Kleine Bissen Wissen

DEFGH
Nr. 86, Donnerstag, 14. April 2016
LERNEN
24-29
Zwei Sonderseiten zum Thema
Studieren in Österreich und vier
Sonderseiten „Abitur, was dann?“
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
Kleine
Bissen
Wissen
INHALT
Vom Werk in den Hörsaal
Allmählich werden in Österreich
die Anhänger des dualen
Studiums zahlreicher
24
Ein Jahr Freiheit
Nach dem Abi ist es Zeit, vieles
auszuprobieren und beruflich
die Fühler auszustrecken
PC, Smartphone und
Tablet bescheren dem
Bereich Bildung eine nie
da gewesene Flexibilität
Arboristik als Alternative
Mithilfe von Berufstests kann
man seine Interessen und
Fähigkeiten ausloten
von verena wolff
J
acqueline Henning hat sich schon vor
Jahren eines vorgenommen: Sie will
Schwedisch lernen. Und zwar so gut,
dass sie sich in Schweden mit den dortigen
Freunden in deren Muttersprache unterhalten kann. „Ich bin immer an der Zeit gescheitert“, sagt die promovierte Neurophysiologin über die ersten Versuche, mit CDs
und anderen Lernhilfen, für die es viel Ausdauer bedurfte.
Und dann entdeckte Henning Babbel. Internetbasiert, nutzbar auf dem heimischen Rechner, auf dem Tablet und über
das Smartphone. Sie lernte in längeren Sitzungen und mit kleinen Vokabelhäppchen. In Partnerschaften mit Muttersprachlern und mit vielen hilfreichen
Werkzeugen. „Jetzt bin ich so weit, dass ich
mit der Sprache etwas anfangen kann“,
sagt sie. Auf etwa 2500 Worte schätzt sie ihren Sprachschatz derzeit, ungefähr 8000
hat man, wenn man eine Sprache fließend
spricht. „Ich kann Bücher auf Schwedisch
lesen, und vor allem kann ich mit den Menschen reden“, sagt sie.
E-Learning, das digitale Lernen, ist ein
Trendthema – und es ist ein weites Feld.
„Die Branche verzeichnet seit Jahren kontinuierliches Wachstum“, sagt Juliane Petrich, Referentin für Bildungspolitik beim
Branchenverband Bitkom. Das lebensbegleitende Lernen sei in Zukunft ohne Computer oder Smartphone kaum vorstellbar.
„Der Umgang mit digitalen Medien ist zu einer Schlüsselkompetenz geworden“, betont sie. Unternehmen nutzen diese Form
der Erwachsenenbildung immer häufiger,
auch im privaten Bereich ist das digitale
Lernen nicht mehr wegzudenken.
Die Grenzen verschwinden dabei zunehmend. „Jeder guckt im Büro etwas Privates
nach – und bereitet sich in seiner Freizeit
auf Termine im Job vor“, sagt Professor Peter Henning von der Hochschule Karlsruhe. Ingenieure entwickeln Software, über
die sie technische Daten zur Verfügung
stellen, „dafür musste man früher dicke
26
Mobile Learning, also das Lernen unterwegs oder auch im Freien, ist auf dem Vormarsch. Denn man ist damit räumlich und zeitlich flexibler.
Handbücher wälzen.“ Andere drehen Videoclips darüber, wie man ein Inhaltsverzeichnis in einem Dokument generiert
oder die Batterie im Smartphone austauscht. „Freie Bildungsmedien, sogenannte Open Educational Resources, dienen vielen Menschen zur Hilfestellung und Information“, sagt Henning. Wer bei Youtube danach sucht, wie eine Waschmaschine zu reparieren ist, kann aus einer Vielzahl von Ergebnissen wählen. „Vielfach ersetzt dieses
Wissen bereits den von außen hinzugezogenen Experten“, sagt Henning.
Statistiken in diesem Bereich sind rar gesät. Bei den Anbietern allerdings liegen
Sprachangebote, Management-Themen
wie Zeitmanagement und Softwareschulungen vorn, berichtet Sünne Eichler. Sie
ist Beraterin für Bildungsmanagement
und leitet zusammen mit Professor Henning die Learntec, eine internationale Fachmesse für das Lernen mit Informationstechnologie, die alljährlich in Karlsruhe
stattfindet. Weder den Inhalten noch den
Lernformen sind dabei Grenzen gesetzt.
„Man kann sich mit Hilfe des Internets das
Gitarrespielen beibringen, anschauen, wie
man ein perfektes Soufflé hinkriegt oder
Business-Englisch pauken“, sagt Petrich
vom Verband Bitkom.
Weiterbildung soll Spaß
machen – nach diesem Prinzip
funktionieren „Serious Games“
Immer weiter auf dem Vormarsch ist dabei das sogenannte Mobile Learning, das
Lernen unterwegs also. Der große Vorteil:
„Man ist räumlich und zeitlich unabhängig“, sagt Eichler. Und man kann sich kleine „Bildungsnuggets“ auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn oder in der Mittagspause zu Gemüte führen. Diese Entwicklung
ist durch Smartphones und Tablets in den
vergangenen Jahren erst möglich gewor-
den. Von wo aus man auf die Inhalte zugreift, hänge davon ab, was man lernen
wolle. „Vokabeln kann man prima mit
Smartphone oder Tablet lernen, andere
Trainings eignen sich sicher eher für zu
Hause am Rechner.“ Immer häufiger, so beobachtet sie, erfolgt das Lernen „on demand“, „also in dem Moment, in dem ich es
benötige und nicht ‚auf Vorrat“‘.
Wer sich tiefer in ein Thema einarbeiten
will, kann unter einer ganzen Reihe von
Möglichkeiten wählen: Fernunis und Akademien bieten ihre Inhalte ebenso online
an wie einzelne Institute an Hochschulen.
„Einen besonderen Schub hat hier das Angebot von MOOCs gebracht“, sagt Eichler.
Diese Massive Open Online Courses vermitteln Inhalte in Form von Videosequenzen,
Skripten und anderen Lernmaterialien.
Teilnehmer können sich dann in Foren
und sozialen Netzwerken austauschen.
„Diese MOOCs werden häufig kostenfrei angeboten“, sagt Henning von der
FOTO: IMAGO
Hochschule Karlsruhe. Zahlen muss nur,
wer eine Prüfung ablegen oder ein Zertifikat bekommen möchte. Auf Portalen wie
Iversity, HPI, Open Course World, Coursera oder edX kann man sich einen Überblick
über das Angebot verschaffen.
Eine andere Variante sind die „Serious
Games“. Das sind Spiele, bei denen es nicht
ums Ballern oder ums Steinchensortieren
geht, sondern die einen Lerninhalt vermitteln, zum Beispiel eine Sprache oder Wissen über Krankheiten. „Zur Information
über Gesundheitsfragen dienen zunehmend die frei verfügbaren Inhalte entsprechender Webseiten“, erläutert Henning.
Auch wenn es dabei noch viel Unqualifiziertes gebe, sei der Beitrag immens, den diese
Informationen zur Gesundheitsvorsorge
leisten könnten. „Die EU-Kommission
schätzt den ,Wert‘ auf mehrere Milliarden
Euro pro Jahr und hat eigens zur Steigerung der ‚Digital Health Literacy‘ einen Forschungsaufruf gestartet.“ Die genannte
28
Zahl bezieht sich auf den Wert der Firmen
und ihrer Dienstleistungen.
Es geht also um das Lernen einzelner Fähigkeiten und um die Erweiterung der Allgemeinbildung. Schwierig ist es noch, sich
im Dickicht des riesigen Angebotes genau
das Richtige für den eigenen Bedarf herauszusuchen. Denn die Formel: „Ist gut, weil
es viel Geld kostet“ funktioniert in dem Gemenge von Start-up-Unternehmen und
Firmen mit langer Geschichte nur noch selten. „Wir sind in einer Wachstumsphase,
da schwimmt eine gewisse Menge Schrott
mit, das geht nicht anders“, sagt Henning.
Doch es sind eben auch viele Perlen dabei.
Auszeichnungen, die von verschiedenen
Verbänden und Initiativen vergeben werden, können Orientierung bieten.
Wer nun Sorge hat, dass jeder zum
„Nerd“ wird und zum Lernen ausschließlich allein vor dem Computer hockt, liegt allerdings falsch. „Es hängt vom Szenario
und dem Thema ab“, sagt Sünne Eichler.
„Doch generell kann man sagen, dass das
Lernen sich stärker hin zu kollaborativem
Lernen entwickelt.“ Die Interaktion zwischen Lerner und Lerner sowie zwischen
Trainer und Lerner trage stark zur Motivation eines Bildungswilligen bei und damit
zum Erreichen seiner Lernziele. „Auch die
Qualität des Contents ist entscheidend: Je
interaktiver und je vielseitiger mit Übungen aufbereitet, desto höher der ,Spaßfaktor‘ und desto besser das Ergebnis.“
Auch Jacqueline Henning verlässt sich
beim Schwedisch-Lernen nicht nur auf die
Technik, die bei der Spracherkennung, Vokabeln und Redewendungen hilft. „Ich habe eine Tandem-Partnerschaft mit einer
Schwedin, die Deutsch lernt“, erzählt Henning. Beide schreiben sich Briefe per
E-Mail in der jeweils neuen Sprache, der
Muttersprachler korrigiert dann die Fehler. „Man hilft sich gegenseitig.“
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„Die Ganztagsschule war vor
allem meinen Eltern wichtig.
Aber jetzt find’ ich’s auch gut.“
9 Keine Aufnahmeprüfung, kein Notendurchschnitt
9 Individuelle Förderung
9 Gleicher staatlicher Schulabschluss
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BOLIVIANISCHE SCHÜLER SUCHEN GASTFAMILIEN
Anzeigenschluss:
Freitag, 22. April 2016
(ehem. Technischer Fachwirt (HWK)) - in Vollzeit
Schüleraustausch mit La Paz/Bolivien
Die Deutsche Schule La Paz/Bolivien plant
2016/2017 einen Schüleraustausch mit
Schülern aus der Bundesrepublik Deutschland. Die bolivianischen Schüler haben das
10. Schuljahr beendet, sind etwa 16 Jahre alt
und sprechen in der Regel gut Deutsch.
Gesucht werden Gastfamilien mit etwa
gleichaltrigen Schülern, die sie für 3 Monate,
von ca. 19. September 2016 bis zum 09. Dezember 2016, bei sich aufnehmen. Während
des Aufenthaltes gehen die bolivianischen
Gäste mit ihren Gastgeschwistern zur Schule.
Der Gegenbesuch der deutschen Schüler ist
Fachfrau/-mann für kaufmännische
Betriebsführung (HwO)
erwünscht, aber nicht Bedingung. Wir bieten
zwei Termine für den Gegenbesuch in 2017
an, einen am Anfang des Jahres und einen
weiteren über die deutschen Sommerferien.
Die deutschen Schüler können die Deutsche
Schule in La Paz unentgeltlich besuchen, in
der sie bis zur 12. Klasse in Deutsch (Abitur)
oder in Spanisch unterrichtet werden können.
Den Eltern entstehen lediglich Kosten für
Reise, Versicherung und Taschengeld. Hingegen werden Kosten für Unterkunft und
Verpflegung von den jeweiligen Gastfamilien
getragen.
Interessenten melden sich bitte per Mail bei:
Henning Hinsch ∙ Colegio Alemán „Mariscal Braun“,
Casilla 4442 ∙ La Paz ∙ Bolivia ∙ Fax: 0 05 91-2-2 71 15 99
email: [email protected] oder [email protected] ∙ Tel.: 0 05 91-2-2 71 34 03
Kursinhalt:
Die Prüfung wird als Teil III der
Meisterprüfung anerkannt.
Kontakt
Süddeutsche Zeitung
Telefon: +49 (89) 21 83 - 90 72
oder - 8140
E-Mail:
[email protected]
§ Rechnungswesen und Controlling
§ Wirtschaftliches Handeln im Betrieb
§ Rechtliche und steuerliche Grundlagen
§ Projektmanagement
Termin:
2. Mai - 23. Juni 2016
Gebühr:
1510,00 Euro zzgl. Prüfungsgebühr
Info:
Telefon 089 450981-653 ? Telefax 089 450981-654
[email protected]
www.hwk-muenchen.de/muenchen
Wo?
