17/5501 - Niedersächsischer Landtag

Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
Große Anfrage
mit Antwort der Landesregierung
- Drucksache 17/4809 -
Keine Gerechtigkeit für Frederike von Möhlmann - Unterstützt die Landesregierung die Forderungen des Vaters?
Große Anfrage der Fraktion der CDU an die Landesregierung
vom 08.12.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 14.12.2016
Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom
12.04.2016,
gezeichnet
Antje Niewisch-Lennartz
Vorbemerkung der Fraktion
Spiegel-Online berichtete („Mordfall Frederike von Möhlmann: Ein Vater gibt nicht auf“) am
24.11.2015:
„Die 17 Jahre alte Frederike von Möhlmann war in der Nacht vom 4. November 1981 auf dem
Heimweg von einer Chorprobe entführt, vergewaltigt und umgebracht worden. Damals war der
Verdacht auf einen 22 Jahre alten türkischen Einwanderer namens Ismet H. gefallen. 1982 verurteilte ihn das Landgericht Lüneburg zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Doch nach erfolgreicher
Revision setzte das Landgericht Stade den Mann auf freien Fuß. Die Richter hegten im Gegensatz
zu ihren Kollegen in Lüneburg Zweifel an der Schuld des Angeklagten.
Was damals weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaften und die Richterschaft wussten, ist
mittlerweile erwiesen: An der Unterwäsche des Opfers befanden sich Spuren, die Ismet H. zuzuordnen sind - das haben Untersuchungen mit moderner Kriminaltechnik ergeben. Inzwischen bestehen kaum noch Zweifel daran, dass der Mann, der zur Tatzeit kein Alibi hatte, der Täter ist.
Doch der Freispruch in Stade steht neuen Ermittlungen im Wege. Denn ein freigesprochener mutmaßlicher Täter ist vom Gesetz weitgehend geschützt. H. könnte nur ein neuer Prozess gemacht
werden, wenn er gesteht. Doch das tut er, anwaltlich beraten, nicht.“
Der Vater von Frederike von Möhlmann fordert in einer Onlinepetition (https://www.change.org/p/
gerechtigkeit-f%C3%BCr-meine-ermordete-tochter-frederike-der-mord-muss-ges%C3%BChnt-wer
den-k%C3%B6nnen), aber auch in Briefen und zahlreichen persönlichen Gesprächen eine Reform
des deutschen Strafrechts, um in Fällen wie dem seiner Tochter zukünftig Strafverfahren wieder
aufnehmen zu können. Gegenwärtig ist die Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten eines
bereits freigesprochenen Angeklagten in solchen Fällen nicht möglich.
Wenn neue wissenschaftliche Methoden wie z. B. bei DNA-Untersuchungen einen freigesprochenen Täter überführen, fordern der Vater und inzwischen über 90 000 Unterstützer, dass die Wiederaufnahme des Strafverfahrens nach § 362 der Strafprozessordnung möglich sein muss. In mehreren anderen EU-Mitgliedstaaten soll dies heute bereits möglich sein. Eine entsprechende Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens und Hamburgs aus dem Jahre 2007 wurde nicht weiterverfolgt.
Da ein Strafverfahren gegen den mutmaßlichen Täter nicht mehr möglich ist, hat der Vater von
Frederike von Möhlmann in einem Zivilverfahren Schmerzensgeld von dem damals freigesprochenen Angeklagten gefordert. Diese Forderung wurde vom Landgericht Lüneburg wegen der erhobenen Einrede der Verjährung abgewiesen. Zivilrechtliche Ansprüche wegen Mordes verjähren nach
30 Jahren, während die Strafbarkeit wegen Mord nicht verjährt.
1
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
Der Ausschuss für Recht und Verfassung hat sich mit dem Fall und der rechtlichen Situation mehrfach befasst. Parteiübergreifend wurde die Justizministerin darum gebeten, sich des Themas anzunehmen und sich auch in der Justizministerkonferenz für das Anliegen des Vaters von Frederike
von Möhlmann einzusetzen. Die Justizministerin hat sich hierzu nicht bereitgefunden.
