BG RCI Magazin, Ausgabe März/April 2016

ROHSTOFFE – BAUSTOFFE . CHEMIE – PAPIER – ZUCKER . HANDWERK
7. Jahrgang . 3/4 März/April 2016
Zeitschrift für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie
Kirchbergs kreative Klebebande
Lagerung von Gasen
Nanomaterialien in der Gefährdungsbeurteilung
Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden
BG RCI.magazin 3/4 2016
EDITORIAL
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Die Arbeitswelt ist im Umbruch. Viele sprechen von einer neuen industriellen Revolution und haben auch schon einen Begriff dafür: Industrie 4.0. Er erstreckt sich nicht nur
auf die Arbeitswelt, sondern auch auf den
gesamten Privatbereich. Im Grünbuch „Arbeiten 4.0“ des Bundesarbeitsministeriums
und dem Kommentar der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung hierzu kommt dies
klar zum Ausdruck.
Die Zahl 4.0 bezeichnet eine neue Entwicklungsphase der Arbeit. Nach Wasser- und
Dampfkraft, der elektrischen Energie und
der Computer-Technologie treiben heute so-
genannte Cyber-Physical-Systems (CPS) die
Entwicklung voran. Manches davon hat bereits Einzug gehalten in unser Leben: Kleinste
Sensoren und Aktoren sammeln Daten über
2
„Physikalisches“, also Dinge. Sie werden als
„Big Data“ über das Internet kybernetisch miteinander verbunden und durch intelligente
Software systematisch verwaltet. Deshalb
spricht man auch vom Internet der Dinge.
Auch Menschen und soziale Prozesse sind
Teil dieser Systeme. Unsere Fitnessarmbänder sammeln Daten, unsere Smartphones,
Autos oder unsere Kochtöpfe. Und in der Arbeitswelt besitzen Arbeitsmittel, Kleidung,
Prozesse oder auch die Räume, in denen wir
uns bewegen, diese Fähigkeit.
Damit erfasst diese Entwicklung nicht zuletzt
auch die Sicherheit und Gesundheit bei der
Arbeit. So werden wir etwa die Zuverlässigkeit
von Arbeitsmitteln viel genauer erfassen können. Sie werden frühzeitig rückmelden, ob sie
Schwachstellen aufweisen. Die Gefährdungsbeurteilung wird in dieser Hinsicht einfacher.
Wir werden in der Lage sein, Gefahrenbereiche so abzusichern, dass Menschen ohne
persönliche Schutzausrüstung diese nicht
mehr betreten können. Es wird intelligente
PSA geben, die auf eine Person einstellbar
ist, Vitalparameter misst und Bewegungen
unterstützen kann, wenn etwa die menschliche Kraft nachlässt. Im Bereich Gesundheit
werden wir psychische Belastungen frühzeitig
ermitteln können. Es wird neue Beteiligungsund Kontrollmöglichkeiten geben, ebenso
neue Formen des Lernens, Informierens und
Unterweisens.
Prävention 4.0 bietet zweifellos große Chancen. Sicherheit und Gesundheit müssen aber
zu einem wichtigen Bestandteil auch der neuen Arbeitsprozesse werden. Die BG RCI will
das vorantreiben. Zugleich sollten wir eine kritische Distanz zu den Entwicklungen bewahren. Wir brauchen Kriterien, die uns helfen,
Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Davon hängt ab, ob sich der Mensch von den
Technologien beherrschen lässt oder sie so
einsetzt, dass sie nachhaltig wirtschaftlich
genutzt werden und zugleich die Zufriedenheit und Gesundheit der Beschäftigten fördern können. Prävention 4.0 ist eine spannende und lohnende Herausforderung. Wir
nehmen sie an.
Ihr
Ulrich Meesmann
Mitglied der Geschäftsführung
3/4 2016 BG RCI.magazin
INHALT
Blickpunkt
Editorial
2
Ergonomische Handwerkzeuge reduzieren
Belastungen und Gefährdungen
4
Deutscher Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016
5
Printmedien für die Prävention
Neuerscheinungen und Überarbeitungen6
Ab durch die Luft?
Bei der Lagerung von Gasen sind verschiedene
Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen8
Beiträge aus dem „Schlema VIII“ – Gefahrstoff­
symposium 2015
Nanomaterialien in der Gefährdungs­beurteilung – Wohin geht die Reise?
12
Menschen für Maschinen – Maschinen für
Menschen
Forum protecT 2016 in Magdeburg15
Praxishandbuch Arbeitssicherheit und
Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie
Jetzt auch online
16
Hoffmann Mineral und Sonax
Erfolgreiches Gütesiegel-Reaudit
Nationale Präventionskonferenz
Corporate Health Award 2015
RAG-Gesundheits­management ausgezeichnet
Vor 70 Jahren
Grimberg III/IV
K+S Kali GmbH, Werk Werra
Grubenwehr: Sicherheitspartnerschaft auch
mit Besucherbergwerken
Landesverbände Südwest und Mitte der DGUV
Tag der Arbeits­sicherheit
24
BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“
BASF Business Services ausgezeichnet
24
Euticals GmbH, Höchst
7.000 Tage ohne meldepflichtigen Unfall
25
BG RCI-Präventionszentrum Gera/Berlin
Sicherheitsfachkräftetagung 2016/2017
25
Kirchbergs kreative Klebebande
tesafilm verbindet – seit 80 Jahren26
Hauterkrankung in einer Fahrzeugsattlerei
28
Die BG RCI auf der Heimtextil und der
Domotex 2016
30
Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden31
Berichte und Informationen
„Das musste ja so kommen“
Wann und warum die Berufsgenossenschaft
Regressansprüche geltend macht32
Aus der Praxis
MIBRAG
Gütesiegel zum 5. Mal in Folge
Paris, 1. bis 3. Juni 2016
Symposium: Chemikalien mit besonderen
Gefahren22
Aus der Rechtsprechung
34
BG RCI-Röntgenmobil im Sondereinsatz
35
17
„Denk an mich. Dein Rücken“
170.000 Betriebe zu rückengerechter
Arbeit beraten
36
17
Wie erholsam ist der Feierabend?
37
Gold und Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“ 37
18
19
Sicherer Start in die Motorrad-Saison
38
Verkehrssicherheit: Unfallbilanz 2015
39
Gefährliche Ablenkung
39
Gehirnerschütterungen immer ernst nehmen
40
20
Impressum40
21
Titelbild:
„tesafilm“ ganz nah: Hugo Kirchberg schuf die unverwechselbare
Marke (S. 26).
Foto: tesa SE
3
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
Ergonomische Handwerkzeuge reduzieren
Belastungen und Gefährdungen
Überarbeitetes BG RCI-Merkblatt bietet neue Informationen
Manuelle Arbeiten führen zu Beanspruchungen des Bewegungsapparates an Händen und Armen, woraus sich Beschwerden oder sogar Erkrankungen entwickeln können. Körpergerecht gestaltete, ergonomisch optimierte Handwerkzeuge können diese Beanspruchungen reduzieren und damit krankheitsbedingten Ausfällen vorbeugen.
Ergonomische Handwerkzeuge
Die ergonomische Gestaltung von Handwerkzeugen leistet einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Belastungen und
Gefährdungen. Der Begriff Ergonomie setzt
sich aus den beiden altgriechischen Wörtern „Ergon“ (Arbeit) und „Nomos“ (Gesetz,
Gesetzmäßigkeit) zusammen. Im Sinne des
Arbeitsschutzes ist Ergonomie die Wissenschaft von der Anpassung der Arbeitsbedingungen an den Menschen und seine
Eigenschaften.
bessert die Körperhaltung und optimiert
die Kraftübertragung. Wesentliche ergonomische Gestaltungsmerkmale sind die
• sind leichter zu handhaben
• und bequemer zu halten, 4/2015
• mindern den Kraftaufwand,
• verringern das Verletzungsrisiko
•und steigern die Zufriedenheit der Beschäftigten und somit auch die Produktivität.
Sichere Technik
Eine noch heute oft zitierte Definition
stammt von dem Polen Wojciech Jastrzebowski aus dem Jahr 1857. Für ihn ist Ergonomie ein wissenschaftlicher Ansatz, „mit
dem wir aus dem Leben die besten Früchte bei der geringsten Anstrengung mit der
höchsten Befriedigung für das eigene und
für das allgemeine Wohl ziehen können“.
Die Verwendung von ergonomisch konstruiertem Handwerkzeug führt zu einem
effizienteren Einsatz der Muskulatur, ver-
4
Formgebung und die Oberflächenbeschaffenheit von Griffen sowie deren Winkelstellung zur Werkzeug-Wirkungsachse. Solche
Werkzeuge
T 041
Häufig wiederkehrende Belastungen oder
auch einzelne Überbelastungen bergen
Risiken, die als arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren einzuordnen sind. Diese
können sich äußern in Form von: ▸
Ergonomische Handwerkzeuge
Sichere Technik
4/2015
Das neu überarbeitete Merkblatt T 041 „Ergonomische Handwerkzeuge“ sowie weitere Präventionsmedien zur Ergonomie können Mitgliedsbetriebe unter medienshop.bgrci.de kostenfrei
abrufen.
3/4 2016 BG RCI.magazin
Deutscher JugendArbeitsschutz-Preis 2016
Abb.: Jedermann-Verlag
Bewerbungsschluss: 31. Juni
Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen
Jahr 3.475 Menschen im Straßenverkehr
ums Leben gekommen. Das sind 98 Todesopfer mehr als im Vorjahr. 393.700
Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, ein
Anstieg um 1,1 Prozent.
Frische und kreative Ideen zur Verbesserung der
Arbeitssicherheit und des betrieblichen Gesundheitsschutzes sind gefragt beim Deutschen Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016. Teilnehmen können branchenunabhängig alle jungen Leute bis
24 Jahre. Für die drei bestplatzierten Vorschläge
vergibt eine Fachjury ein Preisgeld in Höhe von
insgesamt 6.000 Euro. Anmeldung unter www.
jugend-arbeitsschutz-preis.de.
Karpaltunnelsyndrom: Medinausnerv und
Beugesehnen unterhalb des Karpalbandes.
Hypothenar-Hammer-Syndrom: Reduzierte
Durchblutung durch Verletzung der Gefäßinnenwand.
• Schwielen, Blasen,
• Prellungen, Zerrungen,
•Gefühl- bzw. Kraftlosigkeit bei Überbeanspruchung von Sehnen oder Nerven
•und mehr oder weniger starken Schmerzen;
•b ei repetitiven und/oder wiederholt
kraftvollen Tätigkeiten mit Handwerkzeugen kann unter Umständen auch ein
Karpaltunnelsyndrom entstehen.
kömmlichen und ergonomisch gestalteten
Werkzeugen.
Das Merkblat t T 041 „Ergonomische
Handwerkzeuge“ geht in der jetzt vorliegenden überarbeiteten Fassung verstärkt
auf medizinische Aspekte ein. Dabei werden sowohl arbeitsbedingte als auch belastungsunabhängige Erkrankungen des
Hand-Arm-Systems vorgestellt. So bietet
es beispielsweise Informationen zur neuen
Berufskrankheit Karpaltunnelsyndrom (BK
2113), aber auch zum Hypothenar-HammerSyndrom (BK 2114).
Das Merkblatt gibt außerdem wichtige
Hinweise für den Einsatz und Umgang mit
Handwerkzeugen und enthält einen kompakten Gefährdungskatalog. Interessant
ist auch eine Gegenüberstellung von her-
Hinweise für den betrieblichen
Arbeitsschutz
Bereits bei der Anschaffung neuer Handwerkzeuge sollte großer Wert auf deren
ergonomische Gestaltung gelegt werden.
So lassen sich Beschwerden vermeiden,
wie sie bei der Verwendung ergonomisch
ungünstiger Werkzeuge auftreten können.
Der Preis wird zum 7. Mal vergeben. Er wird von der
Fachvereinigung Arbeitssicherheit e.V. während
der diesjährigen Messe Arbeitsschutz Aktuell in
der Zeit vom 11. bis 13. Oktober in Hamburg verliehen. Die Patenschaft für 2016 hat die mehrfache
Paralympics-Gewinnerin Kirsten Bruhn übernommen. „Ob im Leistungssport oder am klassischen
Arbeitsplatz –Sicherheit und Gesundheit spielen
immer eine Rolle“, sagt die frühere Leistungsschwimmerin, die seit einem Unfall 1991 im Rollstuhl sitzt. Es gebe noch viele Möglichkeiten, die
zur Verbesserung und damit zur Sicherheit bei der
Arbeit beitragen könnten, sagt Bruhn. Sie wird am
11. Oktober in Hamburg sein und die Preisträger
auszeichnen.
nul
Paralympics-Gewinnerin Kirsten Bruhn wird am 11. Oktober in Hamburg die besten Beiträge zum Jugend-Arbeitsschutz-Preis 2016 auszeichnen.
Foto: fasi
Auch wenn der Preis in vielen Fällen etwas
höher liegen dürfte, können damit krankheitsbedingte Fehlzeiten reduziert und
Kosten gesenkt werden. Außerdem macht
die Arbeit einfach mehr Spaß. Die positiven Effekte ergonomischer Handwerkzeuge
können jedoch nur dann eintreten, wenn
die Beschäftigten sie auch nutzen. In der
ersten Zeit nach der Anschaffung empfiehlt
es sich daher, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speziell zu informieren.
Regelmäßige Unterweisungen und Trainings verbessern nachhaltig die Akzeptanz
für die Nutzung neuer Werkzeuge.
Burkhard Rehn, BG RCI, Mainz
5
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
Printmedien für die Prävention
Neuerscheinungen und Überarbeitungen
Seit Veröffentlichung der letzten Übersicht
in der Ausgabe November/Dezember 2014
des BG RCI.magazins sind zahlreiche Printmedien für die Prävention neu erschienen,
wurden überarbeitet und aktualisiert oder
in den Medienshop der BG RCI neu aufgenommen.
Um einfacher entscheiden zu können,
welche der Medien für Ihren Betrieb von
Interesse sind, können Sie unter medienshop.bgrci.de zu vielen Schriften Kurzzu-
sammenfassungen („Abstracts“) aufrufen.
Sie geben einen Überblick über die Zielgruppen, die Gründe für die Neuerscheinung, die wichtigsten Änderungen und
neuen Inhalte.
Mitgliedsunternehmen der BG RCI können
unter medienshop.bgrci.de nahezu alle
der nachstehend aufgeführten Schriften
in einer der Betriebsgröße angemessenen
Stückzahl kostenlos beziehen. Nichtmitgliedsbetriebe zahlen einen Kostenbeitrag.
Agnes Höchstötter,
BG RCI, Heidelber g
Nr.
Titel
Stand
A 001
Schriften und Medien für Sicherheit und Gesundheitsschutz
bei der Arbeit
Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie –
Aufgaben, Organisation und Leistungen
Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie –
Versicherungsschutz, Rehabilitation und Leistungen
Gefährdungsbeurteilung – Sieben Schritte zum Ziel
(bisher BGI 570)
Gefährdungsbeurteilung – Gefährdungskatalog
(bisher BGI 571)
Auf Nummer sicher gehen – Stolpern, Rutschen und Stürzen vermeiden
(bisher BGI 643)
Sicheres Verhalten – Psychologie im Arbeits- und Gesundheitsschutz
Parasiten – Einstufung biologischer Arbeitsstoffe.
Besondere Schutzmaßnahmen für Tätigkeiten mit Parasiten
(DGUV Information 213-089, bisher BGI 632)
Prokaryonten (Bacteria und Archaea) – Einstufung biologischer Arbeitsstoffe
(DGUV Information 213-090, bisher BGI 633)
10/2015 Ü
A 007-1
A 007-3
A 016
A 017
A 021
A 025-2
B 005
B 006
M 034-1
M 039
M 059-1
R 001
R 002
R 004
R 008
T 002
T 009
T 041
T 053
T 059
T 060
SP 001
Klein­broschüre 10
Klein­broschüre 11
Klein­broschüre 12
Klein­broschüre 13
6
Liste der nichtmetallischen Materialien zu Merkblatt M 034 „Sauerstoff“
List of nonmetallic materials supporting document to code of practice M 034e „Oxygen“
(DGUV Information 213-075, bisher BGI 617-1)
Fruchtschädigende Stoffe – Informationen für Mitarbeiterinnen und betriebliche Führungskräfte
(bisher BGI 537)
Kleinbroschüre: Asbesthaltige Bodenbeläge – Was ist zu tun?
Exotherme chemische Reaktionen – Grundlagen
(DGUV Information 213-063, bisher BGI 541)
Maßnahmen der Prozesssicherheit in verfahrenstechnischen Anlagen
(DGUV Information 213-064, bisher BGI 542)
Thermische Sicherheit chemischer Prozesse
(DGUV Information 213-067, bisher BGI 828)
Polyreaktionen und polymerisationsfähige Systeme
(DGUV Information 213-097)
Schlauchleitungen – Sicherer Einsatz
(DGUV Information 213-053, bisher BGI 572)
Sicheres Betreiben von Spritzgießmaschinen
(bisher BGI 749)
Ergonomische Handwerkzeuge
(bisher BGI 620)
Entzündbare Flüssigkeiten – Antworten auf häufig gestellte Fragen
(bisher BGI/GUV-I 8615)
Abbrennen von Feuerwerken
(DGUV Information 213-049)
Messungen an Bespannungen laufender Papiermaschinen
(DGUV Information 213-014, bisher BGI 783)
Ausbildungsnachweis für Sprengberechtigte
Gefahrstoffinformationssystem Chemikalien
Gefahrstoffinformationssystem Chemikalien
GHS-Gemischrechner in GisChem
Automatische Datenübernahme aus Sicherheitsdatenblättern in GisChem
09/2015 Ü
09/2015 Ü
08/2015 Ü
08/2015 Ü
01/2016 Ü
11/2015 Ü
09/2014 Ü
07/2015 Ü
02/2015 Ü
08/2015 Ü
01/2016 N
07/2014 Ü
12/2015 Ü
12/2015 Ü
05/2015 N
09/2014 Ü
09/2015 Ü
04/2015 Ü
04/2015 Ü
11/2014 N
11/2015 N
08/2015 N
10/2015 N
10/2015 N
04/2015 N
09/2015 N
3/4 2016 BG RCI.magazin
BERICHTE UND INFORMATIONEN
BLICKPUNKT
1Kostenloser Download des Inhalts unter www.exinfo.de.
2Eine elektronische Vorlage für ein Formular zum Unterweisungsnachweis steht unter downloadcenter.bgrci.de als Anhang des Merkblattes
A 026 zur Verfügung.
3Erhältlich ist jetzt die DGUV Information 208-031 „Einsatz von Arbeitsbühnen an Flurförderzeugen mit Hubmast“ (bisher BGI/GUV-I 5183).
4Erhältlich ist jetzt die DGUV Information 208-004 „Gabelstapler“ (bisher BGI 545).
Nr.
