Jesus‘ dreifache Zusage Predigt über Johannes 15, 26 – 16, 4a, Prädikant Jürgen Herre St. Gallus-Kirche, Aistaig, 16. Mai 2015 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen. Liebe Gemeinde! Der Predigttext für den heutigen Sonntag Exaudi, den Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, ist ein Abschnitt aus den Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium. Jesus geht zum Vater. Die Jünger werden ihn dann nicht mehr um sich haben, werden ihn nicht mehr fragen können, so wie jetzt, sie werden in gewisser Weise auf sich selbst gestellt sein. Auf diese Zeit nach Himmelfahrt bereitet Jesus seine Jünger vor. In dem heutigen Abschnitt sagt er ihnen, was auf sie wartet und was sie von ihm erwarten dürfen. – Ich lese Johannes 15, 26 bis 16, 4: (I) Warum werden Christen verfolgt, liebe Gemeinde? Erinnern wir uns, wie es Jesus selbst ergangen ist. In Jerusalem heilt er einen Mann, der 38 Jahre lang gelähmt war: »Steh auf, nimm dein Bett und geh!« sagt Jesus zu ihm. Der steht auf, nimmt seine Liegematte unter den Arm und geht umher. Doch er kommt nicht weit. In der Stadt wird er von den gestrengen Vertretern der jüdischen Gemeinde angehalten: »Es ist heute Sabbat, du darfst dein Bett nicht herumtragen.« Es kommt heraus, dass es Jesus war, der dem Mann geboten hatte: Nimm dein Bett und geh! Die Hüter des jüdischen Gesetzes stellen Jesus deswegen zur Rede. Der aber beruft sich auf seinen himmlischen Vater. In Gottes Namen, an Gottes Stelle, hat er den Gelähmten geheilt – doch das ausgerechnet am Sabbat. Damit erschüttert Jesus die Autorität der jüdischen Religions-vertreter. Von da an suchen sie einen Weg, Jesus zu töten. Nicht nur, weil er, wie sie meinen, das Sabbatgebot gebrochen hat, nein vielmehr weil sie seinen göttlichen Anspruch nicht dulden. Die Gegner Jesu haben etwas ganz Richtiges gespürt: Jesus ist nicht einfach nur ein guter Mensch, der einen Kranken gesund gemacht hat. Dagegen wäre ja nichts einzuwenden. Aber Jesus greift zugleich die bestehende Ordnung an, eine Ordnung, die über den Menschen steht, die nicht zu deren Wohl bestimmt ist, sondern eine Ordnung, der sich alle bedingungslos beugen müssen. Ein Ausleger nennt das, was Jesus tut, den Angriff der Liebe (2). In Jesus greift die Liebe Gottes nach dieser Welt. Doch viele fühlen sich durch diesen „Angriff“ der Liebe massiv gestört und wehren sich gegen Jesus. Und dieser Angriff der Liebe auf die Welt, der soll durch die Jünger weiter gehen. Das hat Jesus seinen Jüngern deutlich gezeigt, als er am Abend vor seinem Tod ihnen die Füße gewaschen. Das war ein höchst unerwartetes, ja unerhörtes Zeichen seiner Liebe zu ihnen. Die Jünger sollen sich daran ein Beispiel nehmen. Jesus sagt zu ihnen: »Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch unter-einander liebt, wie ich euch geliebt habe. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe unter-einander habt« (3). Das wird nicht folgenlos bleiben. Denn wie Jesus, so werden auch die Jünger Schwierigkeiten bekommen, wenn sie nach seinem Beispiel leben. Vielen wird das nicht in den Kram bzw. ins System passen. Und wenige Verse vor unserem heutigen Predigttext sagt Jesus: »Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen« (4). (II) Tatsächlich ist es den Jüngern genauso gegangen wie Jesus es ihnen vorhergesagt hat. Der Diakon Stephanus und der Apostel Jakobus waren die ersten, die als Zeugen für Jesus ihr Leben lassen mussten (5). Nicht nur für die Leitung der jüdischen Gemeinde war das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes anstößig. Auch die römischen Behörden wurden misstrauisch. Die Christen weigerten sich, die römischen Staatsgötter zu verehren und blieben den Opferfesten fern. Deshalb beschimpfte man sie als gottlos. Aber das war es nicht allein. Ihre ganze Art zu leben war ungewöhnlich. Sie betrachteten ihren Besitz nicht als ihr privates Eigentum. Die Wohlhabenderen gaben ab von ihrem