WIRTSCHAFT AUS ERSTER HAND 4/2016 DE 9,00 EUR Das Heft für Stil, Mode und Luxus 46. JAHRGANG 4/2016 Audi, BMW und Co. Friede Springer Lars Windhorst Was wird jetzt aus ihrem Erbe? Die wilden Geschäfte des Finanzartisten JobDisruption Nerds gehört die Zukunft Aufsichtsratschef Paul Achleitner (l.) und CEO John Cryan DUO FATALE DEUTSCHE BANK Woran die Erneuerung des Geldhauses krankt Österreich EUR 9,80 | Schweiz sfr 14,70 Benelux EUR 10,00 | Frankreich, Italien, Portugal, Spanien EUR 10,80 | Spanien Kanaren EUR 11,00 Arbeitswelt 4.0 - Deutsche Bank - Deutsche Börse - Friede Springer - Google - Lars Windhorst - Lufthansa - Ryanair - VW - Zukunft der Autoindustrie Deutschlands digitale Car Guys AUTOINDUSTRIE UNTERNEHMEN I. Die Chefs Vor zehn Jahren waren Stadler und Fröhlich noch in der alten Welt unterwegs, mehr auf der Suche nach Produktivitätsgewinnen als nach profitablen Onlinegeschäften. Als Fröhlich 2004 mit der Arbeit an der späteren „Strategie Number One“ begann, war BMW noch „Produzent von Automobilen“. Zwei Jahre später definierte sich der Autobauer bereits als „Anbieter von Mobilität“. Erster Vorbote einer neuen Zeit. Die beiden kämpfen heute mit Gegnern, die von der Fantasie der Märkte leben. Uber etwa, von Investoren zuletzt mit rund 55 Milliarden Euro bewertet und damit auf einer Stufe mit Volkswagen. Ein Autohersteller mit 600 000 Mitarbeitern soll unter die Räder eines Taxiunternehmens geraten, das von einem großmäuligen CEO geführt wird? Das lässt viele in der Branche immer noch schmunzeln. Nicht Klaus Fröhlich. Uber habe sich unlängst quasi exklusiv die Kompetenz des Carnegie-MellonInstituts gesichert, in den USA das akademische Gehirn für künstliche Intelligenz, warnt BMWs Entwicklungsvorstand. „Wir wissen, wo Uber überall angreift“, sagt Stadler. „Die bauen gewaltige Engineering Power auf.“ Wie gefährlich die Rivalen aus dem Silicon Valley werden können, hat der Audi-Chef bei seinen Reisen nach Kalifornien begriffen. Dort sprach er immer wieder mit Managern wie Salesforce-Chef Marc Benioff (51) über die Welt der Zukunft; dem ehemaligen Google-Chef Eric Schmidt (60) schob er einen Riegel vor („das geht nicht“), als der für eine Softwarekooperation massenhaft Kundendaten abgreifen wollte. Erst verlangte Schmidt 35 Datensätze, dann 17, am Ende bekam er: 2. In Klaus Fröhlich fand Stadler einen Verbündeten, als Nokia seinen Kartendienst Here zum Verkauf stellte. Bevor andere – Google! – das Navigationsgeschäft auf ewig dominiert hätten, schlugen Audi, BMW und Mercedes mit vereinter Kraft zu. 2,4 Milliarden Euro blätterten sie für Here hin. Verteidigungskosten. Investiert zur Abwehr von Angreifern, die gewaltige Kostenvorteile haben. „Uber? Vertickt Millionen von Fahrten, ohne die Autos zu besitzen“, sagt Stadler. Wie besteht man gegen Neulinge, die praktisch ohne Fixkosten auskommen? Gegen Angreifer, die Autos bauen können, ohne Motoren- und Getriebewerke an Hochlohnstandorten finanzieren zu müssen oder ein überdimensioniertes Händlernetz. Die fast alle Zutaten zum elektrischen und selbst fahrenden Auto einfach zukaufen. Dieser Kostennachteil der Etablierten ist eines der zentralen Themen, das sich Fröhlich und sein CEO Krüger für ihre Strategie 2025 vorgenommen haben. Maximal 5,5 Prozent des Umsatzes wolle BMW in Forschung und Entwicklung investieren, so die ursprüngliche Vorgabe des Vorstands. Die Quote werden sie nicht einhalten können, das gilt intern längst als gesetzt – auch wenn es offiziell niemand bestätigen mag. Daimler hat sogar angekündigt, den Entwicklungsetat für 2016 auf rund 7,2 Milliarden Euro zu erhöhen. 2014 waren es noch 5,7 Milliarden Euro. Nur Audi will es anders schaffen. Rund 30 Prozent wolle Rupert Stadler herausschneiden aus dem Etat seiner Entwickler, berichten Ingolstädter Finanzer. 30 Prozent, das wären rund 1,3 Milliarden Euro. Das Geld soll in neue Geschäftsmodelle fließen, in eine eigene Mobilitätsplattform, in „neuartige Autos“ und in kleine Softwareeinheiten, die diese Autos mitentwickeln. „Wir müssen überall nach Wegen suchen, effizienter zu werden“, stimmt Stadler seine Leute auf magerere Zeiten ein. Seine drastischen Vorgaben sorgen intern für Aufregung. Dürfen die Entwickler zum Beispiel für ein Derivat heute noch 500 Millionen Euro ausgeben, so soll das künftig für 300 Millionen Euro gehen. Es wird weniger Modelle geben als geplant, die Zahl der TEURER BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich sieht Etatprobleme Getriebe, Schaltungen und Motorvarianten wird sinken. Wer weniger Verbrennungsmotoren baut, benötigt weniger Mitarbeiter. Das ist allen klar in Ingolstadt, so viele Elektromotoren können sie gar nicht bauen. Also rüstet man sich für einen neuen Beschäftigungspakt. Stadler, so heißt es, wolle vorsorgen: Sollte Audi in Zukunft tatsächlich mit 5000, 10 000 oder gar 20 000 Beschäftigten weniger auskommen, dann will er die notwendige Flexibilität haben. Altersteilzeit, Abfindungsangebote, natürliche Fluktuation; vieles sei möglich, auch ohne große Härten, geben Audi-Strategen den Kurs vor. Man müsse nur rechtzeitig anfangen. Die Zeiten werden schwieriger. Stadler bereitet tiefe Schnitte vor. Ab 2025 will er keine neuen Verbrennungsmotoren mehr entwickeln. Richtig gelesen: keine! II. Der Angreifer SCHNELLER Volkswagen-Digitalisierer Johann Jungwirth will früher autonom fahren K R E AT I V E R Daimler-CTO Sajjad Khan benötigt mehr IT- und Softwareexperten Im Herbst 2015 hat Tesla-CEO Elon Musk einen neuen Vertriebschef installiert. Der Mann heißt Jon McNeill (48), er hat zuvor vier Startups gegründet und geführt. „Elon schätzt Unternehmertypen“, sagt McNeill. „Weil sie fast alle schon vor dem Scheitern standen“ und – ganz wichtig – „weil sie die Krisen gemeistert haben“. Anfang März sitzt McNeill zwischen schulterhohen Stellwänden beim Genfer Autosalon. Auf dem Tisch locken Minitörtchen, fünf Meter weiter steht das neue ElektroSUV Model X. McNeill erklärt, warum Tesla so schnell ist – und die deutsche Konkurrenz so langsam. Beim Autopiloten zum Beispiel. Die beiden Tesla-Modelle S und X – andere gibt es noch nicht – bieten mehr autonome Fahrfunktionen als BMW, Mercedes und Audi, obwohl die Deutschen da eigentlich kompetenter sind. Ihr Problem: Sie sind auch risikoaverser. „Wir denken eher wie ein Softwarekonzern“, sagt McNeill. Tesla stattet seine Gefährte zu Beginn mit einer Betaversion aus. „Die ist dann schon sehr sicher, aber noch nicht perfekt.“ Sobald Tesla durch die von den Autos gesammelten Straßenund Verkehrsdaten dazulernt, wird die Software verbessert, übers 2 A P R I L 2 0 1 6 manager magazin 51 FOTOS: DPA / PICTURE-ALLIANCE (2), PR 2025 im Schnitt nicht einmal mehr auf 3 Prozent Marge (ohne Servicegeschäft). Bis 2030 werde das autonome Fahren die alte Ordnung zusätzlich durcheinanderbringen, sagt Bains Automobilchef Klaus Stricker voraus. Den Traditionskonzernen drohe eine „Degradierung“ zum reinen Zulieferer von Hardware für die neuen Herren, die Digital Car Guys. Was nun, ihr glorreichen drei? UNTERNEHMEN AUTOINDUS TRIE Internet wird der Autopilot ständig aktualisiert. Auch wer früh kauft, bleibt so nicht lange bei der Betaversion. Die Deutschen beherrschen diese Online-Updates noch nicht. Der Elektro-Emporkömmling definiert das neue Premium. McNeill wirkt wie so viele im Silicon Valley. Ein bisschen Angeber („Wir haben bei Tesla die besten Innovatoren der Welt“), ein bisschen Weltverbesserer („Ich möchte meinen Enkeln erzählen können, dass wir bei Tesla zu einer sauberen Umwelt beigetragen haben“). „Fast wie bei Bhagwan“ fühle er sich in Kalifornien, so ein deutscher Vorstand. Gut 25 000-mal hat Tesla-Chef Musk seine Limousine Model S 2015 in den USA verkauft. „Damit tun wir etwas Gutes für das Land“, erklärt er gegenüber Analysten. Denn das bedeute 25 000 Mercedes S-Klasse, Audi A8 und BMW 7er, „also Spritfresser“, weniger. Musk attackiert die Rivalen an ihrer empfindlichsten Stelle. Mit den Topmodellen verdienen sie die höchsten Margen. Und Tesla greift weiter an. 2025 will das Unternehmen so viele Autos verkaufen wie heute Mercedes. Ebnen soll den Weg zum Großserienhersteller das Model 3, ab Ende 2017 für 35 000 Dollar im Angebot (McNeill: „Der Preis gilt“), so der Plan. Das sportliche Modell soll sich an BMWs 3er messen. Zum etwa gleichen Preis verkauft VW seinen Elektro-Golf. Allerdings ist der deutlich kleiner und schafft nur 160 Kilometer Reichweite. Der Tesla soll mit einer Ladung gut doppelt so weit kommen. Ein No-Brainer solle der Tesla werden, sagt McNeill in bester Werbermanier. „Luxuriös, cool, bequem, sauber“; wer da nicht von Benzin auf Batterie umsteige, sei selbst schuld. Dann blickt er auf seine iWatch. „Rechnung“ signalisiert die. Für das Wasser vor ihm, das er kaum angerührt hat? Nein. Das Starbucks-Logo leuchtet auf. „Meine Frau hat gerade ihren Frühstückskaffee getrunken“, erklärt McNeill. „In Kalifornien. Und ich soll den jetzt bezahlen.“ Der Mann ist angekommen in der vernetzten Welt. So wie Tesla. Volkswagen, BMW und Mercedes sind es noch nicht. Und Toyota? III. Der unterschätzte Pionier Der japanische Weltmarktführer rüstet sich für die Zukunft. Und bastelt an i-Road, einer eigenen Uber-Konkurrenz. Toyota hält – trotz aller Rückschläge – an der Brennstoffzelle fest und war mit dem Hybrid Vorreiter des Elektrotrends. Vor allem aber werden die Japaner wegen ihrer 52 manager magazin A P R I L 2 0 1 6 NICHTS BLEIBT, WIE ES WAR Werden die Autokonzerne zu Kleinverdienern? Gewinn1, in Mrd. Euro Umsatzrendite2, in Prozent Autohersteller 2015 67 20253 4,3 61 2,7 Zulieferer 2015 2025 83 6,1 3 144 7,2 Neue Autodienstleistungen, Umsatzrendite2 20253 in Prozent 1 2 3 4 5 Mobilitätsplattformen 21 Autonome Fahrzeuge 10 Carsharing 9 Vernetzung und Daten 8 Neues Taxigeschäft (Uber, Lyft) 5 1| Aufaddiert für die Branche; 2| durchschnittliche Ebit-Marge (Gewinn vor Zinsen und Steuern); 3| Prognose. Quelle: Bain & Company Grafik: manager magazin operativen Exzellenz gefürchtet. Die Umsatzrendite liegt bei rund 10 Prozent, herausragend für einen Massenhersteller. Mitverantwortlich dafür ist ausgerechnet ein Franzose: Didier Leroy (58). Der Mann war einmal ein ganz normaler Werksleiter bei Renault. Bis er Ende der 90er Jahre zu Toyota wechselte, dort erst ein Werk aufbaute und dann das hochdefizitäre Europa-Geschäft sanierte. Inzwischen hat ihn Konzernchef Akio Toyoda (59) als ersten Ausländer zu einem seiner Vizechefs erkoren. Leroy verantwortet die Märkte in Nordamerika, Europa und – ja! – auch Japan; er steht für 6 Millionen verkaufte Autos und sagenhafte 18 Milliarden Euro Gewinn im Jahr. Leroy ist der Mann fürs Operative, er finanziert Toyotas Zukunft. „Das derzeitige Geschäftsmodell wird immer weniger funktionieren“, sagt Leroy. „Das Wachstumstempo wird deutlich sinken, ein zunehmender Teil des Gewinns muss aus neuen Segmenten kommen.“ Also reagiert Leroy. Fährt die Investitionen herunter, setzt auf flexiblere Werke und hält sich an das Dogma von Konzernchef Akio: „Nur so schnell wachsen, wie wir es verkraften können. Nachhaltig wie ein Baum.“ Der nüchterne Franzose wird pathetisch: „Jedes Jahr ein Ring, abhängig von Wetter und Boden mal dünner, mal breiter.“ Das mache den Konzern so stark. Auf den Tesla S und das neue Model X haben jedoch auch die Japaner noch keine Antwort. IV. Die New Kids on the Block Apple-Manager Johann Jungwirth (42) hatte Teslas Strom-SUV schon bestellt, als er las, dass Volkswagen eine neue Position im Topmanagement schaffe: einen Chief Technology Officer, einen Chefdigitalen, verantwortlich für den gesamten Konzern. Es war der Tag, an dem Matthias Müller (62) Martin Winterkorn an der Volkswagen-Spitze ablöste: der 25. September 2015. Jungwirth rief Müller an und traf ihn drei Wochen später am Stuttgarter Flughafen. Am 1. November hatte er den Job bei VW – und ein neues Auto. Jungwirth, der zuvor im Valley sieben Jahre für Mercedes und ein Jahr für Apple tätig war, ist so eine Art Agent. Er war bei Apples „Special Project“ dabei: dem iCar. Volkswagen hat Jungwirth engagiert, Daimler Sajjad Khan (41) und BMW Jens Monsees (45). Alle drei strahlen kalifornischen Fortschrittsglauben aus, und den werden sie brauchen. Denn sie sollen die deutschen Hersteller ans Web anschließen, als Disruptoren im Auftrag des Vorstands. Solche Reformer werden in großen Konzernen in der Regel nicht geliebt. Jungwirth startet mit der Zerstörung der alten Kultur im ganz Kleinen. Er lässt sich „JJ“ nennen, er möchte, „dass wir uns alle duzen“. In seinem offenen Hemd fühlt er sich „komplett overdressed“, und als er dann auch noch ein Großraumbüro für sich und sein Team einforderte anstatt möglichst vieler Fensterachsen für sich allein, war das Staunen groß in Wolfsburg. „Ich weiß, wohin ich will“, sagt Volkswagens neuer Tech-Chef. Und lässt seinen Visionen freien Lauf. Das autonome Fahren werde deutlich früher kommen, als die meisten Kollegen erwarten. Spätestens 2019 werde es in den ersten Städten so weit sein, nicht erst 2025, und zwar vollautonom, nicht nur mit Stauassistent; der Fahrer dürfe sich dann auch nach hinten setzen. Die Messias-Rolle hat es ihm angetan: 37 668 Stunden durchschnittlich am Steuer vergeudete Lebenszeit will Jungwirth den Menschen zurückgeben. Mehr als vier Jahre sind das. Und er will weltweit jährlich 1,25 Millionen Menschen vor dem Verkehrstod retten. „Mein Audi, hol mich ab“, schwärmt er bei einem Auftritt auf der
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