Visite am 12.04.2016
a
Unsere Themen:
Abgetrennte Hand replantiert
Chronische Schmerzen im Alter behandeln
Moderne Therapien gegen Prostatavergrößerung
Herzkatheter: überflüssige Nachkontrollen
Fisch: Lachsrote Farbzusätze sind schädlich
Dr. Wimmer: Was verbirgt sich hinter dem Begriff „palliativ“?
Operation Leben: Magenverkleinerung
Abgetrennte Hand replantiert
Die meisten traumatischen Amputationsverletzungen betreffen die Hände. So wie bei dem
20-jährigen angehenden Industriemechaniker Daniel B. aus Bremen. Bei der Arbeit an einer
Schneidemaschine amputierte er sich die linke Hand knapp unterhalb der Fingerknöchel. Der
junge Mann hat Glück im Unglück: Im Krankenhaus Bremen-Mitte ist es dem Team um
Professor Can Cedidi in einer achtstündigen Operation gelungen die Hand wieder zu
replantieren. Nur der kleine Finger der linken Hand konnte nicht gerettet werden. Er musste
nach der Replantation doch endgültig amputiert werden, weil er nicht ausreichend
durchblutet war. Noch ist nicht sicher, wie gut der junge Mann seine Hand in Zukunft
einsetzten können wird. Nach einer so schweren Verletzung muss mit deutlichen
Einschränkungen gerechnet werden. Der Operateur ist allerdings zuversichtlich, dass mit
einem entsprechenden Training Bewegungen für den Alltag wieder möglich sein werden.
Damit eine erfolgreiche Replantation überhaupt möglich ist, gilt es im Falle von
Amputationsverletzungen einige wichtige Maßnahmen zu beachten. Voraussetzung für eine
erfolgreiche Operation sind eine möglichst geringe Schädigung des abgetrennten Körperteils
(Amputat) sowie eine kurze Zeitspanne zwischen Unfall und Replantation. Daher sollte bei
jeder Amputationsverletzung unverzüglich der Rettungsdienst informiert werden. Bis zum
Eintreffen des Fachpersonals sollte die Verletzung mit sterilen Wundkompressen abgedeckt
werden. Bei starken Blutungen sollte ein Druckverband angelegt werden. Das Amputat sollte
möglichst keimfrei verpackt werden. Auf keinen Fall darf es gereinigt oder abgewaschen
werden. Wenn möglich, sollte es in einen wasserdichten Beutel verpackt und mit diesem in
einen weiteren Behälter mit kaltem Wasser aufbewahrt werden. Auf keinen Fall sollte das
Amputat direkten Kontakt mit Eis haben, da es sonst Schaden nimmt.
Interviewpartner im Beitrag:
Prof. Dr. Can Cedidi
Chefarzt der Klinik für Plastische , Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
Klinikum Bremen-Mitte
Gesundheit Nord, Klinikverbund Bremen
St.-Jürgen-Straße 1, 28205 Bremen
Tel. (0421) 497 55 45, Fax. (0421) 497 33 22
E-Mail: [email protected]
Moderne Therapien gegen Prostatavergrößerung
Wenn Mann nachts häufig zur Toilette muss, das Wasserlassen schmerzt oder nur kleine
Urinportionen ausgeschieden werden, liegt das meist an der Prostata. Etwa jeder zweite
Mann über 50 leidet an einer gutartigen Vergrößerung der Vorsteherdrüse. Sie umschließt
die Harnröhre zwischen Blase und Schließmuskel. Die Ursache der gutartigen Vergrößerung
der Prostata ist bisher nicht abschließend geklärt. Sicher ist, dass hormonelle
Veränderungen sowie genetische Faktoren eine Rolle bei der Entstehung spielen. Die
benigne Prostatahyperplasie (BPH) ist die häufigste urologische Erkrankung des Mannes.