Titel
Stand
Kleinbroschüre 16
DGUV Regel 113-001
GHS – kurz erklärt
Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) mit Beispielsammlung
(bisher BGR 104)
Sprengarbeiten
(bisher BGR/GUV-R 241)
The secret‘s in the mix: Young and old at work together –
Tips for industry and the service and public sectors
(bisher BGI/GUV-I 7009-E)
Gabelstapler
(bisher BGI 545)
Gebrauch von Hebebändern und Rundschlingen aus Chemiefasern
(bisher BGI 873)
Vermessung und Berechnung von Bohrlochsprengungen
(bisher BGI 700)
Allgemeiner Teil: Von den Unfallversicherungsträgern anerkannte Analyseverfahren zur Fest­
stellung der Konzentrationen krebserzeugender, erbgutverändernder oder fortpflanzungs­
gefährdender Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen
(bisher BGI 505-0)
Verfahren zur Bestimmung von Arsen und seinen Verbindungen
(bisher BGI 505-3)
Verfahren zur Bestimmung von Hydrazin
(bisher BGI 505-20)
Allgemeiner Teil: Übersicht über die Analysenverfahren der DGUV Information
213-5xx-Reihe
Empfehlungen Gefährdungsermittlung der Unfallversicherungsträger (EGU) nach der Gefahrstoffverordnung – Verarbeitung thermoplastischer Kunststoffe in Spritzgießmaschinen
Sicheres Arbeiten in Laboratorien – Grundlagen und Handlungshilfen
(bisher BGI/GUV-I 850-0)
10/2015 N
03/20151 Ü
DGUV Information 206-005
DGUV Information 208-004
DGUV Information 209-061
DGUV Information 213-006
DGUV Information 213-500
DGUV Information 213-503
DGUV Information 213-520
DGUV Information 213-599
DGUV Information 213-728
DGUV Information 213-850
DGUV Information 213-853
DGUV Information 213-854
DGUV Information 250-010
DGUV Information 250-101
DGUV Grundsatz 309-001
EM 003
EM 004
Betriebssicherheits­
verordnung
Ordner
Ordner
SKG 001
SKG 009
SKG 010
SKG 013
SKG 014
SKG 015
SKG 016
SKG 021
SKG 029
A 011
B 005e
B 006-1
B 006e
T 013
T 016
Nanomaterialien im Labor – Hilfestellung für den Umgang
Nanomaterials in the Laboratory – Tips and Handling Information
Eignungsuntersuchungen in der betrieblichen Praxis
Leitfaden für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte zur Beratung des Unternehmens bei der
Gefährdungsbeurteilung
Prüfung von Kranen
(bisher BGG/GUV-G 905)
Gefahrstoffe 2016 – Taschenhandbuch mit aktuellen Arbeitsplatzgrenzwerten
Ihre gesetzliche Unfall-Versicherung – Informationen in leichter Sprache
Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln (Betriebssicherheitsverordnung – BetrSichV) – Textausgabe mit einer Einführung in die Neufassung
sowie der amtlichen Begründung unter Berücksichtigung der Änderungen durch den Bundesrat
Praxishilfe – Gerüstet für den Notfall
Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie
Instandhaltungsarbeiten. Feuerarbeiten – Arbeiten mit Brandgefährdung
Erste Hilfe
Instandhaltung – Elektroarbeiten bis 1000 V
Denk an mich – Dein Rücken! Informationen für Büroarbeitsplätze
Betriebsarten von Maschinen
Reinigen von Maschinen
Tätigkeiten mit Organischen Peroxiden
Leitern und Tritte
Sicher unterwegs – mit dem Auto. Wegeunfälle und Unfälle auf Dienstfahrten vermeiden
Nachweise über durchgeführte Unterweisungen
Classification of Biological Agents: Parasites. Special Protective Measures for Activities Involving Parasites (bisher BGI 632e)
Prokaryontes (Bacteria und Archaea) –
Einstufung biologischer Arbeitsstoffe – Ergänzungsliste
(DGUV Information 213-091, bisher BGI 633-1)
Prokaryontes (Bacteria and Archaea) – Classification of Biological Agents
(bisher BGI 633e)
Arbeitsbühne für Gabelstapler
Umgang mit Gabelstaplern
03/2012
akt. Fsg: 11/2015
01/2010
09/2012
05/2013
11/2015 Ü
12/2015 Ü
07/2014 Ü
12/2014 Ü
12/2015 N
06/2015 N
10/2011
Nachdr. m. red.
Änd.: 03/2015
03/2015 N
03/2015 N
08/2015 Ü
10/2015 N
08/2012
10/2015
06/2015
2015
08/2015 N
08/2014 Ü
11/2014 Ü
05/2015 Ü
01/2015 Ü
11/2015 N
06/2015 N
02/2016 Ü
08/2015 N
09/2015 Ü
09/2015 N
zurückgezogen2
zurückgezogen
Ü= überarbeitete Schrift, N = neue Schrift
DGUV Regel 113-016
zurückgezogen
zurückgezogen
zurückgezogen3
zurückgezogen4
7
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
2
Ab durch die Luft?
Bei der Lagerung von Gasen sind
verschiedene Gefährdungsfaktoren zu berücksichtigen
„Gas ist ein nicht-coagulierbarer Spiritus, wie er aus dem gärenden Wein entweicht.“ Der flämische Forscher Johan
Baptist van Helmont verwendete 1644 erstmals die Bezeichnung „Gas“ für flüchtige Stoffe – unter Anlehnung an das
altholländische Wort „ghoast“ für Geist. Bei der Lagerung von Gasen sollte es heutzutage allerdings weniger gespenstisch zugehen.
Gase werden in zahlreichen Bereichen der
Industrie eingesetzt und oft unter Druck
hergestellt, gelagert, transportiert und verwendet. Dabei ergeben sich verschiedene
Gefährdungsfaktoren. Um diese richtig zu
beurteilen und für eine sichere Lagerung die
passenden Maßnahmen des Arbeits- und
Umweltschutzes festzulegen, ist eine umfassende Gefährdungsbeurteilung durchzuführen.
Mechanische Gefährdung
Der erhöhte Druck von Gasen im Innern von
Druckgasflaschen entspricht einer Energie
vergleichbar der einer gespannten Feder. Bei
einem Versagen der Umschließung kann diese Energie freiwerden. So kann beispielsweise eine Druckgasflasche beim Abriss eines
Ventils, angetrieben durch das unter hohem
Druck stehende Gas, raketengleich durch
die Gegend fliegen. Die hierbei auftretende
Wucht kann ausreichen, um Betonwände zu
durchschlagen. Die Ventile der Druckgasbehälter sind daher mit einer Schutzkappe, einem Schutzkorb oder einem Schutzkragen
abzusichern. Eine besondere Sicherung gegen Um- oder Herabfallen ist nur dann nicht
erforderlich, wenn beispielsweise durch die
Bauart der Druckgasbehälter oder die Aufstellung in größeren Gruppen ein ausreichender Schutz erreicht wird.
8
Beim Erwärmen von Druckgasflaschen steigt
der Druck im Innern weiter an. Wird der Auslegungsdruck überschritten, können Druckbehälter bersten und zu zerstörerischen Geschossen werden, die einige hundert Meter
weit fliegen. Um Druckgasflaschen vor gefährlicher Erwärmung zu schützen, ist zu heißen Oberflächen (beispielsweise Heizkörpern) mindestens ein Abstand von einem
halben Meter einzuhalten. Dies gilt auch für
leere oder teilentleerte Flaschen.
Gesundheitsgefährdung
Tiefkalte oder verflüssigte Gase können bei
Hautkontakt Kälteverbrennungen oder Verletzungen verursachen. Beim Umgang sind
die seitens des Betriebs festgelegten persönlichen Schutzausrüstungen zu tragen.
Dass giftige Gase beim Austritt die Gesundheit und das Leben der Beschäftigten gefährden, ist einzusehen. Aber auch von
inerten Gasen wie Stickstoff, Argon oder
Kohlendioxid können Gefahren ausgehen,
weil bei Undichtigkeit ein unkontrolliertes
und selbst ein vergleichsweise langsames
Ausströmen des Flascheninhalts den benötigten Sauerstoff aus einem Raum verdrängen und zur Erstickung führen kann. Daher
ist darauf zu achten, dass bei Lagerung und
Transport das Flaschenventil fest verschlos-
sen ist, Verschlussmuttern aufgeschraubt
und Schutzkappen angebracht sind. Bei Arbeiten in einem „gefluteten“ Raum ist ein
umluft­unabhängiges Atemschutzgerät erforderlich, weil eine Maske nur gegen Gefahrstoffe, nicht aber gegen Sauerstoffmangel
schützt.
Akut toxische Gase der Kategorien 1, 2
oder 3 (sehr giftige und giftige Gase) wie
beispielsweise Chlor, Phosgen, Cyanwasserstoff (Blausäure), Phosphin, Arsin oder
Methylisocyanat müssen unabhängig von
der gelagerten Menge unter Verschluss oder
so gelagert werden, dass nur fachkundige
und zuverlässige Personen Zugang haben.
Diese müssen vom Arbeitgeber bestimmt
und unterwiesen werden. Wegen der besonders hohen Gefährdung sind bei der
Gefährdungsbeurteilung insbesondere die
Maßnahmen beim Freiwerden der Gase zu
betrachten. Die Beschäftigten sind über diese Maßnahmen zu unterweisen, und sie sind
mit externen Hilfskräften zu üben. Bei der
Lagerung in Sicherheitsschränken müssen
diese eine technische Lüftung mit einem
120-fachen Luftwechsel haben.
Akut toxische Gase der Kategorie 1 oder 2
dürfen darüber hinaus ab einer Menge von
2,5 Liter nur in Räumen gelagert werden, die
3/4 2016 BG RCI.magazin
Illustration: bgrci
BLICKPUNKT
3
über eine Gaswarneinrichtung verfügen. Diese muss bei Überschreitung der zulässigen
Arbeitsplatzgrenzwerte akustisch und optisch alarmieren. Die Lagerräume müssen
schnell zu verlassen sein. Notwendige Sicherheitsmaßnahmen wie das Mitführen von
Atemschutzgeräten sind in der Betriebsanweisung festzulegen. Atemschutzgeräte sind
außerhalb der gefährdeten Bereiche für die
Beschäftigten schnell erreichbar aufzubewahren. Zusätzlich zum Ventilschutz sind
die Ventile mit einer Verschlussmutter zu
versehen.
können einen Brand entfachen und verstärken. Entzündbare Gase wie Wasserstoff oder
Methan bilden mit Luft explosionsfähige Gemische. Gase wie Propan oder Butan, die
schwerer als Luft sind, verhalten sich ähnlich
wie Flüssigkeiten und können bei Undichtigkeiten in tiefer gelegene Bereiche fließen
und sich dort ansammeln. So können in Kellern und Schächten explosionsfähige GasLuft-Gemische entstehen, die bereits durch
die Betätigung eines Lichtschalters gezündet
werden können. Entsprechend ist eine Zoneneinteilung der Umgebung vorzunehmen.
Brand- und Explosionsgefährdung
Oxidierende Gase wie Sauerstoff oder Chlor
Bei der Lagerung oxidierender oder entzündbarer Gase in Sicherheitsschränken
Abb. 1: Mengengestaffelte Anforderungen
H-Satz
ab 0 kg
ab 2,5 Liter
ab 200 kg
H280, H281
Brandschutzmaßnahmen, ausreichende Lüftung.
H330
Lagerung nur in Räumen mit Gaswarneinrichtung, beim Betreten müssen Atemschutzgeräte
mitgeführt werden. Schutzbereiche um Druckgasbehälter berücksichtigen.
H220, H221
Zugangsbeschränkung, Explosionsschutzmaßnahmen. Schutzbereiche um Druckgasbehälter
berücksichtigen.
Alarm- und Feuerwehrpläne, Auffangraum
bei Flüssiggasen.
Zugangsbeschränkung, Alarm- und
Feuerwehrpläne.
H270
H330, H331
Lagerung nur unter Verschluss
müssen diese eine technische Lüftung mit
einem 10-fachen Luftwechsel aufweisen.
Aufgrund des hohen Luftwechsels ist eine
Zusammenlagerung dieser Gase in einem
Schrank gestattet, da nicht unterstellt werden muss, dass zwei Flaschen zur gleichen
Zeit undicht werden. Dies setzt eine regelmäßige Dichtheitsprüfung voraus, z. B. durch
schaumbildende Mittel.
Bei einer Lagerung von mehr als 200 kg
entzündbarer oder oxidierender Gase sind
Brandschutzmaßnahmen wie Alarm- und
Feuerwehrpläne erforderlich, bei Flüssiggasen darüber hinaus ausreichend große
Auffangräume.
Mengengestaffelte Anforderungen
Bei einer Lagerung von weniger als 2,5 Liter
ist kein besonderes Lager erforderlich, es
sind allerdings die Grundpflichten der sicheren Lagerung einzuhalten (Abb. 1).
Sofern irgend möglich, sollte die Lagerung
von Druckgasflaschen in einem verschlossenen, witterungsgeschützten „Käfig“ im
Freien erfolgen. Alternativ ist die Lagerung
in einem Sicherheitsschrank möglich. Eine
Lagerung unter Erdgleiche sollte – wenn
möglich – vermieden werden (Abb. 2).
Schutzbereiche einrichten
Bei giftigen und bei entzündbaren Gasen
sind um die Druckgasbehälter Schutzbereiche einzurichten, die
•bei giftigen Gasen nicht in Flucht- und Rettungswege reichen dürfen und
9
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
•bei brennbaren Gasen als feuergefährdete Bereiche gelten und in denen Explosionsschutzmaßnahmen erforderlich sein
können.
Die Schutzbereiche sind erforderlich, wenn
ein Freiwerden von Gasen infolge von Undichtigkeiten an Anschlüssen und Armaturen
oder beim bestimmungsgemäßen Wechseln
der Anschlussleitungen nicht ausgeschlossen werden kann. Die Abmessungen der
Schutzbereiche betragen in Lagerräumen
zwei Meter in jede Richtung. Bei Gasen, die
schwerer als Luft sind, kann der Schutzbereich nach oben auf einen Meter verkürzt
werden. Im Freien können die Abmessungen
der Schutzbereiche halbiert werden. Bei Lagerräumen mit einer Grundfläche unter 20
Quadratmetern ist der gesamte Raum als
Schutzbereich vorzusehen.
Aufwändige Schutzmaßnahmen für die
Lagerung in Räumen
Bei der Lagerung von mehr als 2,5 Liter Gasen in Räumen müssen unter anderem folgende bauliche Anforderungen erfüllt sein
(Abb. 3):
•schwerentflammbare Fußbodenbeläge; bei der Lagerung von mehr als fünf
Druckgasbehältern mit entzündbaren oder
oxidierenden Gasen müssen die Bodenbeläge aus nichtbrennbaren Baustoffen
bestehen;
•angrenzende Räume getrennt durch feuerhemmende Bauteile mit einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten
(F30); wenn dort Brand- oder Explosionsgefahr besteht: feuerbeständige Abtrennung (F90);
•Außenwände mindestens feuerhemmend
(F30), Dacheindeckung ausreichend widerstandsfähig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme;
10
•ausreichende Be- und Entlüftung; bei der
Anordnung der Lüftungsöffnungen muss
die Dichte der Gase berücksichtigt werden. Ist eine ausreichende natürliche Lüftung nicht sicherzustellen, ist eine technische Lüftung vorzusehen;
•keine Gruben, Kanäle oder Abflüsse zu Kanälen ohne Flüssigkeitsverschluss, keine
Kellerzugänge oder sonstige offene Verbindungen zu Kellerräumen, keine Öffnungen in Wänden und Decken zu anderen
Räumen, keine Reinigungs- oder andere
Öffnungen von Schornsteinen. Diese Anforderung gilt auch bei der Lagerung von
Schwer- und Flüssiggasen im Freien.
In Arbeitsräumen dürfen Druckgasbehälter
nur in geeigneten Sicherheitsschränken mit
einer Feuerwiderstandsdauer von mindestens 30 Minuten gelagert werden. Ausgenommen sind betriebsbereite Acetylen- und
Sauerstoffflaschen, die auf Schweißerwagen vorgehalten werden. Räume, in denen
Druckgasflaschen aufgestellt sind, müssen
mit dem Warnzeichen W019 „Warnung vor
Gasflaschen“ gekennzeichnet sein.
Lager im Freien
Der geringste Aufwand besteht bei Lagern
im Freien. Hier müssen lediglich benachbarte Anlagen und Einrichtungen, von denen eine Brandgefährdung ausgehen kann,
einen Abstand von mindestens fünf Meter
um die Druckgasbehälter einhalten. Der
Abstand kann durch eine mindestens zwei
Meter hohe und ausreichend breite Schutzwand aus nichtbrennbaren Baustoffen ersetzt werden.
Die „Zusammenlagerungsampel“
Sofern keine anderen Eigenschaften vorrangig
zu berücksichtigen sind, fallen Gase formal
in die Lagerklasse (LGK) 2 A:
Sollen Gase mit anderen Gefahrstoffen
zusammengelagert werden, so ist ab einer Gesamtmenge von 400 kg (maximal
200 kg pro Lagerklasse) zu beachten, dass
eine Zusammenlagerung von Gasen nur erlaubt ist mit
•nicht brennbaren ätzenden Stoffen (LGK
8 B) sowie
•nicht brennbaren Flüssigkeiten und Feststoffen der LGK 12 oder 13.
Eine Zusammenlagerung von Gasen mit
Aerosolen (LGK 2 B), brennbaren ätzenden
Stoffen (LGK 8 A) sowie Stoffen der LGK 11
bzw. 10–13 ist in Räumen nur zulässig, wenn
•maximal 50 gefüllte Druckgasbehälter gelagert werden (darunter nicht mehr als 25
gefüllte Druckgasbehälter mit entzündbaren, oxidierenden oder akut toxischen,
mit H331 gekennzeichneten Gasen),
•diese durch eine mindestens zwei Meter
hohe Wand aus nichtbrennbaren Baustoffen abgetrennt sind und
•zwischen der Wand und den brennbaren
Stoffen ein Abstand von mindestens fünf
Meter eingehalten wird.
Für die Zusammenlagerung verschiedener
Gase bestehen bei einem Lager im Freien
keine Einschränkungen. In einem Lagerraum dürfen gemeinsam gelagert werden:
•inerte Gase mit anderen Gasen in beliebiger Menge,
•bis zu 150 Druckgasbehälter oder 15
Druckfässer entzündbare, oxidierende
und akut toxische, mit H331 gekennzeichnete Gase,
•bis zu 150 Druckgasbehälter oder 15
Druckfässer entzündbare und oxidierende Gase, dazu bis zu 15 Druckgasbehälter oder ein Druckfass akut toxische,
mit H330 gekennzeichnete Gase.
Zwischen Druckgasbehältern mit entzündbaren und oxidierenden Gasen muss ein
Abstand von mindestens zwei Meter eingehalten werden.
3/4 2016 BG RCI.magazin
BLICKPUNKT
Abb. 4: Piktogramme
Gefahrenklasse
GHS- Piktogramm
H-Satz
Gase,
unter Druck
verdichtet,
verflüssigt,
tiefgekühlt
ver­flüssigt,
gelöst
H280:
Enthält Gas unter
Druck; kann bei
Erwärmung explodieren.
Oder H281:
Enthält tiefgekühltes
Gas; kann Kälteverbrennungen oder
Verletzungen verursachen.
Oxidierende Gase
Zusätzlich H270:
Kann Brand verursachen oder verstärken; Oxidationsmittel.
Entzündbare Gase,
Kategorie 1
Transportzettel
Kennzeichnung von Gasen
Bei Gasen handelt es sich um Stoffe, die bei
50 Grad Celsius einen Dampfdruck von mindestens 300 kPa (3 bar) aufweisen oder bei
20 Grad und einem Standarddruck von 101,3
kPa vollständig gasförmig sind. Wasserstoff
und das von Helmont erwähnte CO2 sind somit Gase. Beim Tanken von Benzin dagegen
entweichen die verdampfenden Komponenten des Ottokraftstoffes, die man beim Tankvorgang deutlich riechen kann. Für diese gilt
die Definition für Gase nicht, es handelt sich
somit um Dämpfe, für die andere Regelungen gelten (Abb. 4).
Bei entzündbaren und bei giftigen Gasen
entfällt auf Druckgasflaschen die Kennzeichnung mit dem Piktogramm GHS04.
Dr. Joachim Sommer, BG RCI, Heidelberg
Zusätzlich H220:
Extrem entzündbares
Gas.
Akute Toxizität,
Kategorie 1 und 2
Zusätzlich H330:
Lebensgefahr bei
Einatmen.
Akute Toxizität,
Kategorie 3
Zusätzlich H331:
Giftig bei Einatmen.
Informations- und
Unterweisungs­material
Weitere Informationen zum Thema „Lagerung von Gasen“ finden sich in den
BG RCI-Merkblättern M 062 „Lagerung
von Gefahrstoffen“ und M 063 „Lagerung von Gefahrstoffen – Antworten
auf häufig gestellte Fragen“ sowie
unter gase.bgrci.de. Als Unterweisungshilfen können die Sicherheitskurzgespräche SKG 004 „Umgang mit
Druckgasflaschen im Labor“ und SKG
006 „Umgang mit Druckgasflaschen
in Betriebslägern“ verwendet werden.
11
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
Beiträge aus dem „Schlema VIII“ – Gefahrstoffsymposium 2015
Nanomaterialien in der Gefährdungsbeurteilung –
Wohin geht die Reise?
Von Dr. Thomas H. Brock
Nanomaterialien (NM) sind die Zielmaterialien der Nanotechnologie – besser: der Nanotechnologien –, stellen sie
doch einen ganzen Werkzeugkasten verschiedener Verfahren dar, die als Querschnittstechnologie(n) in viele Disziplinen, von der Chemie über die Medizin bis in die Ingenieurwissenschaften, hineinreichen. Selbst politische und philosophische Fragestellungen sind hier zu bearbeiten.