Überfluss, damit Arme versorgt werden konnten. Wenn ein Gemeindeglied mittellos starb, dann sorgte die Gemeinde für das Begräbnis. Die Christen halfen selbst Menschen, die nicht zur Kirche gehörten. Der antichristliche Kaiser Julian musste zugeben: »Die gottlosen Galiläer – gemeint sind die Christen – ernähren außer ihren eigenen Armen auch noch die unsern« (6). Der Glaube an Jesus und die Liebe untereinander, beides gehörte bei den ersten Christen untrennbar zusammen. Und beides zusammen hat dazu geführt, dass sie verfolgt wurden. Der römische Staat hat erkannt, dass der Glaube und die Liebe der Christen ein Angriff auf die Grundlagen der damaligen Gesellschaft waren. Die Macht des Staates stieß hier mit der Macht des Glaubens (oder der Macht Gottes) zusammen und kam massiv an seine Grenzen. Das konnte nicht geduldet werden. Das bedeutete eine latente Gefahr für den Röm. Staat. Und wie ist das heute? Der Staat und die Kirchen wirken in unserem Land in vielen Bereichen zusammen, und diese Zusammenarbeit klappt in der Regel ganz gut. Als Beispiel sind hier die vielen Beratungs- und Hilfs-Angebote zu nennen, die von der kirchlichen Diakonie mit Hilfe von öffentlichen Zuschüssen aufgebaut wurden. Sei es nun der Dienst der Diakonie- und Sozialstationen, die Psychologi-sche Beratung, Sucht- oder Schuldnerberatung, Schwangerschaftskonfliktberatung, die Asylbetreuung oder auch die Organisation der Tafeln. Menschen in den unterschiedlichsten Notsituationen werden hier von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut, beraten, besucht oder in Gruppen eingeladen. Mit dieser persönlichen und fachlichen Unterstütz-ung können sie trotz mancher Einschränkungen ihr Leben füh-ren. Aber die öffentlichen Zuschüsse sind nicht immer sicher, sie müssen immer wieder neu ausgehandelt werden. Und je nach Haushaltslage können sie auch gekürzt werden oder später wo-möglich ganz entfallen. Haben wir Verständnis dafür, dass an dieser Stelle gespart wird? Vor allem, wenn der Eindruck er-weckt wird, die Öffentliche Hand müsse die Kirchen mitfinan-zieren – und dabei ist es umgekehrt so, dass die Kirchen hier Aufgaben wahrnehmen, die eigentlich Aufgabe des Staates sind. Dasselbe gilt ebenso für den Bereich der Kindergartenarbeit. Es ist in unserer Zeit einfach nicht mehr selbstverständlich, dass der Staat sich durchweg von christlichen Werten leiten lässt. Der Streit um den Sonntag ist dafür ein weiteres Beispiel. Soll er für möglichst viele Menschen der gemeinsame arbeitsfreie Tag bleiben, oder soll der besondere Charakter des Sonntags wirtschaftlichen Interessen geopfert werden? Wehren wir uns als Christen gegen eine solche Entwicklung und bleiben solchen verkaufsoffenen Sonntagen fern??? Riskieren wir es, dass wir dadurch missverstanden und womöglich angegriffen werden? Von einer Verfolgung, wie Jesus sie seinen Jüngern ankündigt, sind wir in unserem Land Gott sei Dank weit entfernt. Aber wir müssen künftig wohl mehr damit rechnen, dass die öffentliche Meinung gegen uns steht. Als Jüngerinnen und Jünger Jesu sind wir der Liebe verpflichtet. Jesus ist und bleibt der Angriff der Liebe Gottes auf die Welt. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn unsere Haltung von anderen als Angriff auf ihre Position und auf ihre Weltsicht aufgefasst wird. Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir mit dem, was uns als Christen wichtig ist, nicht mehr verstanden werden. Wir müssen damit rechnen, dass wir mit unserer christlichen Meinung isoliert dastehen. (III) Allein dastehen, das ist schwer. Wahrscheinlich hat das jeder und jede schon einmal erlebt, das Gefühl: Keiner steht zu mir. In Psalm 69 schildert ein schwer geprüfter Mensch diese Erfahrung mit den folgenden Worten: »Ich warte, ob einer Mitleid habe, aber da ist niemand, und warte auf Tröster, aber ich finde keine« (7). So lange Jesus sichtbar bei seinen Jüngern war, fühlten sie sich nicht allein. Wenn sie nicht