267 Einwirkung von Laugen auf das Absorptionsspektrum der Eiweißkörper. Eine Bemerkung zur Däkinschen Theorie der Eacemisation und Enolisation der Eiweißkörper. Von J. Grob und M. Weltner. Mit 5 Figuren im Text. (Aus dem chemischen Institut der kgl. Ungar. Tierärztlichen Hochschule, Budapest.) (Der Redaktion zugegangen am 24. April 1931.) I. Die Abnahme der optischen Aktivität alkalischer Proteinlösungen1) wurde durch H. D. Dakin so erklärt2), daß die asymmetrischen C-Atome der Peptidketten durch Enolisation der Peptidbindungen ihre Asymmetrie verlieren: —NH—GH—CO—NH— A. -<=> —NH—C=C(OH)—NH— i Laut dieser Auffassung stellen wir uns dieses Gleichgewicht und dfen Kacemisationsvorgang etwa so vor, daß das optisch aktive Peptid bei der Einwirkung von Lauge leicht in die Enolform übergeht, die Eückbildung aber nicht zur optisch aktiven, sondern inaktiven Ketoform führt. P. A. Kober und W. Eberlein haben durch spektrographische Untersuchungen diese Auffassung geprüft3), davon ausgehend, daß die durch Dakin angenommene Enolisation der Peptidbindungen die Bildung neuer Doppelbindungen, d. h. neuer chromophorer Gruppen mit sich bringt, welcher Umstand in einer Änderung des Absorptionsspektrums sich äußern sollte. Diese Forscher konnten aber bei Behandlung der Peptide mit Alkali keine Änderungen der Absorptionsspektra beobachten und bezweifelten aus diesem Grunde die Eichtigkeit der Däkinschen Auffassung. J ) A. Kossel u. F. Weiss, Z. physiol. Chem. 59, 462 (1909); 60, 311 (1909);2 68, 165 (1901). ) Amer. ehem. J. 44, 48 (1910). Vgl. noch J. Chem. Soc. London 107, 439 (1915); J. of biol. Chem. 13, 357 (1912); 15, 263 (1913). 3 ) J. of biol. Chem. 22, 433 (1915). 18* Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM 268 J· Groh und M. Weltner, P. A. L even e und Mitarbeiter untersuchten eine große Eeihe verschiedener Peptide, Ketopiperazine und Proteine.1) Was die letzteren anbelangt, führten sie die Versuche so aus, daß sie die Proteine in alkalischer Lösung (0,2, 1,0 und 5,0 n-NaOH) bei 25° C stehen ließen, die zeitweise herausgenommenen Proben mit HC1 vollständig hydrolysierten und polarimetrisch den Grad der Eacemisation des erhaltenen Aminosäurengemisches bestimmten. In einer früheren Arbeit hat einer von uns mit M. H an a k die spektrometrischen Untersuchungen der mit Alkali behandelten Eiweißlösungen wieder aufgenommen2) und gezeigt, daß die Absorptionsspektra des Caseins und Eialbumins in alkalischen Lösungen (norm. NaOH) bei 100° C eine mächtige Verschiebung aufweisen, was wir auf die Dakinsche Enolisation zurückführten. II. Wir ergänzen nun diese letztere Arbeit mit neuen Beobachtungen. Die Versuche führten wir mit Serumglobulin, Serumalbumin, Gliadin, Ovalbumin und Casein aus. Aus diesen Eiweißkörpern bereiteten wir l%ige Lösungen, welche in bezug auf NaOH 0,1, 0,2, 1,0 oder 2,5 normal waren. Diese Lösungen hielten wir teils bei 25° C, teils bei 100° C, entnahmen in gewissen Zeitpunkten Proben und bestimmten die Absorptionsspektra derselben mittels eines Hi l g er sehen Quarzspektrographen, welches mit einem JuddLewisschen Sektorphotometer in Verbindung gebracht wurde. Die Extinktionskoeffizienten ( ) berechneten wir nach der Formel wo c die Konzentration der Eiweißlösung in Procenten und d die Schichtdicke in Zentimeter bedeutet. III. Die bei 25° C erhaltenen Eesultate sind die folgenden: Beim Ovalbumin und Casein fanden wir bei 25° C keine Änderung des Absorptionsspektrums weder in 0,2, n o c h i n l , 0 n-NaOH-Lösung. Ersteres beobachteten wir 11, das letztere 22 Tage lang. Bei den übrigen Eiweißstoffen trat auf Einwirkung der Lauge eine Erhöhung des Absorptionsmaximums auf. Was das Serumglobulin anbelangt, ist diese Erhöhung aus der Fig. l (Kurven 2, x ) Vgl. P. A. Levene u. L. W. Bass, J. of biol. Chem. 82, 171 (1929) und die hier zitierten früheren Arbeiten. 