+ 1° C = −6 % Weizen? Das Tischgespräch: Es geht auch ohne!

April 2016
Landwirtschaft
und Klima
+ 1° C = −6 % Weizen?
Ein Interview über Wechselwirkungen.
Das Tischgespräch:
„Herbert und Schnipsi“ über Dosen-Ravioli und Selleriebraten.
Es geht auch ohne!
Verzicht auf Kraftfutter als wirtschaftliche Strategie.
Liebe Leserinnen und Leser,
Kiribati ist ein Kleinstaat in Mikronesien zwischen Hawaii und Australien. Seine
32 Atolle im Pazifik liegen weniger als zwei Meter über dem Meeresspiegel. Damit
dürfte Kiribati eines der ersten Länder sein, das laut Schätzungen zwischen 2060
und 2070 im Meer versunken sein wird.
Rund eine Million Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr in Deutschland angekommen. Weltweit sind etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Doch
das Fliehen wird nicht abreißen, im Gegenteil, es wird weitergehen, zunehmen,
unausweichlicher werden. Wenn sich der durch Menschen verursachte Klimawandel fortsetzt wie bisher, werden laut einer Greenpeace-Studie 200 Millionen
Menschen bis 2040 eine neue Heimat suchen. Ihre alte werden sie verloren haben
– an den Klimawandel. So wie die Menschen aus Kiribati.
Nicht nur eine ökologische, auch eine humanitäre Katastrophe droht – und daher
müssen alle einen Beitrag leisten, um dies zu verhindern. Der Landwirtschaft
kommt dabei eine tragende Rolle zu. Methan, Distickstoffoxid und Kohlenstoffdioxid werden in der Landwirtschaft produziert und tragen massiv zur Problematik bei. Doch auf die Landwirtschaft können wir nicht verzichten, sie bildet
weltweit unsere Ernährungsgrundlage. Was wir tun können, ist klimaschonende
Landnutzungsarten zu forcieren. Und dafür sind die Techniken des Ökolandbaus
wertvoll. Geschlossene Kreisläufe, Schonung der CO2-Speicher Böden, Bewahren
der Artenvielfalt. Denn am Ende ist die Landwirtschaft selbst wie kein anderer
Produktionszweig auf die Rettung unseres Klimas angewiesen.
Ziele zum Klimaschutz müssen ganz oben auf der politischen Agenda stehen und
wer als Politiker glaubwürdig für den Klimaschutz eintreten will, muss sich für
die Förderung klimafreundlicher Maßnahmen in der Landwirtschaft einsetzen.
Die Erderwärmung trifft zuerst die Menschen, die weit weg von uns sind. Aber
sie werden vor unseren Türen stehen und uns zur Verantwortung ziehen.
Eure
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bioNachrichten ––– Inhalt
12
INFO
-4-
30
18
42
TITEL
LANDWIRTSCHAFT UND KLIMA
BIOWELT
BIOKREIS
18
+1° C = − 6 % Weizen?
Interview über die Wechselwirkung
von Landwirtschaft und Klima.
30
38
Landwirte fragen, Berater antworten
20
Landwirtschaft 2050
Simulation zeigt Qualität von
Kulturpflanzen in der Zukunft.
40
Es geht auch ohne!
Der Verzicht auf Kraftfutter kann eine wirtschaftlich attraktive Strategie für Milchviehbetriebe sein.
42
Fleisch ab Hof
Anleitung für die Direktvermarktung von Rindern.
44
An der Praxis führt kein Weg vorbei
Schulungen für Kontrolleure optimieren
Tierwohlkontrollen der Öko-Verbände.
46
48
Wir machen Bio lebendig!
Biokreis auf der Biofach in Nürnberg.
50
Aktuelles aus NRW
54
Marktplatz
60
Personalien
66
Bücher / Vorschau / Impressum
06
Biokreis-Produkte
07
Das ist der Biokreis
08
Termine
10
Notizen
12
Agrarpolitik
Der Blick ins Ei.
Experten stellen Sinn der
Geschlechtsbestimmung
im Ei in Frage.
22
Kommentar
Am Ende bleiben
Kühe und Zement.
15
bioNachrichten ––– Inhalt
24
Nach der Flut
Besuch bei Hochwasser-Opfern
drei Jahre nach der Naturkatastrophe.
Mehr Humus in
unsere Böden!
Der ökologische Landbau geht
hoffnungsvolle Wege für den
Schutz des Weltklimas.
26
Sicherheit für unsichere Zeiten?
Die Rolle der Versicherungen.
27
Jenseits von Europa
Reisanbau im Klimawandel.
32
34
Das Tischgespräch:
„Wir tun uns selbst etwas Gutes!“
Claudia Schlenger-Meilhamer
und Hanns Meilhamer im Interview.
Reise:
„Babaçu livre“
Eine Nuss für die Freiheit.
Besuch bei einer Landlosenbewegung in Brasilien.
Bauernwelt:
Der Doktor und
das liebe Rind
Eine Tour mit dem
Tierarzt Alfred Sehr.
Biokreisler gestalten ihren Verband
Mitgliederversammlungen des Biokreis und
des Biokreis Erzeugerring Bayern.
-5-
Bild Eierschale:
Timo Klostermeier,
pixelio
Bild Rettungsring:
vschoenpos, pixabay
Bild Tisch:
cocoparisienne,
pixabay
Bild Fleisch:
Unsplash, pixabay
Produkte
Wir bilden seit 1979 ein Netzwerk
aus 1000 Landwirten, 120 Verarbeitern und 200 Verbrauchern und
gestalten gemeinsam kreativ und
konsequent ökologischen Landbau.
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SAHNE-MEERRETTICH
PROSCIUTTO TYROLENSIS
PUR ROGGEN HOLZOFENBROT
BIO-JOGURT MILD,
MANGO-VANILLE
Inhaltsstoffe:
Meerrettich (27 %), Sonnenblumenöl,
Sahne (22 %), Branntweinessig, Wasser,
Rohrohrzucker, Molkeerzeugnis,
Verdickungsmittel: (Xanthan, Guarkernmehl,
Johannisbrotkernmehl) Salz, Zitronensaft
Inhaltsstoffe:
Schweinefleisch, Meersalz,
Honig, Gewürze, Dextrose, Zucker
Inhaltsstoffe:
Wasser aus der eigenen Quelle,
Bio Roggenvollkornschrot (98 %),
Bio Roggenmehl (2 %), Gemahlene Gewürze
in der hauseigenen Bio Mühle: Bio Kümmel,
Bio Fenchel, Bio Koriander, Meersalz
Inhaltsstoffe:
Jogurt mild, Rübenzucker, Mangopüree
(6 %), native Maisstärke, Zitronensaftkonzentrat, Verdickungsmittel: Johannisbrotkernmehl, Bourbon-Vanilleextrakt (0,04 %),
Bourbon-Vanillepulver (0,01 %)
Preis: 2,79 EUR / Glas
Preis: auf Anfrage
Preis: 4,60 EUR / kg
Preis: 1,99 EUR / Glas
www.drei-spatzen.de
www.biometzger.at
www.grafmuehle.de
www.andechser-natur.de
Wir machen keine halben Sachen.
Unsere landwirtschaftlichen Betriebe
wirtschaften bundesweit nach unseren
Richtlinien. Und diese entsprechen
einer ganzheitlichen Vorstellung von
Ökolandbau. Die EU-Richtlinien
sind nur ein Mindeststandard und
uns zu wenig. Unsere Landwirte
stellen zum Beispiel ihren gesamten
Betrieb auf Bio um. Wir kümmern
uns in besonderem Maße um das
Wohl unserer Tiere. Unser Gemüse
darf auf der Erde wachsen. Und unsere Lebensmittel enthalten weniger
Zusatzstoffe und stammen größtenteils aus handwerklicher Verarbeitung.
Wir sind gleich um die Ecke. Unsere
Landwirte und Verarbeiter arbeiten in
überschaubaren Regionen zusammen.
Unsere Wege sind kurz, unsere Beziehungen verlässlich, unsere Wertschöpfung bleibt in der Region, stiftet Arbeitsplätze und Identität. Die meisten
unserer Mitglieder leben und arbeiten
in Bayern, Nordrhein-Westfalen und
in der Mitte Deutschlands.
Wir lassen uns Freiraum. Unsere
Richtlinien sind verbindlich. Innerhalb dieses Rahmens haben unsere
Landwirte die Freiheit, die ihr Berufsstand seit jeher beansprucht. Sie können ihre Betriebsmittel frei beziehen
und ihre Produkte frei vermarkten,
ohne Vermarktungsgebühren zu
entrichten.
Wir kennen uns. Jeder Betrieb hat
seinen Berater. Die Sprecher der
Landwirte unterstützen die Arbeit vor
Ort. Und bei Workshops, Betriebsbesuchen, Veranstaltungen und Exkursionen kommen wir zusammen. Wir
sind basisdemokratisch. Auf unseren
Mitgliederversammlungen kann sich
jeder einbringen.
Wir fallen auf. Unsere Menschen,
unsere Werte, unsere Arbeit und
was in der Öko-Branche sonst los
ist, veröffentlichen wir sechs Mal
im Jahr in unserer Verbandszeitung
bioNachrichten. Wir präsentieren uns
im Internet (www.biokreis.de), durch
unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, auf Messen und mit unseren
Verpackungsmaterialien.
Wir mischen mit. Denn wir leisten
politische Arbeit. Wir sind Mitglied
in den Landesvereinigungen für den
ökologischen Landbau in Bayern,
Nordrhein Westfalen und Hessen, im
Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) und in der Internationalen Vereinigung der ökologischen
Landbaubewegungen (IFOAM).
Wir setzen uns sowohl auf Landes-,
Bundes- als auch auf internationaler
Ebene für die Weiterentwicklung des
ökologischen Landbaus ein und sind
hier als kompetenter Ansprechpartner
gefragt.
Wir denken quer. Die Gründer
unseres Verbandes waren Pioniere. Sie
haben sich verbündet, um gemeinsam
als Verbraucher für die ökologische
Landwirtschaft einzutreten. Neue
Ideen sind seit jeher fundamental für
unsere Arbeit. Wir haben die Richtlinien für Wald, Hotel/Gastronomie
und Tiernahrung sowie das Siegel
„regional und fair“ ins Leben gerufen
und sind Vorreiter mit dem Projekt
„100% Bio-Leder“.
Biokreis
in Bayern
8. April, 17 Uhr
Praxiseinsatz des Rotor-Hack-Striegels
Treffpunkt: Fürstlich Fuggersche Domänenverwaltung,
Rainerstraße 4, 86698 Oberndorf
Nach einer Hofbegehung wird der Einsatz des RotorHackstriegels (Yetter Rotary Hoe) in den Kulturen
Winterweizen und Triticale gezeigt. Eingeladen sind alle
interessierten Landwirte.
16. Mai, ab 9 Uhr
Mühlentag in der Biokreis-Holzofenbäckerei
Grafmühle im Rahmen des 23. Deutschen Mühlentags
Ort: Holzofenbäckerei Grafmühle,
Grafmühle 1, 94136 Thyrnau
Infos: www.grafmuehle.de
Tel: 08501 / 269, [email protected]
Anmeldung: bitte bei Biokreis Erzeugerring Bayern e.V.
unter 0851 / 75650-0 oder bei Gerhard Falter unter
0151 / 41 86 60 17.
17. Mai, 19.30 Uhr
Felderbegehung auf dem Betrieb Franz Strobl mit
Vorstellung Franz Stadler (neuer Berater Obb),
Stadtweg 5, 82069 Hohenschäftlarn
12. April, 19.30 Uhr
Moderne Praktikable Grünlandbewirtschaftung mit
dem Hauptreferenten Univ. Doz. Dr. Karl Buchgraber
von der Versuchstation Raumberg Gumpenstein in
Österreich
Ort: Gasthaus zur Post in 83101Rohrdorf
Veranstalter: Biokreis und Bioheumilchbauern Rosenheim und Umgebung w.V.
16. April, 14 Uhr
Besichtigung der Hofmark-Brauerei,
Hofmarkstrasse 15, 93455 Loifling bei Cham
Anmeldung: bei Toni Reisinger
unter: 0171 / 19 77 610
-8-
23. bis 24. April, 10 bis 18 Uhr
Gartenmarkt Kunst & Garten
Ort: Herrmannsdorfer Landwerkstätten Glonn,
Herrmannsdorf 7, 85625 Glonn
Infos: www.herrmannsdorfer.de
11. Mai, 18 Uhr
Besichtigung des Betriebs Grosser mit
Geflügelmast und Legehennen,
Pfarrkofen 1, 84030 Ergolding
12. Mai, 18 Uhr
Felderbegehung auf dem Betrieb Josef Brunnbauer,
Stelzlhof 1, 94034 Passau
Biokreis
in NRW
Bild:
Grafmuehle/Dionys
Veranstaltungen und Termine
14. und 18. April
Informationsveranstaltungen gemeinsam mit
einem Vermarktungspartner zur Umstellung auf
ökologische Milchviehhaltung in Ostwestfalen
(14.4.) sowie im Sauerland (18.4.),
Infos und Anmeldung:
Tel.: 02733 / 124455.
11. bis 15. April 2016
Fortbildung: Öko-Biene
Ort: Akademie für Ökologischen Landbau
am Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für
Ökologischen Landbau (LVFZ) Kringell,
Kringell 2, 94116 Hutthurm
Infos: www.LfL.bayern.de/lvfz/kringell
Termine
anderer
Veranstalter
Rund um Mutterkühe und Rindfleisch
Biokreis und Bioland veranstalten
am 19. und 20. Oktober 2016 eine
gemeinsame Bundesfachtagung zur
Fleischrinderhaltung in Fulda.
18. Mai, 18 Uhr
Felderbegehung auf dem Biohof Wolfgang Weber
Ort: Riedweg1, 89340 Leipheim
27. Mai, 13 Uhr
Fachexkursion Gut Mittelbüg/Stadt Nürnberg
Treffpunkt: Mittelbügweg 99, 90571 Schwaig
Führung durch den ökologisch geführten landwirtschaftlichen Betrieb der Stadt Nürnberg, Gut Mittelbüg
(Futterbau für Tiergarten Nürnberg). Besichtigung des
Futterhofs am Tiergarten. Ausklang in der Waldschänke. Eingeladen sind alle interessierten Landwirte.
Anmeldung: unter 0851 / 75650-0 oder bei
Gerhard Falter unter 0151 / 41 86 60 17
06. Juni, 19.30 Uhr
Felderbegehung auf dem Betrieb Anton Daxenbichler
mit Vorstellung Franz Stadler (neuer Berater Obb),
Antersberg 20, 83104 Tuntenhausen
10. Juni, 18 Uhr
Soja-Förderring: Felderbegehung
auf Biokreis-Betrieb Krauß
Ort: Betrieb Krauß, Halmlehen 1, 94140 Ering
Infos:
www.sojafoerderring.de/veranstaltungen-und-termine/
17. April 2016
Fachmesse Bio-West, mit Biokreis-Stand
Ort: Messe Düsseldorf, Messeplatz 1,
Halle 14, Stand H26, 40474 Düsseldorf
Infos: www.biowest.info
24. April 2016
Fachmesse BioOst, mit Biokreis-Stand
Ort: Messe Berlin, Jafféstrasse 2,
Halle 25, Stand E38, 14055 Berlin
Infos: www.bioost.info
25. bis 29. April 2016, 9 bis 16.30 Uhr
Praxiswoche Ökolandbau
Ort: Tagungshaus der Abtei Maria Frieden,
96199 Zapfendorf-Kirchschletten (Lkr. Ba)
Infos: Veranstaltung der
Öko-Akademie Bamberg,
www.aelf-ba.bayern.de/bildung/
landwirtschaft/060498/,
Ansprechpartner Nikolaus Ehnis,
Telefon: 0951 / 8687-81
Das Grünland in den deutschen Mittelgebirgen ist typischer Standort für die Mutterkuh- und Fleischrinderhaltung. Vor diesem regionalen Hintergrund, geprägt durch
die angrenzende Rhön sowie den Vogelsberg, veranstalten
die Öko-Verbände Biokreis und Bioland ein gemeinsames
Fleischrinderseminar im Raum Fulda. Am ersten Seminartag werden im Rahmen einer Exkursion interessante
Betriebe besichtigt. Ein „ku(h)lturelles“ Programm am
gemütlichen Abend mit dem Tierarzt, Autor und KuhExperten Dr. Dr. Michael Brackmann leitet dann über
zum zweiten Seminartag, der verschiedene Fachvorträge
zu aktuellen Themen der Fleischrinderhaltung präsentieren wird. Zur Veranstaltung wird es in den nächsten
Wochen einen separaten Einladungsflyer geben. Interessierte Biokreis-Betriebe können sich aber bereits in der
Biokreis-Geschäftsstelle NRW unter Tel. 02733-124455
oder nrw@biokreis vormerken lassen. JB
11. Juni
Traditionelle Tierschau „Stünzelfest“ in Bad BerleburgStünzel, Kreis Siegen-Wittgenstein
Weitere Informationen bzw. Links zu
den Veranstaltungen auf dieser Doppelseite finden Sie auf www.biokreis.de
unter dem Menüpunkt „Termine“
22. bis 23. Mai 2016
Next Organic Berlin
Ort: STATION Berlin,
Luckenwalder Str. 4 - 6, 10963 Berlin
Infos: www.next-organic.de
Anmeldung für Aussteller bis Ende März:
www.next-organic.de/fur-aussteller
3. bis 12. Juni 2016
Saatgut-Karawane der jAbL
(junge Arbeitsgemeinschaft
bäuerliche Landwirtschaft)
Ort: quer durch Süddeutschland,
Schweiz und Frankreich
Infos: www.abl-ev.de/termine,
[email protected]
6. bis 8. Juni 2016
Lehrfahrt: Grünlandbewirtschaftung
und Weidehaltung in Süddeutschland
Ort: Hessen und Baden-Württemberg
Infos: Veranstalter ist die
Landwirtschaftskammer NRW,
Bereich Ökolandbau.
