Frauen nach vorn! - Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag

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LANDTAG BAYERN
Frauen nach vorn!
Endlich auch in Bayern gleiche Chancen für alle sichern!
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legen Entwurf für Bayerisches
Chancengleichheitsgesetz vor
Mit der Drucksache 17/8752 hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im
Bayerischen Landtag den Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung gleicher
Chancen und zur Gleichstellung von Frauen und Männern.(Bayerisches
Chancengleichheitsgesetz) in den Landtag eingebracht. Die Erste Lesung dieses
Gesetzentwurfes wird am Donnerstag, dem 12. November 2015, stattfinden.
Notwendigkeit einer Reform des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes
ln Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes steht, dass "Jeder Deutsche nach seiner
Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen
Amte" hat. Des weiteren ist im Grundgesetz-Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 auch die Pflicht
des Staates verankert, die Gleichberechtigung aktiv zu fördern: "Der Staat fördert die
tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."
Dieser gesetzliche Auftrag gilt ganz besonders für den Öffentlichen Dienst, bei dem
der Staat als Arbeitgeber nicht nur eine Vorbildfunktion einnehmen muss, sondern im
Gegensatz zur Privatwirtschaft auch die Durchführung entsprechender Maßnahmen
direkt und selbsttätig umsetzen kann. Und wer von der Privatwirtschaft mehr
weibliche Führungskräfte in der Chefetage fordert, muss auch im eigenen Bereich
nach vorne gehen, um glaubwürdig zu sein.
Doch auch nahezu 70 Jahre nach Einführung unserer Verfassung durch die vielen
Väter und wenigen Mütter des Grundgesetzes sind Frauen in Führungspositionen im
Öffentlichen Dienst nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Und je höher die
Positionen finanziell eingestuft sind, desto geringer ist der Frauenanteil- ganz
besonders in Bayern, das hier in bundesweiten Vergleich fast 20 Jahre nach
Einführung eines Bayerischen Gleichstellungsgesetzes immer noch ganz weit hinten
liegt.
Der Frauenanteil im Öffentlichen Dienst liegt hier im Schnitt bei 54,6%, der Anteil der
Frauen im Endamt (höchste Eingruppierung) lediglich bei 19,2%. Und Führungspaten
sind noch immer vorwiegend von Männern vorbehalten. So werden z.B. beim
Obersten Rechnungshof noch nicht einmal 14% der Positionen, die ab A 13 entlehnt
werden, mit Frauen besetzt. Weitere Schlusslichter sind das Innenministerium mit
19,79% und das Umweltministerium mit 21,52%.
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Und Bayerns Polizei ist in Fragen der Gleichstellung absolutes Schlusslicht. Nicht
einmal vier Prozent des Führungspersonals sind laut dem 2014 veröffentlichten
Bericht "Frauen bei der Polizei" weiblich. "Diese Zahl ist 24 Jahre nach der
Einführung des Polizeivollzugsdienstes für Frauen absolut ernüchternd", bemerkt
Verena Osgyan, frauen- und gleichstellungspolitische Sprecherin der LandtagsGrünen. "Die Weiterbildung fQr den höheren Dienst dauert gerade mal zwei Jahre",
entgegnet sie der "fast schon hilflos anmutenden" Begründung der Regierung, dass
die Qualifizierung eben Zeit brauche.
Wenn es seit 1990 nicht gelungen ist, mehr Frauen in die Führungsstrukturen der
bayerischen Polizei zu bringen, liegt das nicht zuletzt an den familienunfreundlichen
Rahmenbedingungen und .an Vorbehalten gegenüber innovativen Arbeitszeitmodellen. Und es betrifft längst nicht nur herausgehobene Positionen: es gibt
Polizeidienststellen in Bayern, wie z. B. die Polizeiinspektion Laufen, die insgesamt
gerade mal einen Frauenanteil von 11% aufweisen kann.
Doch woran liegt das?
"Frauen sind bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu
befördern." So steht es in allen Gleichstellungsgesetzen, Gleichberechtigungsgesetzen und den Chancengleichheitsgesetzen, die es in Deutschland seit den
frühen Neunzigerjahren gibt. Doch mit dieser Absichtserklärung ist es nicht getan,
wie die Erfahrung zeigt. Die Wirksamkeit hängt entscheidend davon ab, welche
Verbindlichkeit die entsprechenden Regelungen aufweisen, welche
Sanktionsmöglichkeiten bestehen, welche Ausstattung und welche Befugnisse den
Gleichstellungsbeauftragten zur Verfügung stehen, und nicht zuletzt wie engmaschig
das Berichtswesen ist um den Erfolg der entsprechenden Maßnahmen zu
überprüfen.