Mühldorfstraße 6 ? 81671 München
24 LERNEN
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
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Öste
Hörsaal und Werk im Wechsel
Allmählich werden auch in Österreich die Anhänger des dualen Studiums mehr.
Inzwischen bieten drei Fachhochschulen diese moderne Art der Ausbildung an
G
Technik kann sehr wohl „sexy“ sein: Die Anbieter des dualen Studiums in Österreich müssen mancherorts noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Doch die Anzahl der Bewerber steigt.
FOTO: FH JOANNEUM
müdlich muss er Überzeugungsarbeit
leisten: Fehlinformationen ausräumen,
Vorbehalte abbauen, die Vorteile der zweigleisigen Ausbildung darstellen. Wagner:
„Wenn wir dieselbe Unterstützung hätten,
die man der betrieblichen Lehrlingsausbildung zukommen lässt, würde die Wirtschaft das duale Studium gewiss ähnlich
begeistert aufnehmen, wie sie das mit der
Lehre macht.“
Das Modell setzt Engagement
voraus, und die Teilnehmer haben
nur wenige Wochen Ferien
Ingo Prepeluh von der Fachhochschulkonferenz sieht sich keines Versäumnisses
schuldig. „Alle Fachhochschulen dürfen
von Gesetzes wegen duale Studiengänge
anbieten“, hält er dagegen. „Aber die Struktur der Betriebe ist in Österreich anders als
in Deutschland.“ Die Grazer Fachhochschule Joanneum habe es deutlich schwerer,
denn in der Steiermark gebe es fast nur
kleine und mittlere Unternehmen. Dies gelte auch für andere österreichische Bundesländer. „Man braucht ein Potenzial an größeren Betrieben, die bereit sind, zeitweise
auf ihr Personal zu verzichten“, erläutert
Prepeluh. Denn die dual Studierenden arbeiten sechs Monate eines Ausbildungsjahres nicht im Betrieb, weil sie in der Uni
sind. Solche Betriebe gebe es in Vorarlberg,
ergänzt er.
Franz Geiger kennt alle technisch orientierten größeren Betriebe Vorarlbergs, etwa ein Dutzend. Er ist Professor an der
Fachhochschule Vorarlberg in Dornbirn
und leitet den dualen Studiengang Elektrotechnik. „Wir haben 2014 mit 24 Studienplätzen angefangen und sind mit dem bisherigen Erfolg sehr zufrieden“, sagt Geiger. Im ersten Jahr wird nur an der Hochschule studiert, vom zweiten Jahr an wechseln sich Hörsaal und Halle im Drei-Monats-Rhythmus ab. Bis zum Examen bekommen die Studierenden von den Arbeit-
gebern monatlich 1000 Euro, egal ob sie im
Betrieb arbeiten oder an der Fachhochschule studieren. „Der erste Jahrgang ist
jetzt in der Betriebspraxisphase“, erklärt
Geiger, „das ist kein Zuckerschlecken.“ Die
Hochschulen haben weniger Zeit, den Stoff
zu vermitteln, weil die Studenten vom zweiten Ausbildungsjahr an sechs Monate im
Betrieb verbringen. Deshalb haben die angehenden Ingenieure beim dualen Modell
nur fünf Wochen Ferien. Beim klassischen
Ingenieurstudium haben die Studenten immerhin mehrere Monate Semesterferien.
Doch laut Geiger lohnt sich der Einsatz:
„Wer es übersteht, der ist glücklich.“
Auch die Firmen seien jetzt dabei. Am
Anfang hatte der Ingenieurwissenschaftler einen Betrieb in der Region nach dem
anderen abgeklappert. „Wir haben jetzt 36
Partner. Im Moment kommen wir damit
gut aus“, sagt Geiger. „Manche Betriebe
nehmen gleich drei oder vier Studierende.
Die können dann Lerngruppen bilden und
an ihrem zukünftigen Netzwerk bauen.“
Gutes Networking
Die Fachhochschule St. Pölten arbeitetet mit Weltmarktführern und mit kleineren Herstellern zusammen
Seit einem guten halben Jahr können junge Menschen an der Fachhochschule
St. Pölten in Niederösterreich dual studieren. Zusammen mit dem Joanneum in
Graz (Steiermark) und der Fachhochschule
Vorarlberg in Dornbirn bieten drei Fachhochschulen in Österreich ein technisch
orientiertes Studium an, dessen Teilnehmer parallel zur Theorie in Partnerunternehmen auf die Praxis vorbereitet werden.
Diplomingenieur Dr. Franz Fidler leitet
den Studiengang Smart Engineering an
der Fachhochschule St. Pölten.
SZ: Wie sind Sie bei der Entwicklung des
dualen Studiengangs vorgegangen?
Franz Fidler: Wir haben Anfang 2014, also
etwa eineinhalb Jahre vor dem Start, damit
begonnen. Hervorheben möchte ich, dass
wichtige Impulse dafür aus der regionalen
Industrie kamen. Konkret haben uns die
Firmen angesprochen, ob wir nicht vor Ort
ein duales technisches Studium anbieten
könnten, um den Studierwilligen, die ja
gleichzeitig in den Unternehmen sind, weite Anreisewege zu ersparen. Ein wichtiges
Ziel war somit auch, junge Akademikerinnen und Akademiker in der Region auszubilden und zu halten.
Selbstverständlich freuen wir uns darauf,
weitere Partnerfirmen zu gewinnen.
wir den zweiten Durchgang und haben sogar noch mehr Interessenten.
Haben Sie Ihre Studienplätze auf Anhieb
besetzen können?
Die Nachfrage nach den 30 Plätzen war
sehr rege. Wir konnten die 30 Besten unter
den Bewerbern auswählen. Jetzt planen
Sind die beteiligten Firmen zufrieden?
Die Resonanz ist durchwegs positiv. Das
duale Studium wird als gemeinsames Projekt aufgefasst. Und die Zusammenarbeit
zwischen Hochschule, Betrieben und Studierenden funktioniert reibungslos.
Dann war es also kein Problem, kooperierende Betriebe zu finden?
Überhaupt nicht. Wir haben in der Region
einen großen Pool von Unternehmen, die
an erfolgreichen und an qualifizierten Mitarbeitern interessiert sind. Das sind entweder große Hersteller oder kleine und mittlere Betriebe, die technische Lösungen für
solche großen Hersteller anbieten. Darunter sind sogar einige Weltmarktführer.
Studieren
wo die Jobs sind!
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Museum in Friedrichshafen. www.fhv.at
Das Angebot des zweigleisigen technischen Studiums diene auch dem Ziel,
Akademiker in der Region
zu halten, erklärt Franz
Fidler. Einen Vorzug des
Modells sieht er in den
kurzen Fahrtwegen.
FOTO: FH ST. PÖLTEN
Was können Hochschulen tun, um das
duale Studium bekannter zu machen?
Meine Kollegen von den beiden anderen
Hochschulen und ich haben bereits zu einem informellen Zusammenschluss gefunden. Im Augenblick sind wir dabei, den geeigneten Rahmen für eine Plattform duales Studium in Österreich zu diskutieren.
interview: christine demmer
Studieren in Salzburg
Bachelor & Master
Ingenieurwissenschaften
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R
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Holztechnologie & Holzbau (BA)
Holztechnologie & Holzwirtschaft (MA)
Smart Building (BA) | Smart Cities 1 (MA)
Informationstechnik & System-Management (BA/MA)
Applied Image and Signal Processing 2 (MA)
BA = Bachelor / MA = Master
1 Vorbehaltlich der Genehmigung durch die AQ Austria
2 Joint Master mit der Universität Salzburg | 3 Postgradualer Masterlehrgang
Vom siebten Himmel auf
den Boden der Tatsachen
Wegen der ungünstigen Perspektiven in Österreich
gehen viele Ärzte ins Ausland oder in andere Branchen
von christine demmer
eorg Wagner erklärt seinen Studenten nicht nur im Hörsaal, wie das
Thema Industrie 4.0 die Welt verändern wird. Hin und wieder fährt er mit ihnen direkt in die voll automatisierte Zukunft. An einem sonnigen Märzmorgen
sitzt der Professor im Bus, zusammen mit
30 Teilnehmern des Studiengangs „Engineering and Production Management“ der
Grazer Fachhochschule Joanneum. Das
Ziel liegt in Scharnhausen nahe Stuttgart.
Im Leit- und Vorzeigewerk der Festo AG
werden Ventile, Ventilinseln und Elektronik gefertigt – schlank, energieeffizient
und komplett vernetzt. Wie gut das gelungen ist, sollten die angehenden Master-Ingenieure beurteilen können. Denn parallel
zum Studium arbeiten sie alle schon in
mehr oder weniger hochgerüsteten Zukunftsfabriken.
Am Joanneum, mit mehr als 4000 Studenten eine der größten Fachhochschulen
in Österreich, gibt es bisher zwei duale Studiengänge. Der 2002 als Diplom-Studium
gestartete Studiengang „Produktionstechnik und Organisation“ schließt mit dem Bachelor of Science in Engineering ab und
war der erste duale Studiengang in Österreich. 2014 kam das duale Masterstudium
„Engineering and Production Management“ hinzu. Georg Wagner leitet beide
Studiengänge, und da die Anzahl der Bewerber vom Start weg die der Studienplätze überstieg, ist er nicht wenig stolz – man
spürt es im Gespräch mit ihm. „Das duale
Studium kommt an“, sagt der Professor,
„aber wir müssen uns auch anstrengen;
nicht zuletzt deshalb, weil ein technisches
Studium a priori nicht so sexy ist.“ Doch
die Grazer kennen ihre Stärken. Momentan arbeiten sie an einem dritten dualen
Masterstudiengang im Lebensmittelmanagement.
Angesichts des Riesenerfolgs des dualen Studiums in Deutschland ist es erstaunlich, dass die Fachhochschule Joanneum
gerade mal eine von überhaupt nur drei
Fachhochschulen in Österreich ist, an denen das mit Betriebspraxis kombinierte
technische Studium angeboten wird. In
zeitversetzten Phasen lernen die Studierenden mal im Kooperationsunternehmen,
mal im Hörsaal und dafür werden sie vom
zweiten Jahr an von den Betrieben bezahlt.
Was für die Technik der Festo AG gilt, das
gilt auch für das Studium: schlank, effizient und komplett vernetzt – ein Prototyp
für „Hochschulbildung 4.0“. Doch nach
wie vor muss Georg Wagner den Betrieben
lang und breit darlegen, wie das duale Studium funktioniert. „Auf der Seite der Gesetzgebung findet dieses Thema zu wenig
Beachtung“, bedauert der Professor. Uner-
Donnerstag, 14. April 2016, Nr. 86
Fünf bis sieben Stunden für knapp zweihundert Aufgaben: Chemie, Biologie und
Physik, Körper und Seele, Planen und Organisieren, Lernen und Erinnern, Leseverständnis, taktile Fähigkeiten, Logik – wer
den Medizinertest an einer der vier österreichischen Universitäten Wien, Graz, Innsbruck und neuerdings auch Linz geschafft
hat, fühlt sich im siebten Himmel. Ärztin,
Arzt werden dürfen – ohne 1,0-Abitur oder
jahrelange Wartezeiten, das geht, wenn
man nicht Tausende Euro pro Jahr in Budapest oder Riga ausgeben will, für deutsche
Studenten nach wie vor am besten in Österreich. Neuerdings wollen zwar mehrere
Unis eine Anmeldegebühr von 50 Euro für
den Aufnahmetest verlangen. Und nach
wie vor werden nur 20 Prozent aller Medizinstudiumsplätze an Europäer und damit
auch an deutsche Aspiranten vergeben; 75
Prozent bleiben Inländern, fünf Prozent Bewerbern von außerhalb der EU vorbehalten. Trotzdem ist der Andrang ungebrochen: Je nach Hochschule kommen bei jedem Test immer noch bis zu 60 Prozent
der Bewerber aus Deutschland.
Im siebten Himmel, geschafft, den
schwersten Schritt gemeistert – österreichische Medizinstudenten können diese
Begeisterung oft nicht nachempfinden.
