2016 1 Open Access: Wissenschaft für alle? Humboldt-Professorin Tiffany Knight berufen w w w . m a ga z i n . u n i - h a l l e . d e Herz im Takt: Mediziner entwickeln neues Implantat Physikerin Ingrid Mertig im Porträt D A S M A G A Z I N D E R M A R T I N - L U T H E R - U N I V E R S I T Ä T H A L L E - W I T T E N B E R G 2 f orsc hen und publ iz ier en sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Individuelle Zweiraumwohnungen mit Aufzug/ Tiefgaragenstellplätze zur Miete Vereinbaren Sie einen individuellen Beratungstermin unter 0345 7754-225 oder per E-Mail an [email protected] Zum Beispiel: Kurt-Eisner-Str. 11 4. Etage, ca. 64 m2 0345 7754-225 [email protected] wgfreiheit.de/koenigsviertel Kurt-Eisner-Str. 12 3. Etage, ca. 65 m2 sc ient ia hal ensis 1 / 2016 editor ial Liebe Leserinnen, liebe Leser, wann haben Sie zuletzt Wikipedia genutzt? – Bei mir ist es keine fünf Minuten her. 38 Millionen Artikel in 250 Sprachen erleichtern vielen von uns die Arbeit und den Alltag erheblich. Die Online-Enzyklopädie ist hilfreich, um schnell nochmal etwas nachzuschlagen oder sich in ein Thema einzulesen. Wissenschaftler brauchen aber andere Informationskanäle: Sie müssen die weltweit aktuellsten Ergebnisse zu ihrem Fachgebiet kennen. Und sie brauchen Zugriff auf Gendatenbanken oder historische Daten, um damit arbeiten zu können. Bereits seit Jahrzehnten gibt es deshalb Bestrebungen, Wissenschaft für jeden kostenfrei öffentlich zugänglich und nutzbar zu machen. Doch auch 2016 gestaltet sich der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Daten noch nicht so einfach wie ein Wikipedia-Besuch: Für den Bezug von Fachzeitschriften zahlen viele Forschungseinrichtungen Beiträge in Millionenhöhe. Dennoch kann keine Bibliothek für jedes Fachgebiet das vollständige Repertoire kostenpflichtiger Zeitschriften anbieten. Am Ende steht der Forscher deshalb oft vor einer „Paywall“ – wie ein Vorhängeschloss versperrt eine Bezahlschranke den Zugang zum Text. Seit den 1990er Jahren arbeitet die Open Access-Bewegung weltweit daran, dieses Vorhängeschloss ein für alle Mal zu öffnen. Mittlerweile gibt es tausende von Open Access-Zeitschriften, in manchen Fachgebieten sind sie bereits unverzichtbar geworden. Ge- meinsame Initiativen von Wissenschaftseinrichtungen und staatliche Förderprogramme unterstützen diesen offenen Austausch von Fachpublikationen. Welche Chancen und Herausforderungen diese Entwicklung im Jahr 2016 bietet, darüber sprechen Prof. Dr. Stephan Feller, Chefredakteur eines Open Access-Journals, und Dr. Stefan Artmann von der Arbeitsgruppe „Open Access“ der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen im ThemenSchwerpunkt des Unimagazins. Nicht allein für Forscher ist der offenen Zugang zu Wissenschaft von zentraler Bedeutung: Bereits Studierende lernen, mit offenen Datenbanken und wissenschaftlichen Quellen zu arbeiten. Im Heft berichtet die Historikerin Dr. Katrin Moeller, wie sie Studierende am Institut für Geschichte dazu berät. Und auch das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen bietet Beratung an: Zum Einsatz von freien Bildungsressourcen in der Lehre und dem wichtigen Thema der Nutzungsrechte. Denn Open Access erfordert mehr als nur freien Zugang. Ebenso wichtig sind offene Lizenzen, erklärt Kevin Atkins vom LLZ in diesem Heft. Denn erst durch sie kann mit den Dokumenten und Daten weitergearbeitet werden. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken wünscht Corinna Bertz, Redakteurin Corinna Bertz (Foto: Maike Glöckner) Aktuelles rund um die Uni Halle: www.magazin.uni-halle.de, www.newsletter.uni-halle.de, www.uni-halle.de/social-media Kontakt: [email protected] Telefon: 0345 55 21420 IMPRESSUM scientia halensis Magazin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) Ausgabe 1/2016, 24. Jahrgang Auflage 6.000 Exemplare ISSN 0945-9529 erscheint halbjährlich im April und Oktober sowie im Internet: www.magazin.uni-halle.de Herausgeber: Rektor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Redaktion: Manuela Bank-Zillmann (mab), verantwortlich Corinna Bertz (cb), Koordinierung Sarah Huke (sh) Tom Leonhardt (tol) Weitere Autoren dieser Ausgabe: Michael Deutsch (mde) Cornelia Fuhrmann (cfu) Ines Godazgar (igo) Maria-Luise Kunze Magarete Wein (mawe) Kontakt: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Stabsstelle des Rektors / Pressestelle Universitätsplatz 9, 06108 Halle (S.) Telefon: +49 345 552-1420 E-Mail: [email protected] Anzeigen / Satz / Gesamtherstellung: wpunktw kommunikation + werbung gmbh Roßplatz 8a, 04103 Leipzig Telefon: 0341- 22 6 70 70 [email protected] www.wpunktw.com Mediadaten: www.pr.uni-halle.de/mediadaten Druck: Löhnert-Druck Markranstädt (bei Leipzig) Grafik-Design: Sisters of Design, www.sistersofdesign.de Für scientia halensis liegen Copyright und alle weiteren Rechte bei der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Weiterverbreitung, auch in Auszügen, für pädagogische, wissenschaftliche oder private Zwecke ist unter An- gabe der Quelle gestattet (sofern nicht anderes an der entsprechenden Stelle ausdrücklich angegeben). Eine Verwendung im gewerblichen Bereich bedarf der Genehmigung durch die MLU. scientia halensis erscheint mit freundlicher Unterstützung der Vereinigung der Freunde und Förderer der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg e. V. (VFF). Titelgrafik: Ein geöffnetes Vorhängeschloss ist das Symbol der Open Access-Bewegung. (Grafik: Johannes Kretzschmar) 3 4 inhalt sv er z eic hnis sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Alte Waschküche wird zum Wissensspeicher {14} Das älteste Gebäude der Universität steht im Botanischen Garten: In der einstigen Waschküche wird die Pflanzenwelt Besuchern jetzt multimedial näher gebracht. (Foto: Matthias Hoffmann) Herz im Takt {20} Ein neues temporäres Herzunterstützungssystem ist ihr Ziel: Mediziner des Uniklinikums Halle arbeiten gemeinsam mit zwei Unternehmen an der Entwicklung eines weltweit einmaligen Geräts. (Foto: Michael Deutsch) Open Access: Wissenschaft für alle? {6} Open Access, Open Data, Open Educational Resources … die Liste digitaler Möglichkeiten und Angebote für Wissenschaftler und Studierende wächst. In manchen Fachgebieten sind die kostenfreien, öffentlich zugänglichen Open AccessZeitschriften längst unverzichtbar. Auch so manche wissenschaftliche Erkenntnis wäre ohne offene, digitale Forschungsdatenbanken ausgeblieben. Wie Open Access die Wissenschaft verändert und welche Chancen und Herausforderungen die Entwicklung bietet, darüber sprechen Prof. Dr. Stephan Feller und Dr. Stefan Artmann im Interview ab Seite 6. Ebenfalls Thema: Worauf man bei der Nutzung von Open Educational Resources achten sollte und was die Historikerin Dr. Katrin Moeller Studierenden der Geschichte zum Umgang mit digitalen Daten rät. (Foto: Anke Tornow) sc ient ia hal ensis 1 / 2016 inhalt sv er z eic hnis inhalt titelthema 6 Wissenschaft auf einen Klick Zwei Open Access-Praktiker im Interview 11 Freie Bildungsressourcen für jeden? Was bei der Arbeit mit Open Educational Resources zu beachten ist 12 Daten erzählen Geschichte Historikerin Dr. Katrin Moeller lehrt Studierenden, wie sie mit OnlineDatenbanken richtig arbeiten varia 14 Alte Waschküche wird zum Wissensspeicher Das älteste Gebäude der Universität soll nach der Sanierung der Wissens vermittlung dienen 16Meldungen 17Sprachsalat Forschen und publizieren 18 Fasziniert von Pflanzen Humboldt-Professorin Tiffany Knight forscht am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversität 20 Herz im Takt Mediziner entwickeln ein temporäres Herzunterstützungssystem 22 Neu erschienen 24Meldungen 25 Das Wörterbuch mit dem Erbsenbär Germanist Ulrich Wenner arbeitet am Mittelelbischen Wörterbuch studieren, lehren, leben 27 Anschluss in Halle Studentin koordiniert Tandemprojekt 29 Marketing für Physik und Mathe Das Hochschulmarketing der Uni Halle bietet Audits für Studiengänge 30 „Erst Grammatik, dann Konflikte“ Studieren am Orientalischen Institut 32Meldungen Personalia 33 „Erfolg ist Erkenntnis“ Die Physikerin Ingrid Mertig im Porträt 35Neuberufen 38Meldungen 40 20 Fragen an Frank Ursin Anschluss in Halle {27} Seit Oktober 2015 bietet die Uni Halle kostenfreie Gasthörerschaften für Flüchtlinge an. Dass es dieses Projekt gibt, ist auch der Arbeit von Mirjam Sorge zu verdanken. Die Studentin engagiert sich im Arbeitskreis „Refugees Welcome“. (Foto: Markus Scholz) schlussstück 42Zugelassen: Das Autokennzeichen des Rektors Some stories are also available in English: www.magazin.uni-halle.de/en „Erfolg ist Erkenntnis“ {33} Ein Nobelpreisträger und ein Humboldt-Professor zählen zu ihrem engsten Netzwerk: Prof. Dr. Ingrid Mertig hat den Forschungsschwerpunkt Nanostrukturierte Materialien an der Uni Halle mit aufgebaut. Porträt einer außergewöhnlichen Physikerin. (Foto: Michael Deutsch) 5 6 t it elt hema sc ient ia hal ensis 1 / 2016 t i t el: ope n acc e ss Wissenschaft auf einen Klick Wie die Open Access-Bewegung die Wissenschaft verändert und welche Chancen und Herausforderungen diese Entwicklung bietet, darüber sprechen der Molekularbiologe Prof. Dr. Stephan Feller und Dr. Stefan Artmann, Leiter des Präsidialbüros der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Feller ist Chefredakteur und Mitbegründer des Open Access-Fachjournals „Cell Communication and Signaling“. Artmann ist Mitglied der Arbeitsgruppe „Open Access“ in der Schwerpunktinitiative Digitale Information der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen. Von historischen Handschriften zu digitalen Datenbanken: Das Gespräch zwischen Stephan Feller (links) und Stefan Artmann fand in der Ungarischen Bibliothek der ULB statt. (Foto: Michael Deutsch) Wie würden Sie Open Access erklären? Stephan Feller: Open Access heißt, dass man Forschungsergebnisse der Allgemeinheit zugänglich macht. Das Internet hat die Möglichkeit geschaffen, Inhalte sehr schnell zu verbreiten. Man muss also nicht mehr in die Bibliothek gehen oder sich eine Zeitschrift schicken lassen. Der Grundgedanke ist auch, dass vieles im wissenschaftlichen Bereich durch öffentliche Fördergelder finanziert wird, und es wenig Sinn macht, die mit öffentlichen Geldern generierten Daten der Öffentlichkeit nur in sehr limitierter Form zur Verfügung zu stellen, weil deren Publikation von kommerziellem Interesse ist. Herr Artmann, Sie kommen aus der Philosophie. Ist Open Access für Geistes- wie für Naturwissenschaften gleichermaßen relevant? sc ient ia hal ensis 1 / 2016 t it elt hema Stefan Artmann: Wenn man sich den Ist-Zustand anschaut, ist Open Access in den Naturwissenschaften bedeutsamer. Die Diskussion zeigt, dass Naturwissenschaftler und gerade auch die Lebenswissenschaftler die Avantgarde der Open-AccessBewegung sind. Es ist aber nicht so, dass die Geisteswissenschaften davon nicht berührt werden. Nur sind die Publikationsgewohnheiten hier andere. In den Geisteswissenschaften steht die Buchpublikation noch sehr im Vordergrund. Das ist eine große Herausforderung: Wie geht man mit Monografien um? Und wie behandelt man das teilweise sehr enge Verhältnis zwischen Autor und Publikationshaus? Einige kleine Verlagshäuser sind bestimmten Fächern historisch eng verbunden. Welche Rolle spielt Open Access für Sie als Wissenschaftler in Ihrer Forschung? Feller: Ich war lange in Oxford, wo einem in der Referenzbibliothek fast alles zur Verfügung steht. Aber selbst in Oxford bekommt man nur 90 Prozent aller Zeitschriften, über Subskriptionen – Gebühren, die zentral von der Bibliothek bezahlt werden, oder Zugangsrechte, die die Verlage der Universität einräumen. In Halle sieht es so aus, dass für unsere Arbeit wichtige Fachzeitschriften nicht frei zugänglich sind. Man kann die Artikel natürlich kaufen. Das Problem ist aber, dass man oft noch gar nicht weiß, ob das Paper wichtig ist. Da würde man jedes Mal um die 50 Euro bezahlen, um innerhalb von zwei Minuten festzustellen, dass die Studie für die eigene Arbeit unwesentlich ist. Das ist nicht zielführend. Zumindest in den Naturwissenschaften wird es langfristig auch immer wichtiger, einen schnellen Zugang zu haben. Trifft das auf Ihre Arbeit auch zu, Herr Artmann? Artmann: Mittlerweile ist man enttäuscht, wenn man einen Artikel, der zwei oder drei Jahre alt ist, nicht über eine öffentlich zugängliche Datenbank oder ein Open-Access-Journal bekommt. Gerade bei jüngeren Kollegen und Studenten baut sich genauso eine Erwartungshaltung auf wie in den Naturwissenschaften. Open Access befördert aber auch die Internationalisierung der Forschung. Viele geisteswissenschaftliche Fächer sind bis in die heutige Zeit stark durch nationale Forschungstraditionen bestimmt. Das ist nicht zuletzt durch die Digitalisierung aufgebrochen worden. Jetzt kann ich durch eine Google-Recherche viel schneller ein Journal zu meinem Themenbereich finden, das zum Beispiel irgendwo in den USA herausgegeben wird. Früher hat man so etwas oft eher zufällig erfahren. Inwieweit spielt Open Access auch für Studenten eine Rolle? Feller: Es gibt Fachgebiete, die sich so schnell entwickeln, dass die Lehrbücher bei Erscheinen schon fast wieder veraltet sind. Da werden im Seminar statt Büchern frei zugängliche Übersichtsartikel benutzt, mit denen man sich auf die speziellen Inhalte vorbereiten kann. Das funktioniert im Grunde nur dann, wenn die Sachen online und frei zugänglich sind. Artmann: Eine weitere wichtige Entwicklung ist, dass in der Qualifikationsphase zumindest das Angebot besteht, die Arbeit auf einem Repositorium der eigenen Universität zu veröffentlichen. Dadurch werden diese Arbeiten weltweit recherchierbar und sehr viel sichtbarer. Will ich in einem Open-Access-Journal publizieren, kostet mich das als Autor Geld – anders als bei Journalen wie „Nature“ oder „Science“. Werden damit Wissenschaftler ausgeschlossen, die sich eine Open-Access-Publikation nicht leisten können? Feller: Das kann ein Problem sein. Ich habe als Chefredakteur aber eine Anzahl an Freifahrt-Scheinen. Wenn ich eine sehr hochwertige Arbeit in meinem Journal veröffentlichen möchte und der Autor zum Beispiel ein junger Nachwuchsforscher ist, der keine Mittel dafür hat, dann kann ich die Arbeit trotzdem veröffentlichen. Autoren aus bestimmten Ländern erhalten automatisch diese Möglichkeit oder zumindest reduzierte Raten. Prinzipiell ist es in den Naturwissenschaften so, dass die Forschung sehr teuer ist. Wenn ich 300.000 Euro für ein Experiment oder eine experimentelle Arbeit zur Verfügung habe, dann sollte es auch möglich sein, 2.000 oder 4.000 Euro Publikationskosten zu zahlen. Journale wie „Nature“ akzeptieren nur rund acht Prozent aller eingereichten Beiträge – bei dem Open-Access-Journal „PLOS One“ sind es etwa 70 Prozent. Was sagt das über die Filterfunktion und Qualitätsstandards der Zeitschriften aus? Feller: Im biomedizinischen Bereich kann man das durch Impact-Faktoren relativ einfach trennen: Alles, was in einem bestimmten sehr niedrigen Bereich liegt, würde man kaum ernst nehmen. 7 8 t it elt hema sc ient ia hal ensis 1 / 2016 und sagt: Dann ist alles publizierbar. Das ist ein sehr einseitiger Blick. Durch Open Access wird es möglich werden, ganz andere Formen von Qualitätssicherung einzuführen: Zum Beispiel Diskussionsforen für Artikel, die sich an die Veröffentlichung anschließen. Da unterschätzt man die kreativen Möglichkeiten, die digitales Publizieren und Open Access eröffnen. Die Entscheidung für oder gegen Open Access heißt auch nicht, dass wir uns für oder gegen die Verlage entscheiden müssen. Es kommt auf die Kreativität der Verlage an und darauf, wie sie sich in dieser Zeit der Transformation des Veröffentlichungsmodells verhalten. 