Ausgabe 13 08. April 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Mittelstand Bundesregierung will Unternehmen stärker kontrollieren Finanzminister Schäuble fordert eine bessere Kontrolle bei Stiftungen und Unternehmen K orruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche – die Aufdeckung der 214.000 Briefkastenfirmen sorgt für Aufsehen. Von zahlreichen Regierungen werden nun Konsequenzen gefordert. Während das US-Justizministerium nach eigenen Angaben die Dokumente wegen des Verdachts auf Korruption hin untersucht, ist die deutsche Regierung etwas zurückhaltender. Schäuble sagte mit Blick auf die Panama-Papers, zwar überraschten sie ihn nicht wirklich, man müsse sie aber dazu nutzen, mehr gegen Steuervermeidung zu tun. „Es verstärkt den Druck, Missstände abzuschaffen“, sagte Schäuble und kündigte „zusätzliche Initiativen“ an. Schäuble forderte vor allem mehr Transparenz für Stiftungen und Firmenkonstruktionen, um deren wirkliche Eigentümer zu identifizieren Zahl der Gründungen von Briefkastenfirmen weltweit von 1977 bis 2015. und Einlagen besteuern zu können. Dijsselbloem sagte, es sei nicht hinzunehmen, dass eine „gewisse Schicht“ Steuern auf solche Weise vermeiden könne. „Mit Blick auf die Zukunft wollen die Niederlande Teil der Problemlösung sein“, versicherte der niederländische Finanzminister. „Es ist unser Anliegen, da etwas zu tun.“ Nur mit mehr Transparenz werden Grafik: ICIJa wir der systematischen Verschleierung etwas entgegensetzen können, sagte Justizminister Heiko Maas. Briefkastenfirmen, bei denen die wirtschaftlich Berechtigten anonym blieben, dürfe es nicht mehr geben. Ziel der Ergänzung zum Geldwäschegesetz sei es, dass möglichst viele Menschen Einblicke in das Register bekämen. „Nur das hilft gegen Steuerhinterziehung und auch Analyse Deutsche Industrie sammelt überraschend weniger Aufträge ein Die deutsche Industrie spürt die Auswirkungen der schwächelnden Weltwirtschaft. Wirtschaftskrisen in den Schwellenländern haben zu weniger Aufträgen geführt. Gleichzeitig sorgt die aktuelle wirtschaftliche Situation in den Schwellenländern dafür, dass die europäischen Nachbarländer ebenfalls vorsichtiger planen und weniger aus Deutschland nachfragen. Das Neugeschäft der deutschen Industrie schwächelt. Die Firmen zogen im Februar 1,2 Prozent weniger Aufträge an Land als im Vormonat. Ökonomen hatten mit einem Anstieg von 0,2 Prozent gerechnet. Im Januar lagen die Aufträge noch mit 0,5 Prozent im Plus. „Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe entwickeln sich zu Jahresbeginn zurückhaltend“, so das Bundeswirtschaftsministerium. „Hier spiegelt sich nicht zuletzt die gegenwärtig schleppen- de Entwicklung der globalen Wirtschaft wider.“ Während die Inlandsnachfrage immerhin um 0,9 Prozent zulegte, gingen die Bestellungen aus dem Ausland hingegen um 2,7 Prozent zurück. „Bezogen auf die Absatzrichtung des Auslandsgeschäfts fielen die Auftragseingänge aus der Eurozone um 3,7 Prozent und die Auftragseingänge aus dem restlichen Ausland um 2,1 Prozent gegenüber Januar 2016.“ Besonders die Hersteller von Investitions- und Konsumgütern mussten herbe Rückschläge einstecken. Hier sanken die Aufträge um 2,1 und 7,3 Prozent. „Die Unsicherheit über den weiteren konjunkturellen Fortgang war im Februar recht ausgeprägt“, sagt Thomas Gitzel von der VP BANK LIECHTENSTEIN. „Die deutsche Industrie bekommt aber auch die schwierige Entwicklung in den Schwellenlän- dern zu spüren. An dieser Konstellation wird sich so rasch kaum etwas ändern.