Klar, Arzt werden ist auch in Tirol, Vorarlberg oder Kärnten immer noch ein Traumberuf vieler Maturanten. Aber immer
mehr Einheimische, die den Aufnahmetest schaffen und das lange, harte Studium
durchstehen, enden zum Schluss gar nicht
in der Medizin. Zu schlecht ist mittlerweile
der Ruf der Ausbildung für Jungärzte, zu
niedrig sind im Vergleich zu anderen europäischen Gehältern die Einkommen, zu
hierarchisiert sind die Aufstiegswege an
heimischen Krankenhäusern. Von 1400 fertigen Medizinern, die alljährlich ihre Examina an österreichischen Medizin-Unis
machen, erscheinen, wie das Magazin Profil recherchiert hat, später nur 900 in den
ärztlichen Berufsverzeichnissen, real sind
es sogar nur 700, weil viele Frauen nicht
Vollzeit arbeiten.
Die anderen wandern ab. In die PharmaIndustrie, ins Ausland. Nur weg aus einem
System, das zwar theoretisch die höchste
Ärztedichte und die höchste Zahl von Krankenhaustagen pro Kopf in Europa hat, aber
oft fast irrsinnige Wartezeiten in den Ambulanzen. In einer Kinderklinik-Ambulanz in Wien warteten im Januar während
der Grippezeit an einem Wochenende manche Eltern mit ihren Kleinkindern bis zu 16
Stunden auf eine Behandlung.
Eine neue Arbeitszeitregelung, nach der
Klinikärzte maximal 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen, wurde – nach mehreren Jahren Vorlauf und einer früheren Umsetzung in einigen anderen Bundesländern – jetzt schließlich auch in Wien eingeführt. Was dazu dienen sollte, Überarbeitung und Fehler zu minimieren, hat nun,
weil nicht entsprechend zusätzliche Kräfte
eingestellt wurden, zu mehr Stress, geschlossenen Operationssälen, langen Wartezeiten für Eingriffe und frustrierten Ärzten geführt: Zwar gibt es mehr Geld, sodass Mediziner nicht mehr 60 bis 70 Stunden arbeiten müssen, um auf ein durchschnittliches Akademikergehalt zu kommen, aber es gibt noch mehr Übergaben,
noch weniger Zeit für Patienten- und noch
weniger Zeit für die Ausbildung der Turnus-Ärzte.
Der Vizepräsident der österreichischen
Ärztekammer, Harald Mayer, fordert „Ausbildungs-Assistenten“, damit Jungärzte
im Job angeleitet werden, aber das sind
Blütenträume. Der Nachwuchs mag sich
nicht mehr in die stark hierarchisierte
Fließband-Medizin begeben und bleibt
weg. 200 Millionen Euro jährlich koste das
Österreichs Volkswirtschaft, haben Fachleute ausgerechnet. Viele gehen in die
Schweiz oder nach England, wo die Gehäl-
ter höher sind. Und die Deutschen gehen
überwiegend – zurück nach Deutschland.
Gut möglich, dass diese Schieflage bald
noch schiefer wird. Im Jahr 2006 hatte Österreich den Eingangstest für Mediziner
eingeführt, um das Land vor allzu vielen
Deutschen zu schützen, die Studienplätze
besetzten, aber nicht vorhatten, nach der
Ausbildung im Land zu bleiben. Bis 2006
hatten Deutsche nur im Nachbarland studieren können, wenn sie einen Studienplatz in Deutschland vorweisen konnten;
diese Regel kippte der Europäische Gerichtshof 2005.
Die Nachwuchsmediziner sind
mit ihren Gehältern und den
Arbeitszeiten unzufrieden
Zehn Jahre hatte Österreich nun Zeit,
um zu beweisen, dass deutsche Studenten
nach dem Studium wirklich wieder nach
Deutschland gehen, und Patienten wie
Krankenhäuser in Österreich das Nachsehen haben. Nur dann erlaubt es die EUKommission, auch weiterhin 75 Prozent
der Studienplätze für Human-und Zahnmedizin mit Landsleuten zu besetzen.
Gleichbehandlungsgrundsatz und Freizügigkeit verlangen nämlich eigentlich, dass
EU-Bürger alle gleich behandelt werden.
Nur wenn die Beachtung der Grundsätze
nachweisbar zu einem Notstand – zu einem Mediziner-Mangel in diesem Fall –
führt, darf ein Land mit dem Segen der
Kommission davon abweichen. Mitte 2016
soll die Regierung in Wien ihre Zahlen und
ihre Argumente vorlegen, damit die Sonderregelung bleiben kann.
Umfragen im Vorfeld machen schon
jetzt klar, dass die Lage mutmaßlich noch
dramatischer wird, als sie war – ein trauriger Trost für den Wissenschaftsminister:
Eine Umfrage der Studentenvertretungen
(ÖH) an den Medizin-Unis in Wien, Graz
und Innsbruck zeigt, dass die meisten
Nachbarn tatsächlich nicht gekommen
sind, um zu bleiben. Nach einer Befragung
durch das Wiener Wissenschaftsministerium Ende 2014 arbeiteten von den aus
Deutschland stammenden Medizin-Absolventen 79 Prozent nicht in Österreich.
Aber auch knapp 53 Prozent der befragten Österreicher im letzten Studienabschnitt wollen, wie verschiedene Zeitungen berichten, nach dem Abschluss ins Ausland gehen. Laut ÖH-Umfrage sind die
Nachwuchsmediziner unter anderem mit
dem zu erwartenden Gehalt, mit der weiteren Ausbildung, mit den Arbeitsbedingungen und den Arbeitszeiten unzufrieden.
An mehreren österreichischen Unis hängen mittlerweile Plakate, in denen deutsche Krankenhausbetreiber um Absolventen werben – mit guten Aussichten.
cathrin kahlweit
Nach dem Medizinstudium verlassen die
meisten Deutschen Österreich – zum Verdruss der Regierung.
FOTO: IMAGO
Sozial- & Wirtschaftswissenschaften
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Betriebswirtschaft (BA/MA)
KMU-Management & Entrepreneurship (BA)
Innovation & Management im Tourismus (BA/MA)
Soziale Arbeit (BA)
Innovationsentwicklung im Social-Profit-Sektor (MA)
Design, Medien & Kunst
R Design & Produktmanagement (BA/MA)
R MultiMediaArt (BA/MA)
R MultiMediaTechnology (BA/MA)
Gesundheitswissenschaften
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Biomedizinische Analytik (BA)
Ergotherapie (BA)
Gesundheits- & Krankenpflege (BA)
Hebammen (BA)
Salutophysiologie für Hebammen 3 (MA)
Orthoptik (BA)
Physiotherapie (BA)
Radiologietechnologie (BA)
Wo Wissen wächst!
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Printspezial: MBA & Executive MBA
Weitere Erscheinungstermine 2016:
Mittwoch, 4. Mai 2016
Donnerstag, 15. September 2016
Donnerstag, 13. Oktober 2016
(Anzeigenschluss: Freitag, 22. April 2016)
(Anzeigenschluss: Dienstag, 6. September 2016)
(Anzeigenschluss: Dienstag, 4. Oktober 2016)
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Nr. 86, Donnerstag, 14. April 2016
LERNEN 25
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
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Leben
zwischen Bergen
und Boheme
„Friendly Alien“
nennen manche das
Kunsthaus Graz im
Herzen der kultursinnigen Hauptstadt
der Steiermark –
wegen seiner besonderen Architektur.
FOTO: GRAZ TOURISMUS
von christine demmer
Zum erfolgreichen Studium gehört das passende
Umfeld. Fast jeder zweite österreichische Maturant
geht nach Wien – die größte Stadt der Alpenrepublik
bietet zahlreiche Kultur- und Freizeitmöglichkeiten.
Auch die meisten Studierenden aus dem Ausland
sind in einer der mehr als 20 Wiener Universitäten
und Fachhochschulen, an Postgraduate-Instituten
und anderen Ausbildungsstätten eingeschrieben.
Viel Abwechslung für junge Leute bieten Salzburg,
Innsbruck, Linz und Graz. Zudem sollte man
Klagenfurt oder kleinere Wissenschaftsstandorte
wie Krems, Dornbirn, Leoben und Hall nicht
außen vor lassen, wenn man mit einem Studium
in Österreich liebäugelt.
Studentenquiz im Café
Mittwochs günstige Preise
In der Hauptstadt der Steiermark leben an
die 282 000 Einwohner, es gibt dort vier
Hochschulen und circa 45 000 Studierende. Graz hat alles, was eine Universitätsstadt braucht: Studentenheime, Studentenkneipen und eine verbilligte Studienkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Obwohl man die eigentlich nicht braucht. „In
Graz erreicht man alles zu Fuß oder mit
dem Fahrrad“, sagt Natanja Reitner. Die
27-Jährige arbeitet im Marketing und studiert parallel dazu an der Fachhochschule
Joanneum. Das bedeutet wenig Freizeit
für die schöne Altstadt mit ihren zahlreichen Bars und Cafés sowie das viele Grün
in und um Graz. Der Hotspot an warmen
Sommertagen ist der Stadtpark. Wenn
man mit seinen Kommilitonen etwas essen oder einen trinken gehen will, kann
man sich freuen: Die Preise in den Lokalen
sind im Vergleich zum restlichen Österreich und zu deutschen Städten deutlich
günstiger. Hohe Preise werden auch für
Wohnungen nicht verlangt. Es gibt genug
Schlaf- und Wohnplätze selbst für Zehntausende Studierende. „Soeben wurde ein neues Studentenheim aufgemacht, und ein
weiteres wird bald kommen“, berichtet
Reitner. Wer ein Zimmer haben wolle, müsse sich aber früh genug bewerben.
Dass Graz eine Studentenstadt ist, erkennt man nicht nur am bunten Freizeitund Kulturangebot, sondern auch an der
Breite des vom Universitäts-Sportinstitut
(USI) organisierten Fitnessprogramms.
Wer gerne im Team Sport betreibt, findet
bestimmt einen Zusammenschluss von
Frisbee-, Lacrosse-, oder Volleyballsportlern, denn Graz ist die Stadt der Turnvereine. Geistige Runden drehen kann man
abends in den innerstädtischen Pubs. „Im
Moment sind Studentenquizze total angesagt“, erzählt Reitner. Einmal in der Woche
wird bei Wein, Limo und Bier Allgemeinwissen abgefragt. „Das Musikbingo im ‚Kabuff‘ ist einen Besuch wert“, verrät die Studentin ihre bevorzugten Locations. „Und
die Kellerbar ‚Hello Josefine‘ ist nicht nur
extrem winzig, sondern auch extrem witzig.“ Über die von der Studentin empfohlene „Süße Luise“, ein Miniatur-Frühstückslokal am Lendplatz stand sogar schon mal
ein Bericht in der New York Times.
Historische Bauten und zahlreiche junge
Leute, die dort leben, sind zwei Charakteristika der Stadt Salzburg. Die dortige Fachhochschule und gleich drei kleine bis mittelgroße, aber traditionsreiche Universitäten zählen zusammen um die 23 000 Studenten. Circa jeder sechste Salzburger ist
ein Hochschüler. Am Wochenende trifft
man die Studenten auch außerhalb der Mozartstadt, das Salzkammergut mit seinen
Wander- und Radsportmöglichkeiten ist
schließlich nicht weit.
In der Salzburger Paris-Lodron-Universität arbeitet Josef Leyren. „Sie ist mit circa
18 000 Studierenden die größte Hochschule am Ort und wurde schon 1622 gegründet“, sagt der Verwaltungsmitarbeiter mit
hörbarem Stolz. Am Hochschulstandort
FOTO: ALEXANDER KLEIN/AFP
Wohnen im Pop-up-Dorm
Die österreichische Hauptstadt Wien ist
ein Studentenmagnet. „Hier trifft sich Österreich und die ganze Welt“, sagt Alexandra Musat, 30. Die gebürtige Rumänin ist
vor zehn Jahren zum Studium an die Universität Wien gekommen und wegen der
Stadt geblieben. „Ich habe noch nie so viele
unterschiedliche Menschen nach Herkunft, Einstellung und Interessen getroffen wie hier“, sagt sie. Das Angebot an Kultur, Sport und Freizeitbeschäftigung sei
unglaublich breit und vielfältig. Szeneviertel gibt es viele – ein beliebtes ist etwa der
in der Nähe des Museumsquartiers gelegene Spittelberg mit zahlreichen kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants.
