266_datei3 - TU Dresden

Prof. Dr. Detlev Sternberg-Lieben
SoSe 2009
Wirtschaftsstrafrecht - Vertiefung (Besonderer Teil)
§ 266 StGB - Einführungsfälle
Lösung → Fußnoten
Dem GmbH-Geschäftsführer G (Abw.: dem Prokuristen P) war es
durch Beschluss der GmbH-Gesellschafter (Abw.: durch Weisung
seines Prinzipals) strikt untersagt, finanzielle Reserven der GmbH
- in welcher Form auch immer - anzulegen; sie sollten stattdessen weiter auf dem Girokonto der Firma unverzinst stehen bleiben („Bargeld lacht“).
(1) G legt stattdessen dieses Geld auf ein Postsparkonto/Tagesgeldkonto (Verzinsung: 2,5%) an.1
(2) Die über die Eigenmächtigkeit des Geschäftsführers empörten Gesellschafter kündigen ihm seine Entlassung an (Abw.:
kündigen ihm mit sofortiger Wirkung fristlos2); daraufhin über1
§ 266 - Missbrauchstatbestand: [-]
- zwar:
- G als GmbH-Geschäftsführer (bzw. Prokurist) vermögensbetreuungspflichtig (s.
Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 8)
- Befugnismissbrauch (+): Im Außenverhältnis wirksames Handeln im Rahmen seines
rechtlichen Könnens (§§ 35, 37 II 1 GmbHG) / unter Überschreitung der G im Innenverhältnis gezogenen Grenzen (§ 37 I GmbHG) [Abw.: Außenverhältnis → §§ 49,
50 I HGB / Innenverhältnis → Weisung des Geschäftsherrn]
- aber: Vermögensnachteil (-)
- Kompensation des Verlustes des Zahlungsanspruches aus Girovertrag (vgl. 676 a ff. /
780 BGB) durch gleichzeitig erworbenen, ungefährdeten Rückzahlungsanspruch aus
Darlehen.
2
Wie Ausgangsfall: G = vermögensbetreuungspflichtig → fortwirkendes „faktisches“ Treuverhältnis (vgl. Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 31, 34)!
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weist G das Bargeld der GmbH auf sein Nummernkonto in der
Schweiz und entschwindet ins Engadin.3
(3) G legt das Firmengeld in vietnamesischen Aktien an; leider
geht die HochiMinh-AG Pleite.4
(4) G hat im Fall (3) lediglich 5.000 € aus dem GmbH-Vermögen angelegt; er war von Anfang an willens und im Stande, bei
Fehlgehen dieser Investition die fragliche Summe der GmbH
aus seinem Privatvermögen zu ersetzen.5
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [+]
{bei Bargeldentnahme aus Firmenkasse als Schädigung durch faktisches Verhalten (s. Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 35, 36) → Treubruchstatbestand [+]}.
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [+] oder [-]
- Vermögensnachteil:
-V-Schaden durch Verlust des Kapitals: (+); aber: wohl kein diesbezüglicher bedingter Vorsatz bei G (kein billigendes Inkaufnehmen; zw.)
- schadensgleiche V-Gefährdung bereits durch Geldausgabe für Aktienkauf: → Risiko-Geschäft: eher (-) → keine Konstellation „höchst zweifelhafter Gewinnaussicht + erheblich gesteigerter Verlustgefahr“ [vgl. MüKo-Dierlamm, § 266 Rn. 189]); sofern insoweit V-Schaden bejaht: Vorsatz (+), sofern G alle Umstände kannte aus denen sich die
Einstufung als schadensgleich ergibt (enger aber nunmehr vor dem Hintergrund der - anders als bei § 263 StGB nicht durch das Erfordernis der Bereicherungsabsicht „kompensierten“ - Vorverlagerung der {Vollendungs-}Strafbarkeit durch das Konstrukt der schadensgleichen Vermögensgefährdung: BGHStE 51, 100, 121 ff. → zusätzlich erforderlich:
„Billigung der Realisierung [!] dieser Gefahr, sei es auch nur in der Form, dass der Täter
sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolgs abfindet“ (anders noch BGHStE 47,
148, 157: „..muß sich auch das Billigungselement des bedingten Vorsatzes nur auf die
schadensgleiche Vermögensgefährdung beziehen.“).
