbeitsmarkt/erwerbsstatus/index.html (30.09.2015).
Vgl. STATISTIK AUSTRIA, Familie und Arbeitsmarkt, http://www.statistik.at/web_de/statistiken
/menschen_und_gesellschaft/arbeitsmarkt/familie_und_arbeitsmarkt/index.html (30.09.2015).
Vgl. ÖRAK, Mitgliederzahlen, https://www.rechtsanwaelte.at/kammer/kammer-in-zahlen/mitglieder/ (28.09.2015).
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
5 von 7
ten Fähigkeiten gelangen oftmals schon dann zum Einsatz, wenn es um die Durchsetzung
eigener Belange geht. Je nach Verhandlungsgeschick des Einzelnen gelingt es eine der
Leistung entsprechende und für beide Seiten zufriedenstellende Entlohnung der Arbeit des
RAA samt Arbeitszeitmodell, ein entsprechendes Urlaubs- und Prüfungsurlaubs-Agreement
sowie auch zielorientierte Ausbildungsmodalitäten samt Berufsstands (und Berufsstandards)
erhaltender Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten mit dem Ausbildungsanwalt herbeizuführen.
In vielen Bereichen gibt es seitens der Länderkammern verschiedene Richtlinien, Empfehlungen und Ausschuss-Beschlüsse, welche für die Ausgestaltung eines derartigen Ausbildungsverhältnisses zwischen RA und RA wegweisend sind. Insbesondere im Bereich der
Teilnahme des RAA an den berufsrechtlich vorgeschriebenen Ausbildungsveranstaltungen
erfährt die Ausgangsbasis des RAA durch die anlässlich der Vertreterversammlung am
26.09.2015 in Feldkirch erfolgte Neufassung der RL-BA eine Stärkung. Die RL-BA 2015 sieht
nun in ihrem 8. Teil12, insb in § 33 RL-BA 2015, eine Verpflichtung des jeweiligen Ausbildungsanwaltes vor, seinen RAA die Teilnahme an den vorgeschriebenen Ausbildungsveranstaltungen in angemessenem Verhältnis zur Dauer des Dienstverhältnisses zu ermöglichen
sowie die angemessenen Kosten jener Ausbildung zu tragen.
Kann hinsichtlich der wesentlichen Inhalte der Beschäftigung des RAA ein Konsens erzielt
werden, so erfolgt – auf Antrag – die Eintragung als RAA in die Liste der RAA der jeweiligen
Länderkammer. In der Folge beginnt die Genese des Appendixes „nach allen Regeln der
Kunst“. Während der ersten 18 Monate erhält der RAA die sogenannte „kleine Legitimationsurkunde (kleine LU)“. Jene „kleine LU“ führt gemäß § 15 Abs 3 RAO zu einer Vertretungsbefugnis des RAA für all jene Fälle, in welchen keine Anwaltspflicht besteht. Nach zumindest
18 Monaten Vollzeitbeschäftigung als Berufsanwärter bei einem Anwalt, absolvierter Gerichtspraxis im Ausmaß von zumindest 5 Monaten sowie der Teilnahme an den notwendigen
Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von 12 Halbtagen, kann die Ausstellung der sogenannten „großen Legitimationsurkunde (große LU)“ beantragt werden. Gemäß § 15 Abs 2
RAO iVm § 1 Abs 3 RL-RAA (bzw. ab 01.01.2016 § 34 Abs 3 RL-BA 2015) ist die große LU
bereits vor erfolgreicher Absolvierung der Rechtsanwaltsprüfung (RAP) auszustellen, wenn
12
Anm.: Die RL-BA 2015 tritt mit 01.01.2016 in Kraft und hat unter anderem im Bereich der RAA
eine Novellierung erfahren. Unter dem Titel „Rechtsanwalt und Rechtsanwaltsanwärter“ regeln
nun die §§ 32 – 39 RL-BA 2015 das Rechtsverhältnis zwischen RA und RAA. Es wurde dabei
die RL-RAA in den 8. Teil der RL-BA 2015 eingearbeitet. (Vgl. ÖRAK, Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes (RL-BA 2015), https://www.rechtsanwaelte.at/kammer/aktuelles/news/richtlinien-fuer-die-ausuebung-des-rechtsanwaltsberufes-rl-ba-2015/ (30.09.2015).
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
6 von 7
die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Jene „große LU“ hat die vollumfängliche Substitutionslegitimation13 des RAA für den jeweiligen Ausbildungsanwalt zur Folge.
Um weiterhin Kurs auf die berufliche Zukunft als Anwalt zu nehmen, stellt die positive Absolvierung des Damoklesschwertes Rechtsanwaltsprüfung (RAP) zumeist den Hauptakt im
Bühnenstück „Die Leiden des jungen Appendixes“ dar. Das Ausmaß sowie der Umfang jener
gefürchteten und gleichzeitig geliebten Prüfung der angeeigneten Kenntnisse und Fähigkeiten eines RAA sind insbesondere im RAPG im Zusammenspiel mit der RAO und der RLRAA (bzw. ab 01.01.2016 RL-BA 2015) geregelt.