Infos und Anmeldung:
http://bit.ly/1U45PuA
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Notizen
Bio-Bauern der Öko-Modellregionen
Waginger See und Isental kooperieren
Fotocredit: barnhouse
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Als einen „Gewinn für die Region und die bäuerliche
Landwirtschaft in Bayern“ hat Landwirtschaftsminister
Helmut Brunner die Kooperation von Bio-Landwirten
zweier Öko-Modellregionen mit einem überregionalen BioVerarbeiter bezeichnet. Über 40 Bio-Bauern aus den beiden
Öko-Modellregionen „Isental“ im Landkreis Mühldorf und
„Waginger See/Rupertiwinkel“ im Landkreis Traunstein
wollen künftig bei der Lieferung von Dinkel und Hafer zusammenarbeiten. Auf der Biofach 2016 haben Vertreter der
Liefergemeinschaft im Beisein des Ministers mit dem BioVerarbeiter Barnhouse aus Mühldorf einen Rahmenvertrag
abgeschlossen. Noch im Februar wird das erste Getreide aus
den beiden Regionen zu Flocken verarbeitet. StMELF
Öko-Landbau in Bayern ist Spitzenreiter Die LVÖ Bayern mit ihren Mitgliedsverbänden Biokreis, Bioland, Naturland und Demeter verzeichnete im
vergangenen Jahr ein großes Wachstum des verbandsgebundenen Ökolandbaus in Bayern auf 5230 Betriebe
und eine Steigerung der Öko-Fläche auf 191 000 Hektar. Dies bedeutet im bundesweiten Vergleich ein überdurchschnittliches Wachstum an Öko-Betrieben um 6,46 Prozent und an Öko-Fläche um 8,74 Prozent. „Diese
erfolgreiche Entwicklung des bayerischen Öko-Landbaus führen wir auf die positive Marktentwicklung, auf
die guten Förderbedingungen für den Ökolandbau in Bayern und auf die im Jahr 2012 initiierte Initiative
BioRegio Bayern 2020 zurück“, so der LVÖ-Vorsitzende Josef Wetzstein. LVÖ
„Bio kann jeder“ macht Schule – neue Broschüre und Workshops
Mit der neuen Broschüre „Bio-Verpflegung in Kindertagesstätten und Schulen“ geht die bundesweite Initiative
„Bio kann jeder – nachhaltig essen in Kita und Schule“ in eine neue Runde. Auf 44 Seiten werden alle wichtigen
Fragen rund um eine nachhaltige Verpflegung in Schulen und Kitas aufgegriffen: Wie sieht eine kindgerechte
Ernährung aus? Was gehört zu einem nachhaltigen Verpflegungskonzept? Wie lassen sich Bio-Produkte ohne
Mehrkosten einführen? Die Publikation kann kostenlos unter www.oekolandbau.de angefordert werden. Zudem steht sie als pdf-Datei zum Download bereit. E-Mail-Bestellungen können direkt an publikationen@
bundesregierung.de gerichtet werden. Aktuelle Workshop-Termine und Ansprechpartner zur Initiierung von
Workshops in der eigenen Region finden sich unter www.biokannjeder.de. BLE
Förderpreis für 15 neue Bio-Bauern
Der NABU und Alnatura haben erstmals gemeinsam den Förderpreis der „Alnatura Bio-Bauern-Initiative“
(ABBI) verliehen. 15 landwirtschaftliche Betriebe erhalten insgesamt 430 000 Euro – und damit finanzielle
Unterstützung, um von konventioneller Landwirtschaft auf Öko-Landbau umzustellen. Die Betriebe aus
sieben Bundesländern haben sich innerhalb des letzten halben Jahres einem in Deutschland anerkannten ÖkoAnbauverband angeschlossen. Neben vielen Bewerbungen aus der Milchviehwirtschaft gab es auch einige wenig
verbreitete Konzepte wie den Walnuss- oder Johannisbeeranbau. Insgesamt konnte mit der Förderung eine
Fläche von 2038 Hektar auf ökologische Bewirtschaftung umgestellt werden. Die nächste Bewerbungsrunde
läuft noch bis 30. Juni 2016. Weitere Informationen und Bewerbungsbedingungen: www.NABU.de/abbi bzw.
www.alnatura.de/de-de/ueber-uns/alnaturabiobauerninitiative
NABU
Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau in Weihenstephan
Die 14. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau (WiTa) findet vom 7. bis 10. März 2017 in Weihenstephan statt. Die Wissenschaftstagung ist die führende Forschungstagung der deutschsprachigen Länder zum
ökologischen Landbau. Sie findet alle zwei Jahre an einem anderen Agrarforschungs-Standort in Deutschland,
Österreich oder der Schweiz statt. Veranstalter der WiTa 2017 sind die Technische Universität München Wissenschaftszentrum Weihenstephan, die Hochschule Weihenstephan und die LfL. Der Call for papers ist
eröffnet, letzter Einreichungstermin ist der 15. Juli 2016.
Mehr Informationen zur Tagung finden Sie hier: www.wissenschaftstagung.de/de/information/index.html
Weitere Infos (wie Autorenhinweise und das Programm) werden laufend ergänzt. lfl
Bio-Umsatz wächst zweistellig
Nach der Berechnung des „Arbeitskreises Biomarkt“ wurde 2015 mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken ein
Umsatzplus von 11,1 Prozent und ein Marktvolumen von insgesamt 8,62 Mrd. Euro (2014: 7,76 Mrd. Euro)
erreicht. „Die Nachfrage wuchs 2015 noch einmal stärker als schon in den Jahren zuvor. Und das Potenzial am
Bio-Markt ist längst noch nicht ausgeschöpft“, so Peter Röhrig, Geschäftsführer des BÖLW. Alle Absatzwege
trugen zum Marktwachstum bei. Am stärksten legte der Verkauf von Bio-Lebensmitteln und -Getränken im
Lebensmitteleinzelhandel (LEH) zu und wuchs auf 4,76 Mrd. Euro Umsatz beziehungsweise um 13,2 Prozent.
Nach Schätzung des BÖLW wuchs die deutsche Öko-Fläche 2015 um rund 30 000 Hektar auf 1 077 950
Hektar. Das entspricht einem Plus von 2,9 Prozent. Die Zahl der Bio-Betriebe wuchs im selben Zeitraum auf
24 343 Betriebe, was eine Zunahme von 945 Betrieben oder 4,0 Prozent bedeutet. Trotzdem kann die Entwicklung der Bio-Betriebe und -Flächen noch nicht zum starken Marktwachstum aufschließen. BÖLW
-11-
INFO ––– Agrarpolitik
Der Blick ins Ei
Bild: condesign, pixabay
Kükentötung: Experten stellen den Sinn
einer Geschlechtsbestimmung im Ei in Frage.
Welche Verfahren zur Geschlechtsbestimmung am bebrüteten Ei
wurden bisher schon getestet?
Quelle: Ökologische Tierzucht gGmbH
-12-
Die Tötung massenhafter männlicher Küken wird nach
wachsendem Unmut in der Bevölkerung auch immer mehr
zur juristischen Sache. Im Februar hat in Münster erstmals
eine Staatsanwaltschaft Klage gegen eine Brüterei erhoben,
in der, wie branchenüblich, männliche Küken getötet werden. Weitere Aktivitäten gegen das ethisch bedenkliche Verfahren sind auch in Zukunft zu erwarten. Niedersachsen,
bundesweit Geflügelland Nummer eins, macht ebenfalls
Druck beim Ausstieg aus der massenhaften Tötung männlicher Eintagsküken. Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte Landwirtschaftsminister Christian Meyer
(Grüne): „Wir wollen das Töten in Niedersachsen spätestens
Ende nächsten Jahres beenden.“
Als Lösung für das Problem der Tötung männlicher Küken in der Legehennen-Brüterei wurde immer wieder die
Geschlechtsbestimmung im Ei (in-ovo-Geschlechtsbestimmung) gehandelt. Bereits seit Jahren wird nun an diesem
Verfahren geforscht, doch es erfährt zunehmend Kritik. Zum
einen könnte es Bemühungen um eine ökologische Zucht
in Richtung Zweinutzungsrassen torpedieren. Zum anderen
ist die notwendige technische Ausstattung zur Bestimmung
des Geschlechts im Ei extrem kostenintensiv. Kleinere ÖkoBetriebe könnten sich diese Investition gar nicht leisten.
Noch wichtiger ist den Akteuren, die am Öko-Huhn der
Zukunft züchten, jedoch, dass mit der In-ovo-Geschlechtsbestimmung der Zeitpunkt der Tötung männlicher Küken
in der Legehennen-Brüterei lediglich vorverlegt wird.
Eine Expertengruppe um Dr. Anita Idel, Tierärztin und
Mediatorin, Professor Michael Grashorn von der Universität Hohenheim, Dr. Gerhard Seemann von XPRTSSOLUTIONS, Klaus Plischke von der Software AG-Stiftung in
Darmstadt und Geflügelzüchter und Bio-Brüterei-Betreiber
Werner Hockenberger erläutert den Stand der Dinge:
Ernsthafte Bemühungen zur Geschlechtsbestimmung am bebrüteten
Ei gibt es schon seit den 90er-Jahren
des vergangenen Jahrhunderts. In
Deutschland wurden die Verfahren
ab etwa 2005 für die Politik interessant. Die jetzt laufenden Untersuchungen sind bereits der dritte Anlauf
im Rahmen von staatlich geförderten Projekten in Deutschland, um
eine praktikable Lösung zu finden.
Versuche, nach einer Zellentnahme
aus dem Ei eine Chromosomenbestimmung durchzuführen, lieferten
zwar eindeutige Ergebnisse in der
Geschlechtsbestimmung, waren aber
zu kompliziert und aufwendig für die
praktische Anwendung. Hormonbestimmungen erwiesen sich erst ab ungefähr dem achten Bebrütungstag als
zuverlässig. Sie liegen damit zu nahe
am Zeitpunkt, ab dem die Wissenschaft von einem Schmerzempfinden
des Embryos ausgeht. Außerdem sind
Laboruntersuchungen erforderlich,
die für die Praxis zu kompliziert sind
und den Entscheidungsprozess verzögern. Beide Verfahren erfordern eine
Probenentnahme aus dem Ei, was im
hygienischen Umfeld einer Brüterei
kritisch zu sehen ist. Die jetzt im Vordergrund stehende spektroskopische
Messung erfolgt ohne Probenahme
aus dem Ei schon ganz am Anfang des
Brutprozesses, ermöglicht nach wenigen Sekunden eine Entscheidung und
erfordert keine längere Unterbrechung
des Brutprozesses.
Wo liegen die technischen
Probleme und Herausforderungen
beim spektroskopischen Verfahren?
Die spektroskopischen Untersuchungen (Raman-Spektroskopie) wurden
bislang am liegenden Ei durchgeführt.
Dazu wurde mit einem Laser ein Loch
im Durchmesser von einem Zentimeter in die Eierschale geschnitten. Der
Messstrahl musste so gerichtet werden, dass er ein Blutgefäß abscannen
konnte. Künftig soll das Verfahren so
abgeändert werden, dass es zur Bruttechnologie passt. Das Ei soll mit der
Spitze nach oben abgescannt werden,
was aber bedeutet, dass zwischen dem
Embryo, der sich auf dem Dotter befindet, und dem Loch in der Schale ein
weit größerer Abstand zu überwinden
ist als in der waagerechten Position.
Zudem soll der Durchmesser des Loches verringert werden, um Brutprobleme zu verhindern. Es ist jedoch
fraglich, ob die feinen Blutgefäße über
das kleinere Loch durch das Eiklar
hindurch schnell und sicher gefunden
werden können. Die Planungen sehen
deshalb auch Stellelemente vor, um das
Ei individuell zu positionieren.
Welche Auswirkungen hat
das auf das Brutergebnis?
Die Brutergebnisse mit den waagerecht
abgescannten Eiern sind unbefriedigend. Es wurden lediglich Schlupfergebnisse von 64 Prozent erreicht.
Dazu kommt noch die Genauigkeit
von lediglich 90 Prozent. Alles in allem schlüpften somit aus 100 eingelegten Eiern lediglich 29 weibliche, aber
auch noch drei männliche Küken. Theoretisch wären bei 50 Prozent weiblichen Eiern, 100 Prozent Genauigkeit
und 85 Prozent Schlupf 42 weibliche
Küken zu erwarten. Ursache für die
Schlupfprobleme sind wahrscheinlich Verletzungen an den sehr feinen
Blutgefäßen der Embryonen. Bruteier
reagieren besonders zu Beginn der Brut
zudem sehr empfindlich auf Erschütterungen.
Was sind die Vor- und
Nachteile des Verfahrens?
Der Vorteil des Verfahrens liegt in der
frühen Anwendbarkeit nach lediglich
drei bis acht Tagen Bebrütung. Damit
können unerwünschte Embryonen
schmerzfrei „entsorgt“ werden. Allerdings werden wegen der Schlupfprobleme nicht mehr 100 Eier, sondern
148 Bruteier produziert und bebrütet
werden müssen, um 42 weibliche Küken zu erhalten. Im Prozess fallen für
die 42 Küken 100 bebrütete Eier als
entsorgungspflichtiger Abfall und fünf
männliche Küken an, für die es keine
Verwendung gibt. Wenn man bedenkt,
dass es sich bei den nicht zum Schlupf
gebrachten Eier ebenfalls um Lebewesen handelt, erscheint das Verfahren
insgesamt als wenig sinnvoll, da es die
Anzahl getöteter Lebewesen sogar noch
deutlich erhöhen und erneut zu Akzeptanzproblemen führen könnte.
Gibt es einen besseren
Lösungsansatz?
Die Geschlechtsbestimmung im Ei löst
das Problem der übermäßigen Spezialisierung in der Geflügelzucht nicht.
Ihre Einführung würde dem unersättlichen Streben nach einseitiger Leistungssteigerung der Hennen die letzte
potenzielle Begrenzung nehmen. Das
Verfahren verlagert die Tötung der
männlichen Legetiere lediglich in das
erste Drittel der Brut. Die Forschung
setzt damit nicht etwa auf Ursachenvermeidung durch artgerechte Züchtung, sondern auf Kostenersparnis
durch möglichst frühe Geschlechtsbestimmung im Ei. Solange die Legehenne nur als Eierstock gesehen wird mit
einem ansonsten überflüssigen Körper
und das Masthähnchen nur als Hähnchenschnitzel, wird sich am Dilemma
nichts ändern.
Am Ende bleiben
Kühe und Zement
Kommentar von Jörn Bender
Die Kohleförderung hatte ohne Zweifel Tradition in
Deutschland, sie wurde zum Wahrzeichen ganzer Epochen
und Industrieregionen, prägte über Generationen das Leben
vieler stolzer Bergmannsfamilien. Und ganz gewiss wurde
die Notwendigkeit des Kohleabbaus dabei über lange Zeit
überhaupt nicht in Frage gestellt. Mit ehrgeizigen Verpflichtungen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes spricht die
Gegenwart nun eine andere Sprache. Beinahe altmodisch
und politisch uneinsichtig wirkt, wer sich im Jahr 2016 für
den Erhalt von „lächerlichen“ knapp 20 000 Arbeitsplätzen entlang der deutschen Braunkohleförderung einsetzt.
Das Ende der Steinkohle – ohnehin schon lange besiegelt.
In dieser Diskussion vermeldet die ehemalige NRW-Umweltministerin und Abgeordnete der Grünen im Bundestag, Bärbel Höhn, unlängst, dass am Ende ein Recht auf
übermäßigen CO2-Ausstoß wohl nur die Zementindustrie
und unsere Kühe haben werden − beide auf ihre Art derzeit
(noch) unersetzlich.
Zum Nachdenken bringt mich dies, wenn mancher Vertreter des landwirtschaftlichen Berufstands allzu sicher und
oft uneinsichtig von der Vergangenheit auf die Gegenwart
schließen möchte. Unsere Landwirtschaft und damit viele
traditionelle Höfe werden nicht per se Bestandsschutz genie-
ßen. Sie haben sich ganz unweigerlich an die Erfordernisse
der Gegenwart anzupassen – nicht nach dem Gutdünken
der Landwirtschaft, sondern dem der sie umgebenden Gesellschaft. Das mag vielen nicht gefallen, wird den Rest der
Gesellschaft aber nicht davon abhalten, auch der Traditionsbranche Landwirtschaft die kalte Schulter zu zeigen, wenn
Produktionsbedingungen und Umweltauswirkungen nicht
mehr zeitgemäß sein sollten. Und diese Entscheidungen
treffen Verbraucher überraschend national. Es beeinflusst
die deutsche Debatte über ein Ende der Kernenergie nicht,
dass unsere Nachbarn in England und Belgien munter an
dieser festhalten. Und es wird die deutsche Debatte über
hohe Tierwohlstandards, die Vermeidung von Stickstoffüberschüssen und Pestizidrückständen nicht stören, wenn etwa
in osteuropäischen Ländern Stallkapazitäten unter deutlich
schlechteren Voraussetzungen aufgerüstet werden.
Wer hierzulande in Zukunft produzieren und dabei die
Akzeptanz der Gesellschaft auf seiner Seite wissen möchte,
wird sich in Tier- und Ressourcenschutz beweisen müssen.
Ansonsten wird nach jenen der Kohle auch den Lobbyisten
der Agrarbranche sehr bald ein Makel der ewig Gestrigen
anhängen!
-15-
Landwirtschaft und Klima
Bild: brigittewitt2, pixabay
TITEL ––– Interview „Landwirtschaft und Klima“
+1
_
°C = 6 % Weizen?
Auf der Weltklimakonferenz im
Dezember scheint die Landwirtschaft vergessen worden zu sein. Wie
bewerten Sie die Ergebnisse?
Dr. Dr. habil. K.-Christian Kersebaum vom Leibnitz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung spricht im Interview über die Gefahren des Klimawandels für die
Landwirtschaft und die Auswirkungen der Landwirtschaft auf das Klima.
Von Ronja Zöls
Wie groß ist der Beitrag der Landwirtschaft zur globalen Erwärmung?
-18-
Herr Dr. Kersebaum, wie würden
Sie den momentanen Zustand unseres Klimas beschreiben?
Das Jahr 2015 war wieder mit Klimarekorden verbunden, und generell
haben wir einige warme Jahre hinter
uns. Die globale Erwärmung ist recht
deutlich und auch in Deutschland
spürbar. Im vergangenen Jahrhundert betrug sie hier 1,2 Grad. Dabei
wird der anthropogen verursachte
Klimawandel noch etwas abgemildert, da die Sonnenaktivität in den
vergangenen Jahren nachgelassen und
die Erwärmung ausgeglichen hat.
Mitte des Jahrhunderts, wenn diese
natürliche Schwankung der Sonnenenergie wieder vorbei ist, werden wir
den Klimawandel sehr viel deutlicher
wahrnehmen.
Wenn man sich den Emissionskataster für Deutschland ansieht, wird
deutlich, dass die energiebedingten
Emissionen mit 80 Prozent den
Hauptanteil ausmachen. Sieben
Prozent fallen auf die Landwirtschaft.
Hinzu kommen noch ungefähr
1,7 Prozent, die sich aus dem
Landnutzungswandel wie Grünlandumbruch ergeben. Diese Zahl
fällt natürlich in anderen Teilen der
Erde, zum Beispiel in den Tropen, wo
Regenwald gerodet wird, viel höher
aus.
Welche landwirtschaftlichen Faktoren sind ausschlaggebend?
CO2-Emissionen aus der Landwirtschaft spielen eher eine untergeordnete Rolle. Ein einflussreicher Faktor
ist hingegen Methan, das aus der
Tierhaltung entsteht. 54 Prozent der
Gesamt-Methan-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft. Und
auch N2O stammt zu 77 Prozent aus
der Landwirtschaft und wird durch
die Stickstoffdüngung verursacht.
Die Landwirtschaft verantwortet
also ein Stück weit den Klimawandel, wird aber auch massiv durch
ihn beeinflusst …
Das ist richtig. Der Temperaturanstieg kann sowohl negative als auch
positive Folgen haben. In Deutschland, wo ein gemäßigtes Klima
herrscht, sind die Auswirkungen
derzeit noch eher positiv. So kann
zum Beispiel auch in höheren Lagen,
wo es bisher zu kühl war, Ackerbau
betrieben werden. In wärmeren
Regionen allerdings, wo das Temperaturoptimum zum Teil bereits
überschritten wird, gehen Fotosynthese und Biomasse-Bildung zurück
und der Ertrag sinkt ab.
Gab es aufgrund von Erwärmung
bereits Ertragseinbrüche?
Wir haben in einer globalen Modellstudie herausgefunden, dass der
Weizenertrag pro Grad Temperaturanstieg um sechs Prozent sinkt. In
der Ertragsstatistik kann man sehen,
dass die Erträge in den 90er-Jahren
weltweit entgegen des bisher üblichen
Anstiegs in vielen Ländern stagnierten. In Deutschland erkennt man in
den klimatisch außergewöhnlichen
Jahren 2003, 2007 und 2011 deutliche Ausschläge nach unten.
In welchen Teilen der Erde
wird es für die Landwirtschaft
bereits kritisch?
Vor allem in vielen Ländern Afrikas
und Asiens, wo es ohnehin schon
immer warm war. In großen Teilen
Asiens etwa hängt die Landwirtschaft
sehr stark vom Wasserangebot aus
dem Himalaya ab. Die Tendenz geht
dahin, dass das Schmelzwasser zu
früh kommt. So entsteht die paradoxe Situation von Überschwemmungen und Dürren innerhalb einer
Saison. Satellitenbilder zeigen, dass
die Gletscher im Himalaya schrumpfen. Die Frage ist, woher die Landwirte Wasser nehmen sollen, wenn sie
verschwunden sind.