Zur Diagnostik gehören zunächst die urodynamische Untersuchung (Messung des
Harndrucks) und die Ultraschalluntersuchung der Blase und der Prostata. Zunächst sollten
die Beschwerden medikamentös behandelt werden. Bei leichten Beschwerden helfen
pflanzliche Produkte: Präparate aus Kürbiskernen, Brennnesselwurz oder
Visite am 12.04.2016
a
Sägepalmenfrüchten sind ohne Rezept erhältlich. Sie haben sich als hilfreich erwiesen bei
Beschwerden wie vermehrtem Harndrang oder nachlassendem Harnstrahl. Auch
Blasentraining ist eine sinnvolle Maßnahme bei vermehrtem Harndrang mit kleineren
Urinmengen: Dabei versucht der Mann den Drang auszuhalten und erst später zur Toilette
zu gehen. Beckenbodentraining hat bei einer gutartigen Prostatavergrößerung keine
Wirkung, ist aber trotzdem sinnvoll, um einer Inkontinenz vorzubeugen. Der Urologe sollte
die Prostata per Ultraschall untersuchen, denn verbleibt aufgrund einer leicht vergrößerten
Prostata regelmäßig etwas Urin in der Blase, können Prostata- und Harnwegsinfekte
entstehen. Im schlimmsten Fall führt das zu einem Harnstau. Eine Prostata-Entzündung wird
mit Antibiotika bekämpft. α-Blocker entspannen die Muskulatur in der leicht vergrößerten
Prostata und Harnröhre, damit das Wasserlassen leichter fällt. Sie haben allerdings keinen
Einfluss auf das Größenwachstum der Prostata. Gegen eine stark vergrößerte Prostata
helfen 5-α-Reduktase-Hemmer, durch die die Prostata nicht weiter wächst. Ihre Wirkung
beruht auf einer Hemmung des Sexualhormons Testosteron.
Bleibt eine Besserung der Beschwerden unter der medikamentösen Therapie aus, kann eine
operative Therapie notwendig sein. Das Standardverfahren ist noch immer die Ausschälung
der Prostata (Bipolare Turp): Mit einem durch die Harnröhre eingeführten Endoskop wird
überschüssiges Gewebe mit einer Schlingenelektrode abgetragen und dabei die Wundfläche
gleich verschorft. Es gibt kein anderes operatives Verfahren, dessen langfristiger Erfolg so
gut belegt ist. Wie bei jeder OP, kann es aber dabei auch zu Komplikationen kommen:
Blutungen während und nach der Operation sowie das Auftreten einer dauerhaften
Harninkontinenz können auftreten. In 60 bis 90 Prozent aller Fälle treten
Ejakulationsstörungen auf. Die Fähigkeit zur Erektion bleibt aber in der Regel erhalten. Der
Eingriff eignet sich nicht für Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko - zum Beispiel bei
Einnahme von Marcumar. Anstelle des elektrischen Vorgehens kann das Prostatagewebe
auch mithilfe von Laserstrahlen entfernt werden. Während herkömmliche Laser (zum
Beispiel Greenlight-Laser) das überschüssige Gewebe einfach komplett verdampfen und nur
für gering vergrößerte Drüsen geeignet ist, schneiden es Lichtskalpelle heraus. Die TuliumLaserenukleation eignet sich besonders für Patienten mit hohem Blutungsrisiko. Der Eingriff
erfolgt durch die Harnröhre, Blutungen verschweißt der Laser sofort. Ein spezielles
Instrument zerkleinert das abgetragene Gewebe in der Blase, von dort wird es dann
herausgespült. Sowohl die Blutungs- als auch die Inkontinenzrate ist dabei deutlich geringer
als beim Ausschälen. Ein weiterer Vorteil dieser Laserbehandlung ist, dass das abgetragene
Gewebe im Anschluss feingeweblich untersucht werden kann, um zum Beispiel eine
Prostatakrebserkrankung auszuschließen. Urolift-Implantate sind ein weiteres, schonendes
Verfahren. Dabei wird die Prostata gerafft. Dazu werden durch die Harnröhre spezielle Anker
in die Prostata eingebracht. Sie raffen das Prostatagewebe und erweitern dadurch den
Durchmesser der Harnröhre. Der Harnfluss erhöht sich danach durchschnittlich um ein
Drittel. Die Patienten geben eine Verbesserung der Symptome und eine Steigerung der
Lebensqualität an. Im Rahmen von Studien konnten nur leichte Komplikationen wie
Schmerzen beim Wasserlassen oder Blut im Urin beobachtet werden. Das Verfahren eignet
sich insbesondere für junge Pateinten, die ihre Zeugungsfähigkeit erhalten wollen. Die
Prostata darf dabei nicht mehr als 60 Gramm wiegen. Die Vergrößerung darf also noch nicht
weit vorangeschritten sein. Da bei diesem Verfahren die Ursachen der Beschwerden nicht
beseitigt werden, schreitet das Wachstum der Prostata fort. Die Verankerungen könnten
dadurch möglicherweise im Verlauf ausreißen und eine weitere Therapie erforderlich sein.