§ 2 RAPG normiert die notwendigen Antrittsvoraussetzungen für die Prüfung: Einerseits ist
eine praktische Verwendungszeit im Ausmaß von drei Jahren14 sowie andererseits die Teilnahme an den Ausbildungsveranstaltungen im Ausmaß von 24 Halbtagen erforderlich (§ 1
Abs 2 RL-RAA bzw. ab 01.01.2016 § 34 Abs 3 RL-BA 2015). Der Antrag auf Zulassung zur
RAP kann frühestens sechs Monate vor Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen gestellt
werden (§ 6 Abs 2 RAPG).
Gemäß der §§ 13, 15, 18 RAPG setzt sich die RAP einerseits aus einem schriftlichen Teil in
Form von drei achtstündigen Klausuren aus den Rechtsgebieten Zivil-, Verwaltungs- und
Strafrecht, sowie andererseits aus einer mündlichen Prüfung im Ausmaß von rund zwei
Stunden vor einem vierköpfigen Prüfungssenat (bestehend aus zwei Personen aus dem
Kreis der Richter und zwei aus dem Kreis der Rechtsanwälte) zusammen (§ 11 RAPG). Die
Rechtsgebiete jener mündlichen Prüfung sind im § 20 RAPG taxativ aufgezählt.
IV.
Endlich vom Schmiedl zum Schmied?
Nach erfolgreicher Absolvierung der Rechtsanwaltsprüfung sieht § 2 RAO vor, dass die
Rechtsanwaltschaft ausgeübt werden darf, wenn auch eine praktische Verwendung im Ausmaß von insgesamt fünf Jahren15, die Absolvierung der Ausbildungsseminare im Ausmaß
von 42 Halbtagen sowie der Abschluss einer Haftpflichtversicherung kumulativ vorliegen (§ 1
13
14
15
Anm.: Die Vertretungsbefugnis des RAA zur Leistung der Unterschrift des RA (insbesondere
im Verkehr mit Gerichten und Behörden) ist hier jedoch nicht umfasst. Diesbezüglich besteht
auch mit großer LU keine Vertretungsmöglichkeit (Vgl. AnwBl 2011, 192; VfGH 8.12.2010, B
87/10; OBDK 9.11.2009, 15 Bkd 4/09).
Anm.: Jene „Kernzeit“ von 3 Jahren hat sich zwingend aus der Gerichtspraxis im Ausmaß von
mindestens fünf Monaten bei Gericht oder bei einer Staatsanwaltschaft sowie aus einer Vollzeitanstellung als RAA bei einem RA im Ausmaß von mindestens zwei Jahren zusammenzusetzen (§ 2 Abs 1 RAPG).
Anm.: Vgl. FN 14.
Soweit in der vorliegenden Darlegung geschlechtsspezifische Bezeichnungen verwendet werden,
gelten diese für Frauen und Männer gleichermaßen.
7 von 7
Abs 2 RAO). Sind sämtliche vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, so kann der RAA die
Aufnahme in die Liste der RA bei der zuständigen Länderkammer beantragen.
Spätestens mit Erreichung der Eintragungsfähigkeit sieht sich jeder RAA neuerlich mit der
Frage der beruflichen Zukunft konfrontiert: Nun ist zu entscheiden – Einzelkämpfer oder
Gruppentier – Metropole oder Provinz? Der Phantasie sind keine (kaum) Grenzen gesetzt:
Von der selbstständigen Tätigkeit als Einzelanwalt, über das Eingehen einer wie auch immer
gearteten Kooperation mit anderen RA, bis hin zu einer unselbstständigen Anstellung als RA,
alles denkbare Varianten. Neben der persönlichen Eignung und Präferenz gilt es besonders
in diesem Stadium einen Bedarf zu erkennen und diesen zu decken. Auch jetzt – nach dem
erfolgreichen Durchlaufen des Werdeganges des Appendixes – stehen abermals Grundsatzentscheidungen zur Wahl des Tätigkeitsortes sowie jene des Tätigkeitsfeldes an. Die Frage
„lohnt sich der ganze Aufwand?“ kann ex ante freilich nicht beantwortet werden und auch bei
einer Betrachtung ex post ist diese Frage im Einzelfall zu beurteilen, frei nach dem Sprichwort des römischen Redners Caecus „fabrum esse suae quemque fortunae16“. Salvete!
16
Anm.: Das Sprichwort „Jeder ist seines Glückes Schmied“ soll, wenn man die Schrift „De re
publica ordinaria“ dem Schriftsteller Sallust zurechnet, einer Spruchsammlung des römischen
Zensors und Konsuls Appius Claudius Caecus entstammen (Vgl. Schubert/Brodersen/Huttner, Rom und der Griechische Osten, in FS Schmitt (1995) 257f).