Kulturstrategie Vorarlberg S chrit t für S chrit t z u r K ul t u r s t r a t e g i e Es ist wirklich erfreulich, dass jetzt knapp ein Jahr nach Durchführung der groß angelegten Kulturenquete Vorarlberg ein Strategiepapier vorliegt. Die vom Kulturbeirat nominierte Arbeitsgruppe hat sich äußerst intensiv mit den Inhalten der Enquete und der Rolle von Kunst und Kultur innerhalb einer im Wandel begriffenen Gesellschaft auseinandergesetzt. Die unterschiedlichen Perspektiven wurden kritisch erörtert und die brennenden Fragen beim Namen genannt. In zahlreichen Diskussionsrunden und Abstimmungsgesprächen fand die Strategie Schritt für Schritt zu ihrer jetzigen Form. Bianca Tschaikners wunderbare Illustrationen begleiten den Text aus künstlerischer Sicht. Da der Prozess sehr breit und offen angelegt war, kommt es nicht von ungefähr, dass der „Fachbeirat Kulturelle Vielfalt“ der Österreichischen UNESCO-Kommission nun angeregt hat, den Vorarlberger Kulturstrategieprozess als exemplarische Maßnahme für die Gestaltung partizipativer Politikprozesse in den österreichischen Staatenbericht aufzunehmen. Wir freuen uns darauf, die Kulturlandschaft Vorarlbergs auch in Zukunft gemeinsam zu gestalten. Aus unserer Sicht bildet die Kulturstrategie eine optimale Grundlage für die Weiterentwicklung der Kunst und Kultur in diesem Land. Wir möchten der Strategiegruppe, dem Kulturbeirat, den Kunstkommissionen, den Expertinnen und Experten sowie allen Kunst- und Kulturschaffenden, die sich in diesen Prozess eingebracht haben, ganz herzlich danken. Markus Wallner Landeshauptmann Vorarlberg Christian Bernhard Landesrat für Kultur, Vorarlberger Landesregierung Inhalt 1. Einleitung Eine Kulturstrategie für Vorarlberg 8 2. B e f und 2.1 Gesellschaft im Wandel 12 2.2 Rollenbilder der Kunst und Kultur 15 2.3 Abriss zur Kulturpolitik nach 1945 19 2.4 Istzustand – Weit auf engem Raum 23 2.5 Kulturförderung 32 2.5.1 Politik und Verwaltung 32 2.5.2 Rechtsgrundlage 37 2.5.3 Kommissions- und Beiratsmodell 40 2.5.4 Arbeitsfelder der Kulturabteilung 43 2.5.5 Beurteilungskriterien 46 2.5.6 Bausteine der Kulturförderung 48 3. H er ausfor derungen 3.1 Kultur als Schnittstellenphänomen 52 3.2 Vielfalt gewährleisten, Zugänge ermöglichen 56 3.3 Balanceakte 59 4 . Handlungsf elder 4.1 Zusammenarbeiten 68 4.2 Impulse setzen 70 4.3 Grenzen überschreiten 74 5 . D er We g zur Str ate gie Die Autorinnen und Autoren. Der Strategieprozess Impressum 78 80 1 Einleitung 1 Eine Kulturstrategie für Vorarlberg 8 9 Eine Kultur strategie für Vorarlberg Die Kulturage nde n des Landes Vorarlberg sind auf die Abte ilunge n Wisse nschaf t und We iterbildung II b sowie Kultur IIc mit kl are n Zu stän di gke ite n nach der Geschäf tse inte ilung des Amtes der Vorarlberger Landesregier ung aufgete ilt. Eine konkrete Ü bersicht ü b e r d i e Zu s t ä n d i g k e i t s bere iche und die in de n Zuständigke itsbere ich Inhaltlicher Ausgangspunkt der Kulturstrategie ist das Kulturförderungsgesetz aus dem Jahr 2009, in dem sich das Land zur Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt des kulturellen Lebens bekennt und sich zur Förderung von Kultur verpflichtet. Das Gesetz besticht durch seinen partizipativ angelegten Entstehungsprozess sowie durch seine Kürze und Offenheit. Ausdrücklich darin formuliert sind Schwerpunktsetzungen im Bereich der Gegenwartskunst, der Erschließung des kulturellen Erbes und in Bezug auf die Notwendigkeit, günstige Rahmenbedingungen für die Zugänge zum kulturellen Geschehen zu schaffen. Mit dem Kulturförderungsgesetz wurde die rechtliche Grundlage der Kulturförderung in Vorarlberg und damit die Ausrichtung der Arbeit der Kulturabteilung aufgegleist. Der Kulturstrategie vorgelagert war ein zweijähriger Prozess, der im Februar 2015 zur Durchführung einer Kulturenquete und anschließend zur Publikation der dort gesammelten Beiträge, Rückmeldungen und Statements geführt hat. Parallel dazu wurde von Seiten des Landes-Rechnungshofes, der sich im Jahr 2014 eingehend mit dem Regelwerk der Kulturförderung beschäftigt hat, die Erstellung kulturpolitischer Leitlinien eingefordert. Im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung und in Abstimmung mit dem Kulturbeirat des Landes erarbeitete darauf hin ein Projektteam eine Kulturstrategie für Vorarlberg. der Abte ilung II b falle nde n Einr ichtunge n f indet sich im jährl i ch e n Ku l t u r b e r i cht . Die Kulturstrategie wurde von der Abte ilung Kultur erstellt und bezieht sich daher ausschließlich auf Age nde n im e ige ne n Zuständigkeitsbereich. Die Grundlage der Diskussion bildeten für die vom Beirat nominierten Personen der eigene Erfahrungsschatz und die Inhalte der Kulturenquete. Es galt, in Rückkopplung zu den Kunstkommissionen des Landes und in zahlreichen Abstimmungsrunden mit schnittstellenrelevanten Expertinnen und Experten die dabei artikulierte Kritik und die aufgeworfenen Fragen zu analysieren sowie eine Bewertung und Gewichtung der vorgebrachten Meinungen vorzunehmen. Schritt für Schritt wurde daraus eine Kulturstrategie destilliert. Im Unterschied zur Enquete, bei der die spartenbezogene Betrachtung im Vordergrund der Standortbestimmung stand, wurden nun die Querverbindungen betont, die sich durch alle Kulturfelder ziehen. Verhandelt wurde der kulturelle Spartenfächer im Grundverständnis, dass jede Form der Kultur grundsätzlich von einer Angebots- und einer Nachfrageseite zu betrachten ist. Auf der einen Seite stehen etwa die Künstlerinnen und Künstler, auf der anderen Seite diejenigen, die Kunst wahrnehmen und konsumieren. Förderanträgen hinausreichen. In der Außenwirkung geht es um Transparenz für die Kulturschaffenden. Die Feedbackschleifen, die im Rahmen der Enquete und im Anschluss daran erfolgten, gewährleisten die Bodenhaftung der Strategie. Ein Anliegen war es, die auf der Kulturenquete spürbare Aufbruchstimmung zu nutzen und relativ zeitnah zu dieser Veranstaltung konkrete Ergebnisse zu präsentieren. Ein Jahr später liegt nun das Strategiepapier vor. Ganz bewusst ist dieses im Titel mit keinem Ablaufdatum versehen. Der angedachte Horizont reicht über das Arbeitsprogramm der Landesregierung (2014 bis 2019) hinaus und soll als Handlungsmaxime Input für längerfristig relevante Fragen leisten – etwa zur Diskussion einer allfälligen Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas. Die in den Herausforderungen und Handlungsfeldern angeschnittenen Fragen, Themen und Maßnahmen liefern Ansatzpunkte für eine Evaluierung. Drei Hauptkapitel bestimmen die Gliederung: Befund, Herausforderungen, Handlungsfelder. Im Befund wird die gesellschaftliche Dimension und die Diskussion zum Mehrwert von Kunst und Kultur aufgerissen sowie die spezifische Entwicklung und aktuelle Ausgangslage der Kulturlandschaft dargestellt. Ebenso erörtert werden die Arbeitspraxis und die Systematik der Kulturförderung. Im Kapitel der Herausforderungen erfolgt die inhaltliche Gewichtung der Themen, die im Rahmen der Diskussion als zentral erkannt wurden. Dort festgeschrieben ist etwa die Notwendigkeit, Kultur als Schnittstellenphänomen zu begreifen. Anstelle einer Vorgabe von Richtwerten sind Balanceakte artikuliert, in denen schwer lösbare Konfliktfelder und damit periodisch wiederkehrende Forderungen skizziert werden. Eng verknüpft mit den zentralen Herausforderungen sind die im dritten Teil abgeleiteten Handlungsfelder, konkret die Bereiche, in denen zukünftig Schwerpunktsetzungen sinnvoll sind. Das Strategiepapier richtet sich an die Landesbevölkerung und liefert Antworten für Personen und Einrichtungen, die sich für die grundsätzliche Ausrichtung der Kulturförderung des Landes interessieren. Gefolgt wird zudem einer Grundüberlegung der Kulturenquete, nämlich die Bereiche der Politik, Verwaltung und Kulturproduktion zu synchronisieren und die damit verbundenen Rollenbilder zu aktualisieren. Demzufolge soll das Konzept das Bild der Kulturförderung schärfen und als Richtschnur einer kulturpolitischen Orientierung nach innen und außen wirken. Nach innen gilt dies vor allem im Hinblick auf periodische Schwerpunktsetzungen, die über das reine Abwickeln von In dieser Strategie manifestiert sich ein Selbstverständnis, das analog zum Kulturförderungsgesetz vom Prinzip der Offenheit ausgeht. Sie ist flexibel gedacht, um die Dynamik der Kultur und die Bandbreite kultureller Ausdrucksmöglichkeiten nicht in ein starres Korsett zu schnüren. Mitgedacht ist die Notwendigkeit des Wandels, des Experiments und des Unerwarteten. Ungeachtet der vielschichtig entwickelten Kulturlandschaft ist es dem Strategieteam ein besonderes Anliegen, keine affirmative Beschreibung des Istzustandes zu leisten, sondern gerade durch die Beschäftigung mit den brennenden Konfliktthemen Problemfelder in ihrer Ambivalenz zu skizzieren. Von Seiten des Kulturlandesrates Christian Bernhard wurden die Autorinnen und Autoren ermutigt, die wirklich kritischen Fragen zu diskutieren. Gefordert waren klare Bekenntnisse und Schwerpunktsetzungen. Eingeflossen sind in das Strategiepapier die Beiträge von der Kulturenquete 2015, der Bericht des LandesRechnungshofes 2014, die Kulturberichte des Landes Vorarlberg und diverse Kulturkonzepte von Städten und Ländern. Die Künstlerin Bianca Tschaikner wurde beauftragt, Illustrationen für die Publikation zu entwerfen, in denen manche Themen und Schlagwörter mit künstlerischen Mitteln kommentiert werden. Das Gestaltungsteam der Agentur Zeughaus ist für das Layout verantwortlich. Landeshauptmann Markus Wallner hat in seinem Eröffnungsstatement zur Kulturenquete nach dem Beitrag von Kunst und Kultur in jenen Bereichen gefragt, die uns als Gesellschaft intensiv beschäftigen. Das vorliegende Papier beantwortet diese Frage in Bezug auf die strategische Ausrichtung der Landeskulturförderung mit drei Leitthemen, die hinsichtlich einer weiteren Kulturentwicklung mitzudenken sind: An erster Stelle steht das Prinzip der Zusammenarbeit und das damit verbundene Bewusstsein für Schnittstellen, Koordination und Vernetzung. Zweitens ist es notwendig, in Form periodischer Schwerpunkte möglichst flexibel Impulse zu setzen. Dies betrifft etwa die Jugend, die Freiwilligenarbeit oder die Museumslandschaft. Wichtig ist drittens auf Seiten des Landes eine Grundhaltung der Offenheit, die nachhaltige Akzente der Grenzüberschreitung möglich macht. 2 Befund 12 2.1 G esellschaf t im Wandel Für die strategische Entwicklung der Kultur in Vorarlberg ist es unabdingbar, sich die derzeit stattfindenden und für die Zukunft abzeichnenden gesellschaftlichen Veränderungen in einem größeren Kontext vor Augen zu führen. Die Gesellschaft verändert sich fortlaufend. Phasen scheinbarer Stabilität und Kontinuität wechseln im Fluss der Zeit mit Phasen des Wandels und der Umbrüche. Vorarlberg ist keine Insel, sondern ökonomisch (Exportwirtschaft, Tourismus), ökologisch (Klimawandel, Ressourcenverbrauch, Artenvielfalt), sozial und gesellschaftspolitisch (Zuwanderung aus der EU und von Drittstaatsangehörigen, Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung) sowie kulturell (Identität, Werte) eng verwoben mit der Welt. Wie etwa anhand der aktuellen Flüchtlingsbewegungen sichtbar wird, hat selbst das, was weit weg auf einem anderen Kontinent passiert, ganz konkrete Auswirkungen auf uns und unser Leben hier. Zahlreiche Indikatoren weisen darauf hin, dass wir uns in Zeiten eines weltweiten und grundlegenden Umbruchs befinden. Wa c h s t um s m ot o r s t ot t er t Der Wachstumsmotor stottert. Das primär auf Wachstum basierende Wirtschaftsmodell, das uns in den letzten Jahrzehnten einen nie gekannten Wohlstand beschert hat, gerät immer mehr an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Die Wachstumsraten sind weltweit rückläufig und nur um einen sehr hohen sozialen und ökologischen Preis (Artensterben, Klimawandel) aufrechtzuerhalten. Längst ist offensichtlich, dass der erreichte Wohlstand nicht nachhaltig ist. Zunehmend stellt sich weltweit die Frage, ob die Fokussierung auf das Wirtschaftswachstum allein genügt, um die erreichten Standards langfristig abzusichern. L e er e öf f ent li c h e K a s s en Die öffentlichen Kassen leeren sich. Stark steigende Kosten für Soziales, Gesundheit, Bildung, Pensionen und Sicherheit belasten die Staatshaushalte. Während die öffentlichen Aufgaben und mit ihnen die Ausgaben ständig wachsen, stagnieren die staatlichen Einnahmen oder sind tendenziell rückläufig. Selbst über Jahrzehnte sparsam haushaltende Länder wie Vorarlberg müssen deshalb mittelfristig mit der Gefahr von Budgetdefiziten rechnen oder zumindest Rücklagen auflösen, um ausgeglichen wirtschaften zu können. Kurzund mittelfristig wird der Spielraum für Ermessensausgaben kleiner. Gleichzeitig gibt es zahlreiche internationale Großkonzerne, die keine oder nur geringfügig Steuern bezahlen. Die Vermögens- und Einkommensunterschiede wachsen. Soziale Spannungen und Verteilungskonflikte werden auch aufgrund des fehlenden Wirtschaftswachstums zunehmen. Steigende Mobilität und Diver sität Die Menschen werden mobiler. An einem Ort geboren zu werden bedeutet nicht mehr, dass man am selben Ort aufwachsen, arbeiten und sterben wird. Neben der steigenden Mobilität der hier geborenen Menschen führen auch Zuwanderungs- und Flüchtlingsbewegungen zu einer wachsenden gesellschaftlichen Vielfalt und Diversität. Sich verschlechternde Lebensbedingungen aufgrund von politischen Krisenherden, oft aber auch in Kombination mit Klimawandel, zwingen immer mehr Menschen, ihre Heimat zu verlassen. Die gelungene Integration zugezogener Menschen, insbesondere wenn diese aus einem anderen Land mit anderer Herkunftssprache, anderen Traditionen uvm. kommen, ist bereits jetzt eine große Herausforderung und wird in den kommenden Jahren zu einer noch größeren werden. D em o gr af i s c h er Wan d el Die Gesellschaft wird nicht nur mobiler und vielfältiger, sondern auch ihre demografische Zusammensetzung ist im Wandel begriffen. Die Geburtenüberschüsse werden geringer, das Durchschnittsalter steigt. Insgesamt wird die Bevölkerungszahl Vorarlbergs in den kommenden Jahrzehnten jedoch zuwanderungsbedingt weiter wachsen. 14 2 Befund 2.1 Gesellschaft im Wandel 15 2. 2 Rollenbilder der Kunst und Kultur A r b ei t s m ar k t im U m b r u c h Der Arbeitsmarkt befindet sich weltweit im Umbruch. Die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung, in der Produktion, in der Verteilung von Gütern und im Dienstleistungssektor, sowie die damit einhergehenden Produktivitätsgewinne verändern die Arbeitswelt grundlegend. Die Globalisierung lässt die Welt zusammenwachsen. Unklar ist, ob im gleichen Ausmaß neue Beschäftigungsmöglichkeiten entstehen wie Arbeitsplätze durch diese Entwicklungen verloren gehen. P o li t ik v er dr o s s enh ei t Zu konstatieren ist eine allgemeine Politikverdrossenheit. Das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des politischen Systems schwindet. Politische Parteien und Gewerkschaften verlieren an Mitgliedern, und die Wahlbeteiligung sinkt. Gleichzeitig wird der Ruf nach stärkerer Einbeziehung und Beteiligung der Bürgerschaft an politischen Prozessen lauter. Alle diese Veränderungen werden sich auf die Kulturarbeit in Vorarlberg auswirken – ob direkt, was die Künstlerinnen und Künstler, die Kulturanbietenden und das Publikum betrifft, oder indirekt, in Bezug auf Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten. Klar ist, dass sich das gesamte sozial-politische System im Umbruch befindet. Es stellt sich die grundlegende Frage, wie es uns gelingen kann, die Lebensqualität langfristig zu sichern. Um dies zu beantworten, bedarf es inhaltlicher Reflexion und innovativer Ansätze. Alle gesellschaftlichen Kräfte sind gefordert, zusammenzuarbeiten und sich diesen Herausforderungen gemeinsam zu stellen. An diesem Punkt können Kunst und Kultur ansetzen. Es ist nicht Aufgabe eines Strategiepapiers, der umfangreichen wissenschaftlichen Theoriebildung zu Kunst und Kultur weiteren Stoff hinzuzufügen. Dennoch wird hier grundsätzlich auf die Rollenbilder der Kunst und Kultur eingegangen, die aus Sicht der Arbeitsgruppe relevant sind. Obwohl es auf den ersten Blick einfach sein müsste, diese Rollenbilder darzustellen, ist dem nicht so, weil es die eine Kultur und Kunst nicht gibt. Ablesbar wird dies an den Deutungsversuchen und Neubestimmungen des Kulturbegriffs durch die Kulturphilosophie und -forschung. Rückblickend manifestiert sich Kultur in diesen Festschreibungsversuchen als dynamisches Phänomen und Kulturkritik als Interpretationsleistung. Das, was jeweils unter Kultur verstanden wird, fußt auf dem Selbstverständnis der jeweiligen Zeit, mit den daraus ableitbaren Anschauungen, Bedeutungsinhalten und Ansprüchen. Die Freude am Entdecken und die Lust am Neuen sind oftmals die Triebfedern großer Entwicklungen und Kulturleistungen. Diese dem Menschen eigene Innovationskraft zielt nicht unmittelbar auf einen verwertbaren Nutzen ab. Damit klingt eine Kultur an, die abseits tradierter Modelle zum Unbekannten und Anderen strebt. In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf die Herkunft des Begriffes Kultur. Ausgehend von der indogermanischen Wurzel kuel (sich drehen, wenden) geht die Entwicklung im Lateinischen über colere (wohnen, pflegen) schließlich zu cultura. Verstanden wurde darunter das Urbarmachen des Bodens. Auch heute ist diese Bedeutung im Sinne der Kultivierung einer Landschaft noch gegenwärtig. Lange Zeit wurde daher unter Kultur all das verstanden, das im Gegensatz zur Natur vom Menschen selbst gestaltend geschaffen wurde. Unter diesem typisch europäischen Ordnungsfilter sind Kulturleistungen umfasst, die von Umgestaltungen eines gegebenen Materials ausgehen, wie in der Bildenden Kunst, in der Technik oder in Form geistiger Errungenschaften im Recht oder in der Wissenschaft. Da auch die Natur nur mittels Kulturtechniken mess- und beschreibbar wird, scheint letztlich im weitesten Sinn alles Kultur zu sein. Tatsächlich ist es unmöglich, sich der Kultur zu entziehen, weil sie auf eine oft kaum wahrnehmbare Art und Weise den Alltag bestimmt. Die Welt um uns ist voller Dinge, die der Kulturtätigkeit entspringen. Diese Kulturgüter können nach ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten in ein größeres weltanschauliches, bedeutungsstiftendes Ganzes eingebunden sein. Für unser Denken und Handeln sind sie mit symbolischen, narrativen und ästhetischen Geltungsansprüchen verbunden. Am besten nachvollziehbar ist dieses Phänomen in der Sprache, die als Zeichensystem hilft, die Welt zu strukturieren, sie zu verstehen oder das eigene Empfinden zum Ausdruck zu bringen. Kultur ist ein Orientierungssystem, welches für eine Gruppe von Menschen gilt und deren Verhalten bestimmt. Verhandelt werden damit das Innen, das Außen und die Abgrenzung einer Gruppe. Mode oder Architektur zum Beispiel sind kulturelle Bausteine, mit denen auf diese Weise Identitätsbildung stattfindet. Bezieht man auch die Ebene der praktischen Handlungen, der Rituale, der Realität des Kulturgeschehens und die von der Kunst selbst generierten Sinn- und Ordnungssysteme mit ein, zeigt sich die Vielschichtigkeit der Kultur. Kultur ist kein starres System, sondern ein dynamisch bewegtes Verhandlungsfeld. Das Spektrum der mit dem Begriff Kultur assoziierten Felder umfasst alle möglichen Tätigkeiten und Aufgabengebiete. Der inflationäre Gebrauch des Wortes unterstreicht dies. Bezeichnungen wie Unternehmenskultur, Streitkultur, Bewegungskultur oder Genusskultur sind Beispiele dafür. Wird ein Gegenstand oder eine Tätigkeit mit dem Etikett Kultur versehen, wird er oder sie gleichzeitig mit einem besonderen Wert ausgezeichnet und auf ein anderes Betrachtungsniveau gehoben. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Ver- 2 Befund 2.2 Rollenbilder der Kunst und Kultur wendungen und die Vielfalt konkurrierender wissenschaftlicher Definitionen erscheint es sinnvoll, besser von vielen Kulturbegriffen zu sprechen. Kultur muss somit als eine Variable verstanden werden, die von den spezifischen Parametern und Blickwinkeln der jeweils mit ihr befassten Fachgebiete abhängig ist. Kultur ist in diesem Sinne eine mögliche Rahmung der Welt, die einen bestimmten Ausschnitt mit Sinn und Bedeutung auflädt. Kulturforschung erfordert daher die inhaltliche Diskussion zahlreicher Schnittstellenphänomene. Moderne Kulturen sind komplex und durch eine Vielzahl von Lebensstilen geprägt. Mehrheits-, Sub- und Alternativkulturen koexistieren. Die Bedeutung einer alleingültigen, von einer gemeinsamen Religion, Sprache, Tradition und Geschichte geprägten Leitkultur ist tendenziell rückläufig. Die Auffassung der Kultur als ein abgeschlossenes System, in dem man sich als homogene Gruppe von anderen Einflüssen gänzlich abgrenzen kann, ist in Zeiten der Globalisierung und digitalen Vernetzung fragwürdig geworden. Wir verreisen, leben neben- und miteinander und werden voneinander inspiriert. Im Zusammenhang mit den Zuwanderungsund Flüchtlingsbewegungen geht es darum, Wege ausfindig zu machen, wie Kunst und Kultur dazu beitragen können, Menschen und Völker zusammenzubringen und den Dialog der Kulturen zu stärken. Die Vorstellung von Transkulturalität basiert auf dem Faktum kultureller Vermischung. Sie setzt nicht nur auf das friedliche Nebeneinander oder den Austausch in dafür vorgesehenen Räumen. Transkulturalität ist die Forderung nach einer Kultur, die sich nicht an den herkömmlichen Kriterien wie Sprache oder Geschichte orientiert, sondern an den Grundbedürfnissen und Gemeinsamkeiten aller an einem Ort lebenden Menschen. Da unser Handeln durch die Brille jener Kultur gesehen wird, die uns in unserem Leben vorwiegend geprägt hat, sind Missverständnisse vorprogrammiert. Die Vorstellung der Konstruktion von kultureller Einigkeit ist herausfordernd. Wenn im geschichtlichen Rückblick das Christentum zwar zur Gleichberechtigung von Menschen beigetragen hat oder im Zeitalter der Aufklärung die Rationalität gesiegt hat, ist es sicherlich fraglich, wie viel sich hinter den plakativen Überschriften kultureller Identifikation tatsächlich verbirgt und wie nachhaltig sich diese auf Individuen übertragen lassen. Es steht fest, dass sich Kulturen verändern – langsam im Fundament der sozialisierten Wertvorstellungen (etwa Rollenbilder) und etwas schneller in den Oberflächenphänomenen. Die Idee einer Kulturannäherung bedarf eines langwierigen Transformationsprozesses. Unter diesen Vorzeichen ist Kultur die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Ein übergreifendes Moment kulturellen Lebens ist der Bezug zur Tradition. Traditionen definieren geografische Räume, in denen Unterschiedlichkeit aber auch Ähnlichkeit konstatiert werden können. Im Vergleich mit dem Anderen stellt sich die Frage nach Zugehörigkeit und Abgrenzung. Diese Möglichkeit zur Differenzierung unterstützt die Konstruktion eines kulturellen Selbstbewusstseins. Zur Sicherung einer Tradition oder kultureller Fähigkeiten kommen kulturelle Praktiken wie die Verschriftlichung zum Einsatz. So werden mit jeder Generation wiederum Wissen und kulturelle Fähigkeiten angereichert, aktualisiert und physischen wie virtuellen Archiven hinzugefügt. Vor allem in der Museumslandschaft zeigt sich die Kulturarbeit in ihrer Speicherfunktion. Hier geht es um Gegenstände, die wir auf heben, sammeln, bewerten und in Zusammenhängen ausstellen, um Objekte, auf die wir uns als aussagekräftige Belege unserer Geschichte verständigen, aber auch um Erzählformen, die wir gesellschaftlich verhandeln. Kultur ist in diesem Zusammenhang Ausdruck und Erweiterung eines kollektiven Gedächtnisses. 17 18 2 Befund 2 . 2 R o l l e n b i l d e r d e r K u n s t u n d K u l t u r 19 2. 3 Abriss zur Kulturp olitik nach 1945 Für eine Begriffsklärung der Kultur liefert die manchmal etwas unscharfe Abgrenzung zur Kunst zusätzliche Irritationsmomente. Einfach gesagt ist die Kunst ein Kulturprodukt und damit stets auch selbst Teil der Kultur. Eine Gesellschaft, die Kunst ermöglicht, fordert und fördert, ist somit eine Kulturgesellschaft. Nicht jede kulturelle Leistung ist jedoch automatisch Kunst. Versteht man unter dem Begriff Kultur die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen, die eine Gesellschaft charakterisieren, so ist das Feld der Kunst weitaus enger im Kanon der tradierten Kultursparten verortet. Im Bereich der Bildenden oder Darstellenden Kunst, der Musik oder im Film sind mit Kunst vorerst die qualitativen Spitzenleistungen gemeint. Die Parameter der Qualitätsbeurteilung hängen jedoch nicht allein vom technischen Können ab, sondern von einer Reihe an Bewertungskriterien, die im Laufe der Kunsttheorie und Kunstgeschichte entwickelt wurden und sich immer wieder verändern. Als Resultat eines offenen Kreativprozesses ist die Kunst in ihren Ergebnissen kaum vorhersehbar. Sie bestimmt die Spielregeln selbst und ist widersprüchlich in ihren Konzepten und Zielbildern. Heute stehen neben den klassischen Kunstauffassungen des 19. Jahrhunderts gleichberechtigt die von der Moderne geprägten Stilrichtungen und die gänzlich offenen Werkkonzeptionen zeitgenössischer Kunst (Konzeptkunst, Land Art). Kunst trägt den Geist der Offenheit, der Zweckfreiheit und das Moment der Irritation in sich. Sie hat die Rolle des Unbequemen, ist Erneuerungskraft und Sollbruchstelle des guten Geschmacks. Aus diesem Grund ist sie nur bedingt konsumierbar und zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nur selten mehrheitsfähig. Die Kunst ist ein vereinbarter Freiraum einer Kulturgesellschaft. Es ist der Raum, in dem Irritation und Chaos möglich sind, in dem sich Dinge entwickeln können, in dem das Experiment und damit verbunden die Möglichkeit des Scheiterns erlaubt sind. Auf einer Metaebene fungieren Kunst und Kultur hier als Seismografen oder Katalysatoren einer gesellschaftlichen Entwicklung. Ihre Aufgabe ist es, vielleicht Bilder und Antworten zu finden für die Herausforderungen unserer Zeit, oder in passenden Medien Kultur für die Nachwelt zu sichern. Rückblickend lassen sich aus der Menschheitsgeschichte Kunst und Kultur als gesellschaftliche Korrektive herauslesen. Im Rahmen von Kulturprozessen wird dem Neuen und dem Ungeordneten Struktur gegeben. Manches wird damit erklärbar, manches bleibt jedoch ein Rätsel. Neben diesem ernsten aufklärerischen Moment ist der Kunst und Kultur auch die Freiheit einzugestehen, nur gute Unterhaltung oder den ästhetischen Wahrnehmungsgenuss zu ermöglichen. In beiden Fällen erfolgt die Kulturarbeit nicht im luftleeren Raum, sondern in tradierten oder eigens zu entwickelnden Formaten. Mit Spannung zu verfolgen ist, wie sich innerhalb einer Gesellschaft, in der zunehmend alles möglich scheint, auch die Rolle der Kunst ändern wird. Um der potenziellen Starrheit von Richtlinien entgegenzuwirken, ist an dieser Stelle von Seiten des Landes in der Förderabwicklung Flexibilität gefordert. Die Kulturenquete Ende Februar 2015 hat deutlich gezeigt, wie stark sich die Kulturlandschaft Vorarlbergs in den letzten Jahrzehnten verändert und entwickelt hat. Nicht nur das kulturelle Angebot ist beachtlich größer geworden, auch das kulturpolitische Klima hat sich stark geöffnet. Unbestritten gibt es heute in Vorarlberg eine über politische Parteigrenzen hinaus geteilte Einschätzung, den Status quo in der Kunst und Kultur als Ausdruck einer offenen Zivilgesellschaft wertzuschätzen. Das war nicht immer so. 1971 hatte die Vorarlberger Landesregierung das Open-Air-Festival Flint II auf der Ruine Neuburg bei Götzis aus Gründen des Landschaftsschutzes verboten – die Initiatoren des im Echo von Woodstock angelegten Festivals mussten es auf der gerade im Bau befindlichen Autobahn symbolisch zu Grabe tragen. Heute schaut man auf ein solches Ereignis mit großem Staunen und Kopfschütteln zurück, ebenso wie auf das Twistverbot von 1962 oder das Aufführungsverbot für die „Lustige Witwe“ von Franz Lehár in den 50er-Jahren. Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über das Werden einer Kulturlandschaft und über die Kulturpolitik in Vorarlberg von 1945 bis in die Gegenwart. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Annahme, dass die Kultur seismografische Hinweise auf Wechselwirkungen zwischen Politik, Wirtschaft und Kultur zulässt. Nachgezeichnet in deren Bedeutung für die Kulturpolitik werden die wesentlichen Entwicklungslinien, Kontinuitäten, gesellschaftspolitischen Verdrängungs- und Veränderungsprozesse sowie Zäsuren. Die Kulturpolitik eines Landes ist eng an dessen „politische Kultur“ gebunden.1 Die beiden Landeshauptmänner nach 1945, Ulrich Ilg und Herbert Kessler, hatten die Kulturpolitik „zur Chefsache erklärt“. Ein ausgeprägtes katholisches Weltbild und eine restaurative Grundhaltung lassen sich insbesondere in der Kulturpolitik unter Arnulf Benzer, der als 1 2 3 leitender Kulturbeamter des Landes bis in die Mitte der 70er-Jahre das Sagen hatte, nachweisen. Dies ist unter anderem ablesbar an der Schriftstellerförderung, den Literaturpreisen und Buchankäufen, an der Zensurpolitik sowie an den Spielplänen der Vorarlberger Landesbühne und der Bregenzer Festspiele, für die der damalige LH Ulrich Ilg absolut nichts übrig hatte – sie seien nur „hinausgeworfenes Geld“.2 Daneben gibt es in der Landesgeschichte Vorarlbergs Kontinuitäten, die in die Zeit des Nationalsozialismus reichen und maßgeblich mit einer Person, dem langjährigen Landesamtsdirektor Elmar Grabherr, verknüpft sind. Grabherr war eine schillernde und vieldiskutierte Persönlichkeit der Vorarlberger Zeitgeschichte und viele Jahre lang einer der mächtigsten Männer des Landes. Sein Einfluss, unter anderem auf die Zensurpolitik, war groß. Aus den Aktenbeständen der Landesregierung geht beispielsweise hervor, dass jede Abweichung von den Spielplänen – obwohl die Landesbühne bereits ein Privatunternehmen war – unverzüglich dem Leiter der Kulturabteilung, Arnulf Benzer, mitzuteilen war. Die Textbücher mussten zur Einsicht vorgelegt werden und wurden mit einem Kommentar versehen zurückgesandt.3 In den Jahren bis 1970 hatte sich jedoch vieles in Ansätzen grundlegend verändert. Die bis dahin zumeist geschlossene Welt mit all ihren Abgrenzungs- und Abschottungsversuchen war nicht mehr länger zu halten. Eine Zäsur ist oben genannt: Das Open-Air-Festival Flint I. Die Welt war nach außen und nach innen durchlässig geworden. Hinzu kommt ein wirtschaftspolitisch-gesellschaftlicher Aspekt, der die gesamte Entwicklung maßgeblich mit beeinflusste. Was 1950 mit der Gründung des Grafikstudios „Vorarlberger Graphik“, einer Kooperation zwischen Othmar Motter, Hans Kaiser und Sylvester Lička, begonnen hatte, Klaus von Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, Opladen/Wiesbaden 1998, S. 9f. Ulrich Ilg, Meine Lebenserinnerungen, Dornbirn 1985. Leo Haffner, Ein besessener Vorarlberger. Elmar Grabherr und die Ablehnung der Aufklärung, Hohenems 2009. 2 Befund 2.3 Abriss zur Kulturpolitik nach 1945 unterstützte sukzessive das „Going Abroad“, das „In-die-Fremde-gehen“ vieler Vorarlberger Firmen und brachte eine vitale wirtschaftliche Dynamik ins Land. Die Entwicklungen der Moderne kamen von außen und von überall – die Türen des Landes waren in beide Richtungen geöffnet. Dies verlangte auch nach einer anderen Dimensionierung der Bildung und machte die Notwendigkeit nach mehr internationaler Bildung klar. In dieser, sich solcherart differenzierenden industrialisierten Welt konnte man nicht mehr regieren wie in den 50er- und 60erJahren. Auf der nationalen Ebene spiegeln sich diese Entwicklungen in der mit der Regierung Kreisky einsetzenden Politik der Reformen, u.a. in der Bildungs- und Kulturpolitik. Damit begann in Österreich ein Diskurs über Kunst, eine Öffnung hin zur Klärung von Fragen der Kritik und der Vermittlung der Zeit. Dieser Diskurs reichte hinein in andere politische Handlungsfelder, in soziale, ökonomische und kulturelle, insgesamt in demokratiepolitische. Natürlich gab es heftige Konflikte zwischen den unaufhaltsamen Änderungen und den Hüterinnen und Hütern der Moral und der landesgeschichtlichen Ideologie, welche nach 1945 das gesellschaftliche Leben Vorarlbergs bestimmte. Wiederum war die Kunst der seismografische Anzeiger für den Wandel. So bezeichnete etwa der Germanist Eugen Thurnher, neben Grabherr und Benzer einer, der die „Landestugenden von Fleiß, Sparsamkeit und Strebsamkeit“ hochhielt, die Literatur eines Michael Köhlmeier und die in den „Neuen Texten“ von Walter Fink publizierten Autorinnen und Autoren als „Kreaturen, die Subventionen brauchen und Dreck produzieren“.4 Eine Öffnung der Kulturpolitik erfolgte unter Martin Purtscher, Landeshauptmann von 1987 bis 1997. Dieser übertrug die Kulturagenden an Landesrat Guntram Lins. Das Auftauchen des als weltanschaulich liberal geltenden Lins wurde in der Kulturszene Vorarlbergs sehr begrüßt, wobei man 4 5 6 hinzufügen muss, dass es eine allgemeine Auf bruchsstimmung und einen großen Nachholbedarf gab, was Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre zur Gründung mehrerer kulturpolitischer Initiativen geführt hatte. Die Aktivisten trafen sich in ihren Ideen vielfach mit jenen, die die Flint- und RandspieleÄra oder die Wäldertage (1973 bis 1977) durchlebt hatten und die sich gegen die begriffliche Aufspaltung in eine „Hoch(subventionierte)Kultur“ und eine „Alternativkultur“ zur Wehr setzten.5 Es entstanden zahlreiche Kulturinitiativen, wie das Theater am Saumarkt in Feldkirch, der Verein allerArt in Bludenz, und in Dornbirn formierte sich mit dem Kulturversuch „Wecken und Animieren“ als Vorläufer des Spielbodens der Verein Offenes Haus, um nur einige wenige zu nennen. Sie waren in ihren Konzepten zum Teil beeinflusst von den über den Rhein nach Vorarlberg herüber reichenden Ausläufern der Zürcher Jugendbewegung – „Züri brännt“6 – und profitierten subventionsmäßig von der Konkurrenzsituation zwischen Bund und Land. Dieser Kulturboom in Vorarlberg verlief parallel zu ökonomischen Entwicklungen. Für stark exportorientierte Firmen und für den Wirtschaftsstandort Vorarlberg war die Frage des kulturellen Angebots, als sogenannter weicher Standortfaktor, wichtig geworden. Kulturlandesrat Lins war einer der Ersten, der die Zusammenhänge von Wirtschaftsstandort und Kulturangebot erkannte. In den 80er- und 90er-Jahren hat er einiges in Bewegung gebracht und vorausblickende Schritte gewagt. Lins hat nicht nur zahlreiche ganzjährig tätige Kulturinitiativen im Land gefördert und das Jüdische Museum in Hohenems mitgetragen, sondern auch das Kunsthaus Bregenz, das in den darauf folgenden politischen Konstellationen und Konjunkturlagen vermutlich nicht mehr zu realisieren gewesen wäre. Er unterstützte auch das neue Konzept der Bregenzer Zit. nach NEUE Vorarlberger Tageszeitung, 12.12.1977, in: Meinrad Pichler, Das Land Vorarlberg 1861 bis 2015, Innsbruck 2015. Peter Niedermair, Kulturpolitik in Vorarlberg. Anmerkungen zur Kulturbetriebsamkeit, in: Gaismair-Jahrbuch 2005, S. 228. Markus Sieber et al., Züri brännt. Das Buch zum Film, Zürich 1981. 21 22 2 Befund 2.3 Abriss zur Kulturpolitik nach 1945 23 2.4 Ist zust and – Weit auf engem Raum M u s e en Festspiele, die Bregenzer Dramaturgie, mit der Alfred Wopmann das Ereignis auf der Seebühne vom Touch des Operettenhaften befreite und zu einem international rezipierten Erfolg machte. Das noch in Kreiskys Zeiten gültige Oppositionspaar „Hochkultur versus Alternativkultur“ war längst überwunden. Unter Landesrat Hans-Peter Bischof, der die Lins’sche Kulturpolitik konsequent fortsetzte, verzeichneten die Budgetvolumina im Bereich von Kunst und Kultur in Vorarlberg jährliche Steigerungsraten. Kulturlandesrat Markus Wallner reihte sich in dieses Kontinuum ein. Der „Spirit“ des Landes öffnete sich für alle Kulturschaffenden sowie Künstlerinnen und Künstler wohltuend, wenngleich es Konfliktstoff gab, der bis heute virulent ist, etwa in Bezug auf die ganzjährig agierenden freien Kulturveranstalter, die sich in der kulturellen Grundversorgung engagieren und ihre kulturpolitischen Forderungen wiederholt in der IG Kultur Vorarlberg vertreten. Sie weisen zurecht auf die nicht immer ausreichende Unterstützung durch Landessubventionen hin, obwohl gerade das Land gegenüber dem mitunter zurückhaltend agierenden Bund und einzelnen Gemeinden wiederholt in die Bresche gesprungen ist. In der politischen Verantwortung von Wallner, Kaufmann und Sonderegger lagen der Neubau und die inhaltliche Neuausrichtung des Vorarlberger Landesmuseums. Eine gute Strategieentwicklung bedarf einer soliden und ungeschönten Darstellung der Ausgangslage. Wer das folgende Kapitel liest, sollte einen Eindruck davon bekommen, wie die Vorarlberger Kulturlandschaft derzeit aussieht und von welchen Akteurinnen und Akteuren sie gestaltet wird. Wer andere Kulturlandschaften gut kennt, sollte außerdem in der Lage sein, die vorliegende Darstellung für einen Vergleich heranzuziehen. Dabei geht es ausdrücklich nicht um eine quantitative Analyse, sondern um ein Verzeichnis der einzelnen Sparten und ihrer Aktivitäten. Zum Zweck der Gliederung der Darstellung wird das sogenannte LIKUS-System (Länderinitiative Kulturstatistik) angewandt, das Mitte der 90er-Jahre speziell im Hinblick auf die Erfordernisse einer vergleichenden Kulturberichterstattung und Kulturstatistik in einem föderalistischen System entwickelt wurde.7 Wesentliche Quellen für die folgende Darstellung sind der Kulturbericht und die Publikation der Ergebnisse zur Kulturenquete Vorarlberg 2015. Der vorliegende Text bezieht sich ausschließlich auf die im Jahr 2015 gegebenen Verhältnisse, greift also nicht auf frühere Entwicklungen zurück. Aufzählungen von kulturellen Einrichtungen oder die Nennung von Akteurinnen und Akteuren erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Derzeit amtierender Landesrat für Kultur ist der Arzt Christian Bernhard, der den Strategieprozess angeregt und aktiv mitgestaltet hat. Wenn Landeshauptmann Wallner anlässlich der Eröffnung der unter dem Motto „Vermessung einer Kulturlandschaft“ veranstalteten Kulturenquete 2015 nach den Beiträgen aus Kunst und Kultur zu den brennenden Fragen der heutigen Zeit fragte und aufforderte, diese Auseinandersetzung sehr kritisch und kreativ, vernetzt und engagiert zu führen, dann tat er dies ganz im Sinne jenes neuen Kulturförderungsgesetzes von 2009, das er maßgeblich mitverantwortete. Der neue Geist, der mit diesem Gesetz spürbar und zu Papier gebracht wurde, ruft die Politik, die Verwaltung und die Kulturschaffenden auf, einen kritischen Diskurs über die Fragen der Kultur zu führen und gemeinsam Antworten zu entwickeln. Wallners Nachfolgerin nach den Landtagswahlen im September 2009 war die vormalige Dornbirner Kulturstadträtin Andrea Kaufmann, die mittlerweile Bürgermeisterin in ihrer Heimatstadt ist. In ihre Amtszeit fallen starke Akzente im Bereich der Kulturvermittlung. Ebenso hat sie die Weichen für die Architekturausstellung „Getting Things Done“ gestellt, die dann von ihrem Nachfolger Harald Sonderegger, dem jetzigen Landtagspräsidenten, international auf Reise geschickt wurde. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die größten wissenschaftlichen Einrichtungen, die Fachhochschule Vorarlberg, Schloss Hofen, die Öffentlichen Büchereien und Bibliotheken sowie Institutionen der Erwachsenenbildung, die sich ebenfalls als Einrichtungen mit kulturellem Auftrag verstehen und im Kulturförderungsgesetz verankert sind. Diese befinden sich, so wie die Archive, das Landeskonservatorium, die Landesbibliothek und das Felder-Archiv, im Zuständigkeitsbereich der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung. Vorarlberg verfügt über 50 Museen, zwei große und zahlreiche kleinere. Das vorarlberg museum in Bregenz (früher Vorarlberger Landesmuseum) versteht sich seit seiner Neueröffnung 2013 als Universalmuseum, jedoch ohne dauerhafte Präsentation seiner Kunstsammlung und ohne naturwissenschaftliche Sammlung. Letztere hat ihren Platz in der inatura in Dornbirn. Hervorzuheben ist, dass das vorarlberg museum in bestimmten Bereichen eng mit kleineren Lokalund Regionalmuseen kooperiert. In den Städten sowie in größeren Gemeinden und in den Tälern gibt es Museen oder permanente lokalgeschichtliche Ausstellungen unterschiedlichen Zuschnitts. In Dornbirn und Bludenz sind es klassische Museen der Stadtgeschichte, in Bregenz eine stadtgeschichtliche Dauerausstellung, in Feldkirch ein Burgmuseum und in Hohenems das Jüdische Museum. In den Regionen haben manche Einrichtungen mit einer thematischen Spezialisierung ihrer Dauer- oder Sonderausstellungen überregionale Bedeutung gewonnen. Dazu gehören das Frauenmuseum Hittisau, die Montafoner Museen, das Klostertal Museum und das Egg Museum, das Lechmuseum, das Angelika Kauffmann Museum Schwarzenberg oder das Museum Rhein-Schauen in Lustenau. Daneben oder in Kooperation mit solchen Museen spielen das Landesarchiv sowie Stadt- und Gemeindearchive (Zuständigkeit Abteilung IIb) eine wichtige Rolle. Sie treten ihrerseits immer wieder mit thematisch spezialisierten Ausstellungen hervor. Für die jüngere Entwicklung der Museumslandschaft haben lokale private und kommunale Initiativen eine besondere Bedeutung. Die meisten der kleineren Museen haben einen aktiven Museumsverein als Träger oder Unterstützer im Hintergrund. Die aus mindestens vier Museen und weiteren Sammlungen bestehende Vorarlberger Museumswelt in Frastanz ist ein besonders vielschichtiges Statistik Austria: http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_ und_kultur/kultur/kulturfinanzierung/021557.html [Stand: 5.1.2016]. 7 2 Befund 24 2.4 Istzustand – Weit auf engem Raum Ergebnis einer solchen Initiative und verweist auf das große Potenzial der Freiwilligenarbeit. Dazu kommt eine Vielzahl privater Sammlungen, die zum Teil für Besucherinnen und Besucher museal auf bereitet sind, etwa das Puppenmuseum Blons, das Radiomuseum Lustenau, Stoffels Säge-Mühle in Hohenems oder das Museum für Druckgrafik in Rankweil. schiedlichen Formen von baukulturellen Denkmälern wie Burgen oder Industriebauten haben sich eigene, zum Teil schon lange bestehende Initiativen gebildet, die sich um die Erhaltung und zunehmend auch um die museale Aufbereitung kümmern. Ein Beispiel ist der Vorarlberger Landesmuseumsverein, der in Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt und dem Land die „Burgenaktion“ organisiert. WichtigsFast alle Museen haben sich in den letzten ter Partner für Erhaltungen und neue UnterJahren im Hinblick auf die Erfassung und Beschutzstellungen ist das Bundesdenkmalamt. handlung ihrer Bestände sowie in Bezug auf Dies ist für die Förderabwicklung der Kulturabdie museumspädagogische Arbeit, zum Teil teilung ebenso relevant wie für die Eigenmit erheblicher Unterstützung des Landes, tümerinnen und Eigentümer. In Abstimmung professionalisiert. Angesichts der Fülle privater mit dem Bundesdenkmalamt wird seit Jahren Sammlungen sowie neuer Sammlungsgebiete auch in den Erhalt nicht denkmalgeschützter stellt sich die Frage ausreichender Depoträume. baulicher Kulturgüter investiert. Dies belegt Zu den neuen Entwicklungen gehören die etwa das Sonderförderprogramm „Kulturlandvirtuelle Musealität, welche durch die digitale schaftsfonds Montafon“. Die Attraktivierung Erfassung verschiedener privater und öffentdes baukulturellen Erbes ist eine Kulturverlicher Bestände permanent anwächst, sowie mittlungsaufgabe. Für regelmäßige öffentliche die regionale Vernetzung bestehender Museen Aufmerksamkeit sorgt etwa der bundesweite und Sammlungen. Ein großes industriege„Tag des Denkmals“, an welchem auch in schichtliches Museum ist ein Desiderat, für Vorarlberg der Zugang zu vielen privaten welches derzeit konzeptuelle Vorbereitungen Objekten ermöglicht wird. geleistet werden.8 H eim at- un d B r au c ht um s pf l e g e B auk ul t ur ell e s E r b e In der Heimat- und Brauchtumspflege ist der Das baukulturelle Erbe Vorarlbergs entspringt einem Zeitraum vom Neolithikum bis zur Gegenwart. Der Bogen spannt sich von der Archäologie bis zur zeitgenössischen Architektur. Entsprechend vielfältig sind die Herausforderungen zu seiner Sicherung, Erhaltung und Präsentation. Neben Einzelobjekten baulicher und baukünstlerischer Art umfasst dieses Erbe auch ganze städtische und dörfliche Wohn- und Industrieensembles sowie Kulturlandschaften. Konkrete Beispiele sind Alpgebäude und Maisäße, Industrie- und Verkehrsinfrastrukturbauten wie die Arlberg- und die Wälderbahn oder Flussverbauungen zur Wasser- und Energiegewinnung. Rund ein Drittel der Denkmäler ist in kirchlichem Besitz. Weitere sind im Besitz von Land, Kommunen und Privaten. Für die unter- Landestrachtenverband mit rund 60 Mitgliedsvereinen für Tanz-, Musik- und Trachtenbrauchtum der größte Fördernehmer. Dazu kommen Einrichtungen wie das Volksliedwerk und das Heimatwerk. Fasnatzünfte, der Verein der Vorarlberger in Wien und die Schützenvereine komplettieren das Bild. Einen eigenen Bereich stellen die zum Teil ebenfalls geförderten Kulturvereine der zugewanderten Bevölkerungsgruppen dar. Hier handelt es sich sowohl um die Traditionsvereine der zugewanderten Menschen aus anderen österreichischen Bundesländern und aus Südtirol als auch um Traditionspflegevereine der neueren Zugewanderten aus der Türkei, aus Ex-Jugoslawien, Osteuropa und außereuropäischen Ländern. Ein langjähriges, von einem eigenen Verein getragenes Projekt Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Industriegeschichte, sofern diese nicht im Rahmen der Einrichtung eines neuen Museums erfolgt, fällt in den Zuständigkeitsbereich der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung. 8 25 zur gemeinsamen Präsentation aller Zuwanderergruppen in Vorarlberg war die seit 1992 periodisch in Bregenz stattfindende Veranstaltung „Unser aller Ländle“. Eine Herausforderung für die zukünftige Arbeit und die Förderung von öffentlicher Hand besteht in der Frage, wie sich angesichts der langen Präsenz einzelner Zuwanderergruppen eine Trennung in „einheimische“ und „fremde“ Traditionsvereine überhaupt argumentieren lässt. L i t er at ur Vorarlberg hat als kleines Bundesland eine erhebliche Zahl von Autorinnen und Autoren hervorgebracht. Einige haben überregionale Bedeutung im deutschen Sprachraum erlangt. Diese Entwicklung hat sicherlich auch mit der Literaturförderung des Landes zu tun sowie mit den in Vorarlberg etablierten Kleinverlagen und medialen Präsentationsformaten. Der Autorenverband Literatur Vorarlberg bietet den Schriftstellerinnen und Schriftstellern die Möglichkeit öffentlicher Auftritte und agiert als Interessenvertretung für literarische Anliegen. Der Verein hat sich in den letzten Jahren schwerpunktmäßig junger Literaturschaffender angenommen und neue Initiativen in der Ausbildung (Schreibworkshops) ebenso wie in der Vermittlung (Lesungen, Literaturblogs, Theateraufführungen) geschaffen. Damit ist es gelungen, auch ein jüngeres Publikum zu gewinnen. Für die Ausweitung und Stärkung der Literaturszene, sowie im Sinne einer besseren Vernetzung und Koordination aller literaturproduzierenden und -vermittelnden Einrichtungen, wurde im Herbst 2015 mit der Initiative Netzwerk Literatur eine Halbtagsstelle bei Literatur Vorarlberg eingerichtet. Seit vielen Jahren hat auch die Vorarlberger Mundartszene eigene Auftritts- und Veröffentlichungsmöglichkeiten. Hier überschneiden sich Musik und Literatur. Ein wesentlicher Produzent und Veranstalter ist das Landesstudio Vorarlberg des Österreichischen Rundfunks. Eine weitere Rolle spielen private Veranstaltungsinitiativen wie der rheintalweit grenzüberschreitende mundartMai sowie Kleinverlage und Tonstudios mit ihren Editionen. Zu den Präsentationsorten für Literatur gehören neben den öffentlichen Bibliotheken viele Vorarlberger Kulturveranstalter und zunehmend auch Museen und Gemeindearchive. Das Land Vorarlberg, Hohenems und Hard sowie das Theater am Saumarkt in Feldkirch loben periodisch Literaturpreise aus. Die Vorarlberger Landesbibliothek (in der Zuständigkeit der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung) ist mit dem angeschlossenen Franz-Michael-Felder-Archiv der zentrale Ort der Dokumentation bisherigen literarischen Schaffens in Vorarlberg und ein Forum der Präsentation aktuellen Schreibens. L an d e s k un d e Die Landeskunde gehört zu den kulturellen Aktivitäten mit der längsten Tradition – dies in Gestalt des Landesmuseumsvereins, der seit 1857 wirkt. Neben diesem Geschichtsverein mit seinen spezialisierten Ausschüssen existieren weitere landesübergreifende Einrichtungen wie die Rheticus-Gesellschaft oder die J.-A.-Malin-Gesellschaft sowie zahlreiche regionale und lokale Geschichts- und Kulturvereine. In Ergänzung zu den Buch- und Internetveröffentlichungen dieser Vereine gibt es stadt- und regionalgeschichtliche Reihen und Zeitschriften etwa in Bludenz, in Dornbirn oder im Montafon als auch regelmäßig erscheinende historische Beilagen zu Gemeindeblättern. Wichtige Dokumente lokaler Landeskunde sind die von etlichen Gemeinden herausgegebenen Heimatbücher. Lokalgeschichtliche Dauer- oder Sonderausstellungen, wie im Gemeindeamt Koblach zur lokalen Ur- und Frühgeschichte oder in der Mittelweiherburg in Hard zur Entwicklung des örtlichen Textildruckwesens, vermitteln ebenso landeskundliche Inhalte. Nicht zu vergessen sind die inzwischen im Internet aufrufbaren Informationen 2 Befund 26 2.4 Istzustand – Weit auf engem Raum 27 D ar s t ell en d e K un s t T h e at er, Tan z , P er f o r m an c e zur Geschichte des Landes und einzelner Orte. Die zehnmal im Jahr erscheinende Zeitschrift „Kultur“ ist das zentrale Medium in der Veröffentlichung aktueller Kulturthemen. Im Februar 2016 erschien bereits die 300. Ausgabe. Behandelt werden das regionale Theater-, Musik- und Ausstellungsgeschehen sowie gesellschaftspolitische Fragestellungen. Im Online-Portal der „Kultur“ finden sich aktuelle Rezensionen, ein umfassender Veranstaltungskalender und das vollständige Archiv. In der Dokumentation und Vermittlung der Landeskunde haben neue Formate und Medien Platz gegriffen: Dazu zählen die meist von Archiven und Kulturinitiativen veranstalteten lokalen Zeitgeschichts- und Erinnerungs-Workshops, Erzählcafés, Zeitzeugenabende und Aktionen zur Dokumentation der Ortsgeschichte mittels Fotografien, Briefen und dergleichen. Ein Handlungsfeld ist die angemessene Erfassung der Geschichte der älteren und neueren Zuwanderungsgruppen. Eine erste professionelle Initiative auf diesem Gebiet ist das in Hohenems beheimatete Vielfaltenarchiv. Eine Herausforderung für die Zukunft ist die Sicherung von Ressourcen für Institutionen wie Gemeindearchive und lokale Kultur- und Geschichtsvereine zur professionellen Dokumentation, Präsentation und Vermittlung. Ergänzend angeführt seien die vielfältigen Aufgaben, die von der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung wahrgenommen werden. Dies umfasst das Landesarchiv als zentrale Stelle des Landesgedächtnisses, die Förderung von Zeitschriften und Publikationen, etwa zu den Vorarlberger Mundarten, die Erstellung der Vorarlberg Chronik und vieles mehr. M u s ik Das gut ausgebaute Musikschulwesen in Vorarlberg und das Landeskonservatorium (beides in der Zuständigkeit der Abteilung IIb) garantieren eine musikalische Ausbildung auf hohem Niveau.9 9 Darüber hinaus verfügt Vorarlberg über eine qualitative Vielfalt von Musikszenen, Konzertreihen und Programmen. Neben den praktisch in jedem Ort bestehenden Blasmusikvereinen und Chören gibt es zahlreiche Volksmusikgruppen, Rock- und Popbands sowie Klassikund Jazzensembles. Eine Sonderstellung hat sicherlich das Symphonieorchester Vorarlberg, das mittlerweile auf eine 30-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken kann. Daneben finden sich weitere Orchester auf hochprofessionellem Niveau, wie etwa Concerto Stella Matutina, Arpeggione oder das Jazzorchester Vorarlberg. Eine weitere Facette des reichen Kulturangebots sind die Opern-, Operetten- und Musicalproduktionen, wie sie das Musiktheater Vorarlberg oder die Unterhaltungsgruppe Ludesch präsentieren. Profis und Amateure arbeiten hier erfolgreich zusammen. Während die lokalen Chöre und die Blasmusikvereine durch Verbände vertreten sind, ist die Rock- und Jazzszene weitgehend individuell organisiert. Besonders prägend für diese Szenen sind Lehrende und Studierende an den örtlichen Musikschulen (Zuständigkeit Abteilung IIb), insbesondere auch an den Jazzseminaren in Dornbirn und Lustenau. Neue Akzente in der Musik setzen die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik, die vom Verein allerArt kuratiert werden, und das ensemble plus. Zudem hat sich in den letzten Jahren eine junge Jazzszene etabliert, die international Erfolge feiert. Im Umfeld der Vorarlberger Jugendzentren ist eine Art „Underground“ in Form einer eigenen Musik- und Tanzkultur entstanden, in der auch Angehörige der zweiten Migrantengeneration ihren Platz finden. Es ist gerade diese Szene, die sich lokal zunehmend entgrenzt, indem sie ihre Produktionen über YouTube und andere soziale Medien einem größeren Publikum präsentiert. Das Vorarlberger Landeskonservatorium (VLK, in der Zuständigkeit der Abteilung IIb) ist das Kompetenzzentrum für die höhere Musikausbildung in Vorarlberg. Das Landeskonservatorium ist nicht nur Ausbildungsstätte auf hohem Niveau, sondern bietet auch für andere Einrichtungen eine Plattform für Aus- und Weiterbildung. Dazu bringt sich das VLK intensiv in das regionale Kulturleben ein und ist zentraler Ansprechpartner für die Musikvermittlung. Vgl. Zielbild Vorarlberger Landeskonservatorium GmbH, Juli 2013. Die renommierteste Theaterinstitution ist zweifellos das Vorarlberger Landestheater. Der Spielplan deckt ein breites Spektrum ab. Im Programm geboten werden sowohl die Klassiker, das Zeitgenössische, Musik- und Jugendtheater als auch Inszenierungen an Außenspielstätten. Die zweite stationäre Bühne mit laufendem Betrieb ist das private Off-Theater Kosmos in Bregenz. Neben österreichischen Erstaufführungen und Produktionen junger Autorinnen und Autoren wird mit dem Kosmodrom eine Plattform für junge Vorarlberger Theaterschaffende bereitgestellt. Darüber hinaus besteht eine lebendige freie Szene von professionellen Theatern, die über kein Haus verfügen. Dazu zählen u.a. das aktionstheater ensemble, das projekttheater, das walktanztheater, Theater Wagabunt, dieheroldfliri.at und viele andere mehr. Homunculus in Hohenems bietet seit 25 Jahren Puppentheater vom Feinsten. Das Kinderund Jugendtheater ist breit entwickelt. Beispiele dafür sind das Theater der Figur mit seinem Festival Luaga & Losna, Theater im Ohrensessel und andere Anbieter mit Vermittlungskompetenz. Der interkulturelle Verein MOTIF stellt durch seine jährlichen Produktionen ein Forum für kulturübergreifendes Theaterschaffen bereit, das ein buntes Publikum anzieht. Die zahlreichen Vorarlberger Amateurtheatergruppen sind unter dem Dach des Landesverbandes für Amateurtheater versammelt. Stückwahl und Aufführungsintervalle sind höchst unterschiedlich. Herausragende Beispiele für jahrzehntelange Theatertradition, anspruchsvolle Stücke und hohes Niveau sind der Theaterverein Bizau und die Spielgemeinde Schlins. Etablierte Formate im Genre Tanz sind die Tanzfestivals Bregenzer Frühling sowie tanz ist in Dornbirn. Einen großen Stellenwert hat der seit 2007 bestehende Interessenverband netzwerkTanz, der sich grenzüberschreitend um die Anliegen der Tänzerinnen und Tänzer bemüht. 2016 wurden in Dornbirn eigene Räume bezogen, die für Trainings und künstlerische Prozesse genutzt werden können. Gruppen wie Tanzufer, bewegungsmelder und spodium zeigen deutlich, dass sich der Tanz längst als eigene Sparte herausgebildet hat. Zahlreiche Tanzgruppen, etwa für Jazzdance oder Tango, stehen für eine lebendige Szene. Mit der Tanzabteilung der Musikschule Dornbirn (Zuständigkeit Abteilung IIb) und anderen privaten Anbietern ist eine qualitative Weiterentwicklung des Tanzes gesichert. Im Umfeld der Jugendzentren hat sich zudem eine eigene Hip-Hop-, Breakdance- oder Capoeira-Szene entwickelt. G r o ß v er an s t al t er, F e s t i v al s Das dominierende Ereignis der Vorarlberger Festivalszene sind natürlich die Bregenzer Festspiele, die schwerpunktmäßig dem Musiktheater zuzurechnen sind. Dazu kommen in den Begleitprogrammen Theater und Konzerte. Ebenfalls von internationaler Bedeutung, mit einem Fokus auf klassische Musik, ist die in Hohenems und Schwarzenberg stattfindende Schubertiade. In allen Regionen Vorarlbergs finden sich Festivals, die in der Regel ein spartenübergreifendes Programm anbieten. Beispielhaft angeführt sind der biennal organisierte Walserherbst im Großen Walsertal, septimo im Montafon, die poolbar und die noch jungen Montforter Zwischentöne in Feldkirch oder Caravan in Lustenau und Bregenz. Diese Festivals werden überwiegend von privaten Vereinen und Initiativen getragen. Städte und Gemeinden setzen zusätzliche kulturelle Schwerpunkte mit eigenen Veranstaltungen. B il d en d e K un s t Das Kunsthaus Bregenz ist die dominierende Einrichtung für die zeitgenössische Bildende Kunst. Für das lokale Kunstschaffen ist es zwar weniger bedeutend, da es kaum Vorarlberger Künstlerinnen oder Künstler präsentiert. Gleichzeitig trägt das Kunsthaus mit seiner Architektur und dem Programm enorm zum internationalen Ruf Vorarlbergs als „cultural hub“ bei. Außenprojekte, wie die spektakuläre Landschaftsinstallation 28 2 Befund 2.4 Istzustand – Weit auf engem Raum „Horizon Field“ von Antony Gormley (2010 bis 2012), verdeutlichen die Strahlkraft dieser Institution. Ebenso hat sich das neu ausgerichtete vorarlberg museum als Ausstellungs- und Vermittlungsplattform für Gegenwartskunst etabliert. und Stipendien, die das Land vergibt. Durch die verpflichtende Widmung von einem Prozent der Errichtungskosten öffentlicher Bauten für baubezogene Kunstwerke findet mittels Wettbewerben oder Direktaufträgen eine zusätzliche öffentliche Kunstförderung statt. Vorarlbergs Künstlerinnen und Künstler haben ihren Platz vorrangig in den Sammelausstellungen und Personalen der Berufsvereinigung der bildenden Künstlerinnen und Künstler in Bregenz sowie bei KunstVorarlberg in Feldkirch, einem eigenen Zusammenschluss von Kunstschaffenden. Mit dem Magazin4 in Bregenz, dem Kunstraum Dornbirn, der Johanniterkirche und dem Palais Liechtenstein in Feldkirch, der Galerie des Vereins allerArt in Bludenz sowie dem Kunstforum Montafon in Schruns gibt es weitere weitgehend öffentlich finanzierte Ausstellungsorte für internationale und regionale Kunst. Das Rohnerhaus in Lauterach und der Otten Kunstraum in Hohenems beherbergen jeweils eigene spezialisierte Privatsammlungen, stehen aber auch immer wieder für Sonderausstellungen zur Verfügung. Der Kulturbericht 2014 führt 16 private Kunstgalerien auf. Darüber hinaus gibt es private Sammlungen und kommunal programmierte Ausstellungsorte. Die Art Bodensee in Dornbirn bietet als jährliche Kunstmesse eine Auftrittsmöglichkeit für Galerien aus Vorarlberg und den Nachbarländern. Für die geschichts-, kultur- und sozialwissenschaftliche Forschung (Zuständigkeit Abteilung IIb) ist das künstlerische Medium Fotografie besonders interessant. Derzeit wird das von der Vorarlberger Landesbibliothek angekaufte fotografische Gesamtwerk von Nikolaus Walter katalogisiert. Durch die Fotosammlung dieser öffentlichen Einrichtung werden auch andere Genres fotografischen Schaffens, vor allem Presse- und Ansichtskartenfotografie, in den Korpus bewahrenswerter Kulturdokumente aufgenommen. Eine beispielgebende Rolle in der Setzung von Standards für systematische Erfassung, Katalogisierung und Konservierung von Fotografien hat das Stadtarchiv Dornbirn inne. Eine Herausforderung für Archive und Museen ist es, angesichts der digitalen Bilderschwemme Sammelkriterien für Fotografie als künstlerisches und sozialdokumentarisches Medium festzulegen. Das Land Vorarlberg hat durch seine langjährige, seit den 70er-Jahren von der Kunstkommission begleitete Ankaufspolitik einen Querschnitt durch das Vorarlberger Kunstschaffen nach dem Zweiten Weltkrieg angelegt. Die Bestände finden sich größtenteils im Depot des vorarlberg museums. Künstlerinnen und Künstler werden durch Ankäufe und Projektbeiträge gefördert. Eine offene Frage ist, wie diese Ankäufe und die daraus resultierende Sammlung historischer und zeitgenössischer Vorarlberger Kunst besser sichtbar gemacht werden können. Überlegungen zu einem Schaudepot sind in diesem Zusammenhang eine mögliche Variante. Ein weiteres Förderinstrument sind die Preise F ilm , K in o , V i d e o In der Vorarlberger Film- und Kinoszene kann erst einmal grob nach Produzenten und Veranstaltern unterschieden werden. Zu letzteren gehören das renommierte Nenzinger Kurzfilmfestival Alpinale und die Kluser kurzFilmnacht in Klaus. Ebenso Veranstalter sind die Kinos und – oftmals in Kooperation mit ihnen – die privaten Filmclubs, welche gemeinsam ein vielfältiges und qualitätsvolles Filmangebot gewährleisten. Insgesamt ist die Sparte Film ein wachsender Bereich kultureller Produktion. Ausdruck davon ist das Filmwerk Vorarlberg, das sich als Qualitätsgemeinschaft von Filmund Musikschaffenden versteht. Lebendige Impulse kommen vom Nachwuchs, der nicht zuletzt durch den Intermedia-Studiengang der Fachhochschule Vorarlberg generiert wird. 30 2 Befund 2.4 Istzustand – Weit auf engem Raum 31 A r c hi t ek t ur Von Seiten des Landes wurde gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft, des Tourismus und der Kultur die Vorarlberger Filmförderung erweitert. Eingerichtet wurde eine separate Förderschiene, mit der speziell Filme unterstützt werden, die Vorarlberg als Kultur-, Wirtschafts- oder Tourismusstandort thematisieren. K ul t ur ini t i at i v en , Z ent r en Fast alle größeren Vorarlberger Orte verfügen über Kulturinitiativen und Kulturzentren. Diese in einigen Fällen über viele Jahre gewachsenen Einrichtungen sehen sich als regionale Kulturvermittler, die niederschwellig einen Raum für die Rezeption von und die Partizipation an Kunst und Kultur anbieten. So arbeiten sie intensiv mit engagierten Kunstund Kulturschaffenden zusammen und ziehen oft auch Interessierte von weiter her an. Aus der Fülle herausgegriffen sind hier beispielhaft die Kammgarn Kulturwerkstatt in Hard, das Kulturforum Bregenzerwald, der Kulturverein Bahnhof in Andelsbuch, der Spielboden in Dornbirn, das Theater am Saumarkt und die poolbar in Feldkirch, die Artenne in Nenzing, die Propstei St. Gerold sowie die Vereine kult pur in Nüziders und allerArt in Bludenz. Zu diesen Vereinen kommen noch zahlreiche Einzelpersonen als Kulturveranstalter hinzu, etwa das Gasthaus Krone und die Holzwerkstatt Markus Faißt in Hittisau. Im Segment der Kulturinitiativen und -zentren finden sich zudem spartenübergreifende Gruppen, die kaum schlüssig im Korsett einer LIKUS-Kategorisierung fassbar sind. Das betrifft die Schnittstellen zur Jugendkulturarbeit, zum Sport (Artistik) und zu kommerziellen Anbieterinnen und Anbietern, aber auch die interkulturellen Vereinsaktivitäten und neuen Experimentierfelder. Als Interessenvertretung dieser Kulturinitiativen besteht die IG Kultur Vorarlberg, ein eigenständiger und unabhängiger Verein, der stark mit der IG Kultur Österreich und den IGs in anderen Bundesländern kooperiert. Sie bietet Beratungs- und Serviceleistungen für Kulturschaffende, unter anderem in Sozialversicherungs- und Urheberrechtsfragen, und publiziert Untersuchungen zu den Bedingungen des Kulturschaffens in Vorarlberg. Die Kulturvereine sind in der Regel auf ein hohes Engagement unbezahlter Freiwilliger angewiesen, selbst dann, wenn sie über eine professionelle Kernstruktur verfügen. Als Veranstalter sind sie in Vorarlberg unverzichtbar. Ihre Stärken liegen in der Unterstützung kultureller Initiativen vor Ort, im Anbieten von Ressourcen (Proberäume, Produktionsstätten, etc.) und in der Zusammenarbeit mit anderen lokalen Einrichtungen. Kulturinitiativen sichern landesweit die kulturelle Vielfalt und die Beteiligung kulturell interessierter Menschen. Gleichzeitig leisten sie einen wichtigen Beitrag zu lebenswerten Verhältnissen in der Region, weil sie Vorarlberg insgesamt ein kulturelles Angebot bescheren, das es quantitativ und qualitativ mit einer mittleren Großstadt aufnehmen kann. Die kleinen Kulturveranstalter sehen sich zumindest förderungspolitisch mitunter im Schatten der großen, landeseigenen Institutionen. Da diese ebenfalls einen Auftrag zur kulturellen Grundversorgung der Bevölkerung haben, ist ein Konfliktpotenzial zwischen Anstellungsverhältnissen und ehrenamtlicher Struktur gegeben. Die kommenden Herausforderungen werden nicht nur in einer tragfähigen Gestaltung dieses Verhältnisses bestehen, sondern auch in einem gelingenden Generationswechsel der Trägerinnen und Träger der genannten Kulturinitiativen. Sie sind oft aus der alternativkulturellen Dynamik der 70er- und 80er-Jahre hervorgegangen und müssten nun für Nachwuchs sorgen. Inzwischen verfügt Vorarlberg seit Jahrzehnten über eine hohe internationale Reputation als Architekturland. Moderne Architektur ist zu einem Aushängeschild geworden. Ein Beispiel dafür ist der preisgekrönte, von Bernardo Bader erbaute Islamische Friedhof in Altach. Die Krumbacher Bus-Wartehäuschen (BUS:STOP Krumbach), die von renommierten Architektinnen und Architekten aus aller Welt realisiert wurden, unterstreichen, dass sich architektonische Highlights nicht nur auf die urbanen Räume, sondern auf ganz Vorarlberg erstrecken. Peripherie ist auf diese Weise kein Nachteil, sondern Überraschungskapital und Markenzeichen. beiden Messen ArtDesign Feldkirch und Unikat B in Bludenz sind Plattformen für den Auftritt der Designszene. Für den Bereich Mediendesign gibt es einen eigenen Studiengang an der Fachhochschule Vorarlberg (Zuständigkeit Abteilung IIb), welcher gerade auch im Hinblick auf den gesellschaftlich wichtigen Diskurs über Medien, Mediennutzung und Digitalisierung von Relevanz ist. Int er n at i o n al er K ul t ur au s t au s c h Zur Darstellung des kulturellen Schaffens eines Landes gehören auch die öffentlich finanzierten Möglichkeiten eines internationalen Kulturaustausches. In Vorarlberg sind das etwa die Stipendien für Artist-in-Residence-Projekte Für das internationale Ansehen der zeitgenössiim Ausland. Vorarlberg finanziert auf diese schen Architektur hat das Vorarlberger ArchiWeise Aufenthalte in Paliano bei Rom sowie tektur Institut (vai), eine von Architekten selbst Austauschprojekte mit Bilbao (Spanien) ins Leben gerufene Initiative, eine entscheidenund Nida (Litauen). Darüber hinaus werden de Rolle gespielt. Das Kunsthaus Bregenz hat zahlreiche Auslandsprojekte von Kulturschafdiese Wirkung durch seine Architektur, Ausstelfenden mit Förderbeiträgen unterstützt oder lungen und zahlreiche Architekturpublikationen, als Impulsprojekte abgewickelt. Die Arbeit in in denen auch Vorarlberg prominent aufscheint, der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) verstärkt. Das Architekturarchiv des vorarlberg ist ein Beispiel für grenzüberschreitende Kulmuseums befindet sich derzeit im Aufbau. turkooperationen. Zu erwähnen sind außerDas Land Vorarlberg hat durch die gezielte Fördem die von St. Gallen initiierte Ausstellung derung von mobilen Architektur- und Design„Heimspiel“ oder aktuell der Künstleraustausch ausstellungen immer wieder zur Schaffung des mit Liechtenstein. Für den Austausch und die internationalen Rufs der Architektur beigetragen. Vernetzung von Kulturschaffenden in der Bodenseeregion ist auch die Einbindung von H an dwer k , K r e at i v wir t s c h af t Expertinnen und Experten aus NachbarlänMit der Architektur untrennbar verbunden sind dern in den Kunstkommissionen ein sinnDesignleistungen der Innenarchitektur und Gevolles Instrument. Ein wichtiger Aspekt der brauchsgüter wie Möbelstücke, Lichtkörper oder Internationalisierung sind des Weiteren KunstKüchen. Ohne die zumeist von Architektinnen und Kulturschaffende, die außerhalb Vorarlund Architekten ausgehenden Impulse wäre bergs leben, doch mit ihren Arbeiten in beispielsweise der Werkraum Bregenzerwald in Vorarlberg und auf die Region wirken. Dazu Andelsbuch als Vorzeigeprojekt des Vorarlberger zählen etwa die bildenden Künstler Ruth Handwerks nicht denkbar. Neben den DesignSchnell und Wolfgang Flatz, der Designer leistungen des Handwerks gibt es auch jene Stefan Sagmeister oder der Komponist der Vorarlberger Kreativwirtschaft in Bereichen Georg Friedrich Haas. Die Ausformung einer wie Grafik- und Mediendesign oder Modedynamischen Kulturlandschaft lebt von und Produktdesign. Sie finden heute ihren Platz den Wechselwirkungen zwischen dem Innen in den regelmäßigen Präsentationen des und Außen. designforum Vorarlberg in Dornbirn. Auch die 32 2. 5 Kultur f örderung 2. 5 .1 Politik und Ver waltung A r b ei t s p r o gr amm Teilhabe verstärken Vielfalt absicher n At traktivität des Kulturstandor ts erhalten Nachvollziehbare Kulturf örder ung Neuausr ichtung vorarlberg museum Konsolidier ung Landestheater Inter nationaler Austausch Das Arbeitsprogramm der Regierung von 2014 bis 2019 ist mit dem Ziel „Vorarlberg gemeinsam gestalten“ betitelt. In dem der Kultur gewidmeten Kapitel formuliert die Landesregierung folgende Grundsätze und Schwerpunktziele: Die Landesregierung bekennt sich zur Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt des kulturellen Lebens in unserem Land, mit dem Ziel einer möglichst breiten Teilhabe aller Bevölkerungsschichten. Vorarlberg konnte sich in den letzten Jahren als attraktiver Kulturstandort im Bodenseeraum etablieren. Der gute Ruf der heimischen Kulturlandschaft stützt sich dabei sowohl auf renommierte Institutionen als auch auf viele Vereine und Verbände. Den kulturellen Reichtum in Vorarlberg zu erhalten, zu fördern und zu unterstützen, ist das Hauptziel der Vorarlberger Landesregierung. Kulturelles Gedächtnis Kulturförderung ist eine wesentliche Investition in die Gesellschaft, welche zur Vielfalt der kulturellen und künstlerischen Ausdrucksformen beiträgt. Neben der Erschließung des kulturellen Erbes gilt das besondere Augenmerk der Landesregierung der Förderung der zeitgenössischen Kunst. Daher ist neben der heimischen Kunst- und Kulturproduktion im Sinne einer weltoffenen und selbstkritischen Gesellschaft auch der internationale Austausch zu forcieren. Industr iegeschichte • Filmf örder ung Kultur und Tour ismus Freifahr t f ür Kultur Statistische Daten Teilhabe verstärken: Am kulturellen Leben aktiv oder passiv teilzuhaben ist ein Grundbedürfnis. Es ist deshalb ein erklärtes Ziel der Landesregierung, einem größeren Anteil der Bevölkerung öffentlich finanzierte oder mitfinanzierte Kulturangebote näher zu bringen. Dazu bedarf es verstärkter Impulse in der Kulturvermittlung und einer intensiven Zusammenarbeit von Kultur- und Bildungseinrichtungen. Attraktive und innovative Konzepte sollen die Teilnahme und Teilhabe der Vorarlberger Bevölkerung am kulturellen Geschehen im ganzen Land erhöhen. • Vielfalt absichern: Um die kulturelle Vielfalt abzusichern, agiert die Landesregierung als verlässliche Partnerin auch der privaten Kultureinrichtungen (Vereine, Verbände), die als wichtige Akteure in den Regionen des Landes Kulturangebote als öffentliches Gut bereitstellen. Vorarlberg als attraktiven Kulturstandort im Bodenseeraum erhalten: Es gilt, international anerkannte und etablierte Einrichtungen wie die Bregenzer Festspiele, das Kunsthaus Bregenz, das vorarlberg museum, das Landestheater, das Jüdische Museum Hohenems oder auch die inatura in Dornbirn weiterhin in ihren Aktivitäten bestmöglich zu fördern und zu unterstützen, ebenso wie die regionalen Kulturträger, die traditionellen Kulturverbände (z.B. Blasmusikverband, Chorverband, Trachtenverband, Landesverband für Amateurtheater) und zahlreiche Projekte und Initiativen im ländlichen Raum. Damit soll sichergestellt werden, dass Kultur auch in Zukunft überall im Land spürbar und erlebbar ist. • Nachvollziehbare Kulturförderung: Die Effizienz und Transparenz der Förderungen werden durch zeitgemäße Richtlinien, die jährliche Veröffentlichung im Kulturbericht, ein fortlaufendes Monitoring sowie durch die bewährten Instrumente der Qualitätssicherung in den verschiedenen Kunstkommissionen gewährleistet und ständig weiterentwickelt. Dies wird über angemessene Landesbeiträge zum Betrieb u.a. auch in Form von mehrjährigen Fördervereinbarungen erreicht. Es wird sichergestellt, dass diese Instrumente auch für Nachwuchskünstlerinnen und Nachwuchskünstler gelten. Die Basis dafür bildet das Kulturförderungsgesetz. • 34 2 Befund 2.5 Kulturförderung 2 . 5 . 1 Po l i t i k u n d Ve r w a l t u n g Neuausrichtung vorarlberg museum: Die inhaltliche Neuausrichtung setzt auf eine verstärkte Vernetzung mit anderen Museen und Einrichtungen im Land, grenzüberschreitend auf die Intensivierung der Kooperation mit anderen Institutionen und auf den vermehrten Einsatz zeitgemäßer, attraktiver Formate zu Fragen der „Vorarlberger Identität“. • Landestheater: Die in den vergangenen Jahren begonnene, dynamische Entwicklung mit Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater sowie Musiktheater wird konsequent weitergeführt. • Internationaler Austausch: Die bereits bewährten Formate zum Künstleraustausch, die Nutzung von Auslandsateliers zur künstlerischen Weiterentwicklung heimischer Kulturschaffender oder die Möglichkeiten, Kunstwerke im Ausland zu präsentieren, werden fortgeführt und weiterentwickelt. Architektur aus Vorarlberg ist Gegenstand der Wanderausstellung „Getting Things Done“, die seit 2015 in den weltweit insgesamt 30 Österreichischen Kulturforen gezeigt wird. Die internationalen Austauschaktivitäten werden mit Hilfe von Residencies verstärkt und für alle Sparten geöffnet. • Förderrichtlinien Film: Für die Förderung des Genres Film wurde ein neues Modell entwickelt, welches neben dem künstlerischen Aspekt besonders regional-wirtschaftliche und standort-touristische Effekte berücksichtigt. • Kultur und Tourismus: Die Zusammenarbeit von Tourismus und Kultureinrichtungen wird unterstützt, indem die öffentlichen Räume, welche die Kultur für Einheimische und Gäste bereitstellt, auch über die Instrumente der Tourismusorganisationen kommuniziert werden. In Zusammenarbeit mit Vorarlberg Tourismus werden fortlaufend „Points of Interest“ im Kulturbereich erfasst und für interaktive Karten genutzt. • Freifahrt für Kultur: Das Angebot Eintrittskarte = Fahrkarte soll ausgebaut werden. Insbesondere für Kindergärten und Schulen sollen entsprechende Angebote entwickelt werden. • Kulturelles Gedächtnis: Fortgesetzt werden soll die Auseinandersetzung mit den Geschichtsbildern und dem Geschichtsbewusstsein, die Vorarlbergs kulturelles Gedächtnis ausmachen. Ziel sollte dabei sein, auf Basis der ersten Schritte einer zeitgemäßen Diskussion mit tradierten Manifestationen der Gedenkund Erinnerungskultur (Mahn- und Denkmäler), den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dies umfasst strategische Schwerpunktsetzungen in Bezug auf Archivarbeit und die wissenschaftliche Beschäftigung etwa mit den Formen des neuen und alten Antisemitismus. • Industriegeschichte: In der Archivarbeit und der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Landesgeschichte (Zuständigkeit Abteilung IIb) soll ein Schwerpunkt auf bestimmte Aspekte der Industriegeschichte Vorarlbergs, wie z.B. die Textil- oder Elektrizit ätswirtschaft, gesetzt werden. Diesbezüglich für die Kulturabteilung relevant sind Sondierungen zu einem Industriemuseum. • Statistische Daten beschaffen: Über die kulturellen Aktivitäten der Bevölkerung werden grundlegende Daten beschafft. • L ei s t un g s v er ein b ar un g Alle Organisationseinheiten der Landesverwaltung wenden zur Planung und Steuerung das New Public Management-System „V aufkurs“ an. Dadurch ist für alle Verantwortungstragenden nachvollziehbar, was mit welchen Mitteln zur Erzielung welcher Wirkungen zu tun ist und getan wurde. Kernidee der Verwaltungsentwicklung ist dabei das Modell der Leistungsvereinbarung. Für die Abwicklung der Kulturförderung und für die Umsetzung von Schwerpunktthemen der Kulturarbeit wird zwischen Politik und Verwaltung eine Leistungsvereinbarung unterzeichnet. Diese hat den Charakter einer Zieldefinition für das jeweilige Haushaltsjahr und dient als Instrument zur wirkungsorientierten Steuerung. Formelle Gültigkeit erlangt die Leistungsvereinbarung durch die Unterschriften des ressortzuständigen Regierungsmitglieds als Auftraggeberin oder Auftraggeber und der Führungskraft der Kulturabteilung als Auftragnehmerin oder Auftragnehmer. Mit der Unterzeichnung bestätigen beide Seiten, dass der vom Landtag genehmigte Voranschlag, soweit die Organisationseinheit als Bewirtschafterin zuständig ist, und der Beschäftigungsrahmenplan eingehalten werden. Die Leistungsvereinbarung wird jährlich nach Abstimmung zwischen Politik und Verwaltung für das folgende Haushaltsjahr abgeschlossen. Bei Eintreten unvorhergesehener, bedeutsamer Ereignisse kann die Leistungsvereinbarung beiderseits angepasst werden. Neben jährlichen Maßnahmen und Zielen umfasst die Leistungsvereinbarung die Schwerpunkte aus dem aktuellen Arbeitsprogramm der Landesregierung. Zur Halbjahres- und Jahresbilanz ist ein Ampelbericht vorzulegen. Spezielle Berichtszeiträume können individuell vereinbart werden. Zielabweichungen werden im Ampelbericht begründet und Korrekturmaßnahmen vorgeschlagen. 37 2. 5 . 2 Rechtsgrundlage Es lohnt sich, Vorarlbergs KulturförderungsgeAuf unserem Kontinent wurde mit dem am setz nicht als singuläres Phänomen zu begreifen, 1. November 1993 in Kraft getretenen Vertrag sondern als eine in größeren Zusammenhängen über die Europäische Union erstmals eine verortete Rechtsgrundlage.10 Rechtsgrundlage für das kulturpolitische Engagement der EU geschaffen. Im „Kulturartikel“, Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte §167 des Vertrags von Lissabon (2009), ver(UN-Menschenrechtscharta von 1948) befasst pflichtet sich die EU zur Wahrung der kulturelsich im Artikel 27 mit der Kultur als Menschen- len Vielfalt Europas sowie zur Unterstützung recht. Zwei Punkte sind dort festgehalten: von Aktivitäten der Mitgliedstaaten zum Schutz „Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen des gemeinsamen Kulturerbes und zur FörLeben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich derung des zeitgenössischen künstlerischen der Künste zu erfreuen und am wissenschaftliSchaffens.13 Unter Beachtung des Subsidiarichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzu- tätsprinzips beschränkt sich die Rolle der EU haben. Jeder Mensch hat das Recht auf Schutz allerdings auf die Förderung der Zusammenarder moralischen und materiellen Interessen, die beit zwischen den Kulturakteuren der Mitgliedsich aus jeder wissenschaftlichen, literarischen staaten und die Ergänzung ihrer Initiativen. oder künstlerischen Produktion ergeben, deren Letztlich bleibt damit die Kulturkompetenz Urheber er ist.“11 uneingeschränkt bei den Mitgliedstaaten. Mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Dem Menschen als sozialem, kulturellem Wesen Union wurden die Grund- und Menschenrechte wird damit also der Zugang zur Kultur und kodifiziert. Darin erkennt die Union etwa der Rechtsschutz der Urheberschaft zugesagt. folgende für den Kunst- und Kreativsektor releAuf der Internetplattform Humanrights.ch wird vante Grundsätze an: Freiheit der Meinungsdiese Freiheit des Kulturlebens noch präzisiert äußerung und Informationsfreiheit (Artikel 11), und interpretiert: „Das Recht auf Teilnahme die Freiheit von Kunst und Wissenschaft (Aram kulturellen Leben erschöpft sich nicht im tikel 13), die Nichtdiskriminierung (Artikel 21) Besuch von Veranstaltungen und Museen, und die Vielfalt der Kulturen, Religionen und sondern ist in einem weiteren Sinn zu verstehen. Sprachen (Artikel 22).14 Dazu zählt auch das Recht, seine eigene Kultur überhaupt zu leben. Zu den kulturellen Rechten In Österreich schreibt die Verfassung dem Staat zählt auch der Zugang zum kulturellen Erbe keine direkte Verpflichtung zur Pflege oder anderer.“12 Diese Rechte sind schwer einklagbar, Förderung von Kunst und Kultur vor. Neben sollten aber Richtschnur für staatliches Handeln einer Reihe von Sondergesetzen zur Kultur, und internationale Beziehungen sein. etwa zum Urheberrecht, zu Museen, zur Denk- Die hier dargestellten Rechtsgrundlagen beziehen sich nur auf den Zuständigkeitsbereich der Kulturabteilung. Die Bereiche Wissenschaft inklusive Studienförderungen und Stipendien, Erwachsenenbildung, das Musikschulwesen und Öffentliche Bibliotheken sind durch eigene Rechtsgrundlagen, Strategiedokumente und Leitlinien der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung geregelt. Für die Agenden im Zuständigkeitsbereich der Abteilung sind darüber hinaus zwei eigene Beiräte eingerichtet – der Wissenschaftsbeirat und der Weiterbildungsbeirat, die sich mit Fragen der strategischen Weiterentwicklung befassen. 11 Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution 217 A (III) vom 10.12.1948: http://www.humanrights.ch/ de/internationale-menschenrechte/aemr/text/artikel-27-aemr-freiheit-kulturlebens [Stand: 10.2.2016]. 12 Ebd. 13 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Konsolidierte Fassung): http://europa.eu/pol/pdf/ consolidated-treaties_de.pdf [Stand: 10.2.2016]. 14 Amtsblatt der Europäischen Union, 2000/C, 364/1, 18.12.2000: http://www.europarl.europa.eu/charter/ pdf/text_de.pdf [Stand: 10.2.2016]. 10 Mit der U N ESCO verf üge n die Vere inte n Natione n über e ine e ige ne Kulturorganisation. Als Mitgliedstaat hat Öster re ich 2006 das „U N ESCO-Ü bere inkomme n über de n Schutz und die Förder ung der Vielfalt kultureller Ausdr uck sfor me n“ ratif izier t. Fo r m u l i e r t w e r d e n dar in unter anderem das Ziel, „die Voraussetzunge n daf ür zu schaf fe n, dass Kulture n sich e ntfalte n und f re i in e iner f ür alle Se ite n bere icher nde n We ise interagiere n könne n“ sowie der G r undsatz, „die besondere Natur von kulturelle n Aktivitäte n, G üter n und Die nstle istunge n als Träger von Id e n t i t ä t , We r t e n u n d Si n n a n z u e r k e n n e n“. Vgl. ht tp://www.unesco.at/ kultur/kultur vielfalt.htm 2 Befund 38 2.5 Kulturförderung 2.5.2 Rechtsgrundlage malpflege oder zum Film, hat sich die Republik mit dem Kunstförderungsgesetz 1988 jedoch mit einem eigenen Förderungsgesetz selbst zur Kunstförderung verpflichtet. In der heute gültigen Gesetzesversion (2016) sind die Aufgaben der Kunstförderung wie folgt festgeschrieben: „Im Bewusstsein der wertvollen Leistungen, die die Kunst erbringt und in Anerkennung ihres Beitrages zur Verbesserung der Lebensqualität hat der Bund die Aufgabe, das künstlerische Schaffen in Österreich und seine Vermittlung zu fördern. Für diesen Zweck sind im jeweiligen Bundesfinanzgesetz die entsprechenden Mittel vorzusehen. Weiters ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die finanzielle und organisatorische Förderung des künstlerischen Schaffens durch Private und der sozialen Lage für Künstler anzustreben. Die Förderung hat insbesondere die zeitgenössische Kunst, ihre geistigen Wandlungen und ihre Vielfalt im Geiste von Freiheit und Toleranz zu berücksichtigen. Sie hat danach zu trachten, die Kunst allen Bevölkerungskreisen zugänglich zu machen und die materiellen Voraussetzungen für die Entwicklung des künstlerischen Lebens in Österreich zu verbessern.“15 Ebenso erläutert wird dort der Gegenstand der Förderung: „Insbesondere zu fördern sind das künstlerische Schaffen der Literatur, der darstellenden Kunst, der Musik, der bildenden Künste, der Fotografie, des Films und der Videokunst sowie neuer experimenteller oder die Grenzen der genannten Kunstsparten überschreitender Kunstformen.“ Weiter genannt sind dort die „Veröffentlichung, Präsentation und Dokumentation von Werken“, die „Erhaltung von Werkstücken und Dokumenten“ und „Einrichtungen, die diesen Zielen dienen“. Eingeschränkt wird diese Förderung auf Kulturleistungen, die von überregionalem Interesse, beispielgebender Wirkung oder innovatorischem Charakter sind.16 In Vorarlberg regelt das Gesetz über die Förderung der Kultur die grundsätzliche Ausrichtung und die Ausgestaltung der kulturellen Förderpraxis.17 Entstanden ist es in Folge der Landtagsenquete 2005 als Resultat eines breit geführten Diskussionsprozesses mit Kulturschaffenden und Fachexpertinnen und Fachexperten. Mit diesem knappen und sehr offen gehaltenen Gesetz wurde die Gesetzesgrundlage von 1974 aktualisiert und dem heutigen Kulturverständnis angepasst. In den Allgemeinen Bestimmungen wird darin der Kulturauftrag des Landes definiert. Das Land bekennt sich zur Freiheit, Unabhängigkeit und Vielfalt des kulturellen Lebens. Es verpflichtet sich, das kulturelle Leben, welches in Vorarlberg stattfindet oder sonst einen Bezug zum Land hat, zu fördern. Das kulturelle Leben erstreckt sich auf Kunst, Wissenschaft, Bildung und Pflege des kulturellen Erbes. Es wird getragen von den Kulturschaffenden und von Personen, die in den genannten Bereichen vermitteln. Die Gemeinden fördern das kulturelle Leben im örtlichen Bereich. Dabei handelt es sich um eine Aufgabe ihres eigenen Wirkungsbereichs. Im Anschluss sind die konkreten Ziele ausgeführt: Ziel der Förderung ist die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für das kulturelle Leben. Dabei ist auf die Vielfalt des kulturellen Lebens in seinen regionalen und überregionalen Zusammenhängen Bedacht zu nehmen. Inhaltliche Schwerpunkte sind Gegenwartskunst, Wissenschaft und Weiterbildung sowie Erschließung des kulturellen Erbes. Günstige Rahmenbedingungen sind insbesondere auch für die Teilhabe am kulturellen Geschehen sowie für die öffentliche Auseinandersetzung mit Kunst und Wissenschaft anzustreben. Bundesgesetz vom 25. Feber 1988 über die Förderung der Kunst aus Bundesmitteln (Kunstförderungsgesetz): https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe? Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009667 [Stand: 10.2.2016]. 16 Ebd. 17 Gesetz über die Förderung der Kultur (Kulturförderungsgesetz), LGBl. Nr. 38/2009: https://www.vorarlberg.at/ pdf/kulturfoerderungsgesetz20.pdf [Stand: 10.2.2016]. 15 39 Im zweiten Abschnitt werden der Gegenstand der Förderung, das Verfahren sowie das Prinzip des Kulturbeirates und der Kunstkommissionen beschrieben: Nach Maßgabe der im Voranschlag vorgesehenen Mittel fördert das Land insbesondere kulturelle Einrichtungen und Verbände, Projekte und Programme von Kulturveranstaltern, Leistungen von Personen, die künstlerisch oder wissenschaftlich arbeiten. Weiters fördert das Land das kulturelle Leben, indem es selbst kulturelle Einrichtungen betreibt oder sich an solchen beteiligt. Eine mehrjährige Förderung ist möglich, soweit dies für strukturelle Maßnahmen zur Erreichung der Ziele notwendig ist. Ebenso gesetzlich geregelt wurde, unter Bedachtnahme auf notwendige Sonderregelungen von Sparten, die Erstellung von Förderrichtlinien. In Anpassung an das Gesetz wurden 2011 daher von der Landesregierung drei Richtlinien beschlossen: zur Förderung von künstlerischen Leistungen (Kunstförderrichtlinie), zur Förderung von Maßnahmen zur Pflege des kulturellen Erbes (Kulturelles Erbe) sowie zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum (Kunst und Bau). Diese enthalten grundsätzliche Angaben zu Gegenstand, Art und Ausmaß der Förderung sowie zum Verfahren und verpflichten die Kulturabteilung, die Erreichung und Wirksamkeit der festgelegten Förderungsziele periodisch zu evaluieren. Im Sinne der Transparenz der Kulturförderung sieht das Gesetz vor, dass die Landesregierung dem Landtag alljährlich einen Kulturbericht vorzulegen hat. Alle Maßnahmen der Kulturförderung sind darin für die einzelnen Bereiche und in ihrer Gesamtheit darzustellen. Individualförderungen sind für Frauen und Männer getrennt auszuweisen. 2 Befund 40 2.5 Kulturförderung 2.5.3 Kommissions- und Beiratsmodell 2. 5 . 3 Kommissions- und Beiratsmodell Das Modell der Kunstkommissionen und des Kulturbeirats sowie deren Arbeitsweise sind im Kulturförderungsgesetz verankert. Die Kommissionen haben die Aufgabe, die Landesregierung in spartenspezifischen Fragen der Kulturförderung zu beraten und einmal jährlich in einer öffentlichen Veranstaltung über ihre Arbeitspraxis zu informieren. Diese Tätigkeit kann sich auf konkrete Empfehlungen bei Förderansuchen oder auf Aussagen zu Entwicklungen und Förderprinzipien innerhalb einer Kategorie beziehen. Der Kulturbeirat ist eingerichtet, um der Landesregierung in grundsätzlichen oder sonst bedeutsamen, fächerübergreifenden Fragen zur Kulturförderung Auskunft zu geben. Ihm gehören das für die Angelegenheiten der Kultur zuständige Mitglied der Landesregierung an, ein von der Landesregierung bestelltes Mitglied aus der Kulturabteilung zur Berichterstattung, je ein von den im Landtag vertretenen politischen Parteien bestelltes fachlich befähigtes Mitglied, ein Mitglied aus jeder Kunstkommission sowie auf Dauer der Landtagsperiode bestellte Expertinnen und Experten. Mit der Festlegung auf ein Kommissionsmodell wurde die Qualitätssicherung der Kulturförderung auf ein breites Fundament gestellt. Im Unterschied zu Alternativmodellen, in denen mitunter Einzelpersonen alleine Wertungen vorzunehmen haben oder eine Kommission für alle Sparten zuständig ist, liegt der Vorteil des Vorarlberger Ansatzes in der zielgenauen Diskussion eines Feldes kultureller Aktivität. Im Sinne einer tatsächlich gelebten Partizipationskultur wirken im Beirat und in den Kommissionen an die 50 Kulturakteure mit, die mit ihrem Erfahrungsschatz die Rahmenbedingungen der Kulturentwicklung konturieren. Der Think-Tank im Hintergrund erleichtert die Arbeit der Kulturabteilung und wirkt einer automatisierten Förderabwicklung entgegen. Ein positiver Effekt der kommissionellen Arbeit liegt zudem in der kontinuierlichen Bewertung der Szene, die einer quartalsmäßigen Evaluierung gleichkommt. Durch das Rotationsprinzip, welches eine maximale Kommissionszeit von zwei Perioden zu jeweils drei Jahren vorsieht, bleibt dieses Instrument der Qualitätssicherung offen für neue Sichtweisen und flexibel für allfällige Kurskorrekturen. Kunstkommissionen sind für die Bereiche der Bildenden und Angewandten Kunst, für die Literatur, die Musik, den Film, die Darstellende Kunst (Theater, Tanz, Performance) und das Aufgabengebiet Kunst und Bau eingerichtet. 2014 wurde zudem die Kommission Kulturelles Erbe und Landeskunde bestellt. Soweit es die Landesregierung für notwendig erachtet, in Einzelfragen der Kulturförderung oder bereichsübergreifend beraten zu werden, kann sie durch Verordnung eine weitere Kommission nominieren. Gesetzlich vorgesehen sind ein von der Landesregierung bestelltes Mitglied aus der Kulturabteilung als Vorsitz und je vier bis sieben von der Landesregierung bestellte Mitglieder aus dem jeweiligen Bereich. Anzustreben ist eine ausgewogene Besetzung mit Frauen und Männern. Bei Bedarf sind zu einer Sitzung Sachverständige oder Auskunftspersonen beizuziehen. Blickt man etwa im Bereich der Musik auf die Vielfalt der dort etablierten Stilrichtungen, verdeutlicht sich die Notwendigkeit, schon bei der Besetzung einer Kommission ein möglichst breites Erfahrungsspektrum zu garantieren. Nur so kann die Qualitätsdiskussion ernsthaft stattfinden. Wichtig sind einerseits die Kenntnis der Szene und andererseits für den Perspektivwechsel ebenso der Außenblick, der etwa durch Expertinnen und Experten aus dem Bodenseeraum oder international erfahrenen Kunst- und Kulturschaffenden eingebracht werden kann. Bestellt werden neue Kommissionsmitglieder von Seiten der Landesregierung auf Empfehlung der Kommissionen, der Kulturabteilung oder auf Basis externer Vorschläge. In einer Kommissionssitzung wird jeder einzelne Antrag von den Fachexpertinnen und Fachexperten ausführlich diskutiert. Das Ergebnis dieser Auseinandersetzung ist ein Beschluss, der einfache Stimmenmehrheit erfordert und zugleich einer Förderempfehlung entspricht. Stimmberechtigt sind alle Mitglieder der jeweiligen Kommission sowie die oder der Vorsitzende. Im Sinne der Gleichstellung aller Antragstellenden hat ein Kommissionsmitglied im Falle von Befangenheit vor der Diskussion des Förderfalles in der Sitzung den Raum zu verlassen. Aufgabe der oder des Vorsitzenden ist, alle für die Entscheidungsfindung relevanten Daten und Fakten ausreichend zur Sprache kommen zu lassen. Von jeder Sitzung der Kunstkommissionen sowie von jedem diskutierten Geschäftsfall existiert ein abteilungsinternes Protokoll, welches der oder dem politisch Verantwortlichen zur Kenntnis gebracht wird. Im jährlich veröffentlichten Kulturbericht sind alle Kommissionsmitglieder genannt und alle Maßnahmen der Kulturförderung dargestellt. 41 43 2. 5 .4 Arbeitsfelder der Kulturabteilung Der Landes-Rechnungshof Vorarlberg hat im Jahr 2014 die Kulturabteilung und deren Abwicklung der Kulturförderung geprüft. Die Textpassagen zu den Arbeitsfeldern folgen inhaltlich in weiten Teilen den Analysen aus dem Prüfbericht.18 satorisch vorbereitet und abgewickelt werden. Das Kommissionsmodell ist ein flexibles Werkzeug einer partizipativ angelegten Qualitätssteuerung. Die Aufgaben der Kulturabteilung umfassen ein breites Leistungsspektrum. Als Bindeglied zwischen Politik, Verwaltung und Kulturschaffenden ist die Abteilung einem dynamischen Kräftefeld verschiedener Akteure ausgesetzt. Sie ist Anlauf- und Koordinationsstelle für Kulturträger des Landes. Wesentliche Leistungen sind Kulturförderung, Begleitung und Durchführung von Impulsprojekten sowie Steuerung von Kultureinrichtungen mit Landesbeteiligung. Sie bietet zudem Information und Beratung in Bezug auf Unterstützungen im Bereich Kunst und Kultur. Die Aufgaben der Kulturabteilung sind vier strategischen Arbeitsfeldern zugeordnet, die wiederum Querschnittsaufgaben abbilden. Diese sind „Kultur finanzieren“, „Qualität sichern“, „Service“ und „Kultur ermöglichen“. Finanzierung und Qualitätssicherung stellen dabei die Kernaufgaben dar. Im strategischen Arbeitsfeld „Kultur ermöglichen“ werden aktiv Impulsprojekte und inhaltliche Schwerpunkte umgesetzt. Ebenso wichtig für das Selbstverständnis der Kulturabteilung ist die bewusste Serviceorientierung. Unter „Service“ fallen vor allem die Auskunft, Beratung und Prozessbegleitung der Antragstellenden. Anfragen betreffen häufig die erforderlichen Voraussetzungen und Unterlagen für ein Förderungsansuchen. Besonders beratungsintensiv sind neue Projekte. In ihrer Funktion als Servicestelle bringt die Kulturabteilung auch Schnittstellenpartner und Kulturträger zusammen. Sie organisiert beispielsweise Kulturvernetzungstreffen mit ausgewählten Gemeindeverwaltungen und Kulturtreffs. Letztere dienen überwiegend als Plattform zwischen Politik, Fachabteilung sowie Kulturakteuren und werden auch zum Informationsaustausch genutzt. Eine externe Serviceleistung bietet die Musikdokumentationsstelle, die für Musikerinnen und Musiker, Komponistinnen und Komponisten und Musikinteressierte eingerichtet wurde. Sie erfasst Veranstaltungen sowie Aufführungsdaten von Werken und archiviert Tonträger, Partituren und Notenmaterial. In der Qualitätssicherung ist die Kontrolle der widmungsgemäßen Verwendung der Fördermittel eine wichtige Aufgabe. Dazu zählen die Prüfung von Abrechnungen, die Durchsicht von Berichten und Belegen sowie stichprobenartige Vorortkontrollen. Diese finden auch durch den Besuch von geförderten Kulturveranstaltungen statt. Neben der Qualitätskontrolle bietet dies eine Grundlage für die inhaltliche Bewertung und ist eine Wertschätzung der Kulturarbeit. Von besonderer Bedeutung in punkto Qualitätsbeurteilung ist die Arbeit der Kunstkommissionen, welche von der Kulturabteilung organi- In der Öffentlichkeitsarbeit ist die Redaktion des jährlich erscheinenden Kulturberichts eine wesentliche Aufgabe. Er wird gemeinsam mit der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung publiziert. Der Kulturbericht dient nicht nur der Transparenz über die Vergabe der Fördermittel, sondern ist auch ein wichtiges Instrument zur Kommunikation der Förderungspolitik. Im Jahr 2015 wurde der Kulturbericht um ausgewählte Schwerpunkte ergänzt und gestalterisch deutlich aufgewertet. Auch zukünftig soll er Rückschlüsse auf konkrete Förderungsziele und Fördermaßnahmen erlauben. Prüfbericht. Förderungen der Abteilung Kultur (IIc), Landes-Rechnungshof Vorarlberg, Dezember 2014: http://www.lrh-v.at/report/foerderungen-der-abteilung-kultur-iic [Stand: 10.2.2016]. 18 44 2 Befund 2.5 Kulturförderung 2.5.4 Arbeitsfelder der Kulturabteilung Im strategischen Arbeitsfeld „Kultur ermöglichen“ setzt die Kulturabteilung periodische Impulse in der Kulturszene. Von großer Bedeutung sind die regionale und überregionale Vernetzung sowie die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen des Landes. Im überregionalen Kontext ist die Abteilung Kultur beispielsweise in der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) vertreten. Auch die Organisation und Begleitung der Austauschprogramme sind diesem Arbeitsfeld zugeordnet. Konkrete Beispiele von Impulsprojekten liefern die Filmförderung, die in Kooperation mit der Abteilung Allgemeine Wirtschaftsangelegenheiten und Vorarlberg Tourismus abgewickelt wird, oder Wanderausstellungen zur Vorarlberger Architektur. Schwerpunktmäßig forciert wird ebenso der Bereich der Kulturvermittlung, etwa durch die Initiative „double check“. Diese fördert Partnerschaften zwischen Bildungs- und Kultureinrichtungen. Aus einem Impulsprojekt entstand die „Museumsdokumentation“. Sie dient der digitalen Erfassung musealer Bestände. Eine externe Expertin unterstützt vor allem kleine und mittlere Museen bei der Ausarbeitung eines Sammlungskonzeptes zur Sicherung der Kulturgüter. 46 2. 5 . 5 Beur teilungskriterien Die Grundlage für die Beurteilung von Projekten ist der eingereichte Förderantrag, der eine Beschreibung, eine Kostenaufstellung und beigelegte Arbeitsproben umfasst. Quer durch alle Sparten ziehen sich als vorrangige Kriterien einer Befürwortung von Anträgen ein nachweisbarer Vorarlberg-Bezug und die zu erwartende Qualität. Das heißt, einerseits müssen die oder der Antragstellende oder das eingereichte Vorhaben einen persönlichen oder inhaltlichen Zusammenhang mit Vorarlberg haben. Andererseits ist die Qualität der Einreichung hinsichtlich der künstlerischen Ausdruckskraft und der Eigenständigkeit des beantragten Projekts ebenso relevant. Anhaltspunkte in der Diskussion sind dabei die inhaltliche, gestalterische oder technisch handwerkliche Form, die spezifische Art der Programmierung oder die beteiligten Personen, die eine anspruchsvolle Abwicklung erwarten lassen. Die Umsetzung künstlerischer Eigenproduktionen – statt des Zukaufs externer Kulturprogramme – wird positiv bewertet. Ein wesentlicher Punkt für die Einschätzung von Förderanträgen ist die Beschäftigung mit der bis dato über einen längeren Zeitraum erbrachten Kulturarbeit einer oder eines Antragstellenden. Dies umfasst auch die geschichtliche Dimension. Herangezogen werden für die Beurteilung in der Kulturabteilung oder in den Kunstkommissionen die Biografien der Einreichenden und anderer involvierter Personen. Referenzwerte zum Vergleich liefern in diesem Zusammenhang die Eckpunkte der Ausbildung, etwaige Auslandsaktivitäten, erlangte Stipendien, Preise oder bis dahin durchgeführte Projekte. Analog dazu ist bei Vereinen oder Institutionen die Historie der einreichenden Trägerschaft bedeutsam. Gerade unter dem Blickwinkel der Nachwuchsförderung ist der Ausbildungsgrad bzw. der künstlerische Entwicklungsstand der Antragstellenden für die Beurteilung von Bedeutung. Davon abgeleitet werden Argumente für die Vergabe von Startförderungen an junge Kulturschaffende. Analysiert werden in den zuständigen Gremien neben der Kontinuität und dem Innovationscharakter einer Kulturproduktion auch die bisherige Präsenz und Bedeutung von Antragstellenden für die Kulturszene. Für die Sparte Musik wären hier etwa CD-Produktionen, für die Bildende und Angewandte Kunst konkret Ausstellungen in namhaften Galerien, Ankäufe für Sammlungen oder Publikationen Indikatoren und Gradmesser. Für die Auseinandersetzung im Bereich der Literatur sind dies öffentliche Lesungen und Publikationen, in der Sparte Film ausgestrahlte Produktionen, Regiearbeiten oder Drehbücher, und in der Darstellenden Kunst aufgeführte Stücke und Rezensionen. Bei Neuanträgen wird Augenmerk darauf gelegt, inwieweit das eingereichte Projekt als spezifischer Baustein der Kulturlandschaft die im Kulturförderungsgesetz festgeschriebene Prämisse der kulturellen Vielfalt einlöst. Berücksichtigt werden ebenso Aspekte der geschlechtergerechten Mittelvergabe. Da im Sinne der Allgemeinen Förderrichtlinien des Landes ein Einsatz der Landesmittel nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit gewährleistet sein muss, gilt es von Seiten der Abteilung und den Kunstkommissionen zusätzlich die Plausibilität einer Kostenaufstellung zu erörtern. 48 2. 5 .6 Bausteine der Kultur f örderung 19 Um eine Vergleichbarkeit bei den Kulturausgaben in den österreichischen Bundesländern und international zu erreichen, wurde mit LIKUS (Länderinitiative Kulturstatistik) ein eigenes System zur Ermittlung der Kulturdaten geschaffen. Diese Kulturausgabenstatistik bedient sich eines Schemas, das Mitte der 90er-Jahre speziell im Hinblick auf die Erfordernisse der Kulturberichterstattung in einem föderalistischen System entwickelt wurde. Im Zentrum des Ansatzes steht ein spartenbezogenes Raster, das kulturpolitisch relevante Felder auf nachvollziehbare Weise abgrenzt und dadurch die Vergleichbarkeit von Ausgabenpositionen aller Ebenen der öffentlichen Verwaltung unter dem Titel Kulturfinanzierung ermöglicht – unabhängig von den besonderen Praktiken der Kulturförderung oder Unterschieden in legistischen und administrativen Normierungen. Der zugrunde liegende breite Kulturbegriff geht konform mit international gebräuchlichen Konzepten wie dem UNESCO Framework for Cultural Statistics oder den von Eurostat und Europarat vertretenen Schemata. Es gilt jedoch, auch eine andere Ebene der Betrachtung zu berücksichtigen. Dieser Blickwinkel geht der Frage nach, in welchen Organisationsformen Kulturarbeit geleistet wird, welche spezifischen Bedürfnisse diese unterschiedlichen Strukturen mit sich bringen und wie im Rahmen der Kulturförderung bestmöglich darauf eingegangen werden kann. Das Land fördert nicht nur aufgrund von Anträgen, es betreibt auch selbst kulturelle Einrichtungen. Unter dem Dach der Vorarlberger Kulturhäuser Betriebsgesellschaft (KUGES) wird mit dem Kunsthaus Bregenz, dem Vorarlberger Landestheater und dem vorarlberg museum ein Basisangebot im Bereich der Bildenden und Darstellenden Kunst sowie der Volks- und Landeskunde durch die öffentliche Hand sichergestellt. Neben ihren Kernaufgaben koordinieren und vernetzen diese Institutionen Akteure in ihren jeweiligen Sparten. Sie setzen Impulse und dienen als Partnerinnen und Partner für Kulturschaffende und -initiativen im ganzen Land. Die Strahlkraft aller drei Häuser reicht in die Bodenseeregion und darüber hinaus. Anzumerken ist, dass diese Institutionen zwar in Bregenz situiert sind, aber durch ihre zahlreichen Kooperationen in alle Talschaften des Landes hineinwirken. Das Strategiepapier der KUGES definiert die Ausrichtung und Entwicklung ihrer Einrichtungen: „Bei der Gestaltung der Kunst- und Kulturprogramme legen die Kulturhäuser besonderen Wert auf aktuelle gesellschaftliche Themen, auf die Orientierung an internationalen Prozessen neben der regionalen Bindung und auf Vernetzung.“19 Die KUGES unterliegt der Kontrolle eines Aufsichtsrates. Ein Beteiligungsunternehmen des Landes ist die inatura in Dornbirn. Mit der Stadt Dornbirn verfügt sie über einen weiteren öffentlichen Gesellschafter. Alle Beiträge zur Ausstattung der kulturellen Grundversorger, der Verbände, Vereine, Gruppen und einzelner kulturell tätiger Personen sind Ausdruck eines Bekenntnisses des Landes zu den vielschichtigen Ausformungen von Kunst und Kultur. Mit Ausnahme der landeseigenen und landesnahen Einrichtungen werden sämtliche Anträge der jeweils zuständigen Kommission vorgelegt. Die Qualitätssicherung der landeseigenen und landesnahen Einrichtungen erfolgt in den entsprechenden Gremien unter Mitwirkung der Kulturabteilung und anderer Kulturexpertinnen und Kulturexperten. Das Land Vorarlberg hat sich bestimmten, überregional bedeutsamen Kultureinrichtungen gegenüber in Form von Vereinbarungen verpflichtet, maßgeblich und dauerhaft zu deren Finanzierung beizutragen. Für das Jüdische Museum hat das Land in Kooperation mit der Stadt Hohenems eine Fördervereinbarung getroffen. Eine besondere Regelung gibt es bei den Bregenzer Festspielen. Für sie werden die Förderbeiträge von Bund, Land und Stadt nach dem vereinbarten Schlüssel von 40 Prozent Bund, 35 Prozent Land und 25 Prozent Stadt Bregenz geleistet. Aufgrund seiner Relevanz Strategie 2020 für die Vorarlberger Kulturhäuser Betriebsgesellschaft mbH, Mai 2014. für Vorarlberg wird das Symphonieorchester Vorarlberg ebenso als landesnahe Kultureinrichtung verstanden. In Vorarlberg gibt es eine Vielzahl von Verbänden und von Vereinen mit verbandsähnlichem Charakter. Alle diese Organisationen wirken in die Breite und in die Tiefe. Sie übernehmen als Anlauf- und Beratungsstelle für einzelne Kulturschaffende und kleinere Vereine eine wichtige Verteilungsfunktion und bieten in vielen Fällen neben ideeller Hilfe auch finanzielle Unterstützung an. Auch in diesem Segment setzt das Land auf wiederkehrende Jahresförderungen. Zu ihnen gehören etwa der Vorarlberger Blasmusikverband oder der Vorarlberger Landestrachtenverband mit jeweils mehreren Tausend aktiven Mitgliedern. Dazu zählen ebenso der Chorverband, in dem 117 Chöre organisiert sind, die IG Kultur als Interessenvertretung von Kulturinitiativen, Literatur Vorarlberg, netzwerkTanz mit 86 Mitgliedern oder auch der Landesverband für Amateurtheater, der derzeit mehr als 70 Theatergruppen betreut. Das Land fördert darüber hinaus die Projekte und Programme zahlreicher Kulturveranstalter. Deren Arbeit deckt alle Sparten kultureller Produktion ab und umfasst Formate ganz unterschiedlichen Zuschnitts. Die Bandbreite reicht von Museen, Festivals, Konzerten, Ausstellungsplattformen, Filmclubs, Kulturinitiativen und -foren bis hin zu landeskundlichen Aktivitäten. Das kulturelle Bild des Landes prägen auch einzelne Kunst- und Kulturschaffende. Dies sind die Künstlerinnen und Künstler, die Autorinnen und Autoren, die Tänzerinnen und Tänzer, die Schauspielerinnen und Schauspieler und viele andere Protagonistinnen und Protagonisten der Kultur. Neben der Förderung individueller Vorhaben bildet sich die gezielte Unterstützung von Einzelpersonen auch durch die Vergabe von Stipendien, Preisen und Ehren- und Fördergaben ab. In der täglichen Arbeit der Kulturabteilung nehmen Einzelförderungen einen durchaus beachtlichen Raum ein. 2015 waren es alleine in der Sparte Bildende und Angewandte Kunst weit über 100 Anträge, die von der zuständigen Kommission bearbeitet wurden. 3 Herausforderungen 3 Herausforderungen 52 3.1 Kultur als Schnittstellenphänomen 53 3.1 Kultur als S chnit tstellenphänomen Kunst und Kultur sind keine in sich geschlossenen Systeme. Ständigen Veränderungen unterworfen, müssen sie immer wieder neu ausverhandelt werden. Im Strategieprozess wurde festgehalten, dass Kultur als Schnittstellenphänomen zu begreifen ist. Kulturarbeit im weitesten Sinne beschäftigt sich mit Themen und Herausforderungen, die unser Miteinander ausmachen und unsere Lebenswelt betreffen. Daher kann Kultur nicht getrennt von gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen und Agenden anderer politischer Felder gedacht werden. Es ist sowohl für die gewachsenen Strukturen in Politik und Verwaltung (Ressortverteilung) als auch für das kulturelle Feld weniger eine Herausforderung als eine Notwendigkeit, Kultur als transdisziplinäres Phänomen zu denken. Denn Kunst und Kultur ereignen sich genau dort: in den Zwischenbereichen, an den Berührungspunkten benachbarter Systeme. Es gilt, Paradigmen neu zu denken, konkrete Schnittstellen zu definieren, diese kritisch zu diskutieren und im Sinne einer produktiven Zusammenarbeit künftig aktiver zu bearbeiten. In Gesprächen mit externen und verwaltungsinternen Expertinnen und Experten wurde unter anderem den Fragen nachgegangen, wie die Schnittstellen zur Kultur jeweils definiert werden, wo in diesem Zusammenhang die konkreten Herausforderungen liegen und welche Gemeinsamkeiten es gibt. Dabei hat sich gezeigt, dass die Dialogbereitschaft und der Mut zum Experiment trotz teils unterschiedlicher Zugänge und Haltungen vorhanden sind. Die Peripherien der Kulturarbeit auszuloten und die Querbeziehungen aktiv zu bedienen, birgt große Chancen, weil sich dadurch neue Handlungsräume und Potenziale für alle Beteiligten eröffnen. Darauf hinzuweisen ist, dass abteilungsübergreifende Kooperationen bereits jetzt im Alltag der Förderverwaltung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung eine große Rolle spielen. Projekte, Publikationen oder sonstige Vorhaben werden über Abteilungsgrenzen hinweg abgestimmt und ebenso gemeinsam gefördert. Eine ganzheitliche Betrachtung von Kultur schließt die uns umgebende Natur, unseren Lebensraum und die von uns geprägte Kulturlandschaft mit ein. Einen Boden zu kultivieren bedeutet, ihn zu erschließen und zu bearbeiten. Im Ortsbild- und Fassadenschutz, der zu den Kulturagenden zählt, kooperiert die Kulturabteilung des Landes erfolgreich mit dem Bundesdenkmalamt. Weniger offensichtlich ist, dass auch die Landschaft als Gesamtbild kulturell determiniert ist und kulturelle Dimensionen daher auch in der Raumplanung mitgedacht werden müssen. In innovative Konzepte der Regionalentwicklung fließen aus diesem Grund häufig kulturelle und künstlerische Aspekte ein. Dies geschieht zum Beispiel im Rahmen der LEADER-Projekte. LEADER (Liasion entre Actions de Développement de l‘Economie Rurale) ist ein Förderprogramm der Europäischen Union, mit dem seit 1991 modellhaft innovative Konzepte im ländlichen Raum gefördert werden. Künstlerische und kulturelle Aktivitäten, die sich bewusst im ländlichen Raum verorten, können einen bedeutenden Beitrag zur Sensibilisierung für die einzigartige Natur und die Kulturdenkmäler unserer Heimat leisten. Antony Gormleys Werk „Horizon Field“ (2010 bis 2012) war eine Landschaftsinstallation aus 100 Eisenfiguren im alpinen Hochgebirge. Sie führte das Publikum an die entlegensten Orte Vorarlbergs und beförderte eine bewusstere Wahrnehmung des eigenen Lebensraums mit seiner spezifischen Topografie, Flora und Fauna. Das Projekt illustriert, wie mithilfe von Kunst auch auf Themen des Umweltschutzes, die Erhaltung bedrohter Arten und eine ökologisch nachhaltige Lebensweise aufmerksam gemacht werden kann. Umgekehrt können auch Kunst und Kultur von Konzepten aus diesen Feldern profitieren. Beispiele dafür wären der Schutz der Diversität, Naturverträglichkeitsprüfungen, Samenbanken zum Erhalt seltener Pflanzenarten oder auch das von der EU bei geschützten Naturräumen eingeforderte „Verschlechterungsverbot“. In Analogie zu den zentralen Aufgaben und Zielen der Kulturpolitik lassen sich daraus Ideen für die Zukunft ableiten. Überraschende Parallelen zwischen den vermeintlich konträren Feldern der Kultur und des Sports gibt es im Verständnis über die Herausforderungen und die Praxis des Förderwesens. Grundsätzlich sehen sich beide Abteilungen zu einem Balanceakt verpflichtet, der auf der einen Seite eine Vielfalt von Programmen und Aktivitäten gewährleistet und auf der anderen Seite Spitzenleistungen möglich macht. Die Bausteine der Förderung bilden dabei sowohl bei der Kultur als auch beim Sport ein Pyramidenmodell. Von einer breiten Streuung an der Basis reicht das Spektrum über halbprofessionelle und professionelle Initiativen und Verbände bis zu herausragenden Einzelleistungen und Leuchttürmen. In beiden Verwaltungseinheiten bedeutet die Förderung breitenwirksamer Formate nicht automatisch, alles zu fördern, sondern folgt einem strategischen Entwicklungsfokus. Üblicherweise werden daher Anschubfinanzierungen gewährt und in einzelnen Disziplinen zeitlich begrenzte Förderimpulse gesetzt. So hat es sich im Spitzensport etwa als sinnvoll erwiesen, anstelle der Grundförderung einer Nischensportart eher Wettbewerbe zu fördern. Im Bereich der Kultur entspricht diesem Ansatz die Vergabe von Stipendien und spartenspezifischen Preisen. In Bezug auf die Evaluierung von Zielvorgaben ist der Sport im Vorteil, weil sich dort Qualität leichter in Zahlen messen lässt. Nicht unerwähnt bleiben sollten aufgrund ihrer Verwandtschaft zu Ausdrucksformen der Darstellenden Kunst auch der Tanzsport und die Artistik. Hinsichtlich der Möglichkeit, Knowhow auszutauschen sind hier gemeinsame Wege denkbar. Ein Segment, auf das im Rahmen der Kulturenquete wiederholt hingewiesen wurde, ist die Förderung der Jugend. Dieses Thema steht stellvertretend für eine Reihe von Kulturphänomenen, die sich nicht unmittelbar in der Struktur der Voranschlagstellen des Kulturbudgets abbilden und deren primäre Zuständigkeit auch woanders liegt. Bei den Landesförderungen aus dem Ressort Jugend und Familie fällt jedoch auf, dass ein überwiegender Prozentsatz der dortigen Förderleistungen dem Großbegriff Kultur zuzurechnen ist. Das ist erfreulich und zeigt, dass die diesbezügliche Zusammenarbeit sehr sinnvoll ist und weiter vertieft werden kann. Hier wie dort stellt sich die Frage, wie Neues und Innovatives neben dem Bestehenden Platz finden kann. Das sich derze it im Auf bau bef indliche Anerke nnungssystem zur gezielte n Förder ung des f re iwillige n Engageme nts von Juge ndliche n, e ine Kooperation des Büros f ür Zukunf tsf rage n un d des Ju ge n d- un d Familie nreferats des Landes mit dem Juge ndinformationsze ntr um aha und 360 – Vorarlberger Juge ndkarte, ist in Bezug auf die Schnit tstelle zur Kultur e in w i cht i g e s P r o j ek t . Juge ndliche n wird im Zuge dieser Initiative nach Versteht man Kunst und Kultur als Spiegel und Seismografen gesellschaftlicher Zustände, als Inkubatoren und Verarbeitungsmechanismen einer Gesellschaft, können sie in Bezug auf eine im Wandel befindliche Gesellschaft wertvolle Ansätze liefern. Eine stärkere Bedeutung von künstlerischen und kulturellen Aktivitäten wäre etwa hinsichtlich gelebter Interkulturalität, bei der Steigerung der Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen oder der Gleichstellung der Geschlechter vorstellbar. Da manche Themen gemeinsam angegangen werden müssen, ist in diesen Punkten ressortübergreifende Koordination und Zusammenarbeit gefragt. Es ist ein grundsätzliches Anliegen der Kulturpolitik, Familien, Kinder und Jugendliche auf vielfältige Weise mit Kunst und Kultur in Berührung zu bringen sowie entsprechende Kulturvermittlungsprogramme zu fördern. Die Kulturabteilung selbst hat unterschiedliche Akzente gesetzt und Formate ins Leben gerufen, um Zugänge zu erleichtern. Ein aktuelles Beispiel ist die aus einem Impulsprojekt der IG Kultur hervorgegangene, 2015 im Probelauf durchgeführte Schulaktion „Freie Fahrt zur Kultur“, bei der alle Schülerinnen und Schüler Vorarlbergs gratis mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu Kultureinrichtungen fahren können. dem Mot to „do good things, get good things“ die Mögli chke it g eg ebe n , f ür ihre f re iwillige Tätigke it be i Projekte n, in Vere in sf unkt ione n , be i ge me innützige n Aktione n etc. Punkte zu sammeln und diese in Belohnunge n bzw. Anerke nnunge n ( sinnvolle Produkte, besondere Erfahr unge n) e inzutausche n. 54 3 Herausforderungen 3.1 Kultur als Schnittstellenphänomen Weitere Belege gelebter Schnittstellenarbeit sind „Reiseziel Museum“, ein mittlerweile länderübergreifendes Sommerangebot zur Attraktivierung der Museumslandschaft für ein junges Publikum, oder die Kulturangebote auf dem VOBS-Bildungsserver. Aus diesen Initiativen wird erkennbar, dass die Bereiche Schule und Bildung, auch wenn sie nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kulturabteilung fallen, doch wichtige Partner einer nachhaltigen Kulturentwicklung sind. Der Input der Kulturszene bietet auch in Fragen der Bildungsentwicklung Potenziale. So fordert etwa der Vorarlberger Kulturservice (VKS) den Kunstund Kulturbegriff in der Schule zu erweitern und Kompetenzen wie Wahrnehmung, Reflexions- und Kritikfähigkeit fächerübergreifend im Sinne eines modularen Unterrichts einfließen zu lassen. Gerade das Konzept der Ganztagsschule bietet dafür Möglichkeiten. Dies setzt voraus, dass Kulturpädagogik und -vermittlung bereits im Vorfeld in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern eingebunden sind. Die Kulturabteilung des Landes versteht sich hier als Brückenbauerin. Die enge Verzahnung der Felder Kultur und Wirtschaft zeigt sich deutlich an den Beispielen Architektur und Handwerk. Diese zwei Sparten stellen für die kulturelle Außenwirkung Vorarlbergs einen unschätzbaren Wert dar. Sie sind Kulturphänomene und im gleichen Maße zentrale Wirtschaftsfaktoren. Darüber hinaus überschneidet sich Kulturarbeit in vielen Fällen mit wirtschaftlichen Belangen. Dies belegt der inflationäre Gebrauch des Begriffs der Kreativwirtschaft, zu welcher etwa Design, Grafik und Typografie gehören. Initiativen zur Ausstellung und Positionierung des Designs, wie designforum Vorarlberg, ArtDesign oder Unikat B sind ebenfalls Plattformen der Verschränkung von Kultur und Wirtschaft. Hinsichtlich der von Seiten der Wirtschaft geforderten Innovationskraft leistet Kultur Pionierarbeit. Vor allen anderen beschäftigt sie sich mit den Fragestellungen unserer Zeit, erprobt neue Medien und alternative Ökonomien. Kunst und Kultur fördern die Lebendigkeit einer Region. Sie schaffen einen fruchtbaren Nährboden für Kreativität und Innovation. So tragen sie unmittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg Vorarlbergs bei. Kultur gewinnt als eigener Berufszweig sowie als Standortfaktor zunehmend an Bedeutung. Die Potenziale und positiven Effekte einer guten Zusammenarbeit von Kultur und Wirtschaft liegen auf der Hand. Dennoch ist festzuhalten, dass etwa das Thema Kultursponsoring in Vorarlberg unterdurchschnittlich entwickelt ist. Es gilt, sowohl die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft stärker für die Impulse aus der Kultur als auch die Kulturszene für die Aufgleisung nachhaltiger Kooperationen zu sensibilisieren. Die Kulturabteilung vertritt gegenüber dem Bund das Anliegen der Kulturschaffenden, hier zusätzliche Anreize zu schaffen. Vom Attraktivitätsfaktor Kultur, der Vorarlberg in der Fülle seiner Angebote von anderen Alpenregionen unterscheidet, profitiert auch der Tourismus. Am Sonderfall der Filmförderung verdeutlichen sich die Kreuzungspunkte der Interessen von Tourismus, Wirtschaft und Kultur. Es geht darum, sowohl künstlerisch ambitionierte Nischenprojekte zu ermöglichen als auch die kommerziellen Interessen der lokalen Filmwirtschaft sowie die Herstellung und Positionierung eines markenkonformen Vorarlberg-Bildes zu unterstützen. Gerade am Beispiel einer großen Filmproduktion zeigt sich die Komplexität ineinandergreifender oder unterschiedlicher Interessenslagen. Schnittstellenarbeit bedeutet, ähnliche Herausforderungen und sich überschneidende Themen herauszufiltern, Kooperationen einzugehen, gemeinsam Projekte abzuwickeln und zu fördern. Manchmal heißt das aber auch, Zuständigkeiten klären, Grenzen ziehen oder sich positionieren. Eine grundsätzliche Bereitschaft, sich miteinander an einen Tisch zu setzen, ist im Hinblick auf die skizzierten Herausforderungen jedenfalls unumgänglich. 56 3. 2 V ielfalt gewährleisten, Zugänge ermöglichen Die im Gesetzestext verankerten Zielbilder lesen sich wie zwei Seiten einer Medaille. Auf der einen Seite stehen die Produktion der Kultur und der Ruf nach einer Kulturförderung, die Vielfalt zu gewährleisten hat. Auf der anderen Seite findet sich die Ebene der Rezeption und damit die Notwendigkeit, Zugänge zu Kunst und Kultur zu ermöglichen. Das zeigt sich in gleicher Weise beim Publikum. Die Vielfalt persönlicher Zugänge, Geschichten, kultureller Hintergründe und Interessen bereichert die Ausformung des kulturellen Geschehens. Für die Kultureinrichtungen und Kulturschaffenden geht es im Umkehrschluss darum, Themen der Kultur nicht innerhalb geschlossener Kreise zu zirkulieren, sondern der vielschichtigen Zusammensetzung des Publikums auch in spezifischen Formaten zu entsprechen. kulturferne Bevölkerungsgruppen an die Kultur heranzuführen. Kulturvermittlung besitzt einen bedeutenden öffentlichen Stellenwert und ist in Vorarlberg eine vielseitig gelebte, kreative und über die meisten Kulturbereiche gestreute Praxis. Für die Gesellschaft hat sie einen Bildungs-, Integrations- und Entwicklungswert. Auf Basis dieser Studie reserviert die Kulturpolitik seither finanzielle Mittel, um Strategien der Vermittlungsarbeit weiterentwickeln zu können. Diese Notwendigkeit ist auch im Arbeitsprogramm der Landesregierung verankert. Folgende aus der Erhebung übernommene Kernthesen leiten die Kulturabteilung in den diesbezüglichen Schwerpunktinitiativen: Kulturvermittlung spricht alle Bevölkerungsschichten an. Sie bietet vielseitige Möglichkeiten, um die Teilhabe an Kunst und Kultur im Wandel der Generationen und für verschiedene gesellschaftliche Gruppen zu fördern. Kulturvermittlung trägt zur Aufrechterhaltung und Entwicklung einer Gesellschaft mit hoher Lebensqualität bei. Sie vernetzt Kulturschaffende, Kulturpolitik und Bevölkerung und fungiert als Bindeglied zwischen den Systemebenen. Das Land Vorarlberg beauftragte im Jahr 2011 die Fachhochschule Vorarlberg, Forschungsbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, eine Studie über kulturvermittelnde Aktivitäten durchzuführen.20 Ziel der Studie war es, die bislang nicht systematisch erfassten, vielseitigen Aktivitäten der Kulturvermittlung im Rahmen einer Vollerhebung regionaler Kulturorganisationen zu erkunden. Aus Sicht der befragten Einrichtungen vermitteln Kunst und Kultur Das Land hat eigene Vermittlungsplattformen bedeutende gesellschaftliche Werte. Kultur wie etwa den „Museumstag“ ins Leben gerusammelt generationsübergreifend Wissen und fen. Im Schulbereich hat die Kulturabteilung inspiriert zu Neuem. Dies spiegelt sich in der mit dem Vorarlberger Kulturservice (VKS) Gesellschaft und im eigenen Arbeitsbereich einen starken Kooperationspartner. Unterstützt wider. Kunst- und Kulturvermittlung bringen werden zudem zahlreiche Schwerpunktprojekaber auch gesellschaftskritische Aspekte te einzelner Veranstalterinnen und Veranstalzum Ausdruck und tragen damit zu einer ter, wie die Theaterarbeit mit jungen Menschen offenen und toleranten Gesellschaft bei, in von Brigitte Walk oder die Lehrlingsprojekte welcher Bildung über die Anhäufung von von Bruno Winkler. Eine Fülle von Aktivitäten Wissen hinausgeht. Unter Kulturvermittlung soll gerade den niederschwelligen Zugang verstanden werden alle Aktionen kulturzur Kultur ermöglichen und Barrieren abbauen. schaffender Personen oder Organisationen, Dazu gehört etwa die Unterstützung der Aktion die der Bevölkerung auf pädagogische, spieler„Hunger auf Kunst und Kultur“. Ein Beispiel ische oder kommunikative Weise Kultur naheeines erfolgreichen Inklusionsprojektes ist die bringen. Derartige Initiativen fördern das Arbeit von ARTquer in Frastanz. Miteinander und zielen darauf ab, junge oder Kulturvermittlung. Eine Studie zur Bedeutung und zum Umfang kulturvermittelnder Initiativen in Vorarlberg, FH Vorarlberg, Forschungsbereich Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, Dornbirn 2012. 20 Ein weiterer Baustein, um das Verständdie Lebenswelten der Jugend erfahren. nis für Kunst und Kultur auf Seiten der Derzeit gibt es 21 laufende Projekte. Schulen und der Kultureinrichtungen Bestens etabliert ist die Vermittlungsgemeinsam voranzutreiben, ist die arbeit in den Landesinstitutionen. Pilotaktion „Freie Fahrt zur Kultur“. So werden etwa in der Jahresbilanz Ab dem Schuljahr 2015/16 haben alle des vorarlberg museums für das Jahr Schulklassen in Vorarlberg Zugang 2014 bei einer Gesamtbesucherzahl zu Freifahrttickets innerhalb des Gebie- von 57.000 in der Vermittlung tes des Vorarlberger Verkehrsverbundes. 557 Führungen, 245 Workshops und Pro Schuljahr und Schulklasse werden 201 Veranstaltungen angeführt. zwei An- und Rückreisen zu KulturDie inatura in Dornbirn berichtet im stätten mit Bus und Bahn kostenlos zur gleichen Jahr von ebenso bemerkensVerfügung gestellt. 290 Schulen mit werten 974 Gruppenführungen. insgesamt 2.666 Klassen sind für die Freifahrt zu 170 Kulturinstitutionen Die Vielfalt gilt als wichtiger Parameter berechtigt. Ein anderes aktuelles Beispiel eines zukunftsfähigen kulturellen gelungener Vermittlungsinitiativen des Lebens. Blickt man auf das bestehende Landes ist „double check“. Im Rahmen Kulturangebot Vorarlbergs, wird die dieses Programms arbeiten je eine Fülle offensichtlich: 300 bis 400 konBildungs- und eine Kultureinrichtung krete Kulturereignisse bilden sich in Form einer langfristigen und nachpro Monat im Kalender der Zeitschrift haltigen Partnerschaft zusammen. „Kultur“ ab. Dies könnte Anlass sein, Kinder und Jugendliche erhalten durch sich in Selbstgenügsamkeit zurückzusolche Kooperationen Einblicke in die lehnen, ist es jedoch nicht, und erst künstlerische Produktion. Kultureinrecht nicht unter den Vorzeichen richtungen wiederum können mehr über einer kritischen Bestandsaufnahme 3 Herausforderungen 58 3.2 Vielfalt gewährleisten, Zugänge ermöglichen 59 3. 3 Balanc eak te im Hinblick auf ausreichende Diversität. Der Wunsch nach kultureller Vielfalt bringt automatisch die Frage nach den Herausforderungen einer interkulturell geprägten Gesellschaft mit sich.21 Angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation sind Konzepte der Kultur gefragt. Auch auf der Kulturenquete 2015 wurden die Notwendigkeit gelebter Interkulturalität und die Stärkung derselben betont. Wiederum sind beide Seiten der Medaille zu betrachten: die Möglichkeiten zur Teilhabe für ein bestimmtes Publikum und die Vielfalt des Angebots. Festgehalten wurde dezidiert die Wichtigkeit von Angeboten von, mit und für Menschen mit Migrationsgeschichte. Mit diesen wird das Bewusstsein für die Kultur der Herkunftsländer geschärft und die Identifikation mit der Kultur vor Ort ermöglicht. Infolge der Enquete wurde der „Museumstag 2015“ unter das Thema „Interkulturalität“ gestellt. Diskutiert wurden dabei Vorarlberg als Zuwanderungsland und die durch Arbeitskräftemangel bedingten Zuwanderungsbewegungen. Ebenso dargestellt wurde das bereits entwickelte, bunte Spektrum an Impulsen im Bereich der Vermittlung. Ein schönes Beispiel dafür ist das Vielfaltenarchiv in Hohenems. Die Vermittlungsbestrebungen werden dort nicht als Integrationsarbeit verstanden, sondern als Prozess, um einen selbstverständlichen Teil der Vorarlberger Kulturrealität sichtbar zu machen. Einen ebenso wertvollen Beitrag zum Kulturgeschehen der Region leistet der Kulturverein MOTIF, der nicht nur für ein türkischstämmiges Publikum Veranstaltungen durchführt und produziert. 21 Der identitätsstiftende Nutzen von Kulturarbeit kann nicht hoch genug bewertet werden. Unerlässlich für den Erfolg ist, anstelle des Wir und Ihr das Gemeinschaftliche als Maxime einzufordern. Die Offenheit, die Neugier und der Austausch auf Augenhöhe sind die wichtigsten Zutaten gelungener Transkulturalität. Niederschwellige Angebote und die mannigfaltigen Möglichkeiten der Kunst können dabei mitwirken, eine pluralistische Zivilgesellschaft zu stabilisieren. Die Kulturabteilung kooperiert in diesem Bereich mit der Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten. Anhaltspunkte zum Thema bietet das Integrationsleitbild mit den darin formulierten Leitzielen „Grundrechte und Grundwerte sichern – Vielfalt leben“, „Herausforderungen annehmen – Potenziale entfalten“, „Teilhabe fördern und fordern – Zusammenhalt stärken“: https://www.vorarlberg.at/pdf/gemeinsamzukunftgestalten.pdf [Stand: 7.3.2016]. Die Ergebnisse und offenen Fragen der Kulturenquete lassen erkennen, dass quer durch alle Sparten und Felder der Kulturförderung Balanceakte zu bewerkstelligen sind. Eine dynamische Kulturlandschaft für die gesamte Bevölkerung zu schaffen, zu pflegen und weiterzuentwickeln, erfordert eine besondere Sensibilität im Umgang mit Ambivalenzen: Die Radikalität des Freien steht im Konflikt mit der Strukturiertheit des Institutionellen, das Neue sucht seinen Platz neben dem Etablierten, das Bewährte trifft auf das Innovative, die Flexibilität kleiner Einheiten versucht sich gegenüber den großen Kulturtankern zu behaupten. Im Ringen um ein Gleichgewicht unterschiedlicher Stoßrichtungen und Konzepte geht es nicht um ein Entweder-oder, sondern vielmehr um ein ausbalanciertes Sowohl-als-auch. Für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags braucht es eine Kultur des Abwägens und eine Diskursfähigkeit, wie sie in den Kunstkommissionen praktiziert werden. Um günstige Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur herzustellen, ist es vorteilhaft, diese Spannungsverhältnisse nicht als Mangel aufzufassen, sondern als Indizien für ein lebendiges Kulturgeschehen. Ziel der Förderinstrumente des Landes ist ein umfassendes kulturelles Angebot. Es gilt, gleichzeitig breit gestreut die Grundversorgung und herausragende Leistungen mit überregionaler Strahlkraft zu ermöglichen. Von der Basis bis zur Spitze der Förderpyramide ist dabei nicht nur die Publikumsreichweite eines Projektes entscheidend. In Bezug auf eine Förderpraxis, die sich den Landeseinrichtungen ebenso wie Nischenaktivitäten und der Kulturarbeit kleiner Initiativen verpflichtet sieht, ist das vorrangige Kriterium einer positiven Beurteilung die Qualität. In den Open Spaces der Kulturenquete 2015 wurde das sogenannte Gießkannenprinzip mehrfach genannt. Darunter verstanden wird in der Kulturförderung häufig die gleichmäßige Verteilung von Fördermitteln in der Fläche – geografisch, gesellschaftlich und spartenbezogen. In den öffentlichen Debatten ist das Prinzip manchmal negativ besetzt, da es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, ob damit tatsächlich Vielfalt im bestmöglichen Sinne entsteht. Oder wird eher ein Überangebot genährt, das wiederum den Konkurrenzdruck steigert und zu Lasten der Qualität geht? Interpretiert man das Prinzip der Gießkanne als ein Gleichviel von Fördergeldern, bedeutet dies bei stagnierenden Budgets letztlich ein Gleichwenig. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, die Metapher der Gießkanne wörtlich zu nehmen. Tipps aus der Gartenfibel für eine erfolgreiche Bewässerung sind etwa: gleichmäßig feuchthalten, kräftig angießen, Staunässe vermeiden, den Boden benetzen, nicht in der Mittagshitze gießen. Auch die Fachbegriffe aus der Düngung bieten Assoziationsmöglichkeiten: Es gibt Langzeitdünger, Zugaben beim Gießwasser, Spezialdünger für bestimmte Sorten, Kopfdüngung während des Wachstums, aber auch die Gefahr von Nährstoffmangel oder Überdüngung. Der Einsatz der Gießkanne kann variabel sein. Er kann flächig erfolgen oder mit speziellen Brauseköpfen, kann empfindlichen Pflanzen eine exklusive Einzelbewässerung gönnen oder jungen Keimlingen viel Wasser zukommen lassen, damit sie ausreichend Wurzeln bilden. Um das gewünschte Wachstum zu garantieren, bedarf es einer Sensibilität für die gerade richtige Wassermenge. Ungeachtet der kulturellen Grundversorgung, die durch die Kulturförderung aller Sparten gewährleistet ist, braucht es für die Entwicklung, den Erhalt und Ausbau von Spitzenleistungen mit überregionaler Strahlkraft eigene Fördermechanismen. Investitionen in diesem Bereich sind langfristig zu sehen. In vielen Fällen ist dafür eine Internationalisierung unerlässlich. Impulse von innen nach außen und umgekehrt können fruchtbare Maßnahmen sein, um Neugier zu wecken sowie Qualität und Diversität zu steigern. 3 Herausforderungen 3.3 Balanceakte Gemessen an der Größe des Landes und seiner Bevölkerungszahl haben die guten Rahmenbedingungen der Kulturförderung tatsächlich zu einer Fülle des Angebots in Vorarlberg geführt. Eindrücklich belegt wird dies durch die statistische Auflistung des Veranstaltungskalenders in der Zeitschrift „Kultur“, die von der Strategiegruppe seit September 2015 geführt wird. Das Angebot verdichtet sich im Rheintal. In ländlicheren Regionen ist es naturgemäß weniger entwickelt, und es ist dort auch schwieriger, ein größeres Publikum zu erreichen. Entwicklungsfähig ist diesbezüglich sicherlich das Mobilitätsverhalten der Vorarlberger Bevölkerung. Auf Seite der Besucherinnen und Besucher ist die Reichhaltigkeit des kulturellen Lebens ein Vorteil oder vielleicht ein Luxusproblem, weil es die Qual der Wahl mit sich bringt. In Analogie zu der Palette an Joghurts in den Kühlregalen eines großen Supermarktes stellt sich die Frage, welches Spektrum an Wahlmöglichkeiten sinnvoll ist. Allein den Status quo zu wahren, wird in den meisten Disziplinen kultureller Produktion bereits als Stagnation empfunden. Der unbedingte Wille zum Wachstum ist deutlich spürbar. Letztlich entstehen jedoch mit jedem zusätzlichen Kulturangebot auch Mehrkosten. In weiterer Folge kommt es zu einem Mehr an Veranstaltungen, an Personaleinsatz und einem Mehrbedarf an räumlichen Ressourcen. Um unter dem Wettbewerbsdruck ähnlicher Anbieter zu bestehen und sichtbar zu bleiben, sind im Ringen um das Publikum zusätzliche Mittel, Kräfte und Werbemaßnahmen erforderlich. Die Zuwachsraten des Kulturbudgets folgen dieser Entwicklung nicht. Manchmal wird sogar – vermeintlich zur Defizitkompensation – mit weniger Mitteln noch mehr produziert. Damit erhöht sich der Output, jedoch nicht unbedingt die Qualität. Gerade auch im Hinblick auf die eingangs skizzierten gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen ist bei der Weiterentwicklung des kulturellen Angebots eine umfassende Betrachtung unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten vonnöten. Ein Vergleich der Kulturbudgets der letzten Jahre zeigt, dass in vielen Fällen gewachsene Fördersummen fortgeschrieben werden. Angesichts von steigenden Ausgaben und Teuerungsraten entspricht diese Praxis eigentlich einer schleichenden Reduktion des Förderbeitrages. Dem entgegengesteuert wird durch eine periodische Bewertung der Kulturprogramme und Aktivitäten sowie mit einer allfälligen, daraus resultierenden Anpassung der Förderhöhe. Die von Seiten der IG Kultur geforderte automatische Indexierung von Förderbeiträgen wird als ungeeignetes Mittel der Kulturförderung erachtet, da sie einerseits einem Förderautomatismus entspräche und andererseits den Spielraum für Impulsprojekte des Landes einengen würde – erst recht angesichts der aktuellen Budgetprognosen. Es ist durchaus angebracht, das bestehende Angebot kritisch zu hinterfragen – und dies nicht nur in Bezug auf die Kulturszene, sondern auch im Hinblick auf das Rollenverständnis von Kunst und Kultur innerhalb einer Multioptionsgesellschaft. Gerade die Kunst mit ihren Konzepten und sinnstiftenden Angeboten kann dabei als Alternativmodell zu einer Eventisierung punkten. Ein Mehr an Kultur für Vorarlberg bedeutet in keinem Fall, dass es mehr Ausstellungen oder Veranstaltungen bräuchte. Im Gegenteil könnte eine allfällige Reduktion und Konzentration der Fülle im Einklang mit einer besseren regionalen Koordinationsund Abstimmungsarbeit dazu führen, dass bestimmte Kulturereignisse besser wahrgenommen werden und mehr Publikum finden. Den demokratischen Grundprinzipien folgend, ist hier die Balance gefragt zwischen der Fülle, die nicht zu viel des Gleichen bedeuten darf, und der erforderlichen Vielfalt des Angebots. Der Balanceakt hat einen lebendigen Wettbewerb zu fördern, Ungleichgewichte zu erkennen und Ungerechtigkeiten zu verhindern. Von Seiten des Landes braucht es die Sensibilität für neue Initiativen, den Mut, Erfolgsmodelle aktiv zu begleiten und manche Dinge auch zu beenden. Dafür sind flexible Fördermodelle gefragt. 61 62 3 Herausforderungen 3.3 Balanceakte Es ist sicherlich eine Aufgabe der kommenden Jahre, die gewachsenen Förderstrukturen und allfällige Automatismen immer wieder kritisch zu überdenken. Dem Wachstum steht die Reduktion gegenüber, die sich etwa im Jahr 2011 durch die Anwendung der Kreditbindung ergeben hat. Eine andere Möglichkeit für die Kulturabteilung ist die Setzung periodisch begrenzter Akzente. Festzuhalten ist, dass aufgrund der Wertschätzung für das künstlerische Schaffen – auch in Bezug auf tradierte Formate – tatsächlich selten Kürzungen ausgesprochen werden. Umso schwerer haben es im Gegenzug bei gleichbleibenden Budgets die Erstansuchenden. Indem sie ihre Ansprüche geltend machen, wird das Etablierte hinterfragt und herausgefordert, sich argumentativ zu positionieren. Bei und nach der Kulturenquete 2015 wurde kritisch angemerkt, dass das Durchschnittsalter der Teilnehmenden sehr hoch war. Man konstatierte die Notwendigkeit eines Generationenübergangs. Um Kunst und Kultur als Gradmesser für den Zustand der Gesellschaft, als Erneuerungskraft des gesellschaftlichen Miteinanders lebendig zu halten, braucht es das junge Kulturschaffen, den Nachwuchs in möglicherweise erst noch zu entdeckenden Formaten. Voraussetzung dafür ist ein solidarisch gestalteter Generationenvertrag. Das qualitätsvolle Kultur- und Kunstschaffen junger Menschen ist vorausschauend und explizit zu fördern. Experimentierfelder sind zu erschließen, Entwicklungen zu begleiten und interessante jugendliche Impulse zu verstärken, um sie für die Gesellschaft fruchtbar zu machen. Dies kann vielleicht in Form zeitlich begrenzter, unbürokratischer Startförderungen oder durch Stipendien erfolgen. Ebenso gilt es, jüngere Bevölkerungsgruppen durch aktive Vermittlungsarbeit als Publikum zu gewinnen. Balance zu halten zwischen der Förderung eines bewährten hochwertigen Kulturangebots und dem Wunsch nach Innovation ist eine komplexe 63 wieder Verwirrung. Die Bezeichnung ist nur im deutschsprachigen Raum zu finden. In den 70er-Jahren meinte sie zunächst ausschließlich das alternative Theater im Vergleich zu den großen Bühnen etablierter bürgerlicher Hochkultur. Inhaltlich verstand man darunter engagierte, kritische Kunst verbunden mit sozialem und politischem Antrieb. Beabsichtigt waren demokratische Modelle, die sich von den unbeweglichen, hierarchischen Institutionen unterschieden. Die Vision war „Kultur für alle“.22 Im weiteren Sinne fällt heute jede Einrichtung darunter, die nicht aufgrund eines öffentlichen Auftrags der Gemeinde, der Stadt, des Landes oder des Bundes agiert. Im engeren Sinne versteht man unter freier Szene ein professionelles Kunstund Kulturschaffen von Personen oder Gruppen, das vorwiegend auf freiberuflicher Ebene organisiert ist. Dieser Auslegung nach gehört das kulturelle Engagement im Amateurbereich nicht dazu. Aufgrund der Definitionsunschärfe sollte der Begriff nicht überstrapaziert werden, sondern schlicht als Etikett dienen, das als Bezeichnung für die gesamte professionelle Off-Szene aller Sparten Gültigkeit besitzt. Aufgabe, weil die Erneuerung für sich nicht kalkulierbar ist. Spannend wird es gerade in Bereichen, in denen die konkrete Entwicklung noch nicht absehbar ist, dort, wo etwas wächst, was die Gesellschaft nötig hat, das vielleicht vorhanden, aber noch nicht sichtbar ist. Auch ein jüngeres Kunst- und Kulturschaffen kann allerdings sehr konventionell sein. Deshalb ist hier nicht nur das Junge im engeren Sinne, sondern die Kraft der Innovation an sich angesprochen. In einer restriktiven Gesellschaft entsteht die Gegenkultur von selbst. Heute gehören jedoch die ehemals Widerständigen zu den Etablierten. Interessant ist daher, wachsam den Prozess zu begleiten, wie sich innerhalb einer pluralistischen Multioptionsgesellschaft eine Gegenkultur als Korrektiv überhaupt ausbilden kann. Dafür gibt es kein Steuerungsinstrument, sondern nur den Auftrag, gegebenenfalls nach neuen Lösungen zu suchen und dafür Freiräume und Leerstellen bereitzuhalten, die auch ein Scheitern erlauben. Für wiederkehrende Diskussionen sorgt das Verhältnis der für landeseigene Institutionen und die freie Szene aufgewendeten Fördermittel. Aktueller Anlass hierfür war die in den letzten Jahren überdurchschnittliche Aufwertung der in der KUGES organisierten Einrichtungen, die durch den Neubau des vorarlberg museums und die Weiterentwicklung des Dreispartenmodells des Landestheaters erfolgte. Das Land bekennt sich ausdrücklich zu seinen eigenen Kultureinrichtungen, die überregional Strahlkraft besitzen. Ebenso wie die Bregenzer Festspiele sprechen sie ein internationales Publikum an und erfüllen repräsentative Funktionen. Gleichermaßen gibt es das Bewusstsein dafür, dass das Wachstum der landeseigenen Einrichtungen in Relation zur Szene der Freien gesehen werden muss. Die Qualität und Dichte des alternativen Angebots, das Große im Kleinen, ist zu wahren. Da der Begriff der freien Szene ebenso wie jener der Kultur in sehr unterschiedlicher Weise verstanden und beansprucht wird, stiftet er immer In Österreich und auch in Vorarlberg steht die kulturelle Freiwilligenarbeit in Bezug auf Personenanzahl und geleistete Stunden innerhalb aller ehrenamtlicher Tätigkeiten hinter dem Sportbereich an zweiter Stelle.23 Laut IG Kultur wird österreichweit fast die Hälfte der Arbeit im Kunst- und Kulturbereich unbezahlt geleistet. Die Unterstützung von Verbänden und Vereinen, in denen kreatives Schaffen im Amateurbereich organisiert wird, ist ein fester Baustein der Kulturförderung. Die großen Kulturträger im Freiwilligenbereich finden sich in der Sparte Musik, mit den Verbänden des Chor- und Blasmusikwesens, im Bereich der Heimat- und Brauchtumspflege und beim Amateurtheater, das ebenso in einer Verbandsstruktur organisiert ist. Auch in der Museumsarbeit und in Kulturinitiativen leisten die Freiwilligen einen wertvollen gesellschaftlichen Beitrag. Hervorzuheben ist allerdings, dass derzeit einige Museen in Vorarlberg (z.B. in Schwarzenberg und Hittisau) einen anderen Weg suchen und vermehrt in Anstellungsverhältnisse investieren. Freiwilliges Engagement im Kulturbereich geschieht in der Regel im organisierten Rahmen und zählt daher zur sogenannten „formellen Freiwilligenarbeit“. Andere Kategorien dieser Sparte sind etwa die Katastrophenhilfe oder die Politik. In der Altersgruppe der 50- bis 70-jährigen ist der Anteil jener, die sich ehrenamtlich engagieren, am höchsten. Das gilt auch für den Kunst- und Kulturbereich. Österreichweit lebt der überwiegende Teil der ehrenamtlich Tätigen in Städten, aber auch in ländlichen Gebieten ist diese Form des Engagements sehr weit verbreitet, man denke nur an die Musikvereine, Volkstanzgruppen und Geselligkeitsvereine. Auffallend ist eine hohe Bildungsquote, und im Unterschied zu anderen Freiwilligenbereichen sind in der Kultur Frauen und Männer zu gleichen Teilen vertreten.24 Das Verhältnis zwischen der bezahlten und der unbezahlten Arbeit im Kulturbereich ist ein langjähriges Diskussionsthema. Aus Sicht der IG Kultur steht dem positiven Aspekt des Engagements und der Mitgestaltung des Lebensumfelds oft eine unfreiwillig unbezahlte professionelle Arbeit gegenüber: Bei 118 untersuchten Kulturinitiativen sind nur vier Prozent der Mitarbeitenden vollzeitbeschäftigt.25 Der ehemalige Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann hat mit diesem Begriff die Kulturpolitik in den 70er-Jahren neu geprägt: Hilmar Hoffmann, Kultur für alle. Perspektiven und Modelle, Frankfurt am Main 1979. 23 Freiwilliges Engagement in Österreich. Bundesweite Bevölkerungsbefragung 2012. Institut für empirische Sozialforschung, Wien 2013: https://www.sozialministerium.at/site/Service_Medien/Infomaterial/Downloads/ Erhebung_zum_Freiwilligen_Engagement_in_Oesterreich [Stand: 10.2.2016]. 24 Ebd. 25 IG Kultur Basisdatenerhebung österreichische Kulturinitiativen 2012: http://igkultur.at/medien/publikationen/pilotprojekt-basisdatenerhebung-2012 [Stand: 10.2.2016]. 22 64 3 Herausforderungen 3.3 Balanceakte Es ist durchaus nachvollziehbar, dass aufgrund des Engagements der Wunsch nach Anstellung und nach Gewährung ausreichender Mittel für Anstellungsverhältnisse besteht. Die Begrifflichkeit des „erzwungenen“ bzw. „bezahlten“ Ehrenamts ist jedoch paradox. Die Verantwortung für das Programm obliegt letztlich der oder dem Freiwilligen selbst und kann nicht delegiert werden. Konsens ist, dass die ehrenamtliche Tätigkeit als elementarer Bestandteil einer lebendigen Kulturszene gesehen werden muss und entsprechende Wertschätzung verdient. Das Ehrenamt stellt an sich einen gesellschaftlichen Wert dar und erhöht zugleich den persönlichen Anteil am kulturellen Leben. Vor dem Hintergrund des sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandels bietet eine auf Partizipation und alternative Tauschwerte ausgerichtete Arbeitsform zudem interessante Ansätze für zukünftige ökonomische Modelle. Das Land bekennt sich zur freien Szene. Die prekären Verhältnisse im freiberuflichen Kulturbereich sind bekannt, die Forderungen nach fairer Bezahlung werden hier, ebenso wie in allen anderen Arbeitsbereichen, als relevant erachtet. Wichtig für die Beurteilung von Förderanträgen ist eine gesamtheitliche Betrachtung eines Projektes. Das schließt die Berücksichtigung der Qualifikationen und der Art des Engagements der handelnden Akteure mit ein. Herausforderung wird sein, die Rahmenbedingungen und die Dynamik des ehrenamtlichen Engagements zu erhalten. Ausständig ist dazu eine österreichweite statistische Erfassung aller kultureller Aktivitäten der Bevölkerung. 4 Handlungsfelder 4 Handlungsfelder 68 4.1 Zusammenarbeiten 4 .1 Zusammenarbeiten Das Miteinander stärken. Kunst und Kultur können einen Beitrag dazu leisten, die anstehenden gesellschaftspolitischen Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Sie bedingen eine Auseinandersetzung mit dem Istzustand unserer Gesellschaft und tragen damit zur Stärkung der Identität, zum Abbau von Vorurteilen, zur Erneuerung von gesellschaftlichen Mustern und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Zeit der Fragmentierung bei. Angedacht werden müssen Angebote der Kunst und Kultur als Beitrag zu einem Miteinander – von kulturellen Kontexten, Erfahrungshorizonten und Generationen. • Sicherzustellen ist, dass Kultur auch in Zukunft überall im Land spürbar und erlebbar ist. Die Vielfalt ist ein Indikator für die Lebendigkeit einer Kulturregion. Um die bestehende Vielfalt abzusichern, agiert das Land Vorarlberg als verlässlicher Partner von Kultureinrichtungen, die als wichtige Akteure in den Regionen des Landes Kulturangebote als öffentliches Gut bereitstellen. Die Attraktivität des Kulturstandorts im Bodenseeraum ist weiterhin zu erhalten. Dies kann durch die bestmögliche Unterstützung der international anerkannten und etablierten landeseigenen Einrichtungen ebenso erfolgen wie durch die Förderung der landesnahen Einrichtungen wie Bregenzer Festspiele, Jüdisches Museum in Hohenems oder inatura in Dornbirn. Die regionalen Kulturträger und traditionellen Kulturverbände, wie Blasmusik-, Chor-, Trachten- und Amateurtheaterverband sowie zahlreiche Projekte, Initiativen und Vereine im ländlichen Raum sind ebenso zu unterstützen. Auf Basis der Kulturenquete wird hier eingefordert, ein spezielles Augenmerk auf die Vielfalt des Kulturangebots von, mit und für Migrantinnen und Migranten sowie auf die aktive Vermittlungsarbeit zu richten, vor allem auch, um jüngere Bevölkerungsgruppen als Publikum zu gewinnen. • Schnittstellenarbeit bedeutet, ähnliche Herausforderungen und sich überschneidende Themen herausfiltern, Kooperationen eingehen, gemeinsam Projekte umsetzen und fördern. Manchmal heißt Schnittstellenarbeit aber auch, Zuständigkeiten klären, Grenzen ziehen oder sich klar zu anderen Feldern positionieren. Eine grundsätzliche Bereitschaft, sich miteinander an einen Tisch zu setzen und sich auszutauschen, ist im Hinblick auf die anstehenden Fragen jedenfalls unumgänglich. In Analogie zu der in Vorarlberg verfolgten gesundheitspolitischen Strategie von „Health in All Policies“ (Gesundheit in allen Politikfeldern), kann auch die Kultur eine ressortübergreifende Rolle einnehmen, um insgesamt zu einer höheren Lebensqualität für alle Bevölkerungsgruppen beizutragen. In folgenden Themenbereichen ist eine koordinierte bzw. partnerschaftliche Auseinandersetzung und Vorgehensweise von Landesabteilungen und Interessensgruppierungen besonders sinnvoll: Wirtschaft (Filmförderung), Tourismus (Plattform Kultur und Tourismus), Schule („Freie Fahrt zur Kultur“), Bildung (Ganztagsschulen), Jugend und Familie (Vermittlungsangebote), Wissenschaft (Gedenkkultur), Integration (Vielfalt und Zugänge), Raum- und Regionalentwicklung (Großprojekte), Verkehr (Kultur-Mobilität). Da sowohl Bund, Land, Städte und Gemeinden Kultur fördern, ist eine konstruktive Zusammenarbeit der verschiedenen Gebietskörperschaften ebenso relevant wie die landesinterne Abstimmungsarbeit. • Zugänge schaffen, Teilhabe verstärken. Es ist ein erklärtes Ziel der Landesregierung, einem größeren Anteil der Bevölkerung öffentlich finanzierte oder mitfinanzierte Kulturangebote näher zu bringen. Dazu bedarf es verstärkter Impulse in der Kulturvermittlung und einer intensiven Zusammenarbeit von Kultur- und Bildungseinrichtungen. Attraktive und innovative Konzepte wie „Check! Kultur“, „Reiseziel Museum“ oder „Tag des Denkmals“ sollen die Teilnahme und Teilhabe der Vorarlberger Bevölkerung am kulturellen Geschehen im ganzen Land erhöhen. Auf Basis der Erfahrungen der Pilotphase der „Freien Fahrt zur Kultur“ sollen weitere Angebote entwickelt werden. • Vielfalt erhalte n Verbandsstr ukture n e valuiere n Kulturangebote von, mit und f ür Me nsche n mit Migrationsgeschichte etabliere n Niederschwellige Angebote f örder n Schulprojekte umsetze n Gee ignete Kooperations- Sowohl innerhalb als auch außerhalb der Landesverwaltung ist die Koordinations- und Vernetzungsarbeit ein zentrales Anliegen. Dies umfasst Überlegungen zu gemeinsamen oder zumindest abgestimmten Kulturkalendern von Regionen, die Entwicklung einer Strategie zum Marketing (Ticketing) nicht kommerziell buchbarer Kulturangebote, das Ausschöpfen der teilweise noch wenig genutzten touristischen Potenziale der Museen sowie die Durchführung von Vernetzungstreffen und Schwerpunktveranstaltungen wie dem „Museumstag“ oder Diskursformaten zu kulturrelevanten Themen (z.B. Sozialversicherung, Anstellungsverhältnisse). • modelle erarbe ite n Ver mit tlungsangebote ausbaue n Professionalisier ung unterstütze n Fre ie Fahr t zur Kultur e valuiere n Koordiniere n und ver netze n 69 4 Handlungsfelder 70 4.2 Impulse setzen 71 4 . 2 Impulse set zen Fre iräume in der Budgeterstellung vorsehe n Flex ible Fördermodelle e ntwickeln Automatisme n ver me ide n Ze itlich begre nzte Ak ze nte setze n Ü berangebote hinterf rage n Kunstkommissione n u n d Ku l t u r b e i r a t a l s St e u e r u n g s gre mie n nutze n Per iodisch e valuiere n Kultur des Bee nde ns ler ne n Transpare nz Flexible Kulturbudgets, flexible Fördermodelle. Abzusehen ist, dass die budgetären Spielräume in den nächsten Jahren tendenziell enger werden. Daher gilt es für die Kulturpolitik des Landes, erfolgreiche Gegenstrategien zu entwickeln, damit Kunst und Kultur ihre gesellschaftliche Funktion aufrechterhalten können. Es wird in diesem Zusammenhang als sinnvoll erachtet, im Rahmen der Budgeterstellung Freiräume vorzusehen und die Modelle flexibler Förderabwicklung auszuweiten. Durch die angewandte Praxis einer Teilhabe- und Mitsprachekultur, die durch die Kunstkommissionen gewährleistet wird, kann punktgenau vierteljährlich die Notwendigkeit von Akzentsetzungen oder Kurskorrekturen diskutiert werden. Mit Hilfe der Kommissionen und des Kulturbeirats finden eine periodische Evaluierung und damit eine kritische Überprüfung gewachsener Förderautomatismen statt. Nach außen sind die jeweiligen Schwerpunktsetzungen der Kulturförderung transparent und nachvollziehbar zu kommunizieren. Sichergestellt werden soll dies durch die jährlichen Veröffentlichungen im Kulturbericht, den Sprechtag der Kunstkommissionen und die Zurverfügungstellung von Informationen auf der Homepage des Landes. • sicherstelle n Die gezielte Setzung von Sparten- oder Themenschwerpunkten kann die Entwicklung einer spezifischen Kulturszene fördern. Die Akzente können sich ganz allgemein auf den Stellenwert und die Themen der Kunst und Kultur beziehen, aber auch viel konkreter auf Touring-Töpfe für Musik- oder Theaterproduktionen und auf andere Entwicklungsimpulse innerhalb einer künstlerischen Disziplin. Die verstärkte Unterstützung von künstlerischen Eigenproduktionen ist ein diesbezüglicher Ansatz. Für die Förderung der Kategorie Film wurde etwa im Jahr 2014 ein Fördermodell entwickelt, das neben den künstlerischen Aspekten besonders auch regional-wirtschaftliche und standort-touristische Effekte berücksichtigt. Die konkreten Auswirkungen • Schwer punkt Interkulturalität setze n Tour ing-Töpfe e inr ichte n Filmf örder ung e valuiere n Gege nwar tskunst gezielt f örder n Kulturelle Spitze nle istunge n gezielt f örder n und Ergebnisse dieser Schwerpunktsetzung sind in den nächsten Jahren gemeinsam mit den Vertreterinnen und Vertretern der Interessen- und Qualitätsgemeinschaft Filmwerk Vorarlberg zu evaluieren und in der Kunstkommission, als Gremium der Qualitätssicherung, zu diskutieren. Zusätzlich zur kulturellen Grundversorgung braucht es für die Entwicklung, den Erhalt und Ausbau von Spitzenleistungen mit überregionaler Strahlkraft eigene Fördermechanismen. Dies gilt im Besonderen für die Gegenwartskunst, die im Kulturförderungsgesetz als Schwerpunktthema definiert ist. Investitionen in diesem Bereich sind langfristig zu sehen. In vielen Fällen ist dafür eine Internationalisierung unerlässlich. • In der Vorarlberger Kulturhäuser GmbH (KUGES) sind das vorarlberg museum, das Vorarlberger Landestheater und das Kunsthaus Bregenz organisatorisch zusammengefasst. Erklärtes gemeinsames Ziel ist es, hochwertige Kulturproduktion zu ermöglichen. Gegründet wurde die KUGES 1997 mit der Zielsetzung, die landeseigenen Kultureinrichtungen aus der Hoheitsverwaltung in eine privatwirtschaftliche Gesellschaftsstruktur auszulagern. Die gemeinnützige Gesellschaft hat den Auftrag, die Leiter der einzelnen landeseigenen Kulturhäuser im operativen Management zu entlasten und zu begleiten. Die Kulturhäuser haben 2014 einen separaten Strategieprozess durchlaufen, der zu einem eigenen Strategiepapier geführt hat („Strategie 2020“). Der kulturpolitische Anspruch der Kulturhäuser ist die volkskundliche, kunst- und kulturhistorische Sammlung, Forschung, Ausstellung und Vermittlung im vorarlberg museum, das zeitgenössische Programmtheater (Sprech- und Musiktheater) im Vorarlberger Landestheater und die Präsentation internationaler zeitgenössischer Kunst im Kunsthaus Bregenz. Mit der Arbeit der KUGES wird ein wesentlicher Beitrag zur vielfältigen Kulturlandschaft geleistet. • Die Kulturhäuser fördern den offenen Diskurs, betreiben Vermittlungsarbeit, orientieren sich an internationalen Prozessen und leisten regionale Vernetzungsarbeit. Die künstlerische Qualität steht dabei im Zentrum der Überlegungen. Eine aktuell dringliche Herausforderung stellt im vorarlberg museum die Umsetzung eines Sammlungsdepots dar. Im Landestheater ist die in den vergangenen Jahren erfolgte Entwicklung zum Dreispartenhaus aus Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater sowie Musiktheater zu konsolidieren. Hauptaugenmerk im Kunsthaus liegt auf der Konzeption und Umsetzung des „Ausstellungs- und Studienzentrums Peter Zumthor“. Die Freiwilligenarbeit leistet einen wertvollen Beitrag, Kultur in ihrer Vielfalt möglich zu machen. Sie verdient entsprechende Wertschätzung. Vor dem Hintergrund des sich vollziehenden gesellschaftlichen Wandels bietet eine auf Partizipation und alternative Tauschwerte ausgerichtete Arbeitsform interessante Ansätze für zukünftige ökonomische Modelle. Naturgemäß wird das Verhältnis der Fördermittel, die für landeseigene Institutionen und für die nicht-institutionalisierte Szene aufgewendet werden, auch zukünftig für Diskussionen sorgen. Das Land bekennt sich ausdrücklich in gleichem Maße zu den landeseigenen, landesnahen und freien Kultureinrichtungen. Es besteht das Bewusstsein, dass das Wachstum des einen Segments stets in Relation zum anderen Segment gesehen werden muss. Die Qualität und Dichte des alternativen Angebots, das Große im Kleinen, ist zu wahren. Zudem erscheint es notwendig, Akzente für ein gutes Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen zu setzen sowie grundlegende Daten über die ehrenamtlichen Kulturaktivitäten der Bevölkerung zu erheben. Herausforderung ist, die Rahmenbedingungen und die Dynamik des ehrenamtlichen Engagements zu erhalten. • Jugend und Erneuerung. Es braucht das junge Kulturschaffen, damit Kultur ihre Erneuerungskraft entfalten kann. Eine Voraussetzung dafür ist die Einsicht in die Notwendigkeit eines solidarisch gestalteten Generationenvertrages. Es ist wichtig, das qualitätsvolle Kultur- und Kunstschaffen junger Menschen vorausschauend und explizit zu fördern. Experimentierfelder sind zu erschließen, Entwicklungen zu begleiten und interessante jugendliche Impulse zu verstärken, um sie für die Gesellschaft fruchtbar zu machen. Ausgelotet werden müssen die Möglichkeiten, inwieweit jungen Kunst- und Kulturschaffenden eine Zukunftsperspektive gegeben werden kann, inwieweit entsprechende Arbeitsund Präsentationsflächen vorhanden sind, inwieweit der Nachwuchs auch in den Entscheidungsprozessen ausreichend berücksichtigt wird und wie eine adäquate Förderung der jungen Szene aussehen kann. Denkbar sind zeitlich begrenzte, unbürokratische Startförderungen oder Stipendien. Ebenso relevant ist es, die Spielwiesen zur Verfügung zu stellen, auf denen junge Menschen ihre Kulturmodelle entwickeln können. Kunst und Kultur erlauben den Freiraum zur Reflexion. Damit werden Innovation und Erneuerung möglich. Die Innovation ist jedoch schwer kalkulier- und erst recht nicht steuerbar. Der Auftrag lautet hier, gegebenenfalls nach neuen Lösungen zu suchen und dafür Freiräume bereitzuhalten, die auch ein Scheitern erlauben. KUGES als regionale n In Bezug auf die Weiterentwicklung der Museumslandschaft sind die Vielfalt des Bestehenden und die Wachstumspotenziale der einzelnen Einrichtungen kritisch zu diskutieren. Hinsichtlich eines Museums zur Industriegeschichte Vorarlbergs wird es als sinnvoll erachtet, vorerst die Rahmenbedingungen zu prüfen, unter denen ein solches Industriemuseum innerhalb von bestehenden Institutionen agieren kann, die ebenfalls die Industriegeschichte Vorarlbergs thematisieren. Grundlegend notwendig ist Nachwuchs in • • Netzwe rkpar t ne r ve ranke r n Konze pt e ines Sammlun gsde pots um setze n L an destheate r al s D re ispar te nhau s kon soli die re n For m f ür ZumthorArchiv f in de n Zum Ehre n amt beke nne n Ve rhält ni sm äßi gke it zw i sche n f re ie r Sze ne un d In st it ut ione n wahre n G ute Koope rat ione n von Haupt- un d Ehre namtliche n unte r st ütze n Statistische Date n zur f re ie n Sze ne erhebe n Juge nd-Förder projekte stärke n Exper ime ntierfelder erschließe n Innovative For mate unterstütze n Entsche idungsprozesse involviere n Unbürokratische Star tf örder unge n und Stipe ndie n anbiete n Wachstumspote nziale auslote n 72 4 Handlungsfelder Industr iemuse um dafür die Abklärung mit den Vertreterinnen und Vertretern der Wirtschaft. Sicherlich können in einem solchen Museum die unterschiedlichen Aspekte der Vorarlberger Industriegeschichte, wie etwa die Textiloder Elektrizitätswirtschaft in größeren Zusammenhängen und im Gegenwartsbezug beleuchtet werden. pr üfe n Schwer punktprojekte zur Gede nk- und Er inner ungskultur durchf ühre n 4.2 Impulse setzen Digitalisier ung unterstütze n Fortgesetzt werden soll die Auseinandersetzung mit den Geschichtsbildern und dem Geschichtsbewusstsein, die Vorarlbergs kulturelles Gedächtnis ausmachen. Ziel sollte dabei sein, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und die zeitgemäße Diskussion über tradierte Manifestationen der Gedenkund Erinnerungskultur (Mahn- und Denkmäler) in Abstimmung mit der Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung fortzuführen. Dies umfasst strategische Schwerpunktsetzungen in Bezug auf Archivarbeit und die wissenschaftliche Beschäftigung etwa mit den alten und neuen Formen des Rassismus und Antisemitismus. Neue Medien. Ein weiteres Handlungsfeld ist die fortschreitende Digitalisierung, durch die sich die Kulturproduktion in gleichem Maße transformiert wie sich die Methoden der Kulturvermittlung verändern. Beim Projekt „Museumsdokumentation“ ermöglicht die Digitalisierung die Sichtbarmachung von Sammlungen, im Rahmen der Kulturrouten von Vorarlberg Tourismus dient sie der breiteren Kommunikation kultureller Inhalte und Destinationen. Da sich die Veränderungen, die neue Medien mit sich bringen, nicht in den klassischen Kategorien der Kulturförderung abbilden, ist diesem Bereich künftig stärkere Aufmerksamkeit zu widmen. • 4 Handlungsfelder 74 4.3 Grenzen überschreiten 4 . 3 Grenzen über schreiten Austausch f örder n Inter nationale Bode nsee Konfere nz nutze n Stipe ndie n und Austauschprogramme er we iter n Länder übergre ife nde Projekte anrege n Förder topf f ür Inter nationalisier ung e inr ichte n Plat tfor m Kultur und Tour ismus we itere ntwickeln Kultur route n erstelle n Nachhaltige G roßprojekte diskutiere n Austausch. Es ist wichtig, Vorarlbergs Kultur nicht als isoliertes Phänomen aufzufassen, sondern sie im Zusammenhang mit anderen Bundesländern Österreichs, mit den umliegenden Ländern der Bodenseeregion, mit der Europäischen Union und darüber hinaus zu denken. Ein reger grenzüberschreitender Austausch wird etwa im Rahmen der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) mit Deutschland, Schweiz und Liechtenstein praktiziert. Besonders spürbar wird diese Vernetzungsebene bei der Vergabe von Förderpreisen oder der Durchführung von Künstlerbegegnungen und Foren. Das Land Vorarlberg hat daneben mit Spanien (Bilbao) und Litauen (Nida) eigene Austauschformate entwickelt. Bestens etabliert hat sich etwa das Bilbao-Stipendium, das 2016 bereits zehnjähriges Jubiläum feiert. Ein aktuelles Beispiel für den Künstleraustausch in der Bodenseeregion ist die Kooperation der Künstlervereinigungen Liechtensteins und Vorarlbergs (2015/16). • Es gibt bereits gute Initiativen für die bewusste Internationalisierung heimischer Kunst- und Kulturproduktion. Das prominenteste Beispiel ist derzeit etwa die Architekturausstellung „Getting Things Done“. Weitere Akzente einer Internationalisierung sind die Präsentation von Vorarlberger Künstlerinnen und Künstlern im Kulturforum Berlin (2014), die Mitarbeit an der vom Kanton St. Gallen initiierten Ausstellung „Heimspiel“ (2015/16), das Paliano-Stipendium in Italien oder auch der alle zwei Jahre vergebene „Internationale Kunstpreis des Landes Vorarlberg“. Ebenso Bausteine der Auslandsorientierung sind die projektbezogene Förderung von Aufführungsund Ausstellungsaktivitäten sowie die Beiträge zur Nutzung von Auslandsateliers und Residencies. Insgesamt geht es bei diesen Formaten darum, heimische Kulturschaffende dabei zu unterstützen, sich im Ausland weiterentwickeln oder präsentieren zu können. • Ziel ist es, die internationalen Austauschaktivitäten für alle Sparten zu öffnen, manche Bereiche der Kulturproduktion mit periodischen Schwerpunktsetzungen gezielt zu intensivieren und das Spektrum der Austauschformate zu erweitern. • Eine engere Zusammenarbeit der Kulturabteilung mit der Vorarlberg Tourismus GmbH, als Ansprechpartner für die Markenpositionierung Vorarlbergs, ist in mehrerlei Hinsicht notwendig. Nach innen stellen sich hier etwa die Fragen, wie die Angebote der Kultur auch über die Instrumente der Tourismusorganisationen kommuniziert werden können oder wie die konkreten Inhalte der TourismusApp oder der interaktiven Karten aussehen sollen. Nach außen stellt sich die Frage, welches Bild Vorarlbergs von Seiten der Werbeplattformen propagiert wird. Interessant ist dies vor allem in Bezug auf Ausstellungen, Projekte und Großevents, welche sich gezielt an ein auswärtiges Publikum richten. Essenziell ist hier die gegenseitige Rückversicherung und Abstimmung von Interessenslagen. • Grundsätzlich befürwortet wird aus Sicht der Strategiegruppe die Durchführung von größeren Veranstaltungsformaten, die einer breiteren Kommunikation und der Entwicklung von Vorarlberger Kultur dienen. Gerade unter den Vorzeichen stagnierender Budgets sollten dabei jedoch die langfristigen Folgeeffekte für die Kulturschaffenden im Land berücksichtigt werden. Ihre Arbeit ist das eigentliche Kapital der Kulturlandschaft und generiert überhaupt erst die Inhalte für Kulturvermittlung nach innen und außen. Mitzudenken sind daher immer auch die Produktionsbedingungen von Kunst und Kultur. Die Voraussetzungen, unter denen solche Kulturereignisse tatsächlich die Kulturlandschaft Vorarlbergs bereichern, können der vorliegenden Strategie entnommen werden. Im Sinne der darin formulierten Maxime der Zusammenarbeit, ist es unerlässlich, ein Großprojekt etwa auch aus raumplanerischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftspolitischer Sicht zu betrachten. Für die Diskussion der Rahmenbedingungen können zudem die Kernaussagen der „Tourismusstrategie 2020“ als Orientierungshilfe herangezogen werden.26 Das Land konzentriert sich dort auf seine Stärken „Gastfreundschaft, Regionalität und Nachhaltigkeit“. Im Sinne der Kultur kann die Gastfreundschaft als Aufforderung gesehen werden, das menschliche Maß und die kleinteilige Vielfalt der Strukturen nicht aus den Augen zu verlieren. Das Kriterium der Regionalität wird interpretiert als Anregung, für ein derartiges Vorhaben den gesamten Kulturraum Vorarlbergs zu berücksichtigen. Nachhaltig positive Effekte für die Bevölkerung im Land können nur gewährleistet werden, wenn das gewachsene Kulturangebot ebenso einbezogen wird wie notwendige Freiräume für neue Akzente vorgesehen werden. Ein Diskursforum für diesbezügliche Abstimmungsleistungen bietet die bereits erfolgreich etablierte Plattform Kultur und Tourismus. Eine allfällige Durchführung von Großprojekten ist unter den genannten Gesichtspunkten zu diskutieren. • Bregenz, März 2016 Tourismusstrategie 2020. Der gemeinsame Weg in die touristische Zukunft auf Vorarlberger Art, Bregenz 2012. 26 75 5 D er Weg zur Strategie 78 79 Die Autorinnen und Autoren Der Strategieprozess Das Verfassen des vorliegenden Strategiepapiers war ein kollektives Unterfangen, das in der Verantwortung folgender Personen lag: Seit Juni 2015 haben sich die Mitglieder der Strategiegruppe mindestens einmal pro Monat in der Villa Wacker getroffen, um auf Basis der im Rahmen der Kulturenquete verhandelten Inhalte und der im Anschluss daran geführten Debatten gemeinsam eine Kulturstrategie für Vorarlberg zu entwerfen und zu schreiben. Susanne Fink Abteilung IIc – Kultur Eva Häfele Freischaffende Sozialwissenschaftlerin, Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Manfred Hellrigl Büro für Zukunftsfragen Barbara Herold Freie Regisseurin, Kulturbeirat (bis 2015), Kunstkommission Darstellende Kunst (bis 2015) Thomas Hirtenfelder Freischaffender Kunst- und Kulturwissenschaftler Barbara Neyer Abteilung IIc – Kultur Peter Niedermair Herausgeber Zeitschrift „Kultur“, Kulturbeirat Winfried Nußbaummüller Vorstand Abteilung IIc – Kultur Darüber hinaus sind Gespräche und Diskussionsrunden mit dem Landesrat für Kultur, den Mitgliedern des Kulturbeirats und der Kunstkommissionen sowie weiteren Expertinnen und Experten aus der Verwaltung und dem Kultursektor in den Strategieprozess eingeflossen. Am gegenseitigen Gedankenaustausch beteiligt waren: Juliane Alton Kunstkommission Darstellende Kunst (bis 2015) Herwig Bauer Kulturbeirat, Kunstkommission Musik Sabine Benzer Vorarlberger Kulturservice Alexandra Berlinger Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst (bis 2015) Christian Bernhard Landesrat für Kultur Margret Bickel Vorarlberger Kulturservice Ulrike Bitschnau Kulturbeirat Karin Bleiweiss Kunstkommission Film (bis 2015) Marie-Rose Cerha Kunstkommission Literatur (bis 2015) Markus Dejaco Kulturbeirat Gabriela Dür Vorstand Abteilung IIb – Wissenschaft und Weiterbildung Herbert Erhart Abteilung IVe – Natur- und Umweltschutz Evelyn Fink-Mennel Kunstkommission Musik (bis 2015) Marbod Fritsch Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst (bis 2015) Nina Fritsch Kunstkommission Darstellende Kunst Karin Gasteiner Wirtschaftskammer Vorarlberg (bis 2015) Karin Giesinger Abteilung IIa – Schule Markus Götsch Kulturbeirat, Kunstkommission Film Barbara Grabherr-Schneider Bundesdenkmalamt Bregenz Martin Gruber Kunstkommission Darstellende Kunst (bis 2015) Arnulf Häfele Kulturbeirat Johannes Hämmerle Kunstkommission Musik Wolfgang Häusle Verkehrsverbund Vorarlberg Brigitte Herrmann Kulturbeirat Christian Hillbrand Geschäftsführer Verkehrsverbund Vorarlberg Thomas Ilg Kunstkommission Film Brigitte Jagg Kunstkommission Darstellende Kunst Robert Kahr Kunstkommission Darstellende Kunst Barbara Keiler Kulturbeirat Verena Konrad Vorarlberger Architektur Institut (vai) Harald Kraft Vorstand Abteilung IVb – Gesundheit Frauke Kühn Kulturbeirat, Kunstkommission Literatur Christoph Kutzer Büro für Zukunftsfragen Teddy Maier Obmann Filmwerk Vorarlberg Norbert Mayer Kunstkommission Literatur Anna Mika Kunstkommission Musik Harald Moosbrugger Vorstand Abteilung VIa – Wirtschaft Barbara Motter Kulturbeirat, Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Thomas Müller Leiter Jugend- und Familienreferat Manuela Mylonas Kulturbeirat (bis 2015) Martin Nagel Kunstkommission Film Carmen Nardelli Leiterin Koordinationsstelle für Integrationsangelegenheiten Markus Pferscher Kunstkommission Musik Meinrad Pichler Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Herta Pümpel Kulturbeirat (bis 2015), Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst (bis 2015) Andrea Redolfi Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst (bis 2015) Andreas Rudigier Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Jürgen Schacherl Kunstkommission Literatur Harry Scheffknecht Kunstkommission Musik (bis 2015) Mathias Scheyer Kulturbeirat Ulrike Schmidle Kulturbeirat Lorenz Schmidt Abteilung VIIa – Raumplanung und Baurecht Veronika Schubert Kunstkommission Film (bis 2015) Christian Schützinger Geschäftsführer Vorarlberg Tourismus Irene Selhofer Kunstkommission Literatur Ulrike Shepherd Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst Daniel Steinhofer Kulturbeirat Maria-Rose Steurer-Lang Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Ira Stüttler Abteilung IIb – Wissenschaft und Weiterbildung Juri Troy Kunstkommission Bildende und Angewandte Kunst (bis 2015) Bernhard Tschofen Kunstkommission Kulturelles Erbe und Landeskunde Walter Vögel Leiter Agrarbezirksbehörde Bregenz Leo Walser Kulturbeirat Barbara Winkler Kunstkommission Literatur Michael Zangerl Leiter Sportreferat Impressum H er au s g e b er Amt der Vorarlberger Landesregierung Abteilung Kultur (IIc) Villa Wacker, Römerstraße 24 6900 Bregenz [email protected] www.vorarlberg.at/kultur Ko n z ep t , Inhalt un d R e d ak t i o n Abteilung Kultur Winfried Nußbaummüller L ek t o r at Thomas Hirtenfelder Illu s t r at i o n Bianca Tschaikner www.biancatschaikner.com G e s t alt un g Zeughaus www.zeughaus.com Druck Druckerei Thurnher www.dth.at E r s c h einun g s t er min April 2016 A u f la g e 800 Stück
© Copyright 2024 ExpyDoc