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [-]
- Missbrauch (+), s.o. Fn. 1
- Vermögensschaden: wie oben Fn. 4; also „eigentlich“ (+);
aber: Anders als beim Betrug sollen bei der Untreue Ersatzansprüche gegen den Täter
einen Schaden dann entfallen lassen, wenn Betreuungspflichtiger bei und nach einer
pflichtwidrigen Verwendung fremder Gelder objektiv jederzeit eigene flüssige Ersatzmittel bereithält und auch subjektiv stets zahlungsbereit ist (anders wenn der Täter die treuwidrigen Verfügungen durch Manipulation von Belegen oder in sonstiger Weise ver2
(5) G legt das GmbH-Geld in einem Investmentfond an, der in
den sog. BRIC-Staaten6 investiert. Nach einem Jahr sind die
Fond-Anteile zu 50% im Wert gestiegen.7
(6) Wie oben (5); aber: Nach einem Börsen-Crash in Shanghai
hat sich der ursprüngliche Wert der erworbenen Fondanteile
erwartungswidrig um 50% vermindert.8
(7) GmbH-Geschäftsführer G macht gegenüber dem GmbHSchuldner S eine GmbH-Forderung trotz Fälligkeit nicht gel-
schleiert); zw. (s. BGHStE 15, 342, 344, Rengier, Strafrecht BT I, § 18 Rn. 23 einerseits,
Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 42 andererseits).
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Also Investition in Unternehmen in Brasilien, Russland, Indien und China.
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [-]
- Missbrauch: (+); angesichts der klaren Vorgabe im Innenverhältnis kommt es vorliegend
nicht auf den mutmaßlichen Willen des Vermögensinhabers bzw. die Sorgfalt eines juristischen Homunkulusses in Form eines gewissenhaften Kaufmannes (vgl. § 43 I GmbHG:
„Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes“; s.a. § 93 I AktG) an.
Grundsätzlich besteht bei „Risikogeschäften“ - sofern keine Vorgabe im Innenverhältnis besteht - ein Entscheidungsspielraum, der erst dann überschritten ist, wenn das fragliche Geschäft klar und evident wirtschaftlich unvertretbar ist (vgl. LK-Schünemann, § 266 Rn. 96;
Schönke/Schröder-Lenckner/Perron, § 266 Rn. 20).
- anders als oben Fn. 4 jedenfalls kein Vermögensschaden in Form schadensgleicher Vermögensgefährdung, da angesichts der Wirtschaftslage in diesen Ländern dieses Geschäft mit
keinem unvertretbaren Verlustrisiko behaftet war.
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [-]
- Vermögensnachteil:
- konkreter V-Schaden durch Kapitalverlust; aber: kein diesbezüglicher (bedingter)
Vorsatz bei G
- schadensgleiche V-Gefährdung durch Tätigen der Investition: Zwar waren G insoweit
alle tatsächlichen Umstände bekannt; aber: allein hierdurch objektiv kein Schaden
(Verlust nicht wahrscheinlicher als Erhalt des Kapitals oder Gewinn).
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tend, so dass - wie G erkennt - diese Forderung schließlich verjährt.9
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§ 266 - Missbrauchstatbestand: [-]
- bloßes Unterlassen des A kein im Außenverhältnis wirksamer Missbrauch rechtsgeschäftlich
eingeräumter Verfügungsmacht
§ 266 - Treubruchstatbestand: [+]
- Pflichtverletzung: (+) durch Nichtstun (Nichtgeltendmachen der Forderung) als nicht
hinreichende Wahrnehmung anvertrauter Vermögensinteressen (vgl. Schönke/SchröderLenckner/Perron, § 266 Rn. 35a)
- V-Schaden: (+), sofern realisierbare Forderung (war die Forderung hingegen schon
derart gefährdet, dass sie nicht mehr an Wert verlieren konnte, so wäre durch das Verjährenlassen kein Vermögensschaden herbeigeführt worden).
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