2013 kam Stephan Feller aus Oxford an das Institut für Molekulare Medizin der Uni Halle. (Foto: Michael Deutsch) „PLOS One“ ist relativ stringent, dort wird nicht alles publiziert. Die Strategie ist vielmehr, alles zu publizieren, das publikationswürdig ist. Dafür muss das Thema nicht besonders angesagt sein. Aber für irgendjemanden kann diese Studie wichtig sein und vielleicht zieht er einen Nutzen daraus. Wie versucht die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen diesen Prozess zu begleiten? Artmann: Als Allianz haben wir im deutschen Wissenschaftssystem zunächst umfassend darüber informiert, was Open Access eigentlich ist und welche Formen, welche Vorteile und welche Schwierigkeiten es geben kann. Jetzt kommt es in der zweiten Phase darauf an, uns über die einzelnen Etappen des Übergangs im gesamten wissenschaftlichen Publikationswesen noch intensiver auszutauschen. Artmann: Es gibt diese Perspektive auf Open Access, die nur den mahnenden Zeigefinger hebt Die Uni Konstanz hat Ende 2015 beschlossen, dass Wissenschaftler der Universität ihre Aufsätze Op en A c c e ss: G ol de n e r ode r g rün e r W e g ? Auf unterschiedlichen Wegen wird Fachliteratur heute kostenfrei und öffentlich im Internet zugänglich und nutzbar gemacht: Publizieren Forscher ihre neuen Beiträge in einem Open Access-Journal, das alle Bedingungen der Open Access-Bewegung erfüllt, so spricht man vom goldenen Weg. Finanziert werden diese Fachzeitschriften meist durch Publikationsgebühr, die der Autor bzw. seine Institution zahlen muss. Wissenschaftliche Einrichtungen, die für dieses Modell Publikationsfonds einrichten, werden in Deutschland seit 2009 durch das Förderprogramm „Open Access Publizieren“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Auch wenn ein wissenschaftlicher Beitrag zunächst in einem kostenpflichtigen Journal publiziert wird, kann der Autor auf dem sogenannten grünen Weg für kostenfreien Zugang sorgen: Indem er eine Kopie seines Texts selbst online nutzbar macht oder ihn über ein digitales Archiv seiner Institution, Repositorium genannt, veröffentlichen lässt. Ein weiteres, allerdings umstrittenes Publikationsmodell haben kommerzielle Verlage entwickelt: Bei Hybrid-Publikationen wird ein Text in einer gedruckten Zeitschrift veröffentlicht und zugleich online kostenfrei bereitgestellt. Dafür fordern die Verlage vom Autor jedoch Publikationskosten ein. Einrichtungen, die durch das DFG-Programm gefördert werden, dürfen sich an der Finanzierung von Hybrid-Zeitschriften nicht beteiligen. sc ient ia hal ensis 1 / 2016 t it elt hema nach einem Jahr über Open Access zugänglich machen sollen. Manche Autoren sehen sich dadurch bevormundet. Was halten Sie von solchen Pflichtvorgaben? Feller: In den Naturwissenschaften ist es so, dass das über die Förderinstitutionen dirigiert wird. Wenn eine Universität so eine Regel einführt, dann wird es zumindest für neue Wissenschaftler selbstverständlich. Sie kennen das von Beginn an. Eine Fragmentierung in kleine Initiativen, die alles selbst organisieren, ist gar nicht so gut. Ich persönlich denke, dass da zum Beispiel die EU noch viel stärker aktiv werden müsste. Stefan Artmann lehrt als Privatdozent für Philosophie an der Uni Jena und leitet das Präsidialbüro der Leopoldina. (Foto: Michael Deutsch) Artmann: Es müsste eine möglichst systemweite Lösung geben, aber davon sind wir in Deutschland und Europa noch meilenweit entfernt. Gibt es ein Land, das als Vorbild fungieren könnte? Artmann: Nein, es ist eher ein Flickenteppich an verschiedenen Lösungen. Auch der europäische oder der deutsche Weg wird nicht darin bestehen, zu sagen: Gold oder Grün. Er wird den verschiedenen Fachkulturen die Möglichkeit geben, das jeweils selbst zu entscheiden. Eine Voraussetzung dafür ist, dass im Wissenschaftssystem ein gewisser Konsens darüber entsteht, wie man den Übergang vom Subskriptionsmodell zu Open Access schafft. Die Leopoldina hat bei der Allianz der Wissenschaftsorganisationen 2016 die Federführung übernommen. Können Sie einen Ausblick geben? Artmann: Die Diskussion wird in diesem Jahr konkreter werden. Ich denke, dass sich auch in Deutschland die Wissenschaftsorganisationen im Bereich Open Access koordinieren werden und es dann zu Szenarien kommen kann wie in den Niederlanden. Dort haben sich die Universitäten zusammengeschlossen, um gemeinsam aufzutreten. So konnten sie bessere Vertragsbedingungen aushandeln. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die deutschen Wissenschaftsorganisationen versuchen werden, auf die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in diesem Sinne gemeinsam einzuwirken. Was bedeutet das für die Bibliotheken? Artmann: Die Universitätsbibliotheken wachsen – auch durch die Digitalisierung in der Wissenschaft im Allgemeinen – in eine neue Rolle: vom zentralen Wissensspeicher hin zu einer im Universitätsleben noch präsenteren Institution für wissenschaftliche Kommunikation. Dabei geht es auch um die Organisation von Publikationsfonds. Wenn das Subskriptionsmodell allmählich ausläuft und man die teuren Abonnements nicht mehr bezahlen muss, wird dadurch in den Bibliotheken Geld frei. Dieses Geld könnte so umgewidmet werden, dass daraus die Publikationsgebühren für Open Access finanziert werden. Das ist dann eine wichtige Ausgabe der Bibliothek: Wer bekommt wie viel Geld pro Jahr für Open Access-Gebühren? Welche Kriterien sind festzulegen? Feller: Ich glaube, dass sich die nächste Generation zunehmend weigern wird, Texte zu nutzen, die sie nicht herunterladen können. Die Aufgaben der Bibliothek werden sich deshalb ganz stark ändern. Man braucht jetzt einen Arbeitsraum, in dem die Leute in Ruhe mit ihrem Laptop arbeiten können. Ein anderer wichtiger Punkt ist: Man hat jetzt die Möglichkeit, selbst zum Verleger zu werden. Man braucht keine Druckerpresse mehr. Der Wissenschaft würde es sehr gut tun, sich diese Publikationsaktivitäten wieder zurückzuholen. Die Gewinnmargen sind gerade bei den naturwissenschaftlichen Verlagen enorm. Das ist Geld, das der Wissenschaft bislang verloren geht. Interview: Corinna Bertz, Tom Leonhardt 9 sc ient ia hal ensis 1 / 2016 t it elt hema Freie Bildungsressourcen für jeden? Nicht nur Forschungsdaten und wissenschaftliche Publikationen sind online oftmals frei zugänglich verfügbar: Egal ob Lehrbücher, Videos, ganze Online-Kurse oder Arbeitsblätter – viele Lehr- und Lernmaterialien sind heute im Internet zu finden. Im Jahr 2002 wurden unter dem Begriff „Open Educational Resources“ (OER) erstmals alle Lehr- und Lernressourcen zusammengefasst, die gemeinfrei sind, kostenfrei genutzt oder unter einer offenen Lizenz bearbeitet und verändert werden dürfen. Uni-Dozenten, Lehrern und jedem Lernwilligen steht damit eine große Auswahl an Materialien zur Verfügung. Jedoch: „Es gibt für diese Open Educational Resources noch keinen zentralen Anlaufpunkt im Netz“, sagt Kevin Atkins vom Zentrum für Multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) der Uni Halle. Man müsse selbst recherchieren, die Materialien anschließend oft noch individuell anpassen, und dabei genau auf die Lizenzen und damit verbundene Nutzungsbedingungen achten. Noch immer wird ein Großteil der online verfügbaren Dateien genutzt, ohne dass die Rechte und Vorgaben der Urheber eingehalten werden. Will man freie Bildungsressourcen für seine Zwecke nutzen, zum Beispiel für seine Lehrveranstaltung, so ist die korrekte Lizenzierung und Kennzeichnung des Materials entscheidend. „Für dieses Thema möchten wir Lehrende und Studierende sensibilisieren. Wir informieren über die verschiedenen Lizenzen und geben ihnen Beispiele an die Hand, durch die sie in der Nutzung von freien Bildungsressourcen sicherer werden“, so Atkins. Bei Schulungen, Onlinekursen und Lernwerkstätten des @LLZ lernen die Teilnehmer, worauf sie achten müssen, wenn sie Bilder, Videos, Arbeitsblätter: Eine große Auswahl an Lehrmaterialien steht online zur freien Verfügung. (Foto: Anke Tornow) OER-Materialien bereitstellen oder nutzen möchten. Dozenten können in einem Schulungsblock, in dem didaktische Methoden, Werkzeuge sowie Grundlagen multimedialer Lehre und eben auch zu OER vermittelt werden, das Zertifikat „Multimediale Lehre“ erlangen. „Zum Thema OER ist im Mai oder Juni eine Themenwoche mit externen Referenten angedacht.“ Das Grundproblem sei derzeit jedoch noch ein anderes, berichtet Atkins: „Fast jeder möchte freie Bildungsressourcen nutzen, aber nur wenige Menschen wollen eigene Materialien lizenzfrei zur Verfügung stellen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen.“ Es brauche Vorreiter und gute Beispiele, die zeigen, dass sich die Verwendung und Nutzung von OER lohnt. Und die gibt es auch in Halle: Seit vielen Jahren überträgt Prof. Dr. Christian Tietje seine JuraVorlesungen live ins Netz. Und der Sportpädagoge Dr. Andreas Günther stellte bereits Hunderte kurze Lehr-Videos unter einer freien Lizenz online. Alle Interessenten, die Ähnliches vorhaben, werden vom @LLZ beraten und unterstützt. Corinna Bertz Riesige Datensätze – Open Data in der Bioinformatik: Forscher der Universität Halle nutzen öffentlich zugängliche Datenbanken intensiv – zum Beispiel, um Informationen über bereits bestimmte Gene abzurufen. Bioinformatiker wie Dr. Jan Grau entwickeln gemeinsam mit Medizinern, Genetikern und Biologen Algorithmen, mit denen sich die riesengroßen Datensätze computergestützt und schneller durchsuchen lassen. Mehr über Vorteile und Herausforderungen dieser Arbeit im Onlinemagazin: www.magazin.uni-halle.de/19073 Die nächste Weiterbildung rund um die multimediale Lehre startet am 22. April. Interessierte können sich bis 15. April per E-Mail an [email protected] anmelden. Mehr unter: www.llz.uni-halle.de/ schulungen 11 12 t it elt hema sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Daten erzählen Geschichte Ganz gleich, ob es sich um alte Fotos oder mittelalterliche Stadtbücher handelt – historische Daten bilden die Grundlage für die Forschung am Institut für Geschichte. Doch wie gehen angehende Historiker richtig mit diesen Daten um? Und welche Chancen bietet Open Access? Dazu berät Dr. Katrin Moeller die Master-Studierenden. Was passiert mit Daten, wenn ein Forschungsprojekt zu Ende geht oder der Wissenschaftler, der es einst bearbeitete, die Uni wechselt oder emeritiert wird? „Dann sind die Daten bisher nicht selten einfach verloren gegangen“, sagt Dr. Katrin Moeller. Sie muss es wissen, denn als sie 2008 Leiterin des neu gegründeten Historischen Datenzentrums an der Martin-Luther-Universität wurde, ist sie auch mit dem Ziel angetreten, so etwas künftig verhindern zu helfen. Am Datenzentrum werden vor allem historische Quellen computergestützt aufbereitet, bereitgestellt und ausgewertet. Wie wichtig ihr Job inzwischen ist, merkt Moeller nicht nur daran, dass es vorkommen kann, dass plötzlich Kollegen mit riesigen alten Disketten vor ihr stehen, und fragen, ob sie noch auf die darauf befindlichen Daten zugreifen könne, sondern auch daran, dass jeder Masterstudent des Instituts für Geschichte zu einer Beratung bei ihr erscheint. Sie erklärt dann nicht nur, wie Datensätze grundsätzlich erstellt und dokumentiert werden, sondern auch, wie diese später der Forschung zur weiteren Nutzbarmachung zur Verfügung gestellt werden können. Zugleich hilft sie den Kollegen, ihre Daten zu publizieren und baut dafür derzeit diverse Forschungsdatenserver mit auf. Außerdem müssten Studenten wie Mitarbeiter des Instituts für Geschichte den Umgang mit Daten im digitalen Zeitalter neu lernen. Um diesen Prozess zu erleichtern, wurde inzwischen einiges getan: „Mit der Novellierung unserer Masterstudiengänge haben wir auch eine Beratungspflicht zum Datenmanagement als Pflichtteil des Moduls Masterarbeit festgeschrieben. Wahrscheinlich tritt diese ab Wintersemester 2016/17 in Kraft“, so die Historikerin. Bereits im Bachelorstudiengang gibt es eine Vorlesung, in der es auch um den Einsatz digitaler Metho- den in den Geisteswissenschaften geht. Während die Vorlesung eher den theoretischen Rahmen vorgibt, soll die Beratung ganz praktisch und individuell Fragen zu Forschungen während der Masterarbeit beantworten. Bislang finden Studierende und Wissenschaftler häufig erst am Ende ihrer Arbeit, wenn es dann um konkrete Fragen der Auswertung von Daten geht, zur Leiterin des Historischen Datenzentrums. Oft habe sie dann feststellen müssen, dass die Daten – so wie sie aufgenommen und strukturiert wurden – gar nicht auswertbar sind oder erst mit großem Aufwand in die richtige Form gebracht werden müssen. Durch die Beratungspflicht sollen künftig bereits am Anfang eines Projekts grundlegende Regeln zur Anlage von Datenbanken oder Tabellen berücksichtigt werden. Daten zerlegen, um sie nutzbar zu machen Ein gutes Beispiel dafür ist die so genannte Atomisierung von Daten. Das bedeutet: In jeder Variable beziehungsweise in jeder Tabellenspalte darf auch nur eine Information stecken. Straßenname, Hausnummer, Postleitzahl und der Ort sind als vier Einzelinformationen festzuhalten, denn zusammenführen lassen sich Informationen immer leicht. Trennen dagegen kann man sie nur schwer. Überdies müssen auch die „versteckten“ Informationen erfasst werden. Werden beispielsweise Namen erfasst, erfährt man damit auch das Geschlecht einer Person. Dies muss jedoch separat erfasst werden, wenn man später mit diesen Namen zum Beispiel das Geschlecht als Kategorie auswerten will. Grundsätzlich geht es Moeller darum, Daten langfristig nutzbar zu machen und zu bewahren. Man könne dabei schon deshalb nichts dem Zufall überlassen, weil historische Da- sc ient ia hal ensis 1 / 2016 t it elt hema tensätze aus Forschungsprojekten bereits anlässlich ihrer Erstellung viel Geld gekostet haben. Zum Vergleich: Der Löwenanteil, nämlich bis zu 80 Prozent der Arbeit an einem Forschungsprojekt, fließt in die Aufbereitung der Quellen. Für die Analyse und Publikation von Ergebnissen benötigt man die restlichen 20 Prozent der Zeit. In gewisser Weise, so Katrin Moeller, sei das ein Missverhältnis. Studenten digitalisieren historische Quellen Zugleich sei es aber auch Beleg für die Dringlichkeit, solche Daten künftig zu archivieren. Wie das gehen soll, darüber wird momentan in der Wissenschaft heftig diskutiert. „Open Access“ lautet das Stichwort. „Natürlich ist es gut, wenn Forschungsdaten künftig der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden sollen“, meint Katrin Moeller. Mancher, sagt sie, habe dabei riesige anonyme Datenbanken vor Augen, die jeder nutzen könne. Dieses Szenario werfe allerdings Fragen auf, die bisher keiner genau beantworten könne. Etwa die Frage, wie man wissenschaftliche Leistungen messen kann und will, wenn es dann möglicherweise keine Urheberschaft von Daten mehr gibt. Wie groß der Aufwand einer Forschungsarbeit sein kann, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Drei Jahre hat es zum Beispiel gedauert, bis Katrin Moeller und ihre studentischen Hilfskräfte die historischen Aufzeichnungen von Sterbe-, Tauf- und Heiratsdaten aus der halleschen Mariengemeinde der Jahre von 1670 bis 1820 digitalisiert und transkribiert hatten. Was zunächst banal klingt, war ein langwieriger diffiziler Prozess: Zunächst galt es, die zahllosen Blätter aus den Verzeichnissen einzeln zu lesen und zu erfassen. Damit das gelingen konnte, mussten sich die beteiligten Studenten zunächst mit den Details der Kurrentschrift vertraut machen, um die handschriftlichen Einträge überhaupt entziffern zu können. In einem weiteren Schritt haben dann alle in den Registern genannten Personen eine ID-Nummer erhalten. „Record-Linkage“ nennt sich dieses Verfahren, das sicherstellen soll, dass alle mehrfach auftauchenden Personen sicher wieder identifiziert werden können. Nicht zuletzt sieht die Historikerin ihre Aufgabe im Datenzentrum auch darin, neue digitale Methoden zu vermitteln. Um gerade Frauen für das digitale Arbeiten in Forschung und Lehre zu gewinnen, hat sie finanzielle Mittel eingeworben: Unter dem Titel „Frauenschlaue Datenpower“ wird sie demnächst in mehreren Workshops die Analyse und das Management von Forschungsdaten an Frauen vermitteln. Moeller: „Frauen denken oft, sie könnten weniger gut mit Computertechniken umgehen. Aus meiner Lehrpraxis weiß ich, dass dies ein Irrtum ist. Deshalb Zum Projekt „Frauenmöchte ich Berührungsängste abbauen helfen.