Wir müssen also in Zukunft
mit mehr Klima-Flüchtlingen
rechnen …
Davon gehe ich aus. Katastrophen
führen fast immer zu politischer
Instabilität, die den Effekt dann auch
noch verstärkt.
Das wichtigste Ergebnis ist, dass die
Klimaerwärmung begrenzt werden
soll. Und das kommt der Landwirtschaft zu Gute. Die Weltbevölkerung
steigt, das Potenzial zusätzlicher
Fläche ist sehr begrenzt. Wenn die
Plateaubildung bei den Ernteerträgen
bleibt, wird eine bedenkliche Situation eintreten.
Dr. Dr. habil. K.-Christian Kersebaum.
Bild: Reisnitz
Wie wird Landwirtschaft aussehen,
wenn wir die Erwärmung von
1,5 Grad überschreiten?
Das Wasserangebot wird eine wesentliche Rolle spielen und die effektive
Bewässerung auf der Agenda ganz
oben stehen. In Deutschland wird der
Ackerbau in höheren Lagen möglich
sein. Ob man die längere Vegetationsperiode nutzen und sogar zwei
Kulturen pro Jahr anbauen kann,
hängt wesentlich vom Wasserangebot
ab. Neben der Temperatur werden
wir es noch mehr mit einer Verschiebung der Niederschlagsverteilung
zu tun haben. Trockenere Sommer
mit Wasserstress für die Pflanzen
und feuchtere Winter mit eventuell höherer Nährstoffauswaschung
gehören dazu. In der zweiten Hälfte
des Jahrhunderts können in einigen
Regionen auch die Temperaturen das
Optimum überschreiten. Grundsätzlich sind aber Projektionen für
die Zeit nach 2050 noch mit hohen
Unsicherheiten verbunden. Eine Risikostreuung durch Diversifizierung
der Anbaufrüchte wäre sinnvoll.
-19-
Was muss die Politik leisten,
um Landwirtschaft klimafreundlich zu gestalten?
Die Politik muss die Rahmenbedingungen verändern, indem sie
Umweltleistungen mehr honoriert,
zum Beispiel die Reduktion von
Stickstoffdüngung und technische
Lösungen für die Filterung der Stallabluft fördert.
Und was können wir
als Verbraucher tun?
Wir sollten unser Bewusstsein für den
Fleischkonsum schärfen. Im Haushalt
greifen natürlich auch die üblichen
Maßnahmen wie etwa Wärmedämmung, Nutzung erneuerbarer Energien und Modernisierung der Heizung.
TITEL ––– Forschung
Landwirtschaft
2050
Universität Hohenheim simuliert
Auswirkungen des Klimas in 30 Jahren.
Protein- und Nährstoffgehalte der
Kulturpflanzen sinken.
Ein Werkstattbericht:
-20-
Text:
Elsner
FACE-System für Feldversuche mit erhöhter
CO2-Konzentration an der
Universität Hohenheim.
Bild: Andreas Fangmeier,
Universität Hohenheim
Schlechtere Backeigenschaften, weniger Nährstoffe, Gefahr
der Fehlernährung: Mit diesen Problemen ist Weizen wohl
künftig verbunden. Ursache sind der Klimawandel und der
wachsende Anteil des Klimagases CO2 in der Atmosphäre –
so das alarmierende Ergebnis von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim in Stuttgart. Ihre bisherigen Erkenntnisse gewannen die Forscher um Prof. Dr. Andreas Fangmeier
in sogenannten Klimakammern: Darin simulierten sie die
Klimabedingungen in 30 Jahren und untersuchten, wie sie
sich auf Ertrag und Qualität von Weizen als Modellpflanze
auswirken. Derzeit werden die Ergebnisse im Freiland weiter
verfeinert. Mit über 300 000 Euro Fördermitteln von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ist das Projekt
an der Universität Hohenheim ein Schwergewicht der Forschung.
In rund 30 Jahren wird die Atmosphäre erheblich mehr
Kohlendioxid (CO2) enthalten als heute – mit erheblichen
Konsequenzen auch für die Landwirtschaft. Neben indirekten Folgen wie Klimaerwärmung und häufigeren Extremereignissen kann sich das CO2 auch direkt auf die Kulturpflanzen auswirken. Ein Effekt: Das Treibhausgas könnte als
Dünger wirken und die Erträge erhöhen – aber auf Kosten
der Qualität. Das nehmen Wissenschaftler der Universität
Hohenheim nun in einem Forschungsprojekt genauer unter die Lupe. Prof. Dr. Andreas Fangmeier, PD Dr. Petra
Högy und ihr Team vom Fachgebiet Pflanzenökologie und
Ökotoxikologie simulieren dazu in Klimakammern und im
Freiland die Klimabedingungen der Zukunft.
phase führen die Wissenschaftler derzeit Feldexperimente
durch, bei denen sie ebenfalls die CO2-Bedingungen der
Zukunft nachstellen. Möglich wird das durch FACE. „FACE
steht für Free-Air Carbon dioxide Enrichment“, erklärt Projektleiter Prof. Dr. Fangmeier. „Das ist eine technische Versuchsanordnung, mit der wir bereits heute im Freiland den
Einfluss einer zukünftigen, erhöhten CO2-Konzentration auf
die landwirtschaftliche Produktion untersuchen können.“
Dafür wird CO2 je nach Windrichtung und -stärke über
dünne Leitungen direkt in die Pflanzenbestände abgegeben,
so dass künftige CO2-Konzentrationen entstehen. Das Mikroklima, also Wind, Sonnenstrahlung und Verdunstung,
beeinflusst FACE nicht.
Simulation der
CO2-Konzentration von morgen
Back- und Verarbeitungsqualität des Weizens sinkt
„In früheren Experimenten seit 2012 haben wir mit Klimakammern gearbeitet, in denen wir die voraussichtlichen
Temperaturen und die CO2-Gehalte im Jahr 2050 simuliert
haben“, erläutert PD Dr. Högy. Verglichen wurden also Szenarien mit dem heutigen CO2-Gehalt von 400 ppm und
dem in 30 Jahren von 550 ppm. In einer zweiten Projekt-
Weizen dient als Modellpflanze
Als Modellpflanze nutzen die Forscher zwei sehr unterschiedliche Weizensorten: die qualitativ hochwertige Sorte
Triso und die auf Ertrag gezüchtete Sorte Tybalt. Triso fand
auch bereits in den vorhergehenden Versuchen Verwendung. Nun wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie
die Nährstoffe in den Pflanzen bei heutigen und künftigen
CO2-Konzentrationen aufgenommen und verteilt werden.
Dazu führen sie Messungen zum Wasserhaushalt, zum Saftfluss und zur Fotosynthese-Leistung der Pflanzen durch. Sie
bestimmen, wie Kohlenstoff und Stickstoff in der Pflanze
verteilt werden, analysieren die Inhaltsstoffe und können so
ermitteln, wie sich ein erhöhter CO2-Gehalt auf die Qualität
des Weizens auswirkt.
„Die Backfähigkeit von Weizen hängt in erster Linie vom
Proteingehalt und von der Zusammensetzung der Proteine
im Mehl ab“, erläutert Prof. Dr. Fangmeier. „Wir haben
festgestellt, dass eine CO2-Erhöhung in der Atmosphäre
den Proteingehalt im Weizen reduziert. Auch der Gehalt an
Gluten, das als Kleberprotein für gute Backfähigkeit sorgt,
sinkt durch mehr CO2.“ Die Zusammensetzung der Proteine
verändert sich ebenfalls, und damit auch die Verarbeitungsqualität. Die veränderten Mengenverhältnisse bestimmter
Proteine reduzieren unter anderem das Teigvolumen von
Gebäckstücken. „Es könnte daher notwendig werden, in
Zukunft die Verarbeitungskette an diese Verhältnisse anzupassen“, empfiehlt PD Dr. Högy.
Problem der Fehlernährung
Aus ernährungsphysiologischer Sicht schlagen vor allem
sinkende Nährstoffgehalte zu Buche. „Nach unseren Erkenntnissen sinken bei höheren CO2-Konzentrationen die
Gehalte an Calcium, Eisen, Magnesium und Zink im Weizen“, berichten die Experten. Darüber hinaus seien auch die
Konzentrationen der Aminosäuren um bis zu 11 Prozent
verringert. „Doch Weizen stellt in vielen Regionen dieser
Erde ein wichtiges Grundnahrungsmittel dar. Das Problem
der Fehlernährung könnte sich also in Zukunft noch erheblich verstärken“, warnt Prof. Dr. Fangmeier.
Ergebnisse fließen in Modelle ein
Modifiziert werden diese CO2-Effekte, wenn auch noch klimatische Extreme dazu kommen, also beispielsweise eine
Hitzewelle vor der Blüte oder während der Kornfüllung.
„Darüber fehlen uns bislang noch grundlegende Erkenntnisse“, meint Prof. Dr. Fangmeier. Das Projekt gewinnt daher
zunächst einmal Daten zu Ertrag und Qualität der Modellpflanze. Hinzu kommen weitere Messungen aus vorherigen
Experimenten, auch zu den Folgen von Extremereignissen
sowie Praxisdaten von Landwirten auf der Schwäbischen Alb
und im Kraichgau. All diese Werte gehen dann an die Verbundpartner der Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“,
in die das Projekt eingebunden ist. Die Partner werden die
Daten umfassend analysieren. „Die Modelle, die sie entwickeln und validieren, sollen dann noch genauere Prognosen
zulassen, wie sich der Klimawandel auf Kulturpflanzen auswirkt“, stellt PD Dr. Högy in Aussicht.
TITEL ––– Hochwasser-Opfer
Nach der Flut
Forscher vermuten einen Zusammenhang zwischen der
Erderwärmung und der Zunahme von Starkregenfällen.
Das große Hochwasser von 2013 wurde für viele Menschen
zu einer existenziellen Katastrophe. Ein Besuch in der
Biokreis-Gärtnerei von Rosmarie und Hans Haushofer
aus Niederaltaich drei Jahre danach:
Von Ronja Zöls
-22-
Bilder:
Zöls
Ein Fasan stolziert über den Acker. Er bleibt stehen, schaut
sich um und tappt weiter durch Pfützen und das spärliche
Gras, den Kopf rhythmisch vor und zurück schaukelnd und
sein prächtiges Federkleid zur Schau stellend. Von Zeit zu
Zeit steigt er direkt in einen der etlichen Maulwurfhügel,
die sich hier vor einiger Zeit aufgetürmt haben, meist geht
er um sie herum. „Die Tier- und Pflanzenwelt hat sich verändert“, sagt Rosmarie Haushofer, die ihm vom Fenster aus
zusieht, „seit der Flut leben hier Arten, die zuvor nicht da
waren.“
Beinahe drei Jahre ist „die Flut“ jetzt her, aber Rosmarie und
Hans Haushofer aus Niederaltaich (Landkreis Deggendorf )
können von ihr erzählen, als wäre sie gestern gewesen. Angst
vor Hochwasser hatten sie niemals gehabt. Seit die Haushofers hier leben, sind sie immer wieder mit Hochwasser
konfrontiert worden. Hans ist an der Donau geboren und
aufgewachsen. Früher einmal waren das Wohnhaus und die
Landwirtschaft noch näher am Fluss angesiedelt. Doch als
1973 der Damm vergrößert wurde, wichen die Haushofers
und bauten ein Stück weiter weg. „Gut, dass wir hier geschützt sind“, hatte Hans´ Vater seit dem Umzug immer
wieder gesagt. Die Bedrohung durch die Donau hatte ihn
sein Leben lang begleitet, das Jahrhunderthochwasser von
1954 saß ihm noch in den Knochen. Was für ein Datum
ist heute? Was für ein Wetter haben wir? Und wie hoch ist
die Donau? Diese drei Fragen hatte er täglich nach dem
Aufwachen gestellt.
Angst hatten nur die „Zuagroasten“
Im Frühjahr nach der Schneeschmelze rechnete man immer
mit Hochwasser. Und auch an Pfingsten war das Ansteigen
der Donau schon fast einkalkuliert. Angst hatten normalerweise nur die „Zuagroasten“. Aber auch Maria, die Tochter
von Hans und Rosmarie Haushofer, fängt am Montag, den
3. Juni 2013, an, nervös zu werden. „Ich glaube, diesmal
werden wir evakuiert“, sagt sie am Abend. „Geh ins Bett und
schlaf“, beruhigt ihr Vater sie, „wir haben eine Pumpe im
Keller und alles ist trocken.“ Daran glaubt er selbst fest, bis
er am nächsten Tag aufwacht. Da sieht er morgens auf dem
Weg ins Bad schon, dass draußen viel los ist. Feuerwehrleute
überall und zwei Reihen Sandsäcke auf dem Damm. Das hat
es zuvor nie gegeben. Er ruft in der Arbeit an und sagt, dass
er nicht kommen kann. Rosmarie steigt aufs Fahrrad und
radelt an die Donau hinunter. Die Feuerwehrleute sagen
ihr: Wir wissen nicht, ob der Damm hält. Dann geht das
große Räumen los.
Rosmarie packt die Ware aus dem Hofladen in Kisten und
trägt alles in die Wohnung im Obergeschoss. Sie bereitet
die Autos vor, damit sie sofort losfahren können. Ihr Mann
sichert draußen Hab und Gut. Die letzte Arbeit: Er fährt
seine drei Schlepper auf den erhöhten Carport. „An die
Kleingeräte wie Rasenmäher und Einachsschlepper habe ich
nicht mehr gedacht“, sagt er heute. Um 11 Uhr kommt die
Bergwacht und sagt: Raus! Das Wasser kommt! Mit gepackten Koffern fahren die Haushofers los zu Rosmaries Eltern
ins nahe gelegene Schöllnach. Am Abend trifft Hans einen
Mitarbeiter seines Stromanbieters. Der sagt ihm, dass er den
Strom gerade abgeschaltet hat. Da weiß Hans Haushofer:
Die Pumpe läuft nicht mehr. Der Keller ist voll.
Ernte von 3000 Quadratmetern kaputt
Die Haushofers bestellen sich Gummistiefel, in der Gegend
sind sie ausverkauft, und am Freitag waten sie zum ersten
Mal zu ihrem Haus. Alles schwimmt. Das Wasser ihm Keller
reicht Hans bis zur Nasenspitze und in den 1000 Quadratmetern Gewächshäusern steht das Wasser einen Meter hoch.
Die Gurken, Tomaten und Paprikaschoten hängen verfault
an den Stauden. Der Roggen, die Ackerbohnen, die Kar-
Nur noch schwach sichtbare Ränder an den Gewächshauswänden zeugen heute von der Überschwemmung vor knapp drei Jahren.
toffeln und Freilandgemüse von 2000 Quadratmetern: alles
kaputt. Überall schillert Öl. „Man darf nicht nachdenken,
sonst wird man verrückt“, sagt Rosmarie im Nachhinein,
„die Arbeit hat uns aufgerichtet.“ Arbeit gibt es viel, aber
es kommen auch viele Helfer. Junge Menschen, die einfach
da sind und denen nichts zu dreckig ist. Verwandte, die die
abgestorbenen Pflanzen ausreißen und die ölverseuchten
Matten entsorgen. Arbeitskollegen, die Maschinen trocknen und reparieren. Und Kunden, die den Keller und den
Laden putzen.
„Das Wetter schlägt zunehmend Kapriolen“
Abgesehen von der veränderten Tier- und Pflanzenwelt und
den leichten Rändern auf den Gewächshäuserwänden, die
noch den Wasserstand markieren, ist heute nicht mehr viel
von der Flut zu sehen. Die Haushofers erhielten ausreichend
finanzielle Hilfen. Die Maschinen wie Kreissäge oder Wasserpumpe laufen nach der Trocknung der Motoren wieder.
In der Gärtnerei und auf dem Acker wird bald neu gepflanzt
und gesät. Und an der Donau wird gerade der Hochwasserschutz verstärkt. Der Damm wird höher und breiter, da-
für mussten die Haushofers Grund abgeben und erhielten
Ersatzfläche. Weil bei den Nachbarn Öl ausgelaufen war,
hatten die Haushofers Bedenken, ob sie weiter biologische
Lebensmittel erzeugen können. Bodenuntersuchungen,
die noch im Herbst 2013 Belastungen anzeigten, brachten
schon im Frühjahr Werte unter der Nachweisgrenze hervor.
Die Bakterien hatten das Heizöl im Boden abgebaut.
Und was ist mit der Angst vor einer neuen Flut? „Wir
glauben nicht, dass es noch mal so schlimm wird. Durch
den neuen Hochwasserschutz sind wir in Zukunft besser
geschützt“, sagt Rosmarie. Und doch haben sie in den vergangenen Jahren gemerkt: Die kleineren Hochwasser sind
mehr geworden. Das Wetter schlägt zunehmend Kapriolen.
Langer Regen und lange Trockenperioden gehören dazu.
Ihre Versicherung haben die Haushofers aufgestockt. Sie
greift nur bei Überschwemmungen, für den Anstieg von
Grundwasser gibt es keine Versicherung. Und auch wenn
die Angst unter den Einheimischen noch immer nicht allzu
groß ist – eines hat sich geändert. Jeden Sonntag nach der
Kirche geht Hans Haushofer an die Donau und schaut nach,
wie hoch sie steht.
TITEL ––– Klima und ökologischer Landbau
Mehr Humus in
unsere Böden!
Der ökologische Landbau geht hoffnungsvolle Wege
für den Schutz des Weltklimas.
Von Gerhard Falter
-24-
Der Hunger des Menschen nach Energie, vor allem aber
die Gier nach Profit hat zur Vernichtung von Urwäldern,
Mooren und fruchtbarem Ackerland sowie vielen negativen Folgen für die Natur und den Menschen geführt. Eine
dieser Folgen zeigt sich in der Veränderung unseres Klimas.
Diese hängt möglicherweise auch mit Veränderungen im
CO2-Kreislauf unserer Erde zusammen. Neben dem Wasser, dem Sauerstoff und dem Stickstoff ist Kohlenstoff einer
der wichtigsten Bausteine des Lebens. Er kommt in zwei
unterschiedlichen Formen vor: zum einen als oxidierter, anorganischer Kohlenstoff und zum anderen als organischer
Kohlenstoff. Durch ein „biologisches Wunder“, nämlich
durch die Fotosynthese der Pflanzen, wird anorganischer
Kohlenstoff (Kohlendioxid) in organischen Kohlenstoff (Zucker) umgewandelt. Über die Fotosynthese und die Atmung
steht das Kohlendioxid in der Luft mit dem organischen
Kohlenstoff im Lebewesen in Verbindung. Ähnliches gilt
für den Kohlenstoff in unseren Böden. Dieser Kohlenstoff
besteht zum größten Teil aus Pflanzenwurzeln beziehungsweise Pflanzenmaterial und Kleinstlebewesen im Boden, die
sich in ständigen Abbau-, Umbau- und Aufbauprozessen
miteinander befinden.
Wiesen binden mehr Kohlenstoff als Äcker
Der Kohlenstoffgehalt kann je nach Boden, Klima, Bewuchs
und Bewirtschaftung sehr unterschiedlich sein. So weisen
in der Regel Wiesen einen höheren Gehalt an Kohlenstoff
als Ackerböden auf. Unsere Ackerböden haben heute noch
im Durchschnitt Kohlenstoffgehalte von 1 bis 2 Prozent,
Wiesen dagegen im Durchschnitt circa 6 bis 7 Prozent.
Bio-Äcker liegen dabei in der Regel etwas über den konventionellen Äckern. Unsere Dauerwiesen haben also mehr
Kohlenstoff gebunden als unsere Äcker. Wenn wir in relativ
80 Regenwürmer leben in einem Quadratmeter lebendigen Bodens mit 30 Zentimeter Tiefe.
Bild: PortalJardin; pixabay
kurzer Zeit zu einer CO2-Reduktion in unserer Atmosphäre
beitragen wollen, müssen wir wieder mehr Wiesen einsäen.