Man ist ein wenig verblüfft, aber für die
knapp 200 000 Studierenden in der 1,7-Millionen-Stadt gibt es ausreichend Platz zum
Wohnen und Leben. Neben Dutzenden Studentenwohnheimen bieten sich Zimmergenossenschaften an. „Ich habe in Wohngemeinschaften gelebt und nie lange gesucht“, sagt Musat, „es findet sich immer
etwas.“ Zahlreiche Online-Plattformen machen auf preiswerte Mitwohngelegenheiten aufmerksam. Die Börse www.jobwohnen.at hat darüber hinaus auch Jobs im Angebot. Im 22. Bezirk Wiens wurde mit der
Seestadt eines der größten europäischen
Wohnbauprojekte verwirklicht. In der Seestadt finden sich auch zahlreiche Pop-upDorms. Das sind entweder in ContainerBauweise errichtete Studentenheime, einfach, aber praktisch, oder umweltfreundliche, sogenannte Green Houses.
Jogger oder Rollerblader haben den Prater vor der Haustür. Für einen Ausflug ins
Grüne bietet sich der nahegelegene Wienerwald an.
Die Getreidegasse bei Nacht in der
Salzburger Altstadt. FOTO: IMAGO
lobt er vor allem die persönliche Atmosphäre, die landschaftliche Schönheit und die
Natur in greifbarer Nähe. „Deshalb fühlen
sich die Studenten hier sehr wohl und bleiben auch nach Studienabschluss mit ihrer
Alma Mater verbunden“, sagt Leyren, der
unter anderen für die Alumni-Organisation zuständig ist.
Kritiker halten Salzburg vor, es sei
klein, katholisch und konservativ. Was laut
Fraeuleinflora.at, einem Portal, das Ideen
für Freizeit, Ausgehen und Gastronomie
liefert und innovative Firmen vorstellt,
überhaupt nicht stimmt. Typisch kleinstädtisch sind die gut ausgebauten Radwege und die verbilligten Busfahrkarten für
Studenten, was zweifellos Vorteile sind. Gegen Konservatives dampft unter anderem
die Volxküche des Kulturzentrums Mark
an. Dort wird jeden Donnerstagabend zu
sehr günstigen Preisen vegan aufgekocht.
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Beliebt ist auch die Mensa der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität
Salzburg. Mittwochs bieten viele Restaurants, Bars, Museen, Kinos und Geschäfte
Rabatte für Studenten an.
In der Innenstadt von Linz fallen die circa
30 000 Studenten nicht sonderlich auf. Jedenfalls nicht am Vormittag, denn dann befinden sich die meisten auf dem Campus
der Johannes Kepler Universität (JKU)
oder in den Hörsälen, Labors oder Seminarräumen einer der anderen Hochschulen
am Ort. Aber abends ziehen sie schon
durch die Gassen der oberösterreichischen
Landeshauptstadt mit circa 200 000 Einwohnern. „Für junge Leute ist hier immer
Flohmarkt am Hauptplatz
der Stadt Linz. FOTO: IMAGO/VOLKER PREUßER
irgendwas los, auch wenn man manchmal
genauer hinschauen muss als in anderen
Städten“, sagt Florian Atzmüller. Hier ein
Konzert, dort ein Sport-Event, ein hipper
Fair-Trade-Laden, ein Kaffeehaus. Neuer-
öffnungen sprechen sich rasch bis zum außerhalb des Zentrums gelegenen Campus
der Universität herum. Dort studiert der
24-Jährige Sozialwirtschaft und Soziologie. An Linz mag er das Zusammenspiel
von urbanem Raum mit Nähe zur Natur.
Um den Campus herum gibt es einige
Studentenheime und in der Innenstadt bezahlbare WGs. „Für knapp 300 Euro im Monat kann man schon etwas Cooles finden“,
sagt Atzmüller. Er hat ein Semester in Helsinki studiert. Dort bekomme man für 300
Euro noch nicht mal ein Wohnklo mit Dusche. Im überschaubaren Linz ist noch
Platz. Das schätzen viele Studenten, die
Großstadtflair lieber mit einem Auslandssemester verbinden.
Der Campus der Universität ist eine
Welt für sich selbst, in der man branchenübergreifend Kontakte knüpft. „Heute
trinkt man mit einem Wirtschaftsstudenten ein Bier und morgen vielleicht mit einem Mechatroniker“, sagt der angehende
Sozialwirt. Im Sommer ist der Teich der
Universität ähnlich umlagert wie der Frog
Pond unweit der Harvard University in
Cambridge in den USA. Gegen Heimweh
helfen übrigens die Lichtspielhäuser Moviemento und City-Kino. Jeder Film wird
hier in der Originalsprache mit deutschen
Untertiteln gezeigt.
Berge ringsherum
Zu den Vorlesungen an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck pendelt Ricarda Hofer eine gute Stunde hin und eine
zurück. Die 22-Jährige könnte in die Stadt
Viele Sportbegeisterte zieht
Innsbruck an. FOTO: MAURITIUS IMAGES
Innsbruck ist ein studentisches Sportparadies. Im Winter geht’s auf die Bretter
oder Kufen, im Frühjahr zum Stadtlauf
und im Sommer und Herbst an das Innufer. „Dort kann man super laufen“, verrät
Hofer eine beliebte Jogging-Strecke. Auch
das Kulturangebot der Stadt kann sich sehen lassen. „Für zehn Euro im Jahr kann
man hier ganzjährig fünf Museen besuchen“, berichtet die Geschichtsstudentin.
Die Szene sei bunt, offen und ideologisch
eher nach links geneigt. Gerne geht sie ins
Café-Restaurant „Krahvogel“, ein unter
Studenten sehr beliebter Treffpunkt mit
Räumen für Raucher und Nichtraucher.
„Für die gibt es jeweils einen Extra-Eingang“, hebt Hofer das Besondere hervor.
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ziehen, aber sie will den kleinen Ort, in
dem sie lebt, nicht verlassen. Wohnen sei
in Innsbruck teuer. „Ich liebe die Berge“,
sagt Hofer, die sich eine „Urtirolerin“
nennt. Immerhin ist Innsbruck von Bergen
eingekreist.
Die Studentendichte in Innsbruck ist so
hoch wie in keiner anderen Stadt in Österreich. Etwa jeder dritte junge Mensch führt
hier einen Studentenausweis mit sich – insgesamt sind es circa 40 000 Hochschüler.
An den zusammen elf öffentlichen und privaten Hochschulen in Innsbruck treffen
Österreicher auf Studierende aus Deutschland und anderen Ländern, von denen viele Hofers Vorliebe für Berge teilen. „In einer guten Viertelstunde ist man mitten in
den Ski- und Wandergebieten des Tiroler
Oberlandes“, sagt Hofer, die im Herbst ihren Bachelor abschließen will. Ihre Lieblingspisten liegen in der Axamer Lizum –
zu verbilligten Studentenpreisen. Und alljährlich zieht es sie zur Vierschanzentournee gleich um die Ecke.
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Auch für Schulabsolventen, die unter 18 Jahre alt sind,
gibt es Offerten, an Auslandsprojekten mitzuwirken
Derzeit steht Tanja öfters auf einem Feld in
Jindřichovice pod Smrkem, zu deutsch Heinersdorf an der Tafelfichte, und schneidet
Weiden. Es ist Frühjahr, und da braucht
das Freilichtmuseum in Tschechien, in
dem Tanja im Rahmen des Internationalen
Jugendfreiwilligendienstes (IJFD) arbeitet, besonders viele Weiden. Die jungen
Zweige wird Tanja zu einer Art Rute zusammenbinden. Das soll an einen alten Brauch
erinnern, der in Osteuropa verbreitet ist:
Sanftes Schlagen mit den Ruten bewirkt
angeblich, dass die Lebenskraft der Zweige
auf die berührte Person übergeht.
Möglichkeiten, nach dem Abi ins Ausland zu gehen, bieten sich fast zahllose: als
Au-Pair, bei Freiwilligen-Projekten auf der
ganzen Welt, mit Work-and-Travel-Angeboten, Sprachkursen, Praktika, Studium,
Jugendbegegnungen, bei Entwicklungsdiensten oder auf Farmen weit weg von zu
Hause. Der Haken: Die meisten Angebote
sind für nur für Volljährige. Das gilt vor allem für Au-Pair-Programme und für Workand-Travel-Angebote.
Nach dem Abi beginnt
eine Zeit des Ausprobierens.
Manchen hilft ein Coach,
auf dem Weg in den Beruf
von christine demmer
B
ritta aus Lüneburg hat im vergangenen Sommer Abitur gemacht, angesichts von G8 gleichzeitig mit ihrem
ein Jahr jüngeren Bruder Ole. Genaue Vorstellungen über ihre berufliche Zukunft
hatten beide nicht. Britta will entweder
Grundschullehrerin oder Fotografin werden, Ole vielleicht Ingenieur wie sein Vater.
Eben vielleicht. „Warum muss ich das jetzt
schon wissen?“, konterte er empört, wann
immer seine Mutter vorsichtig nachfragte.
Die wäre zwar beruhigter gewesen, hätte
er wenigstens angedeutet, wozu er sich berufen fühle. Doch sie ließ ihren Sprösslingen Zeit: Ole für eine längere Reise in die
USA, Britta zum Jobben in einer Geschenkboutique. Hätte die Mutter mehr Druck machen sollen? „Nein“, sagt die Hamburger
Studienberaterin Olivia Byza mit Nachdruck, „vom Standpunkt der Arbeitgeber
aus gesehen, haben Jugendliche im Jahr
nach dem Abi Narrenfreiheit.“ Da sollten
sie machen dürfen, worauf sie Lust hätten:
Reisen, jobben, soziale Dienste, ein Bundesfreiwilligenjahr. Wenn sie wollen, auch
Kröten über die Straße tragen. „Es wäre
aber klasse, wenn sie aus dieser Zeit etwas
für den Lebenslauf mitnehmen würden“,
setzt Byza hinzu. Einen Sprachkurs mit Zertifikat, ein Praktikum oder eine Bescheinigung, ein halbes Jahr lang eine kleine Welt
gerettet zu haben.
In der Regel leben die jungen
Leute in einer Gastfamilie und
haben einen Mentor am Ort
Zwölf Monate lang nichts tun und
auf die richtige Eingebung warten,
davon raten Fachleute ab
Fast alle Schülerinnen und Schüler, die
ins Hamburger Büro von Olivia Byza kommen, haben nicht den Anflug einer Ahnung, auf welchen Beruf sie Lust haben.
Viele macht es nervös, wenn von allen Seiten Fragen auf sie einprasseln, auf die sie
keine Antwort haben. Byza ist Psychologin: „Ich beruhige sie erst mal und sage,
dass das ganz normal ist.“ Das Gleiche hören die jungen Kunden von Thorsten
Schütz aus Bonn, auch er ist Studienberater und Job-Coach. Mit dem Erhalt des Reifezeugnisses ist man nicht gleich eine gereifte Persönlichkeit. Manche brauchen eine Nachfrist. Aber von einem ganzen Jahr
Nichtstun rät Schütz entschieden ab. „Das
kann sehr schnell zu Langeweile und Frustration führen“, sagt er. „Während dieser
Zeit auf eine Eingebung zu warten, was
man mit seiner Zukunft anfangen soll, ist
meiner Erfahrung nach nicht zielführend.
Diese Frage geht man besser aus einer aktiven Haltung heraus an.“ Schütz ist kein Fan
von Work and Travel: „Schafe scheren oder
Erdbeeren pflücken bringt einen nicht so
wirklich nach vorne. Dann doch besser
richtig reisen oder sinnvoll im In- oder Ausland arbeiten.“
Ole und Britta sind inzwischen einen
Schritt weiter. Der 18-Jährige arbeitet seit
Dezember in einem Ingenieurbüro mit. Seine Schwester beginnt noch in diesem Monat ein Praktikum bei einem Fotografen.