Vorbemerkung der Landesregierung
Bei Straftaten gegen das Leben kommt der Ermittlungsarbeit mit den Zielen der Täterermittlung und
der Verhinderung weiterer Taten ein besonders hoher Stellenwert zu. Zur Bearbeitung und Aufklärung der Taten werden die personellen und materiellen Ressourcen prioritär bereitgestellt. Dies war
auch im Fall der ermordeten Frederike von Möhlmann der Fall, deren Leiche am 08.11.1981 in einem Waldstück im Landkreis Celle gefunden worden war. Am 02.03.1982 hatte die Staatsanwaltschaft Lüneburg - Zweigstelle Celle - gegen den Verdächtigen Ismet H. aus Celle Anklage zum
Landgericht Lüneburg wegen Vergewaltigung und Mordes erhoben. Ismet H., der eine Tatbeteiligung bestritt, war am 01.07.1982 vom Schwurgericht des Landgerichts Lüneburg wegen der ihm
mit der Anklage zur Last gelegten Tatvorwürfe zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Lüneburg stützte seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten
u. a. auf die Übereinstimmung der an der Opferbekleidung sichergestellten textilen Fasern mit den
Fasern eines Teppichs sowie der Fellbezüge von Sitz, Lehne und Kopfstütze im Pkw des Angeklagten. Auf die Revision des Angeklagten hob der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs am
25.01.1983 das Urteil des Landgerichts Lüneburg auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Stade. Das Landgericht Stade sprach den Angeklagten mit Urteil
vom 13.05.1983, rechtskräftig seit dem 21.05.1983, frei. Für das Landgericht Stade ergaben sich
u. a. aus den zu den Faserspuren erstatteten Sachverständigengutachten Zweifel an der Täterschaft des Ismet H. Weitere Ermittlungsansätze bestanden zum damaligen Zeitpunkt nicht. Da
Morddelikte keiner Verjährung unterliegen, ist jedoch die polizeiliche Ermittlungsarbeit auch nach
Auflösung einer gegebenenfalls eingerichteten Mordkommission nicht beendet. Die Ermittlungen
ruhen, soweit keine Ermittlungsansätze (mehr) bestehen, und leben sofort nach Bekanntwerden
neuer oder weiterer Ermittlungsansätze wieder auf. So können vielfach auch Verbrechen, die zum
Teil bereits vor Jahrzehnten begangen wurden, durch beharrlichen und akribischen Einsatz von
Ermittlerinnen und Ermittlern, auch durch sich weiterentwickelnde und verfeinerte Untersuchungsmethoden - wie etwa die DNA-Methodik -, noch aufgeklärt werden. Mithilfe der sich über die Jahre
fortentwickelten Kriminaltechnik, insbesondere im Bereich der DNA-Untersuchung, ist es gelungen,
mutmaßliche Täter von Tötungsdelikten im Nachhinein zu identifizieren. Im Fall Frederike von
Möhlmann wurde erstmals im Jahr 2000 eine DNA-Untersuchung im LKA Niedersachsen veranlasst, und zwar an während der Obduktion vom Tatopfer genommener DNA. Die molekulargenetische Untersuchung konnte indes damals keine bzw. keine reproduzierbaren Ergebnisse liefern.
Zur wissenschaftlichen Fortentwicklung im Bereich der forensischen DNA-Analytik ist Folgendes
anzumerken: Zur Tatzeit (04.11.1981) erfolgte die forensische Untersuchung biologischer Spuren
im Kriminaltechnischen Institut (KTI) des Landeskriminalamts Niedersachen (LKA NI) im damaligen
Fachgebiet „Medizin/Serologie“. Zumeist medizinische Sachverständige führten dazu nach dem
damaligen Stand der Technik und Wissenschaft sogenannte serologische Merkmalsbestimmungen
durch, insbesondere für die klassischen Blutgruppen (z. B. AB0-Blutgruppen und Rhesus-Faktor).
Die untersuchten Merkmalssysteme ließen die Unterscheidung von Individuen zu, nach heutigen
Maßstäben allerdings nur mit moderater (bio-)statistischer Unterscheidungskraft. Gegen Ende der
1980er-Jahre erfolgte parallel zu der rasanten Entwicklung der Molekularbiologie und Molekulargenetik (Stichwort Gentechnik) auch im Bereich der Untersuchung forensisch-biologischer Spuren eine technologisch-methodische/wissenschaftliche Revolution: Man konnte durch molekulare Analyse verschiedener Merkmale den sogenannten genetischen Fingerabdruck bestimmen. Dabei erfolgt
keine Entschlüsselung des Basencodes (Sequenzierung), sondern eine Bestimmung von Fragmentlängen-Variationen. Dieses Verfahren zeigte eine extrem hohe biostatistische Unterscheidungskraft für verschiedene Individuen, besaß allerdings den erheblichen praktischen Nachteil,
dass intakte, hochmolekulare DNA im Mikrogramm-Bereich benötigt wurde. Das Untersuchungsverfahren benötigte zudem mitunter einige Wochen Untersuchungszeit, weshalb diese Methode
zunächst nur in Speziallaboratorien bei wenigen, hierfür geeigneten Kriminalfällen zur Anwendung
gelangte. Im Jahr 1988 wurde dieses Verfahren in Deutschland erstmals als Beweismittel im Straf2
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
prozess zugelassen. Im LKA NI wurden diese Techniken seit 1990 etabliert und bei geeigneten
Spuren erfolgreich in der Fallarbeit eingesetzt. In den frühen 1990er-Jahren verbreitete sich in den
forensischen Laboratorien eine neuartige, die DNA-Analyse abermals revolutionierende Technik:
die sogenannte Polymerase-Kettenreaktion (PCR). Mit dem PCR-Verfahren kann im Reagenzgefäß
(in vitro) jedes gewünschte Stück DNA-Erbsubstanz mit biochemischen Verfahren aus dem kompletten humanen Genom herauskopiert, binnen weniger Stunden millionenfach vervielfacht und sodann molekulargenetisch analysiert werden. Die PCR ermöglicht die Analyse geringster Mengen
genomischer DNA (bis hinab in den Pikogramm-Bereich), selbst wenn diese schon degradiert bzw.