Bei nahezu allen diesen Anforderungen ist das Bayerische Gleichstellungsgesetz
gegenüber den anderen Bundesländern deutlich schlechter ab. Doch wenn ein
Gleichstellungsgesetz wie in Bayern ein zahnloser Tiger bleibt, läuft die gutgemeinte
Forderung, Frauen sind bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
bevorzugt zu befördern bzw. einzustellen, ins Leere. Es gaukelt Frauenförderung
nur vor, echte Fortschritte bleiben seit Jahren aiJS. 2015 steht eigentlich turnusmäßig
nach immerhin fünf Jahren ein neuer Gleichstellungsbericht des Freistaats Bayern
an, der trotzwiederheiter Ankündigungen Mitte November immer noch nicht vorliegt.
Doch die Ergebnisse vieler verschiedener Anfragen zeigen auch so deutlich, dass
sich seit dem letzten Bericht Jahren wieder nur sehr wenig getan hat. Daher ist es
nun überfällig, nicht länger zuzuwarten, sondern Geschlechtergerechtigkeit und
· gleiche Chancen im Öffentlichen Dienst endlich offensiv anzugehen.
Um den Anteil der Frauen in den Führungspositionen zu erhöhen, müssen endlich
Verbindlichkeiten in das Gleichstellungsgesetz, die Gleichstellungsbeauftragten
müssen in ihrem Handeln gestärkt werden und eine unabhängige Landesbeauftragte
oder ein unabhängiger Landesbeauftragter für Gleichstellung eingesetzt werden, um
die Umsetzung auch wirksam überwachen zu können, als Ombudsstelle zu fungieren
und ähnlich ausgestattet wie die Bayerischen Landesdatenschutzbeauftragten dieser
Querschnittsaufgabe wirklich gerecht werden zu können.
Daher ist es mit einer Änderung des bestehenden Bayerischen
Gleichstellungsgesetzes aus dem Jahr 1996 nicht getan: Es ist Zeit für ein
Bayerisches Chancengleichheitsgesetz, das mit seinem neuen Namen auch einen
neuen Geist verkörpert, der gleiche Chancen fürMännerund Frauen als das
versteht, was sie eigentlich sein sollten - selbstverständlich und ohne Alternative.
Diese Forderung wird von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen
Landtag konsequent und beharrlich seit langem vertreten, so bereits mitder Vorlage
entsprechender Gesetzentwürfe am 6. Februar 2006 (Drucksache 15/4729) und am
14. Oktober 2010 (Drucksache 16/5921).
Verena Osgyan meint dazu: "Viele Gespräche mit Gleichstellungsbeauftragt~n aus
Kommunen und Landkreisen haben uns gezeigt, dass das bestehende Gesetz häufig
nicht das Papier wert ist, auf dem es steht. Was nützt es, wenn eine Frau fordern
kann, dass beim Bewerbungsgespräch die Gleichstellungsbeauftragte anwesend ist,
wenn diese kein Recht hat, die männlichen Mitbewerber auch anzusehen? Wenn
Kann-Bestimmungen überwiegen, es für jede Bestimmung eine Ausnahme gibt und
die Gleichstellungsbeauftragten ihre Aufgabe in der Regel quasi ehrenamtlich neben
ihrer eigentlichen Tätigkeit ausführen, noch dazu befristet und damit leichter
erpressbar und am Ende noch nicht einmal das Recht haben, Missstände publik zu
machen und ihre Aufgabe nach außen hin zu vertreten? Bei jeder anderen Aufsichtsund Kontrollfunktion würden einer angesichts solcher Machtlosigkeit die Haare zu
Berge stehen. Dass etliche (vor allem große) Städte in Bayern den
Gleichstellungsbeauftragten in Satzungen wesentlich weitgehendere Befugnisse
einräumen, zeigt nur wie schlecht das Landesgesetz wirklich ist. Aber Gleichstellung
im Öffentlichen Dienst darf nicht davon abhängen, ob die Dienststelle zufällig in
München oder im Bayerischen Wald ansässig ist. Nehmen wir uns daher andere
Länder als Vorbild, die hier in den letzten Jahren deutlich nachgebessert haben. Mit
unserem Entwurf für ein Bayerisches Chancengleichheitsgesetz haben wir uns
genau angesehen, was andernorts funktioniert und eines der fortschrittlichsten
Gesetze geschrieben, die es bundesweit gibt. Hoffen wir, dass die CSU endlich
erkennt, dass Gleichstellung nichts ist, was sich gut in Sonntagsreden macht oder
mal eben von Zugwanderern vollmundig gefordert werden kann, sondern dass dafür
auch hier vor Ort aktiv etwas getan werden muss. Denn da haben wir auch hier in
Bayern noch gewaltig Luft nach oben."