Während für Ole feststeht, dass er im
Herbst ein Ingenieurstudium beginnen
will, schwankt Britta immer noch zwischen Kamera und Lehramt. Im Mai wird
sie in ihrer früheren Grundschule hospitieren und will sich danach entscheiden. Oli-
Auf Reisen gehen, Neues erleben, eine gute Zeit dafür ist gleich nach dem Abi. Manche Erfahrungen machen sich auch
gut im Lebenslauf, wie etwa ein Sprachkurs oder eine Aufgabe im Sozialbereich.
FOTO: SEAN GALLUP/GETTY IMAGES
via Byza hält es für klug, in beide hineinzuschnuppern, wenn einen zwei Berufe interessieren. Wenn junge Menschen Zweifel hegen, ob sie eine Berufsausbildung machen
möchten, rät sie davon ab. „Die meisten
Abiturienten wollen ohnehin studieren“,
beschreibt sie ihre Klientel. „Manchmal
drängen die Eltern: ,Mach doch lieber eine
Ausbildung‘, umso schneller stehst Du auf
eigenen Füßen. Aber heute hat man nach
drei Jahren auch ein abgeschlossenes Studium und ein Einkommen.“ Byza glaubt,
ein Studium komme dem Arbeitsmarkt
eher entgegen, die Firmen würden das lieber sehen. „Ich empfehle nur dann eine
Ausbildung, wenn jemand zielsicher dorthin strebt oder einen elterlichen Betrieb
übernehmen will.“
Kostenlos und auch mit viel Wissen darüber, was Arbeitgeber schätzen und worüber sie die Augen verdrehen, beraten die
Berufswahlexperten der örtlichen Arbeitsagentur. In München betreut Manuela
Stock sechs Gymnasien und eine Fachoberschule. In Vorträgen und Einzelgesprächen bemüht sich die Abiturientenberaterin, den jungen Menschen ein Stück weit
Orientierung zu geben. Manche seien darunter, die wollten nach dem Abitur einfach
nur verschnaufen und zu sich selbst fin-
den, in Deutschland, im Ausland. Alles
kann, nichts muss. „Abiturienten haben einen Zeithorizont von etwa drei Jahren“,
sagt sie. „Denen geht es nicht um die Frage, was in zwei Jahrzehnten sein wird, sondern konkret um das nächste Jahr.“ Einige
streben in die Ferne, herumziehen, am
Strand chillen, Hauptsache Wind um die
Nase. „Das ist okay“, sagt Stock, „die Arbeitgeber akzeptieren das – solange die jungen
Leute am Ende dieses Jahres wissen, wohin es beruflich gehen soll.“ Andere steckten schon mitten in der Entscheidung für
ein Studium, wüssten nur noch nicht die genaue Ausrichtung. Denen rät sie zu einem
oder zwei Praktika, damit sie sehen, wie es
in ihrem Traumberuf wirklich zugeht. Im
Hinblick auf junge Menschen mit altruistischer Einstellung, die in ihrem Startjahr
ins Berufsleben etwas Soziales machen
möchten, meint sie: „Auch da gibt es eine
breite Auswahl, das Interesse kann entscheiden.“
Von zwei Dingen rät Stock allerdings ab:
vom sogenannte Voluntourismus, bei dem
sich Organisationen für soziale Mitarbeit
im Ausland teuer bezahlen lassen, und
vom ziellosen Hin- und Herstudieren. „Ein
Semester Betriebswirtschaft und dann ein
Semester Philosophie wird von den Arbeit-
gebern nicht gern gesehen“, sagt die Beraterin. „Wenn jemand häufiger das Studienfach wechselt, wird vermutet, dass er oder
sie das Pensum nicht geschafft hat.“
Dass Ratsuchende gar keine Idee von ihrer Zukunft hätten, komme gelegentlich
auch vor. Ihnen empfiehlt Manuela Stock,
das Jahr aufzuteilen, zum Beispiel in eine
Portion Reisen und eine Portion Praktikum. Mit Nachdruck ins Studium oder in eine Ausbildung treibt sie ihre Kunden nicht.
„Die Unternehmen verstehen es, wenn jemand eine längere Orientierungsphase
braucht. Die sagen, wenn die Leute in dem
Jahr etwas machen, ist das gut für die persönliche Reife. Nur nichts machen, das
geht nicht.“ Wer sich für Freiwilligendienste wie das Weltwärts-Programm oder den
Bundesfreiwilligendienst bewerben wolle,
müsse sich frühzeitig bewerben, sagt Studienberater Schütz. Wenn man es schaffe,
nach dem Abi eine sinnvolle Verbindung
zwischen einer Tätigkeit aus freien Stücken und dem angestrebtem Beruf herzustellen, sei das ideal – es müsse aber nicht
sein. „In erster Linie geht es ja darum, sich
neuen Situationen auszusetzen und daran
zu wachsen.“ In welche Berufe Ole und Britta hineinwachsen werden, wird sich in ein
paar Monaten zeigen.
„Wir haben tatsächlich keine Angebote
für unter 18-Jährige“, sagt Peter Martin
vom Freiwilligendienst Kulturweit, einem
Projekt der Deutschen Unesco-Kommission, das durch das Auswärtige Amt gefördert wird. Verlockende Möglichkeiten gibt
es da, etwa beim DAAD in Kenia oder in China an der Berufsakademie Nanjing – aber
volljährig muss man sein. „Wir setzen auch
eine bestimmte persönliche Reife voraus“,
erklärt Peter Martin. Allerdings darf man
sich mit 17 schon bewerben – sofern man
vor Antritt der großen Reise 18 wird.
Durch die verkürzte Gymnasialzeit haben immer mehr Abiturienten schon mit
17 Jahren das Abitur geschafft. Verständlich, dass sie die Zeit zwischen Schulende
und Studium oder Ausbildungsbeginn
sinnvoll nutzen wollen. „Nach der Schule
den Kopf durchlüften, mal weg von zu Hause“, so beschreibt Tanja, warum es sie nach
dem Abi ins Ausland zog. Der Internationale Jugendfreiwilligendienst (IJFD) der Paritätischen Freiwilligendienste Sachsen
gGmbH, vermittelt jungen Menschen, die
noch nicht volljährig sind, Aufenthalte in
den an Deutschland angrenzenden Ländern Polen und Tschechien. „Für die unter
18-Jährigen muss es eine enge Anbindung
zum Beispiel zur Gastfamilie oder einer
Vertrauensperson am Ort geben“, sagte
Gernot Mosig, Referent für Internationale
Freiwilligendienste bei den Paritätern.
„Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass manche Angebote für Minderjährige nicht ganz
so gut passen: Zum Beispiel in einer Großstadt in einer WG zu leben und problematische Jugendliche in einem Jugendclub zu
betreuen.“ Wer noch nicht volljährig ist,
wohnt deshalb in einer Gastfamilie. Ein
Mentor am Ort ist die ganze Zeit Ansprechpartner, die Referenten aus Deutschland
schauen während des Einsatzes mindestens einmal vorbei.
Wenngleich Felix Jäger aus Leverkusen
bei seinem Abi erst 16 war, verbrachte er
gleich nach der Schule elf Monate in Ecuador. Möglich war das über die Organisation
Experiment. In Mindo, einem kleinen Dorf
im Nebelwald, lebte er bei einer Gastfamilie, bastelte mit den Kindern im Kindergarten und brachte den Teilnehmern eines Senioren-Freizeitclubs Memory bei. Etwa
6000 Euro kostete das Auslandsjahr. „Ich
wollte nicht gleich nach der Schule studieren“, sagt Felix. „Außerdem zog es mich
nach Südamerika. Das Land kannte ich
schon durch einen Schüleraustausch in
Uruguay.“ Wichtig war ihm, bei einem gemeinnützigen Projekt mitzumachen: „Ich
will auch etwas geben, nicht nur selbst Erfahrungen machen.“ Der Verein Experiment hat für die „Zielgruppe 16 plus“ eigene Programme in Ecuador, Mexiko oder Indien erarbeitet. 3760 Euro muss man etwa
für ein halbes Jahr Freiwilligendienst in
Mexiko zahlen, dazu kommen noch die
Flugkosten. Allerdings kann man sich bei
dem Verein auch um Stipendien bewerben.
Zudem haben eine Menge kommerzieller Anbieter die unter 18-Jährigen als potenzielle Kunden entdeckt. Klingt erstmal
toll, was man da alles machen kann: Löwenschutz in Sambia. Geburtshilfe-Praktika
in Ghana. Kinderhilfsprogramm in Panama. Doch Regina Schmieg, Projektkoordinatorin von Eurodesk, einem europäischen Jugendinformationsnetzwerk, das
von der Europäischen Kommission und
dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird,
warnt vor sogenannten VoluntourismusProgrammen, die eine Menge Geld kosten
und auf Laufzeiten von wenigen Wochen
angelegt sind. „Natürlich haben die Jugendlichen ehrenwerte Motivationen“,
sagt sie, „aber gerade im sozialen Bereich
schadet das den Menschen am jeweiligen
Ort mehr als dass es ihnen nutzt.“ Wenn
sich die Kinder im Waisenhaus alle zwei
Wochen an einen neuen Freiwilligen gewöhnen müssen. Oder wenn es für die Teilnehmer keine Vorbereitung und keine pädagogische Begleitung am Ort gibt. „Doch direkt nach dem Abi ist ja nicht der einzige
Zeitpunkt, zu dem man ins Ausland gehen
kann“, betont Regina Schmieg von Eurodesk. „Ein guter Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt ist während des Studiums
oder zwischen Bachelor und Master.“
christiane bertelsmann
Angebote für fast Volljährige
Minderjährige stehen unter der Aufsichtspflicht der Erziehungsberechtigten – sie haben das Sorgerecht. Unter 18-Jährige müssen besonders betreut werden. Da dafür
meist nicht genügend Personal und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen, wählen
die Aufnahmeorganisationen lieber Volljährige aus. Wer unter 18 ist, ist noch nicht geschäftsfähig und braucht zum Abschluss
von Verträgen die Einverständniserklärung
der Eltern – bei Kontoeröffnungen auch die
von beiden Elternteilen. Im Land herumzureisen ist für Minderjährige auch nicht einfach.
Sie dürfen zum Beispiel kein Zimmer im Hostel ohne Einverständnis der Eltern anmieten.
Folgende Anbieter informieren auch über
Programme für Minderjährige:
www.rausvonzuhaus.de/u18; sehr gute
Übersicht über so gut wie alle seriösen, nicht
kommerziellen Programme, nicht nur Freiwil-
ligendienste. Auf dem Portal kann man sich
auch zu Reisestipendien schlau machen.
www.workcamps.de; Überblick über internationale Workcamps im In- und Ausland, nur
von gemeinnützigen Organisationen
www.parisax-freiwilligendienste.de; Freiwilligendienste in Polen und Tschechien
www.experiment-ev.de; gemeinnütziger
Verein, vermittelt Freiwilligendienste in
Ecuador, Brasilien und Indien
www.dfjw.org/ferienjob-job-in-der-partnerstadt; das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) fördert auch für 16-Jährige Ferienjobs in einer französischen Partnerstadt
Die Mitarbeit auf Bio-Farmen, auf Englisch WWOOFing (World-Wide Opportunities
on Organic Farms), ist in Ausnahmefällen
auch für unter 18-Jährige möglich, etwa in Irland: www.wwoof.ie. Auch in Portugal gibt
es solche Angebote: www.wwoof.pt CHBE
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Donnerstag, 14. April 2016, Nr. 86
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Nr. 86, Donnerstag, 14. April 2016
LERNEN 27
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
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Erst mal etwas
Handfestes
Kampagnen bewerben die betriebliche Ausbildung.
Ziel ist, mehr Abiturienten ins Boot zu holen
von miriam hoffmeyer
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chock Deine Eltern! Mach erst mal
’ne Lehre.“ Der Slogan, mit dem die Industrie- und Handelskammer (IHK)
Nord Westfalen Abiturienten in betriebliche Ausbildungen lockt, hat offenbar Erfolg: Mehr als 30 Prozent der Azubis im
Münsterland haben inzwischen Abitur
oder Fachabitur. Die Werbekampagne hat
IHK-Hauptgeschäftsführer Karl-Friedrich
Schulte-Uebbing initiiert. „Die Frage war,
warum tendieren fast alle Abiturienten
zum Studium? Warum kriegen wir es nicht
gebacken, dass sie sich für die betriebliche
Ausbildung interessieren?“, fragt er.
