Die Schweizer Kochkunst verkauft sich unter ihrem Wert

Luzern, den 22. Oktober 2015
Aktuell
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HGZ No 33
«Die Schweizer Kochkunst verkauft
sich unter ihrem Wert»
Am 2. November findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe Marmite Food
Lab in Zürich eine Fachtagung zur Schweizer Kochkunst statt. Die HGZ hat
sich mit Marmite-Chefredaktor Andrin C. Willi darüber unterhalten.
wie man die Spitzengastronomie und
den Nachwuchs gezielt fördern könnte.
Mit Geld kann man sehr viel erreichen,
aber Inhalt, Kreativität und ein gutes
Netzwerk sind mindestens gleich viel
wert. Förderung funktioniert meiner
Meinung nach nur, wenn auch ein
gegenseitiges Klima des Respekts und
Vertrauens herrscht. Das müssen sich
alle Seiten, also die Politik, die Förderer
und die Geförderten zuerst erarbeiten.
Keystone
Bayer will Winzer
entschädigen
Der deutsche Pharma- und Chemiekonzern Bayer will die Schweizer Winzer
für die mit grosser Wahrscheinlichkeit
vom Pilzschutzmittel «Moon Privilege»
verursachten Schäden entschädigen.
Bei rund 900 Weinbauunternehmen
auf rund 1.900 Hektaren Weinbaugebiet in der Schweiz hatte sich zu Beginn
des Sommers gezeigt, dass bei einigen
Reben die Blätter deformiert waren
und keine Beeren wuchsen. Die Erforschung der Ursache ist noch nicht abgeschlossen. Dennoch entschied Bayer,
die Winzer auf freiwilliger Basis zu
entschädigen. Die Weinbranche rechnet mit Umsatzeinbussen von bis zu
80 Millionen Franken. Einige Bauern
verloren bis zu neunzig Prozent ihrer
Ernte. Bayer will den betroffenen Weinbauern voraussichtlich im 1. Quartal
2016 je nach Betroffenheit individuelle
Angebote für eine freiwillige Zahlung
unterbreiten. Chantal Aeby, Geschäftsführerin des Schweizerischen Weinbauernverbandes, ist mit der Reaktion
von Bayer zufrieden. Das Bundesamt
für Landwirtschaft (BLW) will die Regeln für die Zulassung solcher Mittel
verschärfen und auch Schäden untersuchen, die allenfalls erst im Folgejahr
auftreten. Bislang wurden die Auswirkungen nur während einer einzigen Vegetationsperiode überprüft. Das BLW
hatte «Moon Privilege» im Jahr 2012
zugelassen, nachdem es mehrere Jahre
lang die Auswirkungen des Fungizids
auf die Umwelt, die Landarbeiter sowie
auf die verschiedenen Pflanzenarten
(sda)
untersucht hatte. 3-Sterne-Hotels
organisieren sich
Der starke Schweizer Franken macht es
den rund 2.000 Schweizer Dreisternehotels nicht einfach, alleine im Markt
zu bestehen. Auch die vom Gast wahrgenommene Servicequalität wird aufgrund der zahlreichen Buchungs- und
Bewertungsportale immer transparenter. Um die Marktchancen von Dreisternehotels zu erhöhen, ist eine neue
Schweizer Hotelgruppe aktiv. Geht
es nach den Gründern, sollen sich bei
«Best 3 Star Hotels» die besten Drei­
sternehotels im Markt zusammenschliessen. Präsident des neuen Vereins ist Michel Wichman vom Hotel
Spitzhorn in Saanen, als Geschäftsführer amtet der Marketingexperte Fiorenzo Fässler, Besitzer der Agentur
Smarket. Synergien und Einsparungsmöglichkeiten sehen die Gründungsmitglieder vor allem bei Distribution,
Cross Selling, Qualitätsentwicklung
und ­Marketing. Neben dem Hotel Spitzhorn gehören auch das Waldhaus am
See in St. Moritz, der Teufelhof in Basel,
das Hotel Bad Bubendorf, das Hotel
International au Lac in Lugano, das
Hotel Florhof in Zürich sowie das Bellerive in Lugano zu den Gründungsmitgliedern. Zudem bestehe bereits Kontakt zu vielen weiteren Interessenten.
Es gibt zwingende Qualitätsstandards,
welche Hotels für die Mitgliedschaft
erfüllen müssen. So muss der Gastgeber präsent sein, im Hotel muss auf
Nachhaltigkeit, Regionalität und saisongebundene Produkte geachtet werden und das Hotel muss über kostenloses und starkes WiFi verfügen – auch in
(nim)
den Zimmern.