Dies würde nicht nur den CO2-Gehalt reduzieren, sondern
gleichzeitig den Humusanteil in unseren Böden vermehren. Leider wird nicht in ausreichendem Umfang erkannt,
dass unsere Ackerböden in den letzten Jahrzehnten einen
erheblichen Kohlenstoff-, sprich Humusverlust erlitten haben. Diese Problematik zeigt sich nicht nur an den relativ
niedrigen Humusgehalten, sondern auch in der Zunahme
der Nitrat- und Spritzmittelrückstände in unseren Bächen,
Flüssen und Seen und in unserem Grundwasser − sowie in
der gesamten Nahrungskette.
Mehr C02 im Boden bedeutet mehr Fruchtbarkeit
Der Humusgehalt steht in engem Zusammenhang mit dem
Kohlenstoffanteil in unseren Böden. Aktuell haben unsere
Land-Ökosysteme rund 2000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff
gespeichert. Circa drei Viertel davon (1500 Mrd. t C) sind
im Boden und etwa ein Viertel davon (500 Mrd. t C) sind in
der Vegetation gespeichert. Wenn wir den Kohlenstoffgehalt
unserer Böden um nur 0,1 Prozent steigern würden, so könnte das mehrere Milliarden Tonnen CO2 aus unserer Atmosphäre speichern und somit zu einer weltweiten Reduzierung
beitragen. Stellen wir uns vor, wir könnten den Kohlenstoffanteil unserer Böden gar um ein oder zwei Prozentpunkte
erhöhen. Das wäre nicht nur gut für unsere Atmosphäre.
Eine Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes unserer Böden steht
nämlich in direktem Zusammenhang mit der Erhöhung des
Humusgehaltes und damit der Fruchtbarkeit unserer Böden!
Je höher der Humusgehalt, desto mehr Leben ist in unseren
Böden. Je fruchtbarer ein Boden ist, desto ökologisch wertvoller ist er und desto höher ist seine Artenvielfalt. In einem
Quadratmeter lebendigen Bodens mit 30 Zentimeter Tiefe
leben durchschnittlich eine Milliarde Pilze, eine Million
Fadenwürmer, 100 000 Milben, 50 000 Springschwänze,
20 000 Borstenwürmer, 150 Doppelfüßer, 80 Regenwürmer,
100 Käfer und Larven sowie jeweils 50 Hundertfüßer, Asseln, Schnecken und Spinnen. Hinzu kommen noch einmal
eine Millionen Algen und eine Billion Bakterien! Je höher
der Humusgehalt und der Tongehalt, desto höher ist auch
seine Nährstoffdynamik und seine natürliche Ertragsfähigkeit!
Maßnahmen für mehr Humus
Im Humus unserer Böden ist etwa doppelt so viel Kohlenstoff enthalten wie CO2 in unserer Atmosphäre! Der
Humusgehalt unserer Böden spielt also eine wichtige Rolle als Kohlenstoffspeicher und damit letztlich auch für das
Klima unserer Erde. Die Frage ist: Wie können wir den
Humusgehalt unserer Böden wieder steigern und gleichzeitig den Einsatz an nicht regenerativer Energie reduzieren?
Der biologische Landbau geht hier hoffnungsvolle und erfolgversprechende Wege: zum einen durch den Verzicht auf
mineralische Stickstoffdünger und chemisch-synthetische
Spritzmittel (weniger Energieeinsatz und Giftstoffe) und
zum anderen durch die Förderung der natürlichen Kreisläufe
im Ackerbau und in der Viehhaltung. Je mehr es gelingt,
folgende Maßnahmen in die Tat umzusetzen, desto mehr
CO2 kann in unseren Böden gebunden werden und desto
schneller kann der Humusgehalt wieder gesteigert werden:
Möglichst wenig Bodenbearbeitung: Je weniger der Boden
bearbeitet wird, desto geringer ist der Humusabbau.
Dauerbegrünung: Am besten ist es, den Boden möglichst
immer mit Pflanzen bewachsen zu lassen (System „immer-
grün“). Das Bodenleben sollte auch im Winter ernährt werden. Der Einsatz von Leguminosen ist für diesen Zweck
besonders günstig, da dabei gleichzeitig Stickstoff gebunden
und Humus aufgebaut werden kann.
-25-
Geeignete Fruchtfolge: Der einseitige Anbau von Humuszehrern wie Mais, Weizen oder Zuckerrüben muss vermieden werden. Der Anbau von Leguminosen oder der Wechsel
von Ackerland und Kleegras/Grünland sollte wieder mehr
im Vordergrund stehen.
Mischkulturen forcieren: Zu empfehlen ist der Anbau von
Mischkulturen, zum Beispiel Hafer mit Erbsen, Mais mit
Ackerbohnen oder Getreide mit Kleeuntersaaten.
Düngung mit Kompost: Guter Kompost ist ein perfekter
Humusdünger. Dünger mit hohem, schnell verfügbarem
Stickstoffanteil sollten vermieden beziehungsweise aufbereitet werden.
Humusabbau stoppen: Zu vermeiden sind unter anderem
der einseitige Anbau von Humuszehrern, falsche Bodenbearbeitung, falscher Zeitpunkt, Bodenleben schädigende
Düngemittel und Spritzmittel, intensiver Ackerbau auf stark
erosionsgefährdeten Flächen.
Unser Ziel muss es sein, den Energieverbrauch zu reduzieren, Emissionen zu vermeiden und den Humusgehalt zu
erhöhen. Denn: Je mehr wir dies schaffen, desto bessere und
gesündere Früchte werden wir in Zukunft haben und desto
weniger wird unsere Umwelt geschädigt.
Der Autor
Gerhard Falter
ist Biokreis-Berater
und spezialisiert
auf Boden und
Ackerbau.
TITEL ––– Versicherungsschutz im Klimawandel
Sicherheit für unsichere Zeiten?
-26-
Herr Liebl, belegen Ihre Zahlen,
dass Schäden durch Extremwetter in den letzten Jahren
zugenommen haben?
Laut aktuellem Weltklimabericht
werden Extremwetterlagen in Zukunft deutlich zunehmen. Die Landwirtschaft wird davon am stärksten
betroffen sein. Denn 80 Prozent des
Ernteertrags hängen vom Wetter ab.
Festgehalten wurden in der Ernteversicherung in der Vergangenheit
von uns nur Hagel- und Sturmschäden, die Schäden an Feldfrüchten
verursachen und uns von unseren
Versicherten auch gemeldet wurden.
Erst seit 2015 werden auch andere
Elementargefahren erfasst. Etwa 52
Schadentage gibt es durchschnittlich
pro Jahr. Dieser Wert ist relativ stabil,
allerdings mit steigender Tendenz:
Die Intensität der Extremwetter steigt
an und die Intervalle werden kürzer.
Beispiele für solche Ereignisse sind
die Tornados von Affing und Freystadt im Jahr 2015 oder die Hochwasserkatastrophe im Jahr 2013. Im
Jahr 2015 gab es in Bayern zudem
eine ausgeprägte Trockenheit.
Gegen welche Schäden, die durch
Extremwetter ausgelöst werden,
kann sich ein Landwirt versichern?
Ein Landwirt kann seine Ernte
gegen Hagelschäden, Sturmschäden,
Schäden durch Starkregen, Frost
und Auswinterung oder Trockenheit absichern. Seit Juli 2015 bieten
wir ein modulares Produkt an, mit
welchen sich Ernteausfälle absichern
lassen. Damit kann der Landwirt
den Versicherungsschutz individuell
und optimal an seinen Betrieb, die
regionalen Gegebenheiten und seine
Bedürfnisse anpassen. Für Gebäude bieten wir Landwirten einen
Versicherungsschutz für Schäden,
die durch Sturm, Hagel und Überschwemmung entstanden sind.
Wie gefragt sind
solche Versicherungen?
Eine Befragung der Versicherungskammer Bayern ergab, dass 98
Prozent der Landwirte die Ernte
gegen Hagel absichern würden. Rund
40 Prozent der bayerischen Landwirte wollen ihre Ernte auch gegen
Trockenheit und Sturm absichern,
rund 30 Prozent gegen Starkregen.
Besonders wichtig ist den Befragten
dabei, dass Schäden an Getreide,
Mais und Raps versichert sind. Nach
Extremwettern ist zu beobachten,
dass die Nachfrage nach Absicherung
spürbar ansteigt. Dies trifft auch für
die Elementarschadenversicherung
zu. In Affing war nur etwa ein Drittel
der Gebäude gegen den Tornado
versichert – anschließend ist die
Nachfrage nach Versicherungsschutz
gestiegen.
Was bedeutet der Klimawandel
für eine Versicherung?
Welche Schäden waren in den letzten Jahren am häufigsten?
Man geht deutschlandweit von
Ertragsausfällen durch Extremwetter
in Höhe von rund 500 Millionen
Euro pro Jahr aus. Rund die Hälfte
wird auf Trockenheit und Dürre
zurückgeführt, ein Fünftel auf Hagel
und ebenfalls ein Fünftel auf Sturm,
Starkregen und Überschwemmung.
Werden die Schäden
noch mehr werden?
Man kann davon ausgehen, dass
der Klimawandel voranschreitet und
die Trockenperioden, aber auch die
Starkregenereignisse zunehmen
werden. Auch mit einem Anstieg
von lokalen Unwettern mit schweren
Hagelereignissen und heftigen
Gewittern ist zu rechnen.
Beim Klimawandel können wir
nicht auf langjährige Erfahrungswerte zurückgreifen. Deshalb sind
die Rahmenbedingungen für den
Versicherungsschutz schwer festlegbar. Dennoch wollen wir unseren
Kunden eine Absicherung bieten.
Zudem begreifen wir es auch als
unsere Aufgabe, die Menschen für
den Klimawandel zu sensibilisieren.
Kooperationen mit der Wissenschaft
helfen dabei, Daten zu gewinnen.
Darauf basierend können wir unsere
Produkte anpassen, flexibel gestalten
und beispielsweise eine verfeinerte
Zonierung zur risikogerechten Prämiengestaltung anbieten.
Besteht die Gefahr, dass bei zu
hohem Schadenspotenzial eine Versicherbarkeit der Schäden generell
in Frage gestellt wird?
Nein. Unsere grundsätzliche Aufgabe
ist es, unseren Kunden Versicherungsschutz anzubieten. Deshalb
haben wir die Risiken dauerhaft im
Blick. In jedem Fall können Lösungen gefunden werden. Eine davon
kann die Vereinbarung eines Selbstbehaltes sein, wenn die Prämie zu
hoch erscheint.
Bild: BrinWeins; pixabay
Über die globale Erwärmung
gibt es heute unter den Wissenschaftlern einen breiten Konsens.
Massiv betroffen von zunehmendem Extremwetter sind die
Versicherungsanstalten. Zahlen,
Risiken, Vorhersagen und damit
Kalkulierbarkeit sind für sie von
großer Bedeutung. Stefan Liebl,
Unternehmenssprecher von der
Versicherungskammer Bayern,
über Absicherung für Landwirte
in Zeiten des Klimawandels.
Von Ronja Zöls
TITEL ––– Reisanbau
Jenseits von Europa:
Reisanbau im Klimawandel
Forscher der Universität Hohenheim sieht Reisanbau
bedroht. Doch der Treibhausgas-Ausstoß der Reisfelder ist
nur begrenzt zu verringern.
Reisanbau trägt zum Klimawandel bei – der Methanausstoß der überfluteten Felder steht seit einigen Jahren im Blickpunkt der Medien. „Doch darüber darf
man nicht vergessen, dass die Reisbauern in erster
Linie Opfer des Klimawandels sind“, betont Prof.
Dr. Folkard Asch, Agrar-Experte für Tropen und Subtropen an der Universität Hohenheim. Vor allem der
Anstieg des Meeresspiegels sei ein massives Problem,
warnt er. „In den küstennahen Regionen kann Salzwasser in die Felder eindringen. Die Reispflanzen stehen dann massiv unter Salzstress – Ernteeinbußen bis
hin zu nicht mehr nutzbaren Feldern sind die Folge.“
Die zunehmende Trockenheit in anderen Regionen
bewirke zudem einen höheren Bewässerungsbedarf.
„Die Bauern in den flussaufwärts gelegenen Gebieten
entnehmen mehr Wasser, wodurch der Wasserspiegel
im Fluss sinkt und im Bereich des Flussdeltas nicht
mehr ausreicht“, erklärt der Experte. „Beim Mekong
zum Beispiel ist das bereits heute ein Problem. Wir
brauchen daher mehr wassersparende Anbaumethoden, beispielsweise mit saisonaler Trockenlegung der
Felder.“
Keine Kompensation durch
Anbau in höheren Lagen
Andernorts kann die Erderwärmung den Reisanbau
jedoch auch begünstigen: „In Gebieten über 1800
Metern kann man mittlerweile auch Reis anbauen,
das wurde bisher nur in wenigen Regionen der Welt
praktiziert.“ Viele Länder mit Höhenlagen in Afrika
und Amerika wie Madagaskar, Ruanda, Peru oder
Bolivien könnten dies nutzen. „Dabei ist es allerdings notwendig, Reissorten, Bestandsführung und
Wasserführung anzupassen.“ Wer jedoch glaubt, dass
dies einen Ausgleich schaffe und so die Versorgung
mit dem Grundnahrungsmittel Reis auch in Zukunft
gewährleistet sei, der irrt. „Die neuen Anbauflächen
werden bei weitem nicht die Ernteausfälle in anderen
Regionen kompensieren können“, meint Prof. Dr.
Folkard Asch. „Doch vor allem ist das ein räumliches Problem. Für die Versorgung der Bevölkerung
Bild: Skitterphoto; pixabay
Quelle: Universität Hohenheim; Text: Elsner/Klebs
Verpackungsmaterial, Verkaufshilfen
und Werbemittel für Biokreismitglieder
jeweils vor Ort sind auch in Zukunft lokale Lösungen
nötig.“
Problem:
Treibhausgas Methan aus dem Reisfeld
Natürlich könnten auch die Reisbauern selbst dazu
beitragen, den Klimawandel abzubremsen, doch deren Möglichkeiten hält Prof. Dr. Asch für vergleichsweise begrenzt. Tatsache ist, dass bis zu 25 Prozent
der weltweiten Methan-Produktion auf den Nassreisanbau zurückzuführen sind. Durch die Überflutung
wird im Boden ein sauerstofffreies Milieu geschaffen,
das Methan-erzeugende Bakterien begünstigt – und
Methan ist als Treibhausgas rund 21 Mal wirksamer
als Kohlendioxid.
Doch in vielen Regionen der Erde, die dauerhaft
überflutet sind, gibt es zum aquatisch wachsenden
Reis als Grundnahrungsmittel keinerlei Anbaualternative. „Große Flächen in Asien und Afrika sind für
nichts anderes außer Reis geeignet. Sie würden im
Übrigen – wie Moore oder Marschen – auch ohne
Reisanbau Methan ausstoßen, wenn auch in geringeren Mengen“, gibt Folkard Asch zu bedenken.
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Trockenphasen gegen Methan
Etwas anders verhält es sich bei Anbausystemen, die
nur saisonal überflutet sind. „Hier kann man leichter Trockenphasen einbauen, den Belüftungszustand
des Bodens verändern und auf diese Weise die Methanbildung begrenzen“, erklärt der Experte. An der
Verbreitung solcher Methoden arbeite man längst.
Eine Einschränkung der Produktion aus Klimaschutzgründen sei jedoch kaum denkbar, so Folkard
Asch. Es gebe sogar innerhalb der Landwirtschaft
Stellschrauben, an denen man leichter drehen könne:
Schließlich zeichne nicht nur der Reisanbau, sondern auch die expandierende Rinderhaltung für den
landwirtschaftlichen Methanausstoß verantwortlich.
„Doch Reis stellt für Milliarden von Menschen ein
Grundnahrungsmittel dar – was man von der Kuh
nicht behaupten kann.“
25
E38
14
H26
BIOWELT ––– Das Tischgespräch
„Wir tun uns selbst
etwas Gutes!“
Wer kocht bei Ihnen?
Claudia Schlenger-Meilhamer und Hanns Meilhamer stehen seit 1982 als
Herbert und Schnipsi gemeinsam auf der Bühne. Privat leben die beiden in
der Nähe von Simbach am Inn (Landkreis Rottal-Inn), kaufen regional ein
und ernähren sich bewusst ökologisch. Ein Gespräch über Dosen-Ravioli,
Sellerie-Braten und Ernährung als Politikum.
Von Ronja Zöls
Hat sich Ihre Ernährung im
Laufe Ihres Lebens verändert?
Was ist bei Ihnen
immer im Kühlschrank?
-30-
Was haben Sie denn heute zu
Mittag gegessen?
Claudia Schlenger-M.: Fisch vom
Bioladen, Püree aus Bio-Kartoffeln
und Salat. Salat essen wir immer zu
allem dazu.
Gibt es etwas, was Sie
niemals essen würden?
Claudia Schlenger-M.: Tiere aus
Massentierhaltung sind mir ein
Greul. Da wir aber viel unterwegs
sind, müssen wir oft in Restaurants
essen. Auch da achten wir darauf,
dass wir Fleisch aus Massentierhaltung vermeiden und haben uns entsprechende Stammlokale angewöhnt.
Hanns Meilhamer: Butter, Milch,
Käse, Joghurt, Marmelade und Senf.
Außerhalb vom Kühlschrank hängen
meistens luftgetrockneter Schinken
und Salami. Und wir haben einen
kühlen Keller, in dem wir die frischen
Sachen wie Gemüse, Kartoffeln, Obst
und Äpfel lagern.
Wo kaufen Sie ein?
Claudia Schlenger-M.: Wenn wir
unterwegs sind, schaue ich mich
immer gleich nach dem nächsten
Bioladen um. Daheim kaufen wir vor
allem im Bioladen, aber auch auf den
Märkten in Simbach und Braunau.
Wir können dort mit unserem Einkauf die heimischen Bauern und die
heimische Wirtschaft unterstützen –
und tun uns dabei selbst etwas Gutes.
Claudia Schlenger-M.: Ja. In meiner
Kindheit gab es den Begriff Bio
nicht, aber meine Eltern haben bei
der Ernährung schon auf eine gewisse
Qualität geachtet. Packerlsuppen gab
es bei uns nicht. Als ich von daheim
ausgezogen bin, habe ich nicht besonders auf die Ernährung geachtet.
Ich hab gegessen, was schnell herging.
Richtig bewusst ernährt habe ich
mich erst, als wir unseren Sohn
bekommen haben.
Hanns Meilhamer: Ich stamme
nicht aus einem Haushalt, wo
bewusst gegessen wurde. Ravioli aus
der Dose war bei uns eine Delikatesse. Aber meine Mutter hat ein Buch
über die Schädlichkeit von Zucker
gelesen. Daher habe ich mir Zucker
in Getränken und Kaffee schon
in der Jugend abgewöhnt. In der
Studienzeit habe ich mich schlecht
ernährt und auch oft Magenprobleme
gehabt. Ich musste viel dazulernen.
Das Bewusstsein für Ernährung kam
schon vor dem Kind, aber als unser
Sohn auf der Welt war, haben wir
mehr selber zubereitet und eine Regelmäßigkeit beim Essen eingeführt.
Außerdem entdeckten wir damals
Rohkost. Heute legen wir vor allem
Wert auf frische Lebensmittel. Ich
mag es nicht, wenn etwas eingepackt
da liegt. Ich mag sehen, wie etwas
aussieht, welche Farbe es hat und so
weiter.
Claudia Schlenger-M.: Die Hälfte
der Zeit sind wir daheim und kochen
abwechselnd selbst. Bei uns muss es
schnell gehen. Reis und gedünstetes
Gemüse, dazu Fisch oder Schnitzel,
was man kurz in der Pfanne braten
kann. Kuchen oder Braten machen
wir sehr selten.
Hanns Meilhamer: Ich mache auch
gerne verlorene Eier in Essigwasser.
Wir sind keine Gourmet-Köche, aber
uns schmeckt´s!