Eine praktikable Unterteilung erfolgt nach
ISO in freie Nanoobjekte und in gebundene Strukturen. Zu den Nanoobjekten zählen Filme und Plättchen, Röhrchen, Stäbe
und Drähte sowie die Nanopartikel. Dabei
haben die Filme und Plättchen eine Dimension – eine Dicke – zwischen ca. 1 nm und
ca. 100 nm (Nanometern). Die Grenzen sind
aus physikalischen und chemischen Gründen nicht scharf zu ziehen. Länge und Breite
sind nur durch die Herstellungsverfahren begrenzt. Röhrchen, Stäbe und Drähte liegen
mit zwei Dimensionen in diesem kleinen Bereich, können aber eine unbegrenzte Länge
aufweisen. Partikel, also mehr oder weniger
sphärische Körper, liegen dagegen mit allen
drei Raumdimensionen im Nanobereich.
Nanomaterialien
Nanoobjekte
Nano-strukturierte Materialien
· Nanoplättchen · Nanokomposite
· Nanostäbchen · z usammengesetzte
· Nanopartikel
Nanomaterialien
· Materialien mit nanoskaliger
Oberflächenstruktur
stream usern“ und Endverbrauchern. Nano­
strukturen sind für die Funktionalität und
Eigenschaften einer Vielzahl von Materialien
und Produkten von Relevanz. Je nachdem,
wie weit man den Begriff der Nanotechnologien fasst, sind sie für die Erwirtschaftung
von bis zu einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts bestimmend. Dies wird verständlich, wenn man beispielsweise den Bereich
der Informationstechnologien betrachtet,
deren Arbeitsstrukturen oft im Nanobereich
angesiedelt sind. Bereits umgesetzte oder
realisierbare Anwendungen betreffen wichtige Bereiche aktueller Menschheitsfragen,
beispielsweise in der Energiewirtschaft, der
Medizin oder der Trinkwasserversorgung.
Solche Anwendungen sind kaum verzichtbar, so dass es unvermeidlich erscheint,
dass sich auch der Arbeitsschutz damit
auseinanderzusetzen hat.
Die Vielfalt der angesprochenen Strukturen
ist enorm. Stärker als in der klassischen Molekülchemie, bei der die Struktur des Moleküls selbst im Vordergrund steht, sind hier
Effekte infolge der Wechselwirkung und Organisation von Molekülen oder Atomen zu
Nanomaterialien finden seit etlichen Jahren bestimmten Materialien von ebenso großer
kontinuierlich Einzug bei Herstellern, „down- Bedeutung. Deshalb ist die Zahl herstell-
12
barer Nanomaterialien außerordentlich
hoch. Wenn davon auch nur ein Bruchteil
tatsächlich hergestellt und davon wiederum
ein noch geringerer Teil auf medizinische
oder technische Einsatzmöglichkeiten hin
untersucht wird, so ist das Feld noch immer
außerordentlich weit.
Den Phänotyp „Nanomaterial“ oder „Nanopartikel“ kann es daher nicht geben. Erkenntnisse, die an einem Beispiel gewonnen werden, lassen sich nicht einfach auf
alle anderen übertragen. Es ist daher nicht
verwunderlich, dass bei einem so komplexen Zusammenhang Aussagen über mögliche Risiken nicht leicht abzuleiten sind. Für
die Gefährdungsbeurteilung bedeutet dies,
dass hier Maßnahmen auf der Grundlage
lückenhafter Daten getroffen werden müssen, und zwar so, dass keine unvertretbaren
Risiken zu erwarten sind. Der Verwender ist
damit oft überfordert und daher auf Hilfestellungen angewiesen.
Mit der Bekanntmachung zu Gefahrstoffen
(BekGS) 527 des Bundesarbeitsministeriums kann nun das breite Feld in vernünftig anzunehmende Kategorien eingeteilt
werden:
3/4 2016 BG RCI.magazin
Foto: bgrci/Norbert Ulitzka
BLICKPUNKT
Kat. I:Lösliche NM ohne spezifische
toxische Eigenschaften
Kat. II: Lösliche NM mit spezifischen
toxischen Eigenschaften
Kat. III:Granuläre biopersistente Stäube
ohne spezifische toxische Eigenschaften
Kat. IV:Faserförmige NM
Mit dieser Kategorisierung ist es möglich,
systematisch an die Gefährdungsbeurteilung von Nanomaterialien heranzugehen.
Dabei werden nicht nur Daten zu möglichen
Auswirkungen auf die Gesundheit benötigt,
sondern auch solche zum Brand- und Explosionsschutz, zudem Informationen zum
chemischen Verhalten, beispielsweise unerwarteten katalytischen Effekten. Eine weitere Größe ist für das Ergreifen von Maßnahmen von besonderer Bedeutung: das
Staubungsverhalten. Chemisch sehr ähnliche Stoffe können, bezogen auf die Bildung von Staub, ein sehr unterschiedliches
und schlecht vorherzusagendes Verhalten
aufweisen. Entsprechende Bestimmungen
können hier Klarheit bringen, beispielsweise im Fallrohr.
Zu den Effekten auf die Gesundheit liegt
inzwischen eine große Zahl von Veröffentlichungen vor, die jedoch kein einheitliches
Bild ergeben. Das ist unter anderem durch
die Komplexität der Fragestellungen begründet. Ein Verständnis der Wirkungsmechanismen im Detail ist bislang nicht gegeben. Die
erste Systematisierung in der BekGS 527 ist
aber wohl begründet und guten Gewissens
durchführbar.
Liegen ausreichend Daten vor, die im Sicherheitsdatenblatt dokumentiert sein sollten,
kann auf dieser Basis eine klassische Gefährdungsbeurteilung unter Festlegung der
jeweils wirksamen Maßnahmen vorgenommen werden. Dieses Vorgehen unterscheidet sich nicht grundlegend von dem für andere Stoffe.
Ableitung von Maßnahmen
Gute
Datenlage
NM-bezogene
GB
Angepasste
Maßnahmen
Datenlücken
Entsprechend
Gruppe
I bis IV
Maßnahmen
nach Kategorie
Neue
NM
Annahmen
giftig,
brennbar
Forschungs­stoffe
Häufig werden jedoch Datenlücken bestehen. Hier ist das Nanomaterial nach den Kategorien der BekGS 527 einzuordnen. Diesen können wirksame Schutzmaßnahmen
zugeordnet werden, beispielsweise durch
Vergleich mit dem Vorgehen bei ähnlichen
Gefährdungen. So wird man bei Nanomaterialien der Kategorie I meist keine besonderen Maßnahmen ergreifen müssen, bei sol-
chen mit toxischen Eigenschaften dagegen
ein Schutzniveau wählen, das auch andere
toxische Stoffe erfordern. Dies könnte zum
Beispiel der Einsatz einer nicht staubenden
Verwendungsform oder einer gekapselten
und abgesaugten Sackaufgabemaschine
sein.
Im Bereich der Forschung und Entwicklung
handelt es sich oft um wenig untersuchte
oder auch neue Stoffe, für die eine solche
Einordnung nur teilweise oder gar nicht vorzunehmen ist. Ist beispielsweise bekannt,
dass die Herstellung eines neuen Materials
vermutlich faserförmige Nanoobjekte ergeben hat (dies wird durch die anschließende
Charakterisierung bestätigt oder widerlegt),
so ist sicher eine Einordnung in die Kategorie IV der BekGS 527 bis zu einer anders lautenden Erkenntnis anzuraten. Ebenso kann
von einer ausreichend schnellen Löslichkeit
nur ausgegangen werden, wenn dies theoretisch begründet ist oder nachgewiesen
wird (Stäbchen aus einem leicht löslichen
Salz beispielsweise sind aller Voraussicht
nach auch leicht löslich, sofern nicht anderweitig verändert).
Ansonsten handelt es sich um Fasern, die
mit besonderer Vorsicht zu handhaben sind.
Auch Kontaminationen des Arbeitsbereichs
müssen vermieden werden, um nicht eine
lang andauernde Gefährdung (und eine
Beeinträchtigung experimenteller Arbei-
Hintergrundbild: Graphenmolekül. Abb.: bgrci
13
BG RCI.magazin 3/4 2016
BLICKPUNKT
ten und Messergebnisse) hervorzurufen.
Für den Laborbetrieb liegen umfangreiche
Publikationen und Hilfestellungen vor, die
es seit vielen Jahren in bewährter Weise ermöglichen, sicher mit den verschiedensten
– auch sehr kritischen – Stoffen zu arbeiten.
Neben dem Grundwerk der „Laborrichtlinien“ („Sicheres Arbeiten in Laboratorien“,
DGUV-I 213850 und 213851, auch unter www.
laborrichtlinien.de und unter www.guidelinesforlaboratories.de) liegen besondere
Hilfestellungen mit der „Handhabung von
Nanomaterialien in Laboratorien“, DGUVI213-853 und 213854, vor. Beide sind in
Deutsch und Englisch verfügbar. Ergänzt
werden diese Publikationen durch ein interaktives Lernprogramm („Nanorama Labor“,
ebenfalls in Deutsch und Englisch verfügbar
unter nano.dguv.de/nanoramen), ein Gemeinschaftsprojekt von DGUV, der Schweizer Innovationsgesellschaft und der BG RCI,
Labor Leuna des Referats Gefahrstoffe, Biostoffe und Analytik.
Um ein dem Problem angemessenen Mess­
aufwand zu treiben, ist ein gestuftes Vorgehen zu empfehlen. Dazu ist eine Handlungsanleitung veröffentlicht worden. Sie erlaubt
es, mit geringem Aufwand in die Ermittlung
einzusteigen, und nur dann, wenn es angezeigt erscheint, die dann erforderliche kostenintensive Mess- und Analysentechnik
einzusetzen. Auch genügen für den Einstieg
Grundkenntnisse zur Ausführung der ersten
Messungen mit einfachen Geräten. Mit steigendem Aufwand sind vertiefte Fachkenntnisse erforderlich. Vergleichende Messungen am Institut für Gefahrstoff-Forschung
der BG RCI in Bochum zeigen, dass auch
zunächst nur orientierende Messungen verwendbare Messwerte ergeben.
Die Gefährdungsbeurteilung wird unterstützt durch Messungen am Arbeitsplatz.
Da die volle Charakterisierung der Nanofraktion im Staub recht aufwendig ist, ist hierzu
ein gestuftes Vorgehen entwickelt und allseits abgestimmt worden. Es beginnt mit
der einfachen Ermittlung, ob überhaupt Bedarf an weitergehenden Untersuchungen
besteht, und erstreckt sich je nach erkennbarer Größe des Problems auf aufwendigere
Verfahren. Während der Einstieg auch von
Nicht-Spezialisten schon mit begrenztem
Der Werkzeugkasten der etablierten Schutzmaßnahmen ist nach den vorliegenden Erfahrungen auch für die Beherrschung von
Gefährdungen durch Nanomaterialien ausreichend bestückt. Die Reise geht indes zu
„intelligenteren“ Nanomaterialien, die aktiv
mit ihrer Umgebung in Wechselwirkung stehen. Dazu zählen beispielsweise Prozesse
der Selbstorganisation. Auch die synthetische Biologie bedient sich Methoden der
Nanotechnologie. Ob Überlegungen, dass
sich entsprechend gestaltete Nanoeinheiten
Schutzmaßnahmen im Labor. 14
Aufwand zu bewältigen ist, erfordern die
komplexeren Verfahren nicht nur spezielle
Erfahrungen, sondern auch teuere Messtechnik und ein entsprechend ausgestattetes Laboratorium.
Foto: dguv
auch selbstständig reproduzieren können,
tatsächlich in die Realität führen, ist zweifelhaft, aber nicht auszuschließen. Der Arbeitsschutz muss dann auch auf solche Gefährdungen, die wiederum eine neue Qualität
aufweisen, angemessen reagieren können.
Angesichts der Maßnahmen, die auch im
biologischen Arbeitsschutz bewährt sind,
scheint dies möglich zu sein. Die Angst vor
dem „grey goo“, der die Welt unter einer
Schicht aus selbst reproduzierten Nanobots
erstickt, ist sicher unbegründet.
Für die Gefährdungsbeurteilung von Nanomaterialien und die Wirksamkeit der Maßnahmen gilt wie in vielen anderen Fällen
auch, dass die besten Maßnahmen nichts
oder zu wenig nützen, wenn sie nicht oder
falsch angewandt werden. Der Erfolg steht
und fällt mit einer geeigneten Kommunikation, die – auf den Adressaten zugeschnitten
– die teilweise schwierigen Sachverhalte
so vermittelt, dass sie nicht nur verstanden, sondern auch in ihren Konsequenzen
umgesetzt werden. Als Unterstützung können hier die Nanoramen Bau, Kfz-Werkstatt
und Labor dienen. Sie erlauben es, in einer
virtualisierten Arbeitsumgebung verschiedene Arbeitsverfahren und die damit verbundenen Gefährdungen und Schutzmaßnahmen kennenzulernen (nano.dguv.de/
nanoramen).
Dr. rer. nat. Thomas H. Brock
BG RCI, Referat Gefahrstoffe, Biostoffe und Analytik,
Heidelberg
Ringversuch im NanoTestCenter des IGF-Technikums in
Dortmund: Stationäre Nanopartikelmessgeräte in der
Sedimentationskammer. Foto: bgrci/IGF
3/4 2016 BG RCI.magazin
BLICKPUNKT
Menschen für Maschinen – Maschinen für Menschen
Forum protecT 2016 in Magdeburg / Ein Tagungsbericht
„Menschen für Maschinen? Maschinen für Menschen!“ – so lautete das Motto der zweiten Ausgabe des Forum
protecT vom Februar in Magdeburg. Etwa 300 Unternehmensvertreter waren der Einladung der BG RCI gefolgt. Wie
schon Ende 2015 in Bad Wildungen ging es auch diesmal um die Zukunft sicherer, gesunder Arbeit in einer sich immer
stärker vernetzenden Industriewelt.
Vision Zero – Basis der Präventionsarbeit
Wolfgang Pichl, stellv. BG RCI-Präventionsleiter, legte in seiner Einführung den
Schwerpunkt auf die neue, auf zehn Jahre
angelegte Präventionsstrategie des Unfallversicherungsträgers. Obwohl sie noch recht
neu sei, hätten sich bereits viele Betriebe
die Botschaften auf die Fahne geschrieben, denn, so unterstrich Pichl, Arbeitsschutz lohne sich auch in wirtschaftlicher
Hinsicht. Wer sich unter den Forumsteilnehmern von den „Visionen“ noch nicht hatte anstecken lassen, dem zeigte die Präsentation von Matthias Stenzel, ebenfalls
BG RCI, wie Vision Zero im Betrieb umsetzbar
ist – nämlich mit Hilfe eines praxisorientierten Leitfadens, der zusammen mit der Strategiebroschüre auf jedem Platz im Plenum
bereitlag. Dass man schon mit einfachen,
praktischen Maßnahmen seine eigene Gesundheit auch am Arbeitsplatz fördern kann,
erlebte das Publikum – nach anfänglichem
Zaudern – bei einigen Ausgleichsübungen,
zu denen Helmut Nold, Gesundheitsexperte
der Berufsgenossenschaft, die Teilnehmenden zwischendurch animierte.
Theorie und Praxis
Die Inhalte der Betriebssicherheitsverordnung legte Prof. Ralf Pieper von der Bergischen Universität Wuppertal dar, um an die
Grundlagen der Arbeitssicherheit zu erinnern.
Was Industrie 4.0 für den Arbeitsschutz bedeutet, umriss Dr. Michael Huelke vom Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, DGUV. Er und auch
Wortmeldungen aus dem Plenum machten
deutlich, wie sehr es bei der digitalen Vernetzung darauf ankommen wird, Sicherheit
und Gesundheit von Anfang an zu integrieren.
Das werde letztlich darüber bestimmen, wie
„menschlich“ die Industrie von morgen sich
darstellen werde, hieß es. Denn auch künftig
seien die Mitarbeiter das wertvollste Kapital
eines Unternehmens.
Sicherheit heute und morgen
Auf der praktischen Seite wurde auch das
heikle Thema „Sicht“ bei Erdbaumaschinen
angesprochen. Einhellige Meinung der Vortragenden und des Publikums: Die werksseitige
Ausrüstung neuer Maschinen mit Rundumsicht-Systemen muss Pflicht werden. Wie Ergonomie und Produktionssteigerungen Hand
in Hand gehen, zeigte außerdem Peter Hämmerle am Beispiel der Girsberger GmbH, einem Möbelbau-Unternehmen.
Zum Abschluss nahm Zukunftsexpertin Corinna Mühlhausen von der Hamburger Agentur Trendcoach/Fritz Classen das Plenum
mit in zukünftige Arbeitswelten. Mühlhausen beleuchtete zunächst den Wertewandel
in Gesellschaft und Arbeitswelt und analysierte die Ansprüche von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unterschiedlichen
Alters. Schließlich stellte sie Firmen vor, die in
kommunikativer wie sozialer Hinsicht bereits
eine neue, „menschliche“ Unternehmenskultur etabliert haben. Ihr Resümee: Autoritäre
Strukturen sind passé, sie müssen ersetzt
werden durch flache Hierarchien, aktive Mitarbeiterbeteiligung, flexiblere Arbeitszeitmodelle und entsprechende Produktionsprozesse.
Workshops zu den Themen „Die menschlichen Sicherheitsressourcen besser nutzen“,
„Ergonomie bei Montage und Wartung“ und
„Menschen verändern Maschinen“ rundeten
das Forums-Angebot ab.
Markus Hofmann, Hildesheim
Foto: bgrci/Markus Hofmann
„Es war spannend zu sehen, was in anderen, teilweise auch ganz fremden Branchen
los ist – und dass wir im Grunde alle vor
denselben Aufgaben stehen“, lautete das
Fazit eines Forumsteilnehmers aus der chemischen Industrie. Stärker als jemals zuvor
sind Anlagen und Gerätschaften aktiv in
ganzheitliche Arbeitssicherheitskonzepte
einbezogen, die neben der Technik auch die
Räumlichkeiten, Produktionsprozesse und
Kommunikationsstrukturen umfassen. Eine
Maschine muss sich in solche Konzepte einfügen. Sie ist nur dann die Investition wert,
wenn sie den Menschen dabei unterstützt,
sicher und gesundheitsschonend zu arbeiten, hieß es auf der Veranstaltung.
Fast 300 Gäste aus allen Branchen der BG RCI nahmen am Forum in Magdeburg teil. 15
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie
Jetzt auch online
Das „Praxishandbuch Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz in der Baustoffindustrie“ beschreibt die Arbeitsverfahren, Maschinen und Anlagen in diesem Gewerbezweig. Es weist auf die wichtigsten Gefährdungen hin und nennt
praxistaugliche Maßnahmen zu deren Vermeidung. Als Nachschlagewerk für Führungskräfte, Planer und weitere Interessierte aus dem Bereich der Baustoffindustrie hat es sich bereits bestens bewährt.
Online-Version bietet Vorteile
Um es für den mobilen Einsatz noch besser nutzbar zu machen, hat die BG RCI eine
Online-Version des Handbuchs entwickelt.
Sie bietet eine Reihe von Vorteilen:
• kompakte Information,
• übersichtliche Gliederung,
•individuell zusammenstellbar als Unterweisungshilfe.
•für Präsentationen mit dem Beamer nutzen oder
•zur weiteren Verwendung auf Ihrem Computer, Tablet oder Smartphone speichern
können.
Darüber hinaus ist es auch möglich, bei
der Auswahl mehrere Themen miteinander
zu verknüpfen.
Das Praxishandbuch online unterstützt Sie
mit ganz neuen Möglichkeiten bei der Präventionsarbeit. Jedes Thema ist jetzt auf
allen mobilen Endgeräten aufrufbar.
Alle Informationen und Illustrationen zu
Gefährdungen und Schutzmaßnahmen
sind zudem so aufbereitet, dass Sie durch
An- und Abwählen eine individuelle Unterweisungshilfe erstellen können – so, wie
Sie es in Ihrem Betrieb gerade benötigen.
Die Unterweisungshilfe wird als PDF ausgegeben, so dass Sie sie
•entweder ausdrucken,
16
Das Praxishandbuch ist in sieben Kapitel gegliedert. Jedes Thema ist individuell
nummeriert und online über eine Suchfunktion zu finden. Der Aufbau der Themen ist
jeweils gleich und in die Abschnitte „Gefährdungen“, „Schutzmaßnahmen“ und
„weiterführende Hinweise“ eingeteilt.
