Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer

REFERAT – Medienorientierung
Thema
Teilrevision des kantonalen Wassernutzungsgesetzes (WNG)
Referentin
Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer,
Bau-, Verkehrs- und Energiedirektorin des Kantons Bern
Anlass
Medienorientierung zur Verabschiedung der „grünen Vorlage“ zuhanden des
Grossen Rats
Datum
Montag, 11. April 2016; 10.00 Uhr
Ort
Bern, Rathaus, Sitzungszimmer 7
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren
Der Regierungsrat hat am letzten Mittwoch eine Teilrevision des Wassernutzungsgesetzes
zuhanden des Grossen Rates verabschiedet. Auch wenn es nur eine kleine Revision ist – es
geht nur um zwei Artikel im Gesetz –, so ist sie für den Kanton Bern aus energiepolitischer
und volkswirtschaftlicher Sicht von grosser Bedeutung.
Die Wasserkraft durchlebt schwierige Zeiten. Wie Sie wissen sind die Strompreise auf dem
europäischen Strommarkt in den letzten Jahren auf ein historisches Tief gesunken. Besonders
hart trifft das die grossen Wasserkraftwerke. Konkrete Folgen davon haben wir in den letzten
Wochen bereits den Medien entnehmen können: Die KWO hat im Januar den Abbau von 50
Stellen kommuniziert. Im März hat der Stromkonzern Alpiq bekannt gegeben, dass er aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten rund die Hälfte seiner Wasserkraftwerke verkaufen will.
Diese Warnsignale müssen wir ernst nehmen. Sie zeigen deutlich: Damit grosse Wasserkraftwerken wieder rentabel werden, müssen sie finanziell entlastet werden. Windkraftanlagen, Solaranlagen und Biogasanlagen werden schon länger staatlich gefördert und finanziell
unterstützt. Auch kleine und mittelgrosse Wasserkraftanlagen profitieren von der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Grosse Wasserkraftwerke gehen bisher leer aus. Wenn
ich von grossen Wasserkraftwerken spreche, so meine ich Wasserkraftwerke mit einer mittleren Bruttoleistung von mehr als 10 Megawatt.
Wasserkraftwerke bezahlen dem Kanton Bern für die Nutzung der Wasserkraft jährlich Wasserzinsen. Bei den Grosswasserkraftwerken handelt es sich dabei um Millionenbeträge. So
bezahlt zum Beispiel das Wasserkraftwerk Mühleberg jährlich rund 2,7 Millionen Franken
Wasserzinsen. Die KWO als grösster Betreiberin von Wasserkraftwerken im Kanton Bern bezahlt jährliche Wasserzinsen von rund 26 Millionen Franken. Das ist mit ein Grund warum die
Produktionskosten von Grosswasserkraftwerken deutlich über den europäischen Strommarktpreisen liegen. Die Folgen davon sind bekannt:
In der ganzen Schweiz werden Investitionsentscheide für neue Wasserkraftprojekte sistiert,
auch im Kanton Bern. Betroffen sind auch Grossprojekte der KWO – so beispielsweise der
Bau einer neuen Staumauer beim Triftgletscher-See.
Das können wir uns nicht leisten: Die Produktion von Strom aus Wasserkraft hat für den Kanton Bern einen hohen volkswirtschaftlichen Stellenwert. Konkret geht es um die Erhaltung von
Arbeitsplätzen in den Bergregionen. Die KWO alleine beschäftigt rund 500 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter! Die Wasserkraft hat für den Kanton Bern aber nicht nur aus volkswirtschaftlicher Sicht einen hohen Stellenwert. Auch energiepolitisch ist die Förderung der Wasserkraft
für den Kanton zentral. So soll nach der Energiestrategie des Kantons Bern der Strom zu 80
Prozent aus erneuerbarer Energie erzeugt werden.
Seite 1 von 3
Die Effizienz bei der Wasserkraftnutzung soll erhöht werden. Ein Ziel der Wasserstrategie des
Kantons Bern ist eine Erhöhung der gesamten Produktionsleistung um mindestens 300 Gigawattstunden pro Jahr bis ins Jahr 2035.
Damit wir diese Ziele erreichen können, müssen Grosswasserkraftwerke finanziell entlastet
und ihre Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden. Die vorliegende Gesetzesvorlage sieht dazu
drei Massnahmen vor.
Als erste Massnahme soll der jährliche Wasserzins für Grosswasserkraftwerke um 10 Franken
pro Kilowatt Leistung reduziert werden. Damit wird eine vom Grossen Rat im Jahr 2015 überwiesene Motion (Motion Grimm, M 216-2014) erfüllt. Bisher hat der Kanton Bern den Höchstsatz übernommen, wie er vom Bund bestimmt wird. Dieser Höchstansatz des Bundes ist am
1. Januar 2015 von 100 auf 110 Franken pro Kilowatt mittlere Bruttoleistung gestiegen. Mit der
Anpassung des Wassernutzungsgesetzes soll auf diese Erhöhung des Wasserzinses verzichtet werden. Die Reduktion soll rückwirkend auf den 1. Januar 2015 in Kraft treten. Der
Kanton Bern verzichtet damit auf Mehreinnahmen von jährlich rund 3,9 Millionen Franken.
Diese finanzielle Entlastung reicht aber noch nicht. Der Regierungsrat ist überzeugt, dass es
für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Grosswasserkraftwerken noch weiterer Massnahmen braucht. Mit einem neuen Artikel im Wassernutzungsgesetz (Artikel 35a WNG) wird
die Grundlage geschaffen, damit der Grosse Rat Grosswasserkraftwerke noch weitergehend
entlasten kann. Das ist in zwei Fällen möglich:
Als zweite Massnahme sollen Investitionen in Grosswasserkraftwerke gefördert werden. Denn
für die Zukunft der Wasserkraft im Kanton Bern ist es äusserst wichtig, dass neue Projekte
realisiert werden. Der Grosse Rat kann darum in Zukunft den jährlichen Wasserzins von
Grosswasserkraftwerken für höchstens zehn Jahre herabsetzen, wenn das nötig ist um neue
grosse Wasserkraftwerke zu realisieren. Voraussetzung für diese finanzielle Unterstützung ist,
dass ein konkretes Ausbauprojekt vorliegt, das im übergeordneten Interesse des Kantons ist.
Die Betreiberin des Grosswasserkraftwerks muss belegen können, dass das Ausbauvorhaben
nur dank einer Wasserzinsreduktion realisiert werden kann. Damit ist auch gesagt, dass die
Wasserzinsreduktion nur so weit gehen soll, wie das für die Realisierung des Ausbauprojekts
effektiv nötig ist. Schliesslich soll die Herabsetzung des Wasserzinses nur gewährt werden,
wenn auch die Voraussetzungen für einen Investitionsbeitrag des Bundes erfüllt sind. Solche
Investitionsbeiträge sind im Entwurf des neuen Energiegesetzes des Bundes vorgesehen.
Als dritte Massnahme sollen Grosswasserkraftwerke, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage
befinden, unterstützt werden. Dies ebenfalls mit einer Herabsetzung des Wasserzinse für maximal zehn Jahre. Auch hier ist der Grosse Rat für den Beschluss zuständig. Und auch hier ist
die finanzielle Unterstützung des Kantons mit Finanzhilfen des Bundes verknüpft. Ob und in
welcher Form solche Finanzhilfen in das Energiegesetz des Bundes aufgenommen werden,
ist zur Zeit noch nicht klar. Der Ständerat hat in der Herbstsession 2015 beschlossen, Grosswasserkraftwerken in wirtschaftlicher Notlage unter gewissen Voraussetzungen eine Finanzhilfe zu gewähren. Das aber nur dann, wenn auch der Kanton den Wasserzins reduziert. Der
Nationalrat hat in der Frühjahrs-Session 2016 ein anderes System vorgeschlagen. Er will Finanzhilfe zur Sicherung des langfristigen Betriebs von Grosswasserkraftwerken in Form einer
Marktprämie gewähren. So soll für den Strom, welche im freien Markt unter den Gestehungskosten verkauft werden muss, eine Prämie von bis zu einem Rappen pro Kilowattstunde bezahlt werden.
Es steht also noch nicht fest, ob und in welcher Form auf Bundesstufe Investitionsbeiträge
und Finanzhilfen für Grosswasserkraftwerke gewährt werden. Die neue Bestimmung in unserem Wassernutzungsgesetz kommt nur dann zur Anwendung, wenn auf Bundesebene auch
Investitionsbeiträge und Finanzhilfen beschlossen werden.
Seite 2 von 3
Kommt es soweit, was ich doch sehr hoffe, so hat der Kanton Bern mit der neuen Bestimmung
schon eine Grundlage geschaffen, welche für die Existenzsicherung der Grosswasserkraft von
grosser Wichtigkeit sein kann.
Ich bin mir bewusst, dass die Senkung des Wasserzinses in Sonderfällen zu Mindereinnahmen für den Kanton Bern führen kann. Der Umfang von allfälligen Einbussen lässt sich nicht
abschätzen. Allerdings möchte ich hier nochmals betonen, dass diese Herabsetzungsklausel
nur in Ausnahmefällen zur Anwendung gelangen wird.
Ich bin überzeugt, dass wir den Grosswasserkraftwerken mit diesen Massnahmen die notwendige Unterstützung bieten können. Und dass wir so den Grundstein dafür legen, dass die
Wasserkraft im Kanton Bern langfristig ausgebaut und rentabel betrieben werden kann.
Lassen Sie mich abschliessend noch ein paar Worte zum Fahrplan sagen:
Die Revision des Wassernutzungsgesetzes soll im Mai in der vorberatenden Kommission behandelt werden. Die erste Lesung im Grossen Rat findet im September 2016 statt. Sollte der
Grosse Rat dem Antrag der Regierung auf Verzicht einer zweiten Lesung folgen, so würde
bereits im Herbst 2016 die Referendumsfrist zu laufen beginnen. Wenn alles nach Plan läuft,
kann die Regierung das teilrevidierte Wassernutzungsgesetz im Frühling 2017 in Kraft setzen.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Seite 3 von 3