SOS ruft`s aus dem Wald

Fotos: K. Lauer/Photolounge Mammendorf
Erste Hilfe im Revier
SOS ruft‘s aus
dem Wald
Wir Jäger sind meist tief im Wald unterwegs oder sitzen
irgendwo auf dem Acker zwischen Feldgehölzen an – das
heißt weit entfernt vom nächsten Ort. Was tun, wenn
dort draußen etwas passiert? Wie verhalten wir uns im
Notfall richtig und was ist zu beachten, wenn wir unserem
Jagdkameraden Erste Hilfe leisten müssen? Maximilian
Sedlmair hat das Wichtigste zusammengefasst.
Notfall – und nun?
Ist ein Notfall eingetreten, sind folgende Punkte von größter
Bedeutung:
■ Bewahren Sie Ruhe und versuchen Sie, einen möglichst
klaren Kopf zu behalten.
■ Schätzen Sie grob die Lage ein: Anzahl der Verletzten,
Schwere der Verletzungen, was ist passiert
■ Setzen Sie einen Notruf ab (s. Kasten rechts), sprechen Sie
langsam und deutlich, denn nur mit präzisen Angaben können Sie schnell gefunden werden.
■ Leisten Sie Erste Hilfe: starke Blutungen stillen, stabile Seitenlage, psychische Betreuung
■ Weisen Sie den Rettungsdienst ein.
Nur mit Ihrer Hilfe kann der Patient schnell gefunden und versorgt werden. Denken Sie daran, dass Sie sich durch die jagdliche Kleidung kaum vom Hintergrund abheben. Machen Sie
also durch Winken auf sich aufmerksam.
Die Rettungspunkte
im Forst sind beim
zuständigen Amt für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu
erfragen. Beim Absetzen eines Notrufs
einfach die Kennnummer durchgeben.
28
5/2015
Absetzen eines Notrufes:
Teilen Sie mit:
■ WER ruft an
■ WAS ist passiert
Schilderung des Ereignisses und Einschätzung
■ WO ist es passiert
Nennen Sie den nächst gelegenen Forstrettungspunkt oder die nächst gelegene erreichbare Straße
und den Ort, an dem der Patient sich befindet. Wichtig ist auch die Mitteilung, ob Sie am Rettungspunkt
warten oder bei dem Verletzten bleiben müssen.
■ WIE VIELE Verletzte gibt es
■ WARTEN Sie unbedingt auf Rückfragen
Nach einem Notruf erreicht der Rettungswagen unter Normalbedingungen – also ohne Glatteis, Starkregen oder unerwarteten Straßensperren – den Forstrettungspunkt innerhalb von
maximal 15 Minuten. Je präziser die Angaben zum Geschehen
und zum Unglücksort sind, desto einfacher ist es für die Notrufzentrale zu entscheiden, ob ein Hubschrauber, die Feuerwehr oder andere Rettungsmittel für diesen Einsatz notwendig
sind.
Schnittverletzungen
Einer der häufigsten Unfälle im Jagdbetrieb ist die Schnittverletzung. Je nach Größe und Tiefe ist sie nicht immer unbedingt
ein Grund für einen Notruf. Wenn der Schnitt allerdings durch
die Motorsäge oder durch Abrutschen mit dem Messer beim
Aufbrechen entstanden ist, ist die Wunde oft groß und tief.
Verliert der Verletzte dann sehr viel Blut, können derartige
Wunden zu einem lebensbedrohlichen Risiko werden. Bei offenen Wunden wird zwischen einer spritzenden Blutung und
einer langsam vor sich hinlaufenden Blutung unterschieden.
Die spritzende Blutung ist prinzipiell gefährlicher als eine
langsam laufende Blutung. Wunden in der Nähe der Körpermitte sind meist gefährlicher als Wunden an den Gliedmaßen.
Notruf oder nicht? Bei kleineren Wunden können Sie das
selbst entscheiden, bei großen, tiefen Wunden mit spritzender Blutung sollten Sie immer den Rettungsdienst alarmieren.