Mit Hilfe des PDF-Konfigurators in der rechten Bildschirmspalte können, wie bereits
angedeutet, aus jedem Thema individuelle
Unterweisungshilfen erstellt oder mehrere
Themen als eine Unterweisungshilfe miteinander verknüpft werden. Sie können dabei sowohl die Textinformationen als auch
die Illustrationen nutzen. Dazu müssen Sie
zunächst den PDF-Konfigurator aktivieren
und ein Thema auswählen. Dann können
Sie per Mausklick sämtliche Inhalte und
Bilder auswählen. In einem Extrafenster
sehen Sie, welche Elemente Sie gewählt
haben. Wenn Ihre Auswahl abgeschlossen
ist, können Sie ein PDF erstellen. Eine Kurzanleitung zum Konfigurator bietet Ihnen
alle wesentlichen Funktionen auf einen
Blick.
Sie finden das neue Angebot auf der Internetseite der BG RCI unter http://praxishandbuch-baustoffe.bgrci.de oder mit dem
abgebildeten QR-Code.
Martin Böttcher, BG RCI, Langenhagen
3/4 2016 BG RCI.magazin
AUS DER PRAXIS
Hoffmann Mineral und Sonax
Erfolgreiches
Gütesiegel-Reaudit
Hoffmann Mineral, Hersteller von Spezialprodukten aus Kieselerde, und Sonax, Produzent von
Autopflegemitteln, sind nicht nur Marktführer in ihren Geschäftsbereichen. Sie haben auch zum dritten Mal in Folge das Verfahren zum BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“ erfolgreich absolviert.
Mit dem Bewertungsprozess zur Erlangung des Siegels erhält ein Unternehmen
die Chance, seine gesamte Arbeitsschutzorganisation zu optimieren. Dabei werden
Schwachstellen erkannt und beseitigt, das
Risiko von Unfällen und Betriebsstörungen
wird deutlich reduziert und die betriebliche
Effektivität verbessert.
Beim jüngsten Reaudit erbrachten die beiden BG RCI-Mitgliedsunternehmen aus Neuburg an der Donau mit zusammen rund 500
Beschäftigten den Nachweis einer kontinu-
Bereits zum dritten Mal ausgezeichnet mit dem BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“: Manfred Hoffmann, Geschäftsführer und Firmeninhaber von Hoffmann Mineral und Sonax (3.v.r.),
mit Vertretern der beiden Unternehmen und der Berufsgenossenschaft. Foto: Hoffmann Mineral
ierlichen Verbesserung ihres Arbeitsschutzmanagementsystems seit dem ersten Gütesiegelverfahren vor nunmehr sieben Jahren.
Bei der Verleihung der Urkunden als Anerkennung für das erfolgreiche Reaudit dankte
Ulrich Kretschmer vom BG RCI-Präventionszentrum Nürnberg den Firmenverantwortlichen für ihr Engagement im Arbeitsschutz.
Er verband dies mit der Vorstellung der neuen BG RCI-Präventionsstrategie „Vision Zero.
Null Unfälle – gesund arbeiten!“. Hoffmann
Mineral und Sonax hätten mit dem Aufbau
ihres Arbeitsschutzmanagementsystems
die besten Voraussetzungen geschaffen,
auch die Ziele dieser Strategie zu erreichen,
sagte Kretschmer.
Manfred Hoffmann, Geschäftsführer und
Firmeninhaber, und Dr. Christian Seeger
von der Geschäftsleitung unterstrichen, in
welch großem Umfang die grundlegenden
Arbeits- und Gesundheitsschutzziele schon
seit langem in den Firmenrichtlinien dokumentiert und mit Leben erfüllt seien.
k/nul
Nationale Präventionskonferenz verabschiedet
Bundesrahmen­empfehlungen
Die mit dem Präventionsgesetz im Sommer 2015 eingeführte Nationale Präventionskonferenz (NPK) hat erstmals bundeseinheitliche trägerübergreifende Bundesrahmenempfehlungen zur Gesundheitsförderung in Lebenswelten und
Betrieben verabschiedet. Damit hat das von gesetzlicher Kranken-, Unfall-, Renten- und Pflegeversicherung getragene Gremium die Voraussetzungen für den Start der nationalen Präventionsstrategie geschaffen und eine gesetzliche Kernaufgabe umgesetzt.
Mit den Bundesrahmenempfehlungen werden als gemeinsame Ziele „gesund aufwachsen“, „gesund leben und arbeiten“ und
„gesund im Alter“ definiert. Durch diese
Orientierung am Lebenslauf sollen alle Menschen mit lebensweltbezogener Prävention
erreicht werden – von Maßnahmen in Kindergärten und Schulen über Gesundheitsförderung in Betrieben und Präventionsarbeit in kommunalen Einrichtungen bis hin
zu entsprechenden Aktivitäten in Pflegeeinrichtungen.
Zielgruppen sind neben Familien, Kindern,
Jugendlichen, Azubis, Studierenden, Berufstätigen, Arbeitslosen und Ehrenamtlichen
auch Pflegebedürftige, die zu Hause oder in
stationären Einrichtungen betreut werden,
sowie die pflegenden Angehörigen.
„Mit den Bundesrahmenempfehlungen liegt
nun eine gute, erstmals trägerübergreifende Basis vor, die jetzt gemeinsam mit den
Akteuren vor Ort mit Leben gefüllt werden
muss, damit sie die gewünschte nachhaltige
Wirkung erzielen kann“, so Gernot Kiefer,
Vorstand des GKV-Spitzenverbandes und
amtierender Vorsitzender der NPK.
„Wichtig ist jetzt, die Strategien für den Versicherten im Rahmen von trägerübergreifenden Projekten erlebbar zu machen“, ergänzt
Arnd Spahn, alternierender Vorstandsvorsitzender der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau.
Im Herbst dieses Jahres werden die Inhalte
der Bundesrahmenempfehlungen im Rahmen des ersten Präventionsforums mit einer
breiten Fachöffentlichkeit diskutiert. „Die
Bundesrahmenempfehlungen sind als lernendes System zu verstehen. Bestärkung
der Menschen, ihre Gesundheitspotenziale
auszuschöpfen, Auf- und Ausbau gesundheitsfördernder Strukturen und Verminderung sozial bedingter Ungleichheit bei den
Gesundheitschancen – um diese Ziele zu
erreichen, müssen und werden die Bundesrahmenempfehlungen kontinuierlich
weiterentwickelt“, so Gundula Roßbach,
Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Bund.
2019 wird die Nationale Präventionskonferenz erstmals den im Vierjahresturnus
erscheinenden trägerübergreifenden Präventionsbericht vorlegen.
dguv/nul
17
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Massenverteiler im Tagebau Profen.
Foto: Christian Bedeschinski
Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH – MIBRAG
Gütesiegel zum 5. Mal in Folge
Erstmals wurde auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement zertifiziert
„Sicheres Verhalten ist für jeden wichtig!“
– unter diesem Slogan haben die MIBRAG
und ihr Bereich Arbeits-, Gesundheits- und
Brandschutz den Startschuss gegeben für
das neue Sicherheitsprogramm 2020. Es
sieht ein Bündel von Maßnahmen vor, das
die Sicherheitsarbeit der Mitteldeutschen
Braunkohlengesellschaft mbH in den kommenden Jahren begleiten und unterstützen
wird. Damit alle wichtigen Informationen,
beispielsweise auch Unterweisungsthemen,
die rund 3.100 Beschäftigten erreichen, wurde der Intranet-Auftritt des Unternehmens
neu gestaltet. Viele Betriebsbereiche arbeiten bereits unfallfrei. Für deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gab es als Anerkennung
ein kleines Geschenk und ein Essen.
Um das Bewusstsein für die Themen der
Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes zu schärfen, führte das in Zeitz,
Sachsen-Anhalt, beheimatete Unternehmen in Zusammenarbeit mit der BG RCI im
vergangenen Jahr einen mehrmonatigen
Sicherheitswettbewerb durch. Er gipfelte in
der sich anschließenden Zertifizierung durch
das BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“.
Es ist gültig bis Ende 2018. Bereits zum fünf-
18
ten Mal in Folge absolvierte das Unternehmen die Auditierung mit Erfolg. Gleichzeitig
wurde auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement zertifiziert. Damit ist die MIBRAG das erste Bergbau-Unternehmen, das
ein durch die Berufsgenossenschaft zertifiziertes Gesundheitsmanagement nachweisen kann.
In der neuerlichen Zuerkennung des Gütesiegels spiegele sich die Leistung vieler, sagte
der für Personalfragen zuständige MIBRAGGeschäftsführer Heinz Junge. Insbesondere
die Beschäftigten des Bereichs „Technische
Dienste Maschinentechnik“ hätten eine he-
Geologe Carsten
Preuß (l.) und Technologe Karl-Heinz
Exner im Tagebau
Profen. Foto: Jens Schlüter
rausragende Leistung gezeigt und maßgeblichen Anteil am Erfolg. Junge appellierte in
diesem Zusammenhang an alle Mitarbeiter,
bei der Arbeit genau hinzuschauen und auch
auf den Kollegen nebenan zu achten. Auch
die Ausrüstung werde weiterhin überprüft,
um die Arbeiten sicher ausführen zu können.
Darüber hinaus werde es im Gesundheitsmanagement und bei der Vereinbarkeit von
Familie und Beruf auch künftig keine Abstriche geben. Allerdings sei eine stärkere Teilnahme an der jährlichen Gesundheitswoche
wünschenswert. „Hier sieht die Geschäftsführung noch Potenzial“, unterstrich der Arbeitsdirektor.
nul
3/4 2016 BG RCI.magazin
AUS DER PRAXIS
Unter Tage.
Corporate Health Award 2015
RAG-Gesundheits­management ausgezeichnet
Bei der jüngsten Vergabe des Corporate Health Awards (CHA) hat eine Fachjury das Betriebliche Gesundheitsmanagement der RAG Aktiengesellschaft mit einem Exzellenz-Zertifikat ausgezeichnet.
Die RAG in Herne bündelt seit 1998 sämtliche Aktivitäten des heimischen Steinkohlenbergbaus. Das Gesundheitsmanagementsystem des Unternehmens läuft unter der
Bezeichnung „… in Form“. Ausdrücklich
loben die Auditoren das vorbildliche Engagement der RAG für die Gesundheit aller
Beschäftigten. So sei es bemerkenswert,
mit welcher Motivation und Tatkraft vor dem
Hintergrund des auslaufenden Bergbaus
eine Gesundheitskultur im Unternehmen
gepflegt werde, hieß es.
Bereits zum vierten Mal nahm die RAG am
CHA teil. Die Auszeichnung, die das Handelsblatt, der TÜV Süd und EuPD Research
jährlich ausschreiben, gilt als eins der wichtigsten Zertifizierungen im Betrieblichen
Gesundheitsmanagement. Zur Bewertung
wurde ein Qualitätsmodell entwickelt, das
wissenschaftlichen Anspruch und Praktikabilität verbindet. Bei verschiedenen Audits erfolgen Bewertungen in den Kategorien
Strategie, Struktur und Gesundheitsförderung. Anschließend nimmt das CHA-Expertengremium Begutachtungen und Einteilungen in Leistungsklassen vor.
Im Vergleich zum Vorjahr konnte die RAG
ihr Ergebnis sogar um 4,2 Prozentpunkte
auf 96,2 Prozent erhöhen. Dazu Reiner Jung,
Leiter der RAG-Abteilung Gesundheitsschutz
und Arbeitsmedizin: „Das ist ein absoluter
Spitzenwert, insbesondere wenn man die
starke Konkurrenz wie Airbus oder ThyssenKrupp berücksichtigt.“ Jung, die Leitende
Betriebsärztin Dr. Silke Hoffmann, Babet-
te Brandenburg, Leiterin Betrieblicher Gesundheitsschutz, und Gesundheitsmanager Dennis Kohl hatten den Auditoren die
Leistungsfähigkeit des RAG-Managementsystems vorgestellt. Unterstützt wurden sie
dabei von dem Leiter des Zentral- und Servicebereichs Belegschaft, Frank Bandow,
und der dortigen Betriebsratsvorsitzenden
Barbara Schlüter. Steinkohle 02/nul
Erneut mit dem Corporate Health Award ausgezeichnet: Das RAG-Gesundheitsmanagementsystem
„… in Form“.
Fotos: bgrci/rag/Dietmar Klingenburg
19
BG RCI.magazin 3/4 2016
Vor 70 Jahren
Grimberg III/IV
Beim schwersten Grubenunglück in Deutschland starben mehr als 400 Kumpel. In der Folge wurde das Grubenrettungswesen ausgebaut und mit neuen Sauerstoffgeräten ausgestattet.
Am 20. Februar 1946 entzündete sich, wie
beispielsweise Die Welt notiert, aus bis
heute ungeklärter Ursache ein Luft-Methangasgemisch und führte zu einer Schlagwetterexplosion, der eine noch stärkere Kohlenstaubexplosion folgte. Wie es heißt, war
die Druckwelle so heftig, dass sie durch den
900 Meter tiefen Schacht bis nach über Tage
schlug und dort die technischen Anlagen
zerstörte. Die meisten der 408 Toten, die
sich zur Frühschicht unter Tage aufhielten,
konnten nie geborgen werden.
Grubenwehren aus zwölf benachbarten
Bergwerken waren unter großen Schwie-
rigkeiten angerückt. Die Welt zitiert den
Leiter des Stadtarchivs Bergkamen, Bernd
Litzinger: „So kurz nach Kriegsende fehlten Lastwagen, die Rettungsgeräte hätten heranschaffen können. Hinzu kamen
die schlechten Straßenverhältnisse. Von
einer benachbarten Zeche aus gelangten
die Rettungskräfte schließlich unter Tage in
die Nähe des Unglücksortes auf Grimberg
III/IV.“ Am Abend des 23. Februar wurden
noch acht Männer lebend gefunden. Dann
wurde die Grube geschlossen und eineinhalb Jahre später wegen der noch immer
andauernden Brände geflutet. 1952 wurde
Schacht III erneut abgeteuft. Bis 1994 war
die Anlage in Betrieb.
Ob Sicherheitsbestimmungen verletzt worden waren, konnten auch monatelange
Untersuchungen und Befragungen Überlebender nicht klären. Litzinger sagte dazu
dem Blatt: „Sicher ist, dass schon während
des Krieges Sicherheitsvorschriften nicht
eingehalten worden waren. So hat es auf
der Anlage bereits im September 1944 ein
schweres Unglück mit 107 Toten gegeben,
darunter meist russische Zwangsarbeiter
und Kriegsgefangene.“
Die Zeitung befragte auch den Leiter des
Montanhistorischen Dokumentationszentrums in Bochum, Michael Farrenkopf. Nach
seinen Worten hatte das Grimberg-Unglück
unmittelbare Folgen für das Rettungswesen:
„Die bisherigen Sauerstoffgeräte der Grubenwehr mit einem Sauerstoffvorrat für zwei
Stunden hatten sich als unzureichend erwiesen. Daher wurden neue Geräte mit einer
Einsatzfähigkeit von vier bis acht Stunden
entwickelt und 1952 zugelassen.“
Im Volksmund hieß die Schachtanlage Grimberg III/IV immer nur „Kuckuck“. „Mein Vater ist damals auf ‚Kuckuck‘ geblieben“, sei
bis heute in Bergkamen der Ausdruck für
die Verzweiflung von damals, zitiert die FAZ
den Stadtarchivar: „433 Töchter und Söhne
hatten ihre Väter verloren.“
Norbert Ulitzka, BG RCI, Bochum
Mahnmal für die Opfer: Beim größten Bergbau-Unglück der deutschen Geschichte kamen vor 70 Jahren auf der Schachtanlage Grimberg III/IV
408 Menschen ums Leben.
Foto: bgrci/Norbert Ulitzka
20
Quellen: Die Welt, FAZ, lokale Medien vom 19./20.02.2016, Internetrecherche
Ein breites Echo in den Medien hat die Erinnerung an Deutschlands schwerstes Grubenunglück auf der Schachtanlage Grimberg
III/IV in Bergkamen, unweit von Dortmund,
gefunden. So berichteten lokale, aber auch
überregionale Blätter wie die FAZ detailliert über den Hergang der Katastrophe,
die knapp ein Jahr nach Kriegsende neues
Leid über die betroffenen Familien brachte.
3/4 2016 BG RCI.magazin
AUS DER PRAXIS
K+S Kali GmbH, Werk Werra
Grubenwehr: Sicherheitspartnerschaft auch
mit Besucherbergwerken
Die K+S KALI GmbH mit ihren aktiven Grubenwehren leistet einen bedeutenden Beitrag zur Sicherheit auch anderer
Bergwerke. So hat die Grubenwehr Hattorf-Wintershall des Verbundwerks Werra Hilfeleistungsvereinbarungen mit
verschiedenen anderen Betrieben getroffen. Darunter befinden sich eine Kupferschiefergrube, eine Tongrube, zwei
Gipsgruben und – in erster Linie – natürlich die weiteren Standorte der K+S. Die Grubenbetriebe befinden sich im
Radius von bis zu 120 Kilometern rund um den Standort Hattorf-Wintershall.
Ein Betrieb, dem die Grubenwehr als Sicherheitspartner zur Seite steht, ist das Besucherbergwerk Grube Gustav in MeißnerAbterode. Die K+S-Grubenwehr führt dort
jährlich eine Befahrung durch. Alle zwei Jahre kommt eine Übung hinzu. Diese Maßnahmen fordert die zuständige Bergbehörde. Sie
sind Voraussetzung für den Betrieb eines
Bergwerks und dienen der Vorbereitung für
den Notfalleinsatz und der Sicherheit der
Besucher.
Jedes Jahr besuchen bis zu 6.000 Menschen, darunter viele Schulklassen, die
Grube Gustav und informieren sich über
den Kupferschiefer-Bergbau, der hier vom
16. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben wurde. In diesem Jahr feiert das Besucherbergwerk sein 30jähriges
Bestehen. Für ihren Betrieb sorgen fast
ausschließlich Ehrenamtler. „Nur mit Hilfe
der Grubenwehr ist es möglich, die Anlage
aufrechtzuerhalten“, dankte Bürgermeister
Friedhelm Junghans bei einer Sicherheitsbegehung dem Leiter Grubenrettungswesen
und Brandschutz Hattorf-Wintershall, Dieter
Wendrich. Gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort überprüften die Grubenwehrmitglieder die Vorkehrungen und das Rettungskonzept der Grube Gustav.
In diesem Jahr wollen Wendrich und seine
Kollegen im Besucherbergwerk eine NotfallRettungsaktion simulieren und den Einsatz
proben. In einem solchen Notfall wäre zuerst die ortsansässige Feuerwehr aktiv. Sollte ein untertägiger Einsatz unter Atemschutz
notwendig werden, käme die Grubenwehr
mit ihrer speziellen Technik und Bergbauer-
Befahrung des Besucherbergwerks Grube Gustav in Meißner-Abterode: Bürgermeister Friedhelm
Junghans und die K+S-Grubenwehrmitglieder Hattorf-Wintershall mit dem Gemeindebrandinspektor, Bauhof-Mitarbeitern, der Sicherheitsfachkraft und einem Besucherführer.
Foto: ib
fahrung zu Hilfe. Dabei spielt die möglichst
umfassende Ortskenntnis des Sicherheitspartners stets eine entscheidende Rolle.
„Damit der Kommune für unsere Übungen
keine Kosten entstehen, verlegen wir eine
unserer Pflichtübungen zur Grube Gustav“, erklärt Wendrich. An 30 Samstagen
im Jahr trainiert die Grubenwehr HattorfWintershall ihre körperliche Fitness für die
unterschiedlichsten Ernstfälle. Jedes Grubenwehrmitglied muss nach den gesetzlichen Vorgaben jährlich fünf Übungstage
absolvieren. Nur so lassen sich unter Tage
die meist schweren Einsätze unter Tage mit
den erforderlichen Gerätschaften beherr-
schen. Ernstfalleinsätze unter Atemschutz
müssen mit mindestens zwölf ausgebildeten Grubenwehrmitgliedern durchgeführt
werden. Deshalb verfügt die Grubenwehr
Hattorf-Wintershall über 70 aktive Mitglieder. Die zwölf Einsatzkräfte bestehen aus
zwei Trupps mit jeweils fünf Personen, einem Gerätewart und einem Oberführer.
Wichtigster Bestandteil der Ausrüstung
sind Langzeit-Atemschutzgeräte, sogenannte Kreislaufgeräte, die einen von der
oft kontaminierten Umgebungsluft unabhängigen Einsatz von bis zu vier Stunden
ermöglichen.
