Programmheft als PDF - Staatskapelle Dresden

SAISON 2015 2016
31.3.16
7. KAMMERABEND
D O N N ER S TAG 31. 3.16 2 0 U H R
I SEMPEROPER DRESDEN
7. KAMMERABEND
Kammerharmonie –
Bläsersolisten der Sächsischen
Staatskapelle Dresden
Ludwig Güttler Leitung
Bernd Schober,
Michael Goldammer Oboe
Wolfram Große,
Egbert Esterl Klarinette
Christian Dollfuß,
Jan Seifert Bassetthorn
Robert Langbein, Marie Luise
Kahle, Lars Scheidig, Eberhard
Kaiser Waldhorn
Joachim Hans, Joachim Huschke
Fagott
Andreas Börtitz Kontrafagott
Friedwart Christian Dittmann
Violoncello
Torsten Hoppe Kontrabass
PROGRAMM
Wolfgang Amadeus Mozart
(17 5 6 -17 91)
Serenade B-Dur für zwölf Bläser und
Kontrabass KV 361 »Gran Partita«
1. Largo – Molto allegro
2. Menuetto – Trio I – Trio II
3. Adagio
4. M
enuetto. Allegretto – Trio I – Trio II
5. R
omance. Adagio – Allegretto –
Adagio
6. Tema con variazioni
7. Finale. Molto allegro
Bernd Schober, Michael Goldammer,
Wolfram Große, Egbert Esterl, Christian
Dollfuß, Jan Seifert, Robert Langbein,
Marie Luise Kahle, Lars Scheidig,
Eberhard Kaiser, Joachim Hans,
Joachim Huschke und Torsten Hoppe
PAU S E
Antonín Dvořák
(18 41-19 0 4)
Serenade d-Moll für zehn Bläser,
Violoncello und Kontrabass op. 44
1. Moderato, quasi marcia
2. Menuetto. Tempo di menuetto –
Trio. Presto
3. Andante con moto
4. Finale. Allegro molto
Bernd Schober, Michael Goldammer,
Wolfram Große, Egbert Esterl, Joachim
Hans, Joachim Huschke, Andreas
Börtitz, Robert Langbein, Marie Luise
Kahle, Lars Scheidig, Friedwart
Christian Dittmann und Torsten Hoppe
ZUM PROGRAMM
Die Entstehung von Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade B-Dur für zwölf Bläser und Kontrabass KV 361 liegt weitgehend im Unklaren und hat immer wieder
zu verschiedenen Annahmen geführt. Alfred Einsteins Vermerk »komponiert im
ersten Halbjahr 1781 in München und Wien« ist ebenso zweifelhaft wie die Vermutung, das Werk sei während Mozarts Hochzeitsessen am 4. August 1782 aufgeführt
worden, wie sie von Georg Nikolaus Nissen, Ehemann von Mozarts Witwe und einer der ersten Biographen des Komponisten, nahegelegt wird. Auch ist die Behauptung, dass die sieben Sätze der Serenade ursprünglich zwei Werke von vier und
drei Sätzen bildeten, inzwischen widerlegt worden. Der früheste Beleg zu KV 361
findet sich in einer Ankündigung im Wienerblättchen vom 23. März 1784: »Heut
wird Herr Stadler der ältere in wirklichen Diensten Sr. Majestät des Kaisers, im k.k.