Als Erste Hilfe-Maßnahmen beruhigen Sie den Verletzten,
dann setzen oder legen Sie ihn hin. Dabei sollten Sie das verletzte Körperteil hochhalten. Gerade bei Blutungen an Armen
oder Beinen empfiehlt sich das Anheben der Gliedmaßen
über Herzhöhe. Wichtig ist es, die Blutung mit einem Druckverband zu stillen. Dazu wird die Wunde möglichst steril und
sauber abgedeckt. Dann wickeln Sie mit Hilfe einer Mullbinde
– zum Beispiel aus dem Verbandskasten im Auto – und einem
so genannten Druckkissen einen festen Verband um die Verletzung. Ziel ist es, den Blutverlust durch Druck auf die Wunde
zu stoppen. Wenn es der Zustand des Verletzten erlaubt – auf
keinen Fall bei Verletzungen im Bauch-, Oberschenkel- oder
Brustkorbbereich – gehen Sie mit ihm zum Rettungspunkt.
Stich- und Pfählungsverletzungen
Einer der häufigsten und gefährlichsten Unfälle im Jagdbetrieb ist der Sturz vom Hochsitz.
wo er ist, reißen Sie ihn keinesfalls heraus! Der Gegenstand
hat möglicherweise Organe oder ein großes blutführendes
Gefäß verletzt, und hält diese Verletzung noch verschlossen.
Wenn Sie den Gegenstand herausziehen, kann es zu massiven Blutungen oder einer weiteren Verletzung von Gefäßen,
Organen und Gewebe kommen. Im Fall einer Pfählung setzen
Sie immer einen Notruf ab. Bis die Rettung eintrifft, stabilisieren Sie den Gegenstand, damit er weder heraus- noch tiefer
hineinrutschen kann. Decken Sie die Wunde möglichst sauber
ab – mehr können Sie als Ersthelfer hier nicht machen.
So genannte Stich- und Pfählungsverletzungen sind im Jagdalltag eher selten. Treten sie dennoch auf, werden sie oft stark
unterschätzt. Eine Stichverletzung liegt vor, wenn ein Gegenstand in den Körper eindringt und ihn im Anschluss wieder
verlässt. Das kann zum Beispiel der Tritt in einen Nagel oder
der Sturz auf einen hervorstehenden Ast sein. Auch hier muss Schussverletzung
anhand von Größe, Tiefe und Lage der Wunde die Gefährdung Bei einer Schussverletzung muss immer ein Notruf abgesetzt
eingeschätzt werden. Fest steht, dass bei jeder Verletzung, werden, denn es ist prinzipiell von akuter Lebensgefahr ausdie mit einem Eindringen in den Körper zu tun hat, ein hohes zugehen. Massive Blutungen an Armen und Beinen werden
Infektionsrisiko besteht. Deshalb
in der Erstversorgung wie Schnittverletzunmüssen Stichverletzungen immer
gen behandelt, bei Wunden im Bereich der
Tipp:
zeitnah ärztlich untersucht und verKörpermitte ist wie bei einer großen, durchEine jede Verletzung im Jagdbetrieb
sorgt werden.
dringenden Stichverletzung vorzugehen. Bei
sollte ärztlich untersucht und/oder
Bei Stichverletzungen im Bereich
Schussverletzungen zählt buchstäblich jede
dokumentiert werden.
der Organe oder des Kopfes sollten
Minute. Deshalb: Ruhe bewahren, einen optiEs empfiehlt sich ein aktueller
Sie immer einen Notruf absetzen.
malen Notruf absetzen und anschließend das
Tetanusschutz.
Denn der Laie unterschätzt oft den
Rettungsteam einweisen!