“ Dies bestätigen auch die Entwicklungen in den USA. Hier gingen die Bestellungen im Februar ebenfalls zurück: um 0,8 Prozent. Das könnte in den kommenden Monaten noch einmal für einen Rückgang in den Auftragsbüchern der deutschen Industrie sorgen. Nachdem die Nachfrage nach deutschen Produkten in den Schwellenländern zurückgegangen ist, setzen viele deutsche Unternehmen verstärkt auf die USA. Drei von vier Unternehmen sind zuversichtlich, mehr Geschäfte jenseits des Atlantiks zu machen, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des Branchenverbandes VDMA hervorgeht. Im vergangenen Jahr hatten die Vereinigten Staaten China als größtes Exportland für Maschinen „Made in Germany“ vom ersten Platz verdrängt. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 Entwicklungen der Gründungen von Briefkastenfirmen durch Mossack Fonseca. gegen Terrorismusfinanzierung“, sagte Maas. Allerdings habe eine Offenlegung auch Grenzen, da es sich bei dem geplanten Register nur um eine nationale Maßnahme handele und im Ausland gegründete Unternehmen damit nicht erfasst würden. „Wir können das zunächst einmal nur für Deutschland regeln, für geschäftliche Konstruktionen, die es in Deutschland gibt“, so Maas. Frankreich hat indes ein vorläufiges Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf schweren Steuerbetrug eingeleitet. Die Recherchen der SZ in den 11 Millionen erhaltenen Dokumenten zeigen, dass unter den Kunden der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca fast 140 Politiker zu finden sind. Darüber hinaus sollen über 500 Banken bzw. deren Töchter über die Kanzlei für ihre Kunden Briefkastenfirmen in Panama registriert haben lassen, so das internationale Recherchenetzwerk ICIJ. Etwa 15.600 Briefkastenfirmen sollen diese gegründet haben. Die Bankenaufseher in der Schweiz, Österreich und Schweden kündigten am Montag an, die Rolle heimischer Institute bei solchen Geschäften zu überprüfen. Das Gleiche will auch die deutsche Finanzaufsicht BaFin tun, wie eine mit dem Vorgang vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Mittlerweile haben die PanamaPapers einige politische Konsequenzen nach sich gezogen. In Island demonstrierten Zehntausende gegen den Ministerpräsidenten Sigmundur Gunnlaugsson. Die Opposition hat ein Misstrauensvotum im Parlament beantragt. Laut den vom internationalen Recherchenetzwerk ICIJ veröffentlichten Panama Papers der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca hat Gunnlaugsson vor neun Jahren mit seiner Grafik: ICIJ künftigen Frau auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort Millionen Euro geparkt. Ende 2009 überschrieb er seiner Partnerin für einen symbolischen Dollar seinen ganzen Anteil. Er war aber schon Mitte des Jahres ins Parlament eingezogen und hatte dabei sein Vermögen unterschlagen. Argentiniens Präsident Mauricio Macri weist jegliche Schuld von sich. In einem kurzen TV-Interview sagte Macri am Montag, sein Vater – Franco Macri, einer der reichsten Argentinier – habe das Konstrukt völlig legal aufgesetzt. Die Firma habe den Zweck gehabt, in Brasilien zu investieren. Er selbst sei für die Firma tätig gewesen. „Da ist nichts seltsam dran“, so der Präsident. Anders reagierte der Transparency-Chef in Chile. Gonzalo Delaveau habe seinen Rücktritt eingereicht, der vom Vorstand angenommen worden sei, teilte die Organisation via Twitter mit. In den sogenannten „Panama Papers“ wird sein Name in Verbindung mit mindestens