geschädigt ist. Mit der PCR-Technik konnten neuartige Merkmalssysteme im menschlichen Genom
identifiziert werden: die sogenannten Short-Tandem-Repeats-(STR)Merkmalssysteme. Diese STRs
eignen sich in ganz besonderem Maße für die forensisch-genetische Unterscheidung von Individuen, da sie in zahlreichen Varianten in der Bevölkerung vorhanden sind.
Parallel dazu erfolgte die Entwicklung hochpräziser und sensitiver Analysegeräte. Ein neuer Standard hatte sich damit in der DNA-Analytik etabliert. Die mit diesen standardisierten Laborbedingungen bestimmten Ergebnisse waren nunmehr untereinander vergleichbar, sodass sich dieses Verfahren als nationaler, europäischer und mittlerweile weltweiter Standard durchgesetzt hat. Seit Oktober 2012 werden als europäischer Standardmerkmalsatz sechzehn Merkmalssysteme erfasst.
Dieser Standard wird in der Routineanwendung für die Untersuchung von Spuren und Vergleichsproben europaweit eingesetzt und weist eine überaus hohe Unterscheidungskraft zwischen Individuen auf. Aufgrund dieser europaweiten Harmonisierung der zu untersuchenden Merkmalssysteme
wird der Datenbestand der Mitte 1988 noch mit nur fünf Merkmalen pro DNA-Profil eingerichteten
DNA-Analysedatei (DAD) seit 2006 regelmäßig mit den Datenbeständen der entsprechenden DNADatenbanken von mittlerweile 15 europäischen Staaten abgeglichen. Hierdurch können europaweit
Übereinstimmungen („Treffer“) zwischen Datensätzen (Personen und/oder Spuren) festgestellt
werden. Durch den Einsatz der STR-PCR-Methodik konnte die Sensitivität der DNA-Untersuchung
drastisch verbessert werden. Die Menge des zur Verfügung stehenden Untersuchungsmaterials
stellt daher heute oftmals keinen limitierenden Faktor mehr dar: Bereits wenige zellkernhaltige Einzelzellen wie Hautschuppen, Haarwurzeln oder Speichelmikrotröpfchen können ausreichend DNA
enthalten. Für die Untersuchung von Sekretspuren, vornehmlich bei Sexualdelikten, wurde die Untersuchung von STR-Merkmalsystemen auf dem Y-Chromosom (DYS-Merkmale) in das Untersuchungsrepertoire des KTI aufgenommen, um bei oftmals schwierigen Sekretmischspuren männliche Zellanteile besser darstellen zu können. Während an solchen Spuren seit Anfang 2004 noch
ein sogenannter DYS-Haplotyp aus elf DYS-Merkmalen bestimmt wurde, konnte die Analyse des
DYS-Haplotyps seit 2013 auf derzeit 23 DYS-Merkmale ausgeweitet werden. Die gewonnenen Ergebnisse werden damit immer differenzierter. Bei der laborgestützten Spurensuche an Asservaten
kommen besonders für Sekretspuren zudem forensische Lichtsysteme mit Auswahlmöglichkeit optimaler Wellenlängenbereiche zum Einsatz. Die Infrarotfotografie unterstützt darüber hinaus seit
2014 die Erkennung von Blutspuren auf dunklen Spurenträgern und Kleidungsstücken. Durch den
enormen Zuwachs der Nachweisempfindlichkeit ist ferner eine neue Spurenklasse für forensische
Untersuchungen zugänglich geworden: Hautabriebe (auch: Epithelzellspuren). Als wesentliche
Verbesserung der Untersuchung von Hautabriebspuren wurde im Untersuchungsbereich des KTI
NI im Juni 2015 die Präparation und Analyse einzelner Hautpartikel etabliert. Die Methode ist insbesondere dann hilfreich, wenn aufgrund der Fallkonstellation nur mit sehr wenig Zellmaterial des
mutmaßlichen Täters/der mutmaßlichen Täterin zu rechnen ist. Die sehr zeit- und ressourcenaufwändige kleinteilige Präparation und Analyse der hohen Anzahl an präparierten DNA-Proben macht
jedoch eine sorgfältige Auswahl der hiermit zu bearbeitenden Fälle erforderlich. Das dargestellte
DNA-Analysesystem und auch andere Analyse- und Auswertesysteme, wie z. B. die Anwendung
der operativen Fallanalyse, das bundesweite Datenbanksystem VICLAS - ein Analysesystem zur
Erkennung von Tatserien - sowie die strukturierte Anwendung von Controllingmechanismen ermöglichen es, jede sich bietende weitere Ermittlungsmöglichkeit zu ergreifen. Heutzutage ist im LKA der
Untersuchungsbereich in der Fachgruppe „Molekulargenetik/DNA-Analytik“ des Dezernats „Biologie“ angesiedelt, in welcher ausschließlich Naturwissenschaftler mit Life-Science-Hintergrund als
Sachverständige tätig sind.
