Ethik des Krieges Das Panel möchte neuere Forschungsergebnisse zur Ethik des Krieges diskutieren. Unter anderem richtet sich der Fokus der Diskussion auf die fortlaufende Aktualität der Theorie des Gerechten Krieges. Gerade in neueren kosmopolitischen Perspektiven der Internationalen Politischen Theorie finden sich unter der Perspektive der globalen Verantwortung jenseits staatlicher Grenzen und des Schutzes von Menschenrechten Argumentationen, die militärische Interventionen für ethisch vertretbar halten. Auch die politische Praxis verweist auf die Kriterien des Gerechten Krieges, um somit militärische Einsätze dort ethisch zu rechtfertigen, wo sich völkerrechtliche Defizite zeigen. Auch die Vertreter der analytischen Philosophie, und hier federführend Jeffrey McMahan, beschäftigen sich mit Fragen der ethischen Rechtfertigung von Krieg, der Kriegführung und der eingesetzten Gewaltmittel. Doch gelangen diese Revisionisten entgegen traditionellen Interpretationen der Theorie des Gerechten Krieges zu anderen Schlussfolgerungen, etwa wenn es um die Anwendung des Verantwortlichkeitsprinzips auf den Kombattantenstatus im Krieg und dessen Folgen für die Unterscheidbarkeit von Soldaten und Zivilisten geht. Ziel des Panels ist es, jene neueren Entwicklungen der traditionellen und revisionistischen Interpretationen der Ethik des Krieges kritisch zu reflektieren und ihre Folgen für die Interventionspraxis und Kriegführung zu diskutieren. Panel-Organisator/in: Professor Peter Schlotter ([email protected]) und Dr. Simone Wisotzki, HSFK Frankfurt/Main ([email protected]) Paper 1: Zum Verhältnis von Recht und Ethik des Krieges – Überlegungen zu einer Theorie legitimer militärischer Gewalt Dr. Peter Rudolf Ausgangspunkt dieses Beitrags ist folgender Befund: Für eine normative Bewertung des Einsatzes militärischer Gewalt reicht eine rein völkerrechtliche Betrachtung nicht aus. Zu interpretationsoffen ist das Völkerrecht, was die legitimen Gründe für einen Einsatz militärischer Gewalt angeht. Zu sehr privilegiert das humanitäre Völkerrecht die militärische Notwendigkeit und erlaubt ein moralisch bedenkliches hohes Maß an Gewalt. Notwendig ist deshalb – so meine Kernthese – eine ethische Argumente aufnehmende normative Theorie legitimer militärischer Gewaltanwendung, die explizit an das oft missverstandene kritische Potential der bellum iustum-Tradition anknüpft. Eine solches Gerüst von Prinzipien und Kriterien hilft nicht nur bei der individuellen Urteilsbildung, sondern ermöglicht vor allem auch eine strukturierte und rationale öffentliche Debatte über folgende Fragen: Werden mit einem militärischen Einsatz klar bestimmte legitime Zwecke verfolgt, das heißt solche, die eine Ausnahme vom Tötungsverbot rechtfertigen, verallgemeinerungsfähig sind und hierauf möglichst durch den Zwang zur Legitimation in 1 multilateralen Verfahren „getestet“ wurden? Waren andere, gewaltärmere Mittel erfolglos oder bieten keine vernünftige Erfolgsaussicht? Besteht eine vernünftig begründbare Aussicht darauf, dass diese Zwecke dauerhaft und mit einem Minimum an Gewalt erreicht werden können? Dr. Peter Rudolf ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Amerika an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Kontakt: [email protected] Paper 2: Auf dem Weg zum „gerechten“ Drohnenkrieg? Moderne Militärmittel und die aktuellen Debatten um „gerechte Kriege“ Dr. Niklas Schörnig Seit einigen Jahren scheint das Konzept des “gerechten Krieges” sowohl in akademischen, als auch politischen Diskursen wieder stärkeren Anklang zu finden – man denke nur an die Rede von Präsident Obama im Zuge der Friedensnobelpreisverleihung. Gleichzeit zeigt sich ein militärischer Trend hin zum Einsatz von Drohnen, Spezialeinheiten oder gar Cyber-Waffen ab. Im Vortrag wird argumentiert, dass der Rückgriff auf solche militärischen Mittel es leichter macht, Kriterien der Theorie des gerechten Krieges sowohl in Bezug auf das jus in bello als auch das jus ad bellum zu erfüllen. Dies gilt besonders für die aktuell intensiv diskutierte „revisionistische Theorie des gerechten Krieges“ von Jeff McMahan, die individuelle Schuld statt institutioneller Zugehörigkeit zu regulären Streitkräften als zentrales Kriterium für tödliche Angriffe benennt. Es wird argumentiert, dass der Rückgriff auf Legitimationsmuster der Theorie des gerechten Krieges und neue Formen der Kriegsführung gut kompatibel sind. Dies kann zukünftig zu einem verstärkten Einsatz militärischer Mittel, legitimiert durch Argumente der Theorie des gerechten Krieges, führen während gleichzeitig klassisches Völkerrecht untergraben wird. Dr. Niklas Schörnig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leibniz Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) Kontakt: [email protected] Paper 3: Krieg als Exzess und Überschreitung. Zur Aktualität kritischer Kriegstheorien von Roger Caillois und Georges Bataille. Dr. Marc von Boemcken 2 Aus Sicht der verbreiteten liberalen Kritik des Krieges untergräbt und stört kollektive Gewaltanwendung eine universale Ordnung der Dinge. Diese Position ist ethisch fragwürdig, übersieht sie doch, dass der auf diese Weise fixierte und herbeigesehnte „Frieden“ immer auch „Befriedung“, immer Herrschaftsdiskurs, immer selbst gewalttätig ist. Eine alternative Kritik des Krieges erschließt sich aus dem Werk der französischen Philosophen Roger Caillois und Georges Bataille. „Krieg“ und „Frieden“ erscheinen hier nicht als absoluter Gegensatz, sondern stehen in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Die organisierte Überschreitung gesellschaftlicher Tabus (Krieg) – für Bataille eine gigantische Orgie makroökonomischer „Verschwendung“ zur Ermöglichung individueller Grenzerfahrungen und Lust – ist konstitutiv für das sich stets verändernde Ideal gesellschaftlicher Ordnung (Frieden). Richten wir den Blick auf die generative Macht des Krieges, dann stellt sich die Frage, inwiefern derzeitige Veränderungen in der Kriegsführung („Krieg gegen den Terror“, Drohnenkrieg) womöglich neuartigen Ausdrucksformen politischer Subjektivität und sozialer Normen den Weg bereiten. Dr. Marc von Boemcken ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bonn International Center for Conversion (BICC) Kontakt: [email protected] 3
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