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Branchenempfehlung Strommarkt Schweiz
Balancing Concept Schweiz
Grundlagen für das Bilanzmanagement des Strommarktes Schweiz
Dieses Dokument wurde erarbeitet unter der Verantwortung von:
BC – CH, Ausgabe 2012
Impressum und Kontakt
Herausgeber
Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE
Hintere Bahnhofstrasse 10, Postfach
CH-5001 Aarau
Telefon +41 62 825 25 25
Fax +41 62 825 25 26
[email protected]
www.strom.ch
Autoren der Erstausgabe 2006
Thomas Tillwicks
Antoine Pochon
Beat Grossmann
Hanspeter Fuchs
Moser Charles
Paul Niggli
Andrea Testoni
Anton Pieren
Jean-Pierre Le Ray
Klaus Meyenhofer
Kaja Hollstein
Alain Schenk
Stefan Bühler
Jean-Michel Notz
*TPG = Teilprojektgruppe
ETRANS/swissgrid
Groupe-E Fribourg
Efforte Olten
EKZ Zürich
BKW-FMB Bern
CKW Luzern
AEM Massagno
Netzulg Steffisburg
Groupe-E Fribourg
Gipf-Oberfrick
ETRANS/swissgrid
BKW-FMB Bern
ETRANS/swissgrid
VSE/AES Aarau
Leiter *TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH bis 31.03.2006
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH bis 31.08.2006
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH ab 01.04.2006
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH ab 01.09.2006
Mitglied TPG BC CH
Mitglied TPG BC CH
Projektleitung VSE
Peter Betz, Projektleiter MERKUR Access II
Jean-Michel Notz, Leiter Kernteam MERKUR Access II
Team Revision 2012
Alexander Wirth
Kaja Hollstein
Eric Reuter
Anton Pieren
Jean-Pierre Le Ray
Walter Bucher
Jean-Michel Notz
Swissgrid
Swissgrid
Swissgrid
Netzulg Steffisburg
SI Lausanne
BKW-FMB
VSE/AES, Sekretär Netznutzungskommission
Chronologie Balancing Concept CH
Oktober 2005
Arbeitsaufnahme Teilprojektgruppe BC
30. Januar 2006
Fertigstellung Entwurf BC CH
06. Februar bis 22. März 2006 Vernehmlassung in der Branche
April/Mai
Fertigstellung zur Vorlage an VSE-V
01. Juni 2006
VSE-V, Entscheid: Dokument soll überarbeitet und
einer zweiten Vernehmlassung unterzogen werden
Juni /Juli 2006
Entwurf Überarbeitung
18. Juli bis 31. August 2006
Zweite Vernehmlassung in der Branche
28. November 2006
Genehmigung durch den VSE-Vorstand
2010-2011
Anpassungen an StromVG und StromVV durch Swissgrid
Januar 2012
Graphische und redaktionelle Anpassungen durch VSE
20. April – 18. Juni 2012
Vernehmlassung in der Branche und Konsultation der Vertreter der
Endverbraucher und der Erzeuger nach Art 27 Abs 4 StromVV
24. August bis Herbst 2012
Bereinigung durch Team Revision 2012
5. Dezember 2012
Genehmigung durch VSE Vorstand
Pflege und Weiterentwicklung des Dokumentes sind bei der
Netznutzungskommission (NeNuKo) angesiedelt
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2
Dieses Branchendokument gilt als Richtlinie im Sinne von Artikel 27 Absatz 4
Stromversorgungsverordnung
Druckschrift Nr. 1002d, Ausgabe 2012
Copyright
© Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE
Alle Rechte vorbehalten. Gewerbliche Nutzung der Unterlagen ist nur mit Zustimmung des VSE und
gegen Vergütung erlaubt. Ausser für den Eigengebrauch ist jedes Kopieren, Verteilen oder anderer
Gebrauch dieser Dokumente als durch den bestimmungsgemässen Empfänger untersagt. Der VSE
übernimmt keine Haftung für Fehler in diesem Dokument und behält sich das Recht vor, dieses
Dokument ohne weitere Ankündigungen jederzeit zu ändern.
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3
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Anwendungsbereich des Dokumentes
1. Executive Summary
1.1.
Allgemeines
1.2.
Fahrplanmanagement
1.3.
Regel- und Ausgleichsenergie
1.4.
Messdatenmanagement
1.5.
Umfang des Dokuments
2. Einleitung
2.1.
Handlungsbedarf: Der offene Markt verlangt Werkzeuge und Regeln
2.2.
Ziel und Umfang dieses Dokuments
3. Überblick Bilanzmanagementkonzept
3.1.
Definition
3.2.
Bestandteile eines Bilanzmanagementkonzepts
3.2.1.