„Wenn die Hochschulen stark überlaufen
sind, und der Wettbewerb unter den Absolventen immer härter wird, kann eine gute
Ausbildung durchaus die besseren Möglichkeiten bieten.“ 30 000 Fachkräfte würden bis 2030 in Nordwestfalen gebraucht,
darunter nur 3000 Akademiker. Ähnliche
Imagekampagnen haben viele andere
IHKs in ganz Deutschland gestartet, unter
Schlagwörtern wie „Durchstarter“, „Elternstolz“ oder „Karriere mit Lehre“.
Bundesweit entschieden sich 2014 gut
26 Prozent der Abiturienten für eine Lehre.
Dieser Anteil ist innerhalb von fünf Jahren
kontinuierlich gestiegen – vor allem deshalb, weil immer mehr Jugendliche Abitur
machen. Zudem gingen in diesem Zeitraum in zahlreichen Bundesländern doppelte Abiturjahrgänge von den Schulen ab.
Unabhängig davon ist der Präsident des
Bundesinstituts für Berufsbildung, Friedrich Hubert Esser, davon überzeugt, „dass
die duale Berufsausbildung auch weiterhin bei Abiturienten hoch im Kurs steht“.
Ungünstig sei jedoch, dass diese sich für
die parallel laufende Ausbildung in Betrieb
und Berufsschule auf so wenige Branchen
konzentrieren würden: Fast die Hälfte aller Azubis mit Abitur entscheidet sich für
nur zehn Berufe, alle aus dem Dienstleistungsbereich. Am beliebtesten sind Ausbildungen zum Industrie-, Bank- oder Großund Außenhandelskaufmann sowie zum
Fachinformatiker. Ins Handwerk gehen
nur elf Prozent der studienberechtigten
Azubis. Auch sie konzentrieren sich auf wenige Berufe, fast die Hälfte wird Fotograf,
Hörgeräteakustiker oder Zahntechniker.
Neben der klassischen Lehre bieten viele Unternehmen heute auch duale Studiengänge oder die Kombination mit einer Weiterbildung zum Fachwirt oder Industriemeister an. Mit diesen Varianten können
sich Abiturienten in wenigen Jahren für
Führungspositionen im Betrieb qualifizieren. „Das ist in den Köpfen aber noch nicht
drin“, meint Schulte-Uebbing – auch nicht
in denen der Eltern, die großen Einfluss
auf die Berufswahl ihrer Kinder haben.
Deshalb sind sie in Wirklichkeit auch die
Hauptzielgruppe des scheinbar rebellischen Slogans: Der „Schock Deine Eltern“-Spot lief bevorzugt in den Innenstadtkinos der Stadt Münster, die bei der
mittleren Generation beliebt sind.
Drei junge Menschen haben sich entschieden, etwas Handfestes zu machen
und sind dabei ganz unterschiedliche Wege gegangen. Sie berichten, was sie zu ihrer
Entscheidung geführt hat und wie ihr Berufsleben aussieht:
Alexander Wurzel, 19, ist
im ersten Jahr seines
dualen BWL-Studiums
mit Schwerpunkt Großund Außenhandel bei
Rewe in Eisenach
„Am Anfang haben mich meine Freunde gefragt, was ich bei Rewe will und ob ich
den ganzen Tag nur Regale einräumen
möchte. Es wird total unterschätzt, dass so
ein Supermarkt mit über 30 Mitarbeitern
ein mittelständisches Unternehmen ist.
Man bekommt schnell Verantwortung:
Schon nach ein paar Wochen habe ich alle
Kassen allein abgerechnet und verbucht
oder bei Lieferanten reklamiert, wenn Waren unvollständig geliefert wurden. Ich
denke auch viel darüber nach, warum manche Artikel gut laufen und andere nicht.
Ich wusste schon früh, dass ich etwas
Kaufmännisches machen will. Ein reines
Hochschulstudium kam für mich nie in
Frage, ich bin ein Typ, der gern mit anpackt. Ich habe lange geschwankt zwischen Banklehre und Studium an einer privaten Fachhochschule, an der man in allen
Semesterferien Praktika in verschiedenen
Unternehmen absolviert. Das finde ich ein
cooles Konzept, aber man hat nicht die Sicherheit, nach dem Abschluss übernommen zu werden. Nach einiger Überlegung
habe ich festgestellt, dass mir das BankerDasein zu abstrakt ist. Der Einzelhandel ist
bodenständiger, das passt viel besser zu
mir. Man bekommt direkt mit, was die Kunden wollen, und hat im Alltag viel Gestaltungsspielraum.
Natürlich sind die drei Jahre anstrengend! Studium und Praxisphasen wech-
Die Auswahl wäre an sich groß, doch die Auszubildenden mit Abitur konzentrieren sich auf wenige Berufe. Im Bereich Handwerk sind das Zahntechniker, Hörgeräteakustiker und Fotograf. Beliebt sind auch Ausbildungen zum Bankkaufmann oder Fachinformatiker.
FOTO: HENDRIK SCHMIDT/PICTURE ALLIANCE/ZB
seln im Drei-Monats-Rhythmus. Nach
acht Stunden Arbeitszeit muss ich oft noch
an einer Hausarbeit schreiben, und wenn
ich Frühschicht habe, stehe ich um vier
Uhr auf. Aber ich finde es gut, dass ich von
Grund auf lerne. Nach dem Abschluss des
dualen Studiums sind die Perspektiven
sehr gut. In der Regel arbeitet man ein Jahr
lang als stellvertretender Filialleiter. Danach kann ich Filialleiter werden, in die
Zentrale oder in den Außendienst gehen
oder mich als Rewe-Partnerkaufmann bewerben und selbständig machen.“
Corinna Holstein, 20, ist
im ersten Jahr ihrer
Ausbildung zur Augenoptikerin bei Bruchhaus
Optik & Akustik in Köln
„Wenn jemand zum ersten Mal seine
neue Brille anprobiert und sich freut, dass
er wieder klar sehen kann, das ist immer
ein schöner Moment! Ich trage selber seit
fast zehn Jahren eine Brille. Trotzdem bin
ich erst durch Internetrecherche auf die
Idee gekommen, diese Ausbildung zu machen. Lange hatte ich keine Ahnung, wie es
nach dem Abi weitergehen sollte. Ich habe
überlegt zu studieren, aber ich war von keiner Studienrichtung überzeugt. Ich wollte
aber nicht irgendwas anfangen und dann
wieder abbrechen. Eine abgeschlossene
Lehre ist sozusagen etwas Festes, auf dem
man aufbauen kann. Während der Schulzeit habe ich ein Praktikum im Buchhandel gemacht, das mir gut gefallen hat, aber
diese Branche hat ja nicht viel Zukunft.
Und auch wenn man Brillen schon im Internet bestellen kann, glaube ich nicht, dass
die Leute ohne Optiker auskommen.
Mein Ausbildungsbetrieb ist alteingesessen und hat nur fünf Mitarbeiter, die Atmosphäre ist familiär, da habe ich Glück gehabt. Ich hätte auch bei einer großen Kette
anfangen können. Aber da werden die wichtigen Entscheidungen von Leuten weiter
oben getroffen, die mit dem Geschäft vor
Ort nicht so viel zu tun haben.
Die Kombination aus Kundenberatung
und handwerklicher Arbeit liegt mir, ich habe schon immer gern gebastelt und gezeichnet. Im ersten Lehrjahr muss man
noch von Hand Gläser anschleifen, damit
man ein Gefühl für das Material bekommt.
Da ist handwerkliches Geschick gefragt,
man muss supergenau arbeiten. Ich bin
auch schon in die Kundenberatung eingebunden und mache unter Aufsicht Führer-
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„Als Teenager habe ich ständig gebastelt und gelötet: Lautsprecherboxen gebaut, mein Fahrrad repariert, meine Konsole auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Und am Gymnasium war
ich im Fach „Naturwissenschaft und Technik“ am besten. Es war also klar, dass es in
diese Richtung gehen sollte. Ich war mir
nur nicht sicher, ob ich Mechatronik studieren oder eine Ausbildung machen soll. Ich
habe mich dann bei älteren Freunden umgehört, Lehrer gefragt und natürlich meine Eltern. Alle meinten, pure Theorie wäre
)
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MUSIKTHEATER/OPERNGESANG
Fabian Brand, 20, ist im
zweiten Ausbildungsjahr
als Mechatroniker bei
ABB in Heidelberg
nicht das Richtige für mich. Ich war auch
beim Tag der offenen Tür der Uni Karlsruhe, da habe ich mich ein bisschen gefühlt
wie auf der Schulbank. Wenn ich etwas lerne, möchte ich nicht nur die Formeln auf
dem Blatt haben, sondern gleich den Erfolg sehen: Dieses Rad dreht sich jetzt so,
wie ich es will. Dann habe ich auch die Kontrolle, dass ich es wirklich verstanden habe. Mir war auch wichtig, finanziell nicht
so abhängig zu sein. Die Studenten unter
meinen Freunden beschweren sich oft,
dass sie wegen allem ihre Eltern fragen
müssen. Als Auszubildender kann ich mir
mehr leisten.
Ich habe Zusagen von mehreren Firmen
bekommen. Hier bei ABB hat mir die Ausbildungswerkstatt sehr gut gefallen, und
dass ich in einem großen Unternehmen viele Möglichkeiten habe. Am Anfang muss
man Grundfertigkeiten lernen, zum Beispiel das Feilen. Da habe ich mich manchmal geärgert und gedacht, die anderen sitzen jetzt in der Uni! Im Moment beschäftige ich mich mit Automatisierungstechnik,
das finde ich extrem interessant. Im August wechsele ich zum ABB-Standort in
Friedberg, der darauf spezialisiert ist. Später will ich mich auf jeden Fall weiterbilden, zum Techniker oder zum Meister. Vielleicht studiere ich sogar irgendwann doch.
Ich glaube, nach der Ausbildung stehen einem noch alle Türen offen.“
FOTOS: PRIVAT
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SCHAUSPIEL
schein-Sehtests. Die richtigen Sehtests
sind das Spannendste an dem Beruf, die
dürfen aber nur Augenoptikermeister
durchführen. Ich kann mir gut vorstellen,
später Meisterin zu werden und vielleicht
auch ein eigenes Geschäft zu führen.“
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28 LERNEN
Donnerstag, 14. April 2016, Nr. 86
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
ur,
Abit s
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dann
Archäologie oder
vielleicht Arboristik
Test-Auswahl
Berufswahltests helfen, die eigenen Neigungen zu
erkennen. Das Beratungsgespräch ersetzen sie nicht
von christiane bertelsmann
N
och ein Jahr Schule, dann kommt
die große Freiheit. Lukas Möhwald
hat im Januar seinen 17. Geburtstag
gefeiert. Er geht in die elfte Klasse eines
Berliner Gymnasiums, im Sommer nächsten Jahres hat er das Abizeugnis in der Tasche. Und dann? Auf alle Fälle studieren.
Nur was? Zahnmedizin vielleicht. In der
zehnten Klasse hat er ein Praktikum beim
Zahnarzt gemacht, das hat ihm gefallen,
vor allem die Atmosphäre in der Praxis.
Oder doch Kunst? Lukas zeichnet gerne
und gut, als eines der Hauptprüfungsfächer im Abitur hat er Kunst gewählt.
Im Internet googelt er die Frage „Welches Studium passt zu mir?“ und wählt
drei kostenlose Tests aus, darunter einen
der Studieninformation Baden-Württemberg (www.was-studiere-ich.de). Der Test
zielt darauf ab, die Studieninteressen enger einzukreisen. Dafür muss Lukas entscheiden, ob ihm eine bestimmte Tätigkeit
gar nicht oder sehr gut gefällt. Produkte
und Verpackungen designen zum Beispiel.
Oder einen Streit schlichten. Konstruktionspläne entwerfen. Nach zehn Minuten
ist er fertig, und prompt ploppt das TestResultat als PDF auf: Bildende Kunst, forschend und systematisierend zu arbeiten
seien Lukas für ein Studium sehr wichtig,
unwichtig dagegen unter anderen Musik
und Sport. Das komme hin, meint Lukas.