“ schlaue Datenpower“: Ines Godazgar http://bit.ly/datenpower Katrin Moeller arbeitet im Instituts-Neubau am Steintor-Campus. Dort befindet sich auch das Historische Datenzentrum Sachsen-Anhalt. (Foto: Michael Deutsch) 13 14 var ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 var ia Alte Waschküche wird zum Wissensspeicher Wer an das älteste Gebäude der Universität denkt, hat vielleicht das Löwengebäude im Sinn. In den Chroniken von Halle wird jedoch ein ganz anderes Gebäude aufgeführt: die Waschküche im Botanischen Garten. Lange war das Haus in Vergessenheit geraten, Bäume und Sträucher verdeckten den Verfall. Jetzt erstrahlt es in neuem Glanz. Nach einer aufwendigen Sanierung kann jeder das Gebäude besichtigen. Die alte Waschküche vor und nach der Sanierung (Fotos: Markus Scholz (l.), Matthias Hoffmann) Das Innere der alten Waschküche war ursprünglich in drei kleinere Bereiche aufgeteilt. Hier gab es einen Waschkessel und Wäscheleinen zum Trocknen der Arbeitskleidung der Gärtner. Alles war klein und eng. „Für unsere Zwecke also nicht brauchbar“, sagt der Kustos des Botanischen Gartens Dr. Matthias Hoffmann. Früher habe es auch eine Treppe in den zweiten Stock gegeben. „Dort bin ich einmal hinaufgegangen, ein richtig gutes Gefühl hatte ich aber dabei nicht. Das Holz war sehr brüchig.“ Ganz unbewohnt war die Waschküche während ihres jahrzehntelangen Dornröschenschlafes jedoch nicht. „Hier haben eine ganze Weile Waschbären gewohnt. Die mussten nun ausziehen“, scherzt Hoffmann. sc ient ia hal ensis 1 / 20 16 var ia „Es gab eigentlich nur zwei Optionen: Komplett sanieren oder abreißen.“ Kustos Dr. Matthias Hoffmann Erstmals erwähnt wird die Waschküche in den Chroniken von Halle vor 1785. Damit ist sie offiziell das älteste Gebäude der Universität. Errichtet vom Landbaumeister Reichhelm, wurde das Gelände des früheren Fürstengartens samt Waschküche 1787 von der Universität für 1200 Taler erworben. Das Haus war Teil eines größeren Gebäudekomplexes, zu dem unter anderem ein Holzstall, eine Scheune und Gärtnerwohnungen gehörten. Das Waschhaus wurde von den Gärtnern zum Wäschewaschen genutzt. „Als ich 2002 nach Halle kam, wurde ich vom Denkmalamt der Stadt mehrmals gefragt, ob wir das älteste Gebäude der Uni nicht sanieren wollten“, erinnert sich Hoffmann. „Die Gewächshäuser hatten damals aber Priorität und so habe ich über die Sanierung lange Zeit gar nicht nachgedacht. Irgendwann beim Joggen sei ihm dann die Idee gekommen, die alte Waschküche als eine Art botanisches Museum auszubauen. Viele seien davon begeistert gewesen. „Es gab eigentlich nur zwei Optionen: Komplett sanieren oder abreißen. Wir haben uns aufgrund der Historie dann für die Sanierung entschlossen, obwohl das natürlich die aufwendigere Variante war“, erzählt der Kustos. Das Gebäude ist nicht nur aufgrund seines Alters eine Besonderheit: Sein Spließdach ist eine bautechnische Seltenheit. „Die Vertreter des Denkmalamtes fielen aus allen Wolken, als sie das sahen“, sagt Hoffmann. Bei diesem Dach wird jeder Dachziegel von einem dünnen Holzplättchen, dem so genannten Spließ, verstärkt und gestützt. Im Frühjahr 2015 konnte die Sanierung beginnen. Da das Mauerwerk völlig marode war, mussten bei der Sanierung die Grundmauern sehr weit abgetragen werden. „Ein kleiner Teil der Dachkonstruktion war noch nutzbar und wurde auch wieder verbaut. Der Rest musste auf Bauhöfen eingekauft werden, die mit altem Holz handeln.“ Viele der Details, wie Fenster, Türen und auch das Dach, sind Maßarbei- ten. Auf eine Dämmung wurde verzichtet, da nur eine Nutzung während der warmen Jahreszeit vorgesehen ist. „Im Winter wird es dann natürlich kalt, aber die Mehrkosten waren einfach zu hoch“, so Hoffmann. Die aufwendige Rekonstruktion wurde durch die Universität Halle und den Freundeskreis des Botanischen Gartens e.V. finanziert. Der Bau wurde von der Abteilung Bau, Liegenschaften und Gebäudemanagement der Universität geleitet. Von Anfang an hatte Hoffmann konkrete Ideen für die Nutzung des Baus: Mit Hilfe von Videos und Grafiken will der Kustos des Gartens dem Besucher die Pflanzenwelt zusätzlich multimedial näher bringen. „Einblicke in Pflanzenbewegungen oder Wachstumsprozesse sind den meisten Besuchern fremd. Wir wollen zum Beispiel Bewegungen der Venusfliegenfalle hochauflösend und in Zeitlupe zeigen. Das ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen spannend“, erklärt Hoffmann. Mit seiner Idee suchte er den Kontakt zu Studierenden der Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Ihnen stellte er das Thema Visualisierung des Gartens vor. Die moderne Pflanzenforschung, die sich rund um die Pflanzen-DNA anordnet, sollte im Fokus stehen. „Eine Gruppe will das Thema in Form eines Cartoons aufbereiten. Für den Laien ist die genetische Forschung in der Regel schwer zugänglich. Wenn man es jedoch anschaulich erklärt und aufbereitet sind die Besucher bei Führungen durch den Garten zum Beispiel immer sehr daran interessiert“, weiß der Botaniker. In Zukunft könnte ein Spaziergang durch den Botanischen Garten mit einem Besuch im Waschhaus abgerundet werden, dessen Inneres bald die Arbeiten der Studierenden präsentieren soll. Und nicht nur das: Matthias Hoffmann hofft, dass das Gebäude auch als Tagungsstätte angenommen wird. „Für eine kleine Tagung im Grünen und am historischen Ort gibt es hier das richtige Ambiente.“ Leef Hansen Dr. Matthias Hoffmann (Foto: Markus Scholz) Der Botanische Garten am Kirchtor 3, 06108 Halle, ist bis Oktober von Montag bis Freitag 14 bis 18 Uhr sowie am Wochenende und feiertags von 10 bis 18 Uhr für Besucher geöffnet. 15 16 var ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 (Grafik: Oliver Weiß) „Bitte einmal gemischten Sprachsalat …“ Die s m al auf of f enem ( Wort-)f euer zuber eit e t „Komm! ins Offene, Freund!“ So beginnt der erste Vers jener berühmten, Christian Landauer gewidmeten Elegie, die Hölderlin vor über 200 Jahren schrieb. Offen war ein Lieblingswort des Dichters: Von jeher entfaltet es einen eigenen Zauber und beflügelt die Fantasie; das hält bis heute an. Dabei geht es nicht um das billige Blinken bunter OPENReklame in Bars, Nagelstudios oder Wett-Büros – sondern um Offenheit als allgegenwärtigen Wert. Nach jahrzehntelangem Leben in unfreiwilliger (Ab-) Geschlossenheit genießen wir nun das ganz andere Konzept mit Vorzügen und Gefahren einer wahrhaft offenen Gesellschaft. Das ist, offen gesagt, nicht immer leicht. Privat haben wir für Sorgen und Nöte unsrer Verwandten und Freunde meist ein offenes Ohr, doch schon der offene Umgang mit eigenen Problemen und Kritik an uns selbst will gelernt sein – da macht mancher gern mal einfach zu … Froh sind wir, wenn sich die Krise mit ein paar offenen Worten lösen lässt. Doch schauen wir in den Universitätsalltag: Das freie, offen zugängliche Internet ist heute für alle Studierenden und Lehrenden eine Selbstverständ- lichkeit. Wie man früher ohne die z. B. in der – offenen – Online-Enzyklopädie Wikipedia erhältlichen Informationen Vorträge vorbereiten konnte, ist kaum mehr vorstellbar. Ein Sesam-öffne-dich für Wissenschaftler und an Wissenschaft Interessierte: Open Science – der offene und kostenfreie Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen und Erkenntnissen auf grünen oder goldenen Wegen … Was damit gemeint ist, lesen Sie auf Seite 8. Nur soviel: Sie gehen auf den Vorreiter der Open-Access-Bewegung, Kognitionswissenschaftler und Gründer des Archivs CogPrints Stevan Harnad zurück. Wesentlich erweitert wurde das Aktionsfeld Open Access (nämlich um den offenen Zugang zu Kulturgütern) im Jahr 2003 durch die Berliner Erklärung, seither von 500 deutschen und internationalen Forschungseinrichtungen unterzeichnet. Und erinnern wir uns wieder an „Das offene Kunstwerk“ von Umberto Eco aus dem Jahr 1962: Leser, Hörer und Betrachter werden nicht mehr nur als Konsumenten gesehen, sie – also auch Sie! – wirken vielmehr selber aktiv am Sinn eines Kunstwerks mit. Nutzen wir all das, da uns nie zuvor die Welt des Wissens so uneingeschränkt offen stand! Margarete Wein sc ient ia hal ensis 1 / 20 16 var ia Festkonzerte: Unichor und „aula konzerte halle“ feiern Jubiläen Gleich zwei musikalische Jubiläen stehen im April und Mai an der Uni Halle auf dem Programm: Am 23. April feiert der Universitätschor „Johann Friedrich Reichardt“ seinen 65. Geburtstag und am 9. Mai lädt die Reihe „aula konzerte halle“ anlässlich ihres zehnjährigen Bestehens zum Festkonzert. Der Universitätschor zählt mehr als 100 Sänger. Zum 65. Jubiläum werden sie in der Uni-Aula A-CapellaWerke und eine Latin-Jazz-Mass zur Aufführung bringen. Gemeinsam mit den ehemaligen Chormitgliedern wird nach dem Konzert in der Harzmensa weitergefeiert. Jahr für Jahr gestaltet der Unichor unter Leitung der beiden Direktoren Jens Lorenz und Dr. Jens Arndt Konzerte mit bis zu fünf verschiedenen Programmen. Im Mai will er mit einer Aufführung von „Carmina Burana“ von Carl Orff in der Händel-Halle Premiere feiern. Im selben Monat steht ein weiteres Jubiläum an: Vor zehn Jahren gründeten Prof. Dr. Jürgen Stolzenberg und der damalige Uni-Kanzler Dr. Martin Hecht den Verein „aula konzerte halle“. Seitdem bereichert die Konzertreihe das hallesche Kulturprogramm. Bereits 36 hochkarätig besetzte Kammermusik-Konzerte sind in der Uni-Aula mit ihrer einmaligen Akustik bereits erklungen. Das Jubiläumskonzert wird am 9. Mai der weltberühmte Pianist Sir András Schiff bestreiten. Ab 19.30 Uhr werden dann im Löwengebäude Klaviersonaten von Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart und Franz Schubert zu hören sein. cb Neues Kuratorium der Universität Halle im Amt Neue Richtlinie gegen Diskriminierung in Kraft Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Generalsekretärin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, ist in der konstituierenden Sitzung des Kuratoriums der Universität im Amt der Vorsitzenden bestätigt worden. Dem Kuratorium, das die Uni berät, gehören für die vierjährige Amtsperiode erneut die ehemalige Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth und der ehemalige sächsische Staatsminister Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer an. Neu im Gremium sind Matthias Lux, Geschäftsführer der Stadtwerke Halle, und Dr. Andreas Keller, Mitglied des Vorstands der Gewerkschaft GEW. mab An der Martin-Luther-Universität ist eine neue Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung, sexueller Belästigung und Gewalt in Kraft getreten. Die Initiative zu deren Erarbeitung ging vom Arbeitskreis Sexuelle Belästigung aus. Ziel der Richtlinie ist es, Mitglieder, Angehörige und Gäste der Hochschule vor Diskriminierung, sexueller Belästigung und Gewalt zu schützen und mit entsprechenden Maßnahmen aktiv entgegenzuwirken. Die Richtlinie regelt die Rechte der Betroffenen, aber auch die Pflichten aller Uni-Angehörigen. Bei Beschwerden sind nun genaue Verfahrenswege und Anlaufstellen benannt: Beschäftigte können sich an die AGG-Beschwerdestelle wenden. Studierenden, Stipendiaten und Gästen der Hochschule stehen feste Ansprechpartner aus der Abteilung Studium und Lehre zur Verfügung. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der Universität ist die neue Richtlinie im Dezember in Kraft getreten. Zuvor war das Papier vom Akademischen Senat einstimmig verabschiedet worden. Nun sollen Schulungsangebote sowie weitere Maßnahmen etwa zur Unterstützung von Betroffenen erarbeitet werden. „Das Thema bleibt eine beständige gesamtuniversitäre Aufgabe“, sagt Dr. Andrea Ritschel, Mitglied des Arbeitskreises Sexuelle Belästigung und Leiterin des Familienbüros. cb Zum 65. Chorjubiläum: http://bit.ly/65chor Zur Reihe „aula konzerte halle“: www.aulakonzerte.uni-halle.de Das Kuratorium der Universität (Foto: Markus Scholz) Mehr über die Inhalte der Richtlinie im Interview unter www.magazin. uni-halle.de/18139 17 18 var ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ i z i e r e n Fasziniert von Pflanzen Humboldt-Professorin Tiffany Knight erforscht, wie sich pflanzliche Ökosysteme über lange Zeiträume verändern und ob ein Verlust der Artenvielfalt zu einer Beeinträchtigung des Ökosystems führen kann. Die amerikanische Biodiversitätsforscherin arbeitet seit Februar 2016 am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig. Humboldt-Professorin Tiffany Knight im Botanischen Garten der Universität Halle. (Foto: Markus Scholz) Unter Pflanzen fühlt sich Prof. Dr. Tiffany Knight wohl. In einem Gewächshaus im Botanischen Garten der Uni Halle schaut sich die US-Amerikanerin die vielen verschiedenen Arten fasziniert an. „Die hier ist klasse!“, ruft sie, schaut kurz auf und widmet sich dann wieder dem vielfältigen Grün. Pflanzen erbringen viele Dienste für die Menschen und die Umwelt: „Sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um, regulieren unser Klima und tun noch viele Dinge mehr.“ Deshalb sei es spannend und wichtig, die Entwicklung der Artenvielfalt von Pflanzen auf der ganzen Welt zu erforschen. Tiffany Knight, Jahrgang 1975, ist seit dem 1. Februar 2016 Professorin für „Räumliche Interaktionsökologie“ an der Universi- sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ iz ier en tät Halle und gehört gleichzeitig dem Department Biozönoseforschung des UFZ an. Ihr Arbeitsort wird vor allem das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig sein. Fünf Millionen Euro hat die Alexander-von Humboldt-Stiftung für die Professur zur Verfügung gestellt. Die Humboldt-Professur ist Deutschlands höchstdotierter internationaler Forschungspreis. Seit ihrem Studium der Biologie an der Florida State University ist Knight fasziniert von Pflanzen. 2003 wurde sie an der Uni Pittsburg mit einer Arbeit über Pflanzenpopulationsökologie promoviert. 2005 erhielt sie an der Washington University in St. Louis eine Stelle als Assistant Professor. Gravierende Folgen für das Ökosystem? Die Wissenschaftlerin interessiert sich für die Entwicklung der pflanzlichen Artenvielfalt von Ökosystemen über längere Zeiträume. „Mich interessieren Tiere, Insekten und Mikroorganismen eigentlich nur dann, wenn sie meinen Pflanzen schaden“, erklärt die Biologin und meint damit nicht etwa eine kleine Gruppe von Pflanzen im Labor – sondern alle Pflanzen auf der Welt, die sie für ihre Forschung betrachtet. „In meiner Forschung konzentriere ich mich auf den Prozess der Bestäubung von Pflanzen. Schließlich müssen Pflanzen bestäubt werden, damit wir etwas zu essen haben.“ 2013 hatte sie die Entwicklung eines Landstrichs in der Nähe der Kleinstadt Carlinville im US-Bundesstaat Illinois über die letzten rund 120 Jahre untersucht. Knight wollte herausfinden, wie sich die Artenvielfalt in dieser großen Zeitspanne entwickelt hat. Sie nutzte dabei die Daten des Naturforschers Charles Robertson, der Ende des 19. Jahrhunderts untersucht hatte, welche Insektenarten welche Pflanzen in Carlinville bestäuben. Knight führte einen Teil der alten Studie erneut durch und verglich ihre Ergebnisse mit den Daten von damals: 109 Bienenarten hatte Robertson für eine spezielle Pflanzengruppe beobachtet. „Wir konnten heute nur noch die Hälfte der Bienenarten finden“, berichtet Knight. Dieser starke Rückgang könne gravierende Folgen für das Ökosystem haben: „Früher gab es noch viele Redundanzen. Wenn zum Beispiel eine Art verschwand, haben andere Arten die Bestäubung der Pflanzen übernommen.