Claudia Schlenger-M.: … und
unseren Gästen auch! Das musst
du schon dazusagen, sonst entsteht
hier ein falscher Eindruck (lacht).
Spaghetti gibt es immer wieder, viel
Gemüse und Salat und auch Quinoa
und Hirse. Ich wechsle gerne mal die
Getreidesorten.
Wann haben Sie zuletzt
etwas Neues probiert?
Claudia Schlenger-M.: Ich habe
kürzlich ein neues Rezept aus der
„Zeit“ ausprobiert. Da müssen Sie
einen großen Sellerie abbürsten und
einölen und dann gesalzen bei hoher
Temperatur in den Backofen schieben. Dort bleibt er drei Stunden und
kommt danach raus wie ein Braten.
Und er duftet und ist innen weich
und außen ganz knusprig! Dazu kann
man Sauerrahm und Salat und Kartoffeln essen. Eine Rote-Beete-Suppe
habe ich auch vor Kurzem gekocht.
Püriert und am Schluss mit einem
Schuss Sahne sieht das toll aus!
Das Auge isst also bei Ihnen mit...
Claudia Schlenger-M.: Ja. Wir benutzen auch oft eine Tajine. Kennen
Sie das? Das ist ein Keramik-Kochgeschirr, in das man in Kreisform zum
Beispiel Gemüse schichtet. Das sieht
wunderschön aus.
Hanns Meilhamer: Wir haben eine
glasierte Tajine, die ist einfacher
sauberzumachen.
Bild: Martina Bogdahn
Haben Sie irgendeinen
Bezug zur Landwirtschaft?
Hanns Meilhamer: Bis ich sieben
oder acht Jahre alt war, betrieben
meine Eltern einen Nebenerwerbshof
in Pocking (Anm. d. Red.: Landkreis
Passau). Aber dann gaben sie auf, und
ich habe nicht viel Erinnerung daran.
Danach hatten wir immer einen
Garten. Heute wohnen wir in einer
ländlichen Gegend am Waldrand.
Wir ernten nur Gartenkräuter, Äpfel
und Weintrauben.
Na, immerhin!
Hanns Meilhamer: Ja, ich freue
mich über jedes Stück, das ich ins
Haus hole.
Und Sie,
Frau Schlenger-Meilhamer?
Claudia Schlenger-M.: Ich bin in
Bad Tölz aufgewachsen und mein
Vater war Beamter. Aber komischerweise hat er immer die Nähe zu
Bauern gesucht. In den Ferien sind
wir auf eine Alm gefahren zu einer
Bäuerin. Wir haben dort Äpfel und
Rohrnudeln bekommen. Für mich
war das als Kind immer ein großartiges Erlebnis.
Denken Sie, dass
Ernährung Privatsache ist?
Claudia Schlenger-M.: Nein. Es ist
eigentlich eine politische Sache, wenn
Tiere herumgekarrt, dann geschlachtet und wieder herumgekarrt werden.
Wenn ein Schnitzel billigst angeboten
wird, muss jedem klar sein, dass da
was nicht stimmen kann.
Hanns Meilhamer: Die tägliche
Entscheidung, was man kauft und
isst, ist natürlich Privatsache. Aber
ich sehe es als öffentliche Aufgabe,
schon bei Kindern und Jugendlichen
ein Bewusstsein dafür zu schaffen,
was gut und was nicht gut ist. Und
der Gesetzgeber muss wach sein und
Grenzen setzen, was Massentierhaltung betrifft.
Claudia Schlenger-M.: Vieles
kommt von Unwissenheit. Die Schulen müssten mehr informieren – und
zwar ohne erhobenen Zeigefinger.
Wenn die Nachfrage nach Billigprodukten nicht mehr da wäre, würde es
auch kein Angebot geben. Ich weiß
natürlich, dass Geld dabei eine Rolle
spielt, aber meiner Erfahrung nach
bekomme ich Qualität auch zu einem
anständigen Preis.
-31-
BIOWELT ––– Reise
„Babaçu livre“ –
Eine Nuss für die Freiheit
Panoramabild:
Marcelo Cava, flickr
Im Nordosten Brasiliens im Bundesstaat Maranhão
existiert eine vitale Landlosenbewegung, die sich
ihre Lebensgrundlage zurück erkämpft hat.
Von Dorothee Ahlers
-32-
Rote Sandpisten, wilde Esel, Staub, Kleinbusse, überladen
mit Menschen, Tieren, Gepäck, Lebensmitteln, zerrupfte
Hühner und Hunde, Motorrad-Taxis, die sich zwischen
Schlaglöchern durchschlängeln, Häuser aus Lehm, Trockenheit, gleißende Sonne und Palmen, Palmen, Palmen. Fährt
man als europäische Besucherin von der Landeshauptstadt
São Luís an der Küste im Nordosten Brasiliens ins Landesinnere versinkt die vertraute Welt mit jedem zurückgelegten
Kilometer in einer Wolke aus fremden Sinneswahrnehmungen. Das „Landesinnere“ heißt auf Brasilianisch „interior“.
Doch der Begriff ist mehr als nur eine geographische Bezeichnung: In einem Land in dem sich beinahe alle großen
Städte an der Küste befinden, ist „interior“ ein Zustand: Er
meint das Abgelegene, Ländliche, Bäuerliche.
Im Interior des Interior des Interior etwa 300 km von der
Küste entfernt befindet sich die Gemeinde Lago do Junco.
Die kleinen, bäuerlichen Flecken der Gemeinde sind geprägt durch ihre Lage in der Öko-Region der tropischen
Babaçu-Wälder – eine Übergangszone zwischen Wald und
Savanne. Der Zugang zu der namensgebenden Palme ist
zentral für die Unabhängigkeit der bäuerlichen Bevölkerung. Die Gemeinde ist Schauplatz einer beeindruckenden
Selbstermächtigung landloser Bauern, die sich ihr Recht
auf freien Zugang zum Land und den Babaçu-Palmen erkämpft und in verschiedenen lokalen Zusammenschlüssen
organisiert haben. Ich habe sechs Monate in einer von zwei
Escola Família Agrícola (EFA – Familienlandwirtschaftsschule) der Gemeinde verbracht. Nach und nach erschloss
sich mir die Bedeutung dieser Schulen für die Gemeinde
und die soziale Kraft, die die Landlosenbewegung in Lago
do Junco entfaltet hat. Die EFAs als Teil der brasilianischen
Babaçu Bilder:
carlossilva1982, flickr
Landlosenbewegung MST (Movimento dos sem terra) sollen
die landwirtschaftliche Ausbildung von Kindern zumeist
landloser Kleinbauern sichern. Die MST ist international
in La Via Campesina organisiert und setzt sich in diesem
Zusammenschluss für umweltfreundliche, bäuerliche Landwirtschaft, Landreform und Ernährungssouveränität ein.
Eine Schule für die Landlosenbewegung
Die EFA Antonio Fontenele befindet sich in Alleinlage inmitten von Hügeln und Feldern, eine Stunde Fußmarsch
durch die Reisfelder von dem zu Lago do Junco gehörenden
Dorf São Manoel entfernt. Die Schule, das sind einige um
einen Innenhof gruppierte Räume: Zwei Klassenzimmer,
ein Lehrerzimmer, ein Schlafsaal für die Jungen, einer für
die Mädchen mit Haken zum Aufhängen der Hängematten,
zwei Schlafzimmer für die acht Lehrkräfte, Küche, offener
Essraum, umgeben von schuleigenen Feldern, Fischteichen, ein kleiner Ziegenstall. Die Nacht fällt Schlag sechs
wie ein Vorhang vom Himmel, danach hört man nur noch
das Schreien der Esel und das Zirren zahlloser Insekten.
Strom gibt es nur, wenn die Leitung gerade funktioniert,
dann schaut die ganze Schule abends gemeinsam Telenovelas. Zum Frühstück Couscous mit Kaffee, zum Mittagessen das brasilianische Nationalgericht Feijoada (Reis mit
Bohnen), manchmal mit kleinen frittierten Fischen aus den
schuleigenen Teichen, zum Abendessen Couscous. Staatliche
finanzielle Unterstützung bekommt die Schule nicht, die
EFA ist eine Privatschule, die sich durch die Beiträge der
Schüler tragen sollte. Diese können von den Familien auch
in Naturalien gezahlt werden, doch auch das ist nicht von
allen leistbar. Der Motor der Schule sind die engagierten
Lehrer, die alle selbst aus der Gemeinde stammen und in
der Landlosenbewegung aktiv sind.
Ein wichtiges Prinzip der EFA ist die Einbindung der Heimatgemeinden der Schüler: In São Manoel lernen 80 Schüler zwischen zehn und 18 Jahren. Die EFA schließen sie
mit einem regulären Schulabschluss ab, neben den üblichen
Fächern erhalten sie Unterricht in ökologischer Landwirtschaft in Theorie und Praxis. Sie erwerben Fähigkeiten, die
ihre Eltern sich nicht aneignen konnten – diese gehören zu
der Generation, die in gewaltvolle Auseinandersetzungen
mit Großgrundbesitzern verwickelt waren. Vor allem unter
den Militärregierungen ab 1964 kam es zu massenhafter
illegaler Aneignung von Landbesitz. In blutigen Kämpfen
zwischen Großgrundbesitzern und Kleinbauern und bei
Vertreibungen kamen viele Menschen um oder gerieten in
die Abhängigkeit der Landherren. Die Folge war und ist die
massenhafte Flucht in die Großstädte und ein Anwachsen
der dortigen Armutsviertel. Gegen diese Landflucht wollen die EFAs die Ausbildung der Kinder setzen. So werden
die Schüler zu Multiplikatoren in ihren Gemeinden: Zwei
Wochen leben sie in der Schule, zwei Wochen bei ihren
Familien, um diese in der familiären Landwirtschaft zu unterstützen und das Gelernte weiterzugeben.
Babaçu – die freie Nuss
Freier Zugang zu Land – damit ist in Maranhão vor allem
der Zugang zur Babaçu-Palme gemeint. Die Palme spielt
durch ihre vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten eine
wichtige Rolle für die Souveränität der Kleinbäuerinnen.
Aus dem Kern der Nuss wird Öl gewonnen, das zum Kochen verwendet oder zu Seife und anderen Pflegeprodukten
weiterverarbeitet wird. Gemahlen wird der Kern wie Mehl
verwendet. Die Schalen dienen in Form von Pflanzenkohle
als Brennstoff zum Kochen, die Stämme und Blätter der
Palmen zum Hausbau.
Die Palme wird in der Regel nicht in Plantagen angebaut,
sondern es werden natürliche Bestände genutzt. Diese unterliegen jedoch häufig der Kontrolle der Großgrundbesitzer.
Der freie Zugang zu diesen Beständen hat auch einen geschlechter-emanzipatorischen Aspekt, ist das Sammeln und
Brechen der Nüsse doch traditionell die Aufgabe der Frauen.
Stolz tragen sie den Namen „quebradeiras“ – „Brecherinnen“, nach dem Aufbrechen der Nuss zur Gewinnung des
Kerns. Die Kleinbäuerinnen der Gemeinde Lago do Junco
waren Vorreiterinnen in der Emanzipation der quebradeiras,
erstritten sie doch die gesetzliche Grundlage zur Verbesserung ihrer Situation: Das Gesetz „Lei do Babaçu Livre” garantiert seit 1997 den freien Zugang zu den Palmen. Seit
1989 sind sie in der AMTR - Associação das Mulheres Trabalhadoras Rurais de Lago do Junco e Lago dos Rodrigues
(Zusammenschluss der Landarbeiterinnen von Lago do Junco und Lago dos Rodrigues) organisiert und produzieren
und verkaufen Babaçu-Seife und -Körperöl sowie passende
Seifen-Dosen aus Recyclingpapier. Aus der Frauenbewegung
heraus entstand 1991 die Kooperative COPPALJ - Cooperativa dos Pequenos Produtores Agroextrativistas de Lago
do Junco (Kooperative der kleinen Agrarproduzenten von
Lago do Junco), die eine Vermarktungsperspektive für kleine
Produzenten von Babaçu-Öl schafft. Über eine Plattform
(http://www.centraldocerrado.org.br) bieten AMTR und
COPPALJ die inzwischen bio-zertifzierten Babaçu-Produkte
einem internationalen Markt an.
-33-
Die Autorin
Dorothee Ahlers
ist im Biokreis
für Veranstaltungen und
Öffentlichkeitsarbeit
zuständig.
BIOWELT ––– Bauernwelt
Der Doktor und
das liebe Rind
Tierarzt Alfred Sehr fährt seit 20 Jahren
täglich die Höfe des Bayerischen Waldes ab.
Wir haben ihn auf einer seiner Touren begleitet.
Von Ronja Zöls
-34-
-35Alfred Sehr ist ein Wintertyp, sagt er. Er trägt gefütterte
Gummistiefel, über dem Hemd zwei dicke ärmellose Winterwesten und eine Wollmütze auf dem Kopf. Wenn er in
einen Hof einfährt, hupt er zwei Mal. Dann steigt er aus,
öffnet seinen Kofferraum und wirft sich einen langen dunkelgrünen Mantel über. Er nimmt seine Arzttasche, zieht ein
paar Schubladen aus dem Inneren seines Kofferraums und
sortiert Medikamente in die Tasche ein. Eine Schere steckt
er in die Brusttasche, Plastikhandschuhe in die Innentasche.
Alfred Sehr hat Glück, dass er ein Wintertyp ist. Die neuen
Ställe sind tiergerechter gestaltet als die alten, viel frische
Luft kommt herein, besonders zu dieser Jahreszeit, Anfang
März. Die Kühe sind unempfindlich gegen die Kälte, die
Menschen frieren umso mehr. 90 Tiere stehen hier auf einem
konventionellen, sehr schönen Hof im Landkreis Passau, der
ersten Station auf der Tour von Land-Tierarzt Alfred Sehr.
Eine von ihnen ist krank, seit gestern hat die Kuh nichts
gefressen. Alfred Sehr ruft den Bauer per Handy an. „Die
neuen Ställe sind oft weit weg vom Haus. Da muss man
meistens telefonieren, damit jemand kommt“, erklärt der
52-jährige Veterinär.
Diagnose mit einfachsten Mitteln
Dass eine von seinen 90 Kühen nicht gefressen hat, hat der
Bauer sofort gemerkt. „Ein Blick durch den Stall, und ich
sehe, wenn eine nicht so ist, wie sie sein soll“, erzählt er.
Alfred Sehr weiß, dass der Landwirt seinen Betrieb gut im
Griff hat. Er kennt und sieht anderes. Es ist hell und sauber
im Stall. Manche Tiere liegen in ihren Boxen, andere stehen.
Auch die kranke Kuh steht. Sie ist trächtig und hatte heute
früh 37,7 Grad Körpertemperatur. Normal wären zwischen
38 und 39 Grad. „Sie ist kalt und hat kalte Ohren“, sagt
Alfred Sehr, während er sie zur Diagnose erst einmal anfasst.
Das schwierige dabei: „Meine Patienten erzählen mir nicht,
was ihnen fehlt. Ich muss es mit einfachsten Mitteln herausfinden. In einer Praxis für Menschen steht zum Beispiel
ein Ultraschallgerät zur Verfügung. So etwas habe ich nicht
dabei, wenn ich unterwegs bin.“ Der Landwirt selbst tippt
auf Verdauung. Meist kennen die Bauern ihre Tiere so gut,
dass sie auch ohne den Tierarzt ungefähr wissen, was mit
ihnen los ist. Alfred Sehr hört die Kuh ab. Dann zieht er
seinen Handschuh an und holt Kot heraus, den er sich in
seiner Hand genau ansieht. Er legt der Kuh eine Infusion
mit Glucose, damit sie schnell Energie bekommt. Der Sohn
des Landwirts hält die Flasche in die Luft, bis sie leer ist. Außerdem bekommt die Kuh ein verdauungsförderndes Mittel,
das den Bauch entspannt. Später soll der Bauer ihr noch
einmal ein pflanzliches Pansenstimulans verabreichen, das
er ihm da lässt. „Keine Wartezeit“, sagt er, und meint damit,
dass die Milch der Kuh genutzt werden darf, da das Medikament keinen Einfluss auf sie hat. Morgen will er wieder
kommen und nach der Kuh schauen. Routinemäßig sucht er
Der Tierarzt muss mit einfachsten Mitteln herausfinden, was seinen Patienten fehlt.
nach einem Wasserhahn und wäscht sich die Hände. Weiter
geht´s zum nächsten Krankenbesuch.
Vorzug für Einzeltierbehandlung
Wieder im Auto checkt Alfred Sehr erst einmal seine Mailbox. Ein Kollege hat angerufen und während der Fahrt zum
nächsten Hof hört er sich über die Freisprechanlage die Ergebnisse einer Spurenelemente-Analyse an. Auf den Weg
braucht er nicht zu achten. Die 30 Kilometer um Hutthurm
(Landkreis Passau) herum, wo er 1995 die Tierarzt-Praxis
übernommen hat, gehören zu seinem täglichen Arbeitsumfeld und er kennt sie gut. Zwischen zehn und 15 Adressen
fährt er täglich an. Vor allem Rinder gehören zu seinen Patienten. Hier im Bayerischen Wald mit seinem Hügel- und
Weideland liegt der Schwerpunkt der Landwirtschaft auf
Milchviehhaltung. Die Arbeit mit Rindern korrespondiert
mit Alfred Sehrs Interessen. Hier stehe die Einzeltierbehandlung noch mehr im Vordergrund als zum Beispiel bei
Geflügel oder Schweinen.
Nächster Halt: ein Hof in einem Dorf, dessen Name das
Wort „Katzen“ enthält und wie ein Titel für seine Kulis-
se wirkt. Um den Stall drücken sich etliche Vierpföter geschmeidig um die Stallwände. Ein Hund läuft herbei und
bellt laut. Unbeeindruckt steigt Alfred Sehr aus, geht zum
Kofferraum und zieht wieder den Mantel über, den er nach
dem letzten Besuch hinten verstaut hat. Er tritt in den Stall,
wo noch mehr Katzen herumsitzen. Die Fenster sind vom
Staub des Fertigkomposts, der hier als Einstreu verwendet
wird, bedeckt und lassen kaum Licht herein. Vom anderen
Ende des Stalls kommt der Bauer. Zusammen begutachten
sie eine festliegende Kuh. Sie ist ein paar Tage nach dem
Kalben hier zusammengebrochen, „vielleicht haben sie die
anderen umgerannt“, wie die Bäuerin argwöhnt, „sie hat
mehrmals versucht aufzustehen“. Alfred Sehr war gestern
schon hier. Er hört die Kuh ab, sie zittert ein wenig. Sie
hat den Kopf gesenkt und blickt müde auf den Schmutz
unter ihr. Der Schieber, der den Mist normalerweise automatisch wegräumt, konnte nicht hindurchfahren, weil
die Kuh seinen Weg blockiert. Um sie herum muhen die
anderen Artgenossen. Das festliegende Tier bekommt erst
einmal eine Infusion. Nach der Geburt wurde ihm durch das
Einsetzen der Milch zu viel Kalzium entzogen, das ihm nun
BIOWELT ––– Bauernwelt
Alfred Sehrs
Kofferraum fungiert als
Apotheke und Büro.
für die Muskelkontraktion fehlt. Deswegen kann es nicht
mehr aufstehen. Alfred Sehr entnimmt eine Blutprobe. Am
Abend wird er wieder nach ihr schauen.
Landwirte trauen sich selbst mehr zu
Bilder:
Zöls
-36-
Die Blutprobe bringt er schnell in die Praxis, damit sie untersucht werden kann. Dann setzt er seine Tour fort. Seine
Arbeit hat sich verändert über die Jahre. „Heute ist vieles
automatisiert. Die Tiere werden weniger angeschaut. Junge
Landwirte erhalten über den PC die Info, dass eine Kuh
brünstig ist. Früher hat man das aus dem Verhalten gelesen“,
erklärt Alfred Sehr. Die Betriebe sind weniger, dafür größer
und leistungsstärker geworden. Ab 50 Kühe aufwärts bis um
die 100 pro Betrieb sind hier im Bayerischen Wald üblich.