Ivonne Balduf, Philippstal
21
BG RCI.magazin 3/4 2016
Foto: © rudi1976 – fotolia.com
AUS DER PRAXIS
Paris, 1. bis 3. Juni 2016
Chemikalien mit besonderen Gefahren
Das INRS, Frankreich, und die Sektion Chemie der IVSS thematisieren endokrine
Disruptoren und sensibilisierende Substanzen
Vom 1. bis 3. Juni 2016 veranstalten das Institut National de Recherche et de Sécurité (INRS) und die Sektion Chemie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) ein Symposium in Paris. Im Mittelpunkt stehen die
Risiken im Zusammenhang mit endokrinen Disruptoren und sensibilisierenden Substanzen sowie die Prävention am
Arbeitsplatz. Ein breit gefächertes Programm gibt einen Überblick über die Wirkungen solcher Chemikalien auf die
Gesundheit, über betroffene Arbeitsplätze sowie über praktische Konzepte und Empfehlungen zur Prävention.
Das Hormonsystem des Menschen wird
auch als endokrines System bezeichnet.
Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind endokrine Disruptoren von außen zugeführte Stoffe oder
Gemische, die die Funktion des Hormonsystems verändern und dadurch gesundheitlich nachteilige Wirkungen im intakten
Organismus, bei seinen Nachkommen oder
bei (Sub-)Populationen verursachen (WHO
2002: Global Assessment of State-of-theScience of Endocrine Disruptors).
Im Rahmen der Verordnung EG 1907/2006
zur Registrierung, Bewertung, Zulassung
und Beschränkung chemischer Stoffe
(REACH) können endokrine Disruptoren
unter bestimmten Voraussetzungen zulassungspflichtig werden. Gegenstand
der wissenschaftlichen und politischen
Diskussion ist es derzeit, Kriterien für die
Identifizierung von endokrinen Disrupto-
22
ren festzulegen und die regulatorischen
Auswirkungen zu definieren.
Expositionen gegenüber endokrinen Disruptoren, aber auch gegenüber sensibilisierenden Substanzen, können sowohl
umwelt- als auch arbeitsplatzbedingt sein.
Nach wie vor stellen beruflich bedingte Allergien der Haut oder der Atemwege einen
Schwerpunkt bei den angezeigten Berufskrankheiten dar. Vertiefte Kenntnisse zu
den Auslösern, den Erkrankungen, zur Expositionsbeurteilung sowie zu wirksamen
Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit sensibilisierenden Stoffen sind daher wichtige Bausteine eines Präventionskonzepts.
Vortragende aus Frankreich, Belgien, Kanada, Deutschland, den Niederlanden, der
Schweiz, Österreich und Spanien bieten
mit ihren Symposiums-Beiträgen und einer
Podiumsdiskussion den internationalen
Rahmen für einen spannenden Austausch.
INRS und die IVSS-Sektion Chemie möchten die für Sicherheit und Gesundheitsschutz Verantwortlichen in den Betrieben
sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und -ärztinnen, Aufsichtspersonen der Unfallversicherungen und der
staatlichen Behörden, Vertreter aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen,
Toxikologen und Sachverständige ansprechen. Konferenzsprachen sind Deutsch,
Englisch und Französisch, alle Beiträge
werden simultan übersetzt.
Nähere Informationen sowie die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie unter http://
www.inrs-issa2016.com.
Antje Ermer, Dr. Joachim Sommer,
Michaela Frenzel, BG RCI, Heidelberg
Programm
Mittwoch, 1. Juni, Nachmittag: Endokrine Disruptoren
Begrüßung
Stéphane Pimbert, Generaldirektor der INRS
Einführung
Niels Schurreit, Generalsekretär der IVSS-Sektion Chemie
Endokrine Disruptoren und die Exposition am Arbeitsplatz: Stand der Diskussion
Claude Emond, Universität von Montreal (UQAM)
Umwelt- und berufsbedingte interne Belastung mit endokrinen Disruptoren
Holger Koch, Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA)
Endokrine Disruptoren und reproduktionstoxische Wirkungen
Stephane Malard, INRS
Endokrine Disruptoren und krebserzeugende Wirkungen
Ursula Gundert-Remy, Charité Berlin
Endokrine Disruptoren im Kontext von REACH
Simone Mühlegger, Umweltbundesamt Österreich
INTERNATIONALE
S
SYMPOSIUM
1. BIS 3. JUNI
2016
CHEMIKALIEN
MIT BESONDER
GEFAHREN: EN
RISIKEN UND
PRÄVENTION
ARBEITSPLATZAM
Donnerstag, 2. Juni, Vormittag: Endokrine Disruptoren
THEMA DES SYM
POSIUMS
Endokrine Disrupto
ren und sensibili
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Substanzen sind
zwei Klassen von
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mit besonderen
Gefahren. Die Kon mikalien
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MAISON DE LA
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ESPACE DU CEN
TENAIRE
F-75012 PARIS
Einführung
ENDOKRINE DI
SENSIBILISIERESRUPTOREN UND
Séverine Brunet, Leiterin des Fachbereichs „Prävention in der Praxis“, INRS
NDE SUBSTANZ
EN
Überblick über industriell verwendete endokrine Disruptoren
Nicolas Bertrand, INRS
Berufliche Exposition gegenüber Phthalaten. Biomonitoring im Urin
www.inrs-issa2
016
Alain Robert, INRS
[email protected] .fr
r
Bisphenol A als ein endokriner Disruptor in Kassenzetteln
Anne-Laure Demierre, Schweizerisches Bundesamt für Gesundheit
Berufliche Exposition gegenüber Bisphenol A. Biomonitoring im Urin
Sophie Ndaw, INRS
Bestimmung von Grenzwerten für endokrine Disruptoren
Christophe Rousselle, Französische Behörde für Ernährung, Umwelt, Gesundheitsschutz und Sicherheit (ANSES)
Podiumsdiskussion
Empfehlungen und Praktiken für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Moderation: Antje Grobe
Laurent Vogel, Europäisches Gewerkschaftsinstitut (ETUI) · Peter Smith, European Chemical Industry Council (CEFIC) · Matthieu
Lassus, Aufsichtsbehörde Frankreich · Simone Mühlegger, Umweltbundesamt Österreich · Alain Simonnard, INRS · Claude Emond,
Universität von Montreal (UQAM) · Elke Schneider, Europ. Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA)
IN ZUSAMM
EN
ARBEIT MI
T
Donnerstag, 2. Juni, Nachmittag: Sensibilisierende Substanzen
Einführung
Michel Pourquet, Vizepräsident der IVSS Sektion Chemie
Berufliche Atemwegsallergien und Asthma – Auslöser und Erkrankung
Monika Raulf, Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA)
Berufliche Kontaktdermatitis: Expositionsquellen und klinische Aspekte
Nadia Nikolova-Pavageau, INRS
Sensibilisierende Stoffe in verschiedenen Branchen
NN
Freitag, 3. Juni, Vormittag: Sensibilisierende Substanzen
Einführung
Martin Gschwind, Vizepräsident der IVSS Sektion Chemie
Überblick über sensibilisierende Stoffe in der Industrie – Vorstellung der Expositionsdatenbank MEGA
Rainer van Gelder, Institut für Arbeitsschutz (IFA)
Darstellung der beruflichen Exposition gegenüber sensibilisierenden Substanzen: Daten aus der COLCHIC-Datenbank
Frederic Clerc, INRS
Sicherheitsrelevante Informationen zu sensibilisierenden Arzneistoffen: Das BESI-Projekt
Sabine Werner, Institut für Arbeitsschutz (IFA)
Bestimmung von Grenzwerten für sensibilisierende Substanzen
Dick J. J. Heederick, Niederländisches Expertenkomitee für Arbeitssicherheit (DECOS)
Prävention bei Tätigkeiten mit sensibilisierenden Substanzen
Ingrid Thullner, Unfallkasse Hessen (UKH)
Sensibilisierende Substanzen in Kleinbetrieben: Risiken und Präventionsmaßnahmen
Udo Eickmann, Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Schlussbemerkungen
Didier Baptiste, Direktor Forschung, INRS
23
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Dr. Rolf Rupp und Frauke
Strohmeier von der BG RCI
überreichen Petra Scheithe,
Geschäftsführerin der BASF
Business Services, Bernd
Schmitt, Lead Safety Manager, und Frank Grünagel,
Safety Expert (v.l.), in Ludwigshafen die Gütesiegelurkunde „Sicher mit System“.
Das Gütesiegel hat eine Gültigkeit von drei Jahren. Danach gibt es auf Wunsch des
Unternehmens ein Reaudit.
Foto: BASF SE/Schäfer
Landesverbände Südwest
und Mitte der DGUV
Tag der Arbeits­
sicherheit
BG RCI-Gütesiegel „Sicher mit System“
Ramstein, 1. Juni 2016
BASF Business Services ausgezeichnet
Im Kultur- und Tagungszentrum RamsteinMiesenbach findet am 1. Juni 2016 der Tag
der Arbeitssicherheit der Landesverbände
Südwest und Mitte der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung statt.
Wie macht man Arbeitsbereiche und Verkehrswege für Mitarbeiter sicher?
Wie geht man zum Beispiel mit einem Brand um? Wie gestaltet man einen
Arbeitsplatz ergonomisch und fördert die Gesundheit der Beschäftigten? Um
diese und viele weitere Themen kümmert sich das für Sicherheit zuständige
Team der BASF Business Services (BBS). Für die auf diesem Wege erzielten
besonderen Leistungen wurde die BBS jetzt von der BG RCI ausgezeichnet.
Vorgesehen sind vier Themenblöcke mit aktuellen
und praxisnahen Informationen zum Arbeits- und
Gesundheitsschutz. Themenschwerpunkte sind
unter anderem:
• Werkverträge
• das Präventionsgesetz
• die Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf
psychische Belastungen und
• Verantwortung im Arbeitsschutz
Die Fachtagung wird begleitet von einer Ausstellung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Die
Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenfrei.
Beginn ist 9.30 Uhr (Einlass ab 8.30 Uhr), Ende
gegen 17.00 Uhr.
Anmeldungen bis 25. April 2016
an die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung,
Landesverband Südwest, Kurfürstenanlage 62,
69115 Heidelberg
Dr. Volker Wittneben
Tel.: 06221/5108-24600
Fax: 06221/5108-24699
E-Mail: [email protected]
Ka
24
Die Berufsgenossenschaft unterstützt Unternehmen darin, den Arbeitsschutz systematisch in ihre Organisation zu integrieren,
und bietet die Prüfung und Zertifizierung
ihres Arbeitsschutzmanagement-Systems
(ASM) nach geltenden gesetzlichen Richtlinien an. Mit Hilfe von Arbeitsschutzmanagement-Systemen können Unternehmen
den Sicherheits- und Gesundheitsschutz
für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
konkret planen und die Einhaltung und
Wirksamkeit der Maßnahmen überwachen.
Die BASF Business Services hat sich solch
einer Prüfung durch die BG RCI unterzogen – und erfolgreich bestanden. „Ein
effizient organisiertes Arbeitsschutzmanagement-System ist ein wichtiges Instrument, um präventiv die Sicherheit und
Gesundheit unserer Mitarbeiter zu gewährleisten“, sagt Petra Scheithe, Geschäftsführerin der BBS. „Das Zertifikat belegt,
dass das Thema Sicherheit fest in unserer
Organisation verankert ist und wir damit
sehr verantwortungsbewusst umgehen.“
Um das Zertifikat zu erhalten, muss das
Safety Team zahlreiche Dokumentationen
vorweisen, so zum Beispiel das Arbeitsschutzmanagement-Konzept und die Informations- und Weiterbildungsmaßnahmen
für die Beschäftigten.
Auch eine Begehung verschiedener Gebäude vor Ort am Standort Ludwigshafen
gehört dazu.
„Wir haben bei der Überprüfung durch die
BG RCI außerordentlich gut abgeschnitten
und sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis“,
sagt Bernd Schmitt, Lead Safety Manager
der BBS. „Die Zertifizierung mit dem Gütesiegel ‚Sicher mit System‘ durch eine externe, unabhängige Stelle bestätigt, dass
wir bei den Themen Arbeitssicherheit und
Gesundheitsschutz gut aufgestellt sind
und sie aktiv angehen. Wir sind die erste Gruppengesellschaft der BASF, die von
der Berufsgenossenschaft ausgezeichnet
worden ist. Und darauf sind wir natürlich
sehr stolz.“
basf/n
3/4 2016 BG RCI.magazin
AUS DER PRAXIS
BG RCI-Präventionszentrum Gera/Berlin
Sicherheitsfachkräftetagung 2016/2017
Radebeul 26.–27. Oktober 2016
Potsdam 8.–9. März 2017
Stolz auf 7.000 Tage ohne meldepflichtigen Arbeitsunfall: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Euticals GmbH am Standort Frankfurt.
Foto: Volker Heinrich
Euticals GmbH, Höchst
7.000 Tage ohne meldepflichtigen Unfall
Mit rund 70 Beschäftigten am Standort Höchst ist die Euticals GmbH einer der
führenden Hersteller im Bereich von Feinchemikalien. Sie konzentriert sich
überwiegend auf die Kommerzialisierung hochwertiger Pharmabausteine,
cGMP-Zwischenprodukte* und Pharmawirkstoffe.
Die Kernkompetenzen liegen vor allem in
der organisch-chemischen Synthese, insbesondere in modernen Methoden der Organometallchemie, Enzymchemie und Heterocyclenchemie, sowie in der Herstellung
von Feinchemikalien unter höchsten regulatorischen Standards.
Seit 2011 ist der Standort Teil der global operierenden Euticalsgruppe mit Sitz in Mailand. Sie stellt mit weltweit mehr als 890
Mitarbeitern über 200 verschiedene Pharmawirkstoffe in den unterschiedlichsten
Therapieklassen her. Die größte R&D-Abteilung der Gruppe mit 20 Chemikern und
Laboranten befindet sich am Standort Frankfurt. Sie wird von 14 Mitarbeitern aus den
Bereichen Sales & Marketing, Forschungsleitung, ESHA, Qualitätssicherung, Personal
und Controlling unterstützt. Trotz der Herausforderung, täglich mit der kompletten
Bandbreite an Chemie- und Forschungschemikalien umzugehen, ist es dieser Gruppe
mit Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit, Harald Hößl, gelungen, 7.000
Tage – das sind bei einem vollkontinuierlichen Betrieb mehr als 19 Jahre – ohne meldepflichtigen Unfall zu absolvieren.
Die Euticals GmbH ist stolz auf die Leistung
und das Engagement der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und wünscht sich auch weiterhin erfolgreiche Jahre ohne meldepflichtigen Unfall.
bgrci/n
*cGMP: current Good Manufacturing Practice
(Methode zur Überprüfung von Qualitätsstandards in der Herstellung)
Für die Sicherheitsfachkräfte aus ihren
Mitgliedsunternehmen in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen organisiert
das BG RCI-Präventionszentrum Gera/
Berlin die Sicherheitsfachkräftetagung
2016/2017.
Wegen des breiten, branchenübergreifenden Informationsbedarfs und des geplanten umfangreichen Themenangebots findet die Tagung an zwei
Terminen statt:
•für Sicherheitsfachkräfte aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 26. und 27. Oktober 2016 in Radebeul bei Dresden
•für Sicherheitsfachkräfte aus Berlin und Brandenburg am 8. und 9. März 2017 in Potsdam
Auf dem Programm stehen jeweils die folgenden
Themen:
•Erste Erfahrungen mit der neuen BG RCI-Präventionsstrategie Vision Zero
•Vorstellung von praxiserprobten Werkzeugen
für die Gefährdungsbeurteilung
•Erfahrungsaustausch zur Gefährdungsbeurteilung im Hinblick auf psychische Belastungen
•Gesund am Arbeitsplatz
•Ausblick auf die 2017 beginnende bundesweite
Präventions-Kampagne zum Thema Präventionskultur
•Die Medienwelt der BG RCI
•Aus der Praxis für die Praxis: Erfahrungsberichte
und gute Lösungen
Berichten Sie aus Ihrer Praxis!
Zu den Tagungen lädt die BG RCI gesondert ein.
Sicherheitsfachkräfte, die mit einem eigenen Vortrag zu den Veranstaltungen beitragen möchten,
werden gebeten, möglichst umgehend mit ihrer
jeweils zuständigen BG RCI-Aufsichtsperson Kontakt aufzunehmen.
Michael Schwabe, BG RCI, Berlin
25
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Zum Kleben, Flicken, Basteln: tesafilm-Werbung von 1954.
Kirchbergs kreative Klebebande
Die tesa Labtec GmbH fokussiert sich auf die Entwicklung und Produktion von Wirkstoff-Pflastern und schnell
löslichen oralen Filmen.
tesafilm verbindet – seit 80 Jahren
Mit einem Bekanntheitsgrad von 98 Prozent – ermittelt vom Marktforschungsinstitut GfK – gehört tesa in Deutschland zu den stärksten Produktmarken. Sogar im Duden ist der Markenname zu finden. In diesem Jahr wird der berühmte Klebefilm 80 Jahre alt. Eigentlich 80 Jahre jung – denn aus einer Idee wurden inzwischen über 7.000 Produktund Systemlösungen, von denen die meisten aus den letzten Jahren stammen. Rund 70 Patente pro Jahr zeugen von
großer Innovationskraft, das integrierte und zertifizierte Managementsystem von sicheren Arbeitsbedingungen.
Kennen Sie sich aus in Wirtschaftsgeschichte? Dann finden Sie sicher auch den Fehler
in folgender Behauptung: „tesa ist der Name
eines Klebers, den Elsa Tesmer in gezielter
Forschungsarbeit entwickelt hat.“ Schwierig
an dieser Aufgabe ist eigentlich nur eins,
nämlich dass sich nicht nur ein Fehler eingeschlichen hat, sondern schlichtweg alles
falsch ist.
Beginnen wir bei dem Namen tesa. Der
geht in der Tat auf Elsa Tesmer zurück – sie
arbeitete jedoch nicht im Labor, sondern
in der Schreibstube bei der Hamburger
Firma Beiersdorf. Im Rahmen eines Aufrufs der Geschäftsleitung, Namen für neu
entwickelte Produkte zu finden, setzte sie
1906 das Wörtchen tesa aus den Silben ihres Nach- und Vornamens zusammen. Das
wurde zunächst die Bezeichnung für eine
Zahnpasta-Tube, was aber wenig erfolgreich
war. Danach verschwand „tesa“ für rund 30
Jahre in den Archiven der Rechtsabteilung.
Auch von „gezielter Forschungsarbeit“ kann
nur bedingt gesprochen werden. Denn am
Anfang stand die missglückte Entwicklung
eines Wundpflasters. An diesem hatte der
26
Apotheker Paul C. Beiersdorf gearbeitet,
als Dr. Oscar Troplowitz das Labor des Unternehmensgründers 1890 übernahm. Das
Pflaster klebte hervorragend, reizte aber die
Haut. Aus der Not machte Troplowitz eine
Tugend und brachte das Klebeband unter
dem Namen „Cito-Sportheftpflaster“ 1896
trotzdem auf den Markt – jedoch zum Flicken von Fahrradschläuchen. Es war das
erste technische Klebeband der Welt.
Kleber ist das nächste Stichwort – denn tesa
ist gerade kein Flüssigkleber, sondern ein
Klebeband. Und nicht nur ein Klebeband:
Gut 1.000 verschiedene Harze sowie etwa
100 thermoplastische Elastomere enthält
die tesa-Rohstoffdatenbank zur Herstellung
unterschiedlicher Klebemassen. Aus dieser
Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten
haben die Forscher bei tesa schon mehr
als 7.000 Produkt- und Systemlösungen
entwickelt.
Mit der Geschichte von tesa untrennbar
verbunden ist der Industriekaufmann Hugo
Kirchberg. Mit gerade einmal 25 Jahren war
er von den „unbegrenzten Möglichkeiten
der Selbstklebetechnologie“ so überzeugt,
dass er mit seiner Bewerbung 1934 auch
den Vorstand der Beiersdorf AG für seine
Ideen zum Vertrieb der technischen Klebebänder gewann. Auf der Suche nach einem
prägnanten Namen stieß er in der Rechtsabteilung wieder auf „tesa“. Aus Sicht Kirchbergs brachte der Name die wichtigsten
Voraussetzungen für den Aufbau und die
Etablierung einer unverwechselbaren Marke mit: kurz, einprägsam und international
verwendbar. Und dieses Mal wurde es ein
Erfolg. Mit effizientem Vertrieb, zielgruppenorientierter Werbung und zusätzlichen
Erfindungen wie beispielsweise dem heute
noch gebräuchlichen Tischabroller schaffte
es Kirchberg, aus den anfangs „holprigen
Wegen“ eine leistungsfähige „Autobahn“
zu machen.