weiter wussten, konnten sie ihn ja fragen (8). Wenn es gefährlich wurde, stellt er sich schützend vor sie (9). Aber was soll nun werden, wenn Jesus zum Vater geht und nicht mehr sichtbar unter ihnen ist? Sind sie dann allein? Schutzlos und ratlos - hilflos? Jesus sagt ihnen, was sie von ihm erwarten dürfen: »Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Und auch ihr seid meine Zeugen« (15, 26). Es ist eine dreifache Zusage, die Jesus in diesem Wort gibt. Zuerst: »Der Tröster wird kommen, den ich senden werde vom Vater« (15, 26). Manche übersetzen das Wort »Tröster« mit »Beistand«. Ein Beistand, wie man ihn vor Gericht braucht. Einer der für mich eintritt, wenn alles gegen mich spricht. Wie geschieht das? Wo wird das erlebbar? Eine Frau hat in ihrem Leben sehr viel Leid erfahren. Sie trägt schwer daran: Warum gerade ich? Wie viel muss ich denn noch mitmachen? Es gab Menschen, die ihr immer wieder beigestanden sind. Trotzdem wird sie jahrelang mit ihrem Schicksal nicht fertig. Aber eines Tages kann sie in einem Brief schreiben: »Meine Seele hat nun Frieden gefunden und mit der Vergangenheit Frieden geschlossen«. Wie ist so was möglich? Der Beistand von Mitmenschen war sicher wichtig. Aber die Gewissheit: Gott steht zu mir – die bewirkt Gott selbst durch den Heiligen Geist. Jesus nennt den Heiligen Geist »Tröster«. Ist das nicht wie eine Antwort auf die Klage des Psalmbeters: Ich warte auf Tröster, aber ich finde keine? Der zweite Teil der Zusage Jesu lautet: »Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir« (15, 26). Jesus sorgt dafür, dass wir auch heute eine Antwort bekommen, wenn wir Fragen haben. Er sorgt dafür, dass wir seine Meinung erfahren. In den USA - und später auch bei uns hier in Deutschland - entstand vor einigen Jahren eine Jugend-Bewegung, die dadurch erkannt wurde, dass sie geflochtene Armbänder trug mit den 4 aufgestickten Buchstaben WWJD – bzw. WWJT „Was würde Jesus tun?“ Diese 4 Buchstaben sollten die jungen Menschen anleiten, in bestimmten Entscheidungssituationen nachzudenken und nachzufragen: was würde Jesus an meiner Stelle, in meiner Situation jetzt tun? Ich finde das eine sehr gute Sache. Wir können seine Antwort zwar nicht wie in einem Lexikon nachschlagen. Und in vielen Fällen lässt sich die Frage gar nicht so einfach und klar beantworten. Aber wir können als Einzelne und gemeinsam darum bitten, dass Jesus uns durch den Heiligen Geist den rechten Weg weist. Selbstverständlich werden wir uns auch selber gründlich informieren und das Für und Wider selber abwägen. Denn dazu hat Gott uns ja mit einem freien Willen ausgestattet – und uns nicht zu Marionetten gemacht. Oft ist das sicher ein längerer Prozess, bis uns klar wird: Ja, das wird wohl im Sinne Jesu der richtige Weg sein. Liebe Gemeinde, der Heilige Geist bewirkt, dass wir Jesus hören und verstehen und aus seinem Wort die nötigen Folgerungen für heute ziehen. Darum sagt Jesus: »Der Geist der Wahrheit, der wird Zeugnis geben von mir«. Im dritten Teil seiner Zusage verspricht Jesus: »Und auch ihr seid meine Zeugen« (15, 27 Schluss). Jesus sagt nicht: Ihr müsst meine Zeugen werden! Er sagt: Ihr seid es. Wir sind es, liebe Gemeinde, einfach dadurch, dass wir in seiner Liebe leben. Wir dürfen mit seinem Beistand rechnen und auf seine Gegenwart im Heiligen Geist vertrauen. Wir erleben seine Nähe und erfahren seine Hilfe. Dadurch sind wir seine Zeugen. An Pfingsten haben die Jünger erfahren: Jesus macht seine Zusage wahr. Wir leben nach Pfingsten. Und doch sind auch wir immer wieder verzagt und ratlos wie die Jünger, als Jesus von ihnen Abschied nahm. Zwischen Himmelfahrt und Pfingsten haben die Jünger gewartet und um den Heiligen Geist gebetet. Das wollen auch wir jetzt gleich im Anschluss tun mit dem Lied: »O komm du Geist der Wahrheit, und kehre bei uns ein« . Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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