Vor 30 Jahren war es die Hälfte. Die Landwirte trauen sich
selbst mehr zu. Nachts muss er seltener raus als früher. Bei
einer Geburt braucht man heute nicht mehr so oft einen
Tierarzt.
Doch dafür wird er heute bei einer Besamung gebraucht.
Der Melker eines ökologischen Betriebs ist krank und drei
Kühe müssen besamt werden. Alle drei Wochen sind Kühe
für zwei bis drei Tage brünstig. Würde der Tierarzt nicht
einspringen, würde man drei Wochen verlieren. Die Zwischenkalbezeit sollte circa 365 Tage betragen, das heißt: pro
Jahr und Kuh ein Kalb. Als die drei richtigen Kühe gefunden
sind, stülpt sich der Tierarzt wieder den Plastikhandschuh
über, der bis zur Schulter reicht. Der Griff in die Rinder ist
für ihn Routine, aber trotzdem nicht ganz einfach. Er hat
Probleme mit dem linken Arm, der durch die jahrelange
tägliche Belastung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Auch
heute holt er mit dem Arm erst die Fäkalien aus der Kuh
und führt dann mit einer langen Kanüle die künstliche Befruchtung durch. Ein Helfer hält dabei den Schwanz der
Kuh hoch.
Öko-Betriebe brauchen ihn seltener
Als er fertig ist, wirft er die Handschuhe in einen Eimer,
sucht sich einen Wasserhahn und wäscht sich diesmal nicht
nur die Hände, sondern auch die Stiefel sorgfältig ab. Den
Mantel zieht er aus und gibt ihn beim Betrieb ab, wo er
gewaschen wird. Den Schreibkram erledigt er am Auto.
Sein Kofferraum fungiert nicht nur als Apotheke, sondern
auch als Büro. Hier hat er seine Unterlagen und füllt für
die Betriebe die notwendigen Dokumentationen über die
Medikamentengaben aus. Auch die Wartezeiten, bis Fleisch,
Milch oder Eier eines Tiers nach der Gabe von bestimmten
Medikamenten wieder genutzt werden dürfen, werden eingetragen. Bei Bio-Betrieben sind sie doppelt so lang wie bei
konventionellen. Alfred Sehr besucht seit 20 Jahren Homöopathie-Kurse und versucht vieles natürlich zu heilen. Er zählt
so einige ökologische Höfe zu seinen Betrieben, aber er fährt
sie viel seltener an als die konventionellen. „Drei bis vier Mal
im Jahr besuche ich meist die ökologischen Betriebe, viele
der konventionellen drei bis vier Mal im Monat“, sagt er.
Auch der nächste Hof ist konventionell. Mitten ins Dorf
eingezwängt, hatte er keine Möglichkeit, sich zu vergrößern
und zu entwickeln. Etwa 40 Kühe stehen hier in Anbindehaltung. Vor sechs Tagen sind Kälber zur Welt gekommen.
Die Zwillinge sind beide nicht sehr robust und haben eine
Nabelentzündung. Der Tierarzt hört sie ab und zieht ein
wenig am Fell. Der eine hat in der Früh nicht getrunken.
Die Bäuerin hält ihn fest, als er eine Spritze bekommt. Der
Kleine mag nicht und strampelt. Schon vorbei. Die Bäuerin streichelt ihr Kalb wie ein Kind. Für Alfred Sehr geht
es weiter.
60 bis 70 Stunden gehören zu seiner Arbeitswoche und
nach 20 Jahren kommt er gesundheitlich oft an seine Grenzen. Momentan achtet er darauf, auf 50 bis 60 Stunden zu
kommen, regelmäßig Urlaub zu machen, nur jedes zweite
Wochenende zu arbeiten. Ein Kollege unterstützt ihn dabei.
Und auch wenn sich die Symptome und Krankheiten wiederholen, gibt es immer wieder eine neue Herausforderung,
etwas das er noch nicht kannte, noch nicht erlebt hat. „Deshalb macht mir mein Beruf Spaß – immer wieder.“
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Die Biokreis-Brauereien
BIOKREIS ––– Fachberatung
Landwirte fragen Berater antworten
Kompost als Dünger
Ich möchte meine Erträge erhöhen und
benötige dazu Dünger. Darf ich Kompost
im Öko-Landbau verwenden?
Toni Reisinger:
Tierwohl bei Kühen
Wie erkenne ich, ob es
meinen Kühen gut geht?
Gerhard Falter:
Vermarktung von Wabenhonig
Was muss ich bei Wabenhonig beachten?
Marc Schüller:
-38Tierhaltung auf der Weide
Kann ich mein Jungvieh auf Almen,
Alpen oder Gemeinschaftsweiden
halten, die nicht als ökologische
Flächen zertifiziert sind?
David Hierenbach:
Gemäß der Regelung über die Gemeinschaftsweide können Tiere von Bio-Betrieben auf nicht ökologisch zertifizierten
Weiden gehalten werden. Voraussetzung
ist, dass die Flächen mindestens drei
Jahre zuvor ohne verordnungswidrige
Maßnahmen bewirtschaftet wurden. Das
heißt, es darf kein Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz, der laut EU-ÖkoVO unzulässig ist, stattgefunden haben.
Des Weiteren müssen alle Tiere, die auf
der Weide gehalten werden, aus extensiver Tierhaltung stammen. Dies sind Tiere
von Betrieben mit einer Stickstoffmenge
von unter 170 kg N je Hektar und Jahr.
Diese Voraussetzungen muss die Weidegemeinschaft oder der Inhaber der Fläche
über ein Formular bestätigen, welches bei
der Kontrolle vorgelegt werden kann.
Das Formular ist über die Biokreis-Beratung oder die Kontrollstelle erhältlich.
Zunehmend werden Honig-Wabenstücke, oft im Glas, angeboten und nachgefragt. Diese unterliegen der Honigund Kennzeichnungsverordnung. Die
Verkehrsbezeichnung Wabenhonig beschreibt dort einen „von Bienen in den
gedeckelten, brutfreien Zellen der aus
feinen, ausschließlich aus Bienenwachs
hergestellten gewaffelten Wachsblättern
gespeicherten Honig“. Darüber hinaus
versteht sich von selbst, dass nur sauberstes Wabenmaterial, am besten aus Naturwabenbau, angeboten wird. Für eine
größere und leichtere Produktion sind
kleine zusätzliche Holzrähmchen empfehlenswert, oben mit Dreiecksleisten,
die in vier oder sechs Rähmchen befestigt werden. Bei guter Tracht, am besten
mit hohem Fructoseanteil im Nektar,
und einem starken Bautrieb werden diese gut angenommen und sind optisch
eine Augenweide. Verkauft werden diese
Wabenteile dann mit Rähmchen in einer
Kunststoffschale, zumeist zu einem deutlich höheren Preis.
Das ist eine schwierige Frage. Das hängt
davon ab, aus welchem Blickwinkel heraus Sie das Wohl der Tiere betrachten.
Die „reinen Ökonomen“ sagen: Wenn
die Tiere möglichst viel Fleisch, viel
Milch oder viele Eier in ihrem Leben
hervorbringen, dann ist das auch ein Zeichen dafür, dass es ihnen gut geht. Das
ist natürlich eine sehr einseitige und zu
kurze Sichtweise. Die eigentliche Frage
ist: Wie tiergerecht werden sie gehalten
und gefüttert? Wie alt werden meine
Kühe beziehungsweise wie hoch ist ihre
Lebensleistung? Sicherlich gibt es heute
große ökonomische Zwänge, denen die
Landwirte mehr und mehr ausgeliefert
sind. Andererseits dürfen wir die ethische
und gesundheitliche Seite nicht zu gering
bewerten. Wenn eine Kuh im Alter von
nur vier bis fünf Jahren aufgrund von
Unfruchtbarkeit, Klauen- und Gliedmaßenproblemen, Eutererkrankungen
oder zu geringer Einsatzleistung zum
Schlachthof geht, ist das aus meiner
Sicht alarmierend. Neben der Einhaltung
der geltenden Tierwohl- und BiokreisRichtlinien sowie einer möglichst hohen
Grundfutterleistung (Gras, Heu und Silage) stellt die Lebensleistung eine große
Herausforderung für alle Milchviehhalter
dar. Dies gilt es unter anderem zu beachten, wenn uns das Wohl unserer Kühe
am Herzen liegt.
Der ökologische Landbau betont den
Gedanken der Kreislaufwirtschaft. Dabei hat er die betriebsinternen Nährstoff- und Substanzkreisläufe im Auge.
Grüngutkompost und organische Abfälle (Ernterückstände und ähnliches
nach Unbedenklichkeitsprüfung) sowie
auch Biogutkomposte (kompostierte
oder fermentierte Haushaltsabfälle) mit
Öko-Gütesicherungskriterien dürfen verwendet werden, wenn ein paar Punkte
beachtet werden:
• Vorab muss ein Bedarf an externen
Dünger nachgewiesen werden. Dies kann
mit Hilfe einer Bodenuntersuchung oder
einer Empfehlung des Beraters erfolgen.
• Es dürfen nur Komposte, die regelmäßig überprüft und mindestens die
Anforderungen des RAL-Gütezeichens
erfüllen, genutzt werden. Hier muss vor
Einsatz eine aktuelle Analyse des Komposts beim Biokreis eingereicht werden.
• Bei regelmäßigem Einsatz von Kompost ist alle sechs Jahre eine Bodenuntersuchung auf Gehalte von Schwermetallen
vorzunehmen.
•Der betriebsfremde Nährstoffimport
darf maximal 40kgN/ha betragen. Die
maximale Ausbringmenge beträgt durchschnittlich 5t TS pro Hektar und Jahr.
Aus technischen Gründen können mehrere Jahresgaben zu einer Einzelgabe zusammengefasst werden, sodass bis zu 20t
TS pro Hektar gedüngt werden dürfen.
Selenmangel
Wie kann ich Selenmangel in der ökologischen Rinderhaltung vorbeugen?
Jörn Bender:
Selenmangel in der Rinderhaltung kann
gerade bei jungen Kälbern zu erheblichen
Problemen führen, die im Wesentlichen
auf Störungen der Muskulatur zurückzuführen sind. Mangelnde Saugreflexe
sind dabei ebenso zu beobachten wie
etwa zittriges Stehen oder apathisches
Gesamtverhalten. Eine Extremform stellt
die sogenannte Weißmuskelkrankheit
(NMD = Nutritive Muskeldystrophie)
dar. Langfristig kann eine ausreichende Selenversorgung oftmals durch eine
ausgewogene Mineralfütterung (Leckmassen, loses Mineralfutter oder Boli)
sichergestellt werden. In akuten Mangelsituationen können jedoch (wiederholte)
Infusionen beim Kalb oder als Vorbeuge
beim tragenden Tier notwendig werden.
Hierbei werden dann in der Regel Kombipräparate aus Selen und Vitamin E
vom Tierarzt eingesetzt. Blutselenwerte
von unter 40 Mikrogramm (die Angaben in der Literatur sind an dieser Stelle
nicht einheitlich) je Liter Vollblut sind
als kritisch anzusehen und begünstigen
nach wissenschaftlichen Studien neonatale Erkrankungen des Kalbes. Die
Erhöhung des in Grünlandaufwüchsen
häufig sehr geringen Gehaltes von Selen
über entsprechende Düngemittel ist im
ökologischen Landbau nicht zugelassen
Grünlandumbruch
Habe ich die Möglichkeit, Dauergrünland umzubrechen, und was muss ich
beachten?
Christina Lirsch:
Dauergrünland (DGL) meint diejenigen
Flächen, die zum Anbau von Gras oder
anderen Grünfutterpflanzen genutzt
und mindestens fünf Jahre nicht als
Ackerland genutzt werden. Grundsätzlich sollte Grünland nicht leichtfertig
umgebrochen werden. Es erfüllt viele
Aufgaben, zum Beispiel für den Artenund Klimaschutz, und speichert große
Mengen an Kohlenstoffdioxid, die beim
Umbrechen freigesetzt würden. Deshalb unterliegt auch jeder Betriebsinhaber dem Umbruchverbot, wenn er den
Greening-Vorschriften unterliegt, unabhängig davon, ob der Betriebsinhaber für
die konkrete DGL-Fläche eine Beihilfe
beantragt oder nicht. Es kann dennoch
ein Antrag auf Genehmigung beim zuständigen Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten(AELF) gestellt
werden. Eine Umwandlungsgenehmigung ist möglich, wenn für die umgebrochene Grünlandfläche Ersatzfläche in
gleichem Umfang in der Region als DGL
angelegt wird. Ausgenommen von dieser Ersatzregelung sind derzeit Betriebe
des ökologischen Landbaus. Hier wird
eine Genehmigung aber auch nur dann
erteilt, wenn alle fachrechtlichen Vorgaben (Erosionsgefahr, Grundwasserstand,
Moorstandort, Naturschutzgebiet und so
weiter) geprüft wurden.
BIOKREIS ––– Fachberatung
Es geht auch ohne!
Der Verzicht auf Kraftfutter kann eine wirtschaftlich
attraktive Strategie für Milchviehbetriebe sein.
Von Karin Jürgens
Milchviehbetriebe
werden grundsätzlich zu den
Futterbaubetrieben
gezählt, wenn 2/3
ihres Erzeugungswertes Rinder und
andere Raufutterfresser ausmachen.
Erst bei einem
Erzeugungswert
der Milchkühe,
weiblichen Kälber
und Jungrinder von
über 75 % gelten
sie als spezialisierte
Milchviehbetriebe.
1
Dass Milcherzeugung ohne den Einsatz von Kraftfutter wirtschaftlich ist, zeigen die Ergebnisse einer im Februar 2016
abgeschlossenen Studie von Professor Onno Poppinga, Kasseler Institut für ländliche Entwicklung e.V., und Dr. Karin
Jürgens, Büro für Agrarsoziologie & Landwirtschaft (BAL)
im Netzwerk „die Landforscher“. Das durchschnittliche
jährliche Einkommen von ökologischen Milchviehbetrieben, die jährlich nicht mehr als fünf Dezitonnen Kraftfutter
pro Kuh verfüttern, lag je Kuh um 38 Prozent höher als
bei konventionellen Milchviehbetrieben und noch um 13
Prozent höher als bei Ökofutterbaubetrieben1.
Zum Kraftfutter zählten im Projekt neben zugekauftem
Mischfutter auch betriebseigenes Getreide, Grascobs und
Soja. Die Fütterung auf den Untersuchungsbetrieben basierte im Sommer wie im Winter fast nur auf Gras: durch
Weidegang auf Grünland, mit Frischgras, Klee- und Luzernegras, Grassilage und Heu. 13 der Untersuchungsbetriebe
verfütterten nur Heu.
Für die Berechnungen lagen die Jahresabschlüsse von 52
Ökomilchbetrieben für zwei Wirtschaftsjahre (Juli 2011 bis
Juni 2013) vor. Insgesamt 16 Betriebe setzten „null“ Kraftfutter ein. Die Wirtschaftlichkeit dieser Betriebe wurde anhand eines Systemvergleichs mit den Zahlen für die vom
BMEL und der Europäischen Kommission amtlich ermittelten Testbetriebsergebnisse zur wirtschaftlichen Lage der
Milchviehbetriebe insgesamt (Daten aus dem Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen der EU, INLB)
und den Ökofutterbaubetrieben in Deutschland verglichen.
Auch im Abgleich zu dem erwirtschafteten Einkommen pro
Kilogramm Milch und Arbeitskraft zeigten die kraftfutterarm arbeitenden Betriebe eine unerwartet gute Wirtschaftlichkeit (Tabelle, rechte Seite).
Andere Kosten- und Erlösstruktur
Für die gute Wirtschaftlichkeit sind vielerlei systembedingte Unterschiede verantwortlich. Neben den logischerweise
deutlich geringeren Ausgaben für das Zukauffutter fallen
die geringeren Kosten für Lohnunternehmen und die Maschinenmiete für die Futterbergung und -konservierung
auf. Dass die sonstigen spezifischen Kosten für die Tiere bei
den kraftfutterarmen Betrieben um rund 40 Euro niedriger
sind, liegt vor allem an verringerten Ausgaben für Tierarzt,
Medikamente und Besamung. Aus dem weniger an Aufwand und anderen Investitionsschwerpunkten ergeben sich
zudem geringere Abschreibungen und Zinskosten. Auf den
Betrieben wurde vor allem in Erntetechniken für Grünland,
die Heutrocknung und größere Lagerstätten für Grundfutter sowie in die Weide, gute Triebwege oder auch in neue
Viehtransporter für einen bequemeren Weideumtrieb investiert. Große Stallerweiterungen und Neuanschaffungen von
Kraftfutterautomaten, Futtermischwagen oder hochautomatisierten Melksystemen waren für dieses Fütterungssystem
dagegen nicht notwendig. Die Erlöse aus der Milch sind
bei den kraftfutterarm wirtschaftenden Betrieben bedingt
durch relativ kleine Milchviehherden (39 Kühe) und eine
niedrigere Milchleistung (5440 kg) geringer. Dennoch erwirtschaftet diese Gruppe als einzige bereits ohne Beihilfen
überhaupt Gewinn.
-41-
Strategie: bestmögliche Verwertung von Grünfutter
Allein der Verzicht auf Kraftfutter und den sich daraus ergebenen Kostenersparnissen machen den ökonomischen Erfolg der Betriebe aber nicht aus. Die ohne oder nur wenig
Kraftfutter einsetzenden Milchviehhalter haben sich eine
eigenständige Sichtweise erarbeitet, was die wichtigsten
betrieblichen Erfolgsparameter für ihre Arbeit und ihre
Milchviehhaltung sein müssen. Es geht ihnen nicht um hohe
Milchleistungen, stattdessen aber um eine bestmögliche Verwertung von Grundfutter in Milch.
Die Bedingung für die Wirtschaftlichkeit der kraftfutterarm arbeitenden Betriebe ist von vorneherein, eine Milchviehhaltung basierend auf Grünland und Weidegang, einer
wiederkäuergerechten Fütterung sowie stressfreien, komfortablen Fütterungs- und Haltungsbedingungen aufzubauen. Durch eine längere Nutzungsdauer (5,9 Jahre in
Durchschnitt) und die höheren Lebensleistungen bei den
Kühen gleichen sie die geringere Milchleistung zusätzlich
aus. Auch der Ergänzungsbedarf an Jungrindern war auf
den Untersuchungsbetrieben gering. Ohne gesunde und
robuste Kühe, die viel Gras aufnehmen wollen und können
und sich an witterungsbedingt veränderte Futterqualitäten
anpassen können, funktioniert die kraftfutterarme Wirtschaftsweise nicht. Bereits das Jungvieh wird an eine höchst
mögliche Grasaufnahme gewöhnt. Die Bauern setzten die
Fütterungsweise durchaus erfolgreich auch mit den typischen Milchviehrassen, wie der Deutschen Holstein oder
auch dem Braunvieh um. Ihre Herden haben sie aber durch
eigenständige Zuchtlinien oder Kreuzungstiere angepasst.
Für eine gute Grundfutteraufnahme achten die Betriebe
darauf, dass es keine Überbelegung gibt, sondern sogar im
Gegenteil möglichst mehr Fressplätze als Kühe in den Ställen
vorhanden sind. 80 Prozent der Betriebe hatten einen Laufstall. Weidegang ist für alle Betriebe wichtig, Zufütterung
aber auch.