“ Da heute deutlich weniger Arten im selben Gebiet leben, sei das Ökosystem insgesamt instabiler. Mit dem Geld, das Knight von der Humboldt-Stiftung für die nächsten fünf Jahre zur Verfügung erhält, will sie in der Schweiz eine ähnliche, aber deutlich größere Studie durchführen. Feldforschung in der Schweiz Während sich Robertson in den USA nur mit einem Gebiet befasste, untersuchte der deutsche Botaniker Hermann Müller im 19. Jahrhundert 20 verschiedene Gebiete in der Schweiz – auch auf verschiedenen Höhenniveaus. Bereits im Juni dieses Jahres möchte Knight gemeinsam mit Dr. Walter Durka vom UFZ Müllers Studien wiederholen und die alten Daten mit den neuen vergleichen. In einem weiteren Projekt widmet sich Knight speziell den Bäumen auf Inseln. Knight will untersuchen, wie sich die Einführung fremder Arten auf die Artenvielfalt auswirkt. Was eine bestimmte Art für ein Ökosystem problematisch werden lässt, sei von noch nicht abschließend geklärt. Wenn Knight über die vielen Pläne für ihre Feldforschung und Reisen erzählt, strahlen ihre Augen. „Die Arbeit im Feld macht mir unglaublich großen Spaß“, sagt sie. Aber auch die Arbeit am Schreibtisch, etwa das Erstellen großer Datenbanken, seien spannende Bereiche ihrer Arbeit. Obwohl sie offiziell erst seit Februar in Deutschland arbeitet, ist ihr der mitteldeutsche Raum schon länger bekannt: Im Oktober 2014 wurde ihr Ehemann Prof. Dr. Jonathan Chase ans Institut für Informatik der Uni Halle und das iDiv berufen – Knight lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Leipzig. „Die Lage ist perfekt“, erzählt Knight. „Unsere Wohnung liegt nicht weit entfernt vom iDiv und einer S-BahnHaltestelle. So bin ich auch schnell in Halle.“ Ihr fünfjähriger Sohn und ihre zweijährige Tochter besuchen einen deutschsprachigen Kindergarten. „Für unsere Kinder war der Wechsel nach Deutschland überhaupt kein Problem. Die beiden sprechen mittlerweile fließend Deutsch.“ Im Supermarkt würde ihr Sohn sie sogar korrigieren, wenn sie etwas an der Theke bestellt. Derzeit lebt sich Knight noch in ihre neue Rolle als Humboldt-Professorin ein. In den letzten Monaten hat sie zahlreiche Interviews mit Journalisten geführt und Foto-Termine bestritten. „So viel Aufmerksamkeit bin ich als Wissenschaftlerin sonst gar nicht gewöhnt“, gibt sich die Biologin bescheiden. Sie hofft, dass sie sich in der nächsten Zeit wieder stärker ihrer Forschung widmen kann. Tom Leonhardt 19 20 f orsc hen und publ iz ier en sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Herz im Takt Ein neues, temporäres Herzunterstützungssystem könnte bald dabei helfen, das Herz eines Menschen nach einem Infarkt wieder rhythmisch schlagen zu lassen. Mediziner des Universitätsklinikums Halle arbeiten gemeinsam mit zwei Unternehmen aus Potsdam an der Entwicklung eines weltweit einmaligen Geräts. Wenn das Herz eines Menschen geschwächt ist und es auch durch Medikamente nicht in einen Rhythmus kommt, dann steht sein Leben auf dem Spiel. Die volle Herz-Pumpleistung und damit die Lebenserhaltung kann vorübergehend oftmals nur durch künstliche Herzunterstützungssysteme erbracht werden. Doch das birgt etliche Risiken. „Die meisten der marktüblichen Herzunterstützungssysteme funktionieren mit mechanischen Pumpen, die quasi den Transport des Blutes übernehmen und die Arbeit des Herzens ersetzen“, erklärt Dr. Jochen Schröder, Facharzt für Innere Medizin am Universitätsklinikum Halle. Doch wenn man sich für solch eine Herzunterstützung entscheide, bedeute das zugleich, in den geschlossenen menschlichen Blutkreislauf einzugreifen und in das vor äußeren Umwelteinflüssen geschützte Gefäßsystem einzudringen. Das Blut fließe, für jeden nachvollziehbar, dann nicht mehr nur über die körpereigenen Blutgefäße, sondern auch extern über Schläuche und Pumpen-Membranen. „Und das ist ein ganz entscheidender Nachteil“, betont der 34-Jährige. „Denn überall, wo das Blut mit fremden Oberflächen in Berührung kommt, besteht Blutgerinnungs- und Entzündungsgefahr.“ Also was tun? Natürlich nach einem neuen Wirkprinzip suchen, das ganz ohne den direkten Blutkontakt auskommt. Das ist keine Zukunftsmusik mehr: Die Ärzte der halleschen Universitätsmedizin Dr. Jochen Schröder und Dr. Sebastian Nuding sind aktuell an der Zulassung eines solchen weltweit einmaligen Herzunterstützungssystems beteiligt. Prof. Dr. Karl Werdan, der ehemalige Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin III Halle, begleitet die Studien. Werdan hat auf dem Gebiet der kardiologischen Notfallmedizin und internistischen Intensivmedizin zahlreiche Studien in- itiiert und durchgeführt. Unter dem Titel TEMPHUS wird das vielversprechende Forschungsprojekt aus dem „Rahmenprogramm Gesundheitsforschung Deutschland – Aktionsfeld Gesundheitswirtschaft“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit rund 2,5 Millionen Euro für drei Jahre gefördert. TEMPHUS steht dabei als Abkürzung für temporäres, mechanisches Herzunterstützungssystem. Doch wie funktioniert es? Vom Verständnis einfacher als die klassischen Systeme. „Das Prinzip kann man durchaus mit einer Herzdruckmassage vergleichen“, sagt Schröder. Es macht dem Herzen sprichwörtlich Beine. Dazu wird ein von einer druckbetriebenen Pumpe angetriebenes Kunststoffimplantat äußerlich an das schwache Herz angedockt. Über externe Schläuche werden dann die Pumpkammern des Implantats zyklisch von einer Steuereinheit mit Gas befüllt und vollziehen eine direkte Herzdruckmassage. Durch diese Kontraktionen könne die Pumpfunktion des Herzens unterstützt werden. Und es gibt einen weiteren entscheidenden Vorteil. Für diese lebenserhaltende Maßnahme ist keine zeitaufwendige OP nötig. Laut Schröder kann das Kunststoffimplantat auf eine Größe von weniger als einem Zentimeter zusammengefaltet und durch Punktion minimal invasiv in den Brustkorb eingeführt werden. Ist das Implantat im Herzbeutelgewebe, in dem sich das Herz zum Schlagen frei bewegen kann, angekommen, spannt es sich auf. Doch viele Fragen sind weiterhin offen. Jochen Schröder und Sebastian Nuding suchen nach den Antworten. „Es ist bislang ungeklärt, ob das Herzbeutelgewebe wirklich stark genug ist, diese Kräfte auszuhalten, die durch das Implantat verursacht werden“, sagt Schröder. „Wir brauchen dafür Daten, auch zur Modellierung von Computer-Simulationsmodellen. Diese biomechanischen Kennwerte sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ iz ier en kennt aber noch keiner. Das ist absolutes Neuland. Untersuchungen zur Dehnbarkeit menschlicher Herzbeutelgewebe gab es letztmalig in den 1920er Jahren“, so der gebürtige Essener, der seit 2009 in der Kardiologie im Universitätsklinikum Halle tätig ist. Akkurate, verlässliche Daten lieferten hier aber nur Untersuchungen an Tier und Mensch. „Wir kooperieren deshalb auch eng mit dem Institut für Pathologie.“ Um generell den Nachweis zur Wirksamkeit zu erbringen, wird ein so genanntes In-vitro-Modell genutzt, an dem der Blutkreislauf des Menschen mitsamt Herz künstlich nachempfunden ist. Schröder zeigt sich optimistisch. Das über das Implantat angetriebene Herzminutenvolumen, also die Menge Blut, die das Herz in einer Minute in den Blutkreislauf pumpt, liege schon bei über 3,5 Liter. Bei einem Menschen in Ruhe sind es 4,5 bis fünf Liter pro Minute. Natürlich entwirft man als Kardiologe kein medizintechnisches Meisterstück am Reißbrett. Dafür ist Technologietransfer aus allen Disziplinen notwendig. Ein Konsortium zweier Unternehmen will das neuartige Herzunterstützungssystem unter wissenschaftlicher und anwendungsbezogener Begleitung durch die Kardiologen entwickeln. Neben dem Initiator des Vorhabens und Konsortialführer Thomas Otto von der Medizintechnikfirma Christoph Miethke GmbH & Co.KG aus Potsdam ist auch die smartpolymer GmbH aus Rudolstadt in das Forschungsvorhaben eingebunden. Sie übernimmt die Tests der biokompatiblen Implantat-Materialien. Für die halleschen Kardiologen als wissenschaftliche Betreuer sprach die jahrelange Expertise auf dem Gebiet des Herzfunktionsversagens, nicht nur in Folge eines Herzinfarkts, sondern ebenso bei Blutvergiftungen. Denn auch in diesem Fall benötigten Patienten solche Herzunterstützungssysteme. Parallel laufen am Uniklinikum noch entsprechende Machbarkeitsstudien. Als Hausaufgaben müssen die klinischen Grundlagen erforscht werden. Der Ehrgeiz ist groß, der Zeitplan straff. „Wir brauchen eine vorläufige Zulassung für das Gerät, damit hier die ,First-In-Man‘-Studie laufen kann“, sagt Schröder. „Bereits Mitte 2017 wollen wir mit den ersten klinischen Studien am Menschen beginnen.“ Michael Deutsch Von links: Die beiden Medi ziner Jochen Schröder und Sebastian Nuding im Herzkatheterlabor am Universitätsklinikum Halle. (Foto: Michael Deutsch) 21 22 f orsc hen und publ iz ier en sc ient ia hal ensis 1 / 2016 neu erschienen Ausgewählte Schriften des Germanisten Manfred Lemmer Sieben Jahre nach dem Tod des renommierten Altmeisters der Altgermanistik Prof. Dr. Manfred Lemmer eine Auswahl aus seinem überreichen Werk zu treffen, war gewiss nicht leicht. Zwei seiner halleschen Kollegen und zwei Experten aus Berlin und Heidelberg haben es gewagt: Auf über 700 Seiten liegen nun Schriften aus den Jahren 1956 bis 2007 vor, in denen sich die Vielfalt des Lemmer’schen Schaffens eindrucksvoll widerspiegelt. Geordnet sind sie nach den Schwerpunkten Literaturgeschichte, Kulturgeschichte, Sprachgeschichte und Fachgeschichte. 24 Verlage, Universitäten und Vereine aus Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz brachten die insgesamt 35 Arbeiten heraus. Das Buch ist ein wahrer Schatz, der nicht nur Leute vom Fach in den Bann ziehen wird. Ob Manfred Lemmer über Martin Luther spricht oder über „Frau Venus’ Berg“, sich der „Teufelliteratur“, dem Leben der heiligen Elisabeth oder den Helftaer Nonnen zuwendet, das „Rotwelsche“ oder den korrekten Gebrauch des Adjektivs zu Sachsen-Anhalt analysiert, die Geschichte von Sprechkunde und Germanistik an der Universität Halle untersucht, die Segel von Sebastian Brants Narrenschiff hisst oder ein frühneuzeitliches „Küch=und Keller= Dictionarium“ präsentiert: Jedes Mal entsteht ein „wol geschliffener“ Text, der Erkenntnisgewinn verspricht. mawe Manfred Lemmer: Ausgewählte Schriften, Herausgegeben von Hans-Gert Roloff, Andrea Seidel, Hans-Joachim Solms, Thomas Wilhelmi, Sandersdorf-Brehna 2015, 720 S., 110 Euro, ISBN 978-3-940684-21-9 sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ iz ier en neu erschienen Keine Elite ohne Bildungsungleichheit? Zwischen Montessori- und Europaschule, Fachhochschule und Eliteuniversität, zwischen Exzellenz und Egalität müssen Eltern für ihre Kinder, künftige Studierende für sich selbst entscheiden. Zugleich entwickeln Bildungseinrichtungen Auswahlverfahren, um die für ihr Profil optimale Klientel zu finden, und wenden sie an. Dem zweiten Aspekt sind 15 Aufsätze von 30 Wissenschaftlern aus Hochschulen in Deutschland, Finnland, Japan und China. 16 von ihnen lehren und forschen an der Martin-Luther-Universität. Eine Einleitung der Herausgeber verdeutlicht die Vielschichtigkeit des Forschungsfelds, auch international und historisch betrachtet, und listet zudem 60 einschlägige Aufsätze und Buchtitel auf. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Untersuchung von Auswahlverfahren im deutschen Bildungssystem und auf international vergleichbaren Praktiken in China, Finnland, Frankreich und Japan. Wich- tige Stichworte sind Exklusivität und Selektion. Exemplarisch für mögliche Auswahlkriterien in historischer Perspektive steht die traditionsreiche Landesschule Pforta bei Naumburg. Die Abhängigkeit der Auswahlverfahren von Verflechtungen zwischen Bildungs- und Wirtschaftssektor zeigt vor allem der Artikel über Japan. Wie schwierig es indes bei Bewerber(inne)n an Kunsthochschulen sein kann, die „richtigen“ zu wählen, lässt bereits der Titel „Notwendig unbestimmt?“ ahnen. Unverzichtbar für alle Pädagogen und pädagogisch Interessierten. mawe Werner Helsper/Heinz-Hermann Krüger (Hg.): Auswahl der Bildungsklientel. Zur Herstellung von Selektivität in „exklusiven“ Bildungsinstitutionen, Studien zur Schul- und Bildungsforschung, Band 55, Wiesbaden 2015, 425 S., 44,99 Euro, ISBN 978-3-658-09374-7; als E-Book 34,99 Euro, ISBN 978-3-658-09375-4 WEITERHIN SIND ERSCHIENEN: • Ernst Grünfeld: Die Peripheren. Ein Kapitel Soziologie (Reprint von 1939), mit einem Nachwort von Reinhold Sackmann. Schriften 1933–1945 vertriebener Wissenschaftler der Universität HalleWittenberg, Band 2, Halle 2015, 125 Seiten, 19,80 Euro, ISBN: 978-3-86977-083-3 • Klemens Ketelhut: Berthold Otto als pädagogischer Unternehmer. Eine Fallstudie zur deutschen Reformpädagogik, Köln 2016, 328 S., 45 Euro, ISBN: 978-3-41250-173-0 • Winfried Kluth (Hg.): „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ Staatliche Organe und die Pflicht zur Neutralität (Hallesche Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 25), Halle 2015, 92 S., 11,80 Euro, ISBN: 978-3-86977-128-1 • Stefan Lehmann (Hg.): Authentizität und Originalität antiker Bronzebildnisse: Ein gefälschtes Augustusbildnis, seine Voraussetzungen und sein Umfeld, Dresden 2015, 260 S., Euro, ISBN: 978-3-95498-183-0 • Andreas Pecar/Holger Zaunstöck: Politische Gartenkunst? Landschaftsgestaltung und Herrschaftsrepräsentation des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau in vergleichender Perspektive – Wörlitz, Sanssouci und Schwetzingen, Halle 2015, 160 Seiten, 19,95 Euro, ISBN: 978-3-95462-484-3 • Sybille Reinhardt: Teaching Civics. A Manual for Secondary Education Teachers, Opladen 2015, 244 S., 29,90 Euro, ISBN: 978-3-8474-0704-1 23 24 f orsc hen und publ iz ier en sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Zur Projekt-Website: www.stadtbuecher.de DFG-Förderung: Historiker erschließen Stadtbücher Wirbel aus Licht treiben Elektronen an Wie die Verwaltung einer Stadt im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit funktionierte, ist in Stadtbüchern nachzuvollziehen, die seit dem 13. Jahrhundert in städtischen Kanzleien geführt wurden. Diese reichhaltigen Quellen sind bisher kaum erforscht. Ein neues, auf zwölf Jahre angelegtes Forschungsprojekt an der Universität Halle soll das nun ändern. Im Rahmen des Langfristprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhält die Arbeitsgruppe von Historiker Prof. Dr. Andreas Ranft rund eine Million Euro für die ersten drei Jahre. Bis 2028 sollen insgesamt vier Millionen Euro fließen. Leisten soll das Vorhaben vor allem Grundlagenarbeit: Erstmalig sollen Stadtbücher überregional erfasst und systematisch aufbereitet werden, um sie der historischen und philologischen Forschung zur Verfügung zu stellen. „Damit wird nicht nur ein wesentlicher Beitrag zur Erforschung der städtischen Verwaltungsgeschichte geleistet. Wir machen damit auch die Quellen für Kultur- und Kunsthistoriker fruchtbar, die ihre Forschungsgegenstände dann im Kontext von Löhnen, Preisen und kommunalen Entscheidungen sehen können“, sagt Andreas Ranft. mab Physiker der Universität um Prof. Dr. Jamal Berakdar haben eine neue Methode konzipiert, um elektrische Ladung mit Licht kontrolliert anzutreiben. So genannte optische Wirbel, die aus Lichtstrahlen bestehen, fungieren dabei ähnlich wie ein Wasserrad und befördern