Breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz kann

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14195 Berlin
Wochenbericht
Wirtschaft Politik Wissenschaft
Breites Maßnahmenpaket
zum Klimaschutz kann Kosten
der Emissionsminderung in
Deutschland deutlich verringern
Claudia Kemfert
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Thure Traber
Truong Truong
Tel. +49-30-897 89-0
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DIW Berlin
Nr. 18/2007
74. Jahrgang/2. Mai 2007
2. Bericht
Breites Maßnahmenpaket zum
Klimaschutz kann Kosten der
Emissionsminderung in Deutschland
deutlich verringern
Seite 303
Europa will Vorreiter beim Klimaschutz werden und hat sich entschlossen, die
Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 20 % gegenüber
dem Jahr 1990 zu senken. Darüber hinaus ist die Europäische Union bereit,
sich für diesen Zeitraum auf eine Verminderung um 30 % zu verpflichten,
sofern andere Industrieländer sich zu vergleichbaren Zielen verpflichten und
auch Schwellenländer einen angemessenen Beitrag leisten. Durch eine faire
Lastenverteilung der Emissionsminderung in Europa und ein breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz lassen sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft
deutlich senken. Sollte es Deutschland gelingen, eine faire Lastenverteilung auf
die europäischen Länder zu erwirken, welche den bisherigen Emissionsverlauf
berücksichtigt, und zudem ein breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz zu
nutzen, können die Klimaschutzkosten gering gehalten werden. Ohne ein breites Maßnahmenpaket würde das Emissionsminderungsziel mit Kernenergie­ausstieg kaum zu erreichen sein. Notwendig sind insbesondere die verstärkte
Nutzung von Energieeffizienzpotentialen, der weitere Ausbau erneuerbarer
Energien, die Verbesserung des Emissionsrechtehandels und die Förderung
innovativer Energietechniken. Sollte es eine faire Lastenverteilung geben und
sollte Deutschland alle Energieeffizienzpotentiale ausschöpfen, würden sich
die Klimaschutzkosten bei einer 20 %-igen Minderung heutiger Emissionen in
Europa bis zum Jahr 2020 insgesamt auf etwa 1,9 Mrd. Euro pro Jahr belaufen.
Dabei würde Deutschland seine Emissionen gegenüber 1990 um 31 % vermindern. Sollte keine faire Lastenverteilung ausgehandelt werden und Deutschland
nicht die notwendigen Energieeffizienzpotentiale ausschöpfen können, würden
sich die Minderungskosten auf etwa 5,7 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen.
Emissionsminderung in Europa sehr unterschiedlich verteilt –
Faire Lastenverteilung ratsam
Die Europäische Union will ihre Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um
mindestens 20 % bis zum Jahr 2020 vermindern; sollten weitere Industriestaaten,
wie beispielsweise die USA, einem Klimaschutzabkommen mit vergleichbaren
Zielen beitreten und auch Schwellenländer einen angemessenen Beitrag leisten,
würde Europa die Emissionen von 1990 bis 2020 um 30 % senken.1 Deutsch1 Vgl. Rat der Europäischen Union: Ziele der EU für die Weiterentwicklung der internationalen Klimaschutzregelung über das Jahr 2012 hinaus − Schlussfolgerungen des Rates. Brüssel, 21. Februar 2007. 6621/07,
ENV 114. Diese vom Rat (Umwelt) formulierten Ziele sind auf dem Europäischen Gipfel im März 2007 gebilligt
worden. Vgl. Rat der Europäischen Union: Europäischer Rat (Brüssel) 8. / 9. März 2007. Schlussfolgerungen
des Vorsitzes. Brüssel, 9. März 2007. 7224/07, CONCL 1.
22127
Breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz kann Kosten der Emissionsminderung in Deutschland deutlich verringern
Kasten
Methode zur Bewertung der Klimaschutzkosten
Für die Bewertung der Klimaschutzkosten wird ein ökonomisches allgemeines Gleichgewichtsmodell verwendet,
welches um die Information der technikspezifischen Emissionsvermeidungskosten erweitert wurde.1 Zudem
wird angenommen, dass ein voll funktionsfähiger europäischer Emissionshandel bis zum Jahr 2020 stattfindet.