Krisenfesteres System
Gesamtbilanz aus den Analysen und Gesprächen mit den befragten Milchbauern: Die kraftfutterarme Wirtschaftsweise
ist für die Milchviehbetriebe ein wirtschaftlich tragfähiges
und auch krisenfesteres System. Im Vergleich zur Situation
auf Betrieben mit einer konventionellen Fütterung kann es
noch mehr Familienmitgliedern ein Einkommen aus der
Landwirtschaft bieten. So wird dieses Fütterungssystem
auch insgesamt zur Entlastung auf vielen betrieblichen
und persönlichen Ebenen: durch vereinfachte Arbeitsgänge und -strukturen, eine verbesserte Gesundheitssituation
der Milchkühe und vor allem, weil die Milchbauern ihre
ideellen Ziele und ethischen Grundhaltungen darin besser
verwirklichen können.
Finanziert wurde die Untersuchung von der Internationalen Forschungsgesellschaft Hofgut Breitwiesen e.V. und der
Mahle Stiftung. Mit Urs Sperling, dem Betriebsleiter des
Breitwiesenhofes in Ühlingen stand ein Praxispartner zur
Seite, der in der Milchviehfütterung auf mehr als 15 Jahre
Erfahrung ohne Kraftfutter zurückblickt.
Interessenten, die weitere Informationen rund um das Projekt
wünschen, können sich gerne an die Autoren wenden (unter:
[email protected]).
BIOKREIS ––– Fachberatung
Anleitung für die Direktvermarktung von Rindern.
Von Eva Lisges
Pläne für Schlacht- oder
Verarbeitungsräume vorab Behörden vorlegen
-42-
Die Direktvermarktung der eigenen Produkte an den Endverbraucher ermöglicht eine deutlich höhere Wertschöpfung
als der Verkauf an Händler. Verbunden ist dies mit einem
deutlich höheren Einsatz von Arbeitskraft. Die Freude am
Umgang mit dem Kunden und die Bereitschaft, den eigenen Betrieb für den Verbraucher transparent zu machen,
gehören zu den guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche
Direktvermarktung. Insbesondere bei leicht verderblichen
Lebensmitteln wie Fleisch gibt es eine ganze Reihe an Vorschriften und Regelungen, die eingehalten werden müssen.
Am 13. Februar veranstaltete der Biokreis NRW ein Seminar
zum Thema „Direktvermarktung von Fleisch, insbesondere
Rindfleisch“. Die mit über 50 Teilnehmern sehr gut besuchte Veranstaltung bot einen Einblick in die gesetzlichen
Vorschriften und beinhaltete hilfreiche Tipps von erfahrenen
Praktikern. Von den Inhalten des Seminars kann in diesem
Artikel nur ein kleiner Teil angerissen werden.
Hans-Jürgen Müller, selbst Bio-Landwirt mit Mutterkuh-
haltung und Direktvermarktung in Witzenhausen sowie
Mitgründer und Vorsitzender des „Verbandes der Landwirte mit handwerklicher Fleischverarbeitung Schwerpunkt
ökologischer Erzeugung e.V.“ (vlhf ), referierte über die
rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verarbeitung und
Vermarktung von Fleisch und konnte durch die Verbindung
von Fachwissen und langjähriger praktischer Erfahrung der
Zuhörerschaft wertvolle Informationen vermitteln.
Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten in einem Raum
Die „Verordnung für spezifische Hygienevorschriften für
Lebensmittel tierischen Ursprungs (853 / 2004 / EG)“ regelt
alle wesentlichen Dinge, die bei Schlachtung und Verarbeitung eine Rolle spielen, darunter auch die Ausstattung
der Schlacht- und Zerlegeräume. Seit kurzem ist es wieder
möglich, für Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten nur einen
Raum zu nutzen. In kleinen Betrieben kann auf Sanitärräume im privaten Bereich zurückgegriffen werden. Natürlich
Ein HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical
Control-Points, deutsch: Gefahrenanalyse und kritische
Kontrollpunkte, im Prinzip ein Hygiene-Konzept) dient
dazu, Gefahren im Verfahrensprozess, die zu gesundheitlicher Beeinträchtigung der Verbraucher führen können,
zu identifizieren, zu beherrschen und somit abzuwehren.
Die Dokumentationspflichten im Rahmen eines HACCPKonzeptes werden in den einzelnen Bundesländern und
teilweise auch in Landkreisen unterschiedlich gehandhabt.
Stichpunkte sind hier einmalige Dokumentationen wie
Ablaufpläne, laufende Dokumentationen, zum Beispiel zu
Reinigung und Desinfektion, Temperaturaufzeichnungen,
Wasseruntersuchungen und Hygieneschulungen. Vorgeschriebene Abklatschproben dienen der Überwachung des
Reinigungserfolgs.
Bei der Planung von Investitionen in Schlacht- und Verarbeitungsräume rät Hans-Jürgen Müller dazu, zunächst
selbst einen Plan zu entwerfen und diesen Plan vorab den
Behörden vorzustellen und zu besprechen.
Vorschriften für Kennzeichnung und Etikettierung
Ist das Produkt für den Endverbraucher fertig, stellen sich
Fragen nach Kennzeichnung und Etikettierung. Hierzu gibt
es detaillierte Vorschriften nach der Lebensmittelinformationsverordnung. Diese stellte Margret Peine, Landwirtschaftskammer NRW, für die verschiedenen Produkte übersichtlich dar. Auf frisches, gekühltes, verpacktes Rindfleisch
beispielsweise gehören Angaben zu Ursprung oder Herkunft,
die Zulassungsnummer des Schlachtbetriebes, Zulassungsnummer des Zerlegebetriebes beziehungsweise Registrierungsnummer oder Betriebsanschrift bei Direktvermarktern,
die selbst zerlegen, Referenznummer (zum Beispiel Ohrmarkennummer), Verkehrsbezeichnung, Betriebsanschrift, Gewicht, tatsächlicher Preis und Grundpreis pro Kilogramm,
Mindesthaltbarkeitsdatum und gegebenenfalls Chargennummer. Bei gefrorenen Produkten kommt das Einfrierda-
tum hinzu, bei sehr leicht verderblichen Lebensmitteln wie
Hackfleisch steht anstelle des Mindesthaltbarkeitsdatums
das Verbrauchsdatum. Bei Fleischzubereitungen oder Wurstwaren sind die Zutatenliste sowie Hinweise auf Zusatzstoffe
und Allergene anzugeben. Die Nährwertkennzeichnung, die
ab Dezember 2016 neu hinzukommt, entfällt bei direkter
Abgabe von kleinen Mengen an den Endverbraucher.
Wichtig: das persönliche Kundengespräch
Paul Gordes, Bio-Mutterkuhhalter (Hochlandrinder) und
Direktvermarkter aus Arnsberg, bietet seinen Kunden seit
vielen Jahren Frischfleisch zu bekannten Terminen an und
berichtete aus seinen Erfahrungen. Um Kunden zu gewinnen und zu halten, hat er seine Werbung breit aufgestellt.
Am wirksamsten ist jedoch das persönliche Gespräch, über
das die Kunden im Bekanntenkreis berichten. Die Menschen wollen informiert sein und sich eingebunden fühlen.
Seine Außendarstellung ist ruhig und besonnen. Die Preise
will er fair gestalten, das heißt zum einen nicht überzogen
hoch, andererseits aber auch auskömmlich für den Betrieb.
Preise sollte man von vornherein im Hinterkopf haben und
seine Leistung nicht unter Preis verkaufen. Ist man mit zu
niedrigen Preisen in die Direktvermarktung eingestiegen,
lassen sich Erhöhungen bei den eigenen Kunden nur schwer
verwirklichen. Mit dem Versand von Fleisch hat er schlechte
Erfahrungen gemacht und diesen Vermarktungsweg wieder
aufgegeben.
Pflicht zur Meldung an die Kontrollstelle
Vorgaben der Öko-Verordnung vermittelte zum Schluss des
Seminars Bernd Nau vom Kontrollinstitut Lacon. Erweitert ein Bio-Betriebsleiter, der bisher nur in der landwirtschaftlichen Produktion tätig war, sein Tätigkeitsfeld um
die Direktvermarktung, muss er dies seiner Kontrollstelle
melden. Wie für die landwirtschaftliche Produktion gibt es
auch für die Verarbeitung Richtlinien von EU und Biokreis.
Die Vergabe von Tätigkeiten, beispielsweise Zerlegen oder
Wurstherstellung, kann an zertifizierte Bio-Betriebe erfolgen,
aber unter bestimmten Bedingungen auch an konventionelle
Betriebe, die sich im Hinblick auf die vergebene Tätigkeit
einer Kontrolle stellen. Bei der Kennzeichnung von BioProdukten sind das EU-Bio-Logo (stilisiertes Blatt auf grünem Grund) zusammen mit dem Kontrollstellencode und
der Herkunftsangabe verpflichtend.
Gewerberecht und Steuerrecht müssen bei der Direktvermarktung ebenfalls beachtet werden. Im Rahmen des Seminars wurde hier auf entsprechende Informationsmöglichkeiten verwiesen.
Grafik Kühe: www.freepik.com/free-vector/watercolor-cows_798152.htm‘>Designed by Freepik</a>
Grafik Fleisch: www.freepik.com/free-vector/hand-painted-meat_807844.htm‘>Designed by Freepik</a>
Fleisch ab Hof
müssen dabei bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Die
Auslegung des geltenden Rechts ist bei den Behörden vor
Ort durchaus unterschiedlich. In vielen Fällen gibt das EURecht ein Ziel vor, lässt aber verschiedene Wege zu, dieses
Ziel zu erreichen. Ein Beispiel: Ein teures Messerdesinfektionsgerät muss nicht zwingend vorhanden sein, vielmehr
besteht die Forderung nach einem „Messerdesinfektionsgerät oder einer anderen Möglichkeit, die gewährleistet, dass
immer saubere Ersatzmesser vorhanden sind“. Dieser Forderung kann auch mit einer größeren Anzahl von Messern
nachgekommen werden. Im Hinblick auf die Temperatur
sind 14°C im Raum einzuhalten oder ein alternatives System
anzuwenden, durch das gewährleistet ist, dass das Fleisch
nicht wärmer als 7°C wird. Der Begriff „Hygieneschleuse“
findet sich im Gesetzestext nicht wieder, vielmehr heißt es
hier, dass eine „Kontamination verhindert werden muss“.
BIOKREIS ––– Fachberatung
An der Praxis führt
kein Weg vorbei
Schulungen für Kontrolleure optimieren
Tierwohlkontrollen der Öko-Verbände.
Von Jörn Bender
-45-
rundes Bild:
Tierbeurteilung
hautnah im Zuge
einer Schulung der
AG-Tierwohl für
die Kontrollstelle
Lacon.
Schulungsgruppe
der Kontrollstelle
Lacon mit den
Verantwortlichen
der AG Tierwohl:
Frigga Wirths
(6. v.r.) und Jörn
Bender (6. v.l.).
Bilder:
Karin
Scheungrab
Bereits seit 2013 agieren die Öko-Verbände Biokreis, Bioland, Naturland und Demeter gemeinsam für ein noch
höheres Maß an Tierwohl im Öko-Betrieb. Als jüngstes
Mitglied hat sich nun auch der Verband „Gäa“ dieser Bewegung angeschlossen. Beginnend mit der Kontrollsaison
2014 führen die staatlich zugelassenen Öko-Kontrollstellen
im Auftrag der Verbände neben der umfangreichen Jahresinspektion im Bio-Betrieb zusätzlich auch eine spezielle
Tierwohlkontrolle durch. Diese stellt durchaus hohe fachliche Anforderungen an die Kompetenz und Erfahrung der
jeweiligen Inspektoren der Kontrollstellen. In gemeinsamen
Evaluierungsworkshops, die durch die AG Tierwohl der
Öko-Verbände seither jährlich mit allen Systembeteiligten
durchgeführt werden, wurde so auch immer wieder die Forderung nach einheitlicheren Kontroll- und Beurteilungsmaßstäben geäußert.
Praxisschulungen Bedingung für Tierwohlkontrolle
Dem tragen die Tierwohlkoordinatoren der Öko-Verbände
derzeit Rechnung, indem bundesweit ganztägige Praxisschulungen angeboten werden. Diese Schulungen werden
in Abstimmung mit den Öko-Kontrollstellen auf tierhaltenden Verbandsbetrieben organisiert. Wichtig dabei: Die
Betriebe sollten eine gute, durchschnittliche landwirtschaftliche Praxis im Bio-Bereich abbilden und nicht den
Charakter außergewöhnlicher Vorzeigebetriebe haben. Dadurch erhalten Schulungsverantwortliche und Kontrolleure
die Möglichkeit, anhand konkreter Situationen auch über
Grenzbereiche zu diskutieren und gemeinsame, einheitliche Einschätzungen zu entwickeln. Zumeist werden dabei
Höfe mit zwei Tierarten ausgewählt, sodass jeweils in zwei
Blöcken spezifische Anforderungen der Kontrolle im Stallbereich (selbstverständlich mit Schutzkleidung) vermittelt
werden können.
Auch der Biokreis ist im Zuge der Schulungen recht aktiv. So wurden zusammen mit den Kontrollstellen Lacon,
Abcert sowie dem Kontrollverein zwischen Oktober 2015
und Februar 2016 vier Schulungen in Schleswig-Holstein,
Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern
durchgeführt.
Die Teilnahme an einer Praxisschulung ist für die jeweiligen Inspekteure Voraussetzung, um in der aktuellen Saison
Tierwohlkontrollen durchführen zu können. Obwohl man
daher beinahe von einer „Pflichtveranstaltung“ sprechen
könnte, gibt es ausnahmslos positive Rückmeldungen von
den Teilnehmern. Der intensive Austausch und Abgleich
mit Kollegen sowie den ausführenden Vertretern der AG
Tierwohl wird dankbar angenommen und gibt zusätzliche
Sicherheit in der nicht immer einfachen und konfliktfreien
Kontrollsituation.
Ein besonderer Dank der AG Tierwohl gilt den ausrichtenden Mitgliedsbetrieben, die ihre Stalltore für die in der Regel
rund 20 bis 40 Schulungsteilnehmer öffnen und obendrein
nicht selten auch Räumlichkeiten sowie Kaffee und Kuchen
für die abschließende Diskussion und zwischenzeitliche Theorievermittlung zur Verfügung stellen.
BIOKREIS ––– Biofach
Wir machen
Bio lebendig!
Abräumer bei den Öko-Erlebnistagen
Landwirtschaftsminister Helmut Brunner
zeichnete die Veranstalter der schönsten
Aktionen bei den bayerischen Öko-Erlebnistagen 2015 aus. Der erste Preis in
der Kategorie Landwirtschaft ging dabei
an die Biokreis-Höfe Scheitz und Frey aus
Andechs/Oberbayern. Die beiden Familien, die miteinander befreundet sind und
deren Höfe einen Kilometer voneinander
entfernt liegen, verknüpften zwei Veranstaltungsorte durch Kutschfahrten. So
bekamen die Besucher einiges zu sehen:
Ziegen, Kühe, Schweine, Handwerkskunst
und sogar Oldtimer. „Die Gäste blieben
den ganzen Tag“, sagt Georg Scheitz und
schätzt die Besucherzahl auf rund 2500.
Minister Helmut Brunner würdigte das
Engagement bei den Öko-Erlebnistagen
als wichtigen Beitrag für die Öffentlichkeitsarbeit der Bio-Branche.
Biofach in Nürnberg von 10. bis 13. Februar
Von Ronja Zöls
Unter dem Motto „Wir machen Bio lebendig!“ haben wir
auf der Biofach wieder in unseren gemütlichen bayerischen
Biergarten geladen. Und dort hat sich mehr getan als je
zuvor. Mit etwa 48 000 Besuchern aus 132 Ländern zog
es mehr Fachbesucher als je zuvor nach Nürnberg. Gutes
Essen, beste Laune und ausgelassene Stimmung: Vor allem
am Donnerstag strömten die Messebesucher an den Stand,
informierten sich über unsere Arbeit, ließen sich mit Biokreis-Schmankerl verkosten und blieben bis in die späten
Abendstunden auf der Stand-Party. „Wir konnten Freunde
treffen, viele Besucher über unsere Arbeit informieren und
wertvolle Kontakte knüpfen“, sagt Biokreis-Geschäftsführer
Josef Brunnbauer, „die Biofach war für uns ein voller Erfolg.“
-46-
regional & fair –
Siegel für besondere Biokreisler
Die traditionelle Blue Night leiteten wir
mit der feierlichen Verleihung des „regional & fair“-Siegels an den Bio-BauernFrischdienst aus Kößlarn und die Abo-Kiste in Hemhofen ein. Bereits zum zehnten
Mal wurden Biokreis-Betriebe, die konsequent Ökologie, Regionalität und Fairness
miteinander in Einklang bringen, ausgezeichnet. Lilly Krauß und Alfons Espenberger vom Bio-Bauern-Frischdienst sowie
Dr. Hannah Winkler von Mohrenfels von
der Abo-Kiste stellten bei dieser Gelegenheit ihre Betriebe vor und erhielten neben
Urkunden auch Preise für ihr besonderes
Engagement.
Preisverleihung der bayerischen Öko-Erlebnistage
(v.l.): Beatrix Scheitz, Alexander Gerber (Demeter),
Evi Scheitz, Josef Wetzstein (LVÖ), Georg Scheitz
jun., Georg Ludwig Scheitz, Markus und Sonja
Frey, Staatsminister Helmut Brunner und BiokreisGeschäftsführer Josef Brunnbauer. Bild: LVÖ
Auch am Stand der Antersdorfer Mühle schaute Helmut
Brunner (rechts) vorbei, hier
mit Geschäftsführer Johann
Priemeier (l.) und
Biokreis-Geschäftsführer
Sepp Brunnbauer (M.).
Bild: Antersdorfer
Preisverleihung „regional & fair“ (v.l.): Olaf Altmann
(Greenpeace Energy), Heiko Winkler von Mohrenfels,
Cornelia Steinecke (Greenpeace Energy), Biokreis-Vorstandsvorsitzender Franz Strobl, Alfons Espenberger
(Bio-Bauern-Frischdienst), Lydia Krauß (Bio-BauernFrischdienst), Biokreis-Vorstand Niko Gottschaller,
Dr. Hannah Winkler von Mohrenfels (Abokiste)
und Biokreis-Geschäftsführer Sepp Brunnbauer.
Bild: Biokreis
Bühnenprogramm
während der Blue Night
Party am Biokreis-Stand mit el mago masin.
Bild: Biokreis
Biokreis-Stand auf der Biofach. Bild: Biokreis
Minister
Johannes Remmel
(3. v. l.) zu Besuch am
Stand des Weinguts
Hirth mit (v. l.)
Jochen Knapp, Sibylle
Haug und Jörn Bender,
Geschäftsführer
Biokreis NRW.
Bild: Biokreis
Wer tagsüber noch nicht bei uns vorbeigeschaut hatte, wurde spätestens am Abend
von den Klängen von el mago masin &
wildcamping und der Coverband The
Soulbreakers angelockt. El mago masin
sorgte mit seinen originellen Texten beim
Publikum für Schenkelklopfer und Lachanfälle. The Soulbreakers rissen die Gäste
von den Hockern, so dass die Bierbänke
am Ende den Tanzenden weichen mussten.
Dazu servierten wir und unsere Mitaussteller gratis Häppchen und Getränke für alle.
BIOKREIS ––– Mitgliederversammlung
Biokreisler gestalten
ihren Verband
Bei den Mitgliederversammlungen des Biokreis e.V.
und des Biokreis Erzeugerring Bayern e.V. standen
Beratung und neue Richtlinien im Fokus.
Von Ronja Zöls
Wahlleiter Josef Bodmaier gratulierte Helmut Prenzyna,
der künftig die Verbraucherseite im Vorstand vertreten wird.