Ladungsträger von einem Reservoir in die gewünschten elektrischen Leiterbahnen. Die Ergebnisse wurden im Februar im Fachjournal „Scientific Reports“ der Nature Publishing Group veröffentlicht. Optische Wirbel gelten als eine der interessantesten Neuentwicklungen in der Optik, die für viele Anwendungen in Frage kommen, etwa zur Übertragung von Daten. In optischen Wirbeln pflanzen sich die Wellen gedreht - ähnlich dem Prinzip eines Korkenziehers fort. Die Anzahl der Windungen pro Wellengang ist einstellbar und legt fest, wie viel Drehmoment eine Ladung durch die Wechselwirkung mit dem Lichtwirbel erfährt. Wie bei einem Wasserrad nehmen die Ladungsträger den Drehsinn des Wirbels auf und können somit gerichtet bewegt werden. Dieses neuartige Prinzip der Stromerzeugung ist nicht auf ein bestimmtes Material beschränkt, sondern ein generelles Phänomen. mab Weltgeschehen beeinflusst Bienen stärker als Pestizide Drei Forscher der Uni zählen zu den einflussreichsten Wissenschaftlern Pestizide und Parasiten sind nicht für den regionalen Rückgang von Honigbienenvölkern verantwortlich. Wie hallesche Biologen herausgefunden haben, spielen politische und sozio-ökonomische Veränderungen, wie Revolutionen oder auch Bürgerkriege, und der globale Honighandel eine größere Rolle. Ihre Erkenntnisse haben sie im Journal „Agriculture, Ecosystems & Environment“ veröffentlicht. Für ihre Studie haben die Forscher die statistischen Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen zu Honigproduktion und -handel der letzten 50 Jahre ausgewertet. Die Statistik zeigt, dass Länder, in denen sich Honig einfach und kostengünstig produzieren lässt, auch viele Bienenvölker haben. Faktoren, wie Pestizide oder Krankheiten, hätten zwar Einfluss auf das Bienensterben, aber keinen größeren Einfluss auf die Zahl der von Imkern gehaltenen Bienenvölker. tol Gleich drei Wissenschaftler der Uni Halle zählen auf ihren Fachgebieten zu den weltweit 3.000 einflussreichsten Forschern. Das geht aus der Analyse „highly cited researchers 2015“ des Medienkonzerns Thomson Reuters hervor. In die Liste schaffen es nur Wissenschaftler, deren Publikationen zu den am meisten zitierten Arbeiten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet gehören. Neben den Umweltforschern Prof. Dr. Ingolf Kühn und Prof. Dr. Jonathan Chase zählt erstmals auch der Bodenkundler Dr. Klaus Kaiser dazu. Ingolf Kühn hat eine gemeinsame Professur der MLU mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) für Makroökologie inne. Jonathan Chase ist Professor für Biodiversitätssynthese an der Uni Halle und dem deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) HalleJena-Leipzig. tol sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ iz ier en Das Wörterbuch mit dem Erbsenbär Im Jahr 1935 begann der Germanist Karl Bischoff mit der Arbeit an einem Wörterbuch der Dialekte seiner Heimat. Im Lauf der Jahre entstand eine beachtliche Sammlung an Belegen dafür, wie die Menschen zwischen Altmark und Anhalt damals gesprochen haben. Rund 250.000 Notizen lagern an der Uni Halle, wo das Projekt 1992 fortgesetzt wurde. Inzwischen sind zwei Bände des Werks erschienen. Wenn Ulrich Wenner an seinen Quellen arbeitet, kommt es auf Genauigkeit an. Der Fragebogen, den er aus einem Stapel gezogen hat, trägt einen Eingangsstempel vom 7. September 1938. Wenner nutzt ihn, um den Ursprung eines Wortes zu klären, das er zuvor auf einem kleinen Karteikärtchen gefunden hat. Nur wenn der Germanist sich ganz sicher ist, findet der Begriff tatsächlich Eingang in das Mittelelbische Wörterbuch. Der vergilbte Fragebogen in Wenners Händen gehört zur achten Befragung, die der 1905 geborene Germanist Karl Bischoff einst im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Magdeburg und in Anhalt durchführte. Darin sollten Menschen festhalten, wie sie in ihrem Heimatdialekt vorgegebene Alltagsdinge benennen. Zum Beispiel das Wort „Kohlweißling“. Glaubt man den in Sütterlin notierten Angaben Ulrich Wenner mit einem Band des Mittelelbischen Wörterbuchs im KarlBischoff-Archiv der Universität. (Foto: Markus Scholz) 25 26 f orsc hen und publ iz ier en sc ient ia hal ensis 1 / 2016 einer Landwirtin aus dem Kreis Osterburg, wurde das Flattertier dort einst als „Rupenschieter“ bezeichnet. Insgesamt elf solcher Fragebogen-Aktionen sind aus jener Zeit dokumentiert. Der Rücklauf bestand jeweils in bis zu 700 ausgefüllten Exemplaren. „Die Fragebögen bilden den Grundstock der Wörterbucharbeit“, erklärt Wenner, der seit 1992 in der Wörterbuchstelle tätig ist. Seither sind bereits zwei 600 Seiten starke Bände des Mittelelbischen Wörterbuchs erschienen. Wenner arbeitet inzwischen, neben seinen anderen Aufgaben in Forschung und Lehre, am dritten und letzten Band, der die Buchstaben R bis Z zum Inhalt haben wird. Die Wörter, zu denen er derzeit Artikel mit Erklärungen, Herkunft und Gebrauch verfasst, hören sich fremd an für heutige Ohren: rumswutjen, rumtäpen, rumswimeln. Letzteres bedeutet nichts anderes als „sich nachts in Wirtshäusern herumtreiben“. Der Grund für die Fremdheit: Es handelt sich um Mundart, wie sie noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesprochen wurde. Heute gibt es nur noch wenige Dialektsprecher, die solchen Wortschatz verstehen und verwenden könnten. Gründe all das zu dokumentieren, gibt es dennoch. „Dialekte sind die Ursprungsform der Kommunikation, deshalb gilt es, sie zu bewahren.“ Zudem zeigen sie historische Verbindungen auf. So lassen sich in dialektalen Begriffen aus der Ostaltmark und im Jerichower Land noch heute Belege für eine niederländische Besiedlung finden, die im 12. Jahrhundert stattgefunden hat. Und schließlich hilft die Sprache auch, die Lebenswelt der damaligen Zeit aufzudecken. „Arbeitsvorgänge in der Landwirtschaft und Brauchtum lassen sich anhand von Begriffen sehr gut nachvollziehen“, sagt Wenner. Ein Beispiel dafür sei der Erbsenbär, in manchen Regionen auch Erbsbär genannt. Dabei handelte es sich um einen in Erbsenstroh gewickelten Jungen aus der Dorfjugend, der für gewöhnlich im Frühling an einem Seil durch das Dorf geführt wurde, um den Winter zu vertreiben. Ihm Einer der Fragebögen, die Karl Bischoff 1938 eingesammelt hat. (Foto: Markus Scholz) wurde im Mittelelbischen Wörterbuch ein ganzer Artikel samt Zeichnung gewidmet. Dem Initiator Karl Bischoff lag die Arbeit an seinem Heimatdialekt am Herzen. Als Sohn eines Schmieds im anhaltischen Aken geboren, beschäftigte er sich schon während seines Studiums mit sprachlichen Aspekten seiner Heimat. – Wie auch später als Lehrer in Magdeburg und als Hochschullehrer der Uni Halle, wohin er 1948 berufen worden war. 1958 verließ Bischoff mit seiner Familie die DDR und ging nach Mainz, wo er fortan lehrte. Die Arbeit am Wörterbuch wurde eingestellt und erst nach der Wende, 1992, fortgesetzt. Wie wichtig Bischoff das Projekt immer war, belegt die Tatsache, dass sich selbst seine letzte Publikation, die 1984 posthum erschienen ist, damit beschäftigte. Ulrich Wenner ist froh, Bischoffs Arbeit fortführen zu können. Seit vielen Jahren hat er Kontakt zu dessen Tochter Gertrud, die sich erst kürzlich in Halle über den Stand der Arbeit informiert hat. Der Verbindung zur Familie verdankt die Universität auch Bischoffs Nachlass. Historische Fragebögen, kistenweise Belege aus privaten Sammlungen und diverse Literatur gehören zum Karl-Bischoff-Archiv, das im Dachgeschoss des ehemaligen Institutsgebäudes der Germanisten am Universitätsring 4 untergebracht ist. Wie lange die Arbeit am Wörterbuch noch dauern wird, darüber kann Ulrich Wenner nur spekulieren. „Auf jeden Fall noch Jahre.“ Durch seine intensive Beschäftigung mit dem Thema ist er inzwischen zum Experten für diese Form der Mundart geworden. Erst kürzlich wurde er gebeten, die historische Inschrift auf einer Glocke zu entziffern und einen Artikel für ein Buch über das untere Saaletal zu verfassen. Ähnlich wie Karl Bischoff stammt auch Wenner aus dem Gebiet, dessen mundartliche Eigenheiten mit dem Mittelelbischen Wörterbuch festgehalten werden sollen. Als Kind hat er bei seiner Großmutter in der Nähe von Stendal noch echte Mundart gehört. Ines Godazgar sc ient ia hal ensis 1 / 2016 f orsc hen und publ iz ier en st udi e r e n , l e h r e n , l e be n Anschluss in Halle Seit Oktober 2015 bietet die Uni Halle kostenfreie Gasthörerschaften für Flüchtlinge an. Dass es dieses Projekt gibt, ist auch der Arbeit von Mirjam Sorge zu verdanken. Die Studentin engagiert sich im Arbeitskreis „Refugees Welcome“, der Geflüchteten durch Tandempartnerschaften mit Studierenden den Einstieg in den Unialltag erleichtern möchte. Mirjam Sorge ist oft in den Räumlichkeiten des Studierendenrats (Stura) der Universität Halle zu finden. Im ersten Stock des Gebäudes, das direkt an das Juridicum grenzt, koordiniert die Politik- und Soziologiestudentin zusammen mit vier weiteren Studierenden der MLU den Arbeitskreis „Refugees Welcome“. Dieser ermöglicht es Geflüchteten seit dem Wintersemester 2015/2016, eine Gasthörerschaft an der Universität Halle aufzunehmen. Zudem ist die 22-Jährige Mitglied der politischen Hochschulgruppe „SDS. DieLinke“. Deren Mitglieder treffen sich wöchentlich, um über aktuelle Geschehnisse zu diskutieren und Veranstaltungen zu planen. So seien sie auch auf die Idee mit der Gasthörerschaft gekommen, erinnert sich Sorge: „Einer von uns hat in der Zeitung einen Artikel über ein ähnliches Projekt für Flüchtlinge an der Universität in Lüneburg gelesen.“ Die Aktion sei bei der Hochschulgruppe so gut angekommen, dass sie Geflüchteten auch in Halle ein Studium ermöglichen wollten. Daneben war es den Studierenden wichtig, ein Projekt zu Im Stura trifft sich Mirjam Sorge regelmäßig mit anderen Engagierten des Arbeitskreises „Refugees Welcome“. (Foto: Markus Scholz) 27 28 studi er en, l ehr en, l eben sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Mitglieder des Arbeitskreises "Refugees Welcome" (Foto: Markus Scholz) initiieren, das eine gewisse Kontinuität aufweist und regelmäßig stattfindet. Seit Oktober 2015 organisiert der Arbeitskreis „Refugees Welcome“ des Sturas das Projekt. Für Sorge ist es selbstverständlich, sich für andere einzusetzen: Schon in ihrer Schulzeit war sie Klassensprecherin und hat sich um die Belange ihrer Mitschüler gekümmert. Doch erst mit Beginn des Studiums in Halle sei sie politisch aktiv geworden: „Ich sehe es als eine wichtige Aufgabe an, andere zum Handeln zu bewegen und aktiv am politischen Geschehen teilzunehmen“, so Sorge. Zurzeit ist sie Fachschaftsratsprecherin der Philosophischen Fakultät I. „Im Mai 2015 sind wir das erste Mal mit unserer Idee an die Verwaltung und das Rektorat der Universität herangetreten“, sagt Sorge. Neben der Universität Halle hat der Arbeitskreis auch den Kontakt zur Beauftragten für Migration und Integration der Stadt Halle aufgenommen. „Wir wollten wissen wie die Situation der Geflüchteten ist, ob überhaupt ein Bedarf an Gasthörerschaften besteht“, erzählt Sorge. Vor Beginn des Wintersemesters erhielten dann alle Studierenden eine E-Mail vom Stura, in der zur Mithilfe am Tandemprojekt aufgerufen wurde. Beim Auftakttreffen im Oktober merkte die Organisatorin schnell, dass sich nicht nur viele Geflüchtete für eine Gasthörerschaft interessierten, sondern dass auch viele Studierende helfen wollten: Auf die bewilligten 51 Gasthörerschaftanträge von Geflüchteten kamen über 150 freiwillige Helfer, die im Rahmen des Tandemprojekts ihre neuen Kommilitonen unterstützen wollten. Da schnell ersichtlich war, dass nicht alle einen Tandempartner zugeteilt bekommen, schlossen sich die meisten in Gruppen zusammen. Die Studierenden halfen ihren neuen Kommilitonen bei der Anmeldung in der Universitätsbibliothek oder besuchten gemeinsam Vorlesungen und Seminare. Mirjam Sorge hatte selbst keinen Tandempartner: „Die Arbeit für den Arbeitskreis ist ziemlich zeitintensiv.“ Der AK „Refugees Welcome“ bietet eine wöchentliche Sprechstunde an, in der unter anderem die Studierenden den Geflüchteten dabei helfen, den Gasthörerantrag auszufüllen. Neben ihrer Tätigkeit für die Hochschulgruppe und für „Refugees Welcome“ sitzt Sorge in verschiedenen studentischen Gremien. Sie engagiert sich in der Gewerkschaft Verdi und berät Studierende. Für ihr Engagement muss die Studentin anderswo aber auch Abstriche machen: „Ich studiere länger als die Regelstudienzeit“, so Sorge. Neben der Tandempartnerschaft gibt es seit Semesterbeginn auch eine Deutschwerkstatt. Dafür hat der Arbeitskreis beim Deutschen Akademischen Auslandsdienst Gelder beantragt, um zwei studentische Hilfskraftstellen einzustellen. Die Gasthörerschaftspauschale für die Geflüchteten hat das Land Sachsen-Anhalt übernommen. Zum Semesterende luden die Organisatoren des Tandemprojekts alle Beteiligten zur Auswertung ein. „Die meisten Gasthörer waren glücklich, Anschluss in Halle gefunden zu haben“, sagt Sorge. Freundschaften seien entstanden und viele hielten auch außerhalb des Studiums mit ihren Tandempartnern Kontakt. Einige der Gasthörer wollen noch in diesem Jahr ein Vollzeitstudium oder eine Ausbildung in Halle beginnen. Auch von Seiten der Universität gibt es positive Rückmeldungen: „Die Verwaltung und das Rektorat haben gesehen, dass das Projekt sehr gut aufgenommen wurde und daraufhin die Zahl der Gasthörerschaften für Geflüchtete erhöht“, erzählt Sorge. Beim Hochschulinformationstag am 9. April können sich internationale Studieninteressierte zum Studium in Halle beraten lassen. Auch Mirjam Sorge und der Arbeitskreis „Refugees Welcome“ werden dabei sein, um ihre Erfahrungen aus dem letzten Wintersemester zu teilen. Maria-Luise Kunze sc ient ia hal ensis 1 / 2016 studier en, l ehr en, l eben Marketing für Physik und Mathe Die Angst vor der Mathestunde ist in der Schule weit verbreitet. Selbst Schüler, denen komplexe Rechenaufgaben leicht fallen, trauen sich nicht immer ein Studium zu. „Viel zu schwer“, sagen die einen. „Was soll ich später damit machen?“, fragen die anderen. „Deshalb müssen auch wir an der Uni aktiv werden und Ängste bei den Schülerinnen und Schülern abbauen“, sagt Prof. Dr. Rebecca Waldecker. Die Direktorin des Instituts für Mathematik gehört seit 2013 zu einer Arbeitsgruppe, die neue Studierende für die Mathematik gewinnen will. Auch ihr Kollege am Institut für Physik Prof. Dr. Detlef Reichert sorgt sich um den Physik-Nachwuchs. Seit vielen Jahren engagiert er sich als Fachstudienberater. „Wir müssen den Abiturienten nur zeigen, dass sie es können. Wir haben schon immer viele Sachen gemacht, um Schüler für ein Physikstudium zu begeistern, aber die Aktivitäten waren meist unkoordiniert. Das ist auch für die Schüler nicht gut, die sich informieren wollen.“ Seit 2012 bietet Torsten Evers vom Hochschulmarketing deshalb Audits an, in deren Rahmen Marketing-Konzepte für Studiengänge erstellt werden. In mehreren Sitzungen werden dabei Ideen entwickelt, die an das Gesamtkonzept des Hochschulmarketings anschließen. Eines der ersten Fächer, die auditiert wurden, war die Physik. „Beim Audit wird zuerst gefragt, was wir machen und dann gemeinsam analysiert, welche Aktivitäten Erfolge bringen und bei welchen der Aufwand größer als der Nutzen ist“, erklärt Detlef Reichert. Rebecca Waldecker, die 2015 mit ihren Kollegen mit der Auditierung startete, ergänzt: „Es ist sehr wertvoll, dass wir Ideen ins Blaue hinein entwickeln können. Torsten Evers hat sie uns dann gespiegelt und mit Fakten unterlegt. So konnten wir besser entscheiden, ob wir damit unsere Zielgruppe – die Schülerinnen und Schüler – erreichen.