Ich kann mir nichts anderes vorstellen

6 Wirtschaft in Kooperation mit
SÜDKURIER NR. 76 | G
S A M S T A G , 2 . A P R I L 2 01 6
„Ich kann
mir nichts
anderes
vorstellen“
Arbeitswelten: Judith Gebhart aus Bad Saulgau absolviert eine Ausbildung zur
Hauswirtschafterin in einem
Kloster. Sie erklärt, was den
Reiz ihres Berufes ausmacht
Frau Gebhart, warum haben Sie sich
diesen Beruf ausgesucht?
Ich bin gerne mit Menschen zusammen. Und ich arbeite gerne auch körperlich. Ursprünglich habe ich eine
Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin für Spanisch und Englisch
gemacht und auch abgeschlossen. Aber
dann kam die Erkenntnis, dass mir das
keinen Spaß macht und ich habe mich
nach etwas anderem umgesehen. Die
Hauswirtschaft ist für mich genau das
Richtige.
Sind Sie durch die Eltern vorbelastet?
Eigentlich nicht. Meine Mutter ist
Fremdsprachenkorrespondentin. Vielleicht habe ich auch deshalb diesen Beruf zuerst gewählt. Ich war schon in der
Realschule gut in Sprachen. Mein Vater
ist Landmaschinenmechaniker. Bei
uns in der Familie kocht der, der gerade
zu Hause ist und Zeit hat.
Was ist der Spaßfaktor beim Beruf
Hauswirtschafterin?
Jeder Einsatzbereich fordert den Körper und den Kopf, das finde ich gut. Das
ist bei Reinigungsarbeiten so, in der
Wäscherei aber auch bei Tätigkeiten in
der Küche. Und dort ist natürlich auch
das Kochen eine tolle Sache. Wenn es
den Bewohnern und Gästen dann auch
noch schmeckt, dann ist das das größte
Lob. Wenn man sich anstrengt, dann
kann das täglich so sein. Den direkten
Kontakt, das gibt es nicht in jedem Beruf. Außerdem ist man auch immer mit
Menschen zusammen. Das hat für mich
schon einen hohen Stellenwert.
Wo kann man denn diese Ausbildung
machen?
Erst muss man einen Ausbildungsplatz
suchen. Das ist in diesem Beruf gar
nicht so einfach. Im ländlichen Bereich
hat man vielleicht die Chance auf einem
großen landwirtschaftlichen Betrieb.
Aber auch Großhaushalte wie zum Beispiel Kurkliniken, Alten- und Pflegeheime, Tagesstätten und Hotels können
Hauswirtschafterinnen sehr gut ausbilden und anschließend einsetzen. In
manchen Bereichen sind sie sogar unverzichtbar. Und natürlich kann man,
wenn es sich ergibt, auch in einem Kloster arbeiten. So wie ich hier bei den
Franziskanerinnen in Sießen. Einmal in
Arbeitswelten
Die Hauswirtschafterin
Judith Gebhart deckt
den Tisch an ihrem
Arbeitsplatz, einem
Kloster in Bad Saulgau.
„Ich arbeite gerne auch
körperlich“, sagt sie.
BILDER: KARLHEINZ
FA H L B U S C H , F O T O L I A ,
➤ Die Serie: Jeder nimmt Arbeit
anders wahr. Als Broterwerb, als Last,
als Pflicht oder auch als Leidenschaft,
als Erfüllung und Lebenszweck. In
unserer Serie „Arbeitswelten“ befragen
wir Menschen über diesen wichtigen
Teil ihres Lebens.
➤ Judith Gebhart ist 24 Jahre alt und
in Bad Saulgau geboren, wo sie heute
im Stadtteil Steinbronnen wohnt. Nach
der Realschule hat sie die Ausbildung
zur Fremdsprachenkorrespondentin
gemacht und danach die allgemeine
Fachhochschulreife. Jetzt absolviert sie
im Kloster Sießen bei Bad Saulgau bei
den Franziskanerinnen die Ausbildung
zur Hauswirtschafterin und wird noch
dieses Jahr ihre Prüfung machen. In
ihrer Freizeit reitet sie gerne und
entspannt auch vor dem Fernseher. (kf)
M O N TA G E : G O R A
PLUS
Sie finden alle Beiträge
unserer Reihe „Arbeitswelten“ unter:
www.suedkurier.de/plus
der Woche muss man einen
Tag in die Berufsschule, später
sind es dann zwei Tage. Es handelt sich um eine duale Ausbildung, die drei Jahre dauert.
Wie läuft denn die Prüfung ab?
Nach der Hälfte der Ausbildung findet
eine Zwischenprüfung statt. Am Ende
der Ausbildung wird die Berufsabschlussprüfung abgelegt. Zuerst findet
die theoretische Prüfung in mehreren
Schulfächern statt. Einen Monat später
steht dann die hauswirtschaftliche Praxis auf dem Prüfungsplan. Nahrungszubereitung ist dabei immer ein fester
Bestandteil. Dann kommen noch das
Wäschebügeln oder das fachgerechte
Tisch decken dazu, oder auch Kombinationen aus mehreren gestalterischen
und kreativen Teilen. Dabei muss man
die zeitlichen Abläufe genau planen.
