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REPORTAGE
Hier einer der beiden puristischen Kuben, die
angesetzt wurden, um der weißen Schlichtheit der
Innenräume auch von außen ein Zeichen zu setzen.
Von der über 100 Jahre alten Tischlerei blieb nicht
viel mehr übrig als die alte Backsteinfassade – und
genau die macht den besonderen Charme aus.
Hinter ihr entstand moderner Wohnraum im Mix
aus Tradition und Neuzeit. Sanierung und Ausbau
erfolgten ungewöhnlicherweise von innen.
D
Kernsanierung
Rückwärts gebaut
as Gebäude am westlichen Stadtrand von Münster befindet sich
seit Generationen in Familienbesitz. Ursprünglich zur Viehhaltung gedacht, wurde der Backsteinbau in den
vergangenen 100 Jahren als Tischlerwerkstatt genutzt. Bis Marc NosthoffHorstmann kam und ganz eigene Pläne
entwickelte: Wohnen und Gewerbe – er
besitzt ein Küchenstudio – sollten hier
zukünftig unter einem Dach stattfinden.
Dafür musste die alte Tischlerei zum
Wohnhaus umgebaut werden, gleich nebenan befindet sich das Küchenstudio.
Für Nosthoff-Horstmanns stand fest, dass
an der Familientradition festgehalten
werden sollte, d.h. ein Abriss des Bestands kam nicht infrage. Ganz im Ge-
genteil: Der alte Charme sollte erhalten
bleiben. Gleichzeitig wünschte sich die
junge Familie modernes Wohnen mit offenen Räumen rund um einen zentralen
Ess-Kochbereich sowie eine direkte Anbindung an das Küchenstudio.
Mauerbau rückwärts
Das Bauvorhaben ließ sich nur mit einer
kompletten Entkernung realisieren.
Dach, Decken und Wände wurden vollständig abgetragen. Lediglich das Außenmauerwerk aus dem alten Backstein
blieb stehen. Die alte Fassade musste dabei komplett gesichert werden, damit die
Gebäudereste nicht in sich zusammenbrachen. Dann gingen die Maurer den
umgekehrten Weg von außen nach in-
Fotos: Architekten Spiekermann
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REPORTAGE
Über dem Wohnzimmer
thront ein Arbeitsplatz,
der über dem Raum
zu schweben scheint.
Materialwahl
Im lichtdurchfluteten, zweigeschossigen
Kubus befindet sich der Essplatz. Dazu
ein Stück alte Fassade.
Einen großen, hellen,
offenen Bereich zum
Wohnen, Essen und
Kochen wünschte
sich die Familie.
Gerne hätte man auch
auf die statisch notwendige Wandscheibe (links)
verzichtet.
nen: Wo normalerweise zuerst das Hintermauerwerk, dann die Dämmung und
dann die Klinkersteine für die Fassade
aufgebaut werden, erhielt in diesem Fall
die alte Backsteinwand eine Dämmschicht, dann folgte das KalksandsteinMauerwerk und zuletzt der Innenputz.
Die Anpassung der Fensteröffnungen erfolgte mit Steinen, die aus der Entkernung übrig gebliebenen waren. Auch so
konnte die Optik des alten Tischlergebäudes erhalten werden. Das Gebäude
ist nicht unterkellert, die vorhandenen
Fundamente konnten aber genutzt werden. Nur die alte Bodenplatte aus Sand
musste einer neuen aus Beton weichen.
Plus zwei
Als Neubau wurde zunächst ein weißer
Kubus aus Kalksandstein jeweils auf der
Vorder- und Rückseite des Altbaus hinzugefügt. Der eingeschossige Eingangskubus verbindet nun das alte Tischlergebäude mit der Rückseite des Küchenstudios.
Gleichzeitig wird er als Balkon genutzt.
Der zweite Kubus erweitert den Essbereich auf der Nordseite um einen zweigeschossigen Luftraum mit Flachdach. Die
weiß verputzten Anbauten stellen äußerlich den Bezug zur Schlichtheit der weiß
gehaltenen Innenräume dar.
Alt und Neu
Heute prägt ein Mix aus Alt und Neu den
Wohn- und Arbeitsraum der Familie. Die
Küche bildet den Mittelpunkt des Hauses. Von hier aus haben die Bewohner
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• Die alten/neuen zweischaligen
Außenwände bestehen aus Kalksandsteinen von KS*-ORIGINAL mit einer
Wärmedämmung und Verblendmauerwerk. Im Detail von innen nach außen:
Innenputz (Putzmörtel aus Kalk, Kalkzement und hydraulischem Kalk ca. 1,5
cm), dann eine Wärmedämmung aus
Mineralwolle 8 cm, danach eine Hintermauerung aus Kalksandstein 17,5 cm,
zuletzt die alte Keramikklinker-Vorsatzschale rot gebrannt, 24 cm. Die komplett neu gemauerten Innenwände bestehen aus verputztem KalksandsteinMauerwerk, 17,5 cm und 11,5 cm stark.