Eine Seite weiter findet er die passenden
Studiengänge aufgelistet – alle logischerweise in Baden-Württemberg. Archäologie
würde gut passen, aber auch Kunstwissenschaft. Noch ein Klick, und schon kann der
Test-Teilnehmer noch mehr Informationen über die Studienbedingungen an den
einzelnen Hochschulen abrufen. Wer lieber von Studenten erfahren will, was einen
im Studium so alles erwarten wird, wendet
sich per E-Mail an die sogenannten Studienbotschafter.
„Kein Test ersetzt die Studienberatung“, stellt Benedikt Hell klar. Er ist Professor für Personalpsychologie und Studieneignungsdiagnostik, inzwischen an der
Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten, und hat den baden-württembergischen Studienorientierungstest mitentwickelt. „Der Test soll dazu anregen, auch etwas weniger bekannte Studiengänge kennenzulernen.“ Die Hochschulen sind selbst
dafür verantwortlich, die Profile der Studiengänge auf der Test-Seite einzustellen
und aktuell zu halten. „Schüler, die kurz
vor dem Abitur stehen, sind oft unsicher,
was die Studienwahl angeht“, sagt Psychologe Hell, „sie müssen unglaublich viele Informationen verarbeiten. Wir wollen ihnen mit dem Test ein Tool bieten, um eine
erste Übersicht zu bekommen.“
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Der überregionale Studium-Interessentest (SIT) der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sowie von Zeit online bietet einen schnellen Überblick über Studieninteressen und mögliche Studiengänge. Pro
Tag werden im Durchschnitt 450 Tests gemacht, http://studiengaenge.zeit.de/sit
Weniger Test als Orientierungshilfe will
auch der Studifinder (www.studifinder.de)
der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen
sein. Schon von der Optik her wirkt der
Test sehr zeitgemäß mit seiner frischen
orange-hellgrünen Farbgebung und dem
Kachel-Aufbau. Mehrere Orientierungstests stehen zur Auswahl, Dauer fünf bis
80 Minuten. Dazu kommen noch 30 Wissenstests. Lukas, der Test-Tester, nimmt
sich gleich den längsten von ihnen vor:
„Wie ich denke und arbeite“. Der fängt
harmlos an mit der Frage dazu, wie neugierig man ist, wie gut man erklären kann und
welche Fächer man in der Schule mit welchen Noten belegt hat. Dann kommt ein
komplexer Sachtext, zu dem Fragen beantwortet werden müssen, Mathe-Aufgaben,
Aufgaben zum räumlichen Vorstellungsvermögen und zwischendurch, zur Auflockerung, immer wieder Neigungsfragen.
Bislang ist das Verfahren nur für Hochschulen in Nordrhein-Westfalen relevant, doch
gilt der Studifinder als eines der besten
und ausführlichsten Verfahren in Sachen
Studienorientierung. Man muss sich allerdings genug Zeit für den Test nehmen.
Von April 2017 an wird es den Studifinder
in Kooperation mit der Bundesagentur für
Arbeit für Hochschulen in ganz Deutschland geben, www.studifinder.de.
Auf regionale Angebote ausgerichtet ist
der Orientierungstest des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg. Er
wird wissenschaftlich begleitet und kontinuierlich weiterentwickelt,
www.was-studiere-ich.de
Eine sofortige Lösung sollte man
nicht erwarten. Das richtige
Studium zu finden, ist ein Prozess
Wie viel Zeit sich der Tester dafür
nimmt, um den Fragebogen fertig auszufüllen, bleibt ihm überlassen. Und auch, ob
man einen Wissenstest wiederholen möchte. „Wir wollen, dass sich die Schüler nicht
nur einmal kurz mit dem Thema beschäftigen, sondern über einen längeren Zeitraum“, sagt Heinrich Wottawa. Der Psychologie-Professor hat sich seit mehreren Jahrzehnten auf psychologische Eignungsdiagnostik im Internet spezialisiert und den
Studifinder entwickelt. Je früher und je intensiver man sich mit dem Thema Studienwahl beschäftigt, umso besser, meint der
Professor. „Die wenigsten Tests berücksichtigen die Fähigkeiten, die ein Schüler
mitbringt, sondern meist nur die Interessen“, sagt Wottawa. „Beides muss zusammenspielen.“
Ein Interessen-Test mache Spaß, ein
Leistungstest weniger. Deshalb wird die
Testperson beim Studifinder zwischendurch immer wieder aufgefordert, eine
Pause einzulegen. „Herauszufinden, was
man studieren will, ist ein Prozess“, sagt
Wottawa, „Und man sollte sich nicht darauf versteifen, dass es nur den einen, einzigen passenden Studiengang gibt.“ Mit der
Studiensuche per Internet sei es ähnlich
wie bei einer Online-Partnervermittlung:
„Kein Tool sagt etwas darüber aus, ob ein
Mensch glücklich wird. Es reduziert nur
die Anzahl der besonders überlegenswerten Optionen auf eine überschaubare Menge, mit der man sich dann vor einer Entscheidung näher befassen kann.“
Neun Ergebnisseiten bekommt Tester
Lukas, dabei sind neben den detaillierten
Eine Übersicht zu weiteren Hochschuloder studienfachbezogenen Tests findet
sich hier: www.studis-online.de/StudInCHBE
fo/selbsttests.php
Test-Tester Lukas ist vor allem klar geworden, was er nicht möchte. Das ist schon mal was. Die Tests, bei denen er
mitgemacht hat, haben ihm Ideen geliefert, auf die er selbst noch nicht gekommen war.
FOTO: MARTIN KIRCHNER
Ergebnissen auch Tipps, wie er sich noch
tiefer mit der Studienfachfindung beschäftigen kann. Als Studienfelder werden ihm
neben Biomedizin und Neurowissenschaften auch Human-, Tier- und – eine seiner
Studienoptionen – Zahnmedizin vorgeschlagen. „Wir empfehlen Ihnen, vor einer
endgültigen Entscheidung auch die vielen
Angebote für eine persönliche Beratung in
Anspruch zu nehmen“, heißt es auch in der
Auswertung. An der Studienberatung, so
richtig schön altmodisch von Mensch zu
Mensch, führt also kein Weg vorbei.
Test Nummer drei, der SIT-Test, initiiert von der Hochschulrektoren-Konferenz und Zeit online, zielt nur darauf, die
Studieninteressen herauszuarbeiten. Sein
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der gebunden. „An deutschen Hochschulen haben wir etwa 10 800 Studiengänge,
die für Abiturienten in Frage kommen
könnten – es ist unmöglich, sich über die einen Überblick zu verschaffen“, sagt Joachim Diercks. Er ist Geschäftsführer des
Hamburger Unternehmens Cyquest, das
den Test entwickelt hat. „Der Test orientiert sich an dem von dem amerikanischen
Psychologen John Holland etablierten Interessen-Modell“, erklärt Diercks. Durch
entsprechende Fragen lässt sich herausfinden, welches Interesse überwiegt; in einem zweiten Schritt, welcher Studiengang
am besten dazu passt.
Lukas hat der SIT-Test gut gefallen –
das klare, nüchterne Design, die abwechslungsreichen Fragen, 72 insgesamt. Dann
geht es an die Auswertung: Seine Interessen liegen im theoriegeleitet-forschenden
Bereich, dicht gefolgt vom kreativ-kulturellen und wirtschaftlich-unternehmerischen Bereich. 125 Seiten passende Studiengänge werden dann alle alphabetisch geordnet aufgelistet. „Arboristik“ liest Lukas
als erstes und muss erst mal recherchieren, um was es da überhaupt geht, nämlich
um Baumpflege. Zahnmedizin taucht gar
nicht auf. Auf den ersten Blick etwas ernüchternd. „Aber macht nichts“, meint Lukas. „Mir ist schon beim Ausfüllen viel
mehr über mich und meine Interessen klar
geworden. Vor allem darüber, was ich nicht
möchte.“ Na dann, Zweck erfüllt.
„Beim Übergang von der Schule zur
Hochschule liegt vieles im Argen“, sagt
Diercks, „wir lassen unsere jungen Menschen damit ziemlich allein.“ Einen Pfad
will er mit dem Test aufzeigen, an den man
so noch nicht gedacht hat, sagt Diercks. Es
muss ja nicht gleich Arboristik sein. Oder
eventuell doch?
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Nr. 86, Donnerstag, 14. April 2016
LERNEN 29
DIE BEILAGE FÜR SCHULE, HOCHSCHULE UND WEITERBILDUNG
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NEUE STUDIENGÄNGE
Gesunde Ernährung. Die Hochschule
Niederrhein bietet künftig die beiden
Bachelorstudiengänge Lebensmittelsowie Ernährungswissenschaften an.
Ernährungswissenschaftler gehen der
Frage nach, welche Nährstoffe ein gesunder oder ein kranker Mensch in
welcher Menge und Kombination benötigt, und wie der Stoffwechsel darauf
reagiert. Der Lebensmittelwissenschaftler prüft und entwickelt dazu Lebensmittel mit passender Kombination von
Rohstoffen und Inhaltsstoffen. Mit den
beiden Angeboten will die Hochschule
eine klarere Positionierung für den
Arbeitsmarkt ermöglichen. Beide Studiengänge werden als sechssemestriges
Studium und auch in einer siebensemestrigen Variante mit zusätzlichem Praxis- oder Auslandssemester angeboten.
Weitere Informationen gibt es unter
www.hs-niederrhein.de/oecotrophologie/studium. ssc
Lehrer kooperieren heute stärker
mit anderen Pädagogen als früher
Wer heute Lehrer wird, steht vor anderen
Herausforderungen als die Pädagogen der
1970er- oder 1980er-Jahre. Markus Reiserer, Geschäftsführer des Münchener Zentrums für Lehrerbildung der Ludwig-Maximilians-Universität München, erklärt, worauf junge Pädagogen in ihrer Ausbildung
besonders achten sollten.
SZ: Mathelehrer konnten früher zwanzig Jahre lang mithilfe derselben bläulichen Matrize Schülern den Dreisatz erklären. Heute müssen sie sich neben
dem Unterricht noch mit ständig wechselnden Lehrplänen und der Inklusion
beschäftigen. Ist das Lehrerleben
schwieriger geworden?
Markus Reiserer: Vielleicht insofern, als
sich Lehrer heute immer wieder schnell an
neue Herausforderungen gewöhnen müssen. Vor zehn Jahren kamen die digitalen
Medien, dann kam die Inklusion, jetzt sind
die Flüchtlingsklassen da. All diese neuen
Themenbereiche kann man sich nicht an einem Nachmittag in einer Fortbildung aneignen. Man muss offen und flexibel sein
und mit neuen Herausforderungen umgehen. Über das ganze Lehrerleben hinweg,
das an die vierzig Jahre dauert.
Informatik dual. Acht neue praxisorientierte Bachelor-Studiengänge
starten an der Hochschule Rhein Main
zum kommenden Wintersemester.
Dazu gehören zwei duale und ein grundständiger Informatikstudiengang. Neu
im Angebot sind außerdem „Baukulturerbe – erforschen, bewahren, entwickeln“, „Digital Business Management“,
„Gesundheitsbezogene Soziale Arbeit“,
„Mobilitätsmanagement“ sowie „Recht
und Management in der Sozialen Arbeit“. Weitere Informationen gibt es
online unter www.hs-rm.de. ssc
Europa im Blick. Die Europa-Universität Flensburg (EUF) bietet den
ersten europawissenschaftlichen
Bachelor-Studiengang im Norden
Deutschlands an. 40 Studenten können
im nächsten Wintersemester im komplett englischsprachigen Studiengang
„European Cultures and Society“ an der
EUF beginnen, fünf Professuren wurden dafür mit einem Europabezug
besetzt. Das Studium schließt mit dem
Bachelor of Arts ab. Die Regelstudienzeit beträgt sechs Semester. Laut UniPräsident Werner Reinhart gibt es
vergleichbare Studiengänge außer in
Flensburg auf Bachelor-Niveau deutschlandweit nur in Karlsruhe, Magdeburg
und Passau. Informationen: www.uniflensburg.de/en/eucs dpa/tmn
Pharmazie und Wirtschaft. Ein breites
Wissensspektrum zur Gesundheitswirtschaft mit besonderem Fokus auf die
Pharmabranche soll der Bachelorstudiengang Pharmaökonomie vermitteln,
der mit dem Bachelor of Science (B.Sc.)
abschließt. Die Rheinische Fachhochschule Köln (RFH) bietet ihn zum Wintersemester 2016/2017 erstmals an.