Organisationstalent, Selbstständigkeit
und die entsprechenden Fachkenntnisse sind da unabdingbar.
Welche Voraussetzungen sollte man für
diesen Beruf mitbringen?
Ohne Hauptschulabschluss oder einer
höheren Schulbildung geht natürlich
nichts. Ich denke, man sollte auch gute
Sprachkenntnisse haben. Ein freundliches Wesen und Spaß am Umgang mit
Menschen sollten auch vorhanden
sein. Und natürlich ein gewisses Maß
an Teamfähigkeit. Denn man arbeitet,
außer im privaten Haushalt, immer im
Team und ist mindestens zu zweit unterwegs. Wer keinen Spaß an der praktischen Arbeit hat, der sollte sich lieber
einen anderen Beruf aussuchen. Ein gepflegtes Erscheinungsbild und natürlich Sauberkeit dürften selbstverständlich sein. Und man braucht einen Sinn
für Hygiene. Schon zu Beginn der Ausbildung benötigt man übrigens eine
Erstbelehrung Infektionsschutzgesetz.
Während Ihrer Ausbildung arbeiten Sie
im Kloster. Was kommt danach?
Meine Ausbildungsstelle im Kloster im
Bad Saulgauer Ortsteil Sießen habe ich
im Internet gefunden. Und ich habe es
noch nie bereut. Eigentlich kann ich mir
derzeit gar nichts anderes vorstellen.
Hier ist es super. Wenn ich fertig bin,
dann muss ich mir vorerst keinen Job
suchen. Ich darf noch ein Jahr bleiben
mit einem befristeten Vertrag. Das Kloster sieht es als Vorteil an, dass man Angestellte beschäftigt, die den Betrieb
kennen. Und was dann ist, das wird
man sehen.
Wollen Sie sich weiterbilden?
Auf jeden Fall. Ich möchte gerne die
Meisterprüfung machen. Das ist in Vollzeit oder berufsbegleitend möglich.
Vermutlich wähle
ich letztere Option.
Dann kann ich nebenher
etwas Geld verdienen. Man
muss aber auch zugeben, dass
eine Hauswirtschafterin nicht so gut
bezahlt ist. So 1800 Euro brutto sind
drin. Als Fremdsprachenkorrespondentin hätte ich da natürlich deutlich
mehr. Aber in meinem jetzigen Job fühle ich mich einfach wohl. Auch als Meisterin der Hauswirtschaft sind die Verdienstmöglichkeiten nicht so überragend. Aber wenn man es in eine Leitungsposition schafft, dann ist das Gehalt nicht schlecht.
Sie arbeiten im Kloster. Ist das nicht
ungewöhnlich?
Überhaupt nicht. Ich bin sehr oft im
Speisesaal bei den Gästen. Wenn Exerzitien sind, dann schweigen die
Schwestern während der Mahlzeiten.
Darüber werde ich aber vorher aufgeklärt. Aber es kommen auch Schulklassen zu Besuch. Dann werde ich manchmal gefragt, ob ich auch Schwester werde. Das ist sehr lustig.
Was machen Sie genau im Kloster?
Ich arbeite in allen Bereichen mit. Also
in der Küche Lebensmittel vorbereiten,
Speisen zubereiten, im Speisesaal Tische eindecken, Speisen- und Geschirrtransport, Speisen servieren, da ist viel
zu tun. In der Wäscherei muss die Wäsche sortiert werden, man muss waschen, trocknen und bügeln. In der
Gärtnerei wird Salat gesät und geerntet,
in der Küche wird dieser zubereitet, im
Speisesaal serviert – es hängt alles zusammen und das ist es, was den Reiz
ausmacht. Im Gästehaus werden Zimmer gereinigt und für die Gäste liebevoll
mit Getränk, Betthupferle und Blumendeko vorbereitet. Wir können alle Bereiche im Betrieb abdecken. Das ist auch
etwas Besonderes. Ich habe einen AchtStunden-Tag, aber mit unterschiedlichen Arbeitszeiten. In der Bäckerei be-
ginnt man bereits um 7 Uhr, in der Wäscherei um 8 Uhr. Im Speisesaal gibt es
auch Spätdienste, die erst um 19 Uhr
enden. Man muss da schon flexibel
sein.
Bleibt noch Zeit für Hobbys?
Na klar. Diese Zeit muss man sich wirklich nehmen, denn manchmal ist der
Job schon anstrengend. Ich reite gerne
und singe in meinem Pop-Chor und ich
schaue auch mal gerne TV. Einen
Freund habe ich auch. Der ist von Beruf
Koch. Vielleicht können wir ja irgendwann auch mal beruflich etwas zusammen machen. Die Kombination passt.
Können Sie den Beruf Hauswirtschafterin weiterempfehlen?
Auf jeden Fall. Ich bin der Ansicht, dass
der Beruf auch Spaß machen muss.
Dann fühlt man sich ausgefüllt und zufrieden. Der Verdienst ist nicht alles.
Wem so etwas liegt, der sollte das machen. Hauswirtschaft hört sich vielleicht altbacken an. Aber der Beruf ist so
vielfältig: Menschen versorgen und unterstützen, Feste und Feiern ausrichten,
Dekorationen im Jahreskreis anfertigen, da ist auch unheimlich viel Kreativität gefragt.
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