Schwerpunktthema Scheinehaltung

SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
INHALT
Große Würfe – von
simpel bis HighTech . . . . 30
Streptokokken stoppen . . 34
Den Wind gezähmt . . . . . 37
Fotos: Brosthaus
Herr der Fliegen . . . . . . . 40
Große Würfe – von simpel bis HighTech
Große Würfe sind ein Segen, aber auch eine Herausforderung. Mit welch unterschiedlichen
Strategien drei Sauenhalter große Würfe erfolgreich großziehen, zeigen unsere Praxisreportagen.
S
o schön viele lebend geborene Ferkel sind – für Sauen ist
es ein Marathon, genügend
Milch für einen großen Wurf zu
produzieren. Damit die Sauen
nicht zu viel Kondition verlieren
und die Ferkelverluste gering blei-
ben, sind die Ferkelerzeuger gefordert. Von der Geburtsbetreuung bis
zum Absetzen müssen sie Zeit und
Geld investieren, um möglichst
viele Ferkel großzuziehen. Dass sie
einen guten Job machen, zeigen die
Zahlen der Erzeugerringe. Trotz
der stark gestiegenen Ferkelzahlen
pro Wurf sind die Verluste längst
nicht im gleichen Maße gestiegen.
Welchen Weg Sauenhalter dabei
wählen, hängt von den persönlichen Vorlieben, der verfügbaren
Zeit, dem Geschick mit Tier und
Technik und vom Geldbeutel ab.
Wir stellen drei Ferkelerzeuger
vor, die vom reinen Sortieren über
die Selbstbaulösung bis zur professionellen Saugferkel-Flüssigfütterung ihren Weg für hohe Absetzleistungen gefunden haben.
Sortieren ist Chefsache
Jakob Maaßen setzt 34 Ferkel pro Sau und Jahr
ab, ohne auch nur einen Tropfen Milch zu füttern.
J
Nach der Biestmilchphase beginnt das große Tauschen in Jakob Maaßens Stall
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akob Maaßen aus Kevelaer ist
Sauenhalter durch und durch
mit einem hervorragenden
Blick fürs Tier. Den braucht er täglich. Denn trotz großer Würfe mit
durchschnittlich 15,6 lebend geborenen Ferkeln gibt es in seinem
Stall weder Milchschalen noch
technische Ammen. Allein durch
intensives Ferkelversetzen gelingt
es ihm, 88,5 % der geborenen Ferkel abzusetzen. Obwohl die Ferkel
beim Absetzen nur 5,3 kg wiegen,
bewegen sich die Verluste im Flatdeck mit 2,3 % im Schnitt. „Den genetischen Vorteil der vielen lebend
geborenen Ferkel dürfen wir nicht
durch höhere Verluste verspielen“,
ist Maaßens Überzeugung.
An jeder Zitze ein Ferkel
Der Schlüssel zum Erfolg seines
Systems ist für Jakob Maaßen ein
voll funktionsfähiges Gesäuge der
Sauen: „Nur wenn alle Zitzen kräf-
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tig angesäugt werden, kann ich
Ferkel umsetzen.“ Ebenso wichtig:
Auch im Folgewurf bleibt das
Gesäuge leistungsfähig. Deshalb
greift er in die Trickkiste, wenn in
einer Gruppe zu wenig Ferkel geboren werden. Im 24-Stunden-Takt
tauscht er dann die Würfe zwischen zwei Sauen: Die eine bekommt 8 Ferkel, die andere 14. So
bleibt bei beiden das Drüsengewebe aktiv.
Mit dem Umsetzen beginnt der
Landwirt im Allgemeinen nach
der Biestmilchphase: „Doch wenn
ich sehe, dass Ferkel bei ihrer Mutter nicht zum Zuge kommen, dann
setze ich 13 bis 14 von den Kleinen
für 24 Stunden an eine Jungsau,
damit sie sich mit Biestmilch sattsaufen können.“
Nach der ersten Behandlung mit
Nabelkürzen und Zähneschleifen
beginnt für alle anderen Ferkel das
große Tauschen. In den zwei Wannen des Behandlungswagens werden die Ferkel nach Größe vorsortiert. Die kleinen Ferkel setzt Maaßen komplett an Jungsauen, da sie
dort reichlich Milch bekommen
und die Gesäugeleiste in erreichbarer Höhe ist. Die schwersten Ferkel werden bei den älteren Sauen
gesammelt.
Die Ferkelzahl passt Maaßen an
das Alter der Sauen an. Bis zum
A und O des Ferkelversetzens ist für Jakob Maaßen ein voll entwickeltes
Gesäuge, das gute Milchleistung im aktuellen und im Folgewurf garantiert.
dritten Wurf bekommen die Sauen
bis zu 16 Ferkel, um alle Zitzen gut
auszubilden. Ältere Sauen erhalten 15 Ferkel. Ab dem sechsten
Wurf reduziert der Landwirt auf
maximal 14 Ferkel. „Denn das Gesäuge wird nicht besser“, so Maaßens Kommentar.
Jedes Ferkel im Blick
Doch danach ist nicht Schluss mit
dem Versetzen. Die komplette Säu-
geperiode hindurch behält der engagierte Sauenhalter die Ferkelentwicklung im Auge. Beim Füttern
beurteilt Maaßen täglich jeden
Wurf der 30er-Abferkelgruppe.
Bleibt ein Ferkel zurück, legt der
Landwirt es zu einer jüngeren Sau,
deren schwerstes Ferkel er einem
anderen Wurf zuordnet. Dadurch
wird eine milchreiche Zitze für
den Neuling frei. „So können sich
Kümmerer konditionell an die anderen Ferkel ranarbeiten“, erklärt
Flüssigfütterung für Saugferkel
Eine Sensorfütterung für Milch, flüssigen Prestarter und festen Prestarter
– Heinz Terstriep versorgt schon die Saugferkel mit aufwendiger Technik.
D
as Verteilen des Prestarters
gab bei Heinz Terstriep aus
Ahaus-Alstätte den Ausschlag, die Nutrix+-Flüssigfütterung der Firma Weda für Saugferkel
zu testen. Denn diese füttert auch
am Wochenende viele Male täglich
entsprechend dem Hunger der Ferkel – ohne dass ein Mitarbeiter dazu
in den Overall schlüpfen muss.
Doch kann die Fütterung nicht nur
Prestarter, sondern auch Milch
und Ferkelaufzuchtfutter verteilen. Jeweils zwei Buchten teilen
sich eine Fressschale. Wenn der
Sensor „leer“ meldet, dosiert eine
frequenzgesteuerte Kreiselpumpe
Milch oder Futterbrei aus dem
125 l fassenden Anmischbehälter
nach. Für jede Gruppe kann man
Abfragezeiten, Mischungen und
Futterkurven hinterlegen. Doch
kostet der Komfort Einarbeitungszeit und benötigt regelmäßige
Übung. Deshalb ist immer ein Mitarbeiter täglich für die Bedienung
der Anlage zuständig.
In Terstrieps Betrieb befüllt ein
Futterbehälter 32 Tröge, sprich
64 Abferkelbuchten. Ab dem zweiten bis dritten Tag, wenn der Großteil der Gruppe geferkelt hat, verteilt die Fütterung Elektrolyte als
Begrüßungstrunk. Danach bekommen die Ferkel bis zum zehnten
Tag Milch. Anfangs werden 100 g
Milchpulver pro Liter Wasser aufgelöst. Das steigert sich auf 130 g/l
bis zum zehnten Tag. Je nach Komponente wählt der Prozessrechner
die richtige Wassertemperatur
zum Anmischen.
aufgenommen. Deshalb wartet Terstriep mit der Umstellung bis zum
21. Tag, wiederum mit einer Verschneidungsphase von drei Tagen.
Maaßen seine Taktik. Einzige Ausnahme sind Ferkel mit Durchfall.
Aus diesen Würfen wird nicht versetzt.
Nach 14 Tagen ist die kritische Zeit
vorbei. Ferkel, denen dann Milch
fehlt, kompensieren diese an der
Futterschale und langen verstärkt
beim Prestarter zu.
Beim Absetzen nach 21 Tagen Säugezeit gönnt Maaßen den kleinsten
Ferkeln noch einen Nachschlag.
Sie dürfen zwei Wochen lang bei
vier bis fünf Schlachtsauen der
Gruppe nachsäugen. Die Hygiene
bleibt gewahrt, da reichlich Abferkelplätze und kleine, separate Abteile vorhanden sind. Diese Ferkel
kommen mit der nächsten Gruppe
ins Flatdeck.
Beim Absetzen sortiert Maaßen die
Ferkel nach Größe. Die Buchten
belegt er zunächst über. Nach vier
Wochen sortiert er das schwerste
Drittel ab und stallt dieses in ein
separates Abteil um. So kann er
das Futter optimal anpassen.
Fazit: Jakob Maaßen erreicht hohe
Aufzuchtleistungen durch intensives Ferkelversetzen, da er ein hervorragendes Auge für Tiere hat. Das
spart Investitionen und Kosten für
Milchpulver. Dafür nimmt er geringere Absetzgewichte, längere Belegung des Flatdecks und höhere Belastungen der Sau in Kauf.
sb
Bei Milch fragt der Sensor ein- bis
zweimal pro Stunde den Füllstand
der Tröge ab, bei Prestarter alle
zehn Minuten. Durch das Zischen
der Ventile merken die Ferkel, dass
eine frische Portion auf sie wartet.
Bei Milch reicht es, einmal am Tag
anzumischen. Der Prestarter muss
zum Ende der Säugezeit zweimal
täglich angesetzt werden, da das
Behältervolumen nicht ausreicht.
Anhand der Futterkurve und der
Erst Milch, dann Prestarter
Mit einer Verschneidung von drei
Tagen bekommen die Ferkel danach flüssigen Prestarter. Vorteilhaft erwies sich ein Produkt auf
Erbsenbasis, das sämig und homogen im Trog bleibt. Normaler
Prestarter ist zwar deutlich günstiger, wird aber in dem Alter noch
nicht genügend von den Ferkeln
Morgens füllt die Auszubildende Anne Hoge Milchpulver oder Prestarter in die
Behälter. Die grüne Leuchte signalisiert, ob das gewählte Gewicht erreicht ist.
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am Vortag gefressenen Menge
macht der Prozessrechner einen
Vorschlag, wie viel Futter angemischt werden soll. Doch diesem
folgt Mitarbeiter Thomas Schröer
nicht immer: „Nach der Dreifachimpfung am 21. Tag sind die Tiere
so geschafft, dass wir die zweite
Mischung ausfallen lassen.“
Die Futterhygiene erledigt die An-
lage automatisch. Ist der Behälter
leer, wird Restfutter mit Luft aus der
Leitung gedrückt. Wenn mangels
Futter sechs Tröge nicht gefüllt werden, holt sich die Anlage 10 l Wasser und spült damit die Leitungen.
Automatische Reinigung
Morgens läuft zudem ein automatisches Reinigungsprogramm ab.
„Wenn wir um halb sieben anfangen, ist alles blitzsauber“, freut sich
die Auszubildende Anne Hoge. Um
Probleme mit Eiweiß- und Fettresten zu verhindern, wird das System
dienstags automatisch mit Lauge
gespült, donnerstags mit Säure. Für
die Mitarbeiter bleibt lediglich die
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Trogpflege. Sie spritzen einmal täglich die Tröge mit einem scharfen
Wasserstrahl sauber.
Dass ständig Futter angeboten
wird, kommt den Kleineren zugute. Die Würfe sind homogener, das
Absetzgewicht ist um 500 g gestiegen und liegt aktuell bei 7,6 kg. Zudem fressen die Ferkel im Flatdeck
zügig durch, da sie flüssiges Futter
kennen. „Insgesamt holen sie dadurch eine halbe Woche heraus“,
ist Thomas Schröer überzeugt.
Demgegenüber stehen die Futterkosten plus die Investition in die
Anlage. Für eine 900er-Gruppe hat
der Betrieb 225 kg Milchpulver,
300 kg flüssigen Prestarter und
600 kg Prestarter im Gesamtwert
von 1490 € gebraucht. Das entspricht 1,65 €/Ferkel. Heinz Terstriep jedenfalls ist so zufrieden,
dass er schon drei weitere Anmischbehälter nachgerüstet hat.
Fazit: Jederzeit Futter frei Schnauze, immer frisch – mit der Nutrix-Flüssigfütterung bekommen
auch große Würfe genug zu fressen. Da nicht nur Milch, sondern
auch Prestarter verteilt wird, halten sich die Futterkosten für Saugferkel in Grenzen. Zudem wird das
Absetzloch beim Umstallen ins
Flatdeck entschärft. Die Hygiene
ist gut gelöst. Allerdings erfordert
das System hohe Investitionskosten. Und für die Mitarbeiter ist
es eine Herausforderung.
sb
Sicher und warm in der Box
Aus der Not heraus hat Johannes Lax eine simple Ammenbox aus einem
1000-l-Container gebaut. Mittlerweile belegt er elf Boxen.
A
Thomas Schröer nutzt eine Aluschaufel
als Spritzschutz bei der Trogreinigung.
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uslöser für die Idee waren
zwei aufeinanderfolgende,
sehr große Abferkelgruppen.
„Es war keine einzige Abferkelbucht für Ammensauen frei“, erinnert sich Johannes Lax. Der junge
Sauenhalter aus Geldern baute
kurzentschlossen eine platzsparende Ammenbox für die mutter-
lose Aufzucht aus einem handelsüblichen 1000-l-Container.
Für Wärme sorgen zwei Infrarotlampen, die der Bucht ihren Namen „Disco-Box“ gegeben haben.
Der
Boden
besteht
aus
Kunststoffrosten. Diese liegen auf
Unterzügen aus Stahl, die in
Schlitzen der Kunststoffwand be-
festigt sind. Die Ferkel können
Wasser aus der Beckentränke oder
Milch aus dem Trog saufen.
Nach und nach verfeinerte der
Landwirt das System: Die Beckentränke wird heute über einen
Klickverschluss ans Wassernetz
angedockt. Ein Thermostat schaltet eine der beiden Infrarotlampen,
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damit es weder zu warm noch zu
kalt in der Box wird. Und der VAMilchtrog speist sich aus einem
10-l-Kanister über ein Unterdrucksystem. Sobald die Ferkel
Milch trinken, strömt Luft in den
Kanister, der daraufhin die nächste Portion Milch eindosiert.
Auch die Hygiene hat Lax einfach
gelöst. Ein zusätzlicher aufgeschnittener Container dient als Waschbox.
Dort säubert er die Tröge morgens
und abends mit Hochdruckreiniger
und heißem Wasser. Für die Milchkanister nutzt er eine Spüldüse aus
dem Pflanzenschutz. Nach dem
Ausstallen der Ferkel wird die Gülle abgelassen und die gesamte Box
gereinigt und desinfiziert.
Mit fünf Tagen in die Box
In den Containerboxen wuchsen
die überzähligen Ferkel so gut,
dass Johannes Lax seitdem auf
Ammensauen verzichtet. Mittlerweile stehen elf Boxen in einem separaten Raum. Diese beherbergen
Ferkel aus zwei Altersgruppen.
Die Milchkanister reinigt Johannes Lax
mit einer Planzenschutz-Spüldüse.
Nach drei Wochen wird ausgestallt, sodass die Boxen nach Reinigung und Desinfektion eine Woche leer stehen.
Da sich die Geburten auf mehrere
Tage verteilen, setzt Lax die Würfe
der Vorläufersauen nach rund fünf
Tagen komplett in eine Box um. So
sind diese, oft Jungsauen oder Umrauscher, frei, wenn der Großteil
der Gruppe ferkelt. Große Würfe
mit 17 Ferkeln oder mehr sind keine Seltenheit. Ferkel vom gleichen
Geburtstag werden nach Größe sortiert. Die kleineren bekommen bei
einer Jungsau bessere Wachstumschancen.
Sie müssen beim Versetzen in die
Box mindestens fünf, aber höchstens zehn Tage alt sein. Bei älteren
Ferkeln besteht die Gefahr, dass
die kurzzeitig „abgesetzten“ Sauen
in die Rausche kommen aufgrund
des Milchstaus. Im Schnitt bleiben
die Ferkel 17 Tage in der Box.
Zum Absetztermin gönnt der
Sauenhalter den leichtesten Ferkeln der Gruppe 14 Extratage im geschützten Kleinklima der Box.
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Beraterin Dr. Julia Hoeck hebt die simple Technik, das gute Mikroklima und die
stabilen Absetzgewichte von durchschnittlich 6 kg im Betrieb Lax hervor.
Auch die kleineren Ferkel im Aufzuchtstall profitieren von den Boxen. Sie bekommen zweimal täglich
die Restmilch aus den Kanistern.
Im Flatdeck finden die „Boxferkel“
mühelos Anschluss. Sie fressen
eher besser, da Lax sie zum Ende
der Boxzeit knapp mit Milch, aber
reichlich mit Prestarter versorgt.
Ammenboxen statt Ammensauen: Bei Johannes Lax stehen die elf Ammenboxen
in einem eigenen Raum. Er nutzt sie für durchschnittlich 15 % der Ferkel.
Johannes Lax setzt gut 32 Ferkel/
Sau/Jahr ab. Davon werden rund
1,5 Ferkel pro Wurf in den Boxen
groß. Die Verluste liegen dort bei
1 %. Den größten Vorteil sieht er in
der Gleichmäßigkeit der Absetzgruppe. Zudem verlieren die Sauen weniger Gewicht.
15 € Kosten pro Ferkel
Er kalkuliert mit Aufzuchtkosten
von 15 € für jedes „Box-Ferkel“,
davon die Hälfte für Milchpulver
(das mit 245 €/dt zu Buche schlägt),
rund ein Fünftel für Strom sowie
ein Viertel für Arbeit und Festkosten.
Fazit: Johannes Lax setzt auf simple Technik, die jeder schnell bedienen kann. So verbessert er die
Chancen für kleine Ferkel, entlastet die Sauen und kann auf Ammen
verzichten. Die Boxen bieten ein
optimales Kleinklima für Ferkel,
sodass stabile Absetzgewichte von
6 kg erreicht werden. Nachzügler
können gut versorgt werden. Doch
ist das Milchpulver nicht gerade
billig. Zudem kosten die Hygiene
für Boxen und Milchversorgung
Zeit.
sb
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Streptokokken stoppen
Sie werden oft unterschätzt. Dabei sind Streptokokken in vielen, auch gut
geführten Betrieben ein Problem. Eine Impfung kann helfen. Doch eine
dauerhafte Lösung bringen nur Anpassungen im Management.
S
Foto: B. Lütke Hockenbeck
treptokokken-Infektionen bei
Saug- und Aufzuchtferkeln
sind ein Problem, das fast jeder Ferkelerzeuger kennt. Am häufigsten zeigen sie sich in Form von
Hirnhautentzündungen. Im Endstadium liegen die Ferkel oft auf der
Seite und rudern mit den Beinen
oder versteifen sich krampfartig.
Streptokokken können aber auch
Nabel- und Gelenkentzündungen,
eitrige Lungenentzündungen und
Blutvergiftungen hervorrufen.
Noch vor einigen Jahren galten
Streptokokken-Infektionen
als
häufige Begleiterkrankung von Infektionen mit Circoviren (PCV-2),
da hier die Immunität der Tiere beeinträchtigt war. Nach Einführung
der flächendeckenden Impfung gegen PCV-2 schien sich die Lage zu
verbessern, doch inzwischen ist
das Problem wieder aufgeflammt.
Auch oder gerade in gut geführten
Betrieben kommt es oft zu Problemen. Eine mögliche Ursache sind
die großen Würfe, die oft mit einer
geringeren Kolostrumaufnahme
pro Ferkel sowie hohen Belegdichten im Flatdeck einhergehen.
Wunden als Eintrittspforten
Beim Schwein kommt überwiegend Streptococcus suis vor. Man
unterscheidet über 30 verschiedene Serotypen, wobei in deutschen
Schweineställen vor allem die
Serotypen 2 und 9 vorkommen.
Das Tückische ist, dass Streptokokken überall auf landwirtschaftlichen Betrieben lauern und vor allem über gesunde Tiere, die den
Erreger auf Haut und Schleimhäuten oder auf den Mandeln tragen,
übertragen werden. Da Streptokokken auch im Genitaltrakt gesunder
Sauen vorkommen, kann die Infektion von Ferkeln bereits bei der Geburt erfolgen. Die Übertragung
kann aber auch bei Kontakt zur
Muttersau oder anderen Ferkeln
geschehen. Eine häufige Eintrittspforte sind Verletzungen. Neben
der Kastrationswunde, dem Nabel
oder der Schwanzspitze können
auch Bissverletzungen, Hautabschürfungen an den Gelenken oder
verbotenerweise abgekniffene Eckzähne die Eintrittsstelle darstellen.
Auch bei Impf- und Behandlungsmaßnahmen kann die Übertragung
stattfinden. Unter dem Einfluss
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Damit die Sauen möglichst wenig Erreger in den sauberen Stall eintragen,
wäscht der Landwirt sie vor dem Einstallen.
von Stress, zum Beispiel durch das
Absetzen, Futterwechsel, Rangkämpfe oder Transport, kann die
Immunität der Ferkel beeinträchtigt werden, was sie dann besonders krankheitsanfällig macht.
Symptome richtig deuten
Da auch andere Erreger Hirnhautentzündungen bzw. Symptome wie
Kopfschiefhaltung,
Festliegen,
Krämpfe und Ruderbewegungen
hervorrufen können, geht der Bekämpfung im Stall immer eine
gründliche Diagnostik voraus.
Dazu sollten mindestens drei frisch
erkrankte und unbehandelte Tiere
zur Sektion eingesandt werden.
Kümmerer sind nicht geeignet. Das
Labor erfasst nicht nur die augenscheinlichen Organveränderungen, sondern untersucht das verän-
derte Gewebe auch mikroskopisch
und führt eine Erregeranzucht
durch. Die Erregeranzucht aus Rückenmarks- oder Gelenkflüssigkeit
sowie aus veränderten Organen ist
am sinnvollsten. Um neben Ödemkrankheit auch die Glässersche
Krankheit als Differenzialdiagnose
ausschließen zu können, ist es
wichtig, dass die Tiere am besten
lebend zur Sektion angeliefert werden, da sich Haemophilus parasuis
nur aus frisch toten Tieren anzüchten lässt. Nicht zu vergessen ist,
dass auch bei Schweinepest oder
Aujeszkyscher Krankheit zentralnervöse Störungen mit Fieber und
Todesfällen auftreten können.
Impfstoff nur stallspezifisch
Ein kommerzieller Impfstoff gegen
Streptococcus suis steht nicht zur
Verfügung. Die Vielfältigkeit des
Erregers erschwert hier die Herstellung. Der Hoftierarzt hat jedoch
die Möglichkeit, einen bestandsspezifischen Impfstoff herstellen
zu lassen, der ein Erregerspektrum
eines speziellen Bestandes enthält.
Für den Erfolg bestandsspezifischer Impfstoffe gilt es jedoch einiges zu beachten.
Die wichtigste Grundlage ist die
klare Diagnose. Um die relevanten
krank machenden Stämme in einem Bestand identifizieren zu
können, ist häufig die Untersuchung vieler Ferkel in der Sektion
notwendig. Entscheidend ist dabei
die Auswahl der Tiere. Diese sollten akut erkrankt sein, die typischen Symptome zeigen und nicht
antibiotisch vorbehandelt sein.
Streptokokken lassen sich relativ
gut anzüchten und können anschließend aus der Kultur herausserotypisiert werden, um krank
machende Stämme zu identifizieren. Bei der Herstellung stallspezifischer Streptokokken-Impfstoffe
ist es wichtig, nur Isolate zu verwenden, die aus inneren Organen
wie dem Gehirn, der Milz oder aus
Gelenken stammen.
Doch auch bei sorgfältigster Diagnostik ist die Impfung nicht immer
Erfolg versprechend. Häufig sind
mehrere Serotypen an dem Krankheitsgeschehen beteiligt. Allerdings wird durch den Impfstoff
keine Kreuzimmunität erzeugt.
Daher ist es auch wichtig, bei erneutem Auftreten von Problemen
die isolierten Erreger wieder zu archivieren und bei Neubestellung
ggf. mit in den Impfstoff einfließen
zu lassen. Wenn viele verschiedene Stämme in einem Betrieb nachgewiesen werden, ist dies jedoch
auch ein Hinweis, dass bei der Bekämpfung das Augenmerk vor allem auch auf die Beseitigung begünstigender Faktoren gelegt werden sollte. Hierzu zählen allen
voran Virusinfektionen durch
PRRS oder Influenza sowie hohe
Belegdichten im Stall.
Welches Impfschema das richtige
für einen Betrieb ist, entscheidet
der Hoftierarzt. Es ist davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt die Erkrankung im Bestand auftritt. In
der Regel erfolgt eine Impfung der
Muttertiere, die die gebildeten Antikörper an die Ferkel weitergeben,
sodass die Ferkel bis zu sechs Wochen lang geschützt sind. Die Impfung der Saugferkel kann übergangsweise erfolgen, wird als alleinige Maßnahme aber nicht
empfohlen. Und nicht zu vergessen ist, dass die Impfung auch im
Optimalfall die Krankheitssymptome nur mindert. Weitere Infektionen werden nicht verhindert,
sodass die Ferkel die Erreger wei-
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Dicke Gelenke entstehen meist
durch Gelenkentzündungen. Neben
mechanischen Ursachen werden sie
oft durch Infektionserreger hervorgerufen. Nicht nur Streptokokken kommen hier infrage. Um die Ursache
herauszufinden, kann der Tierarzt
betroffene Gelenke punktieren oder
Tiere zur Sektion einsenden.
■ Eitererreger wie Staphylokokken,
Streptokokken, Trueperella pyogenes oder E. coli verursachen neben
verdickten, warmen und druckempfindlichen Gelenken auch Lahmheiten, Fieber und Störungen des Allgemeinbefindens. Die Erreger dringen meist über Hautverletzungen,
z. B. durch raue Böden, Nabel- oder
Kastrationswunden und Bissverletzungen, in den Körper ein und streuen in Gelenke und innere Organe.
Die Gelenkflüssigkeit ist eitrig-trüb.
■ Haemophilus parasuis (HPS), der
Erreger der Glässerschen Krankheit,
verursacht Probleme häufig nach
Stresssituationen – bevorzugt bei Absetzferkeln und in der Vormast. Bei
terverbreiten und gegebenenfalls
auch daran erkranken.
Vorbeugende Maßnahmen
Neben der Impfung sind weitere
Prophylaxe-Maßnahmen bei der
Bekämpfung eines Streptokokken-
der Glässerschen Krankheit können
die Tiere neben dicken Gelenken
auch Symptome wie bei einer Streptokokken-Infektion, hohes Fieber,
Husten und plötzliche Todesfälle, zeigen. Häufig kommt es durch Entzündungen von Bauch- oder Brustfell und
Herzbeutel zu Organverklebungen.
Die Gelenkflüssigkeit ist vermehrt und
trüb, zum Teil gibt es Auflagerungen
auf den Gelenkknorpeln.
■ Gelenksmykoplasmen (M. hyosynoviae) verursachen ebenfalls dicke
Gelenke und einen steifen Gang,
meist ohne Fieber, und treten in der
Regel bei Mast- und jungen Zuchtschweinen auf. Eine weitere Mykoplasmenart (M. hyorhinis) kann bei
jüngeren Tieren Organ- und Gelenksveränderungen hervorrufen,
die in der Sektion nicht von HPS zu
unterscheiden sind.
■ Gelenkrotlauf, die chronische
Form des Rotlaufs, tritt heutzutage
selten auf, kann vereinzelt aber immer wieder vorkommen, da die Ferkel nur bis zur 12. Lebenswoche
Problems im Bestand wichtig.
Häufig lassen sich bereits durch
die Optimierung von Management
und Betriebshygiene die Probleme
eindämmen.
Ein bedeutender Punkt ist die korrekte Durchführung von Reinigungs- und Desinfektionsmaßnah-
Foto: Dr. Harlizius
Dicke Gelenke – woran liegt’s?
Dicke Gelenke können ein Zeichen für eine Infektion mit Streptokokken
sein. Infrage kommen aber auch andere Erreger.
über maternale Antikörper geschützt
sind. In gefährdeten Betrieben können die Schweine bei Masteinstallung geimpft werden. Anders als bei
den oben genannten Erregern
kommt es bei Gelenkrotlauf nicht zur
vermehrten Füllung der Gelenke,
sondern zur Versteifung durch Zubildungen an den Gelenkflächen
und der Kapsel. Neben trippelndem
Gang und Lahmheiten können die
Schweine in der Sektion auch blu-
men. Alle gängigen zur Stalldesinfektion eingesetzten Desinfektionsmittel töten Streptokokken in
kürzester Zeit ab. Dabei ist zu beachten, dass immer die Konzentration für die sogenannte „Spezielle
Desinfektion“ angewendet wird.
Damit das Desinfektionsmittel je-
menkohlartige Veränderungen an
den Herzklappen zeigen.
Dicke Gelenke sind auch lebensmittelhygienisch
relevant.
Am
Schlachthof wird der betroffene Teil
herausgeschnitten und verworfen.
Unter Umständen werden dabei
auch wertvolle Teilstücke partiell
entfernt. Sind mehrere Gelenke entzündet, wird meist der gesamte
Tierkörper verworfen, da eine systemische Erkrankung vermutet wird.
doch seine Wirkung voll entfalten
kann, muss vorher unbedingt eine
gründliche Reinigung erfolgen.
Sowohl im Abferkelstall als auch
im Flatdeck muss auf ein konsequentes Rein/Raus geachtet werden. Nur so ist es möglich, die Ställe vor der Neubelegung auch ent-
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SCHWEINEHALTUNG
•
Probleme mit Streptokokken
kommen in fast allen Schweineställen vor – auch in den Topbetrieben!
• Eine häufige Eintrittspforte
für den Erreger sind Verletzungen in der Haut.
• Erkrankte Tiere zeigen Symptome wie Kopfschiefhaltung,
Festliegen, Krämpfe und Ruderbewegungen.
• Stallspezifische Impfstoffe
können die Infektion nicht verhindern, aber helfen bei der Bekämpfung.
• Oberstes Gebot sind zudem
die fachgerechte Desinfektion
der Ställe, das Waschen der Tiere vor dem Einstallen und ein
konsequentes Rein/Raus.
sprechend zu reinigen. Langsam
wachsende Ferkel sollten nicht zurückgestallt werden, da die Gefahr
besteht, dass sie Streptokokken auf
jüngere Ferkel übertragen. Besser
geeignet ist ein Resteabteil, das anschließend ebenfalls gründlich gereinigt und desinfiziert wird.
Tierdusche zum Einstallen
Nicht nur saubere Ställe, sondern
auch saubere Tiere tragen dazu bei,
den Infektionsdruck zu mindern.
In ein sauberes Abferkelabteil gehört eine saubere Sau. Im Optimalfall ist eine Sauendusche vorhanden, in der die Sauen mit einem
Tierwaschmittel und ausreichend
warmem Wasser gewaschen werden können. Der Hochdruckreiniger sollte so eingestellt werden,
dass der Strahl für die Sauen nicht
unangenehm ist. Alternativ kann
die Reinigung in einer Ausweichbucht erfolgen. Gibt es weder Sauendusche noch Ausweichbucht,
kann man die Sau auch in der Abferkelbucht waschen. Der große
Nachteil ist aber, dass die Sauen
Keime und Parasiteneier in großer
Zahl mit in den Abferkelstall hineinbringen. Eine weitere Keimre-
Beginnen, wo andere aufgeben.
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Eine Streptokokken-Infektion zeigt sich meist in Form einer Hirnhautentzündung. Dann liegt ein Ferkel oft auf der Seite und rudert mit den Beinen.
duktion erreicht, wer das Gesäuge
der Sau vor der Geburt mit einem
zugelassenen Jodpräparat einsprüht. Am einfachsten geht das
mit einer Rückenspritze.
Auch die Ferkel können beim
Einstallen ins Flatdeck zur Keimreduzierung gewaschen werden.
Der Stall muss jedoch ausreichend
aufgeheizt sein, damit sich die nassen Tiere nicht erkälten. Alternativ
können sie auch bei Einstallung
oder zwei bis drei Tage später nach
Beendigung der Rangkämpfe mit
einem Hautdesinfektionsmittel –
bevorzugt einem Jodpräparat – eingesprüht werden.
Augenmerk auf Abferkelstall
09/15 1.0 D
Über 20 Jahre
Foto: Dr. Harlizius
Auf den Punkt gebracht
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Im Abferkelstall sind für die erfolgreiche Bekämpfung von Streptokokken-Infektionen einige entscheidende Punkte zu beachten.
Um die Buchten sauber zu halten,
sollte mindestens einmal täglich
der Kot hinter den Sauen entfernt werden. Andernfalls können
Harnwegs- und Gebärmutterentzündungen entstehen, die eine
schlechtere Milchleistung nach
sich ziehen können. Genau die ist
aber Voraussetzung für eine ausreichende Aufnahme maternaler Antikörper sowie zur Verhinderung
schwererer Rangkämpfe am Gesäuge. Durch Bissverletzungen
und aufgeschürfte Gelenke gelangen Streptokokken in den Körper
der Ferkel. Insbesondere bei rauen
Böden kommt es vermehrt zu
Hautabschürfungen, daher sollten
sie entsprechend ausgetauscht
werden. Die Sauen sollten auch
nach der Geburt für mindestens
drei Tage auf das Vorliegen von
MMA untersucht werden.
Die Kastration sollte mit der 3-Messer-Methode erfolgen, bei der nach
jedem Ferkel das Messer gewechselt und in eine Desinfektionslösung gestellt wird. Dadurch verlängert sich die Einwirkzeit des
Desinfektionsmittels.
Bei der Eisen-Injektion, Behandlungs- oder Impfmaßnahmen sind
die Nadeln zwischen den Würfen
zu wechseln. Nicht nur die Erregerübertragung wird vermindert, sondern eine scharfe Nadel verursacht
auch weniger Gewebeschaden.
Erste Anzeichen beachten
Auch bei Umsetzung aller Maßnahmen lässt sich die Erkrankung
nicht zu 100 % verhindern. Im Fall
der Fälle ist es daher wichtig, dass
erkrankte Tiere frühzeitig antibiotisch behandelt werden, denn
dann sind Verluste häufig noch zu
vermeiden. Voraussetzung ist eine
gute Tierbeobachtung. Schweine
mit ersten Symptomen einer Hirnhautentzündung, z. B. schwankendem Gang und Kopfschiefhaltung,
sollten bereits behandelt werden.
Sind sie bereits in Seitenlage,
kommt die Behandlung meist zu
spät. Der Einsatz eines CortisonPräparates in Kombination zum
Antibiotikum ist empfehlenswert.
Das passende Antibiotikum kann
der Hoftierarzt anhand eines Resistenztestes auswählen. Erfolgt eine
Gruppenbehandlung, müssen Tiere, die nicht mehr fressen, per Injektion behandelt werden. Insgesamt muss die Behandlung ausreichend lange erfolgen, um ein Wiederaufflackern zu verhindern.
Zu guter Letzt ist daran zu erinnern, dass Streptococcus suis ein
Zoonoseerreger ist. Insbesondere
bei älteren und immungeschwächten Personen und kleinen Kindern
können Hirnhaut-, Lungen- und
Gelenksentzündungen
sowie
schlecht heilende Wunden auftreten. Die Infektion erfolgt meist
über kleine, unscheinbare Hautverletzungen. In Problembetrieben
ist daher das Tragen von Einmalhandschuhen beim Umgang mit
den Tieren, insbesondere bei der
Geburtshilfe, empfehlenswert.
Dr. Sandra Löbert, Schweinegesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer NRW
SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Den Wind gezähmt
Mit einer „Haifischzahn-Lüftung“ steuert
Martin Schulze Lohoff die Zuluft und beugt
Turbulenzen im Stall bei Winddruck vor.
I
mmer wieder Husten bei den
Mastschweinen – Martin Schulze Lohoff aus Laer war mit der
Tiergesundheit in seinen Ställen
nicht zufrieden. Husten als Bestandsproblem drückte auf seine
Stimmung und auf die Leistung
der Tiere. Mit rund 820 g Tageszunahmen reizten die dänischen Ferkel ihr Leistungsvermögen bei
Weitem nicht aus. Dabei waren die
Ställe neu und nach aktuellen Beratungsempfehlungen mit Schlitzlüftung ausgestattet. Und die Ferkel hatten den gleichen Gesundheitsstatus, da sie von einem
Sauenhalter stammten.
Jahrelang dokterte der Mäster an
den Symptomen. Doch kleinere
Maßnahmen wie das Abdichten
der Buchtentore, um Zugluft aus
dem Futtergang zu vermeiden,
brachten keine durchschlagende
Unter- oder Überdruck
?
Die meisten Lüftung
sanlagen bei
Schweinen arbeiten
nach dem Unterdruck-Prinzip. Ve
ntilatoren blasen Stallluft aus de
m Abteil. Dadurch entsteht im Sta
ll Unterdruck,
sodass frische Zuluf
t einströmt. Bei
Mindestluftrate komm
t das System
an seine Grenzen.
Zudem kann
Winddruck das Prinz
ip aushebeln.
Starker Wind kann
deutlich mehr
Zuluft in den Stall drü
cken als für
die Tiere gut ist. Mö
gliche Folgen:
Die Raumdurchsp
ülung funktio-
niert nicht, es entst
eht Zugluft, die
Temperatur sackt
ab, Falschluft
steigt aus dem Gülle
keller hoch.
Dreh- und Angelpu
nkt der Probleme ist der große Zu
luftquerschnitt,
der auf höchste So
mmertemperaturen und Endmastsc
hweine ausgelegt ist. Im Herbs
t, mit frisch
eingestallten Ferkeln,
hat der Wind
dadurch freie Bahn
.
Lesen Sie, wie zwei
Praktiker das
Problem für ihren
Betrieb gelöst
haben.
se Lösung bei einem Kollegen am
Niederrhein an. Der hatte dadurch
seine Lüftungsprobleme gelöst, sodass der Landwirt sich auf den
Umbau einließ.
Fotos: Brosthaus
Zuluft wird ausgebremst
Die Größe der dreieckigen Zuluftöffnungen wird von einem Vorhang
gesteuert. Martin Schulze Lohoff und
Tochter Victoria sind sehr zufrieden.
Die Größe der Zuluftöffnung anpassen
Die Zuluft strömt durch die Lücken zwischen den Haifischzähnen ein. Bei
Winddruck senkt sich der Vorhang vor den dreieckigen Zuluftöffnungen,
sodass der Querschnitt immer kleiner wird und der Wind weniger Zugriff hat.
A Minimalöffnung bei Mindestluftrate (Winddruck)
B Vorhang halb geöffnet
Verbesserung. Ein holländischer
Lüftungsberater vermutete, dass
Winddruck die Funktion der Lüftung störte. Da der Querschnitt der
Zuluftöffnungen sich nach der
Sommerluftrate richtet, hat der
Wind bei niedrigen Luftraten freies Spiel, um das Unterdrucksystem im Stallinneren auszuhebeln.
Er empfahl eine grundlegende Änderung der Zuluftführung. „Doch
das war mir damals zu teuer“,
räumt Schulze Lohoff schmunzelnd ein.
Doch ein Jahr später, als die Atemwegsprobleme im Stall nicht weniger wurden, schaute er sich die-
Kernstück der sogenannten „Haifischzahn-Lüftung“ ist ein Vorbau
aus Siebdruckplatten über die gesamte Länge des Zentralgangs. Außen lenken die geschlossenen Platten der Holzverkleidung den Wind
um. Innen sind dreieckige Löcher
in die Siebdruckplatten gesägt. Dadurch bekommt der Vorbau das
Aussehen eines Haifischgebisses.
Die Zuluft strömt durch die Holzkiste in den Gang und von dort ins
gedämmte Dach bzw. in die doppelte Decke.
Der Clou des Ganzen ist ein Vorhang hinter den Löchern, der von
einer Welle über die ganze Länge
des Zentralgangs aufgerollt werden kann. Ist er ganz oben, ermöglicht die Größe der Zuluftöffnungen die volle Sommerluftrate, wie
die Übersicht zeigt. Bei kalten
Temperaturen fährt der Vorhang
herunter, sodass der Lufteinlass
kleiner wird. Dadurch arbeiten die
Ventilatoren auch im Winter gegen
einen konstanten Unterdruck, sodass der Stall flächendeckend mit
Frischluft durchspült wird.
➜
C Maximale Zuluftöffnung bei Sommerluftrate
Siebdruckplatten
Vorhang
Zuluftöffnung
Eine Druckdose misst den Unterdruck im Zentralgang (links) sowie außen am
Stall (rechts). Anhand der Druckdifferenz wird die Höhe des Vorhangs gesteuert.
14 / 2016
37
SCHWEINEHALTUNG
Auch bei Winddruck wird der Vorhang abgesenkt. Da der Zuluftquerschnitt sich verkleinert – im
Extremfall bleiben nur winzige
Dreiecke von jeder „Zahnlücke“
offen – wird der anströmende
Wind stark ausgebremst. Dadurch
verliert er an Masse und Wucht,
sodass er die Luftverhältnisse im
Stall nicht durcheinanderbringen
kann.
Der Vorhang wird nicht von der
normalen Lüftungssteuerung geführt. Seine Höhenführung richtet
sich nach dem gemessenen Luftdruck. Dazu hat Martin Schulze
Lohoff zwei Luftdruck-Messdosen
installiert – eine im Zentralgang,
die andere außen am Stall.
Steuerung über Unterdruck
Schlitzlüftung
nachgebessert
Schweinemäster Burkhard Kersting aus BürenEickhoff hat die Lüftung im Stall mehrfach angepasst, bis er mit der Klimaführung zufrieden war.
Plus 100 g Tageszunahmen
Zugegeben, die Umrüstung war
nicht billig. Für Vorbau, Vorhang,
Steuerung und Motor hat Martin
Schulze Lohoff 16 000 € für einen
Stall mit 1470 Mastplätzen ausgegeben. Doch direkt der erste Durchgang zeigte, dass die Investition
sich gelohnt hat. Nach der Umrüstung im September 2013 schafften
die Ferkel aus dem Stand 100 g höhere Tageszunahmen. Husten war
kein Thema mehr. Der Antibiotikaverbrauch sank rapide. Im Jahr
2014 lagen die Leistungen im Betriebsschnitt bei 915 g Tageszunahmen.
Gerburgis Brosthaus
Fotos: Waldeyer
Eine Steuerung vergleicht die beiden Werte miteinander und steuert
die Welle. Diese rollt den Vorhang
entsprechend der Druckdifferenz
auf oder ab und reguliert so die Zuluftöffnung. Ziel ist es, dass der Unterdruck im Vorraum größer ist als
außen. Dann arbeitet die Lüftung
auf „Zug“. Im Winter wird eine
Druckdifferenz von 5 Hektopascal
angestrebt, im Sommer von 10.
Damit das System funktioniert,
muss der Stall dicht sein. Deshalb
füllten Martin Schulze Lohoff und
seine Mitarbeiter Fugen im
Dachraum und im Zentralgang mit
Silikon. Bei größeren Spalten
schraubten sie Dachlatten in die
Lücken. Die Wellen von Eternit
und Trapezblechen wurden ausgeschäumt.
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Bei der Schlitzlüftung soll die kalte Frischluft auf den geschlossenen
Gangboden fallen, dort die Richtung wechseln, dann langsam über die
Buchtenwände quellen und sanft in den Tierbereich fallen.
D
ie Schlitzlüftung ist ein gutes System, welches aufgrund des geringen Luftwiderstandes wenig Energie verbraucht. „Sie muss aber in
manchen Fällen angepasst werden, damit die Tiere zwar stets genügend Frischluft haben, aber
nicht durch übermäßigen Winddruck und Zugluft krank werden.“
Diese Erfahrung hat Schweinemäster Burkhard Kersting aus Büren-Eickhoff im Südkreis Paderborn gemacht.
Der Landwirt hat an der Schlitzlüftung des Schweinestalles nachträglich noch einige Anpassungen
vorgenommen, bis er mit der Luftführung zufrieden war: „Wir wollen mit gesunden Tieren hochwertige, sichere Lebensmittel erzeugen. Da spielt der Faktor Stallklima
eine wichtige Rolle“, erklärt Kersting seine Motivation für die nachträglichen Umbauten.
Und nachgebessert hat der Landwirt in diesem Bereich in den
vergangenen Jahren einiges. Bei
einem 2009 erbauten Maststall
38
14 / 2016
waren die Probleme mit der
Schlitzlüftung besonders groß.
Dieser Stall besteht aus vier Abteilen für jeweils 340 Schweine in
42er-Buchten. Jedes Abteil wird
über einen Abluftkamin mit Messventilator und Stellklappe entlüftet. Die Zuluft gelangt über die gesamte nördliche Traufenseite in den
Dachraum und von dort aus über
die Zuluftelemente zunächst in den
Abteilmittelgang. Bei Aufprall auf
den geschlossenen Boden ändert
die Zuluft ihre Richtung, steigt wieder auf und quillt langsam über die
ebenfalls geschlossenen Buchtentore in den Tierbereich. Die Luftmengensteuerung sollte dabei in
Kerstings Stall über die Position
der Stellklappen in den Schlitzelementen erfolgen.
Theorie und Praxis ...
„Doch das funktionierte von Anfang an nicht wie gewünscht“, so
der Landwirt.Vor allem bei wechselnden Wetterlagen und in der
Schlussphase der Mast, wenn nach
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
den ersten Verkäufen weniger Tiere
im Stall waren, fiel oft zu viel Kaltluft in die Buchten. Oder die Frischluft gelangte nicht dorthin, wo sie
benötigt wurde. Die Folge dieser
Zug- und Falschluft waren vermehrte Atemwegserkrankungen.
Als Erstes haben wir die Stellmotoren für die Zuluftklappen abmontiert und durch Handkurbeln
ersetzt, erklärt Kersting. Es kam
aber immer noch häufig entweder
zu Zugluftsituationen oder zu einem ungeregelten Luftaustausch
bei Minimaluftrate im Winter.
Zuluftöffnung verkleinert
Um den Winddruck zu verringern,
entschloss sich Familie Kersting
darüber hinaus, die Traufenöffnung zu verkleinern. Entlang des
Stalles wurden zusätzliche Bretter
angebracht. Den übrig gebliebenen
Lufteinlass kann der Landwirt zudem über ein Scharnierbrett mit
Drahtseilkurbel stufenlos öffnen
und schließen.
Außerdem werden im Herbst und
Winter vom Dachraum aus Windschutznetze auf die Schlitzelemente gelegt. Diese verhindern
ebenfalls eine zu starke punktuelle
Luftströmung. „Das hat uns schon
mal weiter geholfen“, erklärt Burkhard Kersting. Mithilfe dieser
SCHWEINEHALTUNG
Burkhard Kersting hatte immer wieder Ärger mit Kalt- und Falschluft bei seiner
Schlitzlüftung. Er änderte einiges, bis die Lüftung funktionierte wie geplant. So
werden Zu- und Abluftklappen jetzt über separate Luftkurven gesteuert.
Nachrüstungen kann er den Windeinfall in den Stall bzw. die Gesamtluftmenge je nach Klimasituation und Stallbelegung besser
steuernunddieLuftschwankungen
im Tierbereich reduzieren.
Zwei separate Luftkurven
Um das noch eleganter zu erreichen, hat der Landwirt außerdem
die zweite Einstellmöglichkeit
der Zuluft verändert: In Kerstings
Maststall arbeitet jetzt ein Lüftungscomputer, der die Zuluftstellklappen und die Abluft-
klappen unabhängig voneinander
über separate Luftkurven steuert.
„Das haben wir erst in einem Abteil ausprobiert. Mittlerweile wurden aber auch die übrigen Stallbereiche nachgerüstet“, erklärt
Kersting. Das alles hat zwar Arbeit, Nerven und Geld gekostet.
Mittlerweile ist der Landwirt aber
mit der Klimaführung im Stall zufrieden: „Wichtig ist, dass das System jetzt funktioniert. Denn ein
gutes Stallklima ist wichtige Voraussetzung für gesunde und frohwüchsige Mastschweine“.
Heinz Georg Waldeyer
Der Lufteinlass lässt sich über ein
Scharnierbrett mit einer Drahtseilkurbel stufenlos öffnen und schließen.
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SCHWEINEHALTUNG
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Herr der Fliegen
Ä
hnlich wie in dem gleichnamigen Roman von William
Golding geraten auch Fliegenpopulationen ohne feste Struktur außer Kontrolle. Die Insekten
sind für Mensch und Tier nicht nur
„nervig“, sondern übertragen zudem viele Krankheiten.
An den feinen Beinhärchen der
Tiere können sich Erreger gut anheften und werden so leicht an die
Schweine übertragen oder auf die
Oberflächen im Stall abgegeben.
Oft ist eine zuvor gereinigte und
desinfizierte Fläche bereits nach
wenigen Stunden des Fliegenkontaktes mit kleinen, klebrigen,
schwarzbraunen Punkten übersät.
Das sind nicht nur einfache Verunreinigungen. Die Punkte enthalten
allerlei Keime wie Durchfallerreger (Coli, PIA, Dysenterie) oder Eitererreger (Streptokokken, Staphylokokken). Überall, wo Fliegen sitzen, geben sie Keime ab bzw.
nehmen welche auf. So passiert es,
dass sie die Schweine reichlich
mit Keimen aus dem Güllekeller
(Vorgängertiergruppe), von anderen Betrieben oder von Kadavern
versorgen.
Aber mit welchen Maßnahmen
können die Fliegen und dadurch
der Krankheitsdruck minimiert
werden? Die Antwort klingt leicht:
Man muss den Fliegen den Zutritt
zum Stall verwehren und ihnen
die Vermehrungsgrundlage im
Stall entziehen.
Dazu ist es wichtig zu wissen, dass
die häufigste Fliegenart im Stall
die Gemeine Stubenfliege ist (siehe Kasten). Sie wird umgangssprachlich auch „Stallfliege“ genannt. Um erfolgreich die Oberhand zu gewinnen, ist es nicht
nötig, Unsummen in chemische
Bekämpfungsmittel zu investieren. Viel entscheidender für den
dauerhaften Erfolg ist es, die einzelnen Maßnahmen wirklich konsequent durchzuführen. Eine erfolgreiche Fliegenbekämpfung erfolgt in mehreren Stufen.
Stufe 1 – Mechanisch
Die mechanischen Maßnahmen
bekämpfen nicht die aktuelle Fliegenplage, vermeiden aber, dass
neue Fliegen in den Stall kommen
und ermöglichen so den Erfolg der
nachfolgenden Stufen. Die ein-
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fachste Variante ist der Einbau von
Fliegengittern. Diese sind in jedem
Baumarkt bzw. Fachhandel erhältlich. Die Fliegengitter sollten auf
Rahmen montiert und vor die
Fenster, Zuluftöffnungen bzw. bei
der Ganglüftung vor die Türen gehangen werden. Wenn die Zuluft
über eine Schlitzganglüftung aus
dem Dachraum erfolgt, sollten die
Lüftungskästen von oben mit Fliegengittern gesichert werden. Um
eine ausreichende Luftzirkulation
zu ermöglichen, muss man die Gitter jedoch regelmäßig reinigen.
Meist reicht ein einfaches Abfegen. In den Wintermonaten können die Rahmen bis zum nächsten
Frühjahr abgehangen werden.
Stufe 2 – Flankierend
Fliegenpopulationen sollten auch
außerhalb des Stalles bekämpft
werden. Klassiker sind der Misthaufen, der sich in Stallnähe befindet, oder ein offener Güllebehälter.
Hier finden die Fliegen im Frühjahr und Sommer ebenso gute Entwicklungsbedingungen wie im
Stall. Daher empfiehlt es sich, den
Behälter abzudecken bzw. den
Mist weiter entfernt vom Schweinestall zu lagern. Auch sollten andere Orte auf dem Hof, die mit
Nahrung und Feuchtigkeit für die
Fliegenansiedlung geeignet sind,
regelmäßig gereinigt werden. Dazu
zählt zum Beispiel der Bereich
rund um die Futtersilos.
Fliegen sind nicht nur im Stall ein
Problem, sondern erstrecken sich
auch in die angrenzenden Räume
wie das Futterlager oder den Um-
Foto: Brosthaus
Es belastet Mensch und Tier, wenn es im Stall nur
so vor Fliegen wimmelt. Doch mit einem 4-StufenPlan wird man die Plagegeister wieder los.
Fliegen sind Schweinen nicht nur lästig. Sie bringen auch Keime aus dem
Güllekeller nach oben oder tragen Erreger von fremden Buchten herüber.
kleideraum. Hier empfiehlt sich
beispielsweise eine elektrische
Falle, die die Fliegen mittels UVLicht anzieht und durch Stromschlag an Gittern tötet. Diese Falle
sollte im helleren Bereich der Räume, nahe dem Fenster aufgehängt
werden. Es können aber auch einfache Fliegenfänger von der Rolle
benutzt werden, die nach spätestens einer Woche zu wechseln
sind. Eine weitere Möglichkeit ist
es, auf den Fensterbänken sogenannte Fraßgifte in Schalen bereitzustellen. Dabei ist darauf zu achten, dass diese sich außerhalb der
Reichweite von Kindern und Tieren befinden und die toten Fliegen
regelmäßig entfernt werden.
Stufe 3 – Vorbeugend
Beim nächsten Stallleerstand ist es
wichtig, auf folgende Punkte zu
achten:
Jede Woche neue Fliegen
Die Gemeine Stubenfliege ist
schwarz und erreicht eine Größe
von etwa 6 bis 8 mm. Sie liebt
Wärme, Feuchtigkeit und natürlich Nahrung. Daher sind die Bedingungen
im
Schweinestall
günstig. In der Gülle und in Futterresten kann sie sich wunderbar
vermehren. Die Lebenserwartung
der Stallfliege beträgt etwa zwei
Wochen. In dieser Zeit kann das
weibliche Tier allerdings etwa 400
bis 600 Eier legen. Unter günsti-
gen Bedingungen benötigen die
Eier über das Larvenstadium (ca.
12 mm groß und weißlich) und
das Puppenstadium (etwa 10 mm
groß und braun) ungefähr sieben
bis zehn Tage bis zum Schlupf.
Wenn die Fortpflanzung im Frühjahr beginnt, können sich bis zum
Herbst aus einer weiblichen Fliege bis zu 1 Mio. neue Fliegen entwickelt haben. Zum Glück ist das
nur ein theoretischer Wert …
Henrike Freitag, Dr. Marc Boelhauve
■ Schadhafte Stellen an Wänden
im Stall sollten ausgebessert werden. Denn hier können sich wunderbar neue Populationen an Fliegen aufbauen.
■ Die Buchtenwände sind zu kontrollieren. Hier können sich in den
Ritzen auch nach der Reinigung
und Desinfektion noch genügend
Maden oder Fliegen für den Aufbau einer neuen Population befinden. Wird so etwas entdeckt, sind
die Stellen zu säubern und mit
Desinfektionsmittel
(Wirkstoff:
Kresol) oder einem Larvizid (Wirkstoff: Cyromazin) zu bestreichen.
■ Bis zu 85 % der Fliegenpopulation hält sich im Güllekeller auf.
Nur der Rest, also die Spitze des
Eisberges, ist oberhalb der Spalten
sichtbar. Um dieses große Reservoir an Fliegen und vor allem die
Brutnester zu zerstören, ist es
wichtig, die Gülle aufzurühren
und abzupumpen. Die auf der festen Schwimmschicht lebenden
und sich entwickelnden Larven
werden durch das „Unterrühren“
zu großen Teilen erstickt und sterben. Durch diese Maßnahme wird
jedoch die Ammoniakkonzentration in der Luft erhöht. Daher sollte
sie nur im unbelegten Stall erfolgen. Außerdem mindert die Maßnahme den Fliegendruck nur kurzfristig und frustrierenderweise
sinkt die Fliegenpopulation nicht,
wie gehofft, stark ab. Das liegt daran, dass es an mehreren Orten im
Stall gute Bedingungen für Nester
mit neuen Populationen gibt. Weitere wichtige Brutplätze liegen
ebenfalls unter den Spalten, können aber nicht durch das Pumpen/
SCHWEINEHALTUNG
Auf den Punkt gebracht
Fotos: Dr. Boelhauve
Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
An Stellen, wo Kot und Futterreste
kleben, fühlen sich die Fliegen
besonders wohl.
Um sich ungestört zu verpuppen,
suchen sich die Fliegenlarven zum
Beispiel schmutzige Ritzen aus.
Schalen mit Fraßgift können die
Fliegenplage reduzieren, packen das
Problem aber nicht an der Wurzel.
Ablassen der Gülle zerstört werden. Dabei geht es zum Beispiel
um feste Anhaftungen von Restgülle an den Kellerwänden und auf
den Unterzügen. Meist befinden
sie sich in Ecken, Winkeln und unter den Futterplätzen. Leider müssen hier die Spalten an mehreren
Stellen hochgehoben werden, um
so die Nester mittels Hochdruckreiniger zu entfernen und die Flächen mit einem Larvizid behandeln zu können.
den. Ebenfalls ist es wichtig, sich
genau an die Herstellerangaben zu
halten, da bei einer Unterdosierung jeglicher Erfolg ausbleibt.
Für die chemische Eliminierung
der Larven stehen zwei Varianten
zur Verfügung:
Variante 1 – Alzogur: Dieser Wirkstoff (Cyanamid) darf nur im unbelegten Stall ausgebracht werden,
weil er auch für Schwein und
Mensch giftig ist. Hierzu die Gülle
ablassen und das Alzogur nach
Herstellerangaben in die Restgülle
geben. Praktischerweise wird pro
m3 Gülle 1 l Alzogur mit 4 l Wasser
gemischt und flächendeckend
über die Spalten ausgebracht, damit sich der Wirkstoff gleichmäßig
in der Gülle verteilen kann. Nach
30 Min. muss man mit Wasser
nachspülen, damit kein Wirkstoff
mehr oberhalb der Spalten verbleibt. Auch bei korrekter Anwendung lässt die Wirkung nach einigen Wochen nach.
Variante 2 – Larvizide: Im Gegensatz zu Alzogur können Larvizide
(Wirkstoff: Cyromazin) auch im belegten Stall ausgebracht werden,
da diese für Schweine unbedenklich sind. Sinnvollerweise erfolgt
die Ausbringung aber auch im unbelegten Stall, damit alle Bereiche
erfasst werden und sich der Wirkstoff gleichmäßig in der Gülle verbreiten kann. Es empfiehlt sich
eine Auflösung in Wasser, jedoch
ist es möglich, die benötigte Menge
Granulat vor dem Stallwaschen zu
verstreuen und mit dem Waschwasser in die Gülle zu bringen.
Hier ist es wichtig, auf die Dosierempfehlungen der Hersteller zu
achten. Diese werden meist in
Gramm pro m2 Bodenfläche angegeben. Die Wirkung der Larvizide
lässt nach rund acht bis zehn Wochen nach. Dann muss das Mittel
erneut ausgebracht werden. Wer
Stufe 4 – Chemisch
Chemische Bekämpfungsvarianten kommen erst dann in Betracht
und können nur dauerhaft erfolgreich sein, wenn die Stufen 1, 2
und 3 konsequent umgesetzt wur-
Güllefliege gegen Stubenfliege
Anstelle einer chemischen Larvizidbehandlung kann auch die
Güllefliege eingesetzt werden. Ihr
Einsatz funktioniert jedoch nur in
Ställen ohne Unterflurabsaugung,
da sie in zugiger Umgebung nicht
heimisch wird. Die Larven der
Güllefliege leben räuberisch und
benötigen für die eigene Entwicklung etwa 20 Stallfliegenlarven.
Vorteilhaft ist zusätzlich, dass die
adulte Güllefliege sehr flugunlustig ist und daher meist unterhalb
der Spalten bleibt. Somit erfolgt
kaum eine Belästigung von
Mensch und Tier und auch die
Gefahr der Krankheitsübertragung
ist bei der Güllefliege geringer. Die
Ausbringung der Güllefliege sollte
kurz vor der Neubelegung (am
besten im Frühjahr) erfolgen,
nachdem die Arbeiten der Stufen
1, 2 und 3 erledigt wurden. Nachteilig bei der Verwendung der Gül-
lefliege ist, dass beim Ablassen
der Restgülle immer die Gefahr
besteht, die Güllefliegenpopulation komplett zu verlieren.
Eine weitere biologische Variante
ist die Ausbringung der Schlupfwespe, die ihre Eier in die Larven
der Stubenfliege ablegt und sie
somit parasitiert. Schlupfwespen
sind gut an die Bedingungen im
Stall angepasst. Sie leben unter
den Spalten und stören somit
kaum. Nachteilig ist hingegen,
dass die Schlupfwespen ohne
„Nachschub“ an Larven selbst
zugrunde gehen und bei einem
erneuten Befall wieder neu auszubringen sind. Eine gleichzeitige
Ausbringung von Güllefliegen und
Schlupfwespen ist nicht zu empfehlen, da die Schlupfwespe
ebenfalls von den Puppen der
Güllefliegen schmarotzen würde.
Henrike Freitag, Dr. Marc Boelhauve
• Fliegen im Stall sind nicht nur
lästig, sondern können auch
Krankheiten auf die Schweine
übertragen.
• Ihre Fortpflanzung ist rasant.
Daher sollten nicht nur die ausgewachsenen Fliegen, sondern
auch ihre Eier und Larven bekämpft werden.
• Futterreste und vor allem
Gülle bilden hervorragende
Brutstätten. Ein Aufrühren und
Ablassen der Gülle hilft, den
Fliegendruck zu senken.
• Zur chemischen Bekämpfung werden Alzogur, Larvizide
und Kontaktgifte eingesetzt.
• Weitere Maßnahmen sind
Fliegengitter vor den Zuluftöffnungen, elektrische Fliegenfallen
und Fliegenfänger von der Rolle.
Ende März mit einer Larvizidbehandlung der Restgülle beginnt,
sollte diese Mitte Juni und Anfang
September oder nach jedem Ablassen der Gülle wiederholen.
Für die chemische Bekämpfung
der ausgewachsenen Fliegen empfiehlt sich die Ausbringung von
Kontaktgiften
über
Aerosole
(Nebel). Der Wirkstoff wirkt nur direkt an den Fliegen und hat keinen
anhaltenden Effekt. Die Kontaktgifte dienen ausschließlich zur Beseitigung der aktuellen Population, daher sollte zusätzlich immer
eine Larvenbekämpfung unterhalb
der Spalten erfolgen. Ein günstiger
Bekämpfungszeitpunkt sind die
frühen Morgenstunden, denn
dann sind die meisten Fliegen zur
Futtersuche über den Spalten anzutreffen. Bei der Vernebelung des
Wirkstoffs die Lüfter ausschalten
und nach etwa 30 Minuten wieder
einschalten. Gefahr für Mensch
oder Tier besteht nicht, da die Aerosole nicht lungengängig sind.
Henrike Freitag, Prof. Dr. Marc Boelhauve,
Hygienekompetenzzentrum, FH Südwestfalen
Stalosan
®
Hygiene am Tier
Gegen unerwünschte Erreger
und Fliegenlarven
Sofort- und ung!
k
Langzeitwir
www.stalosan.de • Tel. 05493 / 9870-513
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