Im Fall der ermordeten Frederike von Möhlmann sichtete die Polizei im Jahr 2011/2012 erneut sehr
sorgfältig die vorliegenden Asservate und führte mit dem LKA NI eine sogenannte Spurenkonferenz
durch. In Spurenkonferenzen werden alle Umstände des Untersuchungsauftrages erörtert. Die Mit3
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
arbeiter des KTI des LKA NI erläutern die besonderen Umstände der Untersuchungsmethoden, deren Möglichkeiten und Grenzen, und weisen zudem auf besondere Wirkungszusammenhänge oder
spezielle Problemstellungen hin. In den Spurenkonferenzen können die Abfolge von Untersuchungen, Terminsetzungen und Veränderung von Untersuchungsschritten verbindlich abgesprochen
werden. Fallkonferenzen und Spurenkonferenzen haben sich in den letzten Jahren bei komplexen
Untersuchungsaufträgen überaus bewährt. Eine aufgrund der vorausgegangenen Spurenkonferenz
im LKA NI erfolgte erneute Untersuchung mit verbesserten Methoden ergab im Jahr 2012, dass der
vormalige Angeklagte Ismet H. als Verursacher einer sekretverdächtigen Spur, die an der Bekleidung des Opfers gesichert werden konnte, in Betracht kam. Seit Mitte 2012 bestand daher gegen
Ismet H. der erneute Verdacht, Frederike von Möhlmann vergewaltigt und getötet zu haben.
Aufgrund des rechtskräftigen Freispruchs des Ismet H. waren die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu prüfen. Von den in § 362 StPO abschließend geregelten Wiederaufnahmegründen zuungunsten des rechtskräftig freigesprochenen Ismet H. wäre eine Wiederaufnahme des Verfahrens nur bei einem Geständnis des früheren Angeklagten (§ 362 Nr. 4 StPO) in
Betracht gekommen. Am 23.04.2015 wurde Ismet H. von der Polizei mit den neuen Erkenntnissen
im Rahmen einer Gefährderansprache konfrontiert. Ismet H. legte kein Geständnis ab. Ein Geständnis oder eine geständnisgleiche Äußerung wurde seitens Ismet H. bis heute nicht abgegeben.
Eine gesetzliche Grundlage, das Strafverfahren gegen Ismet H. wieder aufzunehmen, besteht daher derzeit nicht.
Die Justizministerin hat größtes Verständnis dafür, dass eine solche Gesetzeslage von den Angehörigen und insbesondere dem Vater von Frederike von Möhlmann als zutiefst unbefriedigend und
ungerecht empfunden wird.
Im Niedersächsischen Justizministerium wurden daher im Sommer 2015 intensive Überlegungen
zur Reform des Wiederaufnahmeverfahrens angestellt. Der Bundesrat hatte auf Initiative der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg bereits mit Beschluss vom 20.12.2007 beim Deutschen
Bundestag einen Gesetzentwurf zur Reform des strafrechtlichen Wiederaufnahmerechts eingebracht, der jedoch in der 16. Legislaturperiode nicht abschließend beraten worden war (BT-Drs.
16/7957). Der Entwurf sah vor, die in § 362 StPO geregelten Wiederaufnahmegründe zuungunsten
des früheren Angeklagten um den Fall zu erweitern, dass neue, zum Zeitpunkt des Freispruchs
nicht vorhandene technische Ermittlungsmethoden (insbesondere DNA-Analysen) nachträglich zu
der Erkenntnis führen, dass das freisprechende Urteil falsch ist. Der Entwurf sah vor, in § 362 Nr. 5
StPO-E als neuen Wiederaufnahmegrund anzufügen, „wenn auf der Grundlage neuer, wissenschaftlich anerkannter technischer Untersuchungsmethoden, die bei Erlass des Urteils, in dem die
dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten, nicht zur Verfügung standen, neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen zur Überführung des Freigesprochenen geeignet sind“.
§ 362 Nr. 5 StPO-E sollte nur gelten in Fällen des vollendeten Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die
Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine
Person (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches) oder wegen der mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden vollendeten Anstiftung zu einer dieser Taten. Der Entwurf wurde auf Initiative
des Landes Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 erneut im Bundesrat behandelt (BR-Drs. 222/10).