“ Evers gibt vor allem Hilfe zur Selbsthilfe und vermittelt Basiswissen in Sachen Marketing. Mit seiner Unterstützung sind beispielsweise Filme entstanden, in denen Lehrende über das Studium an der Uni Halle sprechen. Auch für die praktische Umsetzung von Aktivitäten kann er entscheidende Hinweise geben. „Was uns vorher auch nicht bewusst war: Wir müssen nicht alles alleine machen. Bestimmte Aufgaben, wie zum Beispiel die Gestaltung von Flyern, können wir auch an das Hochschulmarketing abgeben. Gemeinsam haben wir auch das Logo ‚Mathematik verbindet‘ entwickelt“, so Waldecker. „Ich kann so ein Audit nur empfehlen, weil man sonst im eigenen Saft schmort.“ Und Reichert ergänzt: „Es ist ein wirklich gutes Angebot, Marketing ist schließlich nicht unsere Kernkompetenz. Und es kostest nichts, nur etwas Zeit.“ Sarah Huke Das Logo wurde im Rahmen des Audits entwickelt. Mehr zu den MarketingAudits der Uni: http://bit.ly/auditMLU Rebecca Waldecker und Detlef Reichert wollen Schüler für ihre Fachgebiete begeistern. (Foto: Markus Scholz) 29 30 studi er en, l ehr en, l eben sc ient ia hal ensis 1 / 2016 „Erst Grammatik, dann Konflikte“ Die Regionen, mit deren Sprachen und Kulturen sich die Studierenden am Orientalischen Institut beschäftigen, gehören zu den gefährlichsten der Welt. Debatten über Flüchtlinge oder islamischen Terrorismus prägen das Bild vom arabischen Raum. Spiegeln sich diese Themen auch im Studium wider? Islam, Christentum und Judentum – am Orientalischen Institut sind alle drei Religionen Studienthema. Im Bild: Das zentrale Heiligtum des Islams, die Kaaba in Mekka (Foto: Rehan Jamil / CC BY 2.0) Über mangelndes Interesse an seinem Fachgebiet kann sich der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Ralf Elger nicht beklagen. Seit seiner Promotion im Jahr 1993 sind die Regionen, deren Kultur er erforscht, zunehmend instabiler geworden. „Das Gedächtnis einer ganzen Kultur ist in Syrien in Flammen aufgegangen“, sagt Elger, der einst selbst in dem heute größtenteils zerstörten Land gelebt hat und über die Geschichte der Region forschte. Nicht nur den Krieg und die Aktivitäten des „Islamischen Staates“ verfolgt man am Orientalischen Institut, auch die Berichterstattung darüber im Westen. Seit dem 11. September 2001 steht sein Fachgebiet im Fokus des öffentlichen Interesses: „Auf einmal wurden überall Islamwissenschaftler gesucht.“ Die Studierendenzahlen seien dennoch relativ gleich geblieben: 70 bis 80 Studierende entscheiden sich jedes Jahr für Nahoststudien, Arabistik/Islamwissenschaften oder Judaistik/Jüdische Studien an der Uni Halle. Einige Entscheiden sich für das Studium der Wissenschaft vom christlichen Orient. Die Studenten bringen eine große Faszination für die Länder, Kulturen und die politischen Zusammenhänge mit. „Mich haben die Konflikte im Nahen Osten schon in der Schule beschäftigt“, sagt Julian Pfleging, der im zweiten Semester Nahhoststudien und Politikwissenschaft studiert. Das erste Semester ist für viele ernüchternd. Denn zunächst geht es darum, Sprachen zu pauken: Für Studenten der Nahoststudien stehen Bibelhebräisch und Hocharabisch auf dem Programm. Arabistik-Studenten beginnen mit dem Arabischen und entscheiden sich im dritten Semester für einen zweite Islamsprache – Türkisch oder Persisch etwa. „Das ist ein hartes, aufwendiges Studium, in dem man vor allem Texte studiert“, so Elger. „Erst kommt die Grammatik, dann die Beschäftigung mit aktuellen politischen Konflikten im Orient“, sagt er – zum Frust vieler Erstsemester. Das intensive Lernen schweißt zusammen. „Die Seminare haben Schulklassencharakter. Das ist beim Sprachenlernen auch sinnvoll“, berichtet Julian Pfleging. „Nach gut zwei Wochen kann man schon die ersten BibelTexte lesen und die Inhalte nachvollziehen“, so der 20-Jährige. Das Verstehen der historischen Quellen sei ganz entscheidend, sagt sein Kommilitone Peter sc ient ia hal ensis 1 / 2016 studier en, l ehr en, l eben Sprenger: „Bis heute prägen und beeinflussen die alten Texte in den verschiedenen orientalischen Sprachen den Nahen Osten kulturell und politisch.“ Elger stimmt zu: „Man kann auch den Islam nicht verstehen, ohne das Christentum und das Judentum zu kennen. Und nur hier in Halle haben wir dieses Gesamtpaket – mit der bundesweit einzigartigen Wissenschaft vom christlichen Orient.“ Hinzu komme eine der bestausgestatteten Bibliotheken zum Thema. Zwei Professuren am Institut – Islamwissenschaft und Judaistik, sind jedoch derzeit nicht besetzt. „Wir müssen die Vertretungsprofessuren jedes Semester neu beantragen und haben keine Planungssicherheit.“ Das soll sich ändern: Gemeinsam arbeiten die drei Hochschulen des Unibunds Halle-Leipzig-Jena an einem Konzept für die Zukunft der orientalistischen Fächer, das die vorhandenen unterschiedlichen Forschungsausrichtungen bündeln soll. Natürlich spielen im Studium auch die aktuellen Geschehnisse im Nahen Osten eine Rolle, wenngleich eher im Master-Studium, als extracurriculares Ange- bot oder in Form von privatem Engagement. Viele Mitarbeiter und Studierende des Instituts sind seit Jahren in der Flüchtlingsarbeit aktiv. Auf ihrer Website verweisen die halleschen Arabisten auf eine Vielzahl von Initiativen. Dabei hat das Arabisch, das die Studenten lernen, wenig mit den Dialekten zu tun, die im Alltag gesprochen werden. „Wir lehren klassisches Arabisch, die Sprache des Koran, und das moderne Hocharabisch, wie es heute etwa in Zeitungen arabischer Länder steht. Die verschiedenen arabischen Dialekte lernt man besser vor Ort“, sagt Elger. Organisierte Auslandsaufenthalte kann das Institut zwar nicht anbieten, mit Hochschulen im Oman und im Libanon kooperiert das Institut jedoch und vermittelt Sprachaufenthalte. Und bei der Suche nach Praktika können die Dozenten dank ihrer Kontakte oft helfen. So konnte auch Peter Sprenger in den Libanon reisen und einige Wochen an einer christlichen Universität verbringen. Der Student half, wertvolle Handschriften zu restaurieren, die aus Syrien in ein libanesisches Kloster in Sicherheit gebracht worden waren. Corinna Bertz Zur Webseite des Instituts: www.orientphil.uni-halle.de Mehr als 1.500 Familien haben in den letzten 25 Jahren mit uns gebaut. Gründe dafür: Bauen mit höchster Qualität und in Top Lagen. Wann dürfen wir für Sie bauen? Gern auch auf Ihrem eigenen Grundstück. Besuchen Sie unsere Musterhäuser in Halle im Waldstraßenviertel, am Bierrain und in Leipzig-Rückmarsdorf. Sa / So 14 – 17 Uhr, Mi / Do 15 – 18 Uhr oder nach Vereinbarung. DAHEIM ENTSPANNEN Siewert_ANZ_scientaHallensis_189x114+3_DU_03.2016_final.indd 1 0345 52 41 50 www.siewert-hausbau.de 01.03.16 14:36 31 32 studi er en, l ehr en, l eben sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Mehr über die Inhalte und den Hintergrund der Leitlinie: www.magazin. uni-halle.de/19001 Inklusion in der Schule: Millionen für Lehrerbildung Unimedizin plant bundesweit erste akademisierte Pflegeausbildung Für das Projekt „Kasuistische Lehrerbildung für inklusiven Unterricht“ hat das Zentrum für Lehrerbildung der Universität Halle aus dem BundLänder-Förderprogramm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ eine Förderung über 1,5 Millionen Euro erhalten. Mit dem Projekt, das im Januar gestartet ist und zunächst bis Juni 2019 gefördert wird, soll die Lehramtsausbildung im Bereich Inklusion durch einen verstärkten Fokus auf die Unterrichtspraxis verbessert werden. Inklusion umfasst neben der Frage nach geistigen oder körperlichen Besonderheiten bei Kindern auch die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen von Schülern und interkulturelle Aspekte. Um den Fokus noch stärker auf die Praxis zu legen, sind auch anwendungsbezogene Seminare geplant. Außerdem wird zum Wintersemester 2016/2017 das Ergänzungsfach „Deutsch als Zweitsprache" für Lehramtsstudierende eingeführt. Dabei handelt sich es um ein drittes Fach, auf das sich die angehenden Lehrer zusätzlich zu ihren beiden regulären Unterrichtsfächern spezialisieren können. Zusätzlich werden künftig auch vermehrt Praxiskurse zur Interkulturalität angeboten. tol Das Bundesministerium für Gesundheit hat im Februar die Genehmigung für den geplanten Modellstudiengang „Evidenzbasierte Pflege“ der Medizinischen Fakultät zugesagt. Mit dem Bachelor-Studiengang soll erstmalig in Deutschland eine akademisierte Pflegeausbildung angeboten werden. „Es freut uns sehr, dass unser Konzept positiv bewertet wird. Der Studiengang wird aller Voraussicht nach zum Wintersemester 2016/17 starten“, sagt Prof. Dr. Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät. Bewerbungen für den auf vier Jahre ausgelegten Studiengang sind voraussichtlich ab Mai 2016 möglich. Alle Studien- und Ausbildungsziele sollen dabei auf demselben akademischen Niveau und in gemeinsamen Unterrichtsveranstaltungen mit Studierenden der Humanmedizin vermittelt werden. Absolventen erhalten einen Berufsabschluss als Gesundheits- und Krankenpfleger und zugleich einen Bachelorabschluss. Zudem sollen sie für die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten bei Bluthochdruck-, Demenz- sowie Diabetes-Patienten und bei chronischen Wunden qualifiziert werden. Das Modellvorhaben wird von den gesetzlichen Krankenkassen unterstützt. cfu Leitlinie „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ beschlossen Zweites DFG-Graduiertenkolleg für Unimedizin Seit Februar ist die neue Leitlinie „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ an der Universität Halle in Kraft. In dem Papier bekennt sich die Hochschule zu planungssicheren Karrierewegen und definiert Mindeststandards für Beschäftigungsverhältnisse. Demnach muss Promovierenden, deren Stelle aus dem Universitätshaushalt finanziert wird, künftig ein Arbeitsvertrag über die Laufzeit von drei Jahren angeboten werden. Zudem muss die Hälfte der Arbeitszeit von Doktoranden der eigenen Qualifikation dienen. Weiterhin werden in der Leitlinie Aufgaben benannt, die in den Bereichen Personalentwicklung und -planung, Gleichstellung und Familienfreundlichkeit langfristig in die Praxis umgesetzt werden sollen. Eine neue Ombudskommission soll die Einhaltung der Leitlinie künftig prüfen. cb Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat ein neues Graduiertenkolleg (GRK) bewilligt, das an der Medizinischen Fakultät eingerichtet werden soll. Die DFG finanziert das Graduiertenkolleg, das Mitte 2016 starten soll, mit rund fünf Millionen Euro zunächst über viereinhalb Jahre. Hauptziel des GRK „ProMoAge“ ist die Erforschung der molekularen Mechanismen, die zu altersbedingten Einschränkungen von Organfunktionen führen. ProMoAge steht für „Protein Modification: Ageing“. Durch die Forschung des GRK sollen der Gesundheitszustand älterer Menschen verbessert sowie neue Biomarker für das Altern und altersassoziierte Erkrankungen identifiziert werden. Der Antrag wurde zusammen mit der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Leibniz-Institut für Altersforschung Jena (Fritz-Lipmann-Institut) gestellt. cfu 33 pe r s onal ia „Erfolg ist Erkenntnis.“ Ohne sie wäre Nobelpreisträger Prof. Dr. Albert Fert nicht so oft am Weinberg-Campus zu Besuch. Auch Humboldt-Professor Stuart Parkin hätte sich ohne Prof. Dr. Ingrid Mertig wohl nicht für Halle entschieden. Seit 15 Jahren lehrt und forscht die Physikerin an der Uni Halle. Hier hat sie den Forschungsschwerpunkt Nanostrukturierte Materialien mit aufgebaut, den sie als Sprecherin des Sonderforschungsbereiches 762 „Funktionalität oxidischer Grenzflächen“ entscheidend prägt. Irgendwo steht es im Regal. Das Standardwerk „Solid State Physics“ zur Festkörperphysik von Ashcroft and Mermin. Ingrid Mertig, Professorin für Theoretische Physik, wird auf Nachfrage stutzig und lächelt etwas ungläubig. Sie will dringend wissen, woher der Tipp kommt. Klar hat sie das Buch griffbereit, und sie weiß auch, worum es geht. Aber es bleibt eben noch im Regal. Dann fangen wir eben anders an, und zwar mit dem Vorlesen aus einer langen Liste ihrer bisherigen Funktionen, die da wären: Mitglied im Wissenschaftsrat, Fachkollegiatin der Deutschen For- schungsgemeinschaft, Leiterin der Arbeitsgruppe „Quantentheorie des Festkörpers“ an der Uni Halle, Sprecherin des Sonderforschungsbereiches (SFB) 762 „Funktionalität oxidischer Grenzflächen“ und des Landesforschungsschwerpunkts „Nanostrukturierte Materialien“, Max-Planck-Fellow, Mitglied der „International Union of Pure and Applied Physics (IUPAP)“, Mitglied des Akademischen Senats, und, und, und. Das dürfte ausreichen, um mit ihr ausgiebig über Erfolge zu sprechen? Ingrid Mertig zeigt sich wenig beeindruckt. Thema verfehlt? „Nein, Erfolg bedeutet für mich etwas ganz anderes“, erklärt Ingrid Mertig am Weinberg-Campus (Foto: Michael Deutsch) 34 personal ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 sie. „Erfolg ist wissenschaftliche Erkenntnis.“ Und nur das mache sie glücklich. So denke sie immer wieder gern an die Forschungsarbeiten zum Riesenmagnetwiderstand, dem so genannten GMR-Effekt, zurück. Diese Entdeckung der beiden Festkörperphysiker Peter Grünberg vom Forschungszentrum Jülich und Albert Fert von der Universität Paris-Süd führte zur Entstehung eines neuen Forschungsgebiets – der Spintronik. Dank des GMR-Effekts konnten später Computer-Festplatten mit sehr hohen Speicherdichten entwickelt werden. Grünberg und Fert wurden dafür mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Mit den beiden Grundlagenforschern habe sie stets in Kontakt gestanden. „Als ich dann diesen Effekt verstanden habe, war‘s einfach nur schön“, schwärmt Mertig. In dieser Community hatte sie auch Kontakt zum britischen Experimentalphysiker Stuart Parkin, der 2014 unter großem medialem Aufsehen nach Halle kam. Ihr war es gelungen, die Alexander von Humboldt-Professur für ihn einzuwerben. Als Gastprofessorin durch die ganze Welt Bereits als Schülerin interessierte sie sich für Naturwissenschaften – wohlgemerkt für alle. „Ich hätte genauso gern Chemie oder Biologie studiert“, sagt Mertig, die sich 1974 für den Studiengang Physik an der Technischen Universität Dresden einschrieb. „Vielleicht auch, weil Physik für mich die größere Herausforderung war.“ 1982 promovierte sie und erlebte fortan eine aufregende Postdoc-Zeit. Mit ihrem Mann, ebenfalls Physiker, ging sie für fünf Jahre nach Russland ans Vereinigte Institut für Kernforschung Dubna. Hier knüpfte sie Kontakte zu Wissenschaftskollegen, baute Netzwerke auf, glich Forschungsstände ab. Ab 1990 reiste sie als Gastprofessorin durch die halbe Welt. Als Stationen seien Paris, New York und Nagoya genannt. Noch in ihrer Zeit als Heisenberg-Stipendiatin bekam sie ein Angebot aus Halle und wurde 2001 Inhaberin der Professur Theoretische Physik/Quantentheorie des Festkörpers. Gemeinsam mit dem damaligen Dekan Prof. Dr. Heinrich Graener erarbeitete sie ein Konzept des Instituts für Physik, wie es in zehn Jahren aussehen sollte. Mit konsequenten Berufungen wurde der Schwerpunkt Nanostrukturierte Materialien aufgebaut. Dabei ist die Untersuchung ferroelektrischer und magnetischer Oxide mit neu- artigen Eigenschaften ein wichtiger Baustein und Forschungsgegenstand des SFB 762, dessen dritte Förderperiode durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Januar 2016 begonnen hat. Erarbeitet werden hier Grundlagen für potentielle technische Anwendungen, darunter völlig neue Ansätze für die Speichertechnologie. Die Schönheit der Theoretischen Physik lehren Ingrid Mertig hat sich über die Jahre als wissenschaftliche Expertin mit mehr als 200 Veröffentlichungen international einen Namen gemacht. 