-48-
Jedes Jahr zum Ende des Winters kommen die Biokreisler zusammen, um gemeinsam die Arbeit des vergangenen
Jahres zu bewerten und die Weichen für das bevorstehende
Jahr zu stellen. Am Vormittag des 11. März trafen sich die
Mitglieder des Erzeugerrings Bayern im Tafernwirtschaft
Hörger in Hohenbercha. Geschäftsführer Sepp Brunnbauer
ließ das Jahr Revue passieren. Vor allem auf der Umstellungsberatung sei der Fokus 2015 gelegen und dies setze
sich aufgrund der stabilen Marktlage im Bio-Bereich und der
günstigen politischen Rahmenbedingungen fort. An Milch
und Getreide fehle es besonders, insgesamt seien aber sämtliche Produkte knapp. Ziel sei es, die Beratung auszubauen
und zu verbessern. Auch appellierte Sepp Brunnbauer an die
Landwirte, selbst Beratung zu fordern und aktiv den Kontakt zu den Beratern zu suchen. Für das Jahr 2016 erhielt
der Erzeugerring Verstärkung – mit zwei neuen Beratern für
Oberbayern und für die Beratung der Imker. „Der Anteil an
Bio-Imkern in Bayern ist immer noch sehr gering, das würde
ich gerne ändern“, so der neue Imker-Berater Marc Schüller.
Einmaliger Sonderbeitrag
Um die Beratung auszubauen, die zahlreichen Umstellungsberatungen zu bewältigen und damit den Erzeugerring fit für
die Zukunft zu machen, beschloss die Mitgliederversammlung einen Sonderbeitrag von zwei Euro pro Hektar, der
einmalig im Jahr 2016 erhoben wird. „Für den Erzeugerring
Bayern bedeutet der Ausgleich mehr Gestaltungsspielraum.
Uns allen ist wirklich damit geholfen“, so Franz Strobl, 1.
Vorsitzender des Erzeugerrings. Der Vorstand wurde entlastet und der Haushalt 2016 verabschiedet.
Beschluss für aktualisierte
Medikamentenliste für die Tierhaltung
Nach einem kabarettistischen Ausflug in die Welt der Regenwürmer im Rahmen des Programms „Fräulein Brehms
Tierleben“ der Schauspielerin Barbara Geiger ging es weiter
mit der Versammlung des Biokreis e.V. Der Haushalt war
ausgeglichen, die Vorstandschaft wurde entlastet und der
neue Haushalt verabschiedet.
Wichtigster Beschluss: die Änderung des Anhangs IX der
Biokreis-Richtlinien, der eine Liste mit anwendungsbeschränkten und verbotenen Medikamenten in der Tierhaltung enthält. Biokreis-Landwirte sind dazu angehalten, die
anwendungsbeschränkten Medikamente möglichst nicht
einzusetzen. Dennoch ist die Verabreichung bei Alternativlosigkeit und Begründung und Dokumentation durch
den behandelnden Tierarzt möglich. Anwendungsverbotene
Medikamente hingegen dürfen keinesfalls eingesetzt werden
und sind mit Sanktionen und einer Aberkennung der Produkte als Biokreis-Ware verbunden.
Tierarzt muss Kenntnisnahme bestätigen
„Unser Ziel war es, die Verfahren zur Medikamentengabe
in der Tierhaltung klar und transparent zu kommunizieren
und sowohl für Kontrollstellen als auch für Landwirte, Verarbeiter und Verbraucher nachvollziehbar zu machen“, sagte
Biokreis-Geschäftsführer Sepp Brunnbauer. Ein wichtiger
Aspekt der Richtlinienänderung ist es, dass der Tierarzt die
Kenntnisnahme der Liste durch seine Unterschrift bestätigen
muss. Die Verbotsliste wurde auf drei Wirkstoffe reduziert,
die teilweise krebserregende, mutationsauslösende oder
andere gewichtige Nebenwirkungen haben. Des Weiteren
wurde die in der ökologischen Tierhaltung vorgeschriebene
doppelte Wartezeit nach der Gabe von bestimmten Medikamenten in den Richtlinien präziser formuliert.
Gottschaller (Bayern), Michael Mack (Baden-Württemberg)
und Gerhard Hoffmann (Rheinland-Pfalz) bilden sie künftig
das oberste Gremium des Biokreis e.V.
Änderung weiterer Richtlinien
Darüber hinaus gab es Änderungen der Erzeuger-Richtlinien
bezüglich „Organischer Dünger“ sowie „Düngung und Humuswirtschaft“ und der Verarbeiter-Richtlinien im Punkt
„Zutaten aus landwirtschaftlicher Erzeugung“.
Neue Besetzung im Vorstand
Auf der Mitgliederversammlung wurden ein neuer Verbrauchervertreter des Vorstands sowie ein Beirat bestimmt.
Helmut Prenzyna, selbst Bio-Imker und geschäftsführender
Vorsitzender der Honigerzeugergemeinschaft Regenstauf
in Bayern, wird künftig die Verbraucherseite im Vorstand
vertreten. Volker Born aus Wiesbaden (Hessen) rückt als
Beirat nach. Gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden
Franz Strobl (Bayern) sowie Gottfried Erves (NRW), Niko
Die Schauspielerin
Barbara Geiger verausgabte
sich bei ihrem Programm aus
„Fräulein Brehms Tierleben“.
Aktuelles: NRW
„Engagiert und humorvoll“ –
seit 15 Jahren
Sehr guten Zuspruch hat erneut die aktuelle Sammelbestellung von
Grünlandsaatgut und Mineralfutter für die Mitgliedsbetriebe des Biokreis NRW gefunden. Über 7000 Kilo Grassamen und rund 4700 Kilo
Mineralfutter wurden von rund 60 Mitgliedsbetrieben geordert. Leider
zeigt der hohe Nachsaatbedarf auch ein Kernproblem der Mittelgebirge auf: massive Grünlandschäden durch Schwarzwild! In absehbarer
Zeit wird aufgrund wiederholter Nachfrage auch ein erneuter Gemeinschaftseinkauf für Panels und weiteren Tierhaltungsbedarf organisiert
werden. JB
Bild: Eva Lisges
Biokreis Erzeugerring NRW
feiert Jubiläum und diskutiert
die Herausforderungen der
aktuellen „Umstellungswelle“ mit
NRW-Landwirtschaftsminister
Johannes Remmel.
Von Jörn Bender
Saatgut- und Mineralfuttersammeleinkauf
Ehrung für den ersten, noch aktiven Biokreis-Betrieb in Nordrhein-Westfalen
(von links): Minister Johannes Remmel, Betriebsleiter Klaus Hellwig aus Medebach sowie Biokreis-Vorsitzender Gottfried Erves.
-50-
Auf 15 Jahre engagierten Einsatz für ökologischen Landbau blickte der Biokreis bei der Mitgliederversammlung des
Öko-Verbandes am 26. Februar in Lennestadt-Kirchveischede zurück. Drei Eigenschaften haben den Erzeugerzusammenschluss mit 150 Mitgliedern in Nordrhein-Westfalen
seit der Vereinsgründung im Jahr 2001 dabei besonders ausgezeichnet. „Öko“ und „regional“ gehören für den Biokreis
bundesweit seit seiner Gründung 1979 fest zusammen. So
agiert auch der Landesverband mit regionalen Schwerpunkten in Südwestfalen sowie dem Bergischen Land und führt
dabei in fairen Netzwerken Erzeuger und Vermarktungspartner im Öko-Markt erfolgreich zusammen. Von Beginn
an standen die Mitglieder in NRW für Grünland und Wiederkäuerhaltung, bei der Fleischrinder lange das prägende
Element des Biokreis in NRW waren. Gleichwohl hat der
Verband sich an dieser Stelle entwickelt und betreut derzeit
etwa auch ökologische Geflügelhalter, Milchvieh-, Schafund Ziegen-Betriebe sowie Imker. Dritte Besonderheit des
Verbandes ist die bemerkenswerte Aktivität der Mitglieder,
von der sich auch Minister Johannes Remmel im bis auf den
letzten Platz gefüllten Traditionslokal „Suerlänner Eck“ überzeugen konnte. „Ich nehme Ihren Verband als sehr engagierten und nicht selten auch humorvollen Gesprächspartner auf
Landes- und Bundesebene wahr“, so der Minister mit Blick
auf den Landesvorsitzenden Gottfried Erves aus Eslohe.
Bei der Versammlung ehrten Johannes Remmel und Gottfried Erves 18 Betriebe für ihre langjährige Mitgliedschaft.
Sie waren bereits 1999 dem Bundesverband Biokreis e.V.
beigetreten und hatten den Grundstein für die Gründung
des Landesverbandes NRW gelegt.
Berater an der Kapazitätsgrenze
Im Vorfeld der Zusammenkunft standen die aktuelle Umstellungswelle sowie die Umsetzung der Öko-Landbaustrategie des Landes NRW im Zentrum eines Fachgesprächs
zwischen den Biokreis-Vorstandsmitgliedern und Minister
Remmel. Die Berater der Öko-Verbände und auch der
Landwirtschaftskammer NRW arbeiten vor dem Hintergrund massiv gestiegener, oft ökonomisch motivierter Umstellungsanfragen seit der zweiten Jahrshälfte 2015 derzeit
an der Kapazitätsgrenze. Die Umsetzung der ambitionierten
Öko-Landwirtschafts-Strategie NRW 2020 wolle man als
Akteur gemeinsam mit dem Ministerium anpacken. Hierfür müssten allerdings zusätzliche personelle und finanzielle
Kapazitäten bereitgestellt werden. Nur so sei es möglich, den
Öko-Landbau in NRW ähnlich wie in Bayern tatsächlich
nachhaltig auszubauen, so Biokreis-Vorstandsmitglied Peter Schmidt aus dem Bergischen Land. Johannes Remmel
präsentierte sich als aufmerksamer Zuhörer und hob aus
Sicht seines Ministeriums die Bedeutung einer optimalen
und kompetenten Betreuung von umstellungsinteressierten
Betrieben hervor. Es gelte offensichtlich, Mittel und Wege
zu prüfen, um zeitnah zusätzliche Kapazitäten in diesem
Bereich zur Verfügung zu stellen, so der Landesminister.
Noch Nachrückerplätze für die Jahresexkursion
Die Jahresexkursion nach Orkney vom 11. bis 15. August ist ausgebucht
und die Organisation läuft nach Plan. Dennoch könnten für Kurzentschlossene Mitreisemöglichkeiten bestehen, da derzeit keine Kandidaten
als Nachrücker erfasst sind. Wer also gegebenenfalls spontan mit dem
Biokreis „in die Lüfte gehen“ möchte, kann sich gerne noch in der Geschäftsstelle NRW vormerken lassen (Tel. 02733-124455). JB
Zusammenarbeit mit Fleischerei Jansen gestartet
Seit Februar 2016 hat der Biokreis in NRW die Zusammenarbeit mit
einem weiteren Vermarktungspartner aufgenommen, der bereits langjährig im Öko-Segment aktiv ist. Die Schlachterei Jansen in Köln nimmt
derzeit einige Bio-Färsen ab, die zuvor am biozertifizierten Schlachthof
in Olpe geschlachtet werden. Aktuell handelt es sich immer um zwei bis
vier Tiere pro Schlachttermin, wobei ausschließlich Färsen und gegebenenfalls Ochsen zum Einsatz kommen. Die Tiere werden durch Landwirte oder Transporteure in Olpe angeliefert. Aufgrund der zunächst
geringen Tierzahlen bietet sich diese Option insbesondere für Betriebe
an, für die der Standort Olpe gut geeignet ist. Die Abrechnung der
Schlachttiere erfolgt direkt zwischen dem Landwirt und der Schlachterei
Jansen JB
Medikamentenliste bei der Parasitenbehandlung beachten!
Immer wieder erreichen den Biokreis Rückfragen zur Medikamentenliste
nach Anhang IX der Biokreis-Richtlinie. Dieser Anhang ist im Zuge der
aktuellen Mitgliederversammlung nochmals angepasst worden – eine
Information dazu erfolgt an alle Mitgliedsbetriebe. Häufiger Berührungspunkt mit den entsprechenden Vorschriften ist die Behandlung
von Endo- und Ektoparasiten. Hier ist bei Rindern die Wirkstoffgruppe der Avermectine, zu der auch der Wirkstoff Ivermectin des Mittels
„Ivomec“ gehört, mit einer Anwendungsbeschränkung versehen. Im
Regelfall ist auf alternative Wirkstoffe, etwa aus der Gruppe der Benzimidazole oder auf das ebenfalls als pour-on-Präparat erhältliche „Cydectin“ auszuweichen. Die Medikamentenliste als Anhang der Richtlinie
ist dem Hoftierarzt vorzulegen, sodass eine gezielte, richtliniengemäße
Optimierung der Therapie erfolgen kann
JB
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Neue Koordination der Geschäftsstelle Biokreis Mitte e.V.
Seit dem 1. März befindet sich die Geschäftsstelle des Biokreis Mitte e.V. in Wiesbaden. Volker Born folgt als Geschäftsstellenleiter auf den Geschäftsführer Bernd Müller.
Dieser hat den Biokreis Mitte zum 29. Februar verlassen,
da er neben seiner wissenschaftlichen Stelle an der JustusLiebig-Universität in Gießen seine Promotion zum Thema
„Arten und Biotopschutz“ abschließen wird. Volker Born
ist Geisteswissenschaftler und Journalist sowie langjähriges Verbrauchermitglied im Biokreis. Zusammen mit
dem Vorstand wird er Finanzen, die Mitgliederbetreuung
und politische Kontakte des Biokreis Mitte koordinieren.
Bernd Müller bleibt dem Biokreis weiterhin verbunden.
„Ich danke allen Mitgliedern für ihr Engagement und
wünsche eine gute Zukunft für die gemeinsame Sache.“
32 € / Netto, zzgl. MwSt. und Versandkosten
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Sonntag, 17. April, 19 Uhr
Krimidinner - Mördernacht
„Sacke Zement“, 65,00 €
Bund Naturschutz
Sonntag, 24. April
Was singt denn da am Stelzlhof ?
Samstag, 30. April
Naturwanderung ins Biberparadies Scharbach,
Passau – Ziegelreuth
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Donnerstag, 5. Mai
BN Fest an der Donau in Niederalteich
Freitag, 6. Mai
Wer singt denn da zur Abendstund?
Samstag, 7. Mai
Nachtgeflüster
Markus Heck
Biokreis geht in den Norden
Samstag, 11. Juni
Ein Schatz aus dem Wasser
Der Biokreis erschließt neue Gebiete und freut sich damit
auch über neue Berater. Für den Nord-Osten begrüßen
wir Markus Heck, der gemeinsam mit seiner Frau einen
50 Hektar großen Biokreis-Betrieb in Mecklenburg bewirtschaftet. Nach einer Ausbildung auf einem BiolandBetrieb studierte er Landwirtschaft in Witzenhausen. Danach pachtete er einen kleinen Betrieb in Niederbayern,
wo er in den 90er-Jahren auch schon als Berater für den
Biokreis tätig war. „Ich freue mich auf die Arbeit mit den
Betrieben und werde mein Wissen und meine Erfahrung
einbringen, um den Biokreis hier im Nord-Osten bekannter zu machen“, sagt der 50-Jährige. Bei der Beratung liegt
sein Schwerpunkt auf Acker- und Sonderkulturen, aber
auch Rinder und Schafe.
Ökologisches Zentrum
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Bücher
Vom Ende der Welt
Nachhaltigkeitsbewertung
in der Rinderhaltung
Wir versichern unsere Leben gegen eine unberechenbare Zukunft. Warum nicht unseren Planeten? Gernot Wagner und Martin L. Weitzman
führen uns mit lebendigen, klaren Worten durch
die wahrscheinlichen und unwahrscheinlichen
Auswirkungen des Klimawandels. Sie zeigen,
dass die Welt viel mehr tun muss, um eine Katastrophe zu vermeiden. Dabei geht es meist nicht
darum, was wir bereits wissen. Es geht vielmehr
um das, was wir nicht wissen — und auch gar
nicht wissen können. Es sind diese unberechenbaren „unwahrscheinlichen“ Auswirkungen des
Klimawandels, die vielmehr ins Gewicht fallen
als das, was wir tatsächlich mit Sicherheit wissen.
Aber können wir uns dieses Risiko wirklich leisten? Klimaschock zeigt, dass es am Ende nicht
um Kapitalismus gegen das Klima geht. Es geht
darum, unser tägliches Handeln mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen.
Die Geschichte einer Klimakatastrophe Wir schreiben das Jahr 2393. Die Welt ist nicht wiederzuerkennen. Über Jahrzehnte ignorierte Warnungen haben Temperatur und Meeresspiegel weiter
ansteigen lassen, Holland, Bangladesch und New
York sind von der Landkarte verschwunden. Der
ungebremste Klimawandel gipfelte im Großen
Kollaps des Jahres 2093, als der Zusammenbruch
des westantarktischen Eisschilds die Welt ins
Chaos stürzte. Geschrieben anlässlich des fiktiven 300. Jahrestags der Katastrophe, haben die
Historiker Oreskes und Conway mit ihrem Buch
ein Meisterstück wissenschaftsbasierter Science
Fiction vorgelegt, eine spannende wie beunruhigende Dystopie „im Geiste eines Aldous Huxley
oder George Orwell“. Die Welt hätte gut daran
getan, die Mahnungen der Wissenschaft ernst zu
nehmen, denn zu Beginn des 21. Jahrhunderts
wäre noch Zeit gewesen, das Ruder herumzureißen und die Klimakatastrophe aufzuhalten.
Wohin die Zeitreise stattdessen führen kann,
beschreiben die Autoren in ihrem Roman in bestechender Klarheit.
Der neue Band „Nachhaltigkeitsbewertung in
der Rinderhaltung“ aus dem DLG-Verlag enthält
die Ergebnisse des DBU-Projektes „Entwicklung
eines Nachhaltigkeits¬managementsystems für
Rinder haltende Betriebe“ und zeigt, mit welchen Indikatoren Nachhaltigkeit gemessen und
bewertet werden kann. Es wird anschaulich erläutert, wie sich die komplexen Zusammenhänge
von Struktur und Intensität der Fütterung, von
Haltungsverfahren und Wirtschaftsdüngerlagerung der Betriebe auf die Stoff- und Energieflüsse, auf den Nährstoffhaushalt und auf die
Emissionen von Ammoniak, Lachgas, Methan
und Kohlendioxid auswirken. Ergänzend wird
dargestellt, wie eine umfassende Bewertung der
Tiergerechtheit erfolgen kann. Anhand von 14
Betriebsbeispielen werden Ergebnisse interpretiert, die Aussagekraft verschiedener Indikatoren
diskutiert und Schlussfolgerungen zur Optimierung des betrieblichen Managements gezogen
Martin L. Weitzman, Gernot Wagner:
Klimaschock. Die extremen wirtschaftlichen Konsequenzen des Klimawandels. Verlag Ueberreuter,
256 S., 24,99 Euro
Naomi Oreskes, Erik M. Conway: Vom Ende der
Welt. Oekom Verlag 2015, 128 S., 12,95 Euro
DLG e.V. (Hrsg.): Nachhaltigkeitsbewertung in
der Rinderhaltung. Fütterung, Ressourcen, Klima,
Tiergerechtheit. DLG-Verlag 2015,
160 S., 19,90 Euro
Vorschau bioNachrichten Juni/Juli
In der Juni-/Juli-Ausgabe rücken wir die Schweine im Rahmen des Titelthemas in den
Fokus. Wo wird Schweine-Fleisch gegessen? Wie sieht der Markt für Bio-Schweine aus?
Wie werden Schweine ökologisch gehalten? Und welche Schweine gibt es überhaupt?
Diese und andere Fragen klären wir im nächsten Heft.
Bild: Biokreis
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Klimaschock
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Herausgeber:
Biokreis e.V.
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D-94034 Passau
Tel.: +49 (0) 851 / 7 56 50 - 0
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Auflage:
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Gründer:
Heinz Jacob
Redaktion:
Ronja Zöls
Josef Brunnbauer
Autoren:
Dorothee Ahlers
Jörn Bender
Gerhard Falter
Christina Lirsch
Eva Lisges
David Hierenbach
Karin Jürgens
Toni Reisinger
Marc Schüller
Satz und Layout:
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Titelbild:
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