Apropos Autobahn – mehr als 50 verschiedene tesa-Produkte gehen in die Automobilindustrie. So beispielsweise schon seit
1941 der Klassiker tesakrepp zum Abdecken
für das Spritzlackierverfahren. Heute zählen
dazu auch Präzisionsstanzteile, die ein kurzzeitiges oder dauerhaftes Verschließen von
produktionsbedingten Karosserieöffnungen
ermöglichen, Vliesprodukte zum Bündeln
3/4 2016 BG RCI.magazin
Großen Wert legt das Unternehmen auf Arbeitsschutz und Sicherheit. Weltweit gelten bei tesa die Standards nach OHSAS
18001. Die systematische Ermittlung von
Gefahren, ihre Bewertung und die Umsetzung geeigneter Gegenmaßnahmen, kontinuierliche Mitarbeiterschulungen und Trainings haben an allen tesa-Standorten zu
außergewöhnlich niedrigen Unfallzahlen
geführt.
Auf dem Weg in den Reinraum.
und Fixieren der zahlreichen Kabelsätze, laserbeschreibbare Etiketten zur Kennzeichnung der Fahrgestellnummer, dauerhafte
Emblem-Verklebungen und schließlich rückstandslos ablösbare Folien zum Schutz der
Lackoberflächen beim Transport.
Von der „motorisierten“ Autobahn auf die
Datenautobahn – auch in Smartphones
stecken inzwischen mehr als 40 Klebeanwendungen, die viel mehr als nur Komponenten verbinden können. Spezialtapes mit
Graphit-Beschichtung, gerade einmal fünf
Mikrometer dünn und damit zehnmal feiner
als ein Haar, sorgen beispielsweise für die
Wärmeableitung elektronischer Bauteile.
Optisch reine Klebefolien mit mehr als 99
Prozent Lichtdurchlässigkeit kommen im
Schichtaufbau berührungsempfindlicher
Bildschirme zum Einsatz. Weil in der Elektronikindustrie jedes kleine Staubkorn bereits
störend wirkt, erfolgt die Produktion dieser
Bänder in einer Reinraumeinheit.
Das schmalste Stanzteil zur Befestigung
eines Handy-Glaskörpers misst übrigens
lediglich einen halben Millimeter. Wenn
Sie glauben, dass Sie diese Produkte bisher nur aufgrund ihrer Dimensionen im Bürohandel übersehen haben, liegt es nicht
an Ihren Augen: „Nur etwa ein Viertel des
Umsatzes geht in den sogenannten Endverbrauchermarkt, der Rest sind Industrieprodukte, meist zusammen mit den Kunden als
Speziallösungen für die jeweiligen Branchen
entwickelt“, klärt Reinhart Martin, Pressesprecher bei tesa in Hamburg, den erstaunten Besucher auf.
Aber das ist nicht alles. Zum Unternehmen gehört auch die Tochtergesellschaft
tesa scribos: 1998 hatten zwei findige Wissenschaftler an der Universität Mannheim
entdeckt, dass sich der tesafilm als Datenspeicher eignet. Daraus entwickelte sich ein
breites Spektrum an Sicherheitsprodukten,
wie beispielsweise fälschungssichere Etiket-
tesa unterm Mikroskop. Fotos: tesa SE
ten mit Hologrammen. Ein anderes Anwendungsbeispiel findet sich in der Druck- und
Papierindustrie: Dank einer sicheren Ansatzverklebung mit einem hochkomplex aufgebauten doppelseitigen Spezialklebeband
lassen sich die tonnenschweren Papierrollen
endlos und abrisssicher miteinander verbinden – ohne Drosselung der Produktionsgeschwindigkeit.
Zu den aktuellen Produkt-Trends gehören
Klebetechnologien für die Solarindustrie
und die Bauwirtschaft, wo lösemittelfreie
doppelseitige Klebebänder auf Acrylatbasis den traditionellen Fügetechniken wie
Schweißen, Löten oder Schrauben Konkurrenz machen. Und auch Anwendungen für
die pharmazeutische Industrie zeichnen sich
am Horizont ab. Sogenannte transdermale
therapeutische Systeme gewährleisten eine
Medikation, bei der die in einem Pflaster
eingeschlossenen Wirkstoffe direkt durch
die Haut aufgenommen werden.
Ein Pflaster für die Haut – schließt sich da
ein Kreis? „Es ist eher wie ein Rad, das immer weiterrollt“, ist sich Martin sicher. Wie
das Abrollgerät, dessen Vorläufer einst Kirchberg entwickelte, als er den tesafilm vor 80
Jahren kundenorientiert auf den Weg brachte. Die kreativen Ideen sind seinem Unternehmen seither nicht ausgegangen.
Hugo Kirchberg schuf mit „tesa“ eine unverwechselbare Marke.
Dr. Joachim Sommer, BG RCI, Heidelberg
27
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Hauterkrankung in einer Fahrzeugsattlerei
Auch Kleinstbetriebe profitieren von der Betriebsärztlichen Beratung
der Berufsgenossenschaft
Im Rahmen der alternativen Betreuung unterstützt die BG RCI Inhaber oder Geschäftsführer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit bis zu 50 Beschäftigten dabei, ihre Verantwortung im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erfüllen. Die Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure der KMU-Beratung stehen Betrieben und deren Beschäftigten als
Ansprechpartner bei Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Bedarfsfall jederzeit zur Seite.
Mitgliedsbetriebe, die zur Umsetzung des
Arbeitssicherheitsgesetzes an der alternativen Betreuung der BG RCI teilnehmen,
können bei bestimmten Anlässen die Beratung durch einen Betriebsarzt der Berufsgenossenschaft in Anspruch nehmen.
So hat sich eine Fahrzeugsattlerei in Niedersachsen durch den Betriebsarzt des
BG RCI-Präventionszentrums Langenhagen beraten lassen. In einem Gespräch
mit seiner zuständigen Aufsichtsperson hatte der Unternehmer von erheblichen Hautproblemen eines Mitarbeiters
berichtet. Der daraufhin eingeschaltete
Betriebsarzt der Berufsgenossenschaft
verschaffte sich zunächst einen Überblick
über die betrieblichen Tätigkeiten. In einem ausführlichen Erstgespräch mit dem
betroffenen Mitarbeiter, Herrn T., ging es
anschließend darum, die Entwicklung der
Hauterkrankung kennenzulernen. Auch
bei der betriebsärztlichen Tätigkeit ist
eine gründliche Anamnese die Grundlage für das weitere Vorgehen.
Wie sich zeigte, litt der Mitarbeiter schon
seit zwei Jahrzehnten an allergischen
Reaktionen auf verschiedene Stoffe. So
führte der Kontakt mit einem bestimmten
Gewürz regelmäßig zu ernsten Atemwegs­
Das Hautarztverfahren
Hauterkrankungen zählen mit Abstand zu den häufigsten berufsbedingten Erkrankungen. Sie sind kostenintensiv und führen oft zum Arbeitsplatzverlust. Vielfach wird jedoch der berufliche Zusammenhang
nicht erkannt oder keine ausreichende Abhilfemaßnahme eingeleitet. Zur Frühintervention bei arbeitsbedingten Hauterkrankungen führt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung das sogenannte Hautarztverfahren durch. Hautkrebserkrankungen und infektiöse Hauterkrankungen werden im Rahmen dieses Verfahrens nicht erfasst.
Ärzte für Dermatologie, Arbeitsmedizin und Betriebsmedizin haben eine große Verantwortung im Hinblick
auf die Behandlung und Vorbeugung von arbeitsbedingten Hauterkrankungen. Das Hautarztverfahren
bietet eine gemeinsame Grundlage für Ärzte und Unfallversicherungsträger, schnell und effektiv geeignete Maßnahmen zu ergreifen, einer Berufskrankheit vorzubeugen und den Betroffenen die Fortführung
ihrer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen.
Wenn Beschäftigte wegen krankhafter Hauterscheinungen eine Arztpraxis aufsuchen und die Krankheitsursache in der beruflichen Tätigkeit vermutet wird, sollte ein solcher Verdacht dermatologisch überprüft
werden. Bestätigt sich der Verdacht, informieren Hautarzt oder Hautärztin die zuständige Berufsgenossenschaft. Neben den Hautärzten können auch Betriebsärzte arbeitsbedingte Hauterkrankungen
melden. Ziel ist es immer, die Krankheitsfolgen zu bessern und das Entstehen einer folgenschweren
Berufskrankheit mit krankheitsbedingter Tätigkeitsaufgabe zu verhindern.
Der Hautarzt ist berechtigt, im Rahmen der Erstattung des Hautarztberichts dia­g nostische Maßnahmen
durchzuführen, die zur Klärung des Ursachenzusammenhangs zwischen der Hauterkrankung und der
beruflichen Tätigkeit erforderlich sind. Dazu bedarf es mit Ausnahme der Testung mit Arbeitsstoffen
keiner gesonderten Genehmigung des Unfallversicherungsträgers. Der Testumfang bezieht sich somit
– sofern nicht mit dem Unfallversicherungsträger im Einzelfall anders vereinbart – auf das abzuklärende berufliche Tätigkeitsfeld.
28
problemen. Seit zehn Jahren ist Herr T.
nun in der Fahrzeugsattlerei als Sattler
beschäftigt. Von Anfang an hatte er dabei Kontakt mit Kokosmatten. Zunächst
traten nur geringe Haut- und Atemwegsprobleme auf. Als er zum Schutz LatexHandschuhe benutzte, nahmen die Hautund Atemwegsprobleme kontinuierlich zu.
Zuletzt waren die Hautveränderungen so
gravierend, dass Herr T. einen Hautarzt
aufsuchte. Dieser leitete das sogenannte Hautarztverfahren ein (siehe Infobox).
Das Ergebnis des Verfahrens wurde beim
Besuch des Betriebsarztes ausführlich besprochen. In seinem anschließenden Bericht für die BG RCI ging der Betriebsarzt
von dem dringenden Verdacht auf zwei Berufserkrankungen („Haut“ und „Lunge“)
aus. Herr T. wird nun in Kürze in einer berufsdermatologischen Klinik im Hinblick
auf diesen Verdacht untersucht. Sobald
das Ergebnis vorliegt, wird der Betriebsarzt in Abstimmung mit dem behandeln­den Hautarzt das weitere Vorgehen festlegen. Die möglichen beruflichen und privaten Folgen werden dann Gegenstand eines weiteren Gesprächs mit Herrn T. sein.
Die Haut …
… ist das größte Organ des menschlichen
Körpers und stellt mit ihrer Hornschicht
eine Barriere gegen mechanische, physikalische und chemische Einwirkungen
von außen dar. Durch Kontakt und Wechselwirkung mit Arbeitsstoffen droht eine
Über forderung der Barrierefunktion,
was eine Erkrankung oder gar bleibende
Schädigung zur Folge haben und auch allergischen Reaktionen Vorschub leisten
kann.
3/4 2016 BG RCI.magazin
AUS DER PRAXIS
Ob mit Handschuh oder Schutzcreme, Hautschutz ist in
jeder Branche wichtig. Denn berufsbedingte Hauterkrankungen zählen zu den häufigsten Berufskrankheiten, die
den Berufsgenossenschaften gemeldet werden. Foto: dguv
Seit 1996 sind Unternehmen auf der Basis des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet,
eine Belastungs- und Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Zu den wichtigsten
Maßnahmen im Anschluss gehört meist die
Reduzierung hautgefährdender Kontakte
während der Tätigkeit am Arbeitsplatz,
beispielsweise durch die Veränderung
von Arbeitsabläufen, Stoffsubstitutionen, technische Lösungen und die konsequente Anwendung eines adäquaten
Hand- und Hautschutzes. Von großer Bedeutung ist darüber hinaus die Aufklärung
und Information über mögliche Hautschädigungen, kombiniert mit Anreizen zu einer Verhaltensänderung beim Umgang mit
hautrelevanten Arbeitsstoffen. Auf dieser
Grundlage können spezifische Präventionsmaßnahmen, wie zum Beispiel ein Hautschutzplan oder eine Betriebsanweisung,
erstellt werden.
Wichtig ist, dass sich Beschäftigte auch bei
unscheinbaren, aber länger anhaltenden
Hautveränderungen an ihren Betriebsarzt
wenden. Dies eröffnet im Sinne des Gesundheitsschutzes die Möglichkeit, einer
Verschlimmerung vorzubeugen. Im Betrieb
sollen daher an geeigneter Stelle die Kontaktdaten des Betriebsarztes der Berufsgenossenschaft zu finden sein.
Alternative Betreuung: Unterstützung
durch die KMU-Beratung
Betriebe, die an der alternativen Betreuung
teilnehmen, erfahren die Kontaktdaten der
Betriebsärzte und Sicherheitsingenieure
der KMU-Beratung bei dem regional zuständigen Präventionszentrum der BG RCI. Die
Sicherheitsingenieure und Betriebsärzte
arbeiten unabhängig vom Technischen Aufsichtsdienst und sind zur Vertraulichkeit
und Verschwiegenheit verpflichtet. Ohne
die Zustimmung des Unternehmens erhalten weder Aufsichtsbehörde noch andere
Personen Kenntnis von den Beratungsinhalten. Für Betriebsärzte gilt zudem die ärztliche Schweigepflicht. Die Beratung erfolgt
Die alternative Betreuung …
… ist eine gleichwertige Umsetzung zu der
im Arbeitssicherheitsgesetz geforderten
Betreuung durch eine Sicherheitsfachkraft
und einen Betriebsarzt. Voraussetzung für
die Teilnahme an der alternativen Betreuung
sind ein- oder mehrtägige Informations- und
Motivationsseminare, die Sie als Unternehmer oder Unternehmerin persönlich besuchen müssen. Die Anzahl und Dauer der Seminare, die Sie besuchen, ist abhängig von
den im Betrieb vorliegenden Gefährdungen
der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten. Nähere Informationen hierzu finden
Sie unter www.bgrci.de > Prävention, Stichwort „alternative Betreuung“.
nach Bedarf des Unternehmens, sie kann
je nach Fragestellung telefonisch oder vor
Ort im Betrieb durchgeführt werden. Es gibt
grundsätzlich keine festgelegten Intervalle
oder zeitliche Grenzen.
Burkhard Rehn, Dr. Bernhard Kirchner,
BG RCI, Mainz und Langenhagen
Arbeitgeber:
__________________________________________________________
Hand- und Hautschutzplan
Arbeitsbereich /Arbeitsplatz:
Hautgefährdende Tätigkeit*:
*Weitere Informationen zu den in diesem Arbeitsbereich/Arbeitsplatz vorkommenden Gefährdungen bzw. Gefahrstoffen siehe Betriebsanweisung
und Unterweisung
Schutzmaßnahmen
Was?
Wann?
Womit?
VOR Arbeitsbeginn
(nach Pausen und ggf.
nach dem Händewaschen)
Hautschutzpräparat:
Hautschutz
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
WÄHREND der Arbeit
(vor Pausen und vor
Arbeitsschluss)
Hautreinigungsmittel:
NACH der Arbeit
(nach dem letzten
Händewaschen)
Hautpflegepräparat:
Hautreinigung
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
Hautpflege
(Kennzeichnung von Gebinde/Spender/Tube nennen!)
Verantwortlich für den Hand- und Hautschutzplan:
Unterschrift:
Stand:
Musterhautschutzplan.
Praktizierter Hautschutz im Betrieb.
Foto: bgrci
29
__________________________________________________________
BG RCI.magazin 3/4 2016
AUS DER PRAXIS
Auf der Domotex in Hannover: Beratung in
Sachen „Sicherer Umgang mit Asbest bei
Sanierungsarbeiten“.
Foto: bgrci/br
Die BG RCI auf der Heimtextil und der Domotex 2016
Neue Präventionsmedien für Raumausstatter vorgestellt
Das Beratungsangebot der BG RCI für die zahlreichen Messebesucher der Heimtextil in Frankfurt am Main konzentrierte sich zum Start ins neue Jahr auf das Thema persönliche Schutzausrüstungen, insbesondere auf den Hand- und
Hautschutz. So wurden verschiedene Schutzhandschuhe, die Hand- und Schnittverletzungen vermeiden helfen, vorgestellt. Wie sich zeigte, ist in vielen Betrieben nicht bekannt, welch breites Spektrum an Schutzhandschuhen der
Markt mittlerweile bietet, um auch ganz spezielle betriebliche Probleme in diesem Bereich zu bewältigen.
Passend dazu wurde erstmals die neue
BG RCI-Kurzinformation „Vermeidung von
Hand- und Schnittverletzungen“ vorgestellt. Darin werden auf Wunsch des Zen­
tralverbands Raum und Ausstattung (ZVR)
die wesentlichen Aspekte knapp, aber in
der Sache umfassend beschrieben.
Ziel ist es, die Zahl der noch immer häufigen Hand- und Schnittverletzungen in absehbarer Zeit deutlich zu reduzieren. Die
Kurzinformation enthält deshalb auch eine
Checkliste. Sie ermöglicht es dem Betrieb,
zu diesem Thema schnell einen Überblick
über die eigene Gefährdungssituation zu
gewinnen.
Eine weitere Kurzinformation befasst sich
mit dem sicheren Einsatz von Leitern. Eine
Auswertung der für Raumausstatter typischen Unfälle hat ergeben, dass Leiterunfälle für die betroffene Person oft mit dauerhaften Folgen verbunden sind. Gerade
angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels kann dies für die Betriebe zu einem existenziellen Problem werden. Neben
vielen Tipps für den Alltag findet sich auch
bei dieser Kurzinformation eine Checkliste,
30
anhand derer Leitern und Tritte überprüft
werden können.
die betrieblichen Gegebenheiten anzu­passen.
Beide Kurzinformationen sind auf der Basis der zwischen der BG RCI und dem ZVR
geschlossenen Vereinbarung zur Umsetzung der neuen Präventionsstrategie „Vision Zero“ entstanden und stehen unter
downloadcenter.bgrci.de zur Verfügung.
Die Schriften wurden von Fachleuten sorgfältig erarbeitet. In jedem Fall ist die verantwortliche Person im Betrieb jedoch in
der Pflicht, die Vorlagen zu prüfen und an
Die Domotex in Hannover bot mit ihrem
speziellen Messeprofil direkt im Anschluss
Gelegenheit, über die neue Kennzeichnung
von Gefahrstoffen zu informieren. Neu vorgestellt wurde zudem die Broschüre „Asbesthaltige Bodenbeläge – Was ist zu tun?“
(A 059-1). Sie gibt Antworten auf Fragen wie
diese:
•Welche Krankheiten können durch Asbestfasern verursacht werden?
•Wie können asbesthaltige Bodenbeläge
aussehen?
•Wie wird bei Verdacht auf asbesthaltige
Bodenbeläge vorgegangen?
•W ie wird vorgegangen, wenn Asbest
nachgewiesen wird?
M 059-1
Asbesthaltige Bodenbeläge
Was ist zu tun?
1/2016
Die Kleinbroschüre ist unter medienshop.
bgrci.de erhältlich. Der Medienshop ist die
zentrale Informations- und Bestellplattform für sämtliche Präventionsmedien der
BG RCI. Mitgliedsbetriebe erhalten diese
Medien in einer der Betriebsgröße angemessenen Anzahl in aller Regel kostenlos.
Burkhard Rehn, BG RCI, Mainz
Fotos: bgrci/Enderlein
AUS DER PRAXIS
Wertvoller Rohstoff für
das weiße Gold.
Zuckerindustrie: Arbeit soll noch sicherer werden
Verein der Zuckerindustrie und BG RCI unterzeichnen Kooperationsvereinbarung
Der Verein der Zuckerindustrie (VdZ) und die BG RCI haben jetzt in Berlin eine gemeinsame Initiative für noch mehr Arbeitssicherheit gestartet. Die Kooperationsvereinbarung ist Teil der neuen BG RCI-Präventionsstrategie „Vision Zero.
Null Unfälle – gesund arbeiten!“ Ziel der Strategie ist es, die Arbeitswelt so zu gestalten, dass niemand zu Schaden
kommt.
„Der Verein der Zuckerindustrie ist stolz
darauf, zu den ersten Branchen zu gehören, die eine solche Vereinbarung mit der
BG RCI abgeschlossen haben“, sagte der
VdZ-Vorsitzende Axel Aumüller anlässlich
der Vertragsunterzeichnung. Bereits beim
XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014 in Frankfurt
hatte der VdZ die Vision Zero-Aktivitäten
der Zuckerindustrie vorgestellt. „Die Vereinbarung ist jetzt der nächste logische
Schritt. Sie trägt zudem der traditionell
guten Zusammenarbeit zwischen Zucker-
industrie und BG RCI Rechnung“, fügte Aumüller hinzu.
lebens Stück für Stück Wirklichkeit werden
zu lassen“, sagte Meesmann.