Grad der Gefährung. Auch ein fünf
Zentimeter langer Nagel kann tödliche innere Verletzungen Knochenbrüche
hervorrufen, wenn er komplett in den Körper eingedrungen Knochenbrüche kommen im Jagdrevier häufig vor. Sie entist. Wenn Sie die Rettung gerufen haben, gilt für die Erstver- stehen meist an Armen und Beinen beim Hinfallen, Umknisorgung das Gleiche wie bei Schnittverletzungen.
cken oder Ausrutschen, aber auch der Sturz vom Hochsitz
ist nicht selten. Besteht Verdacht auf einen Knochenbruch,
Von einer Pfählungsverletzung sprechen wir, wenn der in den sollte dieser immer in einer Klinik abgeklärt werden. SicheKörper eingedrungene Gegenstand stecken bleibt und nicht re Anzeichen sind Fehlstellungen, abnormale Beweglichkeit
wieder austritt. Hierbei gilt: Lassen Sie den Gegenstand dort, sowie ein knirschendes Geräusch bei der Bewegung. Be5/2015
29
gleitsymptome können Schmerzen, Schwellungen und eingeschränkte Bewegung sein. Ist der Knochen direkt sichtbar
– liegt also ein offener Knochenbruch vor – ist dies immer
ein Grund für einen Notruf. Zur Erstversorgung decken Sie
offene Wunden und den möglicherweise herausragenden
Knochen steril ab. Der verletzte Bereich wird ruhiggestellt.
Hier spricht man von der so genannten Schonhaltung – meist
wird sie instinktiv vom Patienten selbst eingenommen. Konzentrieren Sie sich auf einfache Erste Hilfe-Maßnahmen, vor
allem auf die psychische Betreuung, und das Einweisen des
Rettungsdienstes.
Bei einem offenen Knochenbruch muss immer ein Notruf
abgesetzt werden.
Sturz aus großer Höhe
Einer der gefährlichsten Jagdunfälle ist der Sturz vom Hochsitz. Dabei kommt es meistens zu Schnitt- und Stichverletzungen oder Knochenbrüchen. Die Kanzel kann den Verunglückten unter sich begraben oder einklemmen. Es kommt
zu Stürzen auf Kopf, Rücken oder Brustkorb. Das Risiko
für schwerwiegende Verletzungen steigt mit zunehmender
Sturzhöhe an. Natürlich spielt es auch eine Rolle, ob der Untergrund hart oder weich ist.
Bei derart starken Schnittverletzungen ist es wichtig, die
Blutung mittels Druckverband zu stillen.
Gerade ein Schnitt mit der Motorsäge kann sehr gefährlich
werden – tragen Sie bei derartigen Arbeiten immer entsprechende Schutzkleidung!
30
5/2015
Wenn der Verunfallte eingeklemmt oder verschüttet wird,
muss sofort ein Notruf abgesetzt werden. In solchen Fällen
wird meistens gleich ein Rettungshubschrauber und die Feuerwehr mit entsandt. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Sie
der Notrufzentrale den Ort möglichst präzise mitteilen und den
nächstgelegenen Rettungspunkt nennen. Versuchen Sie nicht,
mit aller Gewalt oder unter Zuhilfenahme herumliegender Gegenstände den Eingeklemmten zu befreien. Konzentrieren Sie
sich auf den Zustand des Verletzten: Ist er bei Bewusstsein?
Ist die Atmung normal – das heißt mehr als zehn Atemzüge pro
Minute? Orientieren Sie sich an Ihrer eigenen Atmung! Kann
der Verletzte alles bewegen, hat er Gefühl in Armen, Beinen
und dem Rest des Körpers?
Versuchen Sie, den Verletzten bis zum Eintreffen der Rettung
psychisch zu betreuen. Aber auch in dieser Extremsituation
müssen Sie den Rettungsdienst einweisen. Sollten Sie selbst
der Verunglückte sein, halten Sie – wenn möglich – den telefonischen Kontakt mit der Notrufzentrale, bis Hilfe bei Ihnen
eintrifft.
