4 | BERUFSPOLITIK ORTHOPÄDISCHE NACHRICHTEN | 03.2011 Mehr Praktikabilität bei Vertreterregelung Zu hohe Mindestzahlregelung Der H-Arzt stirbt. Es lebe der D-Arzt – aber für viel zu wenige Orthopäden Gerd Rauch erläutert das Überleitungsverfahren der Berufsgenossenschaften vom H-Arzt zum D-Arzt Nachbesserungen sind bei Mindestzahlen nötig D Rauch ie gute Nachricht zuerst: Dem Dachverband der Berufsgenossenschaften (den Vertretern des DGUV) war bewusst, dass eine neue Regelung bezüglich der geforderten Praxisöffnungszeiten von Montag bis Freitag von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr, das heißt 50 Stunden Sprechstunde pro Woche, mit den heutigen Gegebenheiten gerade in Einzelpraxen nicht mehr darstellbar ist. Zur Lösung dieses Problems wurde eine deutlich verbesserte ständige Vertretungsregelung umgesetzt. Weiterhin wurde der Samstagvormittag als Regelsprechstunde ersatzlos gestrichen. Das heißt, der niedergelassene H-Arzt oder danach Basis D-Arzt kann sich dann vor allem in der Einzelpraxis, aber auch in der Gemeinschaftspraxis oder einer anderen Gesellschaftsform ständig vertreten lassen wie zum Beispiel am Mittwoch- und Freitagnachmittag oder wenn er einen ambulanten OperationsGerd Rauch will nicht tag oder eine kampflos hinnehmen, andere Tätigkeit außerhalb seiner dass Einzelpraxen, Praxis nachgeht. wieder das kürzere Los ziehen. Auch in der Urlaubszeit können Orthopädinnen und Orthopäden auf diese Vertretungsregelung zurückgreifen. Sollten sie allerdings während der Urlaubszeit einen Vertreter in der Praxis haben, müsste diese Vertreter einen Fachärzt für Chirurgie mit besonderen Kenntnissen auf dem Gebiet der Unfallverletzten haben oder Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sein. Die Vertretung muss vor Ort durch einen niedergelassenen D-Arzt oder einen D-Arzt im Krankenhaus klar abgesprochen und gut organisiert sein, so dass Unfallverletzte auf keinen Fall vor den geschlossenen Türen eines vertretenden D-Arztes stehen. Durch diese deutlich verbesserte Vertretungsregelung ist gewährleistet, dass gerade Kollegen in Einzelpraxen durch Absprache mit lokalen D-Arztvertretern vor Ort ihre dann „neue D-Arzttätigkeit“ weiter ausführen können. Die Adressen der D-Ärzte können unter http://www.dguv. de/landesverbaende/de/med reha/d arzt/ index.jsp eingesehen werden. www.ortho-online.de Gabriele Rohde - Fotolia.com Das Ende des sogenannten H-Arztes, das heißt in bestem Amtsdeutsch des an der „Heilbehandlung beteiligten Arztes“, wird eingeläutet. Dies geht aus der neuen Regelung der Berufsgenossenschaften hervor. Dr. Gerd Rauch, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) in Hessen, erläutert in den Orthopädischen Nachrichten das neue Überleitungsverfahren. Er begrüßt die größere Praxisnähe der Vertreterregelung. Kritisch sieht er allerdings die mit 250 Fällen „viel zu hoch“ angesetzte Mindestzahlforderung. Der BVOU -Landesvorsitzende fordert eine Reduktion. Wer darf künftig Behandlung nach Arbeitsunfällen durchführen? Der Dachverband der Berufsgenossenschaften hat ein neues Verfahren beschlossen. Umstritten ist die Mindesfallzahl von 250 Fällen in Einzelpraxen. Auf welche Fälle bezieht sich die Mindestfallzahl von 250? Hierbei handelt es sich um so genannte Erstverletzte, das heißt Unfallverletzte die neu in die Praxis kommen und bei denen ein H-Bericht erstellt wird. Auch kann bei Wiederaufnahme eines H-Arztverfahrens nach einem längeren, behandlungsfreien Intervall und jetzt Wiederauftreten von Beschwerden ein erneuter H-Arztbericht im Sinne einer Wiedererkrankung erstellt werden. Dieser würde auch zur Mindestfallzahl zählen. Nicht dazu zählen H-Verlaufsberichte oder jahresübergreifende Behandlungen. Wo müssen die 250 Fälle erbracht werden? Die Mindestfallzahl von 250 muss an ein und demselben Standort erbracht werden. Das heißt, es gilt die identische Adresse. Die Gesellschaftsform ist hierbei nicht von Bedeutung, das heißt es kann sich um Einzelpraxen, Gemeinschaftspraxen, Praxisgemeinschaften aber auch um MVZ handeln, Hauptsache, sie sind an ein und demselben Standort. Ortsübergreifende Berufsausübungsgemeinschaften erfüllen diese Voraussetzungen im Verbund definitiv nicht. Deshalb müssen die überörtlichen BAGs an jedem einzelnen Standort die Mindestzahl von 250 Fällen erbringen. Bei dieser Regelung sind Einzelpraxen erheblich benachteiligt. Arztbezogenen Mindestfallzahlanforderung? H-Ärzte mit Einzelpraxisstatus in Ballungsräumen müssen die oben genannten 250 Mindestfälle erbracht haben oder in Zukunft erbringen. Dagegen können H-Ärztinnen und H-Ärzte die in einer Gemeinschaftspraxis oder einer MVZ-Struktur an demselben Standort arbeiten, gemeinsam 250 Fälle in den letzten drei Jahren oder in der Zukunft erreichen. Das heißt, die Überleitungsregelung gilt nur für den Standort und ist nicht arztbezogen. Selbst wenn der ein oder andere Kollege nur eine geringe Anzahl der H-Arztfälle geleistet hätte und die Kolleginnen und Kollegen trotzdem vor Ort 250 Fälle erbracht haben, kann jeder Einzelne von Ihnen ab sofort die Überleitung vom H-Arzt zum neuen Basis D-Arzt beantragen und erhält eine Genehmigung zum D-Arzt. Ansonsten müssten H-Ärzte in den darauf folgenden fünf Jahren mindestens in drei Jahren 250 Fälle nachweisen. Sollten die H-Ärztinnen und H-Ärzte bereits in den zurückliegenden drei letzten Jahren von 2008 bis 2010 die notwendigen Fallzahlen erbracht haben, können Sie ab sofort einen Überleitungsantrag vom H-Arzt zum Basis D-Arzt stellen, diese Anträge wurden dann auch zeitnah genehmigt. Sie erhielten dann auch die höhere Vergütung als D-Arzt im Vergleich zum H-Arzt. Entsprechende Antragsformulare werden vom jeweiligen Landesverband der Berufsgenossenschaften ausgegeben. Ausnahme für Kollegen die in der Fläche arbeiten Zu diesem Punkt wurde uns mitgeteilt, dass wenn sich das Verhältnis D-Arzt zu Versicherten schlechter als 1:30.000 darstellt und / oder kein D-Arzt innerhalb von 30 Minuten sowohl im niedergelassenen und im Krankenhausbereich erreichbar ist, so wird der zuständige berufsgenossenschaftliche Landesverband von der Mindestfallregelung im Einzelfall abweichen. Gegebenenfalls kann der H-Arzt auch bei sehr viel geringerer Fallzahl eine Genehmigung, respektive Überleitung von H-Arzt zum D-Arzt erhalten um hierdurch die Notfallversorgung in der Fläche zu sichern. Auch diese Anträge können ab sofort gestellt werden. Es handelt sich aber dann um Einzelfallentscheidungen des jeweiligen Landesverbandes der Berufsgenossenschaften. Wie müssen die räumlichen Voraussetzungen aussehen? Ein Eingriffsraum muss am relevanten Standort vor Ort für die Notfallversorgung vorhanden sein. Dagegen können geplante Eingriffe wie z.B. Metallentfernungen oder Arthroskopien auch an einem in der Nähe befindlichen Operationszentrum durchgeführt werden, welches die Bedingungen im Sinne der Qualitätssicherung nach §115 b SGB V erfüllt. Weiterhin können D-Ärzte, spezialisierte Orthopädinnen und Orthopäden mit dem neuen Facharzt für Unfallchirurgie Patienten zur operativen Versorgung überweisen, wenn es sich zum Beispiel um isolierte Rupturen des vorderen Kreuzbandes oder um eine unidirektionale posttraumatische ventrale Schulterinstabilität handelt (Ausnahme im § 6-Verletztenartenverfahren; Anhang 1 unter Punkt 7). Die zuständige Berufsgenossenschaft sollte zeitnah informiert werden und um Genehmigung und Kostenübernahme gebeten werden. In diesem Zusammenhang forderten wir als BVOU, dass gerade für die ambulante Versorgung von Schulterund Knieverletzungen die spezialisierten Orthopädinnen und Orthopäden zur direkten Versorgung zugelassen werden sollten. Auch empfehlen wir die Gleichstellung des neuen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Zusatz „spezielle orthopädische Chirurgie“ mit dem neuen Facharzt für Chirurgie und spezielle Unfallchirurgie umzusetzen, so dass dann diese Kolleginnen/ Kollegen im Anforderungsprofil den gleichen Status wie Fachärzte für Chirurgie mit spezieller Unfallchirurgie haben. Leider konnten diese Forderungen nicht umgesetzt werden. Hier müssen wir berufspolitisch weiter intensiv kämpfen. Zudem wurde eine Erhöhung der Vergütung, gegebenenfalls auch Novellierung der Unfall-GOÄ gefordert. Hier signalisierten sowohl das zuständige Dezernat von der BundesKBV als auch der DGUV Behandlungsbereitschaft. Verbesserungsvorschläge wurden bereits vom Verband der BG-Ärzte vorgeschlagen. Eine Erhöhung der Unfallmeldung für Nicht-H-Ärzte, die sog. A13-Meldung wird in Zukunft erfolgen. Hier laufen noch Gespräche zwischen dem DGUV und der KBV Berlin. Zusammenfassend ist die deutlich praxisnahere und ständige Vertretungsregelung für den neuen D-Arzt sehr zu begrüßen, hier werden sicherlich viele Kolleginnen und Kollegen gerade in Einzelpraxen eher bereits ein, ein Überleitungsantrag zum D-Arzt zu stellen. Unbedingt nachzubessern im Sinne einer Reduktion ist die viel zu hoch angesetzte Mindestzahlforderung von 250 Fällen gerade für H-Ärzte in Einzelpraxen. In den Gesprächen des BVOU mit dem DGUV und der KBV betonten wir, dass gerade die Verletzungen von Schulunfällen häufig durch orthopädische H-Ärzte vor Ort auf qualitativ hohem Niveau schnell und gut durchgeführt würde. Sollte die überwiegende Anzahl der H-Ärzte nicht zum D-Arzt übergeleitet werden, würde diese zeitnahe kostengünstige Versorgung wegfallen und die Schulkinder müssten riesige Wege in Kauf nehmen. Hierdurch wäre die Versorgung gerade in der Fläche, aber auch in den Randgebieten der Ballungsräume gefährdet. Der DGUV in Berlin gestand zu, dass man nach einem Jahr die erste Bilanz über die Genehmigung der Überleitungsanträge ziehen würde. Seitens des BVOU werden wir uns intensiv dafür einsetzen, dass die Mindestfallregelung reduziert wird. Zudem werden wir noch eine aktuelle Umfrage mit unseren BVOU Mitgliedern starten mit dem Ziel herauszubekommen, wie viele Kolleginnen und Kollegen aufgrund der aktuellen Überleitungsbestimmungen vom H-Arzt zum D-Arzt die Anträge sofort stellen oder in Zukunft stellen werden. Es ist anzumahnen und nicht kampflos hin zu nehmen, dass wiederum die Einzelpraxen, die in den letzten Jahren immer wieder bei allen EBM – Reformen gelitten haben, auch hier wieder das kürzere Los ziehen. Gerade die Einnahmen aus der berufsgenossenschaftlichen Tätigkeit sind wichtige zusätzliche Einnahmequellen außerhalb der sich ständig reduzierenden kassenärztlichen Vergütungen. Auch sollte der neue Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Schwerpunkt „spezielle orthopädische Chirurgie“ mit dem Facharzt für Chirurgie und spezielle Unfallchirurgie gleichgestellt werden. Wir sollten die Genehmigungspraxis der BG in Zukunft sehr genau und kritisch beobachten und die von der DGUV angebotenen Gespräche nach einem Jahr im Sinne einer Bestandsaufnahme wieder aufnehmen mit dem Ziel, die geforderten Mindestfallzahlen auf eine praxisrelevante Zahl abzusenken. W ( Autor: Dr. med. Gerd Rauch Landesvorsitzender Hessen des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie E-Mail: [email protected]
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