Ulrich Meesmann, Mitglied der BG RCIGeschäftsführung, zeigte sich überzeugt,
dass letztlich alle Unfälle und Berufskrankheiten verhindert werden können: „Dazu
müssen Sicherheit und Gesundheit als elementare Werte aller Menschen anerkannt
und Führungskräfte sowie Beschäftigte in
den Betrieben ihrer Verantwortung gerecht
werden. Gemeinsam werden wir es schaffen, die Vision eines unfallfreien Arbeits-
Die neue Präventionsstrategie gibt konkrete Ziele vor, die bis zum Jahr 2024 erreicht
werden sollen. So soll das Arbeitsunfallrisiko um 30 Prozent verringert werden, die
Zahl tödlicher Arbeitsunfälle um 50 Prozent
sinken und die Anzahl der unfallfreien Betriebe gesteigert werden. Erreicht werden
soll dies durch verbesserte Analysen von
Unfallschwerpunkten, die besondere Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen
und durch intensivierte persönliche Beratung in den Betrieben.
Axel Aumüller (l.), Vorsitzender des Vereins der Zuckerindustrie (VdZ), und Ulrich Meesmann, Mitglied
der Geschäftsführung der BG RCI, unterzeichneten in Berlin einen Kooperationsvertrag über den weiteren
Ausbau der Arbeitsschutzmaßnahmen in der Zuckerindustrie. Foto: bgrci/vdz Michael Ricke-Herbig
Zuckerindustrie bereits sehr erfolgreich
im Arbeitsschutz
Die deutsche Zuckerindustrie ist bereits auf
einem guten Weg. Hier waren 2014 insgesamt
5.648 Vollarbeiter beschäftigt. Davon erlitten
65 einen meldepflichtigen Arbeitsunfall. Das
entspricht einer Quote von 11,5 Unfällen je
1.000 Mann. Zum Vergleich: Die 1.000-MannQuote aller von der BG RCI betreuten Branchen lag im gleichen Jahr bei 18,3, die aller
gewerblichen Berufsgenossenschaften bei
22,27. Damit ist die Zuckerindustrie einer der
am sichersten arbeitenden Industriezweige
in Deutschland.
bgrci/nul
31
BG RCI.magazin 3/4 2016
BERICHTE UND INFORMATIONEN
„Das musste ja so kommen“
Wann und warum die Berufsgenossenschaft Regressansprüche geltend macht
Von Kirsta Müller-Lajs
Zu den Aufgaben der Berufsgenossenschaften zählen vornehmlich Prävention und Rehabilitation. Beide Aufgabenbereiche lassen sich aber nur dann bewältigen, wenn dafür auch die erforderlichen finanziellen Mittel vorhanden
sind. Diese Gelder werden weitaus überwiegend von den Mitgliedsunternehmen durch Beiträge aufgebracht. Zur Entlastung der beitragszahlenden Solidargemeinschaft hat die Berufsgenossenschaft den gesetzlichen Auftrag, nach
einem Wege- oder Arbeitsunfall zu prüfen, ob es einen Unfallverursacher gibt und dieser in Regress genommen werden kann. Diese Erstattungsansprüche der Berufsgenossenschaft können sich sowohl gegen betriebsfremde Dritte
richten, aber auch gegen die Verantwortlichen eines Mitgliedsunternehmens. In beiden Fällen wird meistens eine
Haftpflichtversicherung für den Ersatzanspruch der Berufsgenossenschaft aufkommen.
Diese Regressnahme seitens der Berufsgenossenschaft mag für manchen überraschend sein, denn grundsätzlich sind der
Unternehmer oder die Unternehmerin und
sonstige verantwortliche Unternehmensrepräsentanten wie auch die versicherten
Mitarbeitenden bei einem fahrlässig verursachten Unfall eines Beschäftigten nicht
schadensersatzpflichtig. Ihre Haftung wird
durch die gesetzlich normierte Eintrittspflicht der Berufsgenossenschaft für einen
Unfall abgelöst.
verursacht werden. § 110 SGB VII (Sozialgesetzbuch VII) bestimmt, dass in diesen
Fällen der Berufsgenossenschaft alle Aufwendungen zu ersetzen sind, die sie wegen
des Unfalls für den Verletzten oder dessen
Hinterbliebene erbringen muss. Dieser Anspruch ist lediglich der Höhe nach begrenzt
durch den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, welcher den geschädigten Personen (ohne die gesetzliche Eintrittspflicht
der Berufsgenossenschaft) gegenüber dem
Unfallverursacher zugestanden hätte.
Diese Haftungsfreistellung ist darin begründet, dass die Unternehmen die gesetzliche
Unfallversicherung durch ihre Beiträge finanzieren und zum Ausgleich dafür die
Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen
gleichsam wie eine Haftpflichtversicherung
eintritt. Im Gegenzug dafür erhält der Geschädigte, der keine Forderungsrechte, also
auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld
gegen den Unternehmer oder sonstige Betriebsangehörige hat, mit dem Unfallversicherungsträger einen leistungsfähigen
Schuldner, der für seine medizinische sowie berufliche Rehabilitation und Entschädigung einsteht.
Von besonderer Bedeutung bei diesem
gesetzlich normierten Rückgriffsrecht sind
dabei die beiden Schuldformen Vorsatz
und grobe Fahrlässigkeit. Vorsätzlich verursachte Unfälle treten in der Praxis selten
auf und beschränken sich meist auf tätliche Auseinandersetzungen, also Prügeleien, die im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit gelegentlich entstehen. Zu denken ist
beispielsweise an den Fall, dass der Vorgesetzte und ein Arbeitnehmer wegen der Art
und Weise der Arbeitsausführung in Streit
geraten und handgreiflich werden. Die dabei entstehenden Verletzungen gelten stets
dann als vorsätzlich herbeigeführt, wenn
nicht nur die verursachende Tat, sondern
auch die Schadensfolge gewollt war.
Ein weiterer Grund für diese Haftungsfreistellung liegt schließlich darin, dass dadurch Spannungen und Gerichtsprozesse,
die den Betriebsfrieden belasten, vermieden werden.
Ausgenommen von dieser Haftungsablösung sind jedoch Arbeitsunfälle, die vorsätzlich oder grob fahrlässig von der Unternehmensführung oder von sonstigen
Verantwortlichen oder einem Mitarbeiter
32
Im Gegensatz zu dieser nur selten vorkommenden vorsätzlichen Schadensverursachung hat sich die Regressabteilung der
Berufsgenossenschaft aber häufig mit grob
fahrlässig herbeigeführten Unfällen zu befassen. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit
wird im Gesetz nicht definiert. Zu seiner Auslegung existieren aber viele Gerichtsurteile.
Darin hat die Rechtsprechung diese Schuld-
form immer dann bejaht, wenn die jeweils
erforderliche Sorgfalt nach den gesamten
Umständen des Falls in ungewöhnlich hohem Maße verletzt worden ist und der Unfallverursacher schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und
nicht einmal das beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Als Faustregel gilt hier: „Das musste ja
so kommen.“
Unter Berücksichtigung der strengen Voraussetzungen, welche die Rechtsprechung
an das Vorliegen grober Fahrlässigkeit stellt,
liegt diese Schuldform beispielsweise dann
vor, wenn sich der Unfall an einer unzureichend gesicherten Maschine ereignet und
die Aufsichtsperson bereits vor dem Unfall
die Verantwortlichen zur Umrüstung der Maschine aufgefordert hatte, diese aber dennoch nicht für Abhilfe sorgten.
Eine weitere Fallgruppe, bei welcher von
der Rechtsprechung grobe Fahrlässigkeit
bejaht wurde, sind Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, die vor tödlichen Gefahren schützen sollen. Fehlen beispielsweise Absturzsicherungen und ereignet sich
deswegen ein Unfall, wird von der Rechtsprechung bei einer Absturzhöhe von fünf
Metern grundsätzlich ein grob fahrlässiges
Verhalten bejaht, weil bei diesem Sachverhalt eine Gefährdung für die Beschäftigten
offensichtlich ist.
Grobe Fahrlässigkeit liegt auch bei Manipulationen an Schutzeinrichtungen vor, wenn
die Verantwortlichen von dem sicherheitswidrigen Zustand Kenntnis hatten und diesen gleichwohl duldeten.
3/4 2016 BG RCI.magazin
Deshalb hat die Berufsgenossenschaft zum
Beispiel auch bei einem Unfall an einer
Drehmaschine, bei welcher die herstellerseits vorgesehene Sicherheitseinrichtung
manipuliert worden war, von ihrem Rückgriffsrecht Gebrauch gemacht. Die Sicherheitseinrichtung war unwirksam, weil der
Sicherheitsschalter demontiert worden war.
Daher konnte eine Beschäftigte in den Gefahrenbereich gelangen und erlitt dabei
schwere Handverletzungen.
Werden vom Hersteller vorgesehene Sicherheitseinrichtungen nicht genutzt, so kann
dies ebenfalls Anlass für ein Rückgriffsverfahren gem. § 110 SGB VII sein. So wurden in
der Vergangenheit beispielsweise Regressansprüche geltend gemacht, weil ein Betrieb die bei einer Kolbenschließmaschine
vorgesehene und herstellerseits nachgerüstete Zweihandschaltung nicht benutzte, um
das Arbeitstempo nicht zu verlangsamen.
Die vorhersehbare und vermeidbare Folge
dieser Vorgehensweise war, dass der Mitarbeiter bei der Verschließung einer Kartusche mittels Fußsteuerung in den Gefahrenbereich der Kolbenschließmaschine geriet
und verletzt wurde (s. Abb.).
Die Regulierung erfolgt in derartigen Fällen
grundsätzlich durch die Betriebshaftpflichtversicherung des Mitgliedsunternehmens.
Diese ist – anders als beispielsweise im Kaskobereich – auch bei einem grob fahrlässig
herbeigeführten Unfall eintrittspflichtig.
Nur dann, wenn ausnahmsweise kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht, kann der
Sozialversicherungsträger gem. § 110 Abs. 2
SGB VII nach billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unfallverursachers,
auf den Ersatzanspruch (ganz oder teilweise)
verzichten.
Insgesamt gesehen ist die Anzahl der Ansprüche gem. § 110 SGB VII – gemessen am
Gesamtvolumen der Regressfälle – gering.
Überwiegend werden von der Berufsgenossenschaft gem. § 116 SGB X Schadensersatzansprüche gegenüber betriebsfremden
Dritten, welche den Unfall verursacht haben,
erhoben. Bei dieser Anspruchsgrundlage
reicht fahrlässiges Handeln der Person, die
den Unfall herbeigeführt hat, für eine Haftung aus. In besonderen Fällen ergibt sich
eine Eintrittspflicht sogar bereits aus einer
Gefährdungshaftung. In Betracht kommen
hier beispielsweise die Tierhalterhaftung
oder die Halterhaftung für ein Kfz.
Die Ersatzansprüche gegen betriebsfremde
Dritte sind vielfältig. Sie werden beispielsweise gegen Fremdfirmen und deren Arbeitnehmer erhoben. In Regress können aber
auch Personen genommen werden, die Verkehrsunfälle verursacht haben. Zu denken ist
hier insbesondere an die zahlreichen Unfälle
Beschäftigter auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Ansprüche gegen Dritte können sich auch gegen
Ärzte, denen bei der Behandlung berufsgenossenschaftlich Versicherter ein Kunstfehler unterlaufen ist, oder Hersteller und
Importeure von Geräten und Maschinen, an
denen Beschäftigte von Mitgliedsunternehmen zu Schaden gekommen sind, richten.
In diesen Fällen haben die Mitarbeitenden
in einem Mitgliedsunternehmen auch Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Unfallverursacher. Der Betrieb kann zudem Ersatz der von ihm erbrachten Geldleistungen
im Rahmen des Entgeltfortzahlungsgesetzes
verlangen. Er kann aber auch – wenn der
Unfall zu einer höheren Beitragsbelastung
durch die Berufsgenossenschaft führt – den
Unfallverursacher ggf. wegen dieser finanzi-
ellen Mehrbelastung in Anspruch nehmen
(vgl. BGH NJW 1989, 2115-2117).
Je nach Branche bestimmt die Satzung der
BG RCI sogar, dass bei einem Alleinverschulden eines Dritten der Unfall im Beitragsausgleichsverfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Im Zuge der künftigen Gefahrtarifre­visionen
ist beabsichtigt, diese Regelungen zum
Beitragsausgleichsverfahren zu vereinheitlichen.
Insgesamt gesehen empfiehlt es sich, dass
in Fällen, in denen Schadensersatzansprüche gegen Dritte in Betracht kommen, die
betroffenen Beschäftigten, das Mitgliedsunternehmen, die Regressabteilung der Berufsgenossenschaft und die jeweils zuständige
Aufsichtsperson eng zusammenarbeiten,
um berechtigte Schadensersatzansprüche
erfolgreich durchzusetzen. Denn perfektes
Zusammenspiel zahlt sich aus.
Die Geltendmachung von Regressansprüchen sowohl gem. § 110 SGB VII als auch gem.
§ 116 SGB X ist sicher unangenehm für denjenigen, der damit konfrontiert wird. Die Arbeit
der Regressabteilung der Berufsgenossenschaft hat aber auch positive Effekte, denn
zum einen entlasten die Regresseinnahmen
die Solidargemeinschaft und bewirken eine
Senkung der Mitgliedsbeiträge, zum anderen
wird durch die Einleitung des Regressverfahrens der Unfallverursacher direkt mit seinem
sicherheitswidrigen Handeln konfrontiert,
während er andernfalls möglicherweise völlig
unbehelligt bliebe, weil ja die Berufsgenossenschaft gegenüber den Verletzten für die
Unfallfolgen aufkommt.
Im letzten Jahr konnte die Abteilung Regress
der BG RCI Einnahmen aus Ersatzansprüchen
in Höhe von 18,1 Millionen Euro erzielen. Dies
ist ein Ergebnis, das allen beitragszahlenden
Unternehmen zugutekommt. Kirsta Müller-Lajs
BG RCI, Langenhagen
Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, empfiehlt sich das perfekte
Zusammenspiel aller Beteiligten.
Foto: blobbotronic - fotolia.com
Unfallsituation an einer Kolbenschließmaschine, bei
der die vom Hersteller vorgesehene Zweihandschaltung
nicht benutzt wurde. Illu: bgrci
BERICHTE UND INFORMATIONEN
33
BG RCI.magazin 3/4 2016
Illu: Anne Treppner
BERICHTE UND INFORMATIOEN
Aus der Rechtsprechung
Rauchen – ungesund und unversichert!
Eine Pflegehelferin machte während der Arbeitszeit eine Raucherpause, die
sie wegen des Rauchverbots in den Betriebsräumen außerhalb des Gebäudes
verbringen musste. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz stürzte sie in der
Eingangshalle des Betriebsgebäudes und verletzte sich.
Das Sozialgericht Berlin hat einen Arbeitsunfall verneint. Rauchen sei eine persönliche, eigenwirtschaftliche Tätigkeit, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Dies gelte auch dann, wenn Beschäftigte wegen eines Rauchverbots am Arbeitsplatz gezwungen seien, das Gebäude zum
Rauchen zu verlassen. Daher seien auch die Wege zwischen Arbeitsplatz und
Raucherzone unversichert. An dieser Beurteilung könne selbst die Annahme
einer immensen Nikotinabhängigkeit nichts ändern.
(Urteil des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 23.01.2013 – S 68 U 577/12 –)
Impfschaden nach Grippeschutzimpfung
unversichert
Sturz bei Durchschreiten der
Haustür
Essen in Kantine – unversichert bis zur
Außentür
Die Mitarbeiterin eines Museums mit Publikumsverkehr ließ sich aufgrund eines Angebots ihres Arbeitgebers vom Betriebsarzt
gegen Grippe impfen. Als Folge der Impfung
erlitt sie einen Impfschaden (Erkrankung
der Nervenbahnen mit Lähmungen und Gefühlsstörungen).
Ein Arbeitnehmer verletzte sich auf dem Weg
zur Arbeit beim Verlassen seines Wohnhauses. Er hatte sich den Fuß zwischen der sich
schließenden Außenhaustür und der Türschwelle eingeklemmt und war gestolpert.
Er stürzte jenseits der Außentür und verletzte sich das linke Knie.
Eine versicherte Lehrerin war mangels
Schulkantine zum Mittagessen in die Kantine einer benachbarten Sparkasse gegangen. Auf dem Rückweg zu ihrem Arbeitsplatz
stürzte sie noch im Treppenhaus des Sparkassengebäudes und verletzte sich am Knie.
Das Sozialgericht Dortmund lehnte einen
Arbeitsunfall ab. Maßnahmen zur Erhaltung
oder der Wiederherstellung der Gesundheit,
worunter auch eine allgemeine Grippeschutzimpfung falle, gehörten zum unversicherten persönlichen Lebensbereich. Selbst
wenn die Impfung (auch) der Erhaltung der
Arbeitskraft und damit dem Interesse des
Unternehmens diene und dafür betriebliche
Einrichtungen in Anspruch genommen würden, könne dies den Versicherungsschutz
der gesetzlichen Unfallversicherung nicht
begründen. Eine Anerkennung als Arbeitsunfall komme nur dann in Betracht, wenn
die mit der Tätigkeit verbundene Gefährdung eine Grippeschutzimpfung über die
allgemeine Gesundheitsfürsorge hinaus erforderlich mache. Eine solche Gefährdung
habe hier nicht vorgelegen.
Im Gegensatz zum Unfallversicherungsträger und dem Sozialgericht Frankfurt/Oder
hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen versicherten Wegeunfall bejaht.
Der Versicherungsschutz auf Wegen zur Arbeit beginne mit dem Durchschreiten der
Außentür des Hauses. Entscheidend sei dabei, wo die Verletzung passiert sei, nicht, wo
die Ursache gelegen habe. Da der Arbeitnehmer sich erst nach dem Passieren der
äußeren Zugangstür verletzt habe, sei der
Versicherungsschutz zu bejahen.
(Urteil des Sozialgerichts (SG) Dortmund
vom 05.08.2014 – S 36 U 818/12 –)
34
(Urteil des Landessozialgerichts (LSG)
Berlin-Brandenburg vom 20.09.2012 – L 2
U 3/12 –)
Der Unfallversicherungsträger und das Sozialgericht Karlsruhe haben einen versicherten Wegeunfall verneint. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat dies
bestätigt. Der Rückweg zum Arbeitsplatz
innerhalb der Räume der Sparkasse habe
noch nicht zu den von der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Wegen gehört.
Bei Wegen zur Nahrungsaufnahme ende der
Versicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich
die Kantine befinde, und beginne erst wieder, wenn das Gebäude zwecks Rückkehr
zum Arbeitsplatz durch die Außentür verlassen werde.
(Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 13.12.2013 – L 8 U
1506/13 –)
Irene Peters, BG RCI, Heidelberg
3/4 2016 BG RCI.magazin
BERICHTE UND INFORMATIONEN
Ein gutes Team: Fahrer Frank Weidlich, Röntgenassistentin Grit Lange, Arbeitsmediziner
Matthias Bradatsch und Brandoberinspektor Holger Marschallek im Sondereinsatz.
Fotos: bgrci/Anke Wunschik
BG RCI-Röntgenmobil im
humanitären Sondereinsatz
Röntgenuntersuchungen von Flüchtlingen
Die Flüchtlingsfrage ist das nach wie vor beherrschende Thema in den Medien, in Gesellschaft und Politik. Hunderttausende Menschen sind vor Krieg und Zerstörung nach Europa geflohen, mussten Heimat, Freunde und Familien,
ihre Habseligkeiten, ihr Lebensumfeld zurücklassen. Viele von ihnen sind bei uns in Deutschland angekommen und
hoffen auf Unterstützung. Unzählige freiwillige Helfer sind bis zur Erschöpfung im Einsatz, um die Not zu lindern.