Der Rechtsausschuss des Bundesrates war der Auffassung, dass der Gesetzentwurf einer vertieften verfassungsrechtlichen Prüfung bedürfe, und beschloss die Vertagung bis zum Wiederaufruf
durch das antragstellende Land. Der Wiederaufruf ist bisher nicht erfolgt. Den Fall Frederike von
Möhlmann hat daher das Niedersächsische Justizministerium zum Anlass genommen zu prüfen,
wie ein Wiederaufnahmegrund verfassungskonform ausgestaltet werden könnte, wenn neue Beweismittel aufgefunden werden (z. B. durch eine DNA-Analyse), aufgrund derer die Verurteilung eines Freigesprochenen in Betracht kommt. Nach dem Ergebnis dieser sorgfältigen und umfassenden Prüfung ist eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe im Strafverfahren wegen Vorliegens
neuer Beweismittel zuungunsten des Freigesprochenen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht
möglich. Artikel 103 Abs. 3 GG lässt eine solche Erweiterung nicht zu, da sie in unzulässiger Weise
in den Kernbereich des „Verbots der Doppelbestrafung“ („ne bis in idem“) eingreifen würde.
4
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
Im Übrigen würde sich auch die Ausweitung der Wiederaufnahmegründe nicht auf den Fall der
Frederike von Möhlmann auswirken. Wegen des Rückwirkungsverbotes aus Artikel 20 GG könnte
ein neuer Wiederaufnahmegrund nur für Fälle künftiger Freisprüche gelten, nicht bei bereits erfolgten Freisprüchen wie im Fall von Ismet H.
1.
Wie stellt sich der Mordfall Frederike von Möhlmann aus Sicht der Landesregierung
dar?
Zum Verlauf des Strafverfahrens wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
Der Vater des Tatopfers erhob im April 2015 beim Landgericht Lüneburg Klage gegen Ismet H. auf
Zahlung von Schmerzensgeld wegen der durch die Tötung seiner Tochter erlittenen psychischen
Beeinträchtigungen. Die Klage wurde vom Landgericht Lüneburg am 09.09.2015 wegen eingetretener Verjährung der zivilrechtlichen Ansprüche zurückgewiesen, weil die nach dem Bürgerlichen
Gesetzbuch vorgesehene gesetzliche Höchstfrist von 30 Jahren zur Geltendmachung der Ansprüche verstrichen sei. Gegen diese Entscheidung legte Herr von Möhlmann Berufung ein. Termin zur
mündlichen Verhandlung über die Berufung des Herrn von Möhlmann hat der zuständige Zivilsenat
des Oberlandesgerichts Celle für den 23.03.2016 anberaumt.
2.
Setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass die gegenwärtig vier Wiederaufnahmegründe des § 362 der Strafprozessordnung zuungunsten von freigesprochenen Angeklagten ergänzt werden, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen?
Wenn nein, warum nicht?
Die Landesregierung steht entsprechenden Diskussionen grundsätzlich offen gegenüber und hat
deshalb die verfassungsrechtliche Lage bereits im Sommer 2015 intensiv geprüft. Eine Erweiterung
der Wiederaufnahmegründe im Strafverfahren wegen Vorliegens neuer Beweismittel infolge neuer
Untersuchungsmethoden zuungunsten des Freigesprochenen in § 362 StPO ist danach aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, weil sie in den Kernbereich des „Verbots der Doppelbestrafung“ („ne bis in idem“) des Artikels 103 Abs. 3 GG eingreifen würde.