Das Modell berücksichtigt alle bekannten Minderungstechnologien und bezieht Kostendegressionseffekte im
Zeitablauf mit ein. Die ausgewiesenen Minderungskosten berücksichtigen die Lernkurveneffekte einzelner
Technologien.
1 Truong, T. P., Kemfert, C., Burniaux, J.-M.: GTAP-E: An Energy-Environmental Version of the GTAP Model with Emission Trading.
DIW Berlin Discussioin Papers No. 668, 2007.
land würde dann sogar eine darüber hinaus gehende
Reduktion anstreben.2 Im Rahmen des Kyoto-Protokolls hat sich Europa verpflichtet, die Treibhausgasemissionen vom Basisjahr (1990/1995) bis zur
Periode 2008 bis 2012 um 8 % zu reduzieren. Europa
(EU-25)3 hat bisher einen deutlichen Beitrag zur
Emissionsminderung geleistet und könnte das Ziel
unter Berücksichtigung zusätzlicher Maßnahmen,
der Kyoto-Mechanismen und der Anrechnung von
Kohlenstoffsenken erreichen oder übertreffen.4 Allerdings sind die Beiträge zur Emissionsminderung
in den einzelnen EU-Staaten sehr unterschiedlich.
Aufgrund des starken wirtschaftlichen Einbruchs
Tabelle 1
Treibhausgasemissionen in Europa
In Mill. t CO2-Äquivalente
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Großbritannien
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Estland
Lettland
Litauen
Malta
Polen
Slowakische Republik
Slowenien
Tschechische Republik
Ungarn
Zypern
EU-25
Quellen: EEA; Berechnungen des DIW
Berlin.
304
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 18/2007
1990
2004
145,8
69,0
1 226,7
71,2
570,8
108,8
764,5
55,6
519,8
12,7
213,0
79,0
60,1
72,5
287,2
42,6
25,9
50,9
2,2
459,8
73,4
18,4
196,3
103,4
6,0
5 235,6
147,9
68,1
1 015,7
81,5
565,2
137,6
659,4
68,5
583,3
13,7
217,8
91,3
84,7
70,0
427,9
21,3
10,8
20,3
3,2
386,4
51,1
20,1
147,2
83,1
8,9
4 984,9
DIW Berlin 2007
in Osteuropa in den letzten Jahren, sind in den
meisten neuen EU-Ländern die Treibhausgasemissionen stark zurückgegangen, während sie in den
meisten alten EU-Ländern (EU-15) gestiegen sind
(Tabelle 1).
Deutschland hat die Emissionen seit dem Jahr 1990
stark vermindern können (Tabelle 2). In erster Linie
hat Deutschland die Emissionen nach 1990 durch
den Umbau des ostdeutschen Kraftwerksparks
deutlich senken können, zudem greifen weitere
Klimaschutzmaßnahmen wie der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung
(KWK) sowie die eingeführten Energiesteuern.
Zusätzlich ist der Energieverbrauch aufgrund hoher
Energiepreise zurückgegangen, welches ebenso die
Emissionen mindert. Allerdings zeigen die jüngsten
Entwicklungen, dass aufgrund von deutlichem Wirtschaftswachstum im Jahr 2006 eine Zunahme der
Emissionen zu verzeichnen ist.5 Andere europäische
Staaten, wie beispielsweise Spanien, konnten in der
Vergangenheit keine signifikanten Emissionsminderungen leisten und sind weit entfernt von den in der
europäischen Lastenverteilung („Burden Sharing“)
festgelegten Emissionszielen. Spanien dürfte das
Ziel um 27,4 % verfehlen. Italien wird sein Ziel nur
unter Berücksichtigung von zusätzlichen Maßnahmen, Kyoto-Mechanismen und Kohlenstoffsenken
erreichen. Großbritannien hingegen hat es geschafft,
die Treibhausgasemissionen bereits deutlich zu verringern und wird sein Ziel voraussichtlich übererfüllen.6
Im Rahmen der Lastenverteilung der Treibhausgasminderung in der EU um 20 % bis zum Jahr 2020
sollte berücksichtigt werden, welcher Emissionsver2 Vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD „Gemeinsam für
Deutschland – mit Mut und Menschlichkeit“ vom 11.11.2005.