Die Zahl der Flüchtlinge hat auch Ministerien, Ämter und Behörden in Bedrängnis
gebracht. So erreichte im Spätsommer des
vergangenen Jahres eine Anfrage des Hessischen Innenministeriums die BG RCI. Für die
völlig überlaufenen hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen in Burbach und in Gießen
wurde ein Röntgenmobil gesucht, um die
Neuankömmlinge auf ernsthafte infektiöse
Erkrankungen, zum Beispiel Lungenentzündung oder Tuberkulose, zu untersuchen. Die
BG RCI sprang ein. Unbürokratisch entschieden Vorstand und Beirat, das eigentlich für
vorsorgende Röntgenuntersuchungen von
Belegschaften der Mitgliedsbetriebe eingesetzte Röntgenmobil zur Verfügung zu stellen. Und natürlich nicht nur das Gefährt,
sondern auch das ganze Team um Matthias
Bradatsch, Leiter der arbeitsmedizinischen
Vorsorge der BG RCI in Langenhagen.
„Ich habe mein Team gefragt, ob es sich
solch einen Einsatz zutraut. Das kann man
nicht einfach verordnen, das sind schon
hohe Belastungen, denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da ausgesetzt sind“,
erklärt Bradatsch. „Fieber, kaputte Füße,
man sieht den Ankömmlingen an, dass sie
einen weiten Weg hatten. Wir haben auch
schon Schrotkugeln in der Lunge entdeckt.“
Zum Team gehören zwei Röntgenassistentinnen, ein Röntgenassistent und zwei Fahrer.
Dienst wird im 14-Tage-Rhythmus gefahren,
dann wird gewechselt. Dramatisch war die
Lage in Hessen im vergangenen September.
In Gießen wurden täglich rund 70 bis 100
Flüchtlinge untersucht. „Ein Knochenjob“,
berichtet Bradatsch.
Seit Dezember 2015 steht das Röntgenmobil in Heidelberg in der ehemaligen USDas Röntgenmobil der BG RCI
• Leistung der Zugmaschine: 480 PS
• Gesamtgewicht des Zuges: 28 Tonnen
• Gesamtlänge des Zuges: 16,83 Meter
• Gesamthöhe: 3,80 Meter
• Reisezeit: Von März bis November
• ca. 3.000 Untersuchungen pro Jahr
Zielgruppe: Betriebe von 3 bis 50 Mitarbeitern, insbesondere aus den Bereichen
Steinbruch oder Steinmetze; Vorsorgeuntersuchungen bei Belastungen mit Quarzstaub oder Asbest (Silikose, Asbestose).
Siedlung Patrick Henry Village. Dort ist die
Lage inzwischen entspannt. Zum einen kommen nicht mehr so viele Flüchtlinge, zum
anderen ist das „Zentrale Registrierungszentrum“ des Landes perfekt organisiert.
„Zwischen Ankunft und fertigem Asylantrag
liegen gerade mal zehn bis vierzehn Tage,
woanders dauert das wesentlich länger“, erklärt Brandoberinspektor Holger Marschallek, Mitglied der Projektgruppe am früheren US-Standort. In dieser Zeit werden die
Flüchtlinge registriert, ärztlich untersucht
und können den Asylantrag stellen. Fachleute der Thoraxklinik werten die Röntgenbilder aus. Bei positivem Befund werden die
Flüchtlinge in die Klinik überstellt.
Im März sind im Patrick Henry Village zwei
neue stationäre Röntgenstationen in Betrieb
gegangen. Für Bradatsch und sein Team
kehrte damit wieder Alltag ein. „Ich bin den
Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar für
den Einsatz, sie haben sehr viel Engagement
gezeigt, das war einfach Spitze“, lobt Bradatsch. „Die Geschichten der Flüchtlinge
nimmt man mit nach Hause.“
Petra Singer, BG RCI, Heidelberg
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BG RCI.magazin 3/4 2016
BERICHTE UND INFORMATIONEN
„Denk an mich. Dein Rücken“
170.000 Betriebe zu rückengerechter Arbeit beraten
Präventionskampagne beendet / Zahlreiche – aber nicht alle – Veranstaltungs­
module sind noch bis Ende des Jahres ausleihbar
Foto: ©BlueSkyImages - fotolia.com
Die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ ist zu Ende gegangen. Drei Jahre warben Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und die Knappschaft
dafür, Rückenbelastungen bei der Arbeit, in der Schule und in der Freizeit zu
verringern.
•Mehr als 12.000 Seminare und Seminarmodule zur rückengerechten Arbeitsgestaltung
•Broschüren, Filme zu Beispielen guter Praxis, Messebeteiligungen und Pressemitteilungen rund um das Rückenthema
Die Kampagne lief von 2013 bis einschließlich 2015. Insgesamt wurden in dieser Zeit
rund 170.000 Unternehmen und Einrichtungen zur rückengerechten Gestaltung der Arbeit beraten. Zu den Angeboten der Kampagne zählten zudem:
•Die Unterstützung von Betrieben bei über
3.500 Aktions- und Gesundheitstagen zur
Rückengesundheit
„Unser Engagement für die Rückengesundheit hört mit dem Ende der Kampagne natürlich nicht auf“, sagt Dr. Walter Eichendorf
vom Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Zum einen seien zahlreiche, jedoch nicht
alle Veranstaltungsmodule der Kampagne
noch bis Ende des Jahres verfügbar. Zum anderen engagierten sich die Unfallversiche-
Nur noch bis 31. Juli 2016 buchbar!
www.aktionsmedien-bg.de | www.bgrci.de
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rungsträger im Rahmen der Gemeinsamen
Deutschen Arbeitsschutzstrategie weiter für
die Prävention von Muskel-Skeletterkrankungen (www.gdabewegt.de).
Nicht zuletzt fließen die Erfahrungen in
die nächste Präventionskampagne ein.
Sie hat zum Ziel, die Kultur der Prävention
in den Unternehmen zu fördern. Die neue
Kampagne soll 2017 starten. Sie wird verschiedene Aspekte der sicheren und gesunden Gestaltung der Arbeit thematisieren,
zum Beispiel Führungs- und Fehlerkultur,
Kommunikation und Prävention als inte­grale Bestandteile aller Unternehmens­aktivitäten.
nul
3/4 2016 BG RCI.magazin
BERICHTE UND INFORMATIONEN
Umfrage
Wie erholsam ist der Feierabend?
Endlich Feierabend! Zeit, um auszuruhen,
mit Freunden und Familie zusammen zu sein
und den Hobbys nachzugehen. Aber gelingt
es Berufstätigen, sich im Feierabend ausreichend von ihrem Arbeitstag zu erholen? Die
gute Nachricht: Fast zwei Drittel aller Befragten (62 %) antworten darauf in einer repräsentativen Umfrage der Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ mit „Ja“
oder „eher Ja“. 37 Prozent beklagen hingegen, eher keine ausreichende Erholung zu
erlangen. 45 Prozent der Befragten geben
an, nach der Arbeit stark oder sehr stark
erholungsbedürftig zu sein. 54 Prozent gehen weniger oder gar nicht gestresst in den
Feierabend.
Allerdings ist auch die Freizeit häufig verplant und nicht „frei verfügbar“. Mehr als
die Hälfte der Personen, die das Gefühl haben, sich während ihres Feierabends nicht
ausreichend erholen zu können, fühlt sich
auch hier unter Zeitdruck. Der Feierabend
erscheint ihnen einfach zu kurz. Dazu tragen Überstunden und Pendelzeiten bei, aber
auch familiäre Verpflichtungen (36 %). Ständig für Kollegen und Chefs erreichbar zu sein,
spielt nur bei einer Minderheit derer, die sich
nicht ausreichend erholt fühlen, eine Rolle.
14 Prozent geben an, auch am Feierabend
noch für dienstliche Aufgaben zur Verfügung
stehen zu müssen.
Was kann man tun, um nach der Arbeit
richtig abzuschalten? „Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort“, sagt Prof.
Dirk Windemuth vom Institut für Arbeit und
Gesundheit der DGUV, Dresden. „Jemand,
der körperlich stark beansprucht ist in seinem Beruf, braucht sicher einen anderen
Ausgleich als Beschäftigte, die im Büro sitzen. Generell fördert es aber die Erholung,
nicht mehrere Dinge gleichzeitig erledigen
zu wollen, sondern sich bewusst für eine
Aktivität zu entscheiden. Zum Beispiel einen Film schauen, ohne nebenher die Mails
zu checken, oder beim Spieleabend mit der
Familie nicht gleichzeitig noch die Urlaubsplanung zu besprechen.“ Der Gesundheit
tue man mit einer bewussten Beschränkung
Gutes, denn Stress durch dauerndes sogenanntes Multitasking im Beruf und in der
Freizeit könne zu Problemen führen, zum
Beispiel Rückenschmerzen. dguv/n
Gold und Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“
Präventionskampagne mit zwei German Stevie Awards ausgezeichnet
Passend zu ihrem Abschluss erhält die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ zwei German Stevie Awards in Gold
und Silber. Die German Stevie Awards sind
Wirtschaftspreise für deutsche Unternehmen, mit denen herausragende Leistungen
ausgezeichnet werden: vom Manager des
Jahres über die Marketingkampagne des Jahres bis hin zum Produkt des Jahres. Eine Jury
aus Wirtschafts- und Branchenexperten urteilt über die eingereichten Bewerbungen.
Mit der Präventionskampagne „Denk an
mich. Dein Rücken“ warben Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und
Gartenbau (SVLFG) und die Knappschaft drei
Jahre lang dafür, Rückenbelastungen bei der
Arbeit, in der Schule und in der Freizeit zu
verringern. Die Aktivitäten reichten von Ak-
tions- und Gesundheitstagen, Seminaren
und Betriebsberatungen bis hin zu einer
umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit. Für
dieses Engagement erhält die Kampagne
zwei German Stevie Awards in den folgenden Kategorien:
•Gold für „Deutschland bewegt Herbert“,
die Social-Media Kampagne im Rahmen
der Präventionskampagne „Denk an mich.
Dein Rücken“ in der Kategorie Kommunikations- oder PR-Kampagne im Bereich
Social-Media basierte PR
•Silber für „Denk an mich. Dein Rücken“ in
der Kategorie Marketing-Kampagne des
Jahres im Bereich Gesundheit, Gesundheitliche Bildung und Aufklärung
„Wir freuen uns sehr über die Stevie Awards.
Sie sind eine schöne Bestätigung für unsere
Kampagne. Sie ermutigen uns, auch in unserer nächsten Kampagne zur Präventionskultur
neue Kommunikationswege zu gehen“, sagte Dr. Walter Eichendorf von der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) anlässlich der Auszeichnung.
dguv
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BERICHTE UND INFORMATIONEN
Sicherer Start in die Motorrad-Saison
Nicht nur die Maschine verdient zum Saisonbeginn einen prüfenden Blick, sondern auch die Schutzkleidung des Fahrers und Beifahrers. Eventuell muss die vorhandene Ausrüstung für die neue Saison erneuert oder vervollständigt
werden.
Motorradkleidung muss nicht nur vor Witterungseinflüssen schützen und im Falle eines
Unfalls Verletzungen verhindern. Sie sollte
auch komfortabel sein, damit die Fitness
des Fahrers nicht eingeschränkt wird. Viele Biker bevorzugen Textilanzüge, die mehr
Bewegungsfreiheit, einen besseren Kälteschutz und eine höhere Atmungsaktivität
bieten als klassische Lederkombis. Zudem
sind sie zumeist regentauglich. Ein Lederanzug hingegen sitzt enger, flattert weniger
und ist bei einem Sturz zumeist abriebfester
als ein Dress aus Textilmaterial.
Für welches Material man sich auch entscheidet: Auf jeden Fall sollte der Anzug
mit aufpralldämpfenden Protektoren mit
CE-Zeichen ausgestattet sein. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) weist
darauf hin, dass nicht nur das Material der
Protektoren, sondern auch deren guter Sitz
Foto: ©FocusEye - iStock.com
Nicht nur die Maschine, auch die Schutzkleidung
verdient regelmäßig eine gründliche Prüfung,
ebenso der Helm. 38
an den gefährdeten Körperregionen den
Unfallschutz beeinflusst. Falls der Anzug
selbst nicht mit einem eingearbeiteten Rückenprotektor ausgestattet ist, kann dieser
auch separat gekauft werden. Beim Neukauf
von Kleidung sollte man sich gegen das traditionelle Schwarz entscheiden und stattdessen gut sichtbare Signalfarben wählen,
empfiehlt der DVR. So wird man von anderen Verkehrsteilnehmern besser wahrgenommen.
Bereits seit einiger Zeit werden Westen und
Jacken angeboten, die mit Airbags ausgestattet sind. Ein Problem stellte bisher die
zuverlässige und schnelle Auslösung der
Luftpolster dar. Ein Bekleidungshersteller
bietet nun eine Lösung an: Das Motorrad
wird mit Sensoren und Steuerungselementen ausgerüstet, die bei einem Aufprall
drahtlos die Airbags in der Weste oder Ja-
cke auslösen. Umfangreiche Tests haben die
Zuverlässigkeit des Systems belegt.
Die häufigsten Verletzungen entstehen bei
Motorradunfällen übrigens im Fuß- und
Beinbereich. Daher gehören nach Meinung der Unfallforscher möglichst wadenhohe Stiefel zum korrekten Motorrad-Outfit.
Schließlich sollte auch der Helm einer kritischen Sichtung unterzogen werden: Ist er
noch tauglich für die neue Saison? Weist
vielleicht das Visier starke Kratzer auf und
muss erneuert werden?
Auch die beste Schutzkleidung kann nicht
alle denkbaren Folgen einer Kollision oder
eines Sturzes ausgleichen. Jeder Motorradfahrer sollte daher stets besonnen und
defensiv unterwegs sein, damit der Spaß
am motorisierten Zweirad ungetrübt bleibt.
dvr/nul
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BERICHTE UND INFORMATIONEN
Verkehrssicherheit
Unfallbilanz 2015: Anstieg bei den Getöteten um 2,9 Prozent
Nach den vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen Jahr 3.475 Menschen im Straßenverkehr ums Leben gekommen. Das sind 98 Todesopfer mehr als im Vorjahr. 393.700 Verkehrsteilnehmer wurden verletzt, ein Anstieg um 1,1 Prozent.
„Die Zahlen der im Straßenverkehr Getöteten und Verletzten haben nach 2014 leider auch 2015 zugenommen. Sie sind ein
Alarmzeichen. Wir dürfen nicht nachlassen,
uns weiterhin anzustrengen, diese Entwicklung wieder umzukehren. Nach wie vor werden täglich neun Menschen auf unseren
Straßen getötet, rund 1.000 verletzt. Dies
zeigt, dass stetig sinkende Unfallzahlen
kein Selbstläufer sind, sondern kontinuierlich große Anstrengungen erfordern“,
kommentiert Dr. Walter Eichendorf, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), die Unfallzahlen.
Man müsse sich jetzt auf Maßnahmen konzentrieren, die den größten Nutzen versprächen, sagt Eichendorf. Der DVR empfiehlt,
die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf
sehr schmalen Landstraßen mit einer Fahrbahnbreite von weniger als sechs Metern
auf 80 km/h zu begrenzen. Wo die Sichtweite nicht ausreiche, um gefahrlos zu
überholen, solle zudem die Anordnung von
Überholverboten geprüft werden.
Weiterhin nötig sei die Überwachung und
Ahndung erheblicher Geschwindigkeitsübertretungen, um das Verhalten der Autound Motorradfahrer zu einer sicheren und
angepassten Fahrweise zu beeinflussen.
Nach wie vor spielt die nicht angepasste
Geschwindigkeit eine wichtige Rolle im
Unfallgeschehen. Eichendorf: „Hohe Geschwindigkeiten gepaart mit mangelndem
Sicherheitsabstand führen immer wieder
zu schweren Unfällen.“
Darüber hinaus tritt der DVR für ein absolutes Alkoholverbot am Steuer ein. Dabei geht es um die klare Regel: Wer fährt,
trinkt nicht und wer trinkt, fährt nicht. Mit
der Umsetzung eines Alkoholverbots besteht die Chance, die Zahl der Getöteten
und Schwerverletzten deutlich zu senken.
Zudem belegen die Ergebnisse mehrerer
repräsentativer Umfragen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz einer solchen
Maßnahme.
Erfolgversprechend erscheinen auch Feedbacksysteme für junge Fahrer. „Die jungen
Leute brauchen längere Lernzeiträume, um
die notwendige Professionalität am Steuer
zu erlangen“, ist sich der DVR-Präsident
sicher. Dazu müssten immer wieder Korrekturschleifen in die Fahrausbildung und
die erste Zeit des selbstständigen Fahrens
eingebaut werden: „Die Vorschläge liegen
auf dem Tisch, jetzt müssen sie endlich
in eine modellhafte Erprobung überführt
werden.“
dvr/nul
Gefährliche Ablenkung
Drei Viertel der Autofahrerinnen und Autofahrer sind der Meinung, dass Telefonieren
(78 %) und das Lesen oder Schreiben von
SMS (73 %) die gefährlichsten Ablenkungsfaktoren beim Fahren eines Kraftfahrzeugs
sind. Dies ergab eine repräsentative Befragung im Auftrag des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) bei 2.000 Personen
über 14 Jahren. An dritter Stelle bei der Einschätzung der Gefährlichkeit rangierten die
Nutzung des Internets und sozialer Dienste
(55 %), gefolgt von der Bedienung des Navigationsgerätes (35 %).
Der DVR weist darauf hin, dass nach Schätzung von Experten jeder zehnte Verkehrsunfall durch Ablenkung verursacht wird. Wenn
der Blick auf das Display des Smartphones
nur zwei Sekunden dauere, lege man bei einem Tempo von 100 km/h bereits 56 Meter
im Blindflug zurück. Deshalb seien Ablenkungen beim Fahren zu vermeiden.dvr
Drei Viertel der Autofahrer halten das Telefonieren und das Lesen oder Schreiben von SMS für die
gefährlichsten Ablenkungsfaktoren beim Fahren eines Kraftfahrzeugs.
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BG RCI.magazin 3/4 2016
BERICHTE UND INFORMATIONEN
ZKZ-Nr.: 57433
ISSN 2193-102X
„Erschütternde Wahrheit“
Gehirnerschütterungen immer ernst nehmen
Mehr als 44.000 leichte Schädel-Hirn-Verletzungen allein durch Sportunfälle werden jährlich in Deutschland diagnostiziert.
Vielfach bleiben sie jedoch unerkannt und
werden daher überhaupt nicht behandelt.
Welche gravierenden Folgen wiederholte Gehirnerschütterungen haben können, wenn
sie nicht therapiert werden, thematisiert
das US-amerikanische Sportlerdrama „Erschütternde Wahrheit“, das derzeit in den
Kinos läuft. Neurologen der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken fordern daher dazu
auf, auch Kopfverletzungen im Sport immer
qualifiziert abklären zu lassen.
nen und Sportlern eine kompetente Anlaufstelle für die Diagnostik und Therapie
von Schädel-Hirn-Verletzungen bieten. Das
Netzwerk kooperiert dabei mit der ZNS-Hannelore Kohl Stiftung im Rahmen der Initiative „Schütz Deinen Kopf!“. Sie hat zum Ziel,
die Öffentlichkeit und speziell Amateur- und
Profisportler, Vereine, Trainer und Betreuer verstärkt für das Problem unerkannter
Gehirnerschütterungen zu sensibilisieren.
Entsprechende Informationen sowie eine
App mit Tipps für den Spielfeldrand sind
auf der Seite www.schuetz-deinen-kopf.de
abrufbar.
Neues Klinik-Netzwerk
Im Verbund mit den BerufsgenossenschaftsKliniken in Hamburg, Berlin, Halle und Murnau hat das Berufsgenossenschaftliche Universitätsklinikum Bergmannsheil, Bochum,
das „Schädel-Hirn-Trauma-Netzwerk Sport“
begründet. Es will betroffenen Sportlerin-
Die Berufsgenossenschafts-Kliniken verfügen aufgrund ihres besonderen Versorgungsauftrags über umfangreiche Expertise
im Bereich der Schädel-Hirn-Verletzungen. Sie haben daher maßgeblich an der
Erstellung der Qualitätsstandards „Schädel-Hirn-Verletzungen“ der Deutschen Ge-
Eine Elektroenzephalografie (EEG) ist bei der Abklärung
eines Schädel-Hirn-Traumas unverzichtbar.
Foto: bgh/Volker Daum
setzlichen Unfallversicherung (DGUV) mitgewirkt. Sie sind darüber hinaus auch in
der Forschung in diesem Bereich engagiert.
nul
BG RCI.
Impressum
Herausgeber
Berufsgenossenschaft
Rohstoffe und chemische Industrie
Kurfürsten-Anlage 62
D-69115 Heidelberg
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Chefredaktion
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Redaktionsleitung
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!
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