Daher müssen Langzeitstudien zeigen, ob sich die anfänglich guten Behandlungsergebnisse
auch über einen längeren Zeitraum nachweisen lassen. Die Behandlung erfolgt momentan
noch an wenigen Kliniken in Deutschland im Rahmen klinischer Studien. Die Kosten von
etwa 1.500 Euro werden daher nicht von den Krankenkassen übernommen. Um eine
Prostatavergrößerung und auch bösartige Veränderungen frühzeitig erkennen zu können,
sollten sich Männer mit Prostataleiden in der Familie frühzeitig, sonst ab dem 45. Lebensjahr
einmal jährlich untersuchen lassen. Spätestens wenn Männer mehrmals nachts auf die
Visite am 12.04.2016
a
Toilette müssen, sollten sie den Arzt aufsuchen, denn je früher ein Prostataleiden behandelt
wird, desto geringer sind die Risiken.
Interviewpartner im Studio:
Priv.-Doz. Dr. Thomas Herrmann
Stellvertretender Klinikdirektor und Leitender Oberarzt der Sektion Minimalinvasive Chirurgie,
Leiter Endourologie und Laparoskopie
Klinik für Urologie und Urologische Onkologie
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neubert-Straße 1, 30625 Hannover
Tel: (0511) 532 58 47
E-Mail: [email protected]
Interviewpartner im Beitrag:
Priv.-Doz. Dr. Martin Schönthaler
Oberarzt der Klinik für Urologie, Minimalinvasive Techniken und Steintherapie
Universitätsklinikum Freiburg, Department Chirurgie
Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg
Tel. (0761) 27 02 89 30
E-Mail: [email protected]
Internet: www.uniklinik-freiburg.de
Chronische Schmerzen im Alter behandeln
Schmerzen sind eine individuelle Erfahrung. Sie werden von Mensch zu Mensch und von
Situation zu Situation ganz unterschiedlich empfunden. Wissenschaftlich belegt ist, dass
unzureichend behandelte akute Schmerzen einer der wichtigsten Risikofaktoren für die
Entwicklung chronischer Schmerzen sind. Chronische Schmerzen haben die ursprüngliche
Funktion des Schmerzes, Warnsignal vor körperlicher Gefährdung zu sein, verloren. Sie sind
stattdessen zu einer eigenen Krankheit geworden. Anhaltende Schmerzen machen die
Nervenzellen, das Rückenmark und auch das Gehirn empfindlicher für Schmerzreize. Die
Folge ist, dass bereits leichte Reize als Schmerz empfunden werden. Es entsteht ein sich
selbst verstärkender Mechanismus - eine Schmerzspirale. Im Verlauf der Erkrankung bildet
sich ein Schmerzgedächtnis aus, das, während die eigentliche Schmerzursache schon nicht
mehr vorhanden ist, bestehen bleibt. In Deutschland leben mehr als zehn Millionen
Menschen mit chronischen Schmerzen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für
schmerzhafte Erkrankungen. Im Vordergrund stehen dabei Schmerzen durch Erkrankungen
des Bewegungs- und Stützapparates wie Arthrose, Osteoporose und rheumatische
Erkrankungen, aber auch Nervenschmerzen infolge von Stoffwechselerkrankungen oder
Krebsleiden. Ältere Menschen klagen in der Regel weniger über Schmerzen als junge. Die
weit verbreitete Vorstellung, dass Schmerzen im Alter normal sind, führt dazu, dass sie
selten angemessen behandelt werden. Altersbedingte Hirnveränderungen beeinflussen die
Schmerzwahrnehmung: So ist die Schmerzschwelle im Alter erhöht, die Schmerztoleranz
dagegen vermindert. Die Folge sind Bewegungsmangel und Schonhaltungen, die zu
schmerzverstärkenden, einseitigen Belastungen und Fehlhaltungen führen. Dabei ist es
gerade im Alter wichtig, Beweglichkeit und Mobilität möglichst lange zu erhalten, um ein
unabhängiges Leben zu ermöglichen. Denn Inaktivität und insbesondere Bettruhe führen
innerhalb kürzester Zeit zu einem Abbau von Muskelgewebe und damit zu Verstärkung der
Beschwerden oder gar zur Pflegebedürftigkeit. Im Mittelpunkt der Behandlung von
chronischen Schmerzen steht daher - unabhängig vom Alter - ein multimodaler
Therapieansatz. Er verbindet den Einsatz von klassischen Schmerzmitteln, medizinische
Trainingstherapien (Physiotherapie), psychologische Verfahren und soziale Unterstützung.
Zentrales Behandlungsziel ist die Erhöhung der Lebensqualität. Besonders wichtig ist hierbei
das körperliche Training. Es sollte an die individuelle Leistungsfähigkeit des Einzelnen
angepasst sein. Dabei gilt es neben der Beweglichkeit auch Kraft und Ausdauer sowie
Visite am 12.04.2016
a
Koordination und Gleichgewicht zu trainieren. Psychologische Verfahren, wie zum Beispiel
Entspannungsverfahren und Hilfen zur Bewältigung des Schmerzes, unterstützen die
Therapie. Der medikamentösen Therapie kommt zur Unterstützung des körperlichen
Trainings eine entscheidende Bedeutung zu. Allerdings müssen die Schmerzmedikamente
sorgfältig mit anderen erforderlichen Medikamenten abgestimmt werden. Denn mit
zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit einer mehrfachen Medikation. Außerdem
verändert sich der Stoffwechsel im Alter. Dies erhöht das Risiko von unerwünschten
Nebenwirkungen. Hierbei gilt es, sich schrittweise an die notwendige Dosierung
heranzutasten, um unerwünschte Wirkungen wie Benommenheit und
Gleichgewichtsstörungen zu vermeiden. Freiverkäufliche Schmerzmedikamente sollten
deshalb nicht über längere Zeit ohne Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Die
unkontrollierte Einnahme von entzündungshemmenden und schmerzlindernden
Medikamenten, sogenannte nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), kann unerwünschte
Wirkungen wie Magenbluten, Leber- und Nierenschädigung verursachen.
Interviewpartner im Studio:
Priv.-Doz. Dr. Albert Lukas
Chefarzt Zentrum für Altersmedizin
Malteser Krankenhaus Seliger Gerhard Bonn/Rhein-Sieg
Von-Hompesch-Straße 1, 53123 Bonn
Interviewpartner im Beitrag:
Prof. Dr. Matthias Karst, Facharzt für Anästhesiologie, spezielle Schmerztherapie,
Psychotherapie, Akkupunktur
Leiter der Schmerzambulanz
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover
Tel. (0511) 532 31 08, Fax. (0511) 532 31 09
E-Mail: [email protected]
Dr. Rolf Stegemann, Facharzt für Allgemeinmedizin
Hausärztliche Gemeinschaftspraxis in Luthe
Hauptstraße 43, 31515 Wunstorf-Luthe
Tel. (05031) 90 90 30
Internet: www.hausarzt-luthe.de
Dr. Christian Sturm, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
Klinik für Rehabilitationsmedizin
Medizinische Hochschule Hannover
Tel. (0511) 532 41 15
Internet: www.mh-hannover.de/rehabilitation
Ratgeber:
Prof. Dr. Matthias Karst: Das Schmerz-Buch. Neue Wege wagen. 144S.; (Schlütersche
2014); €19,99
Weitere Informationen:
Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.
Internet: www.dgss.org
Herzkatheter: überflüssige Nachkontrollen
Obwohl die Sterblichkeit bei einem akuten Herzinfarkt und der koronaren Herzkrankheit in
den letzten zwei Jahrzehnten stark gesunken ist, sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch
Visite am 12.04.2016
a
immer die häufigste Todesursache in Deutschland. Experten sehen den positiven Trend der
Sterblichkeitsraten insbesondere im Zusammenhang mit Fortschritten in der
Herzkatheterdiagnostik und -therapie. Dabei spielt auch die flächendeckende Verfügbarkeit
von Herzkatheterlaboren eine besondere Rolle. Denn neben Verbesserungen der
Rettungssysteme führt die flächendeckende Verfügbarkeit zu erheblichen Verkürzung der
Zeit vom Notfall bis hin zu endgültigen Versorgung im Krankenhaus. Und die ist bei einem
Herzinfarkt entscheidend. Im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung (Koronarangiografie)
werden die Herzkranzgefäße mithilfe von Kontrastmittel und Röntgenaufnahmen dargestellt.
So lassen sich Engstellen oder gar Verschlüsse erkennen und schließlich behandeln. Der
Arzt führt dazu einen etwa zwei Millimeter dicken Draht über ein arterielles Blutgefäß in der
Leiste oder am Handgelenk bis zum Herzen vor. Zeigen sich Engstellen oder Verschlüsse in
den Herzkranzgefäßen, können diese mithilfe eines aufblasbaren Ballons aufgedehnt, mit
einem Stent stabilisiert und offen gehalten werden. Der Nutzen und die Risiken von
Herzkatheteruntersuchungen sind immer wieder Anlass von Diskussionen. In Deutschland
werden diese im Schnitt dreimal häufiger durchgeführt als in anderen Ländern. Im Jahr 2013
waren es hierzulande über 885.000 - in 342.000 der Fälle wurde dabei auch ein Stent
implantiert. Kritische Stimmen sagen, es werde zu viel kathetert. Vor allem finanzielle
Anreize seien für die große Zahl an Herzkatheteruntersuchungen verantwortlich. Die
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie weist dagegen darauf hin, dass in einem hohen Maße
leitliniengerecht vorgegangen wird. Nur bei weniger als sieben Prozent aller
Katheteruntersuchungen im Jahr 2014 wurden die Empfehlungen der Fachgesellschaften
nicht berücksichtigt. Medizinische Leitlinien legen Behandlungsvorschläge für die
Versorgung und Behandlung verschiedener Erkrankungen fest. Sie basieren auf dem
aktuellen Stand der Wissenschaft und Forschung und werden in regelmäßigen Abständen
überprüft und aktualisiert. Dabei sind die Leitlinien keine verbindlichen
Behandlungsstrategien, sondern müssen immer an den Einzelfall angepasst werden.
Natürlich ist eine Herzkatheteruntersuchung nicht risikolos. Neben der Strahlenbelastung
durch die Röntgenaufnahmen können lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, Blutungen
oder ein Schlaganfall den Patienten gefährden. Allerdings sind sich die Experten einig:
Stimmt die Indikation, gibt es also einen triftigen Grund für die Durchführung einer
Herzkatheteruntersuchung, ist ihr Nutzen in der Regel größer als ihr Risiko. Stimmt die
Indikation dagegen nicht, ist das Risiko der Untersuchung zu groß. KontrollHerzkatheteruntersuchungen bei Patienten ohne Beschwerden oder weitere Hinweise auf
Durchblutungsstörungen des Herzens sind nicht sinnvoll. Und selbst bei bekannten
Verengungen von Herzkranzgefäßen, die keine Beschwerden verursachen, ist eine
routinemäßige Kontrolluntersuchung nicht notwendig. Empfehlenswert sind dagegen
regelmäßige funktionelle Kontrolluntersuchungen, die ein Belastungs-EKG (Ergometrie), eine
Ultraschalluntersuchung vom Herzen (Echokardiografie) oder eine Myokardszintigrafie
umfassen. In Zukunft werden zudem nichtinvasive Verfahren wie die Computertomografie
und die Magnetresonanztomografie eine verstärkte Rolle in der Diagnostik und Kontrolle von
Herzkranzgefäßerkrankungen spielen.
Interviewpartner im Beitrag:
Prof. Dr. Thomas Meinertz, Internist, Kardiologe, Pharmakologe
Fachbereich Kardiologie
Klinikum Stephansplatz
Stephansplatz 3, 20354 Hamburg
Tel. (040) 320 88 31-0
Fax (040) 320 88 31-30
E-Mail [email protected]
Internet: www.klinikum-stephansplatz.de/kardiologie
Visite am 12.04.2016
a
Prof. Dr. Johannes Dahm, Facharzt für Kardiologie und Angiologie, Sportmedizin
Herz- & Gefäßzentrum Neu-Bethlehem
Humboldtallee 6, 37073 Göttingen
Tel. (0551) 48 87 00, Fax (0551) 446 82
E-Mail: [email protected]
Internet: www.hgz-goettingen.de
Prof. Dr. Friedrich-Christian Rieß
Direktor des Albertinen Herzzentrum Hamburg
Chefarzt Herzchirurgie
Süntelstraße 11a, 22457 Hamburg
Tel. (040) 55 88 24 42, Fax (040) 55 88 24 21
E-Mail: [email protected]
Internet: www.albertinen-herzzentrum.de
Fisch: Lachsrote Farbzusätze sind schädlich
Der Räucher-Lachs auf dem Fischbrötchen ist nicht immer echter Lachs. Manchmal ist es
Lachsersatz: rosafarbener Alaska-Seelachs. Den gibt es eigentlich gar nicht. Der Name ist
eine Erfindung der deutschen Lebensmittelindustrie für den Pazifischen Pollack. Pollack ist
im Gegensatz zum Lachs ein Weißfisch. Er gehört zur Familie der dorschartigen Fische und
ist eng mit dem Kabeljau verwandt. Er lebt in den kalten Gewässern des Nordpazifiks. Als
Seelachs lässt er sich allerdings deutlich besser verkaufen. Im Vergleich zum echten Lachs
hat Alaska-Seelachs zwar weniger Kalorien, dafür aber auch deutlich weniger gesunde
Omega-3-Fettsäuren. Aufgrund seines geringen Fettanteils eignet sich der Alaska-Seelachs
eigentlich auch nicht zum Räuchern. Damit er dennoch geräuchert werden kann, muss ihm
zum einen Fett in Form von Öl zugegeben werden und zum anderen muss er lange in Salz
eingelegt werden. Ein Teil davon wird zwar bei der weiteren Verarbeitung wieder entfernt, es
bleibt aber immer noch ein nicht unerheblicher Rest im Endprodukt zurück. Damit er seinem
Namen gerecht wird und auch so aussieht wie echter Lachs, wird er industriell eingefärbt.
Und zwar mit dem Farbstoff Cochenillenrot. Dieser zählt zu den sogenannten Azofarbstoffen
und ist gesundheitlich nicht unbedenklich. Azofarbstoffe sind chemische Farbstoffe auf der
Basis von Erdöl. Sie stehen im Verdacht Allergien und bei Kindern das AufmerksamkeitDefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) auszulösen. In Tierversuchen zeigte sich in hohen
Dosen eine erbgutschädigende Wirkung. Die zugelassenen Höchstmengen für Azofarbstoffe
sind in den letzten Jahren immer weiter reduziert worden. Trotzdem finden sich die Farben
nicht nur in Lachsersatz, sondern zum Beispiel auch in bunten Süßigkeiten, Marmeladen
oder spanischen Wurstspezialitäten wie Chorizo. Lebensmittel, die bestimmte Azofarbstoffe
enthalten, müssen mittlerweile der Warnhinweis "kann sich nachteilig auf die Aktivität und
Konzentration von Kindern auswirken" tragen. Da die Farbstoffe keine weitere Funktion
haben - außer Lebensmittel einzufärben - könnten sie relativ einfach durch andere Farbstoffe
ersetzt werden, die dann allerdings nicht so kräftig sind.
Interviewpartner im Beitrag:
Armin Valet, Lebensmittelexperte
Verbraucherzentrale Hamburg e.V.
Kirchenallee 22, 20099 Hamburg
Tel. (040) 24 83 20, Mo-Fr 10-16 Uhr, Fax (040) 24 83 22 90
E-Mail: [email protected]
Internet: www.vzhh.de
Prof. Dr. rer. physiol. Edmund Maser
Direktor des Instituts für Toxikologie und Pharmakologie
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Brunswiker Straße 10, 24105 Kiel
Visite am 12.04.2016
a
Christian Niemeyer, Diplom-Biologe
Leiter Deutsches Zusatzstoffmuseum
Großmarkt, 20097 Hamburg
Tel. (040) 32 02 77 57, Fax (040) 32 02 77 58
E-Mail: [email protected]
Internet: www.zusatzstoffmuseum.de/
Dr. Wimmer: Was verbirgt sich hinter dem Begriff „palliativ“?
Palliativ ist ein Begriff aus der Medizin, der bei den meisten Menschen negativ besetzt ist.
Für viele klingt er nach Tod, Aussichtslosigkeit und Hilflosigkeit. Doch das ist ein
weitverbreiteter Irrtum: In der Palliativmedizin geht es um viel mehr als um eine reine
Sterbebegleitung. Die Palliativmedizin soll viel mehr vor Schmerzen bewahren und zu einer
Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Das Wort „palliativ“ kommt aus dem
Lateinischen palliare und bedeutet „Mit einem Mantel bedecken“. Im Mittelpunkt der
Palliativmedizin steht die Schmerzlinderung, Seelsorge und Physiotherapie. Menschen, die
die Diagnose einer unheilbaren chronischen Erkrankung bekommen haben – deren Tod aber
noch in weiter Ferne steht – werden ebenfalls palliativ behandelt. Palliativ bedeutet also
vielmehr eine Symptombehandlung als eine Ursachenbehandlung. Das Gegenteil von
palliativ ist kurativ. Denn eine kurative Behandlung ist eine therapeutische Maßnahme, bei
der es um die Heilung einer Erkrankung geht.