3 Die EU-25 umfasst alle Länder der Europäischen Union außer
Bulgarien und Rumänien.
4 Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Bericht der
Kommission. Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele von Kyoto.
Brüssel, 27.10.2006. KOM(2006) 658 endgültig.
5 Umweltbundesamt (UBA): Kohlendioxidausstoß im Jahre 2006
leicht gestiegen. Presse-Information 016/2007. Dessau, 30.3.2007,
www.umweltbundesamt.de/uba-info-presse/2007/pd07-016.htm.
6 Vgl. Kommission, a.a.O.
Breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz kann Kosten der Emissionsminderung in Deutschland deutlich verringern
Tabelle 2
Treibhausgasemissionen in Deutschland
In Mill. t CO2-Äquivalente
1990
2004
Private Haushalte
Verkehr
Gewerbe, Handel, Dienstleistungen
Industrie
Energiewirtschaft
CO2-Emissionen zusammen
Nicht-CO2
130
158
90
216
436
1 030
196
116
167
58
162
383
886
130
Insgesamt
1 227
1 016
Quelle: BMU, Februar 2007.
DIW Berlin 2007
lauf in den einzelnen Ländern stattgefunden hat und
welche Emissionsminderungsziele bereits erreicht
wurden. Eine „faire“ Lastenverteilung berücksichtigt
die bisherigen Emissionsminderungsleistungen und
verteilt die Minderungsverpflichtungen im Rahmen
eines Lastenausgleichs.7 Sollte eine faire Lastenverteilung ausgehandelt werden, welche die bisherigen
Emissionsminderungsleistungen berücksichtigt,
könnte Deutschland 175 Mill. t CO2-Äquivalente
(anstelle von 203 Mill. t) bzw. 17 % vermindern;
gegenüber 1990 wäre dies eine Reduktion um 31 %.
Andere europäische Länder, welche bisher nicht zur
Emissionsminderung beigetragen haben, müssten
nach der fairen Lastenverteilung ausgehend von ihren Emissionen im Jahr 2004 einen deutlich höheren
Emissionsminderungsbeitrag leisten (Tabelle 3). In
Spanien sind beispielsweise in der Vergangenheit
die Emissionen deutlich über das intendierte Ziel
angestiegen, so dass die Minderungsleistung entsprechend höher ausfällt, während beispielsweise
in Großbritannien die Emissionen schon heute unter
dem Kyoto-Ziel liegen.
Klimaschutzmaßnahmen müssen
breit angelegt sein
In Deutschland wurden bisher unterschiedliche
Instrumente zum Klimaschutz eingesetzt. Neben
der Förderung erneuerbarer Energien und der KWK
wurden der Europäische Emissionsrechtehandel,
eine ökologische Steuerreform und diverse andere
Maßnahmen in den Bereichen Energiewirtschaft,
Transport und Industrie eingeführt (Tabelle 4). Bei
einem Kernenergieausstieg müssen die jährlichen
Emissionen bis zum Jahr 2020 zusätzlich um bis
zu 130 Mill. t vermindert werden, wenn der Ersatz
unter anderem durch einen Ausbau von Braunkohlekraftwerken erfolgt.
Um eine hohe Kosteneffizienz der Emissionsminderung zu erreichen, sollte die deutsche Klimapolitik
einen Prioritätenplan erarbeiten, der kurzfristige
und langfristige Klimaschutzmaßnahmen umfasst.
Eine Erhöhung der Ausgaben für Forschung und
Entwicklung innovativer Energietechnologien
wird erst nach einer erfolgreichen Erforschung
und Markteinführung solcher Techniken deutliche
Kosteneffizienzpotentiale erzielen. Auch die Förderung von erneuerbaren Energien und der KWK zählt
erst mittel- bis langfristig zu den kosteneffizienten
Klimaschutzmaßnahmen, da die Kosten deutlich
sinken werden (Lernkurveneffekte). Zudem muss
der Emissionsrechtehandel in seiner Ausgestaltung
deutlich verbessert werden, indem künftig die Zertifikate versteigert und in allen europäischen Ländern
knapp zugeteilt werden.8 Nur durch einen hohen
Emissionszertifikatepreis (mindestens 15 Euro pro
Tonne CO2-Äquivalent) werden die entscheidenden
Marktsignale für mehr Klimaschutz gesetzt.
7 In den Berechnungen werden die Emissionsminderungsleistungen
im Zeitraum von 1990 bis 2005 anteilig auf die Reduktionsziele
angerechnet, so dass Länder mit hohen Emissionsreduktionen
deutlich weniger, Länder mit niedrigen Emissionsminderungen bzw.
-erhöhungen einen deutlich höheren Beitrag leisten müssen.
8 Kemfert, C., Diekmann, J.: Europäischer Emissionshandel – Auf dem
Weg zu einem effizienten Klimaschutzinstrument. Wochenbericht des
DIW Berlin, Nr. 46/2006.
Tabelle 3
Burden Sharing in Europa
Emmissionsminderungen bis 2020
20 % fair
20 %
Von 2004
20 % fair
Von 2004
In Mill. t CO2Äquivalenten
Belgien
Dänemark
Deutschland
Finnland
Frankreich
Griechenland
Großbritannien
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Schweden
Spanien
Estland
Lettland
Litauen
Malta
Polen
Slowakische Republik
Slowenien
Tschechische Republik
Ungarn
Zypern
EU-25
–32
–13
–175
–15
–118
–34
–119
–18
–136
–3
–48
–23
–22
–14
–123
–1
1
1
–1
–61
–7
–4
–22
–11
–3
–998
–30
–13
–203
–14
–113
–27
–132
–14
–117
–3
–44
–19
–17
–14
–88
–4
–2
–4
–1
–77
–11
–4
–30
–17
–2
–998
20%
Von 1990
Von 2004
Von 1990
In %
–22
–20
–17
–21
–21
–25
–18
–25
–23
–23
–22
–24
–27
–20
–28
–2
5
6
–27
–16
–14
–21
–15
–13
–27
–20
–19
–26
–31
–22
–22
–6
–30
–6
–14
–14
–19
–10
3
–24
11
–51
–56
–57
5
–29
–38
–14
–36
–29
8
–19
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
–20
DIW Berlin 2007
Quellen: EEA; Berechnungen des DIW Berlin.
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 18/2007
–18
–26
–34
–22
–21
0
–31
1
–10
–11
–17
–5
12
–24
23
–60
–67
–67
16
–33
–43
–13
–40
–34
19
–19
305
Breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz kann Kosten der Emissionsminderung in Deutschland deutlich verringern
Tabelle 4
Emissionseinsparpotentiale
Energiewirtschaft
Industrie
Verkehr
Energieeffizienzverbesserung
Energieeffizienzsteigerungen
Ökologische Steuerreform
Förderung EEG
(Erneuerbare Energien Gesetz)
Energieeinsparverordnung
Förderung schwefelfreier
Kraftstoff
Förderung KWK
Ökologische Steuerreform
Förderung Fahrrad
Zubau von Gas- und DampfKraftwerken
Förderung KWK
Klimaschutz im Verkehr
Verstärkte Nutzung Grubengas
Selbstverpflichtung
Lkw-Maut
CCS (Carbon Capture and Storage) Andere Maßnahmen
Kfz-Steuer
Emissionshandel/CDM (Clean
Development Mechanism)/JI
(Joint Implementation)
Selbstverpflichtung
Emissionshandel/CDM (Clean
Development Mechanism)/
JI (Joint Implementation)
Energiesteuer
CO2-Kennzeichnungspflicht
Förderung Erneuerbarer Energien
Emissionsabhängige
Landegebühren/Emissionshandel
Kampagne „Neues Fahren“
DIW Berlin 2007
Quelle: Zusammenstellung des DIW Berlin.
Abbildung
Klimaschutzkosten global 2030
In Euro je Tonne CO2-Äquivalent
Gebäude-Isolierung
Kraftstoffeffiziente Geschäftsfahrzeuge
Lichtsysteme
Klimatisierung
Warmwasser
Kraftstoffeffiziente Fahrzeuge
Biokraftstoff aus Zuckerrohr
Standby-Verluste
Nicht-CO2 (Industrie)
Nuklearenergie
Tierhaltung
Am kostengünstigsten ist die Nutzung von Energieeffizienzpotentialen. Durch eine verbesserte
Gebäude-Isolierung, einen Rückgang der Standby-Energieverluste von Haushaltsgeräten und der
Verbesserung der Kraftstoffeffizienz lassen sich
Emissionsminderungskosten deutlich reduzieren
(Abbildung).9 Zudem sollten auch Maßnahmen
zur Verminderung der Emissionen von Nicht-CO2Gasen wie Methan und Lachgas einbezogen werden.
Die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen umfassen auch Aufforstungsprogramme, ökologischen
Landbau und eine verstärkte Nutzung von Biogas.10
Im Verkehrssektor lassen sich weitere Emissionen
beispielsweise durch eine Einführung einer CO2emissionsbezogenen Kfz-Steuer11 oder der LkwMaut vermeiden.
Zur Bewertung der Kosten des Klimaschutzes in
Deutschland werden nachfolgend zwei Szenarien
betrachtet: Es wird unterschieden, ob eine faire oder
eine proportionale Lastenverteilung der Emissionsminderungen der europäischen Länder ausgehend von den gegenwärtigen Emissionen erfolgt.
Im Falle der fairen Lastenverteilung werden die
Emissionsänderungen der vergangenen Jahre nach
1990 berücksichtigt (20 % fair). Zusätzlich werden
zwei Varianten danach unterschieden, ob Energieeffizienzpotentiale in den Bereichen der privaten
Haushalte, der Energiewirtschaft und der Industrie
ausgeschöpft werden oder nicht. Insgesamt bestehen
große Emissionsminderungspotentiale im Bereich
der Energiewirtschaft,12 gefolgt von der Industrie,
dem Verkehr und den privaten Haushalten.
Zudem kann die Einbeziehung von Nicht-CO2-Treibhausgasen die Emissionsminderungspotentiale erhöhen. Weltweit können die Treibhausgasemissionen
wesentlich durch Wiederaufforstungsprogramme,
Verhinderung von Brandrohdung, Verminderung
von Rinderzucht und eine Reduktion von Reisanbau
auf nassen Feldern vermindert werden.13
Aufforstung (niedrige Kosten)
Kosten der Emissionsvermeidung lassen
sich durch Energieeffizienzmaßnahmen
deutlich reduzieren
Windenergie
Biomasse-Zufeuerung
Aufforstung (mittlere Kosten)
Insgesamt vermindern sich die Emissionsminderungskosten durch die Einbeziehung von Energieeffizienzpotentialen deutlich (Tabelle 5). In den Szenarien ergibt sich ein Emissionsrechtehandelspreis
CCS Kohle-KW Neubau
Vermiedene Entwaldung
CCS Kohle-KW Nachrüstung
Abfall
CCS (Industrie)
Biodiesel
-150
-125
-100
-75
-50
-25
0
25
50
DIW Berlin 2007
Quelle: McKinsey Quarterly.
306
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 18/2007
9 Enkvist, P.-A., Naucler, T., Rosander, J.: A Cost Curve for Greenhouse
Gas Reduction. In: The McKinsey Quarterly, Nr. 1, 2007.
10 Vgl. IPCC: Climate Change 2007. Cambridge.
11 Hartmut Kuhfeld, Uwe Kunert: Reform der PKW-Besteuerung
überfällig: die Initiative der EU-Kommission zeigt den richtigen Weg.
In. Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 49/2005.
12 Kemfert, C.: The European Electricity and Climate Policy –
Complement or Substitute? In: Environment and Planning/C, 25, 1,
2007, 115–130.
13 Vgl. IPCC, a.a.O.
Breites Maßnahmenpaket zum Klimaschutz kann Kosten der Emissionsminderung in Deutschland deutlich verringern
Tabelle 5
Energieeffizienz- bzw. High-Costs-Variante
Minderungskosten in Mill. Euro pro Jahr
20 % fair
Private Haushalte
Verkehr
Gewerbe, Handel, Dienstleistungen
Industrie
Energiewirtschaft
CO2-Emissionen zusammen
Nicht-CO2
Energieeffizienz-Variante mit
Atomausstieg
Energieeffizienz-Variante ohne
Atomausstieg
Private Haushalte
Verkehr
Gewerbe, Handel, Dienstleistungen
Industrie
Energiewirtschaft
CO2-Emissionen zusammen
Nicht-CO2
High-Costs-Variante mit Atomausstieg
High-Costs-Variante ohne Atomausstieg
Quelle: Berechnungen des DIW Berlin.
20 %
–75
93
50
165
1 784
2 016
–150
–80
143
50
126
2 070
2 308
–125
1 866
2 183
1 693
2 069
150
93
75
797
3 784
4 898
225
5 123
3 350
160
143
75
847
4 070
5 294
375
5 669
3 955
DIW Berlin 2007
von 15 Euro je Tonne CO2-Äquivalent, und es wird
angenommen, dass eine Ökosteuer in Höhe von
18 Euro je Tonne CO2-Äquivalent bis zum Jahr 2020
Bestand haben wird. Es werden auch Techniken
eingesetzt, welche vergleichsweise hohe Kosten
verursachen, wie beispielsweise das Kohlekraftwerk mit Kohlenstoffrückhaltung und -einlagerung
(CCS: Carbon Capture and Storage). Der Einsatz
von Windenergie schlägt in den angenommenen
Szenarien mit Vermeidungskosten in Höhe von
25 Euro je Tonne CO2-Äquivalent zu Buche.
Deutschland müsste etwa 1,9 Mrd. Euro pro Jahr
aufwenden, um im Rahmen einer fairen Lastenverteilung zu einer Verminderung der Emissionen
in Europa um 20 % beizutragen. Hierzu ist es notwendig, entsprechende Energieeffizienzpotentiale
vollständig auszuschöpfen. Geschieht dies nur unzureichend, erhöhen sich die Kosten auf 5,1 Mrd.
Euro pro Jahr. Sollte keine faire Lastenverteilung
ausgehandelt werden können, stiegen die Kosten
auf 2,2 Mrd. Euro (Effizienz-Variante) bzw. auf
5,7 Mrd. Euro (High-Costs-Variante). Eine mögliche Verlängerung der Laufzeiten aller derzeit
in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke würde in
diesem Szenario (Effizienz-Variante 20 % fair) eine
Kostenreduktion um etwa 170 Mill. Euro bewirken,
ohne Effizienzmaßnahmen um 1,7 Mrd. Euro.
Fazit
Eine Minderung der gegenwärtigen Emissionen
um 20 % bis 2020 in Europa erfordert, dass ein
breiter Katalog von Klimaschutzmaßnahmen
erarbeitet und eingesetzt wird. Neben den „low
hanging fruits“, d. h. Klimaschutzmaßnahmen zu
geringen Kosten bzw. Kostenersparnissen, kommen
Emissionsminderungskosten durch den Ausbau
erneuerbarer Energien und der KWK sowie unter
anderem durch die Ausweitung des Emissionsrechtehandels hinzu. Daher ist es entscheidend, dass
zum einen eine faire Lastenverteilung im Rahmen
der europäischen Minderungsziele ausgehandelt
wird und zum anderen Energieeffizienzpotentiale
voll ausgeschöpft werden. Sollte es Deutschland
gelingen, eine faire Lastenverteilung zu erwirken,
dann erfordert eine Emissionsminderung um 17 %
gegenüber 2004 bzw. 31 % gegenüber 1990 eine
breite Palette an Emissionsminderungsmaßnahmen.
Neben marktwirtschaftlichen Instrumenten wie dem
Emissionsrechtehandel und Energiesteuern müssen
innovative CO2-freie Energietechniken erforscht
und zum Markteinsatz gebracht werden. Erneuerbare Energien und KWK müssen weiter gefördert und
Energieeffizienzpotentiale ausgeschöpft werden.
Zudem sollten auch die Nicht-CO2-Emissionen weiter vermindert werden. Wenn all diese Maßnahmen
eingesetzt werden, wird es in Deutschland möglich
sein, die Emissionsminderungsziele – auch mit dem
Ausstieg aus der Kernenergie – mit geringen Kosten
zu erreichen. Die Kosten können vor allem durch
Effizienzverbesserungen gering gehalten werden.
Sollten weder eine faire Lastenverteilung erwirkt
noch die Effizienzpotentiale ausgeschöpft werden
können, würden sich die Kosten auf bis zu etwa
5,7 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen.
Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 18/2007
JEL Classification:
Q54, Q5, Q42
Keywords:
Climate protection,
Germany,
costs of climate policy
307
DIW Berlin
Wochenbericht Nr. 18/2007
Aus den Veröffentlichungen des DIW Berlin
Impressum
Hendrik Jürges
Health Insurance Status and Physician-Induced Demand for
Medical Services in Germany: New Evidence from Combined District
and Individual Level Data
Germany is one of the few OECD countries with a two-tier system of statutory and primary
private health insurance. Both types of insurance provide fee-for-service insurance, but
chargeable fees for identical services are more than twice as large for privately insured patients than for statutorily insured patients. This price variation creates incentives to induce
demand primarily among the privately insured. Using German SOEP 2002 data, I analyze
the effects of insurance status and district (Kreis-) level physician density on the individual
number of doctor visits. The paper has four main findings. First, I find no evidence that physician density is endogenous. Second, conditional on health, privately insured patients are
less likely to contact a physician but more frequently visit a doctor following a first contact.
Third, physician density has a significant positive effect on the decision to contact a physician and on the frequency of doctor visits of patients insured in the statutory health care
system, whereas, fourth, physician density has no effect on privately insured patients’ decisions to contact a physician but an even stronger positive effect on the frequency of doctor
visits than the statutorily insured. These findings give indirect evidence for the hypothesis
that physicians induce demand among privately insured patients but not among statutorily
insured.
Discussion Paper No. 689
April 2007
Marcel Erlinghagen
Self-Perceived Job Insecurity and Social Context:
Are there Different European Cultures of Anxiety?
DIW Berlin
Königin-Luise-Str. 5
14195 Berlin
Herausgeber
Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann (Präsident)
Prof. Dr. Georg Meran (Vizepräsident)
Prof. Dr. Tilman Brück
Prof. Dr. Claudia Kemfert
Prof. Dr. Viktor Steiner
Prof. Dr. Alfred Steinherr
Prof. Dr. Gert G. Wagner
Prof. Dr. Christian Wey
Redaktion
Kurt Geppert
PD Dr. Elke Holst
Manfred Schmidt
Dr. Mechthild Schrooten
Pressestelle
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Tel. +49 – 30 – 89789–249
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Einzelheft Euro 7,– (jeweils inkl. Mehrwertsteuer
und Versandkosten)
Abbestellungen von Abonnements spätestens
6 Wochen vor Jahresende
ISSN 0012-1304
Job insecurity causes far reaching negative outcomes. The fear of job loss damages the
health of employees and reduces the productivity of firms. Thus, job insecurity should result
in increasing social costs. Analyzing representative data from 17 European countries, this
paper investigates self perceived job insecurity. Our multi level analysis reveals significant
cross-country differences in individuals’ perception of job insecurity. This finding is not only
driven by social-structural or institutional differences, but job insecurity is also shown to be
affected by cultural characteristics.
Bestellung unter [email protected]
Discussion Paper No. 688
Einem Teil dieser Ausgabe
ist ein Informationsblatt
zum Vierteljahrsheft zur
Wirtschaftsforschung beigelegt.
April 2007
Die Volltextversionen der Diskussionspapiere liegen als PDF-Dateien vor und können von den
entsprechenden Webseiten des DIW Berlin heruntergeladen werden (http://www.diw.de/deutsch/
produkte/publikationen/index.html).
The full text versions of the Discussion Papers are available in PDF format and can be downloaded
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Konzept und Gestaltung
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Nachdruck und sonstige Verbreitung – auch
auszugsweise – nur mit Quellenangabe und unter
Zusendung eines Belegexemplars an die Stabsabteilung Informa­tion und Organisation des DIW Berlin
([email protected]) zulässig.
Der nä
am 31.