Die zentralen Punkte des Gesetzentwurfs von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
(Drucksache 17/8752):
Neuer Name verkörpert einen neuen Anspruch:
Es geht um gleiche Chancen für Frauen und Männer, weil dies weiter führt als der
Begriff Gleichstellung und weil er auf unserem Grundgesetz basiert. ln Artikel 3
Absatz 2 heißt es "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung
bestehender Nachteile hin." Es geht inzwischen also um mehr als nur Gleichstellung,
es geht darum, dass der Staat aktiv handelt und gleiche Chancen ermöglicht. Darum
übernimmt der Gesetzentwurf den Titel des entsprechendes Gesetzes der grün-roten
Landesregierung Baden-Württembergs.
Wirksame Stelle zur landesweiten Durchsetzung:
Es wird die Stelle einer oder eines Landesbeauftragten für Gleichstellung
installiert, die die Einhaltung des Gesetzes kontrolliert. Ziel ist es, den
Gleichstellungsbeauftragten eine Stimme zu geben, die auch was zu sagen hat.
Deshalb ist die Notwendigkeit, einer Landesbeauftragte für Gleichstellung mit
entsprechenden Kompetenzen, Personal und Sachmitteln, die unabhängig die
Gleichstellung mit dem angemessenen Augenmaß voranbringt, unabdingbar.
Stärkung der Rechte und der Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten in
den Kommunen und Behörden:
Die Gleichstellungsbeauftragten bekommen mehr Kompetenzen, Weisungsrechte
und die Möglichkeit zur aktiven Öffentlichkeitsarbeit. Sie sind bei sämtlichen
Vorstellungsgesprächen hinzuzuziehen und erhalten eine angemessene Frist zum
Widerspruch. Gleichzeitig wird der Kündigungsschutz und die Möglichkeit zu
Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten verbessert. Der Kreis der Kommunen, in
denen Gleichstellungsbeauftragte zu bestellen sind, wird vergrößert auf Gemeinden
ab 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Nach dem bisherigen CSU-Gesetz sind
sie nur befristet zu berufen, was ihre Durchsetzungskraft schwächen kann. Darum
sieht das GRÜNE Chancengleichheitsgesetz keine Befristungen vor. Außerdem
werden die Durchsetzungsmöglichkeiten deutlich erweitert und der Geltungsbereich
erstreckt sich künftig auch auf Unternehmen und Betriebe des Privatrechts, wenn sie
dem Staat oder den Kommunen gehören.
Neue Arbeit- Beruf und Familie können vereinbart werden:
Nach dem GRÜNEN Chancengleichheitsgesetz werden alle Dienststellen des
öffentlichen Dienstes künftig intensiv Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeil von
Beruf und Familie ergreifen. Neue Arbeitszeitmodelle werden im öffentlichen Dienst
erprobt und eingeführt und Teilzeit- und Telearbeit wird deutlich erleichtert.
Gleiche Chancen durch Quoten und Schulungen sichern:
ln Bereichen, in denen Frauen derzeit deutlich unterrepräsentiert sind, sollen sie
künftig bei Einstellungen und Beförderungen so lange bevorzugt werden, bis
Gleichheit erreicht ist. Im öffentlichen Dienst sollen zukünftig Schulungen und
Fortbildungsmaßnahmen Männer für die bisherigen "Frauenberufe" qualifizieren und
auch die Themenfelder "Gleichstellung" und "Sexuelle Belästigung" behandeln.
Stetige Verbesserungen und Weiterentwicklungen:
Damit die Chancengleichheit in Bayern künftig immer weiter verbessert wird, sieht
das Gesetz regelmäßige Berichte der oder des Landesbeauftragten an den Landtag
vor.
München, den 11. November 2015
Verena Osgyan
Sprecherin für Frauen und Gleichstellung,
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende