ROHSTOFFE – BAUSTOFFE . CHEMIE – PAPIER – ZUCKER . HANDWERK 7. Jahrgang . 3/4 März/April 2016 Zeitschrift für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie Kirchbergs kreative Klebebande Lagerung von Gasen Nanomaterialien in der Gefährdungsbeurteilung Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden BG RCI.magazin 3/4 2016 EDITORIAL Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Viele sprechen von einer neuen industriellen Revolution und haben auch schon einen Begriff dafür: Industrie 4.0. Er erstreckt sich nicht nur auf die Arbeitswelt, sondern auch auf den gesamten Privatbereich. Im Grünbuch „Arbeiten 4.0“ des Bundesarbeitsministeriums und dem Kommentar der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung hierzu kommt dies klar zum Ausdruck. Die Zahl 4.0 bezeichnet eine neue Entwicklungsphase der Arbeit. Nach Wasser- und Dampfkraft, der elektrischen Energie und der Computer-Technologie treiben heute so- genannte Cyber-Physical-Systems (CPS) die Entwicklung voran. Manches davon hat bereits Einzug gehalten in unser Leben: Kleinste Sensoren und Aktoren sammeln Daten über 2 „Physikalisches“, also Dinge. Sie werden als „Big Data“ über das Internet kybernetisch miteinander verbunden und durch intelligente Software systematisch verwaltet. Deshalb spricht man auch vom Internet der Dinge. Auch Menschen und soziale Prozesse sind Teil dieser Systeme. Unsere Fitnessarmbänder sammeln Daten, unsere Smartphones, Autos oder unsere Kochtöpfe. Und in der Arbeitswelt besitzen Arbeitsmittel, Kleidung, Prozesse oder auch die Räume, in denen wir uns bewegen, diese Fähigkeit. Damit erfasst diese Entwicklung nicht zuletzt auch die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. So werden wir etwa die Zuverlässigkeit von Arbeitsmitteln viel genauer erfassen können. Sie werden frühzeitig rückmelden, ob sie Schwachstellen aufweisen. Die Gefährdungsbeurteilung wird in dieser Hinsicht einfacher. Wir werden in der Lage sein, Gefahrenbereiche so abzusichern, dass Menschen ohne persönliche Schutzausrüstung diese nicht mehr betreten können. Es wird intelligente PSA geben, die auf eine Person einstellbar ist, Vitalparameter misst und Bewegungen unterstützen kann, wenn etwa die menschliche Kraft nachlässt. Im Bereich Gesundheit werden wir psychische Belastungen frühzeitig ermitteln können. Es wird neue Beteiligungsund Kontrollmöglichkeiten geben, ebenso neue Formen des Lernens, Informierens und Unterweisens. Prävention 4.0 bietet zweifellos große Chancen. Sicherheit und Gesundheit müssen aber zu einem wichtigen Bestandteil auch der neuen Arbeitsprozesse werden. Die BG RCI will das vorantreiben. Zugleich sollten wir eine kritische Distanz zu den Entwicklungen bewahren. Wir brauchen Kriterien, die uns helfen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Davon hängt ab, ob sich der Mensch von den Technologien beherrschen lässt oder sie so einsetzt, dass sie nachhaltig wirtschaftlich genutzt werden und zugleich die Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten fördern können. Prävention 4.0 ist eine spannende und lohnende Herausforderung. Wir nehmen sie an. Ihr Ulrich Meesmann Mitglied der Geschäftsführung 3/4 2016 BG RCI.magazin INHALT Blickpunkt Editorial 2 Ergonomische Handwerkzeuge reduzieren Belastungen und Gefährdungen 4 Deutscher Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016 5 Printmedien für die Prävention Neuerscheinungen und Überarbeitungen6 Ab durch die Luft? Bei der Lagerung von Gasen sind verschiedene Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen8 Beiträge aus dem „Schlema VIII“ – Gefahrstoff symposium 2015 Nanomaterialien in der Gefährdungsbeurteilung – Wohin geht die Reise? 12 Menschen für Maschinen – Maschinen für Menschen Forum protecT 2016 in Magdeburg15 Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie Jetzt auch online 16 Hoffmann Mineral und Sonax Erfolgreiches Gütesiegel-Reaudit Nationale Präventionskonferenz Corporate Health Award 2015 RAG-Gesundheitsmanagement ausgezeichnet Vor 70 Jahren Grimberg III/IV K+S Kali GmbH, Werk Werra Grubenwehr: Sicherheitspartnerschaft auch mit Besucherbergwerken Landesverbände Südwest und Mitte der DGUV Tag der Arbeitssicherheit 24 BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“ BASF Business Services ausgezeichnet 24 Euticals GmbH, Höchst 7.000 Tage ohne meldepflichtigen Unfall 25 BG RCI-Präventionszentrum Gera/Berlin Sicherheitsfachkräftetagung 2016/2017 25 Kirchbergs kreative Klebebande tesafilm verbindet – seit 80 Jahren26 Hauterkrankung in einer Fahrzeugsattlerei 28 Die BG RCI auf der Heimtextil und der Domotex 2016 30 Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden31 Berichte und Informationen „Das musste ja so kommen“ Wann und warum die Berufsgenossenschaft Regressansprüche geltend macht32 Aus der Praxis MIBRAG Gütesiegel zum 5. Mal in Folge Paris, 1. bis 3. Juni 2016 Symposium: Chemikalien mit besonderen Gefahren22 Aus der Rechtsprechung 34 BG RCI-Röntgenmobil im Sondereinsatz 35 17 „Denk an mich. Dein Rücken“ 170.000 Betriebe zu rückengerechter Arbeit beraten 36 17 Wie erholsam ist der Feierabend? 37 Gold und Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“ 37 18 19 Sicherer Start in die Motorrad-Saison 38 Verkehrssicherheit: Unfallbilanz 2015 39 Gefährliche Ablenkung 39 Gehirnerschütterungen immer ernst nehmen 40 20 Impressum40 21 Titelbild: „tesafilm“ ganz nah: Hugo Kirchberg schuf die unverwechselbare Marke (S. 26). Foto: tesa SE 3 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT Ergonomische Handwerkzeuge reduzieren Belastungen und Gefährdungen Überarbeitetes BG RCI-Merkblatt bietet neue Informationen Manuelle Arbeiten führen zu Beanspruchungen des Bewegungsapparates an Händen und Armen, woraus sich Beschwerden oder sogar Erkrankungen entwickeln können. Körpergerecht gestaltete, ergonomisch optimierte Handwerkzeuge können diese Beanspruchungen reduzieren und damit krankheitsbedingten Ausfällen vorbeugen. Ergonomische Handwerkzeuge Die ergonomische Gestaltung von Handwerkzeugen leistet einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Belastungen und Gefährdungen. Der Begriff Ergonomie setzt sich aus den beiden altgriechischen Wörtern „Ergon“ (Arbeit) und „Nomos“ (Gesetz, Gesetzmäßigkeit) zusammen. Im Sinne des Arbeitsschutzes ist Ergonomie die Wissenschaft von der Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und seine Eigenschaften. bessert die Körperhaltung und optimiert die Kraftübertragung. Wesentliche ergonomische Gestaltungsmerkmale sind die • sind leichter zu handhaben • und bequemer zu halten, 4/2015 • mindern den Kraftaufwand, • verringern das Verletzungsrisiko •und steigern die Zufriedenheit der Beschäftigten und somit auch die Produktivität. Sichere Technik Eine noch heute oft zitierte Definition stammt von dem Polen Wojciech Jastrzebowski aus dem Jahr 1857. Für ihn ist Ergonomie ein wissenschaftlicher Ansatz, „mit dem wir aus dem Leben die besten Früchte bei der geringsten Anstrengung mit der höchsten Befriedigung für das eigene und für das allgemeine Wohl ziehen können“. Die Verwendung von ergonomisch konstruiertem Handwerkzeug führt zu einem effizienteren Einsatz der Muskulatur, ver- 4 Formgebung und die Oberflächenbeschaffenheit von Griffen sowie deren Winkelstellung zur Werkzeug-Wirkungsachse. Solche Werkzeuge T 041 Häufig wiederkehrende Belastungen oder auch einzelne Überbelastungen bergen Risiken, die als arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren einzuordnen sind. Diese können sich äußern in Form von: ▸ Ergonomische Handwerkzeuge Sichere Technik 4/2015 Das neu überarbeitete Merkblatt T 041 „Ergonomische Handwerkzeuge“ sowie weitere Präventionsmedien zur Ergonomie können Mitgliedsbetriebe unter medienshop.bgrci.de kostenfrei abrufen. 3/4 2016 BG RCI.magazin Deutscher JugendArbeitsschutz-Preis 2016 Abb.: Jedermann-Verlag Bewerbungsschluss: 31. Juni Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen Jahr 3.475 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das sind 98 Todesopfer mehr als im Vorjahr. 393.700 Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, ein Anstieg um 1,1 Prozent. Frische und kreative Ideen zur Verbesserung der Arbeitssicherheit und des betrieblichen Gesundheitsschutzes sind gefragt beim Deutschen Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016. Teilnehmen können branchenunabhängig alle jungen Leute bis 24 Jahre. Für die drei bestplatzierten Vorschläge vergibt eine Fachjury ein Preisgeld in Höhe von insgesamt 6.000 Euro. Anmeldung unter www. jugend-arbeitsschutz-preis.de. Karpaltunnelsyndrom: Medinausnerv und Beugesehnen unterhalb des Karpalbandes. Hypothenar-Hammer-Syndrom: Reduzierte Durchblutung durch Verletzung der Gefäßinnenwand. • Schwielen, Blasen, • Prellungen, Zerrungen, •Gefühl- bzw. Kraftlosigkeit bei Überbeanspruchung von Sehnen oder Nerven •und mehr oder weniger starken Schmerzen; •b ei repetitiven und/oder wiederholt kraftvollen Tätigkeiten mit Handwerkzeugen kann unter Umständen auch ein Karpaltunnelsyndrom entstehen. kömmlichen und ergonomisch gestalteten Werkzeugen. Das Merkblat t T 041 „Ergonomische Handwerkzeuge“ geht in der jetzt vorliegenden überarbeiteten Fassung verstärkt auf medizinische Aspekte ein. Dabei werden sowohl arbeitsbedingte als auch belastungsunabhängige Erkrankungen des Hand-Arm-Systems vorgestellt. So bietet es beispielsweise Informationen zur neuen Berufskrankheit Karpaltunnelsyndrom (BK 2113), aber auch zum Hypothenar-HammerSyndrom (BK 2114). Das Merkblatt gibt außerdem wichtige Hinweise für den Einsatz und Umgang mit Handwerkzeugen und enthält einen kompakten Gefährdungskatalog. Interessant ist auch eine Gegenüberstellung von her- Hinweise für den betrieblichen Arbeitsschutz Bereits bei der Anschaffung neuer Handwerkzeuge sollte großer Wert auf deren ergonomische Gestaltung gelegt werden. So lassen sich Beschwerden vermeiden, wie sie bei der Verwendung ergonomisch ungünstiger Werkzeuge auftreten können. Der Preis wird zum 7. Mal vergeben. Er wird von der Fachvereinigung Arbeitssicherheit e.V. während der diesjährigen Messe Arbeitsschutz Aktuell in der Zeit vom 11. bis 13. Oktober in Hamburg verliehen. Die Patenschaft für 2016 hat die mehrfache Paralympics-Gewinnerin Kirsten Bruhn übernommen. „Ob im Leistungssport oder am klassischen Arbeitsplatz –Sicherheit und Gesundheit spielen immer eine Rolle“, sagt die frühere Leistungsschwimmerin, die seit einem Unfall 1991 im Rollstuhl sitzt. Es gebe noch viele Möglichkeiten, die zur Verbesserung und damit zur Sicherheit bei der Arbeit beitragen könnten, sagt Bruhn. Sie wird am 11. Oktober in Hamburg sein und die Preisträger auszeichnen. nul Paralympics-Gewinnerin Kirsten Bruhn wird am 11. Oktober in Hamburg die besten Beiträge zum Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016 auszeichnen. Foto: fasi Auch wenn der Preis in vielen Fällen etwas höher liegen dürfte, können damit krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert und Kosten gesenkt werden. Außerdem macht die Arbeit einfach mehr Spaß. Die positiven Effekte ergonomischer Handwerkzeuge können jedoch nur dann eintreten, wenn die Beschäftigten sie auch nutzen. In der ersten Zeit nach der Anschaffung empfiehlt es sich daher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell zu informieren. Regelmäßige Unterweisungen und Trainings verbessern nachhaltig die Akzeptanz für die Nutzung neuer Werkzeuge. Burkhard Rehn, BG RCI, Mainz 5 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT Printmedien für die Prävention Neuerscheinungen und Überarbeitungen Seit Veröffentlichung der letzten Übersicht in der Ausgabe November/Dezember 2014 des BG RCI.magazins sind zahlreiche Printmedien für die Prävention neu erschienen, wurden überarbeitet und aktualisiert oder in den Medienshop der BG RCI neu aufgenommen. Um einfacher entscheiden zu können, welche der Medien für Ihren Betrieb von Interesse sind, können Sie unter medienshop.bgrci.de zu vielen Schriften Kurzzu- sammenfassungen („Abstracts“) aufrufen. Sie geben einen Überblick über die Zielgruppen, die Gründe für die Neuerscheinung, die wichtigsten Änderungen und neuen Inhalte. Mitgliedsunternehmen der BG RCI können unter medienshop.bgrci.de nahezu alle der nachstehend aufgeführten Schriften in einer der Betriebsgröße angemessenen Stückzahl kostenlos beziehen. Nichtmitgliedsbetriebe zahlen einen Kostenbeitrag. Agnes Höchstötter, BG RCI, Heidelber g Nr. Titel Stand A 001 Schriften und Medien für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie – Aufgaben, Organisation und Leistungen Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie – Versicherungsschutz, Rehabilitation und Leistungen Gefährdungsbeurteilung – Sieben Schritte zum Ziel (bisher BGI 570) Gefährdungsbeurteilung – Gefährdungskatalog (bisher BGI 571) Auf Nummer sicher gehen – Stolpern, Rutschen und Stürzen vermeiden (bisher BGI 643) Sicheres Verhalten – Psychologie im Arbeits- und Gesundheitsschutz Parasiten – Einstufung biologischer Arbeitsstoffe. Besondere Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit Parasiten (DGUV Information 213-089, bisher BGI 632) Prokaryonten (Bacteria und Archaea) – Einstufung biologischer Arbeitsstoffe (DGUV Information 213-090, bisher BGI 633) 10/2015 Ü A 007-1 A 007-3 A 016 A 017 A 021 A 025-2 B 005 B 006 M 034-1 M 039 M 059-1 R 001 R 002 R 004 R 008 T 002 T 009 T 041 T 053 T 059 T 060 SP 001 Kleinbroschüre 10 Kleinbroschüre 11 Kleinbroschüre 12 Kleinbroschüre 13 6 Liste der nichtmetallischen Materialien zu Merkblatt M 034 „Sauerstoff“ List of nonmetallic materials supporting document to code of practice M 034e „Oxygen“ (DGUV Information 213-075, bisher BGI 617-1) Fruchtschädigende Stoffe – Informationen für Mitarbeiterinnen und betriebliche Führungskräfte (bisher BGI 537) Kleinbroschüre: Asbesthaltige Bodenbeläge – Was ist zu tun? Exotherme chemische Reaktionen – Grundlagen (DGUV Information 213-063, bisher BGI 541) Maßnahmen der Prozesssicherheit in verfahrenstechnischen Anlagen (DGUV Information 213-064, bisher BGI 542) Thermische Sicherheit chemischer Prozesse (DGUV Information 213-067, bisher BGI 828) Polyreaktionen und polymerisationsfähige Systeme (DGUV Information 213-097) Schlauchleitungen – Sicherer Einsatz (DGUV Information 213-053, bisher BGI 572) Sicheres Betreiben von Spritzgießmaschinen (bisher BGI 749) Ergonomische Handwerkzeuge (bisher BGI 620) Entzündbare Flüssigkeiten – Antworten auf häufig gestellte Fragen (bisher BGI/GUV-I 8615) Abbrennen von Feuerwerken (DGUV Information 213-049) Messungen an Bespannungen laufender Papiermaschinen (DGUV Information 213-014, bisher BGI 783) Ausbildungsnachweis für Sprengberechtigte Gefahrstoffinformationssystem Chemikalien Gefahrstoffinformationssystem Chemikalien GHS-Gemischrechner in GisChem Automatische Datenübernahme aus Sicherheitsdatenblättern in GisChem 09/2015 Ü 09/2015 Ü 08/2015 Ü 08/2015 Ü 01/2016 Ü 11/2015 Ü 09/2014 Ü 07/2015 Ü 02/2015 Ü 08/2015 Ü 01/2016 N 07/2014 Ü 12/2015 Ü 12/2015 Ü 05/2015 N 09/2014 Ü 09/2015 Ü 04/2015 Ü 04/2015 Ü 11/2014 N 11/2015 N 08/2015 N 10/2015 N 10/2015 N 04/2015 N 09/2015 N 3/4 2016 BG RCI.magazin BERICHTE UND INFORMATIONEN BLICKPUNKT 1Kostenloser Download des Inhalts unter www.exinfo.de. 2Eine elektronische Vorlage für ein Formular zum Unterweisungsnachweis steht unter downloadcenter.bgrci.de als Anhang des Merkblattes A 026 zur Verfügung. 3Erhältlich ist jetzt die DGUV Information 208-031 „Einsatz von Arbeitsbühnen an Flurförderzeugen mit Hubmast“ (bisher BGI/GUV-I 5183). 4Erhältlich ist jetzt die DGUV Information 208-004 „Gabelstapler“ (bisher BGI 545). Nr. Titel Stand Kleinbroschüre 16 DGUV Regel 113-001 GHS – kurz erklärt Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) mit Beispielsammlung (bisher BGR 104) Sprengarbeiten (bisher BGR/GUV-R 241) The secret‘s in the mix: Young and old at work together – Tips for industry and the service and public sectors (bisher BGI/GUV-I 7009-E) Gabelstapler (bisher BGI 545) Gebrauch von Hebebändern und Rundschlingen aus Chemiefasern (bisher BGI 873) Vermessung und Berechnung von Bohrlochsprengungen (bisher BGI 700) Allgemeiner Teil: Von den Unfallversicherungsträgern anerkannte Analyseverfahren zur Fest stellung der Konzentrationen krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungs gefährdender Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen (bisher BGI 505-0) Verfahren zur Bestimmung von Arsen und seinen Verbindungen (bisher BGI 505-3) Verfahren zur Bestimmung von Hydrazin (bisher BGI 505-20) Allgemeiner Teil: Übersicht über die Analysenverfahren der DGUV Information 213-5xx-Reihe Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung – Verarbeitung thermoplastischer Kunststoffe in Spritzgießmaschinen Sicheres Arbeiten in Laboratorien – Grundlagen und Handlungshilfen (bisher BGI/GUV-I 850-0) 10/2015 N 03/20151 Ü DGUV Information 206-005 DGUV Information 208-004 DGUV Information 209-061 DGUV Information 213-006 DGUV Information 213-500 DGUV Information 213-503 DGUV Information 213-520 DGUV Information 213-599 DGUV Information 213-728 DGUV Information 213-850 DGUV Information 213-853 DGUV Information 213-854 DGUV Information 250-010 DGUV Information 250-101 DGUV Grundsatz 309-001 EM 003 EM 004 Betriebssicherheits verordnung Ordner Ordner SKG 001 SKG 009 SKG 010 SKG 013 SKG 014 SKG 015 SKG 016 SKG 021 SKG 029 A 011 B 005e B 006-1 B 006e T 013 T 016 Nanomaterialien im Labor – Hilfestellung für den Umgang Nanomaterials in the Laboratory – Tips and Handling Information Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis Leitfaden für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zur Beratung des Unternehmens bei der Gefährdungsbeurteilung Prüfung von Kranen (bisher BGG/GUV-G 905) Gefahrstoffe 2016 – Taschenhandbuch mit aktuellen Arbeitsplatzgrenzwerten Ihre gesetzliche Unfall-Versicherung – Informationen in leichter Sprache Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV) – Textausgabe mit einer Einführung in die Neufassung sowie der amtlichen Begründung unter Berücksichtigung der Änderungen durch den Bundesrat Praxishilfe – Gerüstet für den Notfall Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie Instandhaltungsarbeiten. Feuerarbeiten – Arbeiten mit Brandgefährdung Erste Hilfe Instandhaltung – Elektroarbeiten bis 1000 V Denk an mich – Dein Rücken! Informationen für Büroarbeitsplätze Betriebsarten von Maschinen Reinigen von Maschinen Tätigkeiten mit Organischen Peroxiden Leitern und Tritte Sicher unterwegs – mit dem Auto. Wegeunfälle und Unfälle auf Dienstfahrten vermeiden Nachweise über durchgeführte Unterweisungen Classification of Biological Agents: Parasites. Special Protective Measures for Activities Involving Parasites (bisher BGI 632e) Prokaryontes (Bacteria und Archaea) – Einstufung biologischer Arbeitsstoffe – Ergänzungsliste (DGUV Information 213-091, bisher BGI 633-1) Prokaryontes (Bacteria and Archaea) – Classification of Biological Agents (bisher BGI 633e) Arbeitsbühne für Gabelstapler Umgang mit Gabelstaplern 03/2012 akt. Fsg: 11/2015 01/2010 09/2012 05/2013 11/2015 Ü 12/2015 Ü 07/2014 Ü 12/2014 Ü 12/2015 N 06/2015 N 10/2011 Nachdr. m. red. Änd.: 03/2015 03/2015 N 03/2015 N 08/2015 Ü 10/2015 N 08/2012 10/2015 06/2015 2015 08/2015 N 08/2014 Ü 11/2014 Ü 05/2015 Ü 01/2015 Ü 11/2015 N 06/2015 N 02/2016 Ü 08/2015 N 09/2015 Ü 09/2015 N zurückgezogen2 zurückgezogen Ü= überarbeitete Schrift, N = neue Schrift DGUV Regel 113-016 zurückgezogen zurückgezogen zurückgezogen3 zurückgezogen4 7 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT 2 Ab durch die Luft? Bei der Lagerung von Gasen sind verschiedene Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen „Gas ist ein nicht-coagulierbarer Spiritus, wie er aus dem gärenden Wein entweicht.“ Der flämische Forscher Johan Baptist van Helmont verwendete 1644 erstmals die Bezeichnung „Gas“ für flüchtige Stoffe – unter Anlehnung an das altholländische Wort „ghoast“ für Geist. Bei der Lagerung von Gasen sollte es heutzutage allerdings weniger gespenstisch zugehen. Gase werden in zahlreichen Bereichen der Industrie eingesetzt und oft unter Druck hergestellt, gelagert, transportiert und verwendet. Dabei ergeben sich verschiedene Gefährdungsfaktoren. Um diese richtig zu beurteilen und für eine sichere Lagerung die passenden Maßnahmen des Arbeits- und Umweltschutzes festzulegen, ist eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Mechanische Gefährdung Der erhöhte Druck von Gasen im Innern von Druckgasflaschen entspricht einer Energie vergleichbar der einer gespannten Feder. Bei einem Versagen der Umschließung kann diese Energie freiwerden. So kann beispielsweise eine Druckgasflasche beim Abriss eines Ventils, angetrieben durch das unter hohem Druck stehende Gas, raketengleich durch die Gegend fliegen. Die hierbei auftretende Wucht kann ausreichen, um Betonwände zu durchschlagen. Die Ventile der Druckgasbehälter sind daher mit einer Schutzkappe, einem Schutzkorb oder einem Schutzkragen abzusichern. Eine besondere Sicherung gegen Um- oder Herabfallen ist nur dann nicht erforderlich, wenn beispielsweise durch die Bauart der Druckgasbehälter oder die Aufstellung in größeren Gruppen ein ausreichender Schutz erreicht wird. 8 Beim Erwärmen von Druckgasflaschen steigt der Druck im Innern weiter an. Wird der Auslegungsdruck überschritten, können Druckbehälter bersten und zu zerstörerischen Geschossen werden, die einige hundert Meter weit fliegen. Um Druckgasflaschen vor gefährlicher Erwärmung zu schützen, ist zu heißen Oberflächen (beispielsweise Heizkörpern) mindestens ein Abstand von einem halben Meter einzuhalten. Dies gilt auch für leere oder teilentleerte Flaschen. Gesundheitsgefährdung Tiefkalte oder verflüssigte Gase können bei Hautkontakt Kälteverbrennungen oder Verletzungen verursachen. Beim Umgang sind die seitens des Betriebs festgelegten persönlichen Schutzausrüstungen zu tragen. Dass giftige Gase beim Austritt die Gesundheit und das Leben der Beschäftigten gefährden, ist einzusehen. Aber auch von inerten Gasen wie Stickstoff, Argon oder Kohlendioxid können Gefahren ausgehen, weil bei Undichtigkeit ein unkontrolliertes und selbst ein vergleichsweise langsames Ausströmen des Flascheninhalts den benötigten Sauerstoff aus einem Raum verdrängen und zur Erstickung führen kann. Daher ist darauf zu achten, dass bei Lagerung und Transport das Flaschenventil fest verschlos- sen ist, Verschlussmuttern aufgeschraubt und Schutzkappen angebracht sind. Bei Arbeiten in einem „gefluteten“ Raum ist ein umluftunabhängiges Atemschutzgerät erforderlich, weil eine Maske nur gegen Gefahrstoffe, nicht aber gegen Sauerstoffmangel schützt. Akut toxische Gase der Kategorien 1, 2 oder 3 (sehr giftige und giftige Gase) wie beispielsweise Chlor, Phosgen, Cyanwasserstoff (Blausäure), Phosphin, Arsin oder Methylisocyanat müssen unabhängig von der gelagerten Menge unter Verschluss oder so gelagert werden, dass nur fachkundige und zuverlässige Personen Zugang haben. Diese müssen vom Arbeitgeber bestimmt und unterwiesen werden. Wegen der besonders hohen Gefährdung sind bei der Gefährdungsbeurteilung insbesondere die Maßnahmen beim Freiwerden der Gase zu betrachten. Die Beschäftigten sind über diese Maßnahmen zu unterweisen, und sie sind mit externen Hilfskräften zu üben. Bei der Lagerung in Sicherheitsschränken müssen diese eine technische Lüftung mit einem 120-fachen Luftwechsel haben. Akut toxische Gase der Kategorie 1 oder 2 dürfen darüber hinaus ab einer Menge von 2,5 Liter nur in Räumen gelagert werden, die 3/4 2016 BG RCI.magazin Illustration: bgrci BLICKPUNKT 3 über eine Gaswarneinrichtung verfügen. Diese muss bei Überschreitung der zulässigen Arbeitsplatzgrenzwerte akustisch und optisch alarmieren. Die Lagerräume müssen schnell zu verlassen sein. Notwendige Sicherheitsmaßnahmen wie das Mitführen von Atemschutzgeräten sind in der Betriebsanweisung festzulegen. Atemschutzgeräte sind außerhalb der gefährdeten Bereiche für die Beschäftigten schnell erreichbar aufzubewahren. Zusätzlich zum Ventilschutz sind die Ventile mit einer Verschlussmutter zu versehen. können einen Brand entfachen und verstärken. Entzündbare Gase wie Wasserstoff oder Methan bilden mit Luft explosionsfähige Gemische. Gase wie Propan oder Butan, die schwerer als Luft sind, verhalten sich ähnlich wie Flüssigkeiten und können bei Undichtigkeiten in tiefer gelegene Bereiche fließen und sich dort ansammeln. So können in Kellern und Schächten explosionsfähige GasLuft-Gemische entstehen, die bereits durch die Betätigung eines Lichtschalters gezündet werden können. Entsprechend ist eine Zoneneinteilung der Umgebung vorzunehmen. Brand- und Explosionsgefährdung Oxidierende Gase wie Sauerstoff oder Chlor Bei der Lagerung oxidierender oder entzündbarer Gase in Sicherheitsschränken Abb. 1: Mengengestaffelte Anforderungen H-Satz ab 0 kg ab 2,5 Liter ab 200 kg H280, H281 Brandschutzmaßnahmen, ausreichende Lüftung. H330 Lagerung nur in Räumen mit Gaswarneinrichtung, beim Betreten müssen Atemschutzgeräte mitgeführt werden. Schutzbereiche um Druckgasbehälter berücksichtigen. H220, H221 Zugangsbeschränkung, Explosionsschutzmaßnahmen. Schutzbereiche um Druckgasbehälter berücksichtigen. Alarm- und Feuerwehrpläne, Auffangraum bei Flüssiggasen. Zugangsbeschränkung, Alarm- und Feuerwehrpläne. H270 H330, H331 Lagerung nur unter Verschluss müssen diese eine technische Lüftung mit einem 10-fachen Luftwechsel aufweisen. Aufgrund des hohen Luftwechsels ist eine Zusammenlagerung dieser Gase in einem Schrank gestattet, da nicht unterstellt werden muss, dass zwei Flaschen zur gleichen Zeit undicht werden. Dies setzt eine regelmäßige Dichtheitsprüfung voraus, z. B. durch schaumbildende Mittel. Bei einer Lagerung von mehr als 200 kg entzündbarer oder oxidierender Gase sind Brandschutzmaßnahmen wie Alarm- und Feuerwehrpläne erforderlich, bei Flüssiggasen darüber hinaus ausreichend große Auffangräume. Mengengestaffelte Anforderungen Bei einer Lagerung von weniger als 2,5 Liter ist kein besonderes Lager erforderlich, es sind allerdings die Grundpflichten der sicheren Lagerung einzuhalten (Abb. 1). Sofern irgend möglich, sollte die Lagerung von Druckgasflaschen in einem verschlossenen, witterungsgeschützten „Käfig“ im Freien erfolgen. Alternativ ist die Lagerung in einem Sicherheitsschrank möglich. Eine Lagerung unter Erdgleiche sollte – wenn möglich – vermieden werden (Abb. 2). Schutzbereiche einrichten Bei giftigen und bei entzündbaren Gasen sind um die Druckgasbehälter Schutzbereiche einzurichten, die •bei giftigen Gasen nicht in Flucht- und Rettungswege reichen dürfen und 9 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT •bei brennbaren Gasen als feuergefährdete Bereiche gelten und in denen Explosionsschutzmaßnahmen erforderlich sein können. Die Schutzbereiche sind erforderlich, wenn ein Freiwerden von Gasen infolge von Undichtigkeiten an Anschlüssen und Armaturen oder beim bestimmungsgemäßen Wechseln der Anschlussleitungen nicht ausgeschlossen werden kann. Die Abmessungen der Schutzbereiche betragen in Lagerräumen zwei Meter in jede Richtung. Bei Gasen, die schwerer als Luft sind, kann der Schutzbereich nach oben auf einen Meter verkürzt werden. Im Freien können die Abmessungen der Schutzbereiche halbiert werden. Bei Lagerräumen mit einer Grundfläche unter 20 Quadratmetern ist der gesamte Raum als Schutzbereich vorzusehen. Aufwändige Schutzmaßnahmen für die Lagerung in Räumen Bei der Lagerung von mehr als 2,5 Liter Gasen in Räumen müssen unter anderem folgende bauliche Anforderungen erfüllt sein (Abb. 3): •schwerentflammbare Fußbodenbeläge; bei der Lagerung von mehr als fünf Druckgasbehältern mit entzündbaren oder oxidierenden Gasen müssen die Bodenbeläge aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen; •angrenzende Räume getrennt durch feuerhemmende Bauteile mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten (F30); wenn dort Brand- oder Explosionsgefahr besteht: feuerbeständige Abtrennung (F90); •Außenwände mindestens feuerhemmend (F30), Dacheindeckung ausreichend widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme; 10 •ausreichende Be- und Entlüftung; bei der Anordnung der Lüftungsöffnungen muss die Dichte der Gase berücksichtigt werden. Ist eine ausreichende natürliche Lüftung nicht sicherzustellen, ist eine technische Lüftung vorzusehen; •keine Gruben, Kanäle oder Abflüsse zu Kanälen ohne Flüssigkeitsverschluss, keine Kellerzugänge oder sonstige offene Verbindungen zu Kellerräumen, keine Öffnungen in Wänden und Decken zu anderen Räumen, keine Reinigungs- oder andere Öffnungen von Schornsteinen. Diese Anforderung gilt auch bei der Lagerung von Schwer- und Flüssiggasen im Freien. In Arbeitsräumen dürfen Druckgasbehälter nur in geeigneten Sicherheitsschränken mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten gelagert werden. Ausgenommen sind betriebsbereite Acetylen- und Sauerstoffflaschen, die auf Schweißerwagen vorgehalten werden. Räume, in denen Druckgasflaschen aufgestellt sind, müssen mit dem Warnzeichen W019 „Warnung vor Gasflaschen“ gekennzeichnet sein. Lager im Freien Der geringste Aufwand besteht bei Lagern im Freien. Hier müssen lediglich benachbarte Anlagen und Einrichtungen, von denen eine Brandgefährdung ausgehen kann, einen Abstand von mindestens fünf Meter um die Druckgasbehälter einhalten. Der Abstand kann durch eine mindestens zwei Meter hohe und ausreichend breite Schutzwand aus nichtbrennbaren Baustoffen ersetzt werden. Die „Zusammenlagerungsampel“ Sofern keine anderen Eigenschaften vorrangig zu berücksichtigen sind, fallen Gase formal in die Lagerklasse (LGK) 2 A: Sollen Gase mit anderen Gefahrstoffen zusammengelagert werden, so ist ab einer Gesamtmenge von 400 kg (maximal 200 kg pro Lagerklasse) zu beachten, dass eine Zusammenlagerung von Gasen nur erlaubt ist mit •nicht brennbaren ätzenden Stoffen (LGK 8 B) sowie •nicht brennbaren Flüssigkeiten und Feststoffen der LGK 12 oder 13. Eine Zusammenlagerung von Gasen mit Aerosolen (LGK 2 B), brennbaren ätzenden Stoffen (LGK 8 A) sowie Stoffen der LGK 11 bzw. 10–13 ist in Räumen nur zulässig, wenn •maximal 50 gefüllte Druckgasbehälter gelagert werden (darunter nicht mehr als 25 gefüllte Druckgasbehälter mit entzündbaren, oxidierenden oder akut toxischen, mit H331 gekennzeichneten Gasen), •diese durch eine mindestens zwei Meter hohe Wand aus nichtbrennbaren Baustoffen abgetrennt sind und •zwischen der Wand und den brennbaren Stoffen ein Abstand von mindestens fünf Meter eingehalten wird. Für die Zusammenlagerung verschiedener Gase bestehen bei einem Lager im Freien keine Einschränkungen. In einem Lagerraum dürfen gemeinsam gelagert werden: •inerte Gase mit anderen Gasen in beliebiger Menge, •bis zu 150 Druckgasbehälter oder 15 Druckfässer entzündbare, oxidierende und akut toxische, mit H331 gekennzeichnete Gase, •bis zu 150 Druckgasbehälter oder 15 Druckfässer entzündbare und oxidierende Gase, dazu bis zu 15 Druckgasbehälter oder ein Druckfass akut toxische, mit H330 gekennzeichnete Gase. Zwischen Druckgasbehältern mit entzündbaren und oxidierenden Gasen muss ein Abstand von mindestens zwei Meter eingehalten werden. 3/4 2016 BG RCI.magazin BLICKPUNKT Abb. 4: Piktogramme Gefahrenklasse GHS- Piktogramm H-Satz Gase, unter Druck verdichtet, verflüssigt, tiefgekühlt verflüssigt, gelöst H280: Enthält Gas unter Druck; kann bei Erwärmung explodieren. Oder H281: Enthält tiefgekühltes Gas; kann Kälteverbrennungen oder Verletzungen verursachen. Oxidierende Gase Zusätzlich H270: Kann Brand verursachen oder verstärken; Oxidationsmittel. Entzündbare Gase, Kategorie 1 Transportzettel Kennzeichnung von Gasen Bei Gasen handelt es sich um Stoffe, die bei 50 Grad Celsius einen Dampfdruck von mindestens 300 kPa (3 bar) aufweisen oder bei 20 Grad und einem Standarddruck von 101,3 kPa vollständig gasförmig sind. Wasserstoff und das von Helmont erwähnte CO2 sind somit Gase. Beim Tanken von Benzin dagegen entweichen die verdampfenden Komponenten des Ottokraftstoffes, die man beim Tankvorgang deutlich riechen kann. Für diese gilt die Definition für Gase nicht, es handelt sich somit um Dämpfe, für die andere Regelungen gelten (Abb. 4). Bei entzündbaren und bei giftigen Gasen entfällt auf Druckgasflaschen die Kennzeichnung mit dem Piktogramm GHS04. Dr. Joachim Sommer, BG RCI, Heidelberg Zusätzlich H220: Extrem entzündbares Gas. Akute Toxizität, Kategorie 1 und 2 Zusätzlich H330: Lebensgefahr bei Einatmen. Akute Toxizität, Kategorie 3 Zusätzlich H331: Giftig bei Einatmen. Informations- und Unterweisungsmaterial Weitere Informationen zum Thema „Lagerung von Gasen“ finden sich in den BG RCI-Merkblättern M 062 „Lagerung von Gefahrstoffen“ und M 063 „Lagerung von Gefahrstoffen – Antworten auf häufig gestellte Fragen“ sowie unter gase.bgrci.de. Als Unterweisungshilfen können die Sicherheitskurzgespräche SKG 004 „Umgang mit Druckgasflaschen im Labor“ und SKG 006 „Umgang mit Druckgasflaschen in Betriebslägern“ verwendet werden. 11 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT Beiträge aus dem „Schlema VIII“ – Gefahrstoffsymposium 2015 Nanomaterialien in der Gefährdungsbeurteilung – Wohin geht die Reise? Von Dr. Thomas H. Brock Nanomaterialien (NM) sind die Zielmaterialien der Nanotechnologie – besser: der Nanotechnologien –, stellen sie doch einen ganzen Werkzeugkasten verschiedener Verfahren dar, die als Querschnittstechnologie(n) in viele Disziplinen, von der Chemie über die Medizin bis in die Ingenieurwissenschaften, hineinreichen. Selbst politische und philosophische Fragestellungen sind hier zu bearbeiten. Eine praktikable Unterteilung erfolgt nach ISO in freie Nanoobjekte und in gebundene Strukturen. Zu den Nanoobjekten zählen Filme und Plättchen, Röhrchen, Stäbe und Drähte sowie die Nanopartikel. Dabei haben die Filme und Plättchen eine Dimension – eine Dicke – zwischen ca. 1 nm und ca. 100 nm (Nanometern). Die Grenzen sind aus physikalischen und chemischen Gründen nicht scharf zu ziehen. Länge und Breite sind nur durch die Herstellungsverfahren begrenzt. Röhrchen, Stäbe und Drähte liegen mit zwei Dimensionen in diesem kleinen Bereich, können aber eine unbegrenzte Länge aufweisen. Partikel, also mehr oder weniger sphärische Körper, liegen dagegen mit allen drei Raumdimensionen im Nanobereich. Nanomaterialien Nanoobjekte Nano-strukturierte Materialien · Nanoplättchen · Nanokomposite · Nanostäbchen · z usammengesetzte · Nanopartikel Nanomaterialien · Materialien mit nanoskaliger Oberflächenstruktur stream usern“ und Endverbrauchern. Nano strukturen sind für die Funktionalität und Eigenschaften einer Vielzahl von Materialien und Produkten von Relevanz. Je nachdem, wie weit man den Begriff der Nanotechnologien fasst, sind sie für die Erwirtschaftung von bis zu einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts bestimmend. Dies wird verständlich, wenn man beispielsweise den Bereich der Informationstechnologien betrachtet, deren Arbeitsstrukturen oft im Nanobereich angesiedelt sind. Bereits umgesetzte oder realisierbare Anwendungen betreffen wichtige Bereiche aktueller Menschheitsfragen, beispielsweise in der Energiewirtschaft, der Medizin oder der Trinkwasserversorgung. Solche Anwendungen sind kaum verzichtbar, so dass es unvermeidlich erscheint, dass sich auch der Arbeitsschutz damit auseinanderzusetzen hat. Die Vielfalt der angesprochenen Strukturen ist enorm. Stärker als in der klassischen Molekülchemie, bei der die Struktur des Moleküls selbst im Vordergrund steht, sind hier Effekte infolge der Wechselwirkung und Organisation von Molekülen oder Atomen zu Nanomaterialien finden seit etlichen Jahren bestimmten Materialien von ebenso großer kontinuierlich Einzug bei Herstellern, „down- Bedeutung. Deshalb ist die Zahl herstell- 12 barer Nanomaterialien außerordentlich hoch. Wenn davon auch nur ein Bruchteil tatsächlich hergestellt und davon wiederum ein noch geringerer Teil auf medizinische oder technische Einsatzmöglichkeiten hin untersucht wird, so ist das Feld noch immer außerordentlich weit. Den Phänotyp „Nanomaterial“ oder „Nanopartikel“ kann es daher nicht geben. Erkenntnisse, die an einem Beispiel gewonnen werden, lassen sich nicht einfach auf alle anderen übertragen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass bei einem so komplexen Zusammenhang Aussagen über mögliche Risiken nicht leicht abzuleiten sind. Für die Gefährdungsbeurteilung bedeutet dies, dass hier Maßnahmen auf der Grundlage lückenhafter Daten getroffen werden müssen, und zwar so, dass keine unvertretbaren Risiken zu erwarten sind. Der Verwender ist damit oft überfordert und daher auf Hilfestellungen angewiesen. Mit der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen (BekGS) 527 des Bundesarbeitsministeriums kann nun das breite Feld in vernünftig anzunehmende Kategorien eingeteilt werden: 3/4 2016 BG RCI.magazin Foto: bgrci/Norbert Ulitzka BLICKPUNKT Kat. I:Lösliche NM ohne spezifische toxische Eigenschaften Kat. II: Lösliche NM mit spezifischen toxischen Eigenschaften Kat. III:Granuläre biopersistente Stäube ohne spezifische toxische Eigenschaften Kat. IV:Faserförmige NM Mit dieser Kategorisierung ist es möglich, systematisch an die Gefährdungsbeurteilung von Nanomaterialien heranzugehen. Dabei werden nicht nur Daten zu möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit benötigt, sondern auch solche zum Brand- und Explosionsschutz, zudem Informationen zum chemischen Verhalten, beispielsweise unerwarteten katalytischen Effekten. Eine weitere Größe ist für das Ergreifen von Maßnahmen von besonderer Bedeutung: das Staubungsverhalten. Chemisch sehr ähnliche Stoffe können, bezogen auf die Bildung von Staub, ein sehr unterschiedliches und schlecht vorherzusagendes Verhalten aufweisen. Entsprechende Bestimmungen können hier Klarheit bringen, beispielsweise im Fallrohr. Zu den Effekten auf die Gesundheit liegt inzwischen eine große Zahl von Veröffentlichungen vor, die jedoch kein einheitliches Bild ergeben. Das ist unter anderem durch die Komplexität der Fragestellungen begründet. Ein Verständnis der Wirkungsmechanismen im Detail ist bislang nicht gegeben. Die erste Systematisierung in der BekGS 527 ist aber wohl begründet und guten Gewissens durchführbar. Liegen ausreichend Daten vor, die im Sicherheitsdatenblatt dokumentiert sein sollten, kann auf dieser Basis eine klassische Gefährdungsbeurteilung unter Festlegung der jeweils wirksamen Maßnahmen vorgenommen werden. Dieses Vorgehen unterscheidet sich nicht grundlegend von dem für andere Stoffe. Ableitung von Maßnahmen Gute Datenlage NM-bezogene GB Angepasste Maßnahmen Datenlücken Entsprechend Gruppe I bis IV Maßnahmen nach Kategorie Neue NM Annahmen giftig, brennbar Forschungsstoffe Häufig werden jedoch Datenlücken bestehen. Hier ist das Nanomaterial nach den Kategorien der BekGS 527 einzuordnen. Diesen können wirksame Schutzmaßnahmen zugeordnet werden, beispielsweise durch Vergleich mit dem Vorgehen bei ähnlichen Gefährdungen. So wird man bei Nanomaterialien der Kategorie I meist keine besonderen Maßnahmen ergreifen müssen, bei sol- chen mit toxischen Eigenschaften dagegen ein Schutzniveau wählen, das auch andere toxische Stoffe erfordern. Dies könnte zum Beispiel der Einsatz einer nicht staubenden Verwendungsform oder einer gekapselten und abgesaugten Sackaufgabemaschine sein. Im Bereich der Forschung und Entwicklung handelt es sich oft um wenig untersuchte oder auch neue Stoffe, für die eine solche Einordnung nur teilweise oder gar nicht vorzunehmen ist. Ist beispielsweise bekannt, dass die Herstellung eines neuen Materials vermutlich faserförmige Nanoobjekte ergeben hat (dies wird durch die anschließende Charakterisierung bestätigt oder widerlegt), so ist sicher eine Einordnung in die Kategorie IV der BekGS 527 bis zu einer anders lautenden Erkenntnis anzuraten. Ebenso kann von einer ausreichend schnellen Löslichkeit nur ausgegangen werden, wenn dies theoretisch begründet ist oder nachgewiesen wird (Stäbchen aus einem leicht löslichen Salz beispielsweise sind aller Voraussicht nach auch leicht löslich, sofern nicht anderweitig verändert). Ansonsten handelt es sich um Fasern, die mit besonderer Vorsicht zu handhaben sind. Auch Kontaminationen des Arbeitsbereichs müssen vermieden werden, um nicht eine lang andauernde Gefährdung (und eine Beeinträchtigung experimenteller Arbei- Hintergrundbild: Graphenmolekül. Abb.: bgrci 13 BG RCI.magazin 3/4 2016 BLICKPUNKT ten und Messergebnisse) hervorzurufen. Für den Laborbetrieb liegen umfangreiche Publikationen und Hilfestellungen vor, die es seit vielen Jahren in bewährter Weise ermöglichen, sicher mit den verschiedensten – auch sehr kritischen – Stoffen zu arbeiten. Neben dem Grundwerk der „Laborrichtlinien“ („Sicheres Arbeiten in Laboratorien“, DGUV-I 213850 und 213851, auch unter www. laborrichtlinien.de und unter www.guidelinesforlaboratories.de) liegen besondere Hilfestellungen mit der „Handhabung von Nanomaterialien in Laboratorien“, DGUVI213-853 und 213854, vor. Beide sind in Deutsch und Englisch verfügbar. Ergänzt werden diese Publikationen durch ein interaktives Lernprogramm („Nanorama Labor“, ebenfalls in Deutsch und Englisch verfügbar unter nano.dguv.de/nanoramen), ein Gemeinschaftsprojekt von DGUV, der Schweizer Innovationsgesellschaft und der BG RCI, Labor Leuna des Referats Gefahrstoffe, Biostoffe und Analytik. Um ein dem Problem angemessenen Mess aufwand zu treiben, ist ein gestuftes Vorgehen zu empfehlen. Dazu ist eine Handlungsanleitung veröffentlicht worden. Sie erlaubt es, mit geringem Aufwand in die Ermittlung einzusteigen, und nur dann, wenn es angezeigt erscheint, die dann erforderliche kostenintensive Mess- und Analysentechnik einzusetzen. Auch genügen für den Einstieg Grundkenntnisse zur Ausführung der ersten Messungen mit einfachen Geräten. Mit steigendem Aufwand sind vertiefte Fachkenntnisse erforderlich. Vergleichende Messungen am Institut für Gefahrstoff-Forschung der BG RCI in Bochum zeigen, dass auch zunächst nur orientierende Messungen verwendbare Messwerte ergeben. Die Gefährdungsbeurteilung wird unterstützt durch Messungen am Arbeitsplatz. Da die volle Charakterisierung der Nanofraktion im Staub recht aufwendig ist, ist hierzu ein gestuftes Vorgehen entwickelt und allseits abgestimmt worden. Es beginnt mit der einfachen Ermittlung, ob überhaupt Bedarf an weitergehenden Untersuchungen besteht, und erstreckt sich je nach erkennbarer Größe des Problems auf aufwendigere Verfahren. Während der Einstieg auch von Nicht-Spezialisten schon mit begrenztem Der Werkzeugkasten der etablierten Schutzmaßnahmen ist nach den vorliegenden Erfahrungen auch für die Beherrschung von Gefährdungen durch Nanomaterialien ausreichend bestückt. Die Reise geht indes zu „intelligenteren“ Nanomaterialien, die aktiv mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung stehen. Dazu zählen beispielsweise Prozesse der Selbstorganisation. Auch die synthetische Biologie bedient sich Methoden der Nanotechnologie. Ob Überlegungen, dass sich entsprechend gestaltete Nanoeinheiten Schutzmaßnahmen im Labor. 14 Aufwand zu bewältigen ist, erfordern die komplexeren Verfahren nicht nur spezielle Erfahrungen, sondern auch teuere Messtechnik und ein entsprechend ausgestattetes Laboratorium. Foto: dguv auch selbstständig reproduzieren können, tatsächlich in die Realität führen, ist zweifelhaft, aber nicht auszuschließen. Der Arbeitsschutz muss dann auch auf solche Gefährdungen, die wiederum eine neue Qualität aufweisen, angemessen reagieren können. Angesichts der Maßnahmen, die auch im biologischen Arbeitsschutz bewährt sind, scheint dies möglich zu sein. Die Angst vor dem „grey goo“, der die Welt unter einer Schicht aus selbst reproduzierten Nanobots erstickt, ist sicher unbegründet. Für die Gefährdungsbeurteilung von Nanomaterialien und die Wirksamkeit der Maßnahmen gilt wie in vielen anderen Fällen auch, dass die besten Maßnahmen nichts oder zu wenig nützen, wenn sie nicht oder falsch angewandt werden. Der Erfolg steht und fällt mit einer geeigneten Kommunikation, die – auf den Adressaten zugeschnitten – die teilweise schwierigen Sachverhalte so vermittelt, dass sie nicht nur verstanden, sondern auch in ihren Konsequenzen umgesetzt werden. Als Unterstützung können hier die Nanoramen Bau, Kfz-Werkstatt und Labor dienen. Sie erlauben es, in einer virtualisierten Arbeitsumgebung verschiedene Arbeitsverfahren und die damit verbundenen Gefährdungen und Schutzmaßnahmen kennenzulernen (nano.dguv.de/ nanoramen). Dr. rer. nat. Thomas H. Brock BG RCI, Referat Gefahrstoffe, Biostoffe und Analytik, Heidelberg Ringversuch im NanoTestCenter des IGF-Technikums in Dortmund: Stationäre Nanopartikelmessgeräte in der Sedimentationskammer. Foto: bgrci/IGF 3/4 2016 BG RCI.magazin BLICKPUNKT Menschen für Maschinen – Maschinen für Menschen Forum protecT 2016 in Magdeburg / Ein Tagungsbericht „Menschen für Maschinen? Maschinen für Menschen!“ – so lautete das Motto der zweiten Ausgabe des Forum protecT vom Februar in Magdeburg. Etwa 300 Unternehmensvertreter waren der Einladung der BG RCI gefolgt. Wie schon Ende 2015 in Bad Wildungen ging es auch diesmal um die Zukunft sicherer, gesunder Arbeit in einer sich immer stärker vernetzenden Industriewelt. Vision Zero – Basis der Präventionsarbeit Wolfgang Pichl, stellv. BG RCI-Präventionsleiter, legte in seiner Einführung den Schwerpunkt auf die neue, auf zehn Jahre angelegte Präventionsstrategie des Unfallversicherungsträgers. Obwohl sie noch recht neu sei, hätten sich bereits viele Betriebe die Botschaften auf die Fahne geschrieben, denn, so unterstrich Pichl, Arbeitsschutz lohne sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Wer sich unter den Forumsteilnehmern von den „Visionen“ noch nicht hatte anstecken lassen, dem zeigte die Präsentation von Matthias Stenzel, ebenfalls BG RCI, wie Vision Zero im Betrieb umsetzbar ist – nämlich mit Hilfe eines praxisorientierten Leitfadens, der zusammen mit der Strategiebroschüre auf jedem Platz im Plenum bereitlag. Dass man schon mit einfachen, praktischen Maßnahmen seine eigene Gesundheit auch am Arbeitsplatz fördern kann, erlebte das Publikum – nach anfänglichem Zaudern – bei einigen Ausgleichsübungen, zu denen Helmut Nold, Gesundheitsexperte der Berufsgenossenschaft, die Teilnehmenden zwischendurch animierte. Theorie und Praxis Die Inhalte der Betriebssicherheitsverordnung legte Prof. Ralf Pieper von der Bergischen Universität Wuppertal dar, um an die Grundlagen der Arbeitssicherheit zu erinnern. Was Industrie 4.0 für den Arbeitsschutz bedeutet, umriss Dr. Michael Huelke vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, DGUV. Er und auch Wortmeldungen aus dem Plenum machten deutlich, wie sehr es bei der digitalen Vernetzung darauf ankommen wird, Sicherheit und Gesundheit von Anfang an zu integrieren. Das werde letztlich darüber bestimmen, wie „menschlich“ die Industrie von morgen sich darstellen werde, hieß es. Denn auch künftig seien die Mitarbeiter das wertvollste Kapital eines Unternehmens. Sicherheit heute und morgen Auf der praktischen Seite wurde auch das heikle Thema „Sicht“ bei Erdbaumaschinen angesprochen. Einhellige Meinung der Vortragenden und des Publikums: Die werksseitige Ausrüstung neuer Maschinen mit Rundumsicht-Systemen muss Pflicht werden. Wie Ergonomie und Produktionssteigerungen Hand in Hand gehen, zeigte außerdem Peter Hämmerle am Beispiel der Girsberger GmbH, einem Möbelbau-Unternehmen. Zum Abschluss nahm Zukunftsexpertin Corinna Mühlhausen von der Hamburger Agentur Trendcoach/Fritz Classen das Plenum mit in zukünftige Arbeitswelten. Mühlhausen beleuchtete zunächst den Wertewandel in Gesellschaft und Arbeitswelt und analysierte die Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschiedlichen Alters. Schließlich stellte sie Firmen vor, die in kommunikativer wie sozialer Hinsicht bereits eine neue, „menschliche“ Unternehmenskultur etabliert haben. Ihr Resümee: Autoritäre Strukturen sind passé, sie müssen ersetzt werden durch flache Hierarchien, aktive Mitarbeiterbeteiligung, flexiblere Arbeitszeitmodelle und entsprechende Produktionsprozesse. Workshops zu den Themen „Die menschlichen Sicherheitsressourcen besser nutzen“, „Ergonomie bei Montage und Wartung“ und „Menschen verändern Maschinen“ rundeten das Forums-Angebot ab. Markus Hofmann, Hildesheim Foto: bgrci/Markus Hofmann „Es war spannend zu sehen, was in anderen, teilweise auch ganz fremden Branchen los ist – und dass wir im Grunde alle vor denselben Aufgaben stehen“, lautete das Fazit eines Forumsteilnehmers aus der chemischen Industrie. Stärker als jemals zuvor sind Anlagen und Gerätschaften aktiv in ganzheitliche Arbeitssicherheitskonzepte einbezogen, die neben der Technik auch die Räumlichkeiten, Produktionsprozesse und Kommunikationsstrukturen umfassen. Eine Maschine muss sich in solche Konzepte einfügen. Sie ist nur dann die Investition wert, wenn sie den Menschen dabei unterstützt, sicher und gesundheitsschonend zu arbeiten, hieß es auf der Veranstaltung. Fast 300 Gäste aus allen Branchen der BG RCI nahmen am Forum in Magdeburg teil. 15 BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie Jetzt auch online Das „Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie“ beschreibt die Arbeitsverfahren, Maschinen und Anlagen in diesem Gewerbezweig. Es weist auf die wichtigsten Gefährdungen hin und nennt praxistaugliche Maßnahmen zu deren Vermeidung. Als Nachschlagewerk für Führungskräfte, Planer und weitere Interessierte aus dem Bereich der Baustoffindustrie hat es sich bereits bestens bewährt. Online-Version bietet Vorteile Um es für den mobilen Einsatz noch besser nutzbar zu machen, hat die BG RCI eine Online-Version des Handbuchs entwickelt. Sie bietet eine Reihe von Vorteilen: • kompakte Information, • übersichtliche Gliederung, •individuell zusammenstellbar als Unterweisungshilfe. •für Präsentationen mit dem Beamer nutzen oder •zur weiteren Verwendung auf Ihrem Computer, Tablet oder Smartphone speichern können. Darüber hinaus ist es auch möglich, bei der Auswahl mehrere Themen miteinander zu verknüpfen. Das Praxishandbuch online unterstützt Sie mit ganz neuen Möglichkeiten bei der Präventionsarbeit. Jedes Thema ist jetzt auf allen mobilen Endgeräten aufrufbar. Alle Informationen und Illustrationen zu Gefährdungen und Schutzmaßnahmen sind zudem so aufbereitet, dass Sie durch An- und Abwählen eine individuelle Unterweisungshilfe erstellen können – so, wie Sie es in Ihrem Betrieb gerade benötigen. Die Unterweisungshilfe wird als PDF ausgegeben, so dass Sie sie •entweder ausdrucken, 16 Das Praxishandbuch ist in sieben Kapitel gegliedert. Jedes Thema ist individuell nummeriert und online über eine Suchfunktion zu finden. Der Aufbau der Themen ist jeweils gleich und in die Abschnitte „Gefährdungen“, „Schutzmaßnahmen“ und „weiterführende Hinweise“ eingeteilt. Mit Hilfe des PDF-Konfigurators in der rechten Bildschirmspalte können, wie bereits angedeutet, aus jedem Thema individuelle Unterweisungshilfen erstellt oder mehrere Themen als eine Unterweisungshilfe miteinander verknüpft werden. Sie können dabei sowohl die Textinformationen als auch die Illustrationen nutzen. Dazu müssen Sie zunächst den PDF-Konfigurator aktivieren und ein Thema auswählen. Dann können Sie per Mausklick sämtliche Inhalte und Bilder auswählen. In einem Extrafenster sehen Sie, welche Elemente Sie gewählt haben. Wenn Ihre Auswahl abgeschlossen ist, können Sie ein PDF erstellen. Eine Kurzanleitung zum Konfigurator bietet Ihnen alle wesentlichen Funktionen auf einen Blick. Sie finden das neue Angebot auf der Internetseite der BG RCI unter http://praxishandbuch-baustoffe.bgrci.de oder mit dem abgebildeten QR-Code. Martin Böttcher, BG RCI, Langenhagen 3/4 2016 BG RCI.magazin AUS DER PRAXIS Hoffmann Mineral und Sonax Erfolgreiches Gütesiegel-Reaudit Hoffmann Mineral, Hersteller von Spezialprodukten aus Kieselerde, und Sonax, Produzent von Autopflegemitteln, sind nicht nur Marktführer in ihren Geschäftsbereichen. Sie haben auch zum dritten Mal in Folge das Verfahren zum BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“ erfolgreich absolviert. Mit dem Bewertungsprozess zur Erlangung des Siegels erhält ein Unternehmen die Chance, seine gesamte Arbeitsschutzorganisation zu optimieren. Dabei werden Schwachstellen erkannt und beseitigt, das Risiko von Unfällen und Betriebsstörungen wird deutlich reduziert und die betriebliche Effektivität verbessert. Beim jüngsten Reaudit erbrachten die beiden BG RCI-Mitgliedsunternehmen aus Neuburg an der Donau mit zusammen rund 500 Beschäftigten den Nachweis einer kontinu- Bereits zum dritten Mal ausgezeichnet mit dem BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“: Manfred Hoffmann, Geschäftsführer und Firmeninhaber von Hoffmann Mineral und Sonax (3.v.r.), mit Vertretern der beiden Unternehmen und der Berufsgenossenschaft. Foto: Hoffmann Mineral ierlichen Verbesserung ihres Arbeitsschutzmanagementsystems seit dem ersten Gütesiegelverfahren vor nunmehr sieben Jahren. Bei der Verleihung der Urkunden als Anerkennung für das erfolgreiche Reaudit dankte Ulrich Kretschmer vom BG RCI-Präventionszentrum Nürnberg den Firmenverantwortlichen für ihr Engagement im Arbeitsschutz. Er verband dies mit der Vorstellung der neuen BG RCI-Präventionsstrategie „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeiten!“. Hoffmann Mineral und Sonax hätten mit dem Aufbau ihres Arbeitsschutzmanagementsystems die besten Voraussetzungen geschaffen, auch die Ziele dieser Strategie zu erreichen, sagte Kretschmer. Manfred Hoffmann, Geschäftsführer und Firmeninhaber, und Dr. Christian Seeger von der Geschäftsleitung unterstrichen, in welch großem Umfang die grundlegenden Arbeits- und Gesundheitsschutzziele schon seit langem in den Firmenrichtlinien dokumentiert und mit Leben erfüllt seien. k/nul Nationale Präventionskonferenz verabschiedet Bundesrahmenempfehlungen Die mit dem Präventionsgesetz im Sommer 2015 eingeführte Nationale Präventionskonferenz (NPK) hat erstmals bundeseinheitliche trägerübergreifende Bundesrahmenempfehlungen zur Gesundheitsförderung in Lebenswelten und Betrieben verabschiedet. Damit hat das von gesetzlicher Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegeversicherung getragene Gremium die Voraussetzungen für den Start der nationalen Präventionsstrategie geschaffen und eine gesetzliche Kernaufgabe umgesetzt. Mit den Bundesrahmenempfehlungen werden als gemeinsame Ziele „gesund aufwachsen“, „gesund leben und arbeiten“ und „gesund im Alter“ definiert. Durch diese Orientierung am Lebenslauf sollen alle Menschen mit lebensweltbezogener Prävention erreicht werden – von Maßnahmen in Kindergärten und Schulen über Gesundheitsförderung in Betrieben und Präventionsarbeit in kommunalen Einrichtungen bis hin zu entsprechenden Aktivitäten in Pflegeeinrichtungen. Zielgruppen sind neben Familien, Kindern, Jugendlichen, Azubis, Studierenden, Berufstätigen, Arbeitslosen und Ehrenamtlichen auch Pflegebedürftige, die zu Hause oder in stationären Einrichtungen betreut werden, sowie die pflegenden Angehörigen. „Mit den Bundesrahmenempfehlungen liegt nun eine gute, erstmals trägerübergreifende Basis vor, die jetzt gemeinsam mit den Akteuren vor Ort mit Leben gefüllt werden muss, damit sie die gewünschte nachhaltige Wirkung erzielen kann“, so Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes und amtierender Vorsitzender der NPK. „Wichtig ist jetzt, die Strategien für den Versicherten im Rahmen von trägerübergreifenden Projekten erlebbar zu machen“, ergänzt Arnd Spahn, alternierender Vorstandsvorsitzender der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Im Herbst dieses Jahres werden die Inhalte der Bundesrahmenempfehlungen im Rahmen des ersten Präventionsforums mit einer breiten Fachöffentlichkeit diskutiert. „Die Bundesrahmenempfehlungen sind als lernendes System zu verstehen. Bestärkung der Menschen, ihre Gesundheitspotenziale auszuschöpfen, Auf- und Ausbau gesundheitsfördernder Strukturen und Verminderung sozial bedingter Ungleichheit bei den Gesundheitschancen – um diese Ziele zu erreichen, müssen und werden die Bundesrahmenempfehlungen kontinuierlich weiterentwickelt“, so Gundula Roßbach, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund. 2019 wird die Nationale Präventionskonferenz erstmals den im Vierjahresturnus erscheinenden trägerübergreifenden Präventionsbericht vorlegen. dguv/nul 17 BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Massenverteiler im Tagebau Profen. Foto: Christian Bedeschinski Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH – MIBRAG Gütesiegel zum 5. Mal in Folge Erstmals wurde auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement zertifiziert „Sicheres Verhalten ist für jeden wichtig!“ – unter diesem Slogan haben die MIBRAG und ihr Bereich Arbeits-, Gesundheits- und Brandschutz den Startschuss gegeben für das neue Sicherheitsprogramm 2020. Es sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, das die Sicherheitsarbeit der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft mbH in den kommenden Jahren begleiten und unterstützen wird. Damit alle wichtigen Informationen, beispielsweise auch Unterweisungsthemen, die rund 3.100 Beschäftigten erreichen, wurde der Intranet-Auftritt des Unternehmens neu gestaltet. Viele Betriebsbereiche arbeiten bereits unfallfrei. Für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab es als Anerkennung ein kleines Geschenk und ein Essen. Um das Bewusstsein für die Themen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zu schärfen, führte das in Zeitz, Sachsen-Anhalt, beheimatete Unternehmen in Zusammenarbeit mit der BG RCI im vergangenen Jahr einen mehrmonatigen Sicherheitswettbewerb durch. Er gipfelte in der sich anschließenden Zertifizierung durch das BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“. Es ist gültig bis Ende 2018. Bereits zum fünf- 18 ten Mal in Folge absolvierte das Unternehmen die Auditierung mit Erfolg. Gleichzeitig wurde auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement zertifiziert. Damit ist die MIBRAG das erste Bergbau-Unternehmen, das ein durch die Berufsgenossenschaft zertifiziertes Gesundheitsmanagement nachweisen kann. In der neuerlichen Zuerkennung des Gütesiegels spiegele sich die Leistung vieler, sagte der für Personalfragen zuständige MIBRAGGeschäftsführer Heinz Junge. Insbesondere die Beschäftigten des Bereichs „Technische Dienste Maschinentechnik“ hätten eine he- Geologe Carsten Preuß (l.) und Technologe Karl-Heinz Exner im Tagebau Profen. Foto: Jens Schlüter rausragende Leistung gezeigt und maßgeblichen Anteil am Erfolg. Junge appellierte in diesem Zusammenhang an alle Mitarbeiter, bei der Arbeit genau hinzuschauen und auch auf den Kollegen nebenan zu achten. Auch die Ausrüstung werde weiterhin überprüft, um die Arbeiten sicher ausführen zu können. Darüber hinaus werde es im Gesundheitsmanagement und bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch künftig keine Abstriche geben. Allerdings sei eine stärkere Teilnahme an der jährlichen Gesundheitswoche wünschenswert. „Hier sieht die Geschäftsführung noch Potenzial“, unterstrich der Arbeitsdirektor. nul 3/4 2016 BG RCI.magazin AUS DER PRAXIS Unter Tage. Corporate Health Award 2015 RAG-Gesundheitsmanagement ausgezeichnet Bei der jüngsten Vergabe des Corporate Health Awards (CHA) hat eine Fachjury das Betriebliche Gesundheitsmanagement der RAG Aktiengesellschaft mit einem Exzellenz-Zertifikat ausgezeichnet. Die RAG in Herne bündelt seit 1998 sämtliche Aktivitäten des heimischen Steinkohlenbergbaus. Das Gesundheitsmanagementsystem des Unternehmens läuft unter der Bezeichnung „… in Form“. Ausdrücklich loben die Auditoren das vorbildliche Engagement der RAG für die Gesundheit aller Beschäftigten. So sei es bemerkenswert, mit welcher Motivation und Tatkraft vor dem Hintergrund des auslaufenden Bergbaus eine Gesundheitskultur im Unternehmen gepflegt werde, hieß es. Bereits zum vierten Mal nahm die RAG am CHA teil. Die Auszeichnung, die das Handelsblatt, der TÜV Süd und EuPD Research jährlich ausschreiben, gilt als eins der wichtigsten Zertifizierungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Zur Bewertung wurde ein Qualitätsmodell entwickelt, das wissenschaftlichen Anspruch und Praktikabilität verbindet. Bei verschiedenen Audits erfolgen Bewertungen in den Kategorien Strategie, Struktur und Gesundheitsförderung. Anschließend nimmt das CHA-Expertengremium Begutachtungen und Einteilungen in Leistungsklassen vor. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die RAG ihr Ergebnis sogar um 4,2 Prozentpunkte auf 96,2 Prozent erhöhen. Dazu Reiner Jung, Leiter der RAG-Abteilung Gesundheitsschutz und Arbeitsmedizin: „Das ist ein absoluter Spitzenwert, insbesondere wenn man die starke Konkurrenz wie Airbus oder ThyssenKrupp berücksichtigt.“ Jung, die Leitende Betriebsärztin Dr. Silke Hoffmann, Babet- te Brandenburg, Leiterin Betrieblicher Gesundheitsschutz, und Gesundheitsmanager Dennis Kohl hatten den Auditoren die Leistungsfähigkeit des RAG-Managementsystems vorgestellt. Unterstützt wurden sie dabei von dem Leiter des Zentral- und Servicebereichs Belegschaft, Frank Bandow, und der dortigen Betriebsratsvorsitzenden Barbara Schlüter. Steinkohle 02/nul Erneut mit dem Corporate Health Award ausgezeichnet: Das RAG-Gesundheitsmanagementsystem „… in Form“. Fotos: bgrci/rag/Dietmar Klingenburg 19 BG RCI.magazin 3/4 2016 Vor 70 Jahren Grimberg III/IV Beim schwersten Grubenunglück in Deutschland starben mehr als 400 Kumpel. In der Folge wurde das Grubenrettungswesen ausgebaut und mit neuen Sauerstoffgeräten ausgestattet. Am 20. Februar 1946 entzündete sich, wie beispielsweise Die Welt notiert, aus bis heute ungeklärter Ursache ein Luft-Methangasgemisch und führte zu einer Schlagwetterexplosion, der eine noch stärkere Kohlenstaubexplosion folgte. Wie es heißt, war die Druckwelle so heftig, dass sie durch den 900 Meter tiefen Schacht bis nach über Tage schlug und dort die technischen Anlagen zerstörte. Die meisten der 408 Toten, die sich zur Frühschicht unter Tage aufhielten, konnten nie geborgen werden. Grubenwehren aus zwölf benachbarten Bergwerken waren unter großen Schwie- rigkeiten angerückt. Die Welt zitiert den Leiter des Stadtarchivs Bergkamen, Bernd Litzinger: „So kurz nach Kriegsende fehlten Lastwagen, die Rettungsgeräte hätten heranschaffen können. Hinzu kamen die schlechten Straßenverhältnisse. Von einer benachbarten Zeche aus gelangten die Rettungskräfte schließlich unter Tage in die Nähe des Unglücksortes auf Grimberg III/IV.“ Am Abend des 23. Februar wurden noch acht Männer lebend gefunden. Dann wurde die Grube geschlossen und eineinhalb Jahre später wegen der noch immer andauernden Brände geflutet. 1952 wurde Schacht III erneut abgeteuft. Bis 1994 war die Anlage in Betrieb. Ob Sicherheitsbestimmungen verletzt worden waren, konnten auch monatelange Untersuchungen und Befragungen Überlebender nicht klären. Litzinger sagte dazu dem Blatt: „Sicher ist, dass schon während des Krieges Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden waren. So hat es auf der Anlage bereits im September 1944 ein schweres Unglück mit 107 Toten gegeben, darunter meist russische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene.“ Die Zeitung befragte auch den Leiter des Montanhistorischen Dokumentationszentrums in Bochum, Michael Farrenkopf. Nach seinen Worten hatte das Grimberg-Unglück unmittelbare Folgen für das Rettungswesen: „Die bisherigen Sauerstoffgeräte der Grubenwehr mit einem Sauerstoffvorrat für zwei Stunden hatten sich als unzureichend erwiesen. Daher wurden neue Geräte mit einer Einsatzfähigkeit von vier bis acht Stunden entwickelt und 1952 zugelassen.“ Im Volksmund hieß die Schachtanlage Grimberg III/IV immer nur „Kuckuck“. „Mein Vater ist damals auf ‚Kuckuck‘ geblieben“, sei bis heute in Bergkamen der Ausdruck für die Verzweiflung von damals, zitiert die FAZ den Stadtarchivar: „433 Töchter und Söhne hatten ihre Väter verloren.“ Norbert Ulitzka, BG RCI, Bochum Mahnmal für die Opfer: Beim größten Bergbau-Unglück der deutschen Geschichte kamen vor 70 Jahren auf der Schachtanlage Grimberg III/IV 408 Menschen ums Leben. Foto: bgrci/Norbert Ulitzka 20 Quellen: Die Welt, FAZ, lokale Medien vom 19./20.02.2016, Internetrecherche Ein breites Echo in den Medien hat die Erinnerung an Deutschlands schwerstes Grubenunglück auf der Schachtanlage Grimberg III/IV in Bergkamen, unweit von Dortmund, gefunden. So berichteten lokale, aber auch überregionale Blätter wie die FAZ detailliert über den Hergang der Katastrophe, die knapp ein Jahr nach Kriegsende neues Leid über die betroffenen Familien brachte. 3/4 2016 BG RCI.magazin AUS DER PRAXIS K+S Kali GmbH, Werk Werra Grubenwehr: Sicherheitspartnerschaft auch mit Besucherbergwerken Die K+S KALI GmbH mit ihren aktiven Grubenwehren leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit auch anderer Bergwerke. So hat die Grubenwehr Hattorf-Wintershall des Verbundwerks Werra Hilfeleistungsvereinbarungen mit verschiedenen anderen Betrieben getroffen. Darunter befinden sich eine Kupferschiefergrube, eine Tongrube, zwei Gipsgruben und – in erster Linie – natürlich die weiteren Standorte der K+S. Die Grubenbetriebe befinden sich im Radius von bis zu 120 Kilometern rund um den Standort Hattorf-Wintershall. Ein Betrieb, dem die Grubenwehr als Sicherheitspartner zur Seite steht, ist das Besucherbergwerk Grube Gustav in MeißnerAbterode. Die K+S-Grubenwehr führt dort jährlich eine Befahrung durch. Alle zwei Jahre kommt eine Übung hinzu. Diese Maßnahmen fordert die zuständige Bergbehörde. Sie sind Voraussetzung für den Betrieb eines Bergwerks und dienen der Vorbereitung für den Notfalleinsatz und der Sicherheit der Besucher. Jedes Jahr besuchen bis zu 6.000 Menschen, darunter viele Schulklassen, die Grube Gustav und informieren sich über den Kupferschiefer-Bergbau, der hier vom 16. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben wurde. In diesem Jahr feiert das Besucherbergwerk sein 30jähriges Bestehen. Für ihren Betrieb sorgen fast ausschließlich Ehrenamtler. „Nur mit Hilfe der Grubenwehr ist es möglich, die Anlage aufrechtzuerhalten“, dankte Bürgermeister Friedhelm Junghans bei einer Sicherheitsbegehung dem Leiter Grubenrettungswesen und Brandschutz Hattorf-Wintershall, Dieter Wendrich. Gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort überprüften die Grubenwehrmitglieder die Vorkehrungen und das Rettungskonzept der Grube Gustav. In diesem Jahr wollen Wendrich und seine Kollegen im Besucherbergwerk eine NotfallRettungsaktion simulieren und den Einsatz proben. In einem solchen Notfall wäre zuerst die ortsansässige Feuerwehr aktiv. Sollte ein untertägiger Einsatz unter Atemschutz notwendig werden, käme die Grubenwehr mit ihrer speziellen Technik und Bergbauer- Befahrung des Besucherbergwerks Grube Gustav in Meißner-Abterode: Bürgermeister Friedhelm Junghans und die K+S-Grubenwehrmitglieder Hattorf-Wintershall mit dem Gemeindebrandinspektor, Bauhof-Mitarbeitern, der Sicherheitsfachkraft und einem Besucherführer. Foto: ib fahrung zu Hilfe. Dabei spielt die möglichst umfassende Ortskenntnis des Sicherheitspartners stets eine entscheidende Rolle. „Damit der Kommune für unsere Übungen keine Kosten entstehen, verlegen wir eine unserer Pflichtübungen zur Grube Gustav“, erklärt Wendrich. An 30 Samstagen im Jahr trainiert die Grubenwehr HattorfWintershall ihre körperliche Fitness für die unterschiedlichsten Ernstfälle. Jedes Grubenwehrmitglied muss nach den gesetzlichen Vorgaben jährlich fünf Übungstage absolvieren. Nur so lassen sich unter Tage die meist schweren Einsätze unter Tage mit den erforderlichen Gerätschaften beherr- schen. Ernstfalleinsätze unter Atemschutz müssen mit mindestens zwölf ausgebildeten Grubenwehrmitgliedern durchgeführt werden. Deshalb verfügt die Grubenwehr Hattorf-Wintershall über 70 aktive Mitglieder. Die zwölf Einsatzkräfte bestehen aus zwei Trupps mit jeweils fünf Personen, einem Gerätewart und einem Oberführer. Wichtigster Bestandteil der Ausrüstung sind Langzeit-Atemschutzgeräte, sogenannte Kreislaufgeräte, die einen von der oft kontaminierten Umgebungsluft unabhängigen Einsatz von bis zu vier Stunden ermöglichen. Ivonne Balduf, Philippstal 21 BG RCI.magazin 3/4 2016 Foto: © rudi1976 – fotolia.com AUS DER PRAXIS Paris, 1. bis 3. Juni 2016 Chemikalien mit besonderen Gefahren Das INRS, Frankreich, und die Sektion Chemie der IVSS thematisieren endokrine Disruptoren und sensibilisierende Substanzen Vom 1. bis 3. Juni 2016 veranstalten das Institut National de Recherche et de Sécurité (INRS) und die Sektion Chemie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) ein Symposium in Paris. Im Mittelpunkt stehen die Risiken im Zusammenhang mit endokrinen Disruptoren und sensibilisierenden Substanzen sowie die Prävention am Arbeitsplatz. Ein breit gefächertes Programm gibt einen Überblick über die Wirkungen solcher Chemikalien auf die Gesundheit, über betroffene Arbeitsplätze sowie über praktische Konzepte und Empfehlungen zur Prävention. Das Hormonsystem des Menschen wird auch als endokrines System bezeichnet. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind endokrine Disruptoren von außen zugeführte Stoffe oder Gemische, die die Funktion des Hormonsystems verändern und dadurch gesundheitlich nachteilige Wirkungen im intakten Organismus, bei seinen Nachkommen oder bei (Sub-)Populationen verursachen (WHO 2002: Global Assessment of State-of-theScience of Endocrine Disruptors). Im Rahmen der Verordnung EG 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) können endokrine Disruptoren unter bestimmten Voraussetzungen zulassungspflichtig werden. Gegenstand der wissenschaftlichen und politischen Diskussion ist es derzeit, Kriterien für die Identifizierung von endokrinen Disrupto- 22 ren festzulegen und die regulatorischen Auswirkungen zu definieren. Expositionen gegenüber endokrinen Disruptoren, aber auch gegenüber sensibilisierenden Substanzen, können sowohl umwelt- als auch arbeitsplatzbedingt sein. Nach wie vor stellen beruflich bedingte Allergien der Haut oder der Atemwege einen Schwerpunkt bei den angezeigten Berufskrankheiten dar. Vertiefte Kenntnisse zu den Auslösern, den Erkrankungen, zur Expositionsbeurteilung sowie zu wirksamen Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen sind daher wichtige Bausteine eines Präventionskonzepts. Vortragende aus Frankreich, Belgien, Kanada, Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Spanien bieten mit ihren Symposiums-Beiträgen und einer Podiumsdiskussion den internationalen Rahmen für einen spannenden Austausch. INRS und die IVSS-Sektion Chemie möchten die für Sicherheit und Gesundheitsschutz Verantwortlichen in den Betrieben sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und -ärztinnen, Aufsichtspersonen der Unfallversicherungen und der staatlichen Behörden, Vertreter aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, Toxikologen und Sachverständige ansprechen. Konferenzsprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch, alle Beiträge werden simultan übersetzt. Nähere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter http:// www.inrs-issa2016.com. Antje Ermer, Dr. Joachim Sommer, Michaela Frenzel, BG RCI, Heidelberg Programm Mittwoch, 1. Juni, Nachmittag: Endokrine Disruptoren Begrüßung Stéphane Pimbert, Generaldirektor der INRS Einführung Niels Schurreit, Generalsekretär der IVSS-Sektion Chemie Endokrine Disruptoren und die Exposition am Arbeitsplatz: Stand der Diskussion Claude Emond, Universität von Montreal (UQAM) Umwelt- und berufsbedingte interne Belastung mit endokrinen Disruptoren Holger Koch, Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) Endokrine Disruptoren und reproduktionstoxische Wirkungen Stephane Malard, INRS Endokrine Disruptoren und krebserzeugende Wirkungen Ursula Gundert-Remy, Charité Berlin Endokrine Disruptoren im Kontext von REACH Simone Mühlegger, Umweltbundesamt Österreich INTERNATIONALE S SYMPOSIUM 1. BIS 3. JUNI 2016 CHEMIKALIEN MIT BESONDER GEFAHREN: EN RISIKEN UND PRÄVENTION ARBEITSPLATZAM Donnerstag, 2. Juni, Vormittag: Endokrine Disruptoren THEMA DES SYM POSIUMS Endokrine Disrupto ren und sensibili sierende Substanzen sind zwei Klassen von Che mit besonderen Gefahren. Die Kon mikalien ferenz einen Überblick geben über die Wirk wird ungen dieser Substanzen auf die Gesundheit exponierten Bes von chäftigten, über betroffene Arbeitsplätze, dam it verbundene Risi ken empfehlenswerte n Präventionslösun sowie zu gen. MAISON DE LA RATP ESPACE DU CEN TENAIRE F-75012 PARIS Einführung ENDOKRINE DI SENSIBILISIERESRUPTOREN UND Séverine Brunet, Leiterin des Fachbereichs „Prävention in der Praxis“, INRS NDE SUBSTANZ EN Überblick über industriell verwendete endokrine Disruptoren Nicolas Bertrand, INRS Berufliche Exposition gegenüber Phthalaten. Biomonitoring im Urin www.inrs-issa2 016 Alain Robert, INRS [email protected] .fr r Bisphenol A als ein endokriner Disruptor in Kassenzetteln Anne-Laure Demierre, Schweizerisches Bundesamt für Gesundheit Berufliche Exposition gegenüber Bisphenol A. Biomonitoring im Urin Sophie Ndaw, INRS Bestimmung von Grenzwerten für endokrine Disruptoren Christophe Rousselle, Französische Behörde für Ernährung, Umwelt, Gesundheitsschutz und Sicherheit (ANSES) Podiumsdiskussion Empfehlungen und Praktiken für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz Moderation: Antje Grobe Laurent Vogel, Europäisches Gewerkschaftsinstitut (ETUI) · Peter Smith, European Chemical Industry Council (CEFIC) · Matthieu Lassus, Aufsichtsbehörde Frankreich · Simone Mühlegger, Umweltbundesamt Österreich · Alain Simonnard, INRS · Claude Emond, Universität von Montreal (UQAM) · Elke Schneider, Europ. Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA) IN ZUSAMM EN ARBEIT MI T Donnerstag, 2. Juni, Nachmittag: Sensibilisierende Substanzen Einführung Michel Pourquet, Vizepräsident der IVSS Sektion Chemie Berufliche Atemwegsallergien und Asthma – Auslöser und Erkrankung Monika Raulf, Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) Berufliche Kontaktdermatitis: Expositionsquellen und klinische Aspekte Nadia Nikolova-Pavageau, INRS Sensibilisierende Stoffe in verschiedenen Branchen NN Freitag, 3. Juni, Vormittag: Sensibilisierende Substanzen Einführung Martin Gschwind, Vizepräsident der IVSS Sektion Chemie Überblick über sensibilisierende Stoffe in der Industrie – Vorstellung der Expositionsdatenbank MEGA Rainer van Gelder, Institut für Arbeitsschutz (IFA) Darstellung der beruflichen Exposition gegenüber sensibilisierenden Substanzen: Daten aus der COLCHIC-Datenbank Frederic Clerc, INRS Sicherheitsrelevante Informationen zu sensibilisierenden Arzneistoffen: Das BESI-Projekt Sabine Werner, Institut für Arbeitsschutz (IFA) Bestimmung von Grenzwerten für sensibilisierende Substanzen Dick J. J. Heederick, Niederländisches Expertenkomitee für Arbeitssicherheit (DECOS) Prävention bei Tätigkeiten mit sensibilisierenden Substanzen Ingrid Thullner, Unfallkasse Hessen (UKH) Sensibilisierende Substanzen in Kleinbetrieben: Risiken und Präventionsmaßnahmen Udo Eickmann, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) Schlussbemerkungen Didier Baptiste, Direktor Forschung, INRS 23 BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Dr. Rolf Rupp und Frauke Strohmeier von der BG RCI überreichen Petra Scheithe, Geschäftsführerin der BASF Business Services, Bernd Schmitt, Lead Safety Manager, und Frank Grünagel, Safety Expert (v.l.), in Ludwigshafen die Gütesiegelurkunde „Sicher mit System“. Das Gütesiegel hat eine Gültigkeit von drei Jahren. Danach gibt es auf Wunsch des Unternehmens ein Reaudit. Foto: BASF SE/Schäfer Landesverbände Südwest und Mitte der DGUV Tag der Arbeits sicherheit BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“ Ramstein, 1. Juni 2016 BASF Business Services ausgezeichnet Im Kultur- und Tagungszentrum RamsteinMiesenbach findet am 1. Juni 2016 der Tag der Arbeitssicherheit der Landesverbände Südwest und Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung statt. Wie macht man Arbeitsbereiche und Verkehrswege für Mitarbeiter sicher? Wie geht man zum Beispiel mit einem Brand um? Wie gestaltet man einen Arbeitsplatz ergonomisch und fördert die Gesundheit der Beschäftigten? Um diese und viele weitere Themen kümmert sich das für Sicherheit zuständige Team der BASF Business Services (BBS). Für die auf diesem Wege erzielten besonderen Leistungen wurde die BBS jetzt von der BG RCI ausgezeichnet. Vorgesehen sind vier Themenblöcke mit aktuellen und praxisnahen Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Themenschwerpunkte sind unter anderem: • Werkverträge • das Präventionsgesetz • die Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf psychische Belastungen und • Verantwortung im Arbeitsschutz Die Fachtagung wird begleitet von einer Ausstellung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei. Beginn ist 9.30 Uhr (Einlass ab 8.30 Uhr), Ende gegen 17.00 Uhr. Anmeldungen bis 25. April 2016 an die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, Landesverband Südwest, Kurfürstenanlage 62, 69115 Heidelberg Dr. Volker Wittneben Tel.: 06221/5108-24600 Fax: 06221/5108-24699 E-Mail: [email protected] Ka 24 Die Berufsgenossenschaft unterstützt Unternehmen darin, den Arbeitsschutz systematisch in ihre Organisation zu integrieren, und bietet die Prüfung und Zertifizierung ihres Arbeitsschutzmanagement-Systems (ASM) nach geltenden gesetzlichen Richtlinien an. Mit Hilfe von Arbeitsschutzmanagement-Systemen können Unternehmen den Sicherheits- und Gesundheitsschutz für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konkret planen und die Einhaltung und Wirksamkeit der Maßnahmen überwachen. Die BASF Business Services hat sich solch einer Prüfung durch die BG RCI unterzogen – und erfolgreich bestanden. „Ein effizient organisiertes Arbeitsschutzmanagement-System ist ein wichtiges Instrument, um präventiv die Sicherheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter zu gewährleisten“, sagt Petra Scheithe, Geschäftsführerin der BBS. „Das Zertifikat belegt, dass das Thema Sicherheit fest in unserer Organisation verankert ist und wir damit sehr verantwortungsbewusst umgehen.“ Um das Zertifikat zu erhalten, muss das Safety Team zahlreiche Dokumentationen vorweisen, so zum Beispiel das Arbeitsschutzmanagement-Konzept und die Informations- und Weiterbildungsmaßnahmen für die Beschäftigten. Auch eine Begehung verschiedener Gebäude vor Ort am Standort Ludwigshafen gehört dazu. „Wir haben bei der Überprüfung durch die BG RCI außerordentlich gut abgeschnitten und sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis“, sagt Bernd Schmitt, Lead Safety Manager der BBS. „Die Zertifizierung mit dem Gütesiegel ‚Sicher mit System‘ durch eine externe, unabhängige Stelle bestätigt, dass wir bei den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz gut aufgestellt sind und sie aktiv angehen. Wir sind die erste Gruppengesellschaft der BASF, die von der Berufsgenossenschaft ausgezeichnet worden ist. Und darauf sind wir natürlich sehr stolz.“ basf/n 3/4 2016 BG RCI.magazin AUS DER PRAXIS BG RCI-Präventionszentrum Gera/Berlin Sicherheitsfachkräftetagung 2016/2017 Radebeul 26.–27. Oktober 2016 Potsdam 8.–9. März 2017 Stolz auf 7.000 Tage ohne meldepflichtigen Arbeitsunfall: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Euticals GmbH am Standort Frankfurt. Foto: Volker Heinrich Euticals GmbH, Höchst 7.000 Tage ohne meldepflichtigen Unfall Mit rund 70 Beschäftigten am Standort Höchst ist die Euticals GmbH einer der führenden Hersteller im Bereich von Feinchemikalien. Sie konzentriert sich überwiegend auf die Kommerzialisierung hochwertiger Pharmabausteine, cGMP-Zwischenprodukte* und Pharmawirkstoffe. Die Kernkompetenzen liegen vor allem in der organisch-chemischen Synthese, insbesondere in modernen Methoden der Organometallchemie, Enzymchemie und Heterocyclenchemie, sowie in der Herstellung von Feinchemikalien unter höchsten regulatorischen Standards. Seit 2011 ist der Standort Teil der global operierenden Euticalsgruppe mit Sitz in Mailand. Sie stellt mit weltweit mehr als 890 Mitarbeitern über 200 verschiedene Pharmawirkstoffe in den unterschiedlichsten Therapieklassen her. Die größte R&D-Abteilung der Gruppe mit 20 Chemikern und Laboranten befindet sich am Standort Frankfurt. Sie wird von 14 Mitarbeitern aus den Bereichen Sales & Marketing, Forschungsleitung, ESHA, Qualitätssicherung, Personal und Controlling unterstützt. Trotz der Herausforderung, täglich mit der kompletten Bandbreite an Chemie- und Forschungschemikalien umzugehen, ist es dieser Gruppe mit Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, Harald Hößl, gelungen, 7.000 Tage – das sind bei einem vollkontinuierlichen Betrieb mehr als 19 Jahre – ohne meldepflichtigen Unfall zu absolvieren. Die Euticals GmbH ist stolz auf die Leistung und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wünscht sich auch weiterhin erfolgreiche Jahre ohne meldepflichtigen Unfall. bgrci/n *cGMP: current Good Manufacturing Practice (Methode zur Überprüfung von Qualitätsstandards in der Herstellung) Für die Sicherheitsfachkräfte aus ihren Mitgliedsunternehmen in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen organisiert das BG RCI-Präventionszentrum Gera/ Berlin die Sicherheitsfachkräftetagung 2016/2017. Wegen des breiten, branchenübergreifenden Informationsbedarfs und des geplanten umfangreichen Themenangebots findet die Tagung an zwei Terminen statt: •für Sicherheitsfachkräfte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 26. und 27. Oktober 2016 in Radebeul bei Dresden •für Sicherheitsfachkräfte aus Berlin und Brandenburg am 8. und 9. März 2017 in Potsdam Auf dem Programm stehen jeweils die folgenden Themen: •Erste Erfahrungen mit der neuen BG RCI-Präventionsstrategie Vision Zero •Vorstellung von praxiserprobten Werkzeugen für die Gefährdungsbeurteilung •Erfahrungsaustausch zur Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf psychische Belastungen •Gesund am Arbeitsplatz •Ausblick auf die 2017 beginnende bundesweite Präventions-Kampagne zum Thema Präventionskultur •Die Medienwelt der BG RCI •Aus der Praxis für die Praxis: Erfahrungsberichte und gute Lösungen Berichten Sie aus Ihrer Praxis! Zu den Tagungen lädt die BG RCI gesondert ein. Sicherheitsfachkräfte, die mit einem eigenen Vortrag zu den Veranstaltungen beitragen möchten, werden gebeten, möglichst umgehend mit ihrer jeweils zuständigen BG RCI-Aufsichtsperson Kontakt aufzunehmen. Michael Schwabe, BG RCI, Berlin 25 BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Zum Kleben, Flicken, Basteln: tesafilm-Werbung von 1954. Kirchbergs kreative Klebebande Die tesa Labtec GmbH fokussiert sich auf die Entwicklung und Produktion von Wirkstoff-Pflastern und schnell löslichen oralen Filmen. tesafilm verbindet – seit 80 Jahren Mit einem Bekanntheitsgrad von 98 Prozent – ermittelt vom Marktforschungsinstitut GfK – gehört tesa in Deutschland zu den stärksten Produktmarken. Sogar im Duden ist der Markenname zu finden. In diesem Jahr wird der berühmte Klebefilm 80 Jahre alt. Eigentlich 80 Jahre jung – denn aus einer Idee wurden inzwischen über 7.000 Produktund Systemlösungen, von denen die meisten aus den letzten Jahren stammen. Rund 70 Patente pro Jahr zeugen von großer Innovationskraft, das integrierte und zertifizierte Managementsystem von sicheren Arbeitsbedingungen. Kennen Sie sich aus in Wirtschaftsgeschichte? Dann finden Sie sicher auch den Fehler in folgender Behauptung: „tesa ist der Name eines Klebers, den Elsa Tesmer in gezielter Forschungsarbeit entwickelt hat.“ Schwierig an dieser Aufgabe ist eigentlich nur eins, nämlich dass sich nicht nur ein Fehler eingeschlichen hat, sondern schlichtweg alles falsch ist. Beginnen wir bei dem Namen tesa. Der geht in der Tat auf Elsa Tesmer zurück – sie arbeitete jedoch nicht im Labor, sondern in der Schreibstube bei der Hamburger Firma Beiersdorf. Im Rahmen eines Aufrufs der Geschäftsleitung, Namen für neu entwickelte Produkte zu finden, setzte sie 1906 das Wörtchen tesa aus den Silben ihres Nach- und Vornamens zusammen. Das wurde zunächst die Bezeichnung für eine Zahnpasta-Tube, was aber wenig erfolgreich war. Danach verschwand „tesa“ für rund 30 Jahre in den Archiven der Rechtsabteilung. Auch von „gezielter Forschungsarbeit“ kann nur bedingt gesprochen werden. Denn am Anfang stand die missglückte Entwicklung eines Wundpflasters. An diesem hatte der 26 Apotheker Paul C. Beiersdorf gearbeitet, als Dr. Oscar Troplowitz das Labor des Unternehmensgründers 1890 übernahm. Das Pflaster klebte hervorragend, reizte aber die Haut. Aus der Not machte Troplowitz eine Tugend und brachte das Klebeband unter dem Namen „Cito-Sportheftpflaster“ 1896 trotzdem auf den Markt – jedoch zum Flicken von Fahrradschläuchen. Es war das erste technische Klebeband der Welt. Kleber ist das nächste Stichwort – denn tesa ist gerade kein Flüssigkleber, sondern ein Klebeband. Und nicht nur ein Klebeband: Gut 1.000 verschiedene Harze sowie etwa 100 thermoplastische Elastomere enthält die tesa-Rohstoffdatenbank zur Herstellung unterschiedlicher Klebemassen. Aus dieser Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten haben die Forscher bei tesa schon mehr als 7.000 Produkt- und Systemlösungen entwickelt. Mit der Geschichte von tesa untrennbar verbunden ist der Industriekaufmann Hugo Kirchberg. Mit gerade einmal 25 Jahren war er von den „unbegrenzten Möglichkeiten der Selbstklebetechnologie“ so überzeugt, dass er mit seiner Bewerbung 1934 auch den Vorstand der Beiersdorf AG für seine Ideen zum Vertrieb der technischen Klebebänder gewann. Auf der Suche nach einem prägnanten Namen stieß er in der Rechtsabteilung wieder auf „tesa“. Aus Sicht Kirchbergs brachte der Name die wichtigsten Voraussetzungen für den Aufbau und die Etablierung einer unverwechselbaren Marke mit: kurz, einprägsam und international verwendbar. Und dieses Mal wurde es ein Erfolg. Mit effizientem Vertrieb, zielgruppenorientierter Werbung und zusätzlichen Erfindungen wie beispielsweise dem heute noch gebräuchlichen Tischabroller schaffte es Kirchberg, aus den anfangs „holprigen Wegen“ eine leistungsfähige „Autobahn“ zu machen. Apropos Autobahn – mehr als 50 verschiedene tesa-Produkte gehen in die Automobilindustrie. So beispielsweise schon seit 1941 der Klassiker tesakrepp zum Abdecken für das Spritzlackierverfahren. Heute zählen dazu auch Präzisionsstanzteile, die ein kurzzeitiges oder dauerhaftes Verschließen von produktionsbedingten Karosserieöffnungen ermöglichen, Vliesprodukte zum Bündeln 3/4 2016 BG RCI.magazin Großen Wert legt das Unternehmen auf Arbeitsschutz und Sicherheit. Weltweit gelten bei tesa die Standards nach OHSAS 18001. Die systematische Ermittlung von Gefahren, ihre Bewertung und die Umsetzung geeigneter Gegenmaßnahmen, kontinuierliche Mitarbeiterschulungen und Trainings haben an allen tesa-Standorten zu außergewöhnlich niedrigen Unfallzahlen geführt. Auf dem Weg in den Reinraum. und Fixieren der zahlreichen Kabelsätze, laserbeschreibbare Etiketten zur Kennzeichnung der Fahrgestellnummer, dauerhafte Emblem-Verklebungen und schließlich rückstandslos ablösbare Folien zum Schutz der Lackoberflächen beim Transport. Von der „motorisierten“ Autobahn auf die Datenautobahn – auch in Smartphones stecken inzwischen mehr als 40 Klebeanwendungen, die viel mehr als nur Komponenten verbinden können. Spezialtapes mit Graphit-Beschichtung, gerade einmal fünf Mikrometer dünn und damit zehnmal feiner als ein Haar, sorgen beispielsweise für die Wärmeableitung elektronischer Bauteile. Optisch reine Klebefolien mit mehr als 99 Prozent Lichtdurchlässigkeit kommen im Schichtaufbau berührungsempfindlicher Bildschirme zum Einsatz. Weil in der Elektronikindustrie jedes kleine Staubkorn bereits störend wirkt, erfolgt die Produktion dieser Bänder in einer Reinraumeinheit. Das schmalste Stanzteil zur Befestigung eines Handy-Glaskörpers misst übrigens lediglich einen halben Millimeter. Wenn Sie glauben, dass Sie diese Produkte bisher nur aufgrund ihrer Dimensionen im Bürohandel übersehen haben, liegt es nicht an Ihren Augen: „Nur etwa ein Viertel des Umsatzes geht in den sogenannten Endverbrauchermarkt, der Rest sind Industrieprodukte, meist zusammen mit den Kunden als Speziallösungen für die jeweiligen Branchen entwickelt“, klärt Reinhart Martin, Pressesprecher bei tesa in Hamburg, den erstaunten Besucher auf. Aber das ist nicht alles. Zum Unternehmen gehört auch die Tochtergesellschaft tesa scribos: 1998 hatten zwei findige Wissenschaftler an der Universität Mannheim entdeckt, dass sich der tesafilm als Datenspeicher eignet. Daraus entwickelte sich ein breites Spektrum an Sicherheitsprodukten, wie beispielsweise fälschungssichere Etiket- tesa unterm Mikroskop. Fotos: tesa SE ten mit Hologrammen. Ein anderes Anwendungsbeispiel findet sich in der Druck- und Papierindustrie: Dank einer sicheren Ansatzverklebung mit einem hochkomplex aufgebauten doppelseitigen Spezialklebeband lassen sich die tonnenschweren Papierrollen endlos und abrisssicher miteinander verbinden – ohne Drosselung der Produktionsgeschwindigkeit. Zu den aktuellen Produkt-Trends gehören Klebetechnologien für die Solarindustrie und die Bauwirtschaft, wo lösemittelfreie doppelseitige Klebebänder auf Acrylatbasis den traditionellen Fügetechniken wie Schweißen, Löten oder Schrauben Konkurrenz machen. Und auch Anwendungen für die pharmazeutische Industrie zeichnen sich am Horizont ab. Sogenannte transdermale therapeutische Systeme gewährleisten eine Medikation, bei der die in einem Pflaster eingeschlossenen Wirkstoffe direkt durch die Haut aufgenommen werden. Ein Pflaster für die Haut – schließt sich da ein Kreis? „Es ist eher wie ein Rad, das immer weiterrollt“, ist sich Martin sicher. Wie das Abrollgerät, dessen Vorläufer einst Kirchberg entwickelte, als er den tesafilm vor 80 Jahren kundenorientiert auf den Weg brachte. Die kreativen Ideen sind seinem Unternehmen seither nicht ausgegangen. Hugo Kirchberg schuf mit „tesa“ eine unverwechselbare Marke. Dr. Joachim Sommer, BG RCI, Heidelberg 27 BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Hauterkrankung in einer Fahrzeugsattlerei Auch Kleinstbetriebe profitieren von der Betriebsärztlichen Beratung der Berufsgenossenschaft Im Rahmen der alternativen Betreuung unterstützt die BG RCI Inhaber oder Geschäftsführer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit bis zu 50 Beschäftigten dabei, ihre Verantwortung im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erfüllen. Die Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure der KMU-Beratung stehen Betrieben und deren Beschäftigten als Ansprechpartner bei Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Bedarfsfall jederzeit zur Seite. Mitgliedsbetriebe, die zur Umsetzung des Arbeitssicherheitsgesetzes an der alternativen Betreuung der BG RCI teilnehmen, können bei bestimmten Anlässen die Beratung durch einen Betriebsarzt der Berufsgenossenschaft in Anspruch nehmen. So hat sich eine Fahrzeugsattlerei in Niedersachsen durch den Betriebsarzt des BG RCI-Präventionszentrums Langenhagen beraten lassen. In einem Gespräch mit seiner zuständigen Aufsichtsperson hatte der Unternehmer von erheblichen Hautproblemen eines Mitarbeiters berichtet. Der daraufhin eingeschaltete Betriebsarzt der Berufsgenossenschaft verschaffte sich zunächst einen Überblick über die betrieblichen Tätigkeiten. In einem ausführlichen Erstgespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter, Herrn T., ging es anschließend darum, die Entwicklung der Hauterkrankung kennenzulernen. Auch bei der betriebsärztlichen Tätigkeit ist eine gründliche Anamnese die Grundlage für das weitere Vorgehen. Wie sich zeigte, litt der Mitarbeiter schon seit zwei Jahrzehnten an allergischen Reaktionen auf verschiedene Stoffe. So führte der Kontakt mit einem bestimmten Gewürz regelmäßig zu ernsten Atemwegs Das Hautarztverfahren Hauterkrankungen zählen mit Abstand zu den häufigsten berufsbedingten Erkrankungen. Sie sind kostenintensiv und führen oft zum Arbeitsplatzverlust. Vielfach wird jedoch der berufliche Zusammenhang nicht erkannt oder keine ausreichende Abhilfemaßnahme eingeleitet. Zur Frühintervention bei arbeitsbedingten Hauterkrankungen führt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung das sogenannte Hautarztverfahren durch. Hautkrebserkrankungen und infektiöse Hauterkrankungen werden im Rahmen dieses Verfahrens nicht erfasst. Ärzte für Dermatologie, Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin haben eine große Verantwortung im Hinblick auf die Behandlung und Vorbeugung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen. Das Hautarztverfahren bietet eine gemeinsame Grundlage für Ärzte und Unfallversicherungsträger, schnell und effektiv geeignete Maßnahmen zu ergreifen, einer Berufskrankheit vorzubeugen und den Betroffenen die Fortführung ihrer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Wenn Beschäftigte wegen krankhafter Hauterscheinungen eine Arztpraxis aufsuchen und die Krankheitsursache in der beruflichen Tätigkeit vermutet wird, sollte ein solcher Verdacht dermatologisch überprüft werden. Bestätigt sich der Verdacht, informieren Hautarzt oder Hautärztin die zuständige Berufsgenossenschaft. Neben den Hautärzten können auch Betriebsärzte arbeitsbedingte Hauterkrankungen melden. Ziel ist es immer, die Krankheitsfolgen zu bessern und das Entstehen einer folgenschweren Berufskrankheit mit krankheitsbedingter Tätigkeitsaufgabe zu verhindern. Der Hautarzt ist berechtigt, im Rahmen der Erstattung des Hautarztberichts diag nostische Maßnahmen durchzuführen, die zur Klärung des Ursachenzusammenhangs zwischen der Hauterkrankung und der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind. Dazu bedarf es mit Ausnahme der Testung mit Arbeitsstoffen keiner gesonderten Genehmigung des Unfallversicherungsträgers. Der Testumfang bezieht sich somit – sofern nicht mit dem Unfallversicherungsträger im Einzelfall anders vereinbart – auf das abzuklärende berufliche Tätigkeitsfeld. 28 problemen. Seit zehn Jahren ist Herr T. nun in der Fahrzeugsattlerei als Sattler beschäftigt. Von Anfang an hatte er dabei Kontakt mit Kokosmatten. Zunächst traten nur geringe Haut- und Atemwegsprobleme auf. Als er zum Schutz LatexHandschuhe benutzte, nahmen die Hautund Atemwegsprobleme kontinuierlich zu. Zuletzt waren die Hautveränderungen so gravierend, dass Herr T. einen Hautarzt aufsuchte. Dieser leitete das sogenannte Hautarztverfahren ein (siehe Infobox). Das Ergebnis des Verfahrens wurde beim Besuch des Betriebsarztes ausführlich besprochen. In seinem anschließenden Bericht für die BG RCI ging der Betriebsarzt von dem dringenden Verdacht auf zwei Berufserkrankungen („Haut“ und „Lunge“) aus. Herr T. wird nun in Kürze in einer berufsdermatologischen Klinik im Hinblick auf diesen Verdacht untersucht. Sobald das Ergebnis vorliegt, wird der Betriebsarzt in Abstimmung mit dem behandelnden Hautarzt das weitere Vorgehen festlegen. Die möglichen beruflichen und privaten Folgen werden dann Gegenstand eines weiteren Gesprächs mit Herrn T. sein. Die Haut … … ist das größte Organ des menschlichen Körpers und stellt mit ihrer Hornschicht eine Barriere gegen mechanische, physikalische und chemische Einwirkungen von außen dar. Durch Kontakt und Wechselwirkung mit Arbeitsstoffen droht eine Über forderung der Barrierefunktion, was eine Erkrankung oder gar bleibende Schädigung zur Folge haben und auch allergischen Reaktionen Vorschub leisten kann. 3/4 2016 BG RCI.magazin AUS DER PRAXIS Ob mit Handschuh oder Schutzcreme, Hautschutz ist in jeder Branche wichtig. Denn berufsbedingte Hauterkrankungen zählen zu den häufigsten Berufskrankheiten, die den Berufsgenossenschaften gemeldet werden. Foto: dguv Seit 1996 sind Unternehmen auf der Basis des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, eine Belastungs- und Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Zu den wichtigsten Maßnahmen im Anschluss gehört meist die Reduzierung hautgefährdender Kontakte während der Tätigkeit am Arbeitsplatz, beispielsweise durch die Veränderung von Arbeitsabläufen, Stoffsubstitutionen, technische Lösungen und die konsequente Anwendung eines adäquaten Hand- und Hautschutzes. Von großer Bedeutung ist darüber hinaus die Aufklärung und Information über mögliche Hautschädigungen, kombiniert mit Anreizen zu einer Verhaltensänderung beim Umgang mit hautrelevanten Arbeitsstoffen. Auf dieser Grundlage können spezifische Präventionsmaßnahmen, wie zum Beispiel ein Hautschutzplan oder eine Betriebsanweisung, erstellt werden. Wichtig ist, dass sich Beschäftigte auch bei unscheinbaren, aber länger anhaltenden Hautveränderungen an ihren Betriebsarzt wenden. Dies eröffnet im Sinne des Gesundheitsschutzes die Möglichkeit, einer Verschlimmerung vorzubeugen. Im Betrieb sollen daher an geeigneter Stelle die Kontaktdaten des Betriebsarztes der Berufsgenossenschaft zu finden sein. Alternative Betreuung: Unterstützung durch die KMU-Beratung Betriebe, die an der alternativen Betreuung teilnehmen, erfahren die Kontaktdaten der Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure der KMU-Beratung bei dem regional zuständigen Präventionszentrum der BG RCI. Die Sicherheitsingenieure und Betriebsärzte arbeiten unabhängig vom Technischen Aufsichtsdienst und sind zur Vertraulichkeit und Verschwiegenheit verpflichtet. Ohne die Zustimmung des Unternehmens erhalten weder Aufsichtsbehörde noch andere Personen Kenntnis von den Beratungsinhalten. Für Betriebsärzte gilt zudem die ärztliche Schweigepflicht. Die Beratung erfolgt Die alternative Betreuung … … ist eine gleichwertige Umsetzung zu der im Arbeitssicherheitsgesetz geforderten Betreuung durch eine Sicherheitsfachkraft und einen Betriebsarzt. Voraussetzung für die Teilnahme an der alternativen Betreuung sind ein- oder mehrtägige Informations- und Motivationsseminare, die Sie als Unternehmer oder Unternehmerin persönlich besuchen müssen. Die Anzahl und Dauer der Seminare, die Sie besuchen, ist abhängig von den im Betrieb vorliegenden Gefährdungen der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter www.bgrci.de > Prävention, Stichwort „alternative Betreuung“. nach Bedarf des Unternehmens, sie kann je nach Fragestellung telefonisch oder vor Ort im Betrieb durchgeführt werden. Es gibt grundsätzlich keine festgelegten Intervalle oder zeitliche Grenzen. Burkhard Rehn, Dr. Bernhard Kirchner, BG RCI, Mainz und Langenhagen Arbeitgeber: __________________________________________________________ Hand- und Hautschutzplan Arbeitsbereich /Arbeitsplatz: Hautgefährdende Tätigkeit*: *Weitere Informationen zu den in diesem Arbeitsbereich/Arbeitsplatz vorkommenden Gefährdungen bzw. Gefahrstoffen siehe Betriebsanweisung und Unterweisung Schutzmaßnahmen Was? Wann? Womit? VOR Arbeitsbeginn (nach Pausen und ggf. nach dem Händewaschen) Hautschutzpräparat: Hautschutz (Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!) WÄHREND der Arbeit (vor Pausen und vor Arbeitsschluss) Hautreinigungsmittel: NACH der Arbeit (nach dem letzten Händewaschen) Hautpflegepräparat: Hautreinigung (Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!) Hautpflege (Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!) Verantwortlich für den Hand- und Hautschutzplan: Unterschrift: Stand: Musterhautschutzplan. Praktizierter Hautschutz im Betrieb. Foto: bgrci 29 __________________________________________________________ BG RCI.magazin 3/4 2016 AUS DER PRAXIS Auf der Domotex in Hannover: Beratung in Sachen „Sicherer Umgang mit Asbest bei Sanierungsarbeiten“. Foto: bgrci/br Die BG RCI auf der Heimtextil und der Domotex 2016 Neue Präventionsmedien für Raumausstatter vorgestellt Das Beratungsangebot der BG RCI für die zahlreichen Messebesucher der Heimtextil in Frankfurt am Main konzentrierte sich zum Start ins neue Jahr auf das Thema persönliche Schutzausrüstungen, insbesondere auf den Hand- und Hautschutz. So wurden verschiedene Schutzhandschuhe, die Hand- und Schnittverletzungen vermeiden helfen, vorgestellt. Wie sich zeigte, ist in vielen Betrieben nicht bekannt, welch breites Spektrum an Schutzhandschuhen der Markt mittlerweile bietet, um auch ganz spezielle betriebliche Probleme in diesem Bereich zu bewältigen. Passend dazu wurde erstmals die neue BG RCI-Kurzinformation „Vermeidung von Hand- und Schnittverletzungen“ vorgestellt. Darin werden auf Wunsch des Zen tralverbands Raum und Ausstattung (ZVR) die wesentlichen Aspekte knapp, aber in der Sache umfassend beschrieben. Ziel ist es, die Zahl der noch immer häufigen Hand- und Schnittverletzungen in absehbarer Zeit deutlich zu reduzieren. Die Kurzinformation enthält deshalb auch eine Checkliste. Sie ermöglicht es dem Betrieb, zu diesem Thema schnell einen Überblick über die eigene Gefährdungssituation zu gewinnen. Eine weitere Kurzinformation befasst sich mit dem sicheren Einsatz von Leitern. Eine Auswertung der für Raumausstatter typischen Unfälle hat ergeben, dass Leiterunfälle für die betroffene Person oft mit dauerhaften Folgen verbunden sind. Gerade angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels kann dies für die Betriebe zu einem existenziellen Problem werden. Neben vielen Tipps für den Alltag findet sich auch bei dieser Kurzinformation eine Checkliste, 30 anhand derer Leitern und Tritte überprüft werden können. die betrieblichen Gegebenheiten anzupassen. Beide Kurzinformationen sind auf der Basis der zwischen der BG RCI und dem ZVR geschlossenen Vereinbarung zur Umsetzung der neuen Präventionsstrategie „Vision Zero“ entstanden und stehen unter downloadcenter.bgrci.de zur Verfügung. Die Schriften wurden von Fachleuten sorgfältig erarbeitet. In jedem Fall ist die verantwortliche Person im Betrieb jedoch in der Pflicht, die Vorlagen zu prüfen und an Die Domotex in Hannover bot mit ihrem speziellen Messeprofil direkt im Anschluss Gelegenheit, über die neue Kennzeichnung von Gefahrstoffen zu informieren. Neu vorgestellt wurde zudem die Broschüre „Asbesthaltige Bodenbeläge – Was ist zu tun?“ (A 059-1). Sie gibt Antworten auf Fragen wie diese: •Welche Krankheiten können durch Asbestfasern verursacht werden? •Wie können asbesthaltige Bodenbeläge aussehen? •Wie wird bei Verdacht auf asbesthaltige Bodenbeläge vorgegangen? •W ie wird vorgegangen, wenn Asbest nachgewiesen wird? M 059-1 Asbesthaltige Bodenbeläge Was ist zu tun? 1/2016 Die Kleinbroschüre ist unter medienshop. bgrci.de erhältlich. Der Medienshop ist die zentrale Informations- und Bestellplattform für sämtliche Präventionsmedien der BG RCI. Mitgliedsbetriebe erhalten diese Medien in einer der Betriebsgröße angemessenen Anzahl in aller Regel kostenlos. Burkhard Rehn, BG RCI, Mainz Fotos: bgrci/Enderlein AUS DER PRAXIS Wertvoller Rohstoff für das weiße Gold. Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden Verein der Zuckerindustrie und BG RCI unterzeichnen Kooperationsvereinbarung Der Verein der Zuckerindustrie (VdZ) und die BG RCI haben jetzt in Berlin eine gemeinsame Initiative für noch mehr Arbeitssicherheit gestartet. Die Kooperationsvereinbarung ist Teil der neuen BG RCI-Präventionsstrategie „Vision Zero. Null Unfälle – gesund arbeiten!“ Ziel der Strategie ist es, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass niemand zu Schaden kommt. „Der Verein der Zuckerindustrie ist stolz darauf, zu den ersten Branchen zu gehören, die eine solche Vereinbarung mit der BG RCI abgeschlossen haben“, sagte der VdZ-Vorsitzende Axel Aumüller anlässlich der Vertragsunterzeichnung. Bereits beim XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014 in Frankfurt hatte der VdZ die Vision Zero-Aktivitäten der Zuckerindustrie vorgestellt. „Die Vereinbarung ist jetzt der nächste logische Schritt. Sie trägt zudem der traditionell guten Zusammenarbeit zwischen Zucker- industrie und BG RCI Rechnung“, fügte Aumüller hinzu. lebens Stück für Stück Wirklichkeit werden zu lassen“, sagte Meesmann. Ulrich Meesmann, Mitglied der BG RCIGeschäftsführung, zeigte sich überzeugt, dass letztlich alle Unfälle und Berufskrankheiten verhindert werden können: „Dazu müssen Sicherheit und Gesundheit als elementare Werte aller Menschen anerkannt und Führungskräfte sowie Beschäftigte in den Betrieben ihrer Verantwortung gerecht werden. Gemeinsam werden wir es schaffen, die Vision eines unfallfreien Arbeits- Die neue Präventionsstrategie gibt konkrete Ziele vor, die bis zum Jahr 2024 erreicht werden sollen. So soll das Arbeitsunfallrisiko um 30 Prozent verringert werden, die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle um 50 Prozent sinken und die Anzahl der unfallfreien Betriebe gesteigert werden. Erreicht werden soll dies durch verbesserte Analysen von Unfallschwerpunkten, die besondere Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und durch intensivierte persönliche Beratung in den Betrieben. Axel Aumüller (l.), Vorsitzender des Vereins der Zuckerindustrie (VdZ), und Ulrich Meesmann, Mitglied der Geschäftsführung der BG RCI, unterzeichneten in Berlin einen Kooperationsvertrag über den weiteren Ausbau der Arbeitsschutzmaßnahmen in der Zuckerindustrie. Foto: bgrci/vdz Michael Ricke-Herbig Zuckerindustrie bereits sehr erfolgreich im Arbeitsschutz Die deutsche Zuckerindustrie ist bereits auf einem guten Weg. Hier waren 2014 insgesamt 5.648 Vollarbeiter beschäftigt. Davon erlitten 65 einen meldepflichtigen Arbeitsunfall. Das entspricht einer Quote von 11,5 Unfällen je 1.000 Mann. Zum Vergleich: Die 1.000-MannQuote aller von der BG RCI betreuten Branchen lag im gleichen Jahr bei 18,3, die aller gewerblichen Berufsgenossenschaften bei 22,27. Damit ist die Zuckerindustrie einer der am sichersten arbeitenden Industriezweige in Deutschland. bgrci/nul 31 BG RCI.magazin 3/4 2016 BERICHTE UND INFORMATIONEN „Das musste ja so kommen“ Wann und warum die Berufsgenossenschaft Regressansprüche geltend macht Von Kirsta Müller-Lajs Zu den Aufgaben der Berufsgenossenschaften zählen vornehmlich Prävention und Rehabilitation. Beide Aufgabenbereiche lassen sich aber nur dann bewältigen, wenn dafür auch die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden sind. Diese Gelder werden weitaus überwiegend von den Mitgliedsunternehmen durch Beiträge aufgebracht. Zur Entlastung der beitragszahlenden Solidargemeinschaft hat die Berufsgenossenschaft den gesetzlichen Auftrag, nach einem Wege- oder Arbeitsunfall zu prüfen, ob es einen Unfallverursacher gibt und dieser in Regress genommen werden kann. Diese Erstattungsansprüche der Berufsgenossenschaft können sich sowohl gegen betriebsfremde Dritte richten, aber auch gegen die Verantwortlichen eines Mitgliedsunternehmens. In beiden Fällen wird meistens eine Haftpflichtversicherung für den Ersatzanspruch der Berufsgenossenschaft aufkommen. Diese Regressnahme seitens der Berufsgenossenschaft mag für manchen überraschend sein, denn grundsätzlich sind der Unternehmer oder die Unternehmerin und sonstige verantwortliche Unternehmensrepräsentanten wie auch die versicherten Mitarbeitenden bei einem fahrlässig verursachten Unfall eines Beschäftigten nicht schadensersatzpflichtig. Ihre Haftung wird durch die gesetzlich normierte Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft für einen Unfall abgelöst. verursacht werden. § 110 SGB VII (Sozialgesetzbuch VII) bestimmt, dass in diesen Fällen der Berufsgenossenschaft alle Aufwendungen zu ersetzen sind, die sie wegen des Unfalls für den Verletzten oder dessen Hinterbliebene erbringen muss. Dieser Anspruch ist lediglich der Höhe nach begrenzt durch den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, welcher den geschädigten Personen (ohne die gesetzliche Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft) gegenüber dem Unfallverursacher zugestanden hätte. Diese Haftungsfreistellung ist darin begründet, dass die Unternehmen die gesetzliche Unfallversicherung durch ihre Beiträge finanzieren und zum Ausgleich dafür die Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen gleichsam wie eine Haftpflichtversicherung eintritt. Im Gegenzug dafür erhält der Geschädigte, der keine Forderungsrechte, also auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Unternehmer oder sonstige Betriebsangehörige hat, mit dem Unfallversicherungsträger einen leistungsfähigen Schuldner, der für seine medizinische sowie berufliche Rehabilitation und Entschädigung einsteht. Von besonderer Bedeutung bei diesem gesetzlich normierten Rückgriffsrecht sind dabei die beiden Schuldformen Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Vorsätzlich verursachte Unfälle treten in der Praxis selten auf und beschränken sich meist auf tätliche Auseinandersetzungen, also Prügeleien, die im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit gelegentlich entstehen. Zu denken ist beispielsweise an den Fall, dass der Vorgesetzte und ein Arbeitnehmer wegen der Art und Weise der Arbeitsausführung in Streit geraten und handgreiflich werden. Die dabei entstehenden Verletzungen gelten stets dann als vorsätzlich herbeigeführt, wenn nicht nur die verursachende Tat, sondern auch die Schadensfolge gewollt war. Ein weiterer Grund für diese Haftungsfreistellung liegt schließlich darin, dass dadurch Spannungen und Gerichtsprozesse, die den Betriebsfrieden belasten, vermieden werden. Ausgenommen von dieser Haftungsablösung sind jedoch Arbeitsunfälle, die vorsätzlich oder grob fahrlässig von der Unternehmensführung oder von sonstigen Verantwortlichen oder einem Mitarbeiter 32 Im Gegensatz zu dieser nur selten vorkommenden vorsätzlichen Schadensverursachung hat sich die Regressabteilung der Berufsgenossenschaft aber häufig mit grob fahrlässig herbeigeführten Unfällen zu befassen. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit wird im Gesetz nicht definiert. Zu seiner Auslegung existieren aber viele Gerichtsurteile. Darin hat die Rechtsprechung diese Schuld- form immer dann bejaht, wenn die jeweils erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen des Falls in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist und der Unfallverursacher schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht einmal das beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Als Faustregel gilt hier: „Das musste ja so kommen.“ Unter Berücksichtigung der strengen Voraussetzungen, welche die Rechtsprechung an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit stellt, liegt diese Schuldform beispielsweise dann vor, wenn sich der Unfall an einer unzureichend gesicherten Maschine ereignet und die Aufsichtsperson bereits vor dem Unfall die Verantwortlichen zur Umrüstung der Maschine aufgefordert hatte, diese aber dennoch nicht für Abhilfe sorgten. Eine weitere Fallgruppe, bei welcher von der Rechtsprechung grobe Fahrlässigkeit bejaht wurde, sind Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, die vor tödlichen Gefahren schützen sollen. Fehlen beispielsweise Absturzsicherungen und ereignet sich deswegen ein Unfall, wird von der Rechtsprechung bei einer Absturzhöhe von fünf Metern grundsätzlich ein grob fahrlässiges Verhalten bejaht, weil bei diesem Sachverhalt eine Gefährdung für die Beschäftigten offensichtlich ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt auch bei Manipulationen an Schutzeinrichtungen vor, wenn die Verantwortlichen von dem sicherheitswidrigen Zustand Kenntnis hatten und diesen gleichwohl duldeten. 3/4 2016 BG RCI.magazin Deshalb hat die Berufsgenossenschaft zum Beispiel auch bei einem Unfall an einer Drehmaschine, bei welcher die herstellerseits vorgesehene Sicherheitseinrichtung manipuliert worden war, von ihrem Rückgriffsrecht Gebrauch gemacht. Die Sicherheitseinrichtung war unwirksam, weil der Sicherheitsschalter demontiert worden war. Daher konnte eine Beschäftigte in den Gefahrenbereich gelangen und erlitt dabei schwere Handverletzungen. Werden vom Hersteller vorgesehene Sicherheitseinrichtungen nicht genutzt, so kann dies ebenfalls Anlass für ein Rückgriffsverfahren gem. § 110 SGB VII sein. So wurden in der Vergangenheit beispielsweise Regressansprüche geltend gemacht, weil ein Betrieb die bei einer Kolbenschließmaschine vorgesehene und herstellerseits nachgerüstete Zweihandschaltung nicht benutzte, um das Arbeitstempo nicht zu verlangsamen. Die vorhersehbare und vermeidbare Folge dieser Vorgehensweise war, dass der Mitarbeiter bei der Verschließung einer Kartusche mittels Fußsteuerung in den Gefahrenbereich der Kolbenschließmaschine geriet und verletzt wurde (s. Abb.). Die Regulierung erfolgt in derartigen Fällen grundsätzlich durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Mitgliedsunternehmens. Diese ist – anders als beispielsweise im Kaskobereich – auch bei einem grob fahrlässig herbeigeführten Unfall eintrittspflichtig. Nur dann, wenn ausnahmsweise kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht, kann der Sozialversicherungsträger gem. § 110 Abs. 2 SGB VII nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unfallverursachers, auf den Ersatzanspruch (ganz oder teilweise) verzichten. Insgesamt gesehen ist die Anzahl der Ansprüche gem. § 110 SGB VII – gemessen am Gesamtvolumen der Regressfälle – gering. Überwiegend werden von der Berufsgenossenschaft gem. § 116 SGB X Schadensersatzansprüche gegenüber betriebsfremden Dritten, welche den Unfall verursacht haben, erhoben. Bei dieser Anspruchsgrundlage reicht fahrlässiges Handeln der Person, die den Unfall herbeigeführt hat, für eine Haftung aus. In besonderen Fällen ergibt sich eine Eintrittspflicht sogar bereits aus einer Gefährdungshaftung. In Betracht kommen hier beispielsweise die Tierhalterhaftung oder die Halterhaftung für ein Kfz. Die Ersatzansprüche gegen betriebsfremde Dritte sind vielfältig. Sie werden beispielsweise gegen Fremdfirmen und deren Arbeitnehmer erhoben. In Regress können aber auch Personen genommen werden, die Verkehrsunfälle verursacht haben. Zu denken ist hier insbesondere an die zahlreichen Unfälle Beschäftigter auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Ansprüche gegen Dritte können sich auch gegen Ärzte, denen bei der Behandlung berufsgenossenschaftlich Versicherter ein Kunstfehler unterlaufen ist, oder Hersteller und Importeure von Geräten und Maschinen, an denen Beschäftigte von Mitgliedsunternehmen zu Schaden gekommen sind, richten. In diesen Fällen haben die Mitarbeitenden in einem Mitgliedsunternehmen auch Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Unfallverursacher. Der Betrieb kann zudem Ersatz der von ihm erbrachten Geldleistungen im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes verlangen. Er kann aber auch – wenn der Unfall zu einer höheren Beitragsbelastung durch die Berufsgenossenschaft führt – den Unfallverursacher ggf. wegen dieser finanzi- ellen Mehrbelastung in Anspruch nehmen (vgl. BGH NJW 1989, 2115-2117). Je nach Branche bestimmt die Satzung der BG RCI sogar, dass bei einem Alleinverschulden eines Dritten der Unfall im Beitragsausgleichsverfahren nicht zu berücksichtigen ist. Im Zuge der künftigen Gefahrtarifrevisionen ist beabsichtigt, diese Regelungen zum Beitragsausgleichsverfahren zu vereinheitlichen. Insgesamt gesehen empfiehlt es sich, dass in Fällen, in denen Schadensersatzansprüche gegen Dritte in Betracht kommen, die betroffenen Beschäftigten, das Mitgliedsunternehmen, die Regressabteilung der Berufsgenossenschaft und die jeweils zuständige Aufsichtsperson eng zusammenarbeiten, um berechtigte Schadensersatzansprüche erfolgreich durchzusetzen. Denn perfektes Zusammenspiel zahlt sich aus. Die Geltendmachung von Regressansprüchen sowohl gem. § 110 SGB VII als auch gem. § 116 SGB X ist sicher unangenehm für denjenigen, der damit konfrontiert wird. Die Arbeit der Regressabteilung der Berufsgenossenschaft hat aber auch positive Effekte, denn zum einen entlasten die Regresseinnahmen die Solidargemeinschaft und bewirken eine Senkung der Mitgliedsbeiträge, zum anderen wird durch die Einleitung des Regressverfahrens der Unfallverursacher direkt mit seinem sicherheitswidrigen Handeln konfrontiert, während er andernfalls möglicherweise völlig unbehelligt bliebe, weil ja die Berufsgenossenschaft gegenüber den Verletzten für die Unfallfolgen aufkommt. Im letzten Jahr konnte die Abteilung Regress der BG RCI Einnahmen aus Ersatzansprüchen in Höhe von 18,1 Millionen Euro erzielen. Dies ist ein Ergebnis, das allen beitragszahlenden Unternehmen zugutekommt. Kirsta Müller-Lajs BG RCI, Langenhagen Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, empfiehlt sich das perfekte Zusammenspiel aller Beteiligten. Foto: blobbotronic - fotolia.com Unfallsituation an einer Kolbenschließmaschine, bei der die vom Hersteller vorgesehene Zweihandschaltung nicht benutzt wurde. Illu: bgrci BERICHTE UND INFORMATIONEN 33 BG RCI.magazin 3/4 2016 Illu: Anne Treppner BERICHTE UND INFORMATIOEN Aus der Rechtsprechung Rauchen – ungesund und unversichert! Eine Pflegehelferin machte während der Arbeitszeit eine Raucherpause, die sie wegen des Rauchverbots in den Betriebsräumen außerhalb des Gebäudes verbringen musste. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz stürzte sie in der Eingangshalle des Betriebsgebäudes und verletzte sich. Das Sozialgericht Berlin hat einen Arbeitsunfall verneint. Rauchen sei eine persönliche, eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Dies gelte auch dann, wenn Beschäftigte wegen eines Rauchverbots am Arbeitsplatz gezwungen seien, das Gebäude zum Rauchen zu verlassen. Daher seien auch die Wege zwischen Arbeitsplatz und Raucherzone unversichert. An dieser Beurteilung könne selbst die Annahme einer immensen Nikotinabhängigkeit nichts ändern. (Urteil des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 23.01.2013 – S 68 U 577/12 –) Impfschaden nach Grippeschutzimpfung unversichert Sturz bei Durchschreiten der Haustür Essen in Kantine – unversichert bis zur Außentür Die Mitarbeiterin eines Museums mit Publikumsverkehr ließ sich aufgrund eines Angebots ihres Arbeitgebers vom Betriebsarzt gegen Grippe impfen. Als Folge der Impfung erlitt sie einen Impfschaden (Erkrankung der Nervenbahnen mit Lähmungen und Gefühlsstörungen). Ein Arbeitnehmer verletzte sich auf dem Weg zur Arbeit beim Verlassen seines Wohnhauses. Er hatte sich den Fuß zwischen der sich schließenden Außenhaustür und der Türschwelle eingeklemmt und war gestolpert. Er stürzte jenseits der Außentür und verletzte sich das linke Knie. Eine versicherte Lehrerin war mangels Schulkantine zum Mittagessen in die Kantine einer benachbarten Sparkasse gegangen. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz stürzte sie noch im Treppenhaus des Sparkassengebäudes und verletzte sich am Knie. Das Sozialgericht Dortmund lehnte einen Arbeitsunfall ab. Maßnahmen zur Erhaltung oder der Wiederherstellung der Gesundheit, worunter auch eine allgemeine Grippeschutzimpfung falle, gehörten zum unversicherten persönlichen Lebensbereich. Selbst wenn die Impfung (auch) der Erhaltung der Arbeitskraft und damit dem Interesse des Unternehmens diene und dafür betriebliche Einrichtungen in Anspruch genommen würden, könne dies den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht begründen. Eine Anerkennung als Arbeitsunfall komme nur dann in Betracht, wenn die mit der Tätigkeit verbundene Gefährdung eine Grippeschutzimpfung über die allgemeine Gesundheitsfürsorge hinaus erforderlich mache. Eine solche Gefährdung habe hier nicht vorgelegen. Im Gegensatz zum Unfallversicherungsträger und dem Sozialgericht Frankfurt/Oder hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen versicherten Wegeunfall bejaht. Der Versicherungsschutz auf Wegen zur Arbeit beginne mit dem Durchschreiten der Außentür des Hauses. Entscheidend sei dabei, wo die Verletzung passiert sei, nicht, wo die Ursache gelegen habe. Da der Arbeitnehmer sich erst nach dem Passieren der äußeren Zugangstür verletzt habe, sei der Versicherungsschutz zu bejahen. (Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 05.08.2014 – S 36 U 818/12 –) 34 (Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 20.09.2012 – L 2 U 3/12 –) Der Unfallversicherungsträger und das Sozialgericht Karlsruhe haben einen versicherten Wegeunfall verneint. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat dies bestätigt. Der Rückweg zum Arbeitsplatz innerhalb der Räume der Sparkasse habe noch nicht zu den von der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegen gehört. Bei Wegen zur Nahrungsaufnahme ende der Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde, und beginne erst wieder, wenn das Gebäude zwecks Rückkehr zum Arbeitsplatz durch die Außentür verlassen werde. (Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 13.12.2013 – L 8 U 1506/13 –) Irene Peters, BG RCI, Heidelberg 3/4 2016 BG RCI.magazin BERICHTE UND INFORMATIONEN Ein gutes Team: Fahrer Frank Weidlich, Röntgenassistentin Grit Lange, Arbeitsmediziner Matthias Bradatsch und Brandoberinspektor Holger Marschallek im Sondereinsatz. Fotos: bgrci/Anke Wunschik BG RCI-Röntgenmobil im humanitären Sondereinsatz Röntgenuntersuchungen von Flüchtlingen Die Flüchtlingsfrage ist das nach wie vor beherrschende Thema in den Medien, in Gesellschaft und Politik. Hunderttausende Menschen sind vor Krieg und Zerstörung nach Europa geflohen, mussten Heimat, Freunde und Familien, ihre Habseligkeiten, ihr Lebensumfeld zurücklassen. Viele von ihnen sind bei uns in Deutschland angekommen und hoffen auf Unterstützung. Unzählige freiwillige Helfer sind bis zur Erschöpfung im Einsatz, um die Not zu lindern. Die Zahl der Flüchtlinge hat auch Ministerien, Ämter und Behörden in Bedrängnis gebracht. So erreichte im Spätsommer des vergangenen Jahres eine Anfrage des Hessischen Innenministeriums die BG RCI. Für die völlig überlaufenen hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen in Burbach und in Gießen wurde ein Röntgenmobil gesucht, um die Neuankömmlinge auf ernsthafte infektiöse Erkrankungen, zum Beispiel Lungenentzündung oder Tuberkulose, zu untersuchen. Die BG RCI sprang ein. Unbürokratisch entschieden Vorstand und Beirat, das eigentlich für vorsorgende Röntgenuntersuchungen von Belegschaften der Mitgliedsbetriebe eingesetzte Röntgenmobil zur Verfügung zu stellen. Und natürlich nicht nur das Gefährt, sondern auch das ganze Team um Matthias Bradatsch, Leiter der arbeitsmedizinischen Vorsorge der BG RCI in Langenhagen. „Ich habe mein Team gefragt, ob es sich solch einen Einsatz zutraut. Das kann man nicht einfach verordnen, das sind schon hohe Belastungen, denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da ausgesetzt sind“, erklärt Bradatsch. „Fieber, kaputte Füße, man sieht den Ankömmlingen an, dass sie einen weiten Weg hatten. Wir haben auch schon Schrotkugeln in der Lunge entdeckt.