Dominique Schuetz
Andrin C. Willi ist seit 2006 Chefredaktor von
«Marmite», der Zeitschrift für Ess- und
Trinkkultur.
HGZ: Im nächsten Marmite Food Lab von
Montag, 2. November, geht es um die Zukunft der
Schweizer Kochkunst. Was dürfen die Besucher
erwarten ?
Andrin C. Willi: Es geht für einmal nicht so sehr
darum, was sie erwarten dürfen, sondern darum,
was sie erreichen möchten. Wir sprechen Gastronomen und Spitzenköche an, Menschen also, denen das kulinarische Image unseres Landes nicht
egal ist. «Kann es gelingen, die Schweizer Küche
im Weltmarkt zu differenzieren und zu positionieren?», hat Jürg Schmid, Direktor von Schweiz
Tourismus, kürzlich gefragt. Ja, es kann! Aber das
geht nicht von selbst. Und das geht auch nicht im
Alleingang im stillen Küchenkämmerlein. Wir
möchten einen Startschuss geben, um gemeinsam
an diesem Thema zu arbeiten. Aus diesem Grund
bin ich sehr froh, dass Schweiz Tourismus an unserem Symposium vertreten sein wird
HGZ: Die Schweizer Spitzengastronomie als tou-
ristischer Magnet?
Willi: Ja, die Spitzengastronomie ist ein Grund,
in die Schweiz zu reisen, aber nur, wenn auch die
Produzenten innovativ bleiben. Zum Glück gibt es
unglaubliche Produkte und Originale in unserem
Land. Storytelling pur, diese Chance sollten wir
touristisch besser nutzen.
HGZ: Das Nordic Food Lab ist an der Fachtagung
mit von der Partie. Dieses «Forschungslabor» untersucht das gastronomische Potenzial der skandinavischen Länder. Wäre so etwas Ähnliches auch
für die Schweiz denkbar?
Willi: Selbstverständlich, die Schweiz hätte die
Möglichkeiten, die man für die Finanzierung eines
solchen Projektes benötigen würde. Wir haben
Torfi Jóhannesson vom Nordic Council of Ministers zu uns ins Marmite Food Lab eingeladen.
Von ihm werden wir hören, wie es den nordischen
Staaten gelang, die Initiative der Köche zu unterstützen. Mit Josef Zisyadis, der sich als Politiker
jahrelang für die Interessen einer lebhaften Esskultur in der Schweiz eingesetzt hat, möchten wir
über die Möglichkeiten eines politischen Weges
diskutieren. Schade, dass wir vom Bundesamt für
Kultur eine Absage erhalten haben. Aber eben, wir
stehen auch erst am Anfang unserer Bemühungen,
die wichtigsten kulinarischen Vertreter dieses
Landes an einen Tisch zu bringen.
HGZ: Mit Andreas Caminada und Nenad Mli-
narevic werden zwei Schweizer Spitzenköche als
Referenten an der Fachtagung teilnehmen.
Willi: Wir haben Andreas Caminada und Nenad
Mlinarevic zu unserem Symposium eingeladen,
weil wir eben gemeinsam diskutieren möchten,
HGZ: Apropos Nachwuchsförderung.
Ist das auch für Marmite ein Thema?
Willi: Als kleines Unternehmen haben
wir uns entschieden, den Nachwuchs in
der Gastronomie zu fördern. Das ist uns
ein Herzensanliegen, und so haben wir
vor fünf Jahren die Marmite Youngster
Selection gegründet. Wir suchen und
zeichnen die 50 besten Jungköche des
Landes und die grössten Servicetalente
aus. Für diese Talente haben wir mit unseren Sponsoren ein Förderprogramm
entwickelt, indem wir immer wieder exklusive Events organisieren. So konnten
sie in diesem Jahr zum Beispiel lernen,
wie der schwedische Spitzenkoch Magnus Nilsson arbeitet, wie er denkt, wie
er mit Produzenten verhandelt. Oder sie
konnten mit Daniel Humm, der zu den
zehn besten Köchen der Welt zählt, besprechen, wie der Traum eines eigenen
Restaurants wahr wird.