Pharmaökonomen können unter anderem bei Krankenkassen in Verbänden,
Behörden, Unternehmensberatungen,
für die Pharmaindustrie oder in medizinischen Einrichtungen tätig werden.
Informationen: www.rfh-koeln.de/pharmaoekonomie. ssc
Experten für Wasserbau. In sieben
Semestern kann man an der Hochschule Koblenz den dualen Studiengang
Wasserbau-Bauingenieurwesen absolvieren. Der Bachelor dauert sieben Semester und ist eine Kooperation mit der
Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
des Bundes. Studenten machen ein
Bauingenieurstudium und parallel die
Ausbildung zum Wasserbauer. Sie sollen später im gehobenen technischen
Dienst der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes arbeiten können.
Die Fachkräfte sorgen etwa dafür, dass
Schleusen und Brücken an Kanälen und
Flüssen sicher sind. Informationen:
www.hs-koblenz.de. ssc
Lernen
Verantwortlich: Peter Fahrenholz
Redaktion: Stephanie Schmidt
Gestaltung: Julia Kienscherf
Anzeigen: Jürgen Maukner
Die neuen
Teamworker
„Wie alt sind Sie eigentlich, Frau Lehrerin?“ Solche Fragen können angehende Pädagogen ganz schön in Verlegenheit bringen. Seit die G8-Jahrgänge an die Unis
drängen, beträgt der Altersunterschied zwischen Schülern und Lehrern manchmal nur wenige Jahre.
FOTO: MICHAEL WEBER/IMAGO
Sinnstiftender Seitenwechsel
Was motiviert Menschen dazu, Lehrer zu werden, nachdem sie selbst gerade erst die Schule verlassen haben?
Sie wollen sich auf diese Weise gesellschaftlich engagieren und suchen Sicherheit in unsicheren Zeiten
von anne-ev ustorf
A
uf einmal kommt sie, die Frage, vor
der Hanna Blöcher sich gefürchtet
hat. „Entschuldigung, Frau Blöcher,
aber wie alt sind Sie eigentlich?“, fragt eine
Zehntklässlerin neugierig. Seit fünf Semestern studiert Hanna Blöcher Deutsch und
Englisch auf Gymnasiallehramt an der
Freien Universität Berlin und absolviert gerade ihr integriertes Schulpraktikum an einem Gymnasium im Süden Berlins. Thema aktuell: Das Charakterisieren einer literarischen Figur aus Schillers „Die Räuber“.
Gleich ist die Unterrichtsstunde vorbei, die
Hanna Blöcher an der Seite einer erfahrenen Lehrerin meisterte. „20“, sagt sie kurz
und knapp. „Wie meine Schwester“, ruft
die Schülerin.
Das Berufsbild des Lehrers ist
jedem bekannt. Dies hilft dabei,
das Studium bewusst zu wählen
Für Lehramtsstudierende können die
ersten Praxiserfahrungen hart sein. Aufgrund des achtjährigen Gymnasiums, G8,
sind viele Studienanfänger bei Studienbeginn noch nicht mal volljährig. Doch die
Lehramtsstudiengänge sind inzwischen
stark auf die Praxis ausgerichtet: Bereits
im Bachelor gibt es in den meisten Studiengängen eine Reihe von schulischen Praktika mit unterschiedlichen Zielen und Aufgaben. Nicht selten finden sich künftige Lehrer dann vor Schülern wieder, die nur wenige Jahre jünger als sie sind, insbesondere
im Gymnasialbereich. Das stellt Studierende immer wieder vor ungeahnte Herausforderungen. Auch Hanna Blöcher wird – wie
viele ihrer Kommilitoninnen – eine sehr
junge Lehrerin sein. Bereits mit 17 hatte sie
ihr Abi in der Tasche, mit zwanzig wird sie
ihren Bachelor beenden, der Master könnte dann schon mit 22 folgen und das abgeschlossene Referendariat mit 24 Jahren.
Doch für die Studierende ist jetzt schon
klar, dass das so nicht laufen wird. „Ich lasse mir Zeit“, sagt Hanna Blöcher, „Das Praktikum hat mir gezeigt, dass ich zwar einigermaßen klarkomme, aber noch überhaupt keine Lust habe, den ganzen Tag in
der Schule zu stehen. Nach dem Bachelor
gehe ich hoffentlich zum Studium nach
England.“ Das habe ihr auch eine Dozentin
an der Universität empfohlen, die dem gesamten Seminar nahelegte, die Zeit an der
Uni als Entwicklungsphase zu nutzen, mit
Auslandserfahrung und genug Zeit, sich
selbst kennenzulernen.
Doch warum entscheiden sich junge
Menschen überhaupt für das Lehramtsstudium – angesichts des Umstands, dass sie
selbst gerade der Schule entflohen sind? Eine solche Entscheidung sei meist eine Art
Kosten-Nutzen-Rechnung, erklärt der Bildungsforscher Professor Martin Neugebauer von der Freien Universität Berlin,
der zu den Ursachen der Studienwahl bei
Lehrern forscht. Heute schauten viele junge Menschen genau, wie ihre intrinsischen
– also aus eigenem Interesse erfolgenden
– Motive mit extrinsisch motivierten Erwägungen wie etwa guten Berufsaussichten
zusammenpassten. „Gerade beim Lehramtsstudium ist das gut möglich, weil das
Berufsbild den jungen Leuten aus der Schule bekannt ist. Wer Lehrer werden will, hat
meist ein ausgeprägtes Interesse daran,
mit Menschen zusammenzuarbeiten. Und
vermutlich auch ein höheres Bedürfnis
nach Sicherheit.“ Während sich in den
1980er-Jahren, als ein Lehrerüberschuss
herrschte, kaum ein Studierender aus Sicherheitsgründen für den Beruf entschieden habe, sei dieses Motiv heute, in Zeiten
wahrgenommener Unsicherheit, wieder
größer. Doch das heißt nicht, dass angehende Lehrer weniger motiviert oder kompetent sind als andere Studierende: Im Hinblick auf Abiturleistungen und fachliche
Motivation sind Gymnasiallehramtskandi-
Trotz aller Belastungen sind
die meisten Pädagogen offenbar
mit ihrer Arbeit zufrieden
daten nicht von anderen Universitätsstudierenden zu unterscheiden, berichtet Neugebauer. Nur diejenigen Lehramtsstudienanfänger, die nicht das Gymnasiallehramt
anstrebten, hätten bisweilen schlechtere
Abiturleistungen und geringere fachliche
sowie wissenschaftliche Studienwahlmotivationen. Wer aber „Karriere“ machen wolle, studiere eher BWL als Lehramt.
Für Rebecca Möller spielt die Sicherheit
eine untergeordnete Rolle. Die 19-jährige
möchte den Lehrerberuf in erster Linie aus
gesellschaftlichem Engagement und fachlichem Interesse ergreifen. Sie studiert
Lehramt für Gymnasium an der Universität Hamburg im zweiten Semester mit den
Fächern Deutsch und Physik und ist bis
jetzt sehr zufrieden mit ihrer Wahl. „Ich
hatte keine Lust, den ganzen Tag im Büro
zu sitzen und Sachen auszurechnen“, erzählt sie, „ich arbeite lieber mit Menschen
als mit Maschinen.“ Worauf sie sich einlässt, weiß die 19-Jährige ziemlich genau:
Sie hat eine Jugendleiterausbildung und
betreut seit fünf Jahren Jugendgruppen in
ihrer Kirchengemeinde, seit mehreren Monaten gibt sie außerdem Förderunterricht
an ihrem alten Gymnasium und freut sich,
mit ihrer Berufswahl der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Die junge
Frau ist optimistisch, dass die Praxisphasen ihres Studiums ihr keine Schockmomente bereiten werden. „Ich werde nicht
vor der Gruppe stehen und zittern“, sagt
sie. „Aber ich bin auch realistisch. Ich weiß
schon jetzt, dass Unterricht oft stressig
und unruhig ist. Und dass man nicht jeden
Schüler gleich gut erreichen kann“.
Tatsächlich sind die meisten jungen Lehrer nach Abschluss ihrer Ausbildung zufrieden mit ihren Jobs, trotz des einen oder anderen Praxisschocks im Laufe des Studiums. Die Studie „Lehrer in Zeiten der Bildungspanik“ (2012) der Vodafone-Stiftung
belegt, dass nur jeder zehnte Junglehrer
ernsthaft daran denkt, seinen Beruf aufzugeben. Womöglich liegt das auch an den
vielfältigen Praxiserfahrungen, die Studium und Lehrerausbildung heute bereithalten und weniger geeigneten Kandidaten
früher Möglichkeiten zum vorzeitigen Ausstieg aufzeigen. Wer aber erst mal im Klassenraum angekommen ist, der liebt seinen
Job häufig: Laut einer im Februar veröffentlichten Forsa-Umfrage zur Berufszufriedenheit unter bayerischen Lehrerinnen und Lehrern gehen 95 Prozent der Befragten gern oder sehr gern zur Arbeit – allen Belastungen zum Trotz. Lehrerforscher Martin Neugebauer kann sich das
gut vorstellen. „Lehrer ist ein toller Beruf“,
findet der Bildungswissenschaftler. „Man
ist viel mit Menschen zusammen, bildet
die zukünftigen Generationen aus, hat in
den meisten Fällen sogar berufliche Sicherheit. Wenn ein junger Mensch also das Gefühl hat, das passt zu mir und meinen fachlichen Interessen, würde ich den Beruf auf
jeden Fall empfehlen.“
Hat auch die Ganztagsschule den Lehrerberuf verändert?
Sicher. Generell sollten sich angehende
Lehrer von dem Gedanken verabschieden,
dass sie nur den Vormittag in der Schule
sind. Auch werden Lehrer in Zukunft weniger als Einzelkämpfer im Klassenzimmer
stehen, sondern mehr mit Kollegen kooperieren, also kollegiale Unterrichtskonzepte
entwickeln. Team-Teaching ist ein Riesenthema, gerade in den Zeiten von Inklusion,
da nun Sonderpädagogen und Schulbegleiter in den Unterricht integriert werden.
Wie bereiten Sie junge Lehrer auf diese
neuen Herausforderungen vor?
Man muss die Zeit zwischen Abi und Referendariat nutzen und so viele Praxiserfahrungen machen wie möglich. In der Praxisausbildung hat sich in den letzten Jahren
deshalb viel getan, heute gibt es zahlreiche
Möglichkeiten für Studierende, sich mit
Feedback und Hilfestellungen zu erproben. Wir haben zum Beispiel in den vergangenen Jahren etwa sogenannte UNI-Klassen eingerichtet, speziell eingerichtete
Klassenräume an Regelschulen, wo wir
den Unterricht von Lehramtsstudierenden
live in einen Nebenraum übertragen, damit die anderen Studenten ihn am Ort beobachten und besprechen können. In einer
solchen Beobachtungssituation zu unterrichten, erfordert einerseits Mut, hilft andererseits aber enorm weiter, um die komplexen Anforderungen des Lehrberufs
frühzeitig kennenzulernen.
Was raten Sie heute jungen Menschen,
die auf Lehramt studieren wollen?
In Bayern ist es derzeit gerade schwierig,
mit geistes- und sozialwissenschaftlichen
Fächern als Gymnasial- oder Realschullehrer unterzukommen. Dennoch rate ich immer, nach Interesse zu studieren, da dies eine entscheidende Voraussetzung für ein erfolgreiches Studium ist. Darüber hinaus
sollte man die Einstellungsprognosen kennen und die Studienzeit nutzen, um sich –
etwa in Praktika oder Jobs – auch in alternativen außerschulischen Berufsfeldern
umzusehen.
interview: anne-ev ustorf
Schulabsolventen, die
Lehrer werden wollen, rät
Markus Reiserer, nach
dem Abi so viele Praxiserfahrungen zu sammeln,
wie möglich, um sich auf
den komplexen Beruf
vorzubereiten.
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Beginnt nicht erst nach der Berufswahl.
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