Durch Artikel 103 Abs. 3 GG ist das Verbot, eine verbrauchte Strafklage zu wiederholen, in den
Rang eines Verfassungsrechtssatzes erhoben worden. Die Norm garantiert dem schon bestraften
oder rechtskräftig freigesprochenen Täter Schutz gegen erneute Verfolgung und Bestrafung wegen
derselben Tat, wenn ein Gericht der Bundesrepublik Deutschland entschieden hat (vgl. BVerfGE
12, 62 <66>). Es handelt sich um ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht, von dessen Geltung allerdings der Gesetzgeber in § 362 StPO auf einfachgesetzlicher Ebene Ausnahmen vorgesehen
hat.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Reichweite des in das
Grundgesetz aufgenommenen Rechtssatzes „ne bis in idem“ anhand seiner Entstehungsgeschichte zu bestimmen. Aus ihr ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Rechtssatz durch
die Aufnahme in das Grundgesetz inhaltlich geändert und die durch die Rechtsprechung gezogenen Grenzen anders als bisher bestimmt werden sollten. Ihm sollte lediglich wegen seines grundrechtsähnlichen Charakters im Grundgesetz Ausdruck verliehen werden, sodass er den Rang eines
Verfassungsrechtssatz bekommen habe. Der in Artikel 103 Abs. 3 GG enthaltene Rechtssatz nehme daher auf den bei Inkrafttreten des Grundgesetzes geltenden Stand des Prozessrechts und
seiner Auslegung durch die herrschende Rechtsprechung Bezug, ohne dass insoweit in Artikel 103
Abs. 3 GG ein ausdrücklicher Gesetzesvorbehalt hätte aufgenommen werden müssen. Diese Auslegung sei vom Verfassungsgesetzgeber gewollt und daher als eine dem Artikel 103 Abs. 3 GG
immanente Schranke anzusehen (vgl. BVerfGE 3, 248 <252 f.>). Das Bundesverfassungsgericht
hat in seinen Entscheidungen betont, dass die Auslegung des Artikels 103 Abs. 3 GG mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes vereinbar sei und insbesondere nicht die das
Grundgesetz beherrschende rechtsstaatlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und der Gerechtigkeit verletze (vgl. BVerfGE 3, 248 <252 f.>; 12, 62 <66>; 56, 22 <34>). Artikel 103 Abs. 3 GG stehe
daher Grenzkorrekturen nicht entgegen; er garantiere nur den Kern dessen, was als Inhalt des Satzes „ne bis in idem“ in der Rechtsprechung herausgearbeitet worden sei (vgl. BVerfGE 56, 22
5
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
<34 f.>). Im Ergebnis müssen sich damit Eingriffe in den Rechtssatz „ne bis in idem“ immer durch
verfassungsrechtlich anerkannte Belange rechtfertigen lassen. Hieran ist nicht nur die bestehende
Regelung des § 362 StPO zu messen, sondern auch deren Erweiterung.
Das BVerfG musste bisher die Frage nach den Voraussetzungen für eine Erweiterung des § 362
StPO noch nicht klären. Es hat bisher lediglich im Zusammenhang mit der Klärung des Tatbegriffs
in Artikel 103 Abs. 3 GG auf die Erträglichkeit der Reichweite der Rechtskraft als Verfahrenshindernis abgestellt und ausgeführt:
„Die materielle Rechtskraft gründet sich auf das Gebot der Rechtssicherheit und Rechtsruhe; sie
schützt den Verurteilten davor, wegen des in der Anklage bezeichneten und individualisierten
Sachverhalts nochmals gerichtlich belangt zu werden. Ein erneutes Verfahren ist auch dann unzulässig, wenn später erschwerende Umstände hervortreten, die dem Gericht im ersten Verfahren
nicht bekannt sein konnten. In diesem Umfang hat sich der Staat um der Rechtssicherheit willen eine freiwillige Begrenzung in seinem Recht auf Verfolgung strafbarer Handlungen auferlegt und damit insoweit auch auf die Durchsetzung des die Gleichmäßigkeit der Rechtsanwendung sichernden
Legalitätsprinzips verzichtet. Der Verfassungsgeber hat das Verfahrenshindernis der Rechtskraft
angesichts der Erfahrungen mit einem Unrechtsregime, das vor erneuter Verfolgung schon abgeurteilter Taten nicht zurückgeschreckt und uferlose Durchbrechungen der Rechtskraft zum Zwecke
härterer Bestrafung ermöglicht hatte, in den Rang eines Prozessgrundrechts erhoben. Auch wenn
dies im Einzelfall zu als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen kann, so ist doch vor dem
Hintergrund der geschichtlichen Erfahrungen allen Versuchen entgegenzutreten, den Tatbegriff je
nach der Schwere der unberücksichtigt gebliebenen Umstände zu verändern, um nachträglich eine
gerechte Bestrafung zu ermöglichen. Eine derartige Sperrwirkung ist andererseits aber nur erträglich, wenn der Umfang des prozessualen Tatbegriffs nicht über jedes Maß hinaus ausgedehnt wird,
indem er mit der Rechtsfigur der materiell-rechtlichen Tateinheit verknüpft wird, die gänzlich anderen Zwecken dient. Ihre unterschiedlichen Zielsetzungen verbieten es, die Begriffe des materiellen
Rechts und des Prozessrechts zu vermengen, will man nicht den jeweils verfolgten Prinzipien Abbruch tun und in die Gefahr unauflösbarer Wertungswidersprüche geraten“ (BVerfGE 56, 22 <32>).