2 ) J. Groh u. M. Hanak, Diese Z. 190, 169 (1930). Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM Einwirkung von Laugen auf das Absorptionsspektrum d. Eiweißkörper. 269 8 und 4) zu beobachten. Beim Serumalbumin und Gliadin teilen wir der Einfachheit halber in der Tab. l nur die bei den Absorptionsmaxima gemessenen Extinktionskoeffizienten mit. Tabelle 1. beim Absorptionsmaximum Serumglobulin in 0,1 n-NaOH sofort nach der Alkalisierung , nach 2 Stunden nach 24 Stunden nach 72 Stunden Serumalbumin in 0,1 n-NaOH sofort nach der Alkalisierung , nach 2 Stunden nach 24 Stunden . . . . . . Gliadin in 0,2 n-NaOH sofort nach der Alkalisierung nach 4 Tagen nach 9 Tagen Gliadin in 1,0 n-NaOH sofort nach der Alkalisierung nach 5 Tagen nach 10 Tagen 13,6 15,1 16,5 16,4 11,4 13,0 12,9 7,1 7,7 7,7 7,6 8,1 8,1 Wie ersichtlich, zeigt hauptsächlich das Serumglobulin eine große Empfindlichkeit gegen die Einwirkung der Lauge. Diese Erfahrung scheint mit den Versuchen vonC. Schorr1) inZusammenhang zu stehen, der die Änderung der inneren Beibung alkalisierter Serumglobulinlösungen untersuchte und u. a. zeigte, daß die Viscosität einer Serumglobulinlösung in 0,083/n-NaOH mit der Zeit zunimmt und in 2 Stunden 51 Minuten ein Maximum erreicht. Die Erhöhung der Viscosität fällt etwa mit der Erhöhung des Absorptionsmaximums zusammen; ihre ^ nun folgende Abnahme kann auf eine Hydrolyse zurückgeführt werden. Die spektralphotometrisch untersuchten alkalischen Lösungen haben wir in jedem Falle nachträglich mit H01 angesäuert und nochmals spektralphotometrisch untersucht. Die so erhaltenen Absorptionskurven zeigten eine Erhöhung, die parallel der in den alkalischen Lösungen beobachteten verlief. Die Lauge verursachte also eine irreversible Änderung des Proteins. Im sauren Medium zeigen die Absorptionsspektra der Eiweißkörper keine Veränderung mit der Zeit. Biochem. Z. 37, 424 (1911). Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM J. Grob und M. Weltner, 270 IV. Bei 100° erleiden die Absorptionsspektra sämtlicher untersuchten Eiweißkörper eine starke Veränderung. Die an Serumglobulin erhaltenen Daten teilen wir in den Figg. l—4 detailliert mit, wo die Wellenlängen (in ) auf die AbszissenIV Jü >5 1 >0 ..···<? i 5 I 0 X* ^vr • l A 3 O \, 20 1 1 7 ^X \v .X \ \ \\\ o 'hep^ \\ l \ V *» \V* e • 5 \ 5 V -S o ::fO 250 270 290 310 230 250 Fig. 1. Fig. 1. Serumglobulin. Kurve 1 in 0 1 n-HCI. 2 In 0 1 NaOH sofort nach der 3 , nach 2 Stunden 4 > „ 24 „ 5 „10 „ 6 „ 2 0 „ 7 „ 5 0 „ Fig. 2. Serumglobulin in 1,0 n-NaOH. Kurve „ » „ „ 270 290 31 Fig. 2. Alkalisierung bei 25° „ „ „ 1000 „ „ „ „ l sofort nach der Alkalisierung 2 nach 2 Stunden bei 100° 3 „ 5 „ „ „ 4 „ 10 „ „ „ 5 „ 20 „ „ „ Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM Einwirkung von Laugen auf das Absorptionsspektrum d. Eiweißkörper. 