HGZ: Wie ist es denn heute um die
ZVG
sbkpv spendet an das
Chenderhuus Kriens
Im Rahmen des vom Schweizerischen
Bäckerei- und Konditorei-PersonalVerbands sbkpv organisierten Fachwettbewerbs «Brot-Chef» durften die
Besucherinnen und Besucher im Pilatusmarkt selber UrDinkel-Zöpfe backen, während die Finalisten um den
Sieg kämpften. Der Berufsverband
verlangte pro Zopf von den kreativen Besucherinnen und Besuchern jeweils einen Franken. So kamen insgesamt 535 Franken zusammen, die
der sbkpv spontan auf den Betrag von
1.000 Franken aufrundete. Nun konnte
sbkpv-Geschäftsführer David Affentranger (im Bild rechts) einen Scheck
über einen vierstelligen Betrag an Esther Siegenthaler-Graf, Präsidentin des
gemeinnützigen Frauenvereins Kriens, übergeben. Das Chenderhuus Kriens bedankt sich im Namen der Kinder
beim Bäckerei- und Konditorei-Personal-Verband für die Spende. Der
nächste «Brot-Chef»-Wettbewerb findet im September 2016 wieder im Pila(hgu)
tusmarkt Kriens statt.
Schweizer Kochkunst bestellt?
Willi: Sie verkauft sich unter ihrem
Wert. Meines Erachtens ist das falsche Bescheidenheit, darüber rege ich mich besonders dann auf,
wenn ich im Ausland bei einem gefeierten Koch
viel Geld ausgebe für ein durchschnittliches Esserlebnis. Gekocht wird überall, auch in Südamerika
übrigens, mit Wasser. Kommt nur darauf an, wie
man dieses Wasser verkauft.
HGZ: Ist seitens der Schweizer Politiker ein
Verständnis für die Anliegen der Schweizer Kochkunst spürbar?
Willi: Bundesrat Alain Berset hat im «TagesAnzeiger» gesagt, ich zitiere: «Ich habe bisher
noch keinen Koch getroffen, der um Geld für seine
Kunstform gebeten hätte.» Vielleicht müsste man
ihn zum Business Lunch einladen und ihm die
ökonomische Realität eines Gourmetrestaurants
aufzeigen?
HGZ: Und wie könnte die Schweizer Kochkunst
konkret gefördert werden?
Willi: Indem sich zuallererst die exponierten
Protagonistinnen und Protagonisten öffnen und
solche Themen weitergefasst überdenken und
gemeinsam und nicht im Alleingang umsetzen
würden. Es gibt in allen Bereichen Spezialistinnen
und Spezialisten. Wir sehen uns in der Rolle des
Interview: Bernadette Bissig
Vermittlers. Marmite Food Lab Vol. 6
Wie kann die Schweizer Kochkunst
besser gefördert werden? Darüber diskutieren am sechsten Marmite Food
Lab unter anderem die Sterneköche
Andreas Caminada und Nenad Mlinarevic, der Buchautor Dominik Flammer, Vertreter des Nordic Food Lab,
sowie Andreas Fleischlin, Geschäftsführer des Schweizer Kochverbandes.
Wann: Montag, 2. November 2015
Ort: Marmite Food Lab
Badenerstrasse 587, 8048 Zürich
Programm: ab 13 Uhr Kaffee
Beginn 13.30 Uhr bis 18 Uhr,
anschliessend Abendessen.
Kosten: CHF 260.– (inkl. Kaffeepause,
Apéro, Abendessen); für Jungköche
und Marmite Youngsters: CHF 130.–
Anmeldung: [email protected]
KEYSTONE
Parlament geht gegen
Food Waste vor
Die Wissenschaftskommissionen von
National- und Ständerat wollen gegen
die Verschwendung von Lebensmitteln
vorgehen. Solche Abfälle sollen verwertet statt verbrannt werden. Die Ständeratskommission hat ohne Gegenstimmen eine parlamentarische Initiative
von Nationalrätin Isabelle Chevalley
(GLP/VD) gutgeheissen. Die Kommission des Nationalrates kann damit Vorschläge für Gesetzesänderungen ausarbeiten. Chevalley schlägt vor, das
Verbrennen von Lebensmittelabfällen
entweder zu verbieten oder verbindliche Ziele festzulegen. Noch immer
würden in der Schweiz jährlich über
100.000 Tonnen Lebensmittelabfälle
verbrannt. Das sei weder ethisch noch
ökologisch noch wirtschaftlich vertretbar. Nach ihren Vorstellungen sollten
Lebensmittelabfälle an Menschen abgegeben oder zur Herstellung von Tierfutter verwendet werden. Auch die Gewinnung von Biogas und Komposterde
erwähnt sie. Die Ständeratskommission hält fest, es gebe schon Sensibilisierungskampagnen und private Initiativen, doch fielen in Privathaushalten,
in der Gastronomie und im Detailhandel immer noch grosse Nahrungsmittelverluste an. Massnahmen sollten
unter Berücksichtigung bereits laufender Projekte und Vorhaben erörtert
(sda)
werden.