National-Hoftheater eine musikalische Akademie zu seinem Vortheil geben, wobey
unter anderen gut gewählten Stücken eine große blasende Musik von ganz besonderer Art, von der Composition des Hrn. Mozart gegeben wird.« Was sich hinter
der »großen blasenden Musik von ganz besonderer Art« verbirgt, verraten die
Memoiren des Schriftstellers Johann Friedrich Schink. Schink ist bei Stadlers Konzert anwesend und schreibt danach: »Hab’ auch heut eine Musik gehört mit Blasinstrumenten, von Herrn Mozart, in vier Säzzen – herrlich und hehr! Sie bestand
aus dreizehn Instrumenten, als vier Corni, zwei Oboi, zwei Fagotti, zwei Clarinetti,
zwei Basset-Corni, ein Contre-Violon, und saß bei jedem Instrument ein Meister –
o es tat eine Wirkung – herrlich und groß, treflich und hehr!« Glaubt man den
Ausführungen, werden in der Akademie lediglich vier der sieben Sätze aus KV 361
aufgeführt. Die Besetzung legt indes die Vermutung nahe, dass die Serenade dem
Umkreis der sogenannten Harmoniemusik entstammt, die im späteren achtzehnten
Jahrhundert dem Bedürfnis nach allseitiger Zerstreuung nachkommt. Doch ist das
Werk weit mehr als nur ein unterhaltsames Divertimento, worauf nicht zuletzt seine
öffentliche Aufführung in einer Akademie hinweist, vom renommierten Ort des k.k.
National-Hoftheaters einmal abgesehen. Ihre Monumentalität bringt der Serenade
nach Mozarts Tod den Beinamen »Gran Partita« ein. Tatsächlich übertrifft sie in
ihrem Ausmaß alles, was Mozart in Wien an Instrumentalmusik schreiben wird,
die späten Symphonien eingerechnet. Die feierliche langsame Einleitung des ers­
ten Satzes wird mit punktierten Akkorden eröffnet, »dolce« durchbrochen von der
ersten Klarinette, was auf Anton Stadlers süßen Ton hindeutet. Das Spiel des Hofklarinettisten soll unangestrengt, geradezu mühelos gewirkt haben. Das anschließende Allegro atmet böhmische Spielfreude. Die Gegenüberstellung einzelner
Instrumente leitet sich aus den Grundsätzen des concertare, eines Wettstreitens, ab
und führt zu einem paarweisen Auftreten der Klarinetten / Fagotte und Oboen / Bassetthörner, kontrastiert von symphonischen Tuttieinwürfen. Zwei Menuette umschließen das Adagio. Dem ersten Menuett eignet angesichts reicher Verzierungen
und Vorhalte ein unverkennbar höfischer Ton, gefolgt im Trio von einem Quartett
aus Klarinetten und Bassetthörnern, während das zweite Trio gänzlich ohne Klarinetten auskommt, dafür aber ein Fagottsolo in Triolenbewegung präsentiert. Das
zweite Menuett, also nach dem Adagio, ist ein Volkstanz mit angefügtem Molltrio
und ausgleichendem Ländler. Zu den reizvollsten langsamen Sätzen aus Mozarts
Feder zählt gewiss das Adagio. Über beharrlich pulsierenden Bass- und Mittelstimmen erhebt sich ein einzelner, unerschütterlicher Oboenton, der von der Klarinette
umspielend aufgenommen wird und den Gestus unstillbarer Sehnsucht in sich
trägt. Weite Tonsprünge stecken eine Welt ab, die sich in ihrer visionären Kraft
geradezu zu öffnen scheint – ein betörendes Wechselspiel klanglicher Zusammenziehung und Ausdehnung auf haltlos bewegtem Grund. Nach einer kaum weniger
ansprechend komponierten Romance kommt es zu einem Variationensatz, der an
Mozarts C-Dur-Flötenquartett KV 285b erinnert. Ein natürlich-fließendes Rondofinale beschließt das Werk.