fünf Briefkastenfirmen gebracht. Die Panama-Papers werden in den kommenden Wochen noch einiges enthüllen. Sie umfassen eine Datenmenge von 1,3 Terrabyte. Noch nie wurde eine so große Menge an Daten geleaked. Allerdings ist nicht sicher, inwiefern das System der Briefkastenfirmen tatsächlich in Zukunft stärker kontrolliert wird. Schließlich ist die Kanzlei Mossack Fonseca nicht der einzige Dienstleister in diesem Bereich. Und es wurden in der Vergangenheit schon öfter Initiativen zur Verhinderung und Aufdeckung von Steuerhinterziehung ins Leben gerufen. Im November vergangenen Jahres setzten die Staatsund Regierungschefs der führenden 20 Industrie- und Schwellenländer (G20) bei ihrem Gipfel im türkischen Antalya einen Meilenstein. Sie beschlossen den 08. April 2016 sogenannten BEPS-Aktionsplan, mit dem internationalen Konzernen legale Steuerumgehungsmöglichkeiten verschlossen werden sollen. Damit soll Praktiken ein Riegel vorgeschoben werden, die es Multis wie Google, Amazon oder Apple ermöglichten, durch Gewinnverschiebungen die unterschiedlichen Steuerregeln in den Ländern für höchst effektives Steuersparen zu nutzen. Bei der Umsetzung der 15 Aktionspunkte sind die Staaten inzwischen in den Mühen der Etappe angelangt. Um strafbare Steuerhinterziehung ging es auch bei einem zweiten internationalen Großprojekt, für das der Aufschlag im Oktober 2014 in Berlin gemacht wurde. Damals verpflichteten sich gut 50 Länder, automatisch zwischen ihren Steuerbehörden Informationen über Bankenkunden auszutauschen. Inzwischen wollen über 90 Länder mitmachen. Es geht dabei um den Datenaustausch zur Identität ausländischer Kontoinhaber, um Kontonummern, den Kontostand und gutgeschriebene Kapitalerträge mit dessen jeweiligem Heimatland. Damit soll das Tor für grenzüberschreitende Steuerhinterziehung zugeschlagen werden. Zu den Unterzeichnern der Initiative gehören auch viele Länder, die lange im Ruf standen und teils noch stehen, Steuersünder aus dem Ausland mit Verschwiegenheit zu verhandeln, etwa die Cayman Islands, die British Virgin Islands und Guernsey, aber auch Liechtenstein und Luxemburg. Schäuble nannte die Initiative einmal als die „wirksamsten Mittel, um Steuerflucht und Steuerhinterziehung umfassend einzudämmen“. Doch diese Initiativen benötigen Zeit zur Umsetzung und auch hier wird es Löcher im System geben. Zumal die Panama-Papers zeigen, dass eben auch Politiker und andere Persönlichkeiten der Öffentlichkeit selbst in derartige Strukturen wie Briefkastenformen verwickelt sein können. Unternehmen und Privatpersonen werden am Ende das Nachsehen haben. Die PanamaPapers werden wahrscheinlich genutzt werden, um den weiteren Zugriff auf persönliche und geschäftliche Daten zu rechtfertigen. 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 08. April 2016 Wirtschaft Rohstoffe: Weltwirtschaft im Sog der Abhängigkeiten Zwar sind in den vergangenen Wochen die Preise für Rohstoffe leicht gestiegen, doch von einer Erholung kann nicht die Rede sein M it 27 Dollar je Barrel erreichte Erdöl im Januar dieses Jahres seinen bisherigen Tiefstand. Doch nicht nur die Erdölpreise sind seit mehr als acht Monaten im freien Fall. Auch die Preise für Rohstoffe wie Kupfer, Eisenerz und Zink haben an den Finanzmärkten und in den Förderländern tiefe Risse hinterlassen. Zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Schwellenländer Russland, Brasilien, Argentinien und China kamen diese Turbulenzen noch hinzu, um nur einige der rohstoffexportierenden Länder zu nennen. Zwar sind in den vergangenen Wochen die Preise für Rohstoffe wie Kupfer, Eisenerz und Erdöl wieder leicht gestiegen, doch von einer Erholung kann nicht die Rede sein. Zu stark sind die Abhängigkeiten der Förderländer vor allem vom Erdöl, aber auch von den Investitionen aus den westlichen Ländern. Und diese haben in den vergangenen Monaten ebenfalls abgenommen. Das schwächt die Schwellenländer zusätzlich und reduziert wiederum deren Nachfrage nach Produkten aus den westlichen Ländern. Ganz abgesehen davon, dass noch immer Überkapazitäten herrschen. Die Grundproblematik liegt in der erheblichen Abhängigkeit der Länder, die Erdöl exportieren. Während sich der Erdölexport in Europa lediglich auf Norwegen und in Nordamerika vornehmlich auf Kanada konzentriert, sieht es in Südamerika, dem Mittleren Osten, Afrika und Eurasien ganz anders aus. Hier überwiegt die Zahl der Rohstoffexporteure. Zu Beginn des zweiten Jahrtausends lag der Anteil der Rohstoff-Exporte bei etwa 20 bis 30 Prozent. Mittlerweile hat er 60 bis 80 Prozent erreicht. Allein schon durch die Preishausse konnten viele Regierungen mit dem Export von Rohstoffen entscheidende Gewinne einfahren. Diese allerdings hatten erheblich negative Auswirkungen auf ökonomischer und sozialer Ebene. Die Gier nach dem schnellen Geld führte zu einer starken Konzentration auf den Wirtschaftszweig der Rohstoffförderung und des Exportes. Die Investitionen in andere Branchen und in Bildung wurden in etlichen Ländern jahrzehntelang vernachlässigt. Wer in einem auf den Export von Rohstoffen konzentrierten Land etwas werden wollte, konzentrierte sich auf eine Ausbildung genau in eben diesem Sektor. Fachkräfte in anderen Branchen gibt es kaum oder diese sind ins Ausland gegangen. Hinzu kommt, dass der Erfolg beim verringert worden. Und es ist davon auszugehen, dass dieser Abschwung noch eine Weile anhält, da China gerade den Sprung von einem Industriestaat zu einem Dienstleistungsstaat unternimmt. Viele Unternehmen und Arbeiter im Land werden dabei auf der Strecke bleiben, was auch international zu einigen Verschiebungen führen wird. Während sich der Erdölexport in Europa lediglich auf Norwegen und in Nordamerika vornehmlich auf Kanada konzentriert, sieht es in Südamerika, dem Mittleren Osten, Afrika und Eurasien ganz anders aus. Foto: EU-Kommission Rohstoffexport nicht selten zur Bereicherung der Eliten und zu Korruption geführt hat. Die Gewinne aus den Bodenschätzen kamen bei den meisten in der Bevölkerung nie an. Umso dramatischer ist es in Zeiten sinkender Rohstoffpreise. Es gibt keine funktionierende Wirtschaft, die den Abschwung bei den Rohstoffen auffangen könnte. Und befindet sich ein Land bereits in einer Wirtschaftskrise, wie etwa Brasilien oder Venezuela, dann wirken sinkende Rohstoffpreise wie ein Brandbeschleuniger. Angesichts des wirtschaftlichen Abschwungs in China ist entsprechend die Nachfrage nach Rohstoffen noch einmal Doch ohne einen Abbau der massiven Überkapazitäten ist mit einer langfristigen Erholung am Rohstoffmarkt nicht zu rechnen. Das gilt für Kupfer genauso wie für Eisenerz und Erdöl. Derzeit liegt beispielsweise die Produktion von Erdöl um etwa drei Millionen Barrel pro Tag über der Nachfrage. Die Mehrheit der Eisenerz und Kupfer produzierenden Unternehmen versucht seit einigen Monaten aufgrund der gesunkenen Preise ihre Kosten zu senken, andererseits erhöhen sie trotz weltweiten Überkapazitäten ihre Produktion. Noch immer werden neue Minen geöffnet. In Bezug auf die bestehenden Überkapazitäten spielt China eine herausragende Rolle. 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 Das Land ist der weltgrößte Importeur von Rohstoffen. Bei vielen Metallen beträgt der Anteil Chinas am Weltverbrauch mehr als 50 Prozent. China produziert 46 Prozent des weltweiten Stahls und verbraucht über 80 Prozent des 1,3 Milliarden Tonnen umfassenden, weltweit gehandelten überseeischen Eisenerzes. Auch 45 Prozent des weltweiten Kupfers gehen nach China. Doch das meiste davon wird nicht weiterverarbeitet. 70 Prozent des importierten Kupfers in China werden als sogenanntes PhantomInventar genutzt. Unternehmen erhalten günstige Kredite mit vergleichsweise niedrigen Zinsen, um Kupfer ins Land einführen zu können. Und ein Großteil eben dieses Kupfers wird dann als Sicherheit für einen größeren Bankkredit hinterlegt. Chinas Banken sitzen auf Kupferbeständen. Droht die Schuldensituation im Land zu eskalieren, könnten die Banken beginnen, 08. April 2016 ihre Kupfersicherheiten wieder zu Geld zu machen. Das würde zu einem Ausverkauf führen und für dramatische Entwicklungen an den Rohstoffmärkten sorgen. In jedem Falle aber sorgt die Situation in China bereits jetzt schon dafür, dass die Überproduktion von Rohstoffen sich noch weiter erhöht hat – allein dadurch, dass die Nachfrage aus China gesunken ist. Im Februar fielen die Importe des Landes den 16. Monat in Folge. Innovation Forschungen zu Energiegewinnung durch Nuklearfusion Die Sonne produziert durch die Fusion von Atomkernen riesige Mengen von Energie in Form von Hitze Die Sonne als Vorbild. A m chinesischen Institute of Physical Science versuchen Wissenschaftler, die Kraft der Sonne auf ganz neue Weise für die Energieversorgung zu nutzen. Die Kernfusion soll zukünftig das Energieproblem auf der Welt lösen. Dazu haben sich die Forscher ganz genau die Vorgänge in und auf der Sonne angesehen: mit der Verschmelzung von Atomkernen. Im Februar gelang es ihnen, dank einer Nuklearfusion ein Plasma zu erzeugen, das mit 49,99 Millionen Grad (50 Millionen Kelvin) fast drei Mal so heiß wie das Innere der Sonne ist. Foto: NASA/GSFC/Solar Dynamics Observatory Doch das allein war nicht das einzig Außergewöhnliche. Sie konnten das Plasma auch 102 Sekunden lang auf dieser Temperatur halten, so das Team des Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST). Ihr Ziel ist es, ein Plasma zu kreieren, das eine Temperatur von 100 Millionen Kelvin erreicht und diese Temperatur länger als 1.000 Sekunden halten kann: Das sind fast 17 Minuten. Kurz vor dem Erfolgserlebnis der Wissenschaftler vom Institute of Physical Science in Hefei, macht das Max-Planck-Institut in Greifswald von sich reden. Ihnen war es gelungen, in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X das erste WasserstoffPlasma zu erzeugen. „Mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad und einer Dauer von einer Viertel-Sekunde hat das erste Wasserstoff-Plasma in der Maschine unsere Erwartungen vollständig erfüllt“, sagt Hans-Stephan Bosch, dessen Bereich für den Betrieb von Wendelstein 7-X zuständig ist. Wendelstein 7-X, die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator, werde keine Energie erzeugen, so das MaxPlanck-Institut. Trotzdem soll die Anlage beweisen, dass auch Stellaratoren kraftwerkstauglich seien. Mit Wendelstein 7-X solle die Qualität des Plasmaeinschlusses erstmals der eines Tokamaks ebenbürtig werden: „Ein Ring aus 50 supraleitenden, etwa 3,5 Meter hohen Magnetspulen ist das Kernstück der Anlage. Ihre speziellen Formen sind das Ergebnis ausgefeilter Optimierungsrechnungen der Abteilung ‚Stellarator-Theorie‘ und ihrer über zehnjährigen Suche nach einem besonders wärmeisolierenden magnetischen Käfig. Die Spulen sind auf ein stählernes Plasmagefäß aufgefädelt und von einer ringförmigen Stahlhülle umschlossen. In ihrem luftleer gepumpten Innenraum werden die Spulen mit flüssigem Helium auf Supraleitungstemperatur bis nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt. So verbrauchen sie nach dem Einschalten kaum Energie. Der von ihnen erzeugte Magnetfeldkäfig hält im Inneren des Plasmagefäßes das Forschungsobjekt der Wissen4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 schaftler in Schwebe, das 30 Kubikmeter füllende ultra-dünne Plasma.“ In den vergangenen 60 Jahren konnte bei Versuchen das Plasma nie länger als 20 Sekunden auf gleichbleibender Temperatur gehalten werden. Und doch wird es dem erfolgreichen chinesischen Wissenschaftlern zufolge noch Jahre dauern, 08. April 2016 bis es möglich sei, eine in der Wirtschaft einsetzbare Plasma-Maschine zu bauen, die über Jahrzehnte hinweg eine stabile Leistung erbringen könnte. Innovation Wie Fruchtschalen Autofahrer zukünftig schützen sollen Die Schale von Früchten kann großem Druck und sehr hohen Krafteinwirkungen widerstehen D Der Schale der Macadamia können Stiche und Schläge kaum etwas anhaben. Untersuchungen haben eine siebenschichtige Sandwichstruktur zum Vorschein gebracht. „Die Festigkeit der Macadamia-Schale beruht nicht auf der Dicke der Schale, sondern auf ihrer Faserstruktur, die andere Nussschalen nicht aufweisen – so unsere Erkenntnis“, sagt Paul Schüler. Die äußere Schale weise kugel- bis kartoffelförmige, sogenannte Sklereid-Zellen mit dicken Zellwänden auf. Dann folgt eine dicke Schicht mit ineinander verflochtenen Sklerenchymfasern. Die Pomelo- und Macadamia-Schalen sind herausfordernde Inspirationsquellen für die bionische Entwicklung von Schutz- oder Behältermaterialien“. Aus diesem Grund arbeiten die Wissenschaftler an neuen Materialien und nutzen die Funktions- und Strukturprinzipien der Schalen. Interessant wäre, so Schüler, ein neues Material zu entwickeln, das die Eigenschaften der Pomelo-Schale und die der Macadamia-Nuss miteinander kombiniert. Aus einem solchen Material könnten dann Sturzhelme, Schutzwesten oder Crashabsorber beim Auto hergestellt werden. „Und geradezu fantastisch wäre es, gelänge es, die Außenhülle eines Flugzeuges aus einem solchen Material zu bauen, sodass es einen Absturz übersteht und nicht auseinanderbricht. Die Passagiere blieben geschützt.“ Derzeit experimentieren sie an der Universität mit einem Material aus einer Aluminiumlegierung. Diese ist extrem leicht, verfügt über eine offenporige Schaumstruktur und ist der Schale der PoDie Pomelo-Frucht ist die größte Zitrusfrucht der Welt und dank ihrer Schale extrem geschützt. melo nachempfunden. Foto: Flickr/John Loo/CC by 2.0 ie Zitrusfrucht Pomelo könnte zukünftig das Autofahren noch sicherer machen. Pomelos gehören zu den schwersten und größten Zitrusfrüchten der Welt. Ihre Schale ist so widerstandsfähig, dass selbst ein Aufprall aus zehn Metern Höhe auf einen Betonboden ihr nichts anhaben kann. Die zwei bis drei Zentimeter dicke Schale der Frucht absorbiert dabei 90 Prozent der kinetischen Energie. Wie das genau funktioniert haben sich nun Wissenschaftler der TU Berlin, sowie der RWTH Aachen und der Universität Freiburg angesehen. „Die hohe und effiziente Energieabsorption der Pomelo-Schale liegt in ihrer inneren Struktur begründet“, sagt Paul Schüler vom TU-Fachgebiet Werkstofftechnik. So ist die Schale im Inneren höchst komplex und basiert auf einer offenporigen Schaumstruktur: „Der äußere Randbereich ist sehr fein-, der mittle- re großporig und im Übergangsbereich zum Fruchtfleisch hin sind die Poren langgestreckt“, so die Wissenschaftler. Steife, sich verzweigende Faserbündel, die senkrecht zur Außenseite der Schale verlaufen, sorgen für eine zusätzliche Stabilität. „Das enorme, spezifische Energieabsorptionsvermögen der Schale wird aber ganz offensichtlich durch die Stege der Schaumstruktur erzeugt. Diese sind innen hohl und mit einer Flüssigkeit gefüllt“, so Schüler. Beim Aufprall werde die Flüssigkeit von einem Steg in den anderen gedrückt und bewirke die stoßdämpfende Eigenschaft. Das Ergebnis: Die Schale platzt nicht auf und das Fruchtfleisch wird vor dem schnellen Verrotten bewahrt. Inspiriert von der Schale der Pomelo-Frucht haben die Wissenschaftler auch die Macadamia-Nuss angesehen. 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 08. April 2016 Wirtschaft Billiger Ölpreis macht Suezkanal unattraktiver Der traditionelle Suezkanal wird derzeit von deutlich weniger Schiffen genutzt als üblich F ast 20 Jahre und etliche Leben hat der Bau des Suezkanals gekostet. Fertiggestellt 1869 konnten die Händler mit ihren Schiffen erheblich Zeit sparen. Der Suezkanal ist seitdem ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeerraum. So wichtig, dass sich die Regierung sogar entschlossen hat, ihn auszubauen, weil die Schiffe in den vergangenen Jahrzehnten immer größer geworden sind und der Handel zugenommen hat. Der Ausbau soll dem ägyptischen Präsidenten Abd al-Fattah as-Sisi eigentlich höhere Staatseinnahmen ermöglichen. Im August des vergangenen Jahres wurde eine 35 Kilometer lange zweite Rinne eingeweiht. Die Staatseinnahmen sollen mit dem Ausbau von 8 Prozent auf fast 20 Prozent erhöht werden. Bis 2023 sollte der Ertrag auf 13,2 Milliarden Dollar gesteigert werden. Doch die aktuellen Ölpreise machen Ägyptens Regierung einen Strich durch die Rechnung. Denn immer mehr Schiffe entscheiden sich, eben nicht die Route durch den Suezkanal zu nehmen. Stattdessen nehmen sie wieder die ursprüngliche Route über das Kap der guten Hoffnung am südlichsten Punkt Afrikas. Immerhin über 100 Schiffe sind allein zwischen Oktober 2015 und Ende Dezember 2015 dort entlang gefahren. „Ich befasse mich seit acht Jahren mit der Schifffahrt“, zitiert die BBC Michelle Wiese Der Suezkanal ist seit über hundert Jahren ein wichtiges Symbol für den Welthandel. Foto: Flickr/Photographic Heritage/Cc by 2.0 Bockmann von OPIS Tanker Tracker. „Es ist sehr selten, einen solchen Betrieb rund um das Kap zu sehen.“ Und das, obwohl eine Umrundung des Kaps den Weg von Rotterdam nach Singapur um 6.500 Kilometer verlängert. Einer der triftigen Gründe für diese Entwicklung seien die niedrigen Ölpreise. Der niedrige Ölpreis hat dafür gesorgt, dass der Schiffsdiesel ebenfalls gesunken ist: Von 400 Dollar (Mai 2015) auf 150 Dollar pro Tonne. Nimmt man die Angaben von Maersk, wonach eine Durchfahrt durch den Suezkanal etwa 350.000 Dollar pro Schiff und Passage kostet, ist eine Umfahrung des Kaps derzeit einfach billiger als eine Durchfahrt durch den Kanal. Hinzu kommt, dass die Schiffe, die den Kanal durchqueren, für diese Zeit auch noch eine heimische Crew beherbergen müssen. EU Millionen an Steuergeldern für Spaniens Großgrundbesitzer Die EU verteilt Millionen Euro an Agrar-Subventionen an reiche Großgrundbesitzer in Spanien D ie EU hat 250 Millionen Euro an Agrar-Subventionen an die reichsten Großgrundbesitzer in Spanien verteilt. Mindestens 60 der 200 reichsten Familien in Spanien bekamen seit 2008 rund 1,1 Millionen Euro an Subventionen pro Betrieb. Dies belegen Zahlen des spanischen Garantiefonds für die Landwirtschaft FEGA und der Seite Farmsubsidy laut einem Be- richt der spanischen Zeitung El Diario. Demnach bekam etwa die andalusische Familie Mora Figueroa mit einem geschätzten Mindestvermögen von 800 Millionen Euro insgesamt rund 50 Millionen Euro an EU-Geldern für ihre zahlreichen landwirtschaftlichen Betriebe. Besonders interessant ist die Familie Domecq wegen ihrer starken Verstrickung in die Politik: So ist etwa der aktuelle EUKommissar für Klima und Energie sowie der frühere Landwirtschaftsminister Spaniens Miguel Arias Cañete mit einer Domecq verheiratet. Die Familie erhielt knapp 37 Millionen an EU-Subventionen, verteilt auf die 42 landwirtschaftlichen Betriebe der weit verzweigten Aristokratenfamilie mit einem Schätzvermögen 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |13/16 Die Agrar-Subventionen machen noch immer den größten Anteil der EU-Ausgaben aus. von mindestens 400 Millionen Euro. Die Familie des Ministers selbst erhielt allein während seiner Amtszeit als Landwirtschaftsminister 1,8 Millionen Euro an Subventionen, wie die Zeitung El Confidencial enthüllte. Cañetes anschließende Ernennung zum EU-Energie- und Umweltkommissar wurde heftig kritisiert, da seine Familie zudem in mehrere Erdölprojekte verstrickt ist und Anteile an zwei Ölfirmen hält. Der Vorwurf von El Diario lautet daher, die EU subventioniere mit Steuergeldern den Reichtum weniger Familien. Gerade große Familienkonzerne wie Mercadona oder Nutrexpa (Colacao, Nutella, Cuétara) haben großzügige Zuschüsse empfangen. Nach Berechnungen von El Diario erhielten die landwirtschaftlichen Unternehmen der 60 reichsten Familien im Schnitt jeweils 1,1 Millionen Euro in sechs Jahren. Sie werden überproportional stark gefördert, während die kleinen Landwirte kaum von den Hilfsgeldern profitieren. Von den 900.000 spanischen Bauern, die sich im selben Zeitraum für diese Hilfen bewarben, bekam im Schnitt jeder Betrieb rund 44.000 Euro. Insgesamt entfielen rund 250 Millionen Euro der Agrar-Subventionen aus diesem Zeitraum auf die 60 reichsten Großgrundbesitzer. Das aktuelle System verteilt also weiter die meisten Hilfsgelder an dieje- 08. April 2016 Foto: Flickr/ Luca Volpi/CC by sa 2.0 nigen, die sie am wenigsten benötigen, und das obwohl es bereits seit Jahren kritisiert wird: So informierte die Organisation Tierärzte ohne Grenzen bereits 2011 in einem Aufklärungsvideo: „Wieso überschwemmen wir die Aristokratie der Großgrundbesitzer mit Millionen von Euro an Steuergeldern?“ Die meisten dieser Zuschüsse wurden durch die Betriebsprämienregelung gewährt. Es handelt sich dabei um Direktzahlungen, die von der Produktion abgekoppelt sind. Bezogen auf die besessene Grundfläche dienten die EU-Agrar-Beihilfen daher vor allem dazu, das Einkommen der großen spanischen Landbesitzer weiter zu vergrößern. Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Chefredakteurin: Jennifer Bendele. Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. 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