Auch eine Erweiterung des § 362 StPO unter Rückgriff auf das sogenannte Unerträglichkeitskriterium, wonach ein Festhalten an der Rechtskraft des Urteils nicht mehr akzeptabel ist, wenn dies zu
unerträglichen Ergebnissen führt (sogenannte Unerträglichkeitsgrenze), ist nicht geeignet, den Eingriff in Artikel 103 Abs. 3 GG zu rechtfertigen. Das Kriterium ist nicht hinreichend rechtssicher. Bei
der Unerträglichkeitsgrenze handelt es sich um eine abstrakte Begrifflichkeit, die einer Konkretisierung erst bedarf. Nach Ansicht der Landesregierung kann das Vorliegen neuer Untersuchungsmethoden den Eingriff in den Rechtssatz „ne bis in idem“ am Maßstab der Unerträglichkeit für das Gerechtigkeitsempfinden auch deswegen nicht rechtfertigen, weil diese Argumentation ein bedingungsloses Vertrauen in die Erkenntnismöglichkeiten der modernen Kriminaltechnik offenbart und
außer Acht lässt, dass es sich bei den aufgrund dieser Erkenntnismöglichkeiten vorgefundenen
Beweisen doch lediglich um Indizien handelt, die die Grundlage für die Überzeugungsbildung des
Strafgerichts bilden. Befürworter einer Erweiterung des § 362 StPO müssten zudem festlegen, welche neuen Untersuchungsmethoden Beweise liefern können, anhand derer eine Überführung des
Täters möglich ist. Diskutiert werden neben der DNA-Analyse etwa auch die Blutgruppenbestimmung, die Daktyloskopie, die Textiluntersuchung, die Stimmenanalyse und die Lackspurenbestimmung (vgl. Marxen/Tiemann, ZIS 2008, 188 <191>).
Da die Unerträglichkeitsgrenze kein geeignetes Kriterium ist, bleibt nur der Rückgriff auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien zur Beantwortung der Frage, ob und in welchem Umfang
eine Erweiterung des § 362 StPO wegen neuer Untersuchungsmethoden und Beweise noch eine
zulässige Grenzkorrektur oder aber einen unzulässigen Eingriff in Artikel 103 Abs. 3 GG darstellt.
Hierbei sind das Prinzip der Rechtssicherheit und das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit gegeneinander zu stellen, und es ist zu prüfen, ob unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
die beiden Prinzipien in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden können. Dabei erweist sich
als problematisch, dass die beiden Prinzipien sich in keinem Kompromiss zusammenführen lassen
(Weber-Klatt, Die Wiederaufnahme von Verfahren zuungunsten des Angeklagten, Diss. 1996,
S. 65 ff.), sondern durch eine Erweiterung des § 362 StPO immer dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit der Vorzug vor der Rechtssicherheit eingeräumt wird. In die Abwägung der widerstreitenden Prinzipien ist einzustellen, dass es für den Einzelnen eine schwere Belastung bedeutet, sich
6
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
wegen desselben Vorwurfs zweimal vor Gericht verantworten zu müssen, und dass ein aus Mangel
an Beweisen erfolgter Freispruch kein Fehlurteil, sondern die von der Prozessordnung vorgesehene rechtmäßige Entscheidung darstellt. Angesichts dessen stellt die Zulassung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens wegen neuer Beweise aufgrund neuer Untersuchungsmethoden grundsätzlich einen Eingriff in den Kernbereich des Rechtssatzes „ne bis in idem“ dar. Bisher hat der Gesetzgeber solche Eingriffe nur dann für zulässig erachtet, wenn die mit der rechtskräftigen strafgerichtlichen Entscheidung verbundene befriedende Wirkung auf der Begehung von Straftatbeständen gegründet ist oder der Angeklagte sich der Schutzwirkung der Rechtskraft selbst wegen eines ihm zurechenbaren Verhaltens enthoben hat. Solche Fallkonstellationen sind mit der Vorlage neuer Beweise für die Täterschaft aufgrund neuer Untersuchungsmethoden nicht vergleichbar, weil diese
von der allgemeinen Entwicklung kriminaltechnischer Untersuchungsmethoden abhängen.
Zuletzt bleibt die Frage, ob der Anwendungsbereich einer Erweiterung des § 362 StPO so ausgestaltet werden kann, dass sich die Beschränkung des Prinzips der Rechtssicherheit als noch verhältnismäßig erweist. Diese Frage betrifft die konkrete Ausgestaltung der Norm. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Geeignetheit der neu gewonnenen Beweismittel zur
Überführung des Täters nicht überspannt werden dürfen, damit das Wiederaufnahmeverfahren
nicht überfrachtet wird. Um dem Rechnung zu tragen, könnte die Wiederaufnahme nur bei bestimmten schwersten Straftaten für zulässig erachtet werden, um dem Prinzip der Rechtssicherheit
den weitest möglichen Vorrang zu geben. Allerdings ist insoweit die Grenzziehung schwierig: Neben Mord und Völkermord könnten alle vollendeten Delikte aus dem Katalog des § 74 GVG, die in
§ 66 b StGB genannten Verbrechen oder diejenigen Delikte, die den Haftgrund der Schwerstkriminalität begründen (§ 112 Abs. 3 StPO), aufgenommen werden; auch besonders schwere Fälle des
Totschlags oder der sexuelle Missbrauch von Kindern mit Todesfolge könnten solche Straftaten
sein. Bei der Grenzziehung der in Betracht kommenden Straftaten an die Unverjährbarkeit der Delikte anzuknüpfen, ist denkbar, scheint aber ebenfalls ungeeignet. Zwar ist die Unverjährbarkeit einiger Straftatbestände ebenfalls aufgrund des Wunsches nach materieller Gerechtigkeit eingeführt
worden. Die Gründe, die für eine lebenslange Verfolgbarkeit einer Straftat sprechen, rechtfertigen
aber nicht zwangsläufig auch einen Eingriff in die Rechtskraft eines strafgerichtlichen Freispruchs.