Im perlenden, durchaus kontrastreichen Verlauf von Antonín Dvořáks Serenade
für zehn Bläser, Violoncello und Kontrabass op. 44 spiegelt sich ein tempora fugit,
das die Vergänglichkeit als heiteres Verströmen purer Daseins- und Spielfreude
feiert. Was der Komponist hier an musikalischen Ideen präsentiert, ist schlichtweg opulent und mag wesentlich zum internationalen Durchbruch seiner Werke
beigetragen haben. Dabei nimmt die Fülle der Einfälle unverkennbare Anleihen
an historische Vorbilder auf. So verweist die erste rhythmische Ligatur mit ihrer
marschähnlichen Punktierung im Kopfsatz auf den Beginn von Mozarts »Gran
Partita«. Die punktierte Disposition folgt der französischen Tradition, als das Erscheinen des Königs zu Beginn einer Zeremonie würdevoll begleitet wurde. Über
den Umweg des Militärischen gelangt der schreitende Gestus in die Harmoniemusik, wo er nicht selten als Mittel der Eröffnung eingesetzt wird, ganz im Sinne
eines ›realen‹ Auftretens der Musiker. Doch damit nicht genug der historischen
Reverenzen. Der Anfang der Serenade rekurriert auf Märsche schubertscher
Provenienz, in denen das Militärische gleichermaßen konserviert liegt. Es ist ein
selbstbewusstes, über das Historisierende hinausgehendes Beginnen, dem Dvořák
ein zweites, unverkennbar böhmisch gefärbtes Thema anfügt und damit der geschichtlichen Tiefendimension so etwas wie eine lokale Breitendimension beifügt.
Orchestraler, gleichsam symphonischer Reichtum schimmert im Menuett auf, das
durch tschechische Tanztypen, vor allem im virtuosen Trio, in nicht zuletzt hemiolischer Verschiebung eine Intensität erhält, deren präsentischen Sog man sich
kaum entziehen kann. Im Andante con moto wechselt die Szenerie. Dvořák eröffnet
ein pastorales Feld, auf dem die Flächen al fresco zusammenfließen – auch hier
fühlt man sich an Mozarts »Gran Partita« erinnert. Wenn die Klarinette und Oboe
in melodischem Tonfall zunächst miteinander flirten, liegt der Verweis auf eine
Schäferidylle nahe. Erkennbar gebraucht Dvořák eine Figur aus Richard Wagners
Liebesmotiv in Isoldes Liebestod, der sinnliches Zehren als ›sprechende‹ Geste regelrecht eingeschrieben ist. Fast scheint es, als packte Dvořák in diesen Satz alles
hinein. In zunehmender Verdichtung webt und pulsiert es auf allen Ebenen, findet
er zu einer wuchernden Verästelung, die die Grenze zum Symphonischen ebenso
wie zum Dramatischen überschreitet und in ihren anschwellenden Linien und
weiten, pochenden Intervallsprüngen bereits auf Mahler hindeutet. Wenn sich die
Szene gegen Ende wieder beruhigt, zeigt ein unterschwelliges Nachzittern den
Grad der erreichten Entwicklung an, in der die Unschuld des Anfangs nur noch
als Utopie aufscheint – trotz augenscheinlicher Erfüllung, die aus dem nun terz­
verdoppelten Liebesmotiv tönt. Es gibt kein Zurück mehr, alle Bewegung spielt
in der Gegenwart. So beginnt der Finalsatz mit einem musikantischen Unisono
aus der Sphäre der böhmisch-mährischen Dorfmusik, der bald eine zünftige, an
die »Slawischen Tänze« erinnernde Polka folgt. Dvořák komponiert die Serenade
1878 innerhalb von 14 Tagen. Es ist das Jahr, in dem die erste Serie der »Slawischen Tänze« erscheint. Nur ein Jahr zuvor hatte er in Wien eine von Mozarts
Bläserserenaden gehört. Beide Umstände mögen ihn zu einem eigenen Beitrag
für diese Gattung bewogen haben und ein Netz vielfältiger Bezüge spannen.