271 achse, die Extinktionskoeffizienten aber als Ordinaten aufgetragen sind. Bei den übrigen Eiweißkörpern geben wir der Einfachheit halber nur die Verschiebung der Absorptionsmaxima mit der Zeit an. In Fig. 5 bedeuten also die Abszissen die Einwirkungsdauer 270 Fig. 4- Fig. 3. Serumglobulin in 2,5 n-NaOH. Kurve l nach 10 Stunden bei 100° i> £U ' 50 3 4 } 10 und dann angesäuert 5 20 > 50 6 } Fig. 4. Serumglobulin in 2,5 n HCU Ku rve 1 n ch 10 Stun den b ei 10 2 } 20 3 } 60 j 4 10 und dann alkalisch gemacht 5 , 20 f 6 „ 60 , , Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM 272 J. Groh und M. Weltner, der Lauge'(in Stunden) und die Ordinaten die bei den Absorptionsmaxima gemessenen Extinktionskoeffizienten. Es ist aus diesen Kurven zu ersehen, daß z. B. in 1,0/n-NaOH die Erhöbung des Absorptionsmaximums beim Serumglobulin, Serumalbumin und Ovalbumin ein Maximum erreicht, und zwar verhältnismäßig in kürzester Zeit beim Serumglobulin. Ein Ähnliches sehen wir bei den 2,5/n-NaOH-Lösungen, in welchen wir nur beim Gliadin kein Maximum erreicht haben. Auch in diesen Versuchsreihen haben wir die untersuchten alkalischen Proben mit HC1 angesäuert und nochmals spektrophotometriert. Aus diesen Ergebnissen teilen wir nur einige mit in Fig. 3 (Kurve 4, 5 und 6). Im allgemeinen ändern sich die an diesen sauren Lösungen erhaltenen Absorptionskurven parallel mit denjenigen der alkalischen Lösungen. Zum Schluß haben wir sämtliche untersuchten Eiweißstoffe auch mit 2,5/n-HCl bei 100° hydrolysiert und die zeitweise herausgenommenen Proben spektrophotometriert. Einige der diesbezüglichen Daten sind in der Fig. 4 dargestellt. (Die übrigen mitzuteilen halten wir für überflüssig.) Wie ersichtlich, ruft die Säurehydrolyse keine Verschiebung des Absorptionsmaximums hervor. Auch die Absorptionsmaxima der nachher alkalisch gemachten Proben (Fig. 4, Kurve 4, 5 und 6) erweisen sich als beinahe konstant. V. Wie in unserer früheren Arbeit (Grob und Hanak, a. a. 0.), erklären wir auch jetzt die Erhöhung der Absorptionsmaxima der Eiweißkörper bei Einwirkung von Lauge laut der Dakinschen Auffassung mit der Enolisation der Peptidbindungen, welche mit Bildung neuer Doppelbindungen, d. h. neuer chromophorer Gruppen einhergeht. Diese Erhöhung war a priori zu erwarten und wurde von P. A. Kober und W. Eberlein (a. a. 0.) schon im Jahre 1915 erwartet. Wir werden unten sehen, warum sie dies nicht gefunden haben. Auch war vorauszusehen, daß die Erhöhung des Absorptionsmaximums ein Maximum aufweisen muß, weil die enolisierten Peptidbindungen ja durch Hydrolyse früher oder später wieder vernichtet werden müssen. Andererseits könnte man auch erwarten, daß sich das Absorptionsmaximum bei vollständiger Hydrolyse auf einen Wert vermindern wird, welcher der Menge der im Eiweiß vorhandenen Aminosäuren entspricht. Dies war aber nicht der Fall: Das Absorptionsmaximum ging in keinem Falle so weit wieder zurück, in den meisten Fällen erhöhte es sich sogar nochmals. Diese zweite Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM lEinwirkung von Laugen auf das Absorptionsspektrum d. Eiweißkörper. 273 Erhöhung (vgl. Fig. 5) müssen wir so erklären, daß 'sich bei der langdauernden Hydrolyse solche Nebenprodukte bilden, welche ^ine starke Endabsorption haben und dadurch die ganze Absorptionskurve aufwärts schieben. 