Die Beseitigung der Schutzwirkung der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung bedarf insoweit einer weitergehenden Rechtfertigung, die über den Grund für eine lebenslange Verfolgbarkeit hinausgeht.
3.
Die Rechtslage im Fall Frederike von Möhlmann führt zu einem Ergebnis, das nach
Aussagen des Rechtsanwaltes von Herrn von Möhlmann von vielen Menschen als unerträglich empfunden wird, weil ein mutmaßlicher Mörder weder bestraft noch offenbar zu
Zahlungen von Schmerzensgeld herangezogen werden kann. Teilt die Landesregierung
die Empfindung, dass diese Rechtslage nicht gerecht sei? Wenn ja, was unternimmt die
Landesregierung, um dem Rechnung zu tragen?
Auf die Vorbemerkung sowie auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen.
Die innerhalb der Landesregierung zuständige Justizministerin kann jedoch nachempfinden, dass
das geltende Recht den Angehörigen von Opfern größten Schmerz auferlegt.
4.
Nimmt die Landesregierung die gegenwärtig über 90 000 Unterstützer der Onlinepetition des Vaters von Frederike von Möhlmann zum Anlass, sich für eine Änderung der
Rechtslage einzusetzen? Wenn nein, warum nicht?
Es wird auf die Vorbemerkung und auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen.
5.
Setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche bei Mordfällen nicht mehr verjähren? Wenn nein, warum nicht?
Über die Zivilklage des Vaters von Frederike von Möhlmann ist noch nicht rechtskräftig entschieden. Zurzeit ist der Rechtsstreit bei dem Oberlandesgericht Celle anhängig. Nach rechtskräftigem
7
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
Abschluss des Verfahrens wird die Landesregierung prüfen, ob Änderungen der Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches wie der Verjährungshöchstfrist in § 199 BGB erforderlich
sind.
6.
Wie stellt sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Ergänzung
weiterer Wiederaufnahmegründe in der Strafprozessordnung zuungunsten freigesprochener Angeklagter dar?
Es wird auf die Antwort der Frage 2 verwiesen.
7.
Wie viele ungeklärte Mordfälle, bei denen der Tatzeitraum älter als ein Jahr ist, sind den
niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden derzeit bekannt?
Es sind in Niedersachsen 311 ungeklärte Mordfälle bekannt. Dazu wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen.
8.
In wie vielen dieser ungeklärten Mordfälle sind noch Spuren vorhanden, die für moderne Untersuchungsmethoden wie die DNA-Untersuchung genutzt werden könnten?
In 88 dieser unaufgeklärten Mordfälle sind Spuren vorhanden, die für weitere Untersuchungsmethoden genutzt werden könnten. Dazu wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen.
9.
In wie vielen der ungeklärten Mordfälle sind bereits Angeklagte vom Vorwurf des Mordes oder Totschlages freigesprochen worden?
Es ist zu 21 Freisprüchen gekommen. Dazu wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen.
10. In wie vielen dieser Fälle von Freisprüchen bei Mordfällen sind noch Spuren vorhanden, die für moderne Untersuchungsmethoden wie die DNA-Untersuchung genutzt
werden könnten?
In neun Fällen von Freisprüchen sind noch Spuren vorhanden, die genutzt werden könnten. Dazu
wird auf die als Anlage beigefügte Tabelle verwiesen.
11. Welche gesetzlichen Änderungen müssten erfolgen, um den Forderungen des Vaters
von Frederike von Möhlmann nachzukommen?
Auf die Antworten zu den Fragen 2 und 5 wird verwiesen.
8
Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode
Drucksache 17/5501
Anlage
GenStA
StA
Braunschweig
Braunschweig
Göttingen
26
18
44
11
0
11
3
1
4
Freisprüche
mit nutzbaren
Spuren
2
0
2
Bückeburg
Hannover
Hildesheim
Lüneburg
Stade
Verden
3
67
5
33
63
59
230
0
25
3
19
5
6
58
0
0
0
6
2
4
12
0
0
0
4
1
1
6
Aurich
Oldenburg
Osnabrück
Summe GenStA:
6
14
17
37
1
7
11
19
0
2
3
5
0
1
0
1
Gesamtergebnis:
311
88
21
9
Summe GenStA:
Celle
Summe GenStA:
Oldenburg
Anzahl
nutzbare
Spuren
(Ausgegeben am 12.04.2016
Unkorrigierter Vorabdruck ausgegeben am 06.04.2016)
Freisprüche
9