Wenn das Marschthema des ersten Satzes im Finale wiederkehrt, signalisiert
Dvořák das nahende Ende, bei dem sich die Musiker, zumindest in der Zeit der
Wiener Klassik, für ihren Abgang in Bewegung setzten – getreu Jaques’ Motto
aus Shakespeares »Wie es Euch gefällt«: »Die ganze Welt ist Bühne / Und alle
Fraun und Männer bloße Spieler / Sie treten auf und gehen wieder ab.«
Ludwig Güttler Leitung
Sein Trompetenspiel machte Ludwig Güttler berühmt, längst aber kennt man
ihn auch als Dirigenten und Musikforscher, als Festivalgründer, als Fürsprecher
und Unterstützer des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche. Ausgebildet in
Leipzig, dann zunächst als Orchestermusiker tätig, begann Güttler schon während dieser Zeit seine internationale Solistenkarriere. Ein begeistertes Publikum
und euphorische Rezensenten begleiteten seinen Weg als Solist, Kammermusiker und Dirigent. Als Lehrer und Juror engagiert er sich für den musikalischen
Nachwuchs. Seit knapp drei Jahrzehnten widmet er sich der Wiederbelebung
der sächsischen Hofmusik des achtzehnten Jahrhunderts. Der Gründer mehrerer
Ensembles kann auf zahlreiche Auszeichnungen sowie Aufnahmen von mehr als
fünfzig Tonträgern verweisen.
Kammerharmonie der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Die Kammerharmonie der Sächsischen Staatskapelle Dresden wurde 1974 vom
damaligen Solo-Hornisten der Kapelle Peter Damm gegründet und vereinigt in
der klassischen Oktettbesetzung führende Bläser des Orchesters. Das Ensemble
hat sich durch seine Auftritte im In- und Ausland, u. a. bei den Osterfestspielen
Salzburg 2013, hohe Wertschätzung erworben. Sein Repertoire besteht aus der
einschlägigen klassischen Musikliteratur, namentlich der Musik Mozarts, schließt
aber auch Werke weniger bekannter Komponisten ein, darunter Stücke der Mozart-Zeitgenossen Josef Mysliveček und Jiří Družecký. Der Gründer des Ensembles
Peter Damm verabschiedete sich 2002 von der Sächsischen Staatskapelle und
damit auch von der Kammerharmonie, seitdem leitet Bernd Schober das Ensemble.
VORSCHAU
9. Symphoniekonzert
S A M S TAG 16 . 4 .16 19 U H R
S O N N TAG 17. 4 .16 11 U H R
S E M P ER O P E R D R E S D E N
Christian Thielemann Dirigent
Yefim Bronfman Klavier
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19
Peter Ruzicka
»Elegie«, Erinnerung für Orchester (2015)
Uraufführung
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73
Kostenlose Konzerteinführungen
jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer
des 3. Ranges der Semperoper
Aufzeichnung durch MDR Figaro
Kammermusik der Sächsischen
Staatskapelle Dresden
Gegründet 1854 als TonkünstlerVerein zu Dresden
Verantwortlich:
Friedwart Christian Dittmann,
Ulrike Scobel und Christoph Bechstein
IMPRESSUM
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
Spielzeit 2015 | 2016
H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© März 2016
R E DA K T I O N
André Podschun
TEXT
Der Einführungstext von André Podschun
ist ein Originalbeitrag für dieses Heft
G E S TA LT U N G U N D S AT Z
schech.net
Strategie. Kommunikation. Design.
DRUCK
Sonderkonzert
»Der Capell-Virtuos & Freunde«
M I T T WO C H 2 0 . 4 .16 2 0 U H R
D O N N E R S TAG 21. 4 .16 2 0 U H R
S E M P ER O P E R D R E S D E N
Christian Thielemann Dirigent
The Mutter-Bronfman-Harrell Trio
Anne-Sophie Mutter Violine
Yefim Bronfman Klavier
Lynn Harrell Violoncello
Ludwig van Beethoven
Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15
Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur op. 58
Konzert für Klavier, Violine, Violoncello
und Orchester C-Dur op. 56 »Tripelkonzert«
Union Druckerei Dresden GmbH
Private Bild- und Tonaufnahmen
sind aus urheberrechtlichen Gründen
nicht gestattet.
W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E