“ Zum Team gehören zwei Röntgenassistentinnen, ein Röntgenassistent und zwei Fahrer. Dienst wird im 14-Tage-Rhythmus gefahren, dann wird gewechselt. Dramatisch war die Lage in Hessen im vergangenen September. In Gießen wurden täglich rund 70 bis 100 Flüchtlinge untersucht. „Ein Knochenjob“, berichtet Bradatsch. Seit Dezember 2015 steht das Röntgenmobil in Heidelberg in der ehemaligen USDas Röntgenmobil der BG RCI • Leistung der Zugmaschine: 480 PS • Gesamtgewicht des Zuges: 28 Tonnen • Gesamtlänge des Zuges: 16,83 Meter • Gesamthöhe: 3,80 Meter • Reisezeit: Von März bis November • ca. 3.000 Untersuchungen pro Jahr Zielgruppe: Betriebe von 3 bis 50 Mitarbeitern, insbesondere aus den Bereichen Steinbruch oder Steinmetze; Vorsorgeuntersuchungen bei Belastungen mit Quarzstaub oder Asbest (Silikose, Asbestose). Siedlung Patrick Henry Village. Dort ist die Lage inzwischen entspannt. Zum einen kommen nicht mehr so viele Flüchtlinge, zum anderen ist das „Zentrale Registrierungszentrum“ des Landes perfekt organisiert. „Zwischen Ankunft und fertigem Asylantrag liegen gerade mal zehn bis vierzehn Tage, woanders dauert das wesentlich länger“, erklärt Brandoberinspektor Holger Marschallek, Mitglied der Projektgruppe am früheren US-Standort. In dieser Zeit werden die Flüchtlinge registriert, ärztlich untersucht und können den Asylantrag stellen. Fachleute der Thoraxklinik werten die Röntgenbilder aus. Bei positivem Befund werden die Flüchtlinge in die Klinik überstellt. Im März sind im Patrick Henry Village zwei neue stationäre Röntgenstationen in Betrieb gegangen. Für Bradatsch und sein Team kehrte damit wieder Alltag ein. „Ich bin den Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar für den Einsatz, sie haben sehr viel Engagement gezeigt, das war einfach Spitze“, lobt Bradatsch. „Die Geschichten der Flüchtlinge nimmt man mit nach Hause.“ Petra Singer, BG RCI, Heidelberg 35 BG RCI.magazin 3/4 2016 BERICHTE UND INFORMATIONEN „Denk an mich. Dein Rücken“ 170.000 Betriebe zu rückengerechter Arbeit beraten Präventionskampagne beendet / Zahlreiche – aber nicht alle – Veranstaltungs module sind noch bis Ende des Jahres ausleihbar Foto: ©BlueSkyImages - fotolia.com Die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ ist zu Ende gegangen. Drei Jahre warben Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und die Knappschaft dafür, Rückenbelastungen bei der Arbeit, in der Schule und in der Freizeit zu verringern. •Mehr als 12.000 Seminare und Seminarmodule zur rückengerechten Arbeitsgestaltung •Broschüren, Filme zu Beispielen guter Praxis, Messebeteiligungen und Pressemitteilungen rund um das Rückenthema Die Kampagne lief von 2013 bis einschließlich 2015. Insgesamt wurden in dieser Zeit rund 170.000 Unternehmen und Einrichtungen zur rückengerechten Gestaltung der Arbeit beraten. Zu den Angeboten der Kampagne zählten zudem: •Die Unterstützung von Betrieben bei über 3.500 Aktions- und Gesundheitstagen zur Rückengesundheit „Unser Engagement für die Rückengesundheit hört mit dem Ende der Kampagne natürlich nicht auf“, sagt Dr. Walter Eichendorf vom Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Zum einen seien zahlreiche, jedoch nicht alle Veranstaltungsmodule der Kampagne noch bis Ende des Jahres verfügbar. Zum anderen engagierten sich die Unfallversiche- Nur noch bis 31. Juli 2016 buchbar! www.aktionsmedien-bg.de | www.bgrci.de 36 rungsträger im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie weiter für die Prävention von Muskel-Skeletterkrankungen (www.gdabewegt.de). Nicht zuletzt fließen die Erfahrungen in die nächste Präventionskampagne ein. Sie hat zum Ziel, die Kultur der Prävention in den Unternehmen zu fördern. Die neue Kampagne soll 2017 starten. Sie wird verschiedene Aspekte der sicheren und gesunden Gestaltung der Arbeit thematisieren, zum Beispiel Führungs- und Fehlerkultur, Kommunikation und Prävention als integrale Bestandteile aller Unternehmensaktivitäten. nul 3/4 2016 BG RCI.magazin BERICHTE UND INFORMATIONEN Umfrage Wie erholsam ist der Feierabend? Endlich Feierabend! Zeit, um auszuruhen, mit Freunden und Familie zusammen zu sein und den Hobbys nachzugehen. Aber gelingt es Berufstätigen, sich im Feierabend ausreichend von ihrem Arbeitstag zu erholen? Die gute Nachricht: Fast zwei Drittel aller Befragten (62 %) antworten darauf in einer repräsentativen Umfrage der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ mit „Ja“ oder „eher Ja“. 37 Prozent beklagen hingegen, eher keine ausreichende Erholung zu erlangen. 45 Prozent der Befragten geben an, nach der Arbeit stark oder sehr stark erholungsbedürftig zu sein. 54 Prozent gehen weniger oder gar nicht gestresst in den Feierabend. Allerdings ist auch die Freizeit häufig verplant und nicht „frei verfügbar“. Mehr als die Hälfte der Personen, die das Gefühl haben, sich während ihres Feierabends nicht ausreichend erholen zu können, fühlt sich auch hier unter Zeitdruck. Der Feierabend erscheint ihnen einfach zu kurz. Dazu tragen Überstunden und Pendelzeiten bei, aber auch familiäre Verpflichtungen (36 %). Ständig für Kollegen und Chefs erreichbar zu sein, spielt nur bei einer Minderheit derer, die sich nicht ausreichend erholt fühlen, eine Rolle. 14 Prozent geben an, auch am Feierabend noch für dienstliche Aufgaben zur Verfügung stehen zu müssen. Was kann man tun, um nach der Arbeit richtig abzuschalten? „Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort“, sagt Prof. Dirk Windemuth vom Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV, Dresden. „Jemand, der körperlich stark beansprucht ist in seinem Beruf, braucht sicher einen anderen Ausgleich als Beschäftigte, die im Büro sitzen. Generell fördert es aber die Erholung, nicht mehrere Dinge gleichzeitig erledigen zu wollen, sondern sich bewusst für eine Aktivität zu entscheiden. Zum Beispiel einen Film schauen, ohne nebenher die Mails zu checken, oder beim Spieleabend mit der Familie nicht gleichzeitig noch die Urlaubsplanung zu besprechen.“ Der Gesundheit tue man mit einer bewussten Beschränkung Gutes, denn Stress durch dauerndes sogenanntes Multitasking im Beruf und in der Freizeit könne zu Problemen führen, zum Beispiel Rückenschmerzen. dguv/n Gold und Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“ Präventionskampagne mit zwei German Stevie Awards ausgezeichnet Passend zu ihrem Abschluss erhält die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ zwei German Stevie Awards in Gold und Silber. Die German Stevie Awards sind Wirtschaftspreise für deutsche Unternehmen, mit denen herausragende Leistungen ausgezeichnet werden: vom Manager des Jahres über die Marketingkampagne des Jahres bis hin zum Produkt des Jahres. Eine Jury aus Wirtschafts- und Branchenexperten urteilt über die eingereichten Bewerbungen. Mit der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ warben Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) und die Knappschaft drei Jahre lang dafür, Rückenbelastungen bei der Arbeit, in der Schule und in der Freizeit zu verringern. Die Aktivitäten reichten von Ak- tions- und Gesundheitstagen, Seminaren und Betriebsberatungen bis hin zu einer umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit. Für dieses Engagement erhält die Kampagne zwei German Stevie Awards in den folgenden Kategorien: •Gold für „Deutschland bewegt Herbert“, die Social-Media Kampagne im Rahmen der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ in der Kategorie Kommunikations- oder PR-Kampagne im Bereich Social-Media basierte PR •Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“ in der Kategorie Marketing-Kampagne des Jahres im Bereich Gesundheit, Gesundheitliche Bildung und Aufklärung „Wir freuen uns sehr über die Stevie Awards. Sie sind eine schöne Bestätigung für unsere Kampagne. Sie ermutigen uns, auch in unserer nächsten Kampagne zur Präventionskultur neue Kommunikationswege zu gehen“, sagte Dr. Walter Eichendorf von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) anlässlich der Auszeichnung. dguv 37 BG RCI.magazin 3/4 2016 BERICHTE UND INFORMATIONEN Sicherer Start in die Motorrad-Saison Nicht nur die Maschine verdient zum Saisonbeginn einen prüfenden Blick, sondern auch die Schutzkleidung des Fahrers und Beifahrers. Eventuell muss die vorhandene Ausrüstung für die neue Saison erneuert oder vervollständigt werden. Motorradkleidung muss nicht nur vor Witterungseinflüssen schützen und im Falle eines Unfalls Verletzungen verhindern. Sie sollte auch komfortabel sein, damit die Fitness des Fahrers nicht eingeschränkt wird. Viele Biker bevorzugen Textilanzüge, die mehr Bewegungsfreiheit, einen besseren Kälteschutz und eine höhere Atmungsaktivität bieten als klassische Lederkombis. Zudem sind sie zumeist regentauglich. Ein Lederanzug hingegen sitzt enger, flattert weniger und ist bei einem Sturz zumeist abriebfester als ein Dress aus Textilmaterial. Für welches Material man sich auch entscheidet: Auf jeden Fall sollte der Anzug mit aufpralldämpfenden Protektoren mit CE-Zeichen ausgestattet sein. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) weist darauf hin, dass nicht nur das Material der Protektoren, sondern auch deren guter Sitz Foto: ©FocusEye - iStock.com Nicht nur die Maschine, auch die Schutzkleidung verdient regelmäßig eine gründliche Prüfung, ebenso der Helm. 38 an den gefährdeten Körperregionen den Unfallschutz beeinflusst. Falls der Anzug selbst nicht mit einem eingearbeiteten Rückenprotektor ausgestattet ist, kann dieser auch separat gekauft werden. Beim Neukauf von Kleidung sollte man sich gegen das traditionelle Schwarz entscheiden und stattdessen gut sichtbare Signalfarben wählen, empfiehlt der DVR. So wird man von anderen Verkehrsteilnehmern besser wahrgenommen. Bereits seit einiger Zeit werden Westen und Jacken angeboten, die mit Airbags ausgestattet sind. Ein Problem stellte bisher die zuverlässige und schnelle Auslösung der Luftpolster dar. Ein Bekleidungshersteller bietet nun eine Lösung an: Das Motorrad wird mit Sensoren und Steuerungselementen ausgerüstet, die bei einem Aufprall drahtlos die Airbags in der Weste oder Ja- cke auslösen. Umfangreiche Tests haben die Zuverlässigkeit des Systems belegt. Die häufigsten Verletzungen entstehen bei Motorradunfällen übrigens im Fuß- und Beinbereich. Daher gehören nach Meinung der Unfallforscher möglichst wadenhohe Stiefel zum korrekten Motorrad-Outfit. Schließlich sollte auch der Helm einer kritischen Sichtung unterzogen werden: Ist er noch tauglich für die neue Saison? Weist vielleicht das Visier starke Kratzer auf und muss erneuert werden? Auch die beste Schutzkleidung kann nicht alle denkbaren Folgen einer Kollision oder eines Sturzes ausgleichen. Jeder Motorradfahrer sollte daher stets besonnen und defensiv unterwegs sein, damit der Spaß am motorisierten Zweirad ungetrübt bleibt. dvr/nul 3/4 2016 BG RCI.magazin BERICHTE UND INFORMATIONEN Verkehrssicherheit Unfallbilanz 2015: Anstieg bei den Getöteten um 2,9 Prozent Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen Jahr 3.475 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das sind 98 Todesopfer mehr als im Vorjahr. 393.700 Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, ein Anstieg um 1,1 Prozent. „Die Zahlen der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten haben nach 2014 leider auch 2015 zugenommen. Sie sind ein Alarmzeichen. Wir dürfen nicht nachlassen, uns weiterhin anzustrengen, diese Entwicklung wieder umzukehren. Nach wie vor werden täglich neun Menschen auf unseren Straßen getötet, rund 1.000 verletzt. Dies zeigt, dass stetig sinkende Unfallzahlen kein Selbstläufer sind, sondern kontinuierlich große Anstrengungen erfordern“, kommentiert Dr. Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), die Unfallzahlen. Man müsse sich jetzt auf Maßnahmen konzentrieren, die den größten Nutzen versprächen, sagt Eichendorf. Der DVR empfiehlt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf sehr schmalen Landstraßen mit einer Fahrbahnbreite von weniger als sechs Metern auf 80 km/h zu begrenzen. Wo die Sichtweite nicht ausreiche, um gefahrlos zu überholen, solle zudem die Anordnung von Überholverboten geprüft werden. Weiterhin nötig sei die Überwachung und Ahndung erheblicher Geschwindigkeitsübertretungen, um das Verhalten der Autound Motorradfahrer zu einer sicheren und angepassten Fahrweise zu beeinflussen. Nach wie vor spielt die nicht angepasste Geschwindigkeit eine wichtige Rolle im Unfallgeschehen. Eichendorf: „Hohe Geschwindigkeiten gepaart mit mangelndem Sicherheitsabstand führen immer wieder zu schweren Unfällen.“ Darüber hinaus tritt der DVR für ein absolutes Alkoholverbot am Steuer ein. Dabei geht es um die klare Regel: Wer fährt, trinkt nicht und wer trinkt, fährt nicht. Mit der Umsetzung eines Alkoholverbots besteht die Chance, die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten deutlich zu senken. Zudem belegen die Ergebnisse mehrerer repräsentativer Umfragen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz einer solchen Maßnahme. Erfolgversprechend erscheinen auch Feedbacksysteme für junge Fahrer. „Die jungen Leute brauchen längere Lernzeiträume, um die notwendige Professionalität am Steuer zu erlangen“, ist sich der DVR-Präsident sicher. Dazu müssten immer wieder Korrekturschleifen in die Fahrausbildung und die erste Zeit des selbstständigen Fahrens eingebaut werden: „Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, jetzt müssen sie endlich in eine modellhafte Erprobung überführt werden.“ dvr/nul Gefährliche Ablenkung Drei Viertel der Autofahrerinnen und Autofahrer sind der Meinung, dass Telefonieren (78 %) und das Lesen oder Schreiben von SMS (73 %) die gefährlichsten Ablenkungsfaktoren beim Fahren eines Kraftfahrzeugs sind. Dies ergab eine repräsentative Befragung im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) bei 2.000 Personen über 14 Jahren. An dritter Stelle bei der Einschätzung der Gefährlichkeit rangierten die Nutzung des Internets und sozialer Dienste (55 %), gefolgt von der Bedienung des Navigationsgerätes (35 %). Der DVR weist darauf hin, dass nach Schätzung von Experten jeder zehnte Verkehrsunfall durch Ablenkung verursacht wird. Wenn der Blick auf das Display des Smartphones nur zwei Sekunden dauere, lege man bei einem Tempo von 100 km/h bereits 56 Meter im Blindflug zurück. Deshalb seien Ablenkungen beim Fahren zu vermeiden.dvr Drei Viertel der Autofahrer halten das Telefonieren und das Lesen oder Schreiben von SMS für die gefährlichsten Ablenkungsfaktoren beim Fahren eines Kraftfahrzeugs. 39 BG RCI.magazin 3/4 2016 BERICHTE UND INFORMATIONEN ZKZ-Nr.: 57433 ISSN 2193-102X „Erschütternde Wahrheit“ Gehirnerschütterungen immer ernst nehmen Mehr als 44.000 leichte Schädel-Hirn-Verletzungen allein durch Sportunfälle werden jährlich in Deutschland diagnostiziert. Vielfach bleiben sie jedoch unerkannt und werden daher überhaupt nicht behandelt. Welche gravierenden Folgen wiederholte Gehirnerschütterungen haben können, wenn sie nicht therapiert werden, thematisiert das US-amerikanische Sportlerdrama „Erschütternde Wahrheit“, das derzeit in den Kinos läuft. Neurologen der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken fordern daher dazu auf, auch Kopfverletzungen im Sport immer qualifiziert abklären zu lassen. nen und Sportlern eine kompetente Anlaufstelle für die Diagnostik und Therapie von Schädel-Hirn-Verletzungen bieten. Das Netzwerk kooperiert dabei mit der ZNS-Hannelore Kohl Stiftung im Rahmen der Initiative „Schütz Deinen Kopf!“. Sie hat zum Ziel, die Öffentlichkeit und speziell Amateur- und Profisportler, Vereine, Trainer und Betreuer verstärkt für das Problem unerkannter Gehirnerschütterungen zu sensibilisieren. Entsprechende Informationen sowie eine App mit Tipps für den Spielfeldrand sind auf der Seite www.schuetz-deinen-kopf.de abrufbar. Neues Klinik-Netzwerk Im Verbund mit den BerufsgenossenschaftsKliniken in Hamburg, Berlin, Halle und Murnau hat das Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum, das „Schädel-Hirn-Trauma-Netzwerk Sport“ begründet. Es will betroffenen Sportlerin- Die Berufsgenossenschafts-Kliniken verfügen aufgrund ihres besonderen Versorgungsauftrags über umfangreiche Expertise im Bereich der Schädel-Hirn-Verletzungen. Sie haben daher maßgeblich an der Erstellung der Qualitätsstandards „Schädel-Hirn-Verletzungen“ der Deutschen Ge- Eine Elektroenzephalografie (EEG) ist bei der Abklärung eines Schädel-Hirn-Traumas unverzichtbar. Foto: bgh/Volker Daum setzlichen Unfallversicherung (DGUV) mitgewirkt. Sie sind darüber hinaus auch in der Forschung in diesem Bereich engagiert. nul BG RCI. Impressum Herausgeber Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie Kurfürsten-Anlage 62 D-69115 Heidelberg Verantwortlich Thomas Köhler, Ulrich Meesmann, Hans-Jörg Piasecki Chefredaktion Ulrike Jansen Redaktionsleitung Norbert Ulitzka, Bochum ! 40 Kontakt Redaktion BG RCI.magazin Postfach 10 04 29, D-44704 Bochum Hunscheidtstraße 18, D-44789 Bochum Telefon:06221/5108-57008 Telefax:06221/5108-57098 E-Mail:[email protected] Internet:www.bgrci.de Redaktion Dr. Michael Glück, Dr. Matthias Kluckert, Wolfgang Pichl, Burkhard Rehn, Christian van den Berg Redaktionsassistenz Marina Prelovsek, Bochum Grafik Daniela Stork, Bochum Bezugs- und Adressänderungen nur per E-Mail:[email protected] Druck und Versand te Neues Druckereigesellschaft mbH & Co. KG, Kempen Auflage 92.000 Erscheinungsweise 6 Ausgaben jährlich Für unverlangte Einsendungen keine Gewähr. Mit Autorennamen oder Namenszeichen versehene Beiträge geben ausschließlich die Meinungen der jeweiligen Verfasser wieder. 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