2011 wurde sie in den Wissenschaftsrat berufen. Immer wieder war sie im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterwegs – als Fachgutachterin oder im Nominierungsausschuss des Leibniz-Preises. Mertig kann Brücken bauen und Menschen gewinnen. Auch deshalb mag sie so erfolgreich sein, wenn es darum geht, große Forschungsverbünde wie den SFB 762 mit 27 Projektleitern zu lenken und zu führen. Ach, und ja! Sie ist akkurat. Diskussionen, die ins Uferlose laufen, liegen ihr nicht. Ingrid Mertig hält sich an Zahlen, Daten und Fakten und versucht – auch mit Hilfe ihrer Notizen im stets mitgeführten Collegeblock – Struktur in die Diskussionen zu bringen. Geschätzt wird sie auch von ihren Studenten, wie ihr Kollege Prof. Dr. Wolf Widdra verrät. Ihre Vorlesungen sind beliebt in einem Fach, das oft gar nicht so einfach ist. Lehre ist für Mertig pure Leidenschaft, hier taut sie auf, hier kommt sie ins Schwärmen. „Ich unterrichte unheimlich gerne. Mein Ziel ist es, allen die Schönheit der Theoretischen Physik nahezubringen. Umgekehrt ist es für mich ein Privileg, dass ich miterleben darf, wie sich die jungen Leute entwickeln und entfalten.“ Viele ihrer Studenten sind heute gestandene Wissenschaftler. Bereits in den 80er Jahren beschäftigte sich Ingrid Mertig intensiv mit Fermi-Flächen. Jene Flächen, sagt sie, seien die Visitenkarten von Metallen. „Irgendwann, als die Computer soweit waren, kam mir die Idee, ein Programm zu schreiben, mit dem man all diese Fermi-Flächen bildlich darstellen kann“. Und hier kommt nun das Buch „Solid State Physics“ wieder ins Spiel. Ingrid Mertig holt es aus dem Regal. Die Darstellung der Fermi-Fläche vom Element Nickel schaffte es auf die Titelseite des Buches, in das bis heute weltweit alle Physikstudenten ihre Nase stecken. Michael Deutsch sc ient ia hal ensis 1 / 2016 personal ia neu beruf en Kritischer Blick auf den Wachstumszwang Wie können Wachstum, Wohlstand und Nachhaltigkeit zusammen gedacht werden? Das ist eines der zentralen Forschungsthemen von Prof. Dr. Konstanze Senge. Zum 1. Oktober wurde sie als Professorin für Soziologie, insbesondere Wirtschafts- und Organisationsoziologie an die Uni Halle berufen. „Die Wirtschafts- und Organisationssoziologie befassen sich mit Phänomen, die in unserem Alltag allgegenwärtig sind“, erläutert die 44-Jährige. Oft erscheine es uns schwer vorstellbar, dass wirtschaftliche Zusammenhänge und institutionelle Abläufe auch anders gestaltet werden könnten. „Mich reizt es, diese Selbstverständlichkeiten aufzubrechen und die historische Besonderheit der ökonomischen und organisationalen Welt offen zu legen.“ Senge schaut mit kritischem Blick auf den Wachstumszwang des Kapitalismus. Neo-Institutionalismus sowie die Zusammenhänge zwischen Finanzmärkten, Entscheidungsverhalten, Nachhaltigkeit und Emotionen sind weitere Schwerpunkte der Soziologin. Die gebürtige Düsseldorferin hat in Essen ein Magister-Studium der Kommunikationswissenschaft, Germanistik und Psychologie abgeschlossen, bevor sie ein Master-Studium der Soziologie an der Boston University anschloss. Nach drei Jahren kehrte sie aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland zurück, um an der TU Darmstadt zu promovieren. Anschließend wechselte Senge an die Universität Hamburg, wo sie als wissenschaftliche Assistentin arbeitete und drei Jahre lang den Forschungsbereich der Research Area I „Institutional Constellations that Frame the Markets“ am Center für Globalisierung und Governance leitete. An den Universitäten Bielefeld und Darmstadt war sie im Anschluss als Vertretungsprofessorin tätig. 2014 habilitierte sie sich an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg mit einer Arbeit über die Entwicklung von Corporate Social Responsibility. Zuletzt war sie für drei Monate als Visiting Scholar an der Boston University zu Gast. cb Prof. Dr. Konstanze Senge Wirtschafts- und Organisationssoziologie Telefon: 0345 5524242 E-Mail: konstanze.senge@ soziologie.uni-halle.de (Foto: Maike Glöckner) Spezialgebiet: Kapitalmarktrecht Prof. Dr. Christoph Kumpan will die finanzrechtliche Forschung und Lehre an der Universität Halle ausbauen. Zum 1. März 2015 ist er als Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an die Juristische und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät berufen worden. Kumpans Spezialgebiet ist das Kapitalmarktrecht – „Ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, in dem immer wieder neue Probleme auftauchen und neue Regelungsansätze gesucht werden müssen. Es gibt daher viel Raum für Kreativität“, sagt der Jurist. Das Spannende daran: „Oft kann man sich von anderen Rechtsordnungen inspirieren lassen, denn die Problemstellungen sind häufig die gleichen.“ Wichtig sei auch, immer wieder das Gespräch mit Praktikern zu suchen. Der Neuberufene freut sich auf den Diskurs mit den Studierenden und seinen neuen Kollegen: „Am Juristischen Bereich bieten sich für das Finanzrecht tolle Möglichkeiten, da es sowohl im öffentlichen Recht als auch im Strafrecht Kollegen gibt, die sich damit aus ihrer Perspektive beschäftigen. Das habe ich in dieser Konstellation bisher an keiner anderen Universität in vergleichbarer Weise gesehen.“ In Halle will er die Multimedialisierung der juristischen Lehre vorantreiben und die Internationalisierung aktiv mitgestalten. Der gebürtige Berliner hat in Berlin, Heidelberg und Chicago Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre studiert und wurde 2005 am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, an dem er zwölf Jahre tätig war, promoviert. Im Jahr 2013 habilitierte er sich an dem selben Institut mit einer Arbeit zum Interessenkonflikt im deutschen Privatrecht. Als Mitglied des Arbeitskreises Finanzmarktgesetzgebung berät Kumpan das Bundesfinanzministerium. Zuletzt lehrte er als Gastprofessor für Bürgerliches Recht an der Humboldt-Universität zu Berlin. Privat ist der Vater zweier Kinder sehr sport- und kulturinteressiert. Fußball, Basketball, Tanz und klassische Musik gehören zu seinen Vorlieben. cb Prof. Dr. Christoph Kumpan Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Telefon: 0345 5523135 E-Mail: christoph.kumpan@ jura.uni-halle.de (Foto: Maike Glöckner) 35 36 personal ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 neu beruf en Mikroorganismen als Biokatalysatoren Prof. Dr. Bruno Bühler Angewandte Biokatalyse Telefon: 0341 2354687 E-Mail: [email protected] (Foto: Maike Glöckner) Bruno Bühler nutzt Bioprozesse, um neue Chemikalien, Wirkstoffe und Energieträger herzustellen. Zum 1. Oktober 2015 wurde der 41-Jährige gemeinsam von der Universität Halle und dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig als Professor für Angewandte Biokatalyse berufen. Sein Fachgebiet ist die Anwendung von Mikroorganismen als Biokatalysatoren. „Produktive Bioprozesse haben ein großes Potenzial, erneuerbare Ressourcen nutzbar und unsere Industrie ökologisch effizienter zu machen“, sagt Prof. Dr. Bruno Bühler. Der Biotechnologe will zum Beispiel Cyanobakterien einsetzen, um mit Hilfe von Licht und Kohlendioxid Wertstoffe herzustellen. Ziel ist es, die Ausgangsstoffe, Mikroben, und katalytischen Prozesse so zu gestalten, dass sie für die industrielle Produktion eingesetzt werden können. „Wir beschäftigen uns mit dem Design, der Charakterisierung und der Optimierung sowohl der Mikroorganismen selbst wie auch der Reaktionstechnik und deren Einpassung in die Prozessumgebung“, erläutert er. Der gebürtige Schweizer hat Biologie und Biochemie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich studiert und wurde dort mit Auszeichnung promoviert. 2004 wechselte er von der ETH Zürich an die TU Dortmund, an der er als Akademischer Rat und Oberrat bis Juni 2015 die Gruppe „Angewandte Biokatalyse“ leitete und sich 2014 mit einer Arbeit über integrierte Systembiotechnologie für die biokatalytische Oxyfunktionalisierung habilitierte. Zunächst kam er als akademischer Gast an das UFZ Leipzig, wo er seit Juli 2015 die Forschungsgruppe „Angewandte Biokatalyse“ leitet. An der Uni Halle wirkt Bühler jetzt daran mit, den Masterstudiengang „Industrial Biotechnology“ zu etablieren und mit anderen Forschungsbereichen der Uni zu kollaborieren. Dazu wird der Neuberufene an Netzwerken wie dem BioEconomy Cluster Mitteldeutschland und dem Zentrum für Biodiversitätsforschung iDiv sowie am Aufbau des mitteldeutschen Zentrums für Biokatalyse mitwirken. cb Vielfältige Interaktionen im Boden Professor Dr. Robert Mikutta Bodenkunde und Bodenschutz Tel.: 0345 5522530 E-Mail: robert.mikutta@ landw.uni-halle.de (Foto: Maike Glöckner) Böden sind nicht nur Lebensraum und Nährstoffquelle. Sie speichern auch über 1.800 Gigatonnen mehr Kohlenstoff als die Atmosphäre der Erde oder die gesamte Biosphäre. Wie mineral-organische Verbindungen in Böden entstehen und was sie für die Stoffkreisläufe bedeuten, erforscht Prof. Dr. Robert Mikutta. Zum 1. Oktober 2015 ist er zum Professor für Bodenkunde und Bodenschutz an das Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Universität Halle berufen worden. „An der Stabilisierung organischer Bodensubstanz sind insbesondere Mineralneubildungen wie Tonminerale, Oxide und Hydroxide des Eisens und Aluminiums beteiligt, deren vielfältige Interaktionen mit organischer Substanz ich untersuche“, so der 39-Jährige. In Halle möchte er die Bodenwissenschaften stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Durch attraktive Lehrangebote will er seine Begeisterung auch an die Studierenden weitergeben. Der gebürtige Leipziger hat in seiner Heimatstadt Geographie mit den Ne- benfächern Chemie und Geologie studiert. An der Leipziger Universität wurde er 2007 mit einer Arbeit über die Mechanismen der Stabilisierung von organischer Bodensubstanz in sauren Böden promoviert und arbeitete anschließend als Postdoktorand an der Uni Halle. 2009 wechselte der Bodenkundler an die Leibniz-Universität Hannover, wo er als Hochschulassistent am Institut für Bodenkunde tätig war und sich in diesem Jahr habilitierte. Bereits im Mai 2015 übernahm er die Vertretungsprofessur für Bodenkunde und Bodenschutz an der Uni Halle. An seinem neuen Arbeitsort möchte Robert Mikutta gemeinsam mit Kollegen die Laborräumlichkeiten verbessern und mit modernen Analytik-Instrumenten ausstatten. Besonders wichtig ist ihm die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. „Ich möchte speziell die praktischen Fähigkeiten der Studierenden im Umgang mit Böden im Gelände vermehrt fördern“. Privat interessiert sich Mikutta für Ölmalerei, Theater und Literatur. mk sc ient ia hal ensis 1 / 2016 personal ia Preise und Ehrungen Prof. Dr. Dr. Henning Dralle, Direktor der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, hat 2015 die Ehrendoktorwürden der Universitäten Bergen (Norwegen) und Krakau (Polen) erhalten. Zudem ernannte ihn die Polnische Gesellschaft für Chirurgie zum Ehrenmitglied. Stefanie Elste hat im Januar für ihre Masterarbeit im Fachgebiet Geofernerkundung und Thematische Kartographie den Anton-Wilhelm-Amo-Preis 2015 der Universität Halle erhalten. schungsstipendium von der Europäischen Akademie für Neurologie zugesprochen bekommen. Für seine Dissertation hat im Februar der Biologe Dr. Martin Husemann von der Gesellschaft für Biologische Systematik den mit 1.500 Euro dotierten Bernhard-Rensch Preis erhalten. Für ihre Forschungsarbeit zur Weizenzüchtung wurde Antonia Lisker, Masterstudentin der Agrarwissenschaften, im November mit dem zwölfmonatigen KWS Ferdinand-von-Lochow-Stipendium ausgezeichnet. Für sein Buch „Die Verwandlung der Stadt“ wurde der Romanist Prof. Dr. Robert Fajen im Oktober mit dem Hugo Friedrich und Erich Köhler-Preis 2015 der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ausgezeichnet. Dr. Stefanie Middendorf, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte, wurde als Förderstipendiatin 2016/2017 des Historischen Kollegs in München berufen, um den Abschluss ihrer Habilitation vorzubereiten. Mit seiner Predigt zum Thema „Grenzen überwinden“ hat der Theologiestudent Philipp Greifenstein im September den zweiten Jan Hus-Predigtpreis 2015 sowie den Jugendpreis der Evangelischen Brüder-Unität Herrnhuter Brüdergemeine gewonnen. Im Oktober hat die Doktorandin der Germanistik Somaiyeh Mohammadi von dem Verein „Hilfe für ausländische Studierende“ den ersten Preis des internationalen Literaturwettbewerbs für Studierende der Uni Halle erhalten. Juliane Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Statistik, wurde im September für ihr Dissertationsvorhaben mit dem Genderpreis des Landesministeriums für Justiz und Gleichstellung und der Koordinierungsstelle für Frauen- und Geschlechterforschung ausgezeichnet. Für ihre akademischen Leistungen und ihr gesellschaftliches Engagement hat ThiNhat Phuong Nguyen, Doktorandin am Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, im Oktober den mit 1.000 Euro dotierten Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für ausländische Studierende 2015 erhalten. Für das Projekt „Nanostrukturierte thermoelektrische Schichtsysteme“ hat Dr. Nicki Hinsche (im Foto rechts) im Dezember den mit 10.000 Euro dotierten ersten Hugo-Junkers-Preis in der Kategorie „Innovativste Vorhaben der Grundlagenforschung“ 2015 erhalten. Hinsche hatte die Arbeit an der Uni Halle gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik und dem Frauenhofer Institut für Physikalische Messtechnik entwickelt. Für ihre Forschungsarbeiten am Institut für Pharmazie wurden die Promovenden Dr. Jens Pettelkau und Dr. Christian Wölk im November mit dem Wissenschaftspreis der Bayer Bitterfeld GmbH geehrt. Der Pharmazeut Felix Otto erhielt den Diplompreis der Serumwerk Bernburg AG. Dr. Diana Lehmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Halle, hat im Februar ein zwölfmonatiges For- Der emeritierte Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin Prof. Dr. Friedrich Röpke hat für seine Ver- Hugo-Junkers-Preisträger: Das Team um Dr. Nicki Hinsche (rechts). (Foto: IMG Sachsen-Anhalt/ Sebastian Stolze) 37 38 personal ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 dienste auf dem Gebiet der Geburtshilfe und Frauenheilkunde im November die Loder-Medaille der Mitteldeutschen Gesellschaft für Frauenheilkunde und Geburtshilfe 2015 erhalten. Gabriele Stangl (Foto: Markus Scholz) Die Ernährungswissenschaftlerinnen Prof. Dr. Gabriele Stangl und Martha Wellner sowie die Chemikerin Dr. Diana Döhler sind im November von der Universität, der Stadt und den Stadtwerken Halle mit den Transferpreisen 2015 ausgezeichnet worden. Sie wurden für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Anwendung und für anwendungsbezogene Abschlussarbeiten geehrt. Das Team um Dr. Johannes-Peter Stasch, Honorarprofessor für Arzneimittelforschung an der Uni Halle, hat im Dezember den mit 250.000 Euro dotierten Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten 2015 erhalten. Geehrt wurde es für die Entwicklung eines Medikaments zur Behandlung zweier lebensbedrohlicher Formen des Lungenhochdrucks. Die Gesellschaft zur Förderung der Agrar- und Ernährungswissenschaften an der Universität Halle hat dem Hydro- und Umweltgeologen Prof. Dr. Peter Wycisk im Dezember den Theodor-RoemerPreis 2015 verliehen. Er wurde für seine Verdienste um die Entwicklung und Profilierung des Institutes für Agrar- und Ernährungswissenschaften geehrt. Für seine Verdienste um die Beziehungen zwischen Armenien und Deutschland wurde dem Altgermanisten Prof. Dr. Hans-Joachim Solms im November von der Staatlichen Linguistischen Universität Eriwan in Armenien die Ehrendoktorwürde verliehen. Ämter und Mitgliedschaften Dr. Gertrud M. Ayerle und Elke Mattern vom Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaften sind in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft berufen worden. Die Biologin Ivonne Bazwinsky-Wutschke ist im Dezember als eines der ersten Mitglieder in das neugegründete