Vor dem Liefertag: Fahrplanmanagement
3.2.2.
Während des Liefertags: Bereitstellung der Regelenergie
3.2.3.
Nach dem Liefertag: Messdatenmanagement und Abrechnung der
Ausgleichsenergie
3.2.4.
Abgrenzung des Bilanzmanagements von den übrigen Systemdienstleistungen
3.3.
Akteure und ihre Rollen im Rahmen des Bilanzmanagements
3.3.1.
Übertragungsnetzbetreiber
3.3.2.
Verteilnetzbetreiber
3.3.3.
Bilanzgruppenverantwortliche
3.3.4.
Verantwortlicher für die Bilanzgruppe für erneuerbare Energien
3.3.5.
Händler
3.3.6.
Erzeuger
3.3.7.
Erzeugungseinheit
3.3.8.
Lieferant
3.3.9.
Endverbraucher
3.3.10.
Systemdienstleistungserbringer
3.4.
Rollen und ihre Aufgaben im Rahmen der Bilanz der Schweizer Regelzone
3.5.
Auswirkungen des Bilanzmanagements auf die Rollen der Akteure
3.5.1.
Auswirkungen auf den Übertragungsnetzbetreiber
3.5.1.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
3.5.1.2. Automatisierung der Abläufe
3.5.1.3. Kompatibilität mit den Nachbarländern
3.5.1.4. Beschaffung und Vergütung der Regelenergie
3.5.1.5. Bilanzmanagement
3.5.2.
Auswirkungen auf Verteilnetzbetreiber
3.5.2.1. Trennung von Netz- und Marktaktivitäten
3.5.2.2. Messdatenmanagement
3.5.3.
Auswirkungen auf Händler
3.5.3.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
3.5.3.2. Automatisierung der Abläufe
3.5.3.3. Neue Handelsmöglichkeiten
3.5.4.
Auswirkungen auf Lieferanten
3.5.4.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
3.5.4.2. Automatisierung der Abläufe
3.5.4.3. Mengeneffekt
3.5.4.4. Verschachtelungseffekt
3.5.4.5. Neue Vertriebsmöglichkeiten
3.5.5.
Auswirkungen auf Erzeuger
3.5.6.
Auswirkungen auf Endverbraucher
3.5.6.1. Freie Wahl des Lieferanten und ggf. der Händler
3.6.
Grundsätzliche Abläufe beim Lieferantenwechsel in Zusammenhang mit dem
Bilanzgruppenmanagement
3.7.
Schnittstellen zu anderen Prozessen
3.7.1.
Deckung der Netzverluste
3.7.2.
Engpassmanagement
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4.
Fahrplanmanagement
4.1.
Allgemeines
4.2.
Fahrplanmeldungen
4.2.1.
Ablauf
4.2.2.
Verantwortung
4.2.3.
Engpässe
5. Regel- und Ausgleichsenergie
5.1.
Allgemeines
5.2.
Die unterschiedlichen Regelungsarten
5.2.1.
Definitionen
5.2.1.1. Primärregelung
5.2.1.2. Sekundärregelung
5.2.1.3. Tertiärreserve
5.2.2.
Organisation von Regelenergiemärkten
5.2.2.1. Allgemeines
5.2.2.2. Beschaffung der Primärreserve
5.2.2.3. Beschaffung der Sekundärreserve
5.2.2.4. Beschaffung der Tertiärreserve
5.3.
Ausgleichsenergie
6. Messdatenmanagement
6.1.
Allgemeines
6.2.
Messdaten-Informationsfluss für das Bilanzmanagement
6.3.
Messstellenzuordnung
6.4.
Messdaten
6.5.
Lastgangmessung
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Abbildung 2:
Abbildung 3:
Abbildung 4:
Abbildung 5:
Abbildung 6:
Abbildung 7:
Abbildung 8:
Abbildung 9:
Abbildung 10:
Bestandteile eines Bilanzmanagementkonzepts
11
Wesentliche Rollen und ihre grundsätzlichen Vertragsbeziehungen im geöffneten
Markt im Rahmen des Bilanzmanagements (Überblick)
13
Wesentliche Rollen und ihre Aufgaben im Rahmen des Bilanzmanagements
20
Auswirkungen des Bilanzmanagements aus Sicht der Rollen
20
Der Kunde wechselt vom Lieferanten W zum Lieferanten X in der gleichen
Bilanzgruppe (jeweils mit Vollversorgung)
23
Der Kunde wechselt vom Lieferanten W zum Lieferanten Y in einer anderen
Bilanzgruppe (ebenfalls jeweils Vollversorgung).
23
Der Kunde wird weiterhin vom gleichen Lieferanten W versorgt. Allerdings erhält er
zusätzlich eine Energielieferung