• Kalksandstein zeichnet sich durch hohe Maßgenauigkeit, Flexibilität und
schlanke Wandkonstruktionen aus,
allesamt Vorteile für Sanierungen wie
auch Neubauten. Kalksandstein ist als
Mischung aus den natürlichen Rohstoffen Kalk, Sand und Wasser ökologisch
unbedenklich und frei von Schadstoffen. Die Kalksandstein-Funktionswand
sorgt für eine günstige Energiebilanz
und erfüllt problemlos die strengeren
Vorschriften der Energieeinsparverordnung (EnEV), die ab 2016 einzuhalten
sind. Auch die hohen Anforderungen
an den Schallschutz lassen sich mit den
massiven Kalksandsteinen ohne Weiteres realisieren. Erholsame Ruhe und Erholung sind gesichert. Absolute Sicherheit auch im Brandfall: Kalksandstein
brennt nicht. Und last, not least: Kalksandstein ist aufgrund seiner hohen
Wärmspeicherfähigkeit eine zusätzliche
Wärmequelle mit Wohlfühlgarantie.
Kalksandstein speichert zunächst überschüssige Wärme. Wenn es draußen
kälter wird und die Raumtemperaturen
sinken, geben die Wände die Wärme
an den Raum wieder ab und erwärmen
ihn mit ihrer gesunden Strahlungswärme – ganz wie bei dem bekannten Kachelofen-Prinzip.
www.ks-original.de
alles im Blick, einschließlich einer schönen Aussicht auf Garten und Terrasse.
Der Wohnbereich ist durch eine massive
Wandscheibe aus Kalksandstein abgetrennt, die aus statischen Gründen notwendig ist. Zwar hätten die Bauherren
das Erdgeschoss am liebsten ganz offen
gesehen, entstanden ist aber trotzdem
ein Raum mit fließenden Übergängen
und reizvollen Blickbezügen, auch auf die
weitläufige Galerie des Obergeschosses.
Das Wohnzimmer öffnet sich mit einer
Raumhöhe bis unter den First. Auf einer
Empore im Obergeschoss befindet sich
ein privater Arbeitsplatz – der über allem
zu schweben scheint. Wer an diesem
Schreibtisch sitzt, überblickt den kompletten Wohnbereich. Als besonderes Gestaltungselement wurde im Essbereich
das alte Außenmauerwerk ins Innere geholt und mit Up-Lights in Szene gesetzt.
Ein durchgängiger Parkettboden aus Naturholz bringt Wärme und Gemütlichkeit
in die puristisch eingerichteten Räume;
Großartige Ausblicke vom Arbeitsplatz auf
der Galerie in den Wohnraum. Das großflächige Bild stammt auch von dem GraffitiKünstler, der die Außenwand im Garten
gestaltet hat. So gibt es viele Bezüge
zwischen Innen- und Außenraum.
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außerdem wäre jedes andere Material für
eine Tischlerfamilie undenkbar gewesen.
Selbstverständlich hat Marc NosthoffHorstmann die Kücheneinrichtungen
selbst entworfen und geplant – wobei sie
für ihn weniger Funktionsobjekte sind,
als vielmehr Möbelstücke, die mit viel Stil
und Individualität eine optische Erweiterung des Wohnraumes wahrnehmen.
Auf den gemeinsam genutzten Bereich
im Erdgeschoss folgt im Obergeschoss
die klassische Aufteilung der Privaträume mit zwei Kinder- und einem Schlafzimmer mit Ankleide sowie einem großzügigen Bad. Das Dachgeschoss wird als
Staufläche im Spitzboden genutzt.
Raum für Kunst
Die Rückwand des Küchenstudios, die
den Gartenbereich abgrenzt, empfanden
die neuen Bewohner als eher langweilig.
EG
Durch Zufall kamen sie in Kontakt mit
einem jungen Graffiti-Künstler. Jetzt
ziert ein Sprayer-Kunstwerk die Fläche
und verleiht der Klinkerwand mit knalligen Farben einen modernen Touch.
Vom gleichen Künstler stammt auch
das Wandbild im Wohnzimmer.
Familie Nosthoff-Horstmann fühlt sich
wohl und zufrieden in ihren neuen Räumen. Sie schätzt insbesondere den
offenen Grundriss, die überwältigende
Raumhöhe sowie die große Küche mit
dem dazugehörigen Essbereich. Insbesondere gefällt Marc Nosthoff-Horstmann die geschickte Verbindung von
Wohnen und Arbeiten, die gleichzeitig
auch eine praktisch, elegante Lösung
darstellt, beide Bereiche genügend voneinander zu trennen. Und das alles hinter vertrauten Mauern.
Bernd Niebuhr
Umbau-Daten
Objekt: Umnutzung einer Tischlerei
zum Wohnhaus
Bauzeit: 14 Monate
Bauweise: neues Hintermauerwerk
aus Kalksandstein
Dach: Satteldach, Flachdach, Pultdach
Wohnfläche: 175 m2
Heizung: Gas-Brennwerttherme
Treppe: frei schwebende
Faltwerktreppe
Fenster: Dreifach-Verglasung
Architekt: Architekten Spiekermann
Westkirchener Str. 2, 48361 Beelen,
Tel.: 0 25 86/4 45,
Fax: 0 25 86/97 00 54,
[email protected],
www.architekten-spiekermann.de
Küchenstudio des Bauherrn:
kitchen art by Nosthoff-Horstmann,
Albachtener Straße 5, 48163 MünsterAlbachten, Tel.: 0 25 36/68 98,
www.kitchenart-ms.de
OG
DG
Deutlich auf den Grundrissen zu erkennen: die zwei Anbauten. Ein Kubus mit dem Windfang,
der zweite gegenüber als Luftraum, mit einem Stück alte Fassade im Obergeschoss.
Der Zugang zum Wohnhaus erfolgt über
die Gartenseite, genauer über den
eingeschossigen Kubusanbau.