Junge Forum der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig aufgenommen worden. Seit Dezember ist Dr. Petra Bohnhardt neue Kaufmännische Direktorin am Universitätsklinikum Halle. Sie wurde durch den Aufsichtsrat für zunächst acht Jahre bestellt und ist damit auch Mitglied im Vorstand des Uniklinikums. Die Biologin und Leibniz-Preisträgerin Prof. Dr. Ulla Bonas ist im September zur Vizepräsidentin der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gewählt worden. Der Direktor der halleschen Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie, Prof. Dr. Paolo Fornara, ist auf der Jahrestagung der Urologen 2015 zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Urologie gewählt worden. Er wird das Amt im Jahr 2017 antreten. sc ient ia hal ensis 1 / 2016 personal ia Die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Gabriele Meyer ist seit Januar neue Chefredakteurin der Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen. Dr. Dirk Müller, Leiter der Radiopharmazie der Universitätsklinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, wurde auf Anfrage der kubanischen Behörde für Atomenergie im Dezember als Experte der Internationalen Behörde für Atomenergie an das Nationale Institut für Onkologie und Radiologie in Havanna berufen. Dr. Christian Ostheimer von der Universitätsklinik für Strahlentherapie wurde im November 2015 zum Sprecher und Vorsitzenden der „jungen DEGRO“ gewählt, einer Arbeitsgruppe der deutschen Gesellschaft für Radioonkologie für junge Wissenschaftler und Kliniker. Humboldt-Professor Dr. Stuart Parkin ist 2015 als Mitglied der Klasse I – Mathematik, Natur- und Technikwissenschaften der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ernannt worden. Im März 2016 hat der Physiker seine Urkunde erhalten. Die US-amerikanische Lebergesellschaft (AASLD) hat im Dezember die Leberspezialistin PD Dr. Cristina Ripoll, Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin I, in ihren Fachausschuss „Portale Hypertension“ gewählt. Der Jurist Prof. Dr. Henning Rosenau ist vom Bundesministerium für Gesundheit erneut in die Gendiagnostik-Kommission am Robert-Koch-Institut berufen worden. Er wurde auf der konstituierenden Sitzung im Januar zum Vorsitzenden der Kommission gewählt. Rufe Prof. Dr. Jens Boch, bis September 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie, hat einen Ruf auf die Professur für Pflanzenbiotechnologie an der Leibniz-Universität Hannover angenommen. Prof. Dr. Andreas Löhne hat einen Ruf an die Universität Mannheim abgelehnt und einen Ruf an die Friedrich-Schiller-Universität Jena angenommen. Im November 2015 wurde er dort zum Professor für Mathematische Optimierung ernannt. Prof. Dr. Malte Stieper, Professor für Bürgerliches Recht, Recht des geistigen Eigentums und Wettbewerbsrecht, hat einen Ruf an die Leibniz-Universität Hannover auf die Professur für Zivilrecht, IT-Recht und/oder Immaterialgüterrecht abgelehnt. Ruhestand Zum Oktober 2015 traten in den Ruhestand: Prof. Dr. Gerd Antos (Philosophische Fakultät II), Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer (Medizinische Fakultät), Prof. Dr. Wolfgang Christian Marsch (Medizinisch Fakultät), Prof. Dr. Reinhard Neubert (Naturwissenschaftliche Fakultät I), Prof. Dr. Hans Georg Stephan (Philosophische Fakultät I), Prof. Dr. Klaus-Michael Taube (Medizinische Fakultät), Prof. Dr. Walter Thomi (Naturwissenschaftliche Fakultät III), Prof. Dr. ErnstJoachim Waschke (Theologische Fakultät) Verstorben Am 26. September 2015 verstarb Prof. Dr. Johannes Mehlig, emeritierter Professor für Indische Philologie und Altertumskunde. Nach 1990 hat er sich als Gründer und Sprecher der Initiativgruppe zur Erneuerung der Uni Halle für die Martin-LutherUniversität eingesetzt. Am 4. März 2016 ist der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Olk gestorben. Er lehrte seit 1993 als Professor für Sozialpädagogik und Sozialpolitik an der Uni Halle. Olk hat den Fachdiskurs vom „Strukturwandel des Ehrenamtes“ bis zur Gestaltung der „Bürgergesellschaft“ in Deutschland maßgeblich geprägt. Er war Mitbegründer der Freiwilligen-Agentur Halle und des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagements. Am 9. Januar 2016 verstarb Prof. Dr. Walter Rolland. Der frühere Richter und Beamte im Bundesjustizministerium war 1990 an der Neugründung der Juristischen Fakultät der Universität Halle beteiligt. Bis zu seiner Emeritierung 2000 hatte er die Stiftungsprofessur „Zivilrecht der deutschen Einheit“ inne. Erfasst sind in dieser Rubrik Personalia von September 2015 bis März 2016, die der Redaktion mitgeteilt wurden. Haben Sie auch aktuelle Personalmeldungen für die kommende Ausgabe des Unimagazins? Dann schreiben Sie an: [email protected] 39 40 personal ia sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Frank Ursin An dieser Stelle wird’s persönlich … Den Fragebogen des Unimagazins beantwortet diesmal Frank Ursin. Seit vier Jahren ist der Doktorand der Alten Geschichte wissenschaftlicher Sprecher der Promovierenden-Initiative Halle. Er lehrt und forscht als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin. 1 | Sie arbeiten in Halle und leben in Leipzig? Bevor ich begann in Halle am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin zu arbeiten, habe ich in Leipzig studiert, eine Familie gegründet und an der Uni Leipzig gearbeitet. Meine von der GerdaHenkel-Stiftung mit einem Stipendium geförderte Dissertation war aber immer in der Alten Geschichte in Halle angesiedelt. Aus der Vita geboren 1986 in Nordhausen 2005 bis 2011 Studium der Alten Geschichte, Journalistik und Philosophie an der Universität Leipzig seit Oktober 2011 Promotion zur Erinnerungskultur der Griechen in der römischen Kaiserzeit 2012 bis 2015 Promotionsstipendiat der GerdaHenkel-Stiftung seit 2012 Sprecher der PromovierendenInitiative Halle und des Arbeitskreises ProRa beim Studierendenrat seit 2015 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin 2 | Wenn nicht Historiker, was wären Sie dann geworden? Ich wollte schon immer Wissenschaftler werden, habe mich jedoch als Kind eher den Erlenmeyerkolben schwingen sehen. Daran ist meine Großmutter Schuld. Sie war Chemikerin und ihr Nachlass an Reagenzgläsern diente mir zum Experimentieren. Aus heutiger Sicht hätte ich einen Beruf gewählt, der mir früher so nicht in den Sinn gekommen war: Gemüsegärtner. 3 | Was war an Ihrer Studienzeit am besten? Die große Freiheit, über die eigene Zeit zu verfügen und sich den unzähligen Möglichkeiten hinzugeben. Bin während des Studiums Vater geworden, sodass sich viel Tätigkeiten aufgrund des Zeitbudgets eher verdichtet haben. 4 | Welchen Rat fürs Überleben würden Sie den Studierenden heute geben? Studieren Sie etwas Vernünftiges. Aber das brauche ich Medizin-Studierenden nicht zu sagen. Besonders den Frauen würde ich aber gern sagen, dass sie ihre eigenen Ziele verfolgen sollen – auch wenn sie Mutter werden oder einen Partner haben, der wirtschaftlich erfolgreich ist. 5 | Wenn Sie Rektor einer Universität wären, was würden Sie als erstes tun? Ich würde einen Promovierendenrat wählen lassen, Betreuungsvereinbarungen in allen Fakultäten obligatorisch machen und eine Mediationsstelle für Doktoranden und ihre Betreuer einrichten. Zudem würde ich die überflüssig restriktiven Verwaltungsvorgänge hinsichtlich der Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz begrenzen. Junge Wissenschaftler brauchen eine Perspektive jenseits prekärer Beschäftigungsverhältnisse! 6 | Was ist für Sie die erste Aufgabe der Wissenschaft? Der gesamten Gesellschaft einen niederschwelligen Zugang zu dem von ihr generierten Wissen zu verschaffen. Wissenschaftler sollten erklären können, warum ihre Arbeit wichtig ist. 7 | Was haben Intelligenz und Menschlichkeit miteinander zu tun? Intelligenz setzt keine Menschlichkeit voraus. Sie können fachlich Weltklasse und trotzdem eine emphatische Niete sein. Menschlichkeit bedeutet für mich, dass ich keinen Unterschied zwischen mir und einem anderen Menschen mache – unabhängig von Alter, Geschlecht und Status. 8 | Worüber ärgern Sie sich am meisten? Redundanz. 9 | Was bringt Sie zum Lachen? Zum Leid meiner Frau (aber zur Freude meiner Kinder): schlechte Witze mit Wortspielen oder KFZ-Kennzeichen. sc ient ia hal ensis 1 / 2016 personal ia 10 | Was schätzen Sie an Ihren Freunden? Die Unaufgeregtheit der Beziehungen. Es ist kein Problem, wenn wir uns drei Monate nicht gesehen haben. Wir können den Dialog einfach fortsetzen. 11 | Wo sehen Sie Ihre Stärken? Meine Begeisterungsfähigkeit und die damit verbundene Ausdauer. Wenn mich ein Ziel erst einmal begeistert hat, werde ich es erreichen, auch wenn einige Steine auf dem Weg liegen. 12 | Was erwarten Sie von der Zukunft? Ich hoffe, dass die Zukunft weniger menschliche Fehler zulassen wird, die bereits mehrfach gemacht wurden und von denen wir wissen, welche Konsequenzen sie zeitigen werden. Daher baue ich auf ein stärkeres Vergangenheitsbewusstsein, das der Zukunft weder zu konservativ, noch zu fortschrittsoptimistisch gegenübersteht. 13 | Woran glauben Sie? Es lässt sich viel leichter sagen, woran ich nicht glaube und das sind Versicherungsschutz, der Wetterbericht und die Anbauhinweise auf Samentüten. 14 | Welchen bedeutenden Menschen unserer Zeit hätten Sie gern als Gesprächspartner? Ich hätte gerne viele Zeitgenossen als Gesprächspartner, jedoch sind diese höchstens für mich und nicht im geläufigen Sinne ‚bedeutend‘. 15 | Wer war oder ist für Sie der wichtigste Mensch in Ihrem Leben? Die Mutter meiner Kinder, der ich bedauerlicherweise jedes Jahr aufs Neue verspreche, sie nächstes Jahr zu heiraten. 16 | Welchen Ort der Welt möchten Sie unbedingt kennen lernen? Die Orte, die mich als Historiker interessieren, liegen leider nicht in der Gegenwart. Ich hätte wirklich gern eine Zeitmaschine zur Verfügung, die mich ins klassische Athen zu Sokrates oder ins kaiserzeitliche Griechenland zu Lukian oder Pausanias bringt. 17 | Womit verbringen Sie Ihre Freizeit am liebsten? Am liebsten verliere ich mich an einem Sommerabend im Garten bei selbstgekeltertem Wein, einem Gericht aus selbstgezogenem Gemüse anlässlich eines zeitlosen Gesprächs mit den Menschen, die mir teuer sind. 18 | Was wären Ihre drei Bücher für die Insel? Zuerst ein Gartenbuch: John Seymour, „Das neue Buch vom Leben auf dem Lande“. Weil Essen und Handwerken nicht reicht, noch Wilhelm Schmids „Philosophie der Lebenskunst“. Und etwas Lustiges, etwa die Gesamtausgabe des Satirikers Lukian. 19 | Wenn Sie einen Wunsch frei hätten…? Würde ich mir weitere wünschen und dafür sorgen, dass wir unseren Planeten nicht zerstören. 20 | Ihr Motto? Nur unter Druck entstehen Diamanten. Frank Ursin im Institut für Geschichte und Ethik der Medizin. (Foto: Markus Scholz) 41 42 sc hlussstüc k sc ient ia hal ensis 1 / 2016 Auf dem UniversitätsCampus Halle ist allerlei Erstaunliches, Spannendes und Seltsames zu finden. Die letzte Seite des Magazins ist den Mythen und Schätzen, Kuriositäten und Unikaten der Universität Halle gewidmet. Bild rechts: Das Kennzeichen des Rektor-Wagens (Foto: Sarah Huke) Zugelassen: Das Autokennz eic h en de s Rektor s Personenkraftwagen, Kleinbusse, Transporter, Multicars, Pritschenwagen, Traktoren und Mähdrescher: Die Uni hat so einige Fahrzeuge in ihrem Fuhrpark. Und sie haben alle eines gemeinsam: Unter der Ägide von Fahrdienstleiter Ingo Krause wurden ihnen neue Nummernschilder verpasst. Einheitliche. Und mit Bedeutung! Angeführt werden die Kennzeichen seitdem mit HAL für Halle. Dazu gesellt sich in der Regel Martin Luther mit der Abkürzung ML. „Vor fünf Jahren haben wir mit dieser Spielerei angefangen, um nach außen zu zeigen, dass wir die Universität sind“, so Ingo Krause. Das selbstentwickelte Corporate Design des Fahrdienstes setzt sich auch bei der Wahl der Wagen fort: von Volkswagen und Friesengrün müssen sie sein. Nur die Wagen des Rektors und Kanzlers sind besser getarnt auf den Straßen der Republik unterwegs: in Sophistograu. Aber ohne Martin Luther. Dafür mit WB im Kennzeichen: WB steht für Wittenberg, den Ursprung der Alma Mater. Dieser Ursprungsgedanke setzt sich auch in der Wahl der Zahlen fort. So reist der Rektor derzeit mit der 514, denn vor 514 Jahren wurde die Universität in Wittenberg gegründet. Teil eins der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dank des zweiten Teils, der Friedrichs-Universität, hat die Uni heute in Halle ihre Sitz. Gegründet wurde sie 1694. Das war vor 322 Jahren. Ein guter Grund, dem Nummernschild des Kanzler-Autos im Jahr 2016 die 322 zu verpassen. Übrigens altern die Kennzeichen mit: Im nächsten Jahr sind es dann 323 Jahre Friedrichs-Universität und 515 Jahre Universität Wittenberg. Erwähnen wir nicht auch noch, dass im nächsten Jahr die 200-jährige Vereinigung der beiden Universitäten gefeiert werden kann. Aber dafür ist noch kein Nummernschild geplant. Was war eigentlich vor der Vereinheitlichung der Nummernschilder? Die Autos fuhren mit halleschen Kennzeichen oder auch mit Kennzeichen aus dem damaligen Saalkreis, die auch auf dortige Adressen von Außenstellen der Landwirtschaftlichen Fakultät zugelassen waren, durch die Weiten SachsenAnhalts. Letzteres führte dazu, dass Strafzettel in einem nicht mehr allzu stark frequentierten Briefkasten in einer dieser Außenstellen landeten. Und ja, übersehen wurden. Nur gut, dass jetzt alle Autos auf den Kanzler zugelassen sind. Sarah Huke Wohnen mit Perspektive schaftliche Ich bin eine genossen WG-BEWOHNERIN LISA (18): „Meine Mitbewohnerin und ich sind bereits in eine der neuen 2er WGWohnungen im Stadtzentrum von Halle eingezogen und nutzen viele Vorteile: die moderne Ausstattung und die Inklusiv-Nutzungsgebühr haben uns beide überzeugt. Jetzt genieße ich das Wohnen in der Genossenschaft, konzentriere mich auf mein Studium und vor allem auf mein neues selbstständiges Leben!“ > Inklusiv-Nutzungsgebühr: alle Nebenkosten wie Strom, Heizung und Wasser sind bereits enthalten > Moderne Einbauküche: mit Herd, Kühlschrank und Mikrowelle > Schnelles WLAN: bis zu 150 Mbit/s > Frisch sanierte Wohnung WEITERE INFOS & ANGEBOTE: Wohn- und Spargeschäft Große Steinstraße 8 | 06108 Halle > Nah an der Universität PERSÖNLICHER KONTAKT: [email protected] Telefon: (0345) 53 00 - 139 > Gute Verkehrsanbindung: mit Bus und Bahn schnell unterwegs & flexibel Angebote zzgl. Genossenschaftsanteilen! Pro Bewohner eigener Nutzungsvertrag, keine Kombination mit anderen Aktionsangeboten! www.frohe-zukunft.de Anzeige S K W Piesteritz ist mehr als ein Praktikumsplatz: Wir wollen Studenten begleiten und ihren Start ins Berufsleben fördern nicht nur mit Praktika auf unserem Versuchsgut Cunnersdorf bei Leipzig oder in der Forschungsabteilung in Wittenberg. Wir finanzieren Deutschlandstipendien, haben Kooperationen mit mehreren Universitäten und bieten über das Agrochemische An-Institut Unterstützung bei Doktorarbeiten. S K W Piesteritz ist mehr als ein Arbeitgeber: Wir betreiben ein eigenes Aus-und Weiterbildungszentrum mit modernem Hörsaal, einen Betriebskindergarten und das Gesundheitszentrum „Medicum“ - inklusive kostenlosem Fitnesszentrum zur Gesundheitsprävention für Mitarbeiter. Wir legen gemeinsam mit der Degussa Bank spezielle Programme für Angestellte auf, zum Beispiel für Hausbaukredite. Alles zum Wohl unserer Beschäftigten. Das Ganze ist mehr als die Summe seiner einzelnen Te i l e Foto: Kay Herschelmann SKW Piesteritz ist mehr als ein Düngemittelproduzent. Wir liefern Komponenten für Raketentreibstoff, Ad Blue fürs Auto, Wirkstoffe für medizinische Tests und vieles, vieles mehr. www.skwp.de Chemie für die Zukunft.
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