Drehort im Beitrag:
HAW Hamburg
Fakultät Design, Medien und Information
Finkenau 35, 22081 Hamburg
Tel. (040) 428 75 76 09
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen:
Was Sie über gängige Krankheiten wissen müssen
Dr. Johannes Wimmer gibt Auskunft:
Internet: www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Dr-Johannes-erklaert-Krankheiten-imVideoglossar.doktorjohannes100.html
Operation Leben: Magenverkleinerung
Michi B. bekommt sein massives Übergewicht einfach nicht in den Griff. Inzwischen ist er
schwer zuckerkrank und seine Nierenwerte werden auch immer schlechter. Der letzte
Ausweg ist eine Magenverkleinerung. Professor Thomas Carus vom Asklepios Westklinikum
Hamburg wird Michi B. operieren. Er hofft, dass er nicht nur sein Gewicht, sondern auch
seinen hohen Blutdruck und den Zucker in den Griff bekommt. Thomas Carus und sein
Team arbeiten endoskopisch. Das heißt, mit nur kleinen Schnitten im Bauch führen sie die
Kamera und andere Instrumente in den Bauch ein und operieren. Unter der dicken
Fettschicht müssen sie zuerst den Magen finden. Damit die Ärzte besser sehen können, ist
der Bauch von Michi B. mit Luft gefüllt. Zuerst trennt Thomas Carus den riesigen Magen von
Fett und umliegenden Gewebe. Nun kommt die Herausforderung, den oberen Teil des
Magens abzutrennen. Hier liegt auch die Milz, die sehr leicht blutet. Es ist der gefährlichste
Teil der Operation, es geht um Millimeter. Blutungen im Bauchraum wollen die Ärzte auf
jeden Fall vermeiden. Nach einer halben Stunde ist der Magen freigelegt. Dann beginnt der
Chirurg ihn zu durchzuschneiden. Dafür hat er eine besondere Schere. Sie näht gleichzeitig
auf beiden Seiten und schneidet dann in der Mitte durch. So kann nichts vom Mageninhalt in
den Bauch gelangen. Am Ende hat Thomas Carus eine 30 Zentimeter langen Schnitt
gemacht und so einen großen Magenteil abgetrennt. Dann zieht er das Stück vorsichtig aus
dem Bauch heraus. Anschließend wird er mit Wasser gefüllt, um festzustellen, wie viel
Visite am 12.04.2016
a
Volumen er tatsächlich hat. 1,8 Liter fasst der entfernte Magen. Nach gut einer Stunde OP
werden die vier kleinen Löcher im Bauch zugenäht. In den Magen von Michi B. passen nur
noch 200 Milliliter - ein Zehntel im Vergleich zu vorher. Zehn Tage später: Michi B. hat zehn
Kilo abgenommen. Auch Blutdruck- und Diabetes-Werte sind verbessert. Pro Mahlzeit soll er
nur noch 150 Milliliter zu sich nehmen. Um Mangelerscheinungen vorzubeugen, muss Michi
B. Eiweiß, Mineralien und Vitamine zu sich nehmen. Auch in den kommenden Wochen
nimmt er kontinuierlich ab und hat nach 20 Jahre zum ersten Mal wieder ein
Sättigungsgefühl.
Interviewpartner im Beitrag:
Prof. Dr. Dr. habil. Thomas Carus
Chefarzt der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie
Chefarzt Adipositaszentrum
Asklepios Westklinikum Hamburg
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (040) 81 91 24 00
E-Mail: [email protected]
Dipl. oec. troph. Sandra Loddo, zertifizierte Ernährungsberaterin VDOE
Asklepios Westklinikum Hamburg
Suurheid 20, 22559 Hamburg
Tel. (040) 81 91 24 00
Ratgeber:
Dr. Laura Dalhaus: Handbuch Adipositas: Übergewicht verstehen und handeln: Konservative
und Chirurgische Therapiemöglichkeiten. 92 S.; tredition (2013); €14,99
Claudia Paul: Ernährung vor und nach bariatrischen Operationen: Ein Ratgeber für
Betroffene Mit umfangreichem Rezeptteil. 160 S.; Pabst Science Publishers (2014); €20,00
Hinweis: Die Redaktion erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit der angegebenen
Adressen und Buchhinweise.
Impressum:
NDR Fernsehen
Redaktion Medizin
Hugh-Greene-Weg 1
22529 Hamburg
Tel. (040) 415 60
Fax (040) 41 56 74 59
Internet: www.ndr.de/visite