100" VI. Von den Eiweißkörpern, welche durch Levene und Bass (a. a. 0.) und von uns untersucht wurden, sind nur zwei gemeinsam, nämlich das Casein und das Ovalbumin. Vergleichen wir das Verhalten dieser Proteine in diesen beiden Versuchsreihen, so kommen wir auf ein merkwürdiges Eesultat. Levene und Bass fand z. B., daß in 1,0/n-NaOH bei 25° das Casein in 15 Tagen zu 88°/0 und das Ovalbumin in 7 Tagen zu 60% racemisiert wird. Wie wir schon erwähnt haben, zeigt sich aber während dieser Zeit und unter denselben Bedingungen keine Verschiebung im Absorptionsspektra dieser Eiweißkörper. Der größte Teil der Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM 274 J· Groh und M. Weltner. Racemisation spielt sich also ab, ohne daß man spektralphotometrisch eine Enolisation dieser Eiweißkörp>er beobachten konnte. Dies wird erst bei höherer Temperatur möglich, also nur dann, wenn die Racemisati<on — nach Versuchen von Levene und Bass — schon faist vollendet ist. Wollen wir diese Tatsachen mit der in der Einleitung geschilderten Dakinschen Auffassung in Harmonie bringen, so können wir dies etwa in folgender Weise tun: Wir teilen (die Peptidbindungen des Eiweißmoleküls ganz beiläufig in 2 Gruppen. Für die erste Gruppe, zu der die meisten Peptidbindungen des Eiweißmoleküls gehören, ist charakteristisch, daß sie leicht, d. h. schon bei gewöhnlicher Temperatur, racemisierbar sind. Auf diese Bindungen beziehen sich also die Levene- und B äs s sehen Untersuchungen. Bei diesen Peptidbindungen müssen wir den RacernisierungsVorgang so erklären, daß die Enolisation relative langsaoin, die Rückbildung der inaktiven Ketoform aber sehr schnell vor sich geht. Die Enolform bildet hier also ein Zwischenprodukt, welches aber in statu nascendi verschwindet und dementsprechend spektralphotometrisch nicht nachweisbar ist. Es scheint uzts, daß diejenigen Peptide, mit welchen Kober und Eberlein gearbeitet haben, zu dieser Gruppe gehören und daher ihre spektralphotometrischen Untersuchungen negativ ausfielen. Die zweite Art der Peptidbindungen könnte so charakterisiert werden, daß die Enolisation noch schwerer, langsamer (größtenteils erst bei höherer Temperatur) vor sich geht, die Umwandlung der gebildeten Enolformen (in inaktive Ketoformen) sich aber nicht momentan, sondern relativ langsamer als bei der ersten Gruppe vollzieht. Die Enolform, welche hier auch ein Zwischenprodukt bildet, häuft sich also in diesem Falle an und ihre Anwesenheit kann spektralphotometrisch nachgewiesen werden. Diese Einteilung ist natürlich nur eine grobe. Beim Seramglobulin und in kleinerem Maße auch beim Serumalbumin und Gliadin konnten wir auch bei gewöhnlicher Temperatur eäne Enolisation spektralphotometrisch nachweisen. Hier handelt es sich also um Ketoformen, welche leicht enolisierbar sind, dalbei aber um eine Enolform, die stabiler ist, d. h. sich nicht momentan zurückbildet. Leider wissen wir wenig über die Menge der Enolbindungen. Aus dem oben Gesagten kann man nur schließen, daß in unseren Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM J. Groll und M. Weltner, Einwirkung von Laugen usw. 275 Lösungen wahrscheinlich nur ein kleiner Teil der Peptidbindungen in Enolform vorhanden war. Wir versuchten übrigens die Menge der Enolbindungen durch Hydrierungsversuche (in Anwesenheit von Palladium als Katalysator) in denjenigen Lösungen zu bestimmen, welche spektralphotometrisch die größte Menge der Enolbindungen indizierten. Diese Versuche fielen aber negativ aus, d. h. es war keine Wasserstoffaufnahme zu beobachten. Diese Arbeit wurde der III. Kl. der Ungarischen Akademie der Wissenschaften in der Sitzung am 16. März 1931 vorgelegt. Zu besonderem Dank sind wir der Wissenschaftlichen Gesellschaft Szechenyi verpflichtet, durch deren Unterstützung die Durchführung dieser Arbeit ermöglicht wurde. Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:40 AM
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