Beim Sturz auf Rücken oder Kopf, bei Bewusstlosigkeit oder
Lähmung müssen Sie sofort einen Notruf absetzen. Es ist von
einer Wirbelsäulenverletzung oder einer schwereren Kopfverletzung auszugehen. Oberstes Gebot für Sie als Ersthelfer
ist es, den Verunglückten, solange er bei Bewusstsein ist, so
wenig wie möglich zu bewegen. Mehr können und sollen Sie
hier nicht tun. Die psychische Betreuung ist in diesem Fall
Hauptaufgabe, auch unter dem Aspekt der Überwachung des
Kreislaufes, denn die Bewusstlosigkeit ist bei derartigen Unfällen die größte Gefahr.
Der bewusstlose Patient
Ist der Patient nicht ansprechbar – egal aufgrund welcher
Verletzung – muss er in der Erstversorgung auf den Rücken
gedreht werden. Er sollte nochmal laut angesprochen und
kräftig in den Oberarm gekniffen werden. Auch die Atmung
ist zu überprüfen. Ist sie regelmäßig, muss der Patient in die
stabile Seitenlage gebracht werden, damit er nicht an eventuell Erbrochenem oder seiner Zunge erstickt. Aber auch in
der stabilen Seitenlage ist eine dauerhafte Überwachung der
Atmung bis zum Eintreffen der Rettungskräfte notwendig.
Sollte die Atmung ausbleiben oder unregelmäßig sein, ist der
Kreislauf zum Erliegen gekommen oder er ist kurz davor. In
diesem Fall muss der Patient wiederbelebt werden. Dazu wird
der Brustkorb etwa 120 Mal pro Minute circa fünf bis sechs
Zentimeter tief eingedrückt. Eine Pulskontrolle vor Beginn
der Herzdruckmassage ist nicht notwendig, denn keine oder
keine ausreichende Atmung führt zwangsläufig zum Kreislaufstillstand. Auch die Mund-zu-Mund Beatmung ist nach neuesten Erkenntnissen nicht zwingend notwendig. Besser ist es,
die Herzdruckmassage konstant bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes durchzuführen. Beim bewusstlosen Patienten
zeigt es sich, wie wichtig präzise Angaben beim Notruf sind.
Wenn der Verletzte bewusstlos ist oder Sie ihn gar wiederbeleben, müssen Sie bei ihm bleiben und können den Rettungsdienst nicht am Rettungspunkt erwarten und einweisen. Es
empfiehlt sich, den Lautsprecher Ihres Telefons anzustellen
und den Kontakt zur Notrufzentrale so lange zu halten, bis
die Hilfe bei Ihnen ist. Das Personal der Notrufzentralen ist für
solche Situationen geschult und kann Ihnen auch per Telefon
Anweisungen und Hinweise geben, was Sie tun müssen.
Dieser grobe Überblick ersetzt keinen professionellen
Erste Hilfe-Kurs. Frischen Sie deshalb Ihre Kenntnisse
regelmäßig in einem speziellen Lehrgang auf!
Die Landesjagdschule wird ab September den
Fachlehrgang „Erste Hilfe Jagd“ anbieten, Termine in
Kürze in der „Jagd in Bayern“.
FEIERN SIE MIT UNS!
NEUER KATALOG
MIT VIELEN JUBI-ANGEBOTEN!
Maximilian Sedlmair
BJV-Mitglied Maximilian
Sedlmair ist hauptberuflich
Rettungsassistent beim Roten
Kreuz und studiert derzeit
Forstingenieurwesen. Er bejagt
eine Eigenjagd in Fürstenfeldbruck und ist bestätigter
Nachsuchenführer.
Jetzt Scannen
und Ihren
AskariGRATIS neuen
JUBI-KATALOG
anfordern! bestellen!
www.askari-jagd.de Tel.: (0 25 91) 9 50 50
#UMCTK5RQTV)OD*Ű*CPU$ȘEMNGT5VTŰ.ȜFKPIJCWUGP
65-00_Mai_90x258_V1_DE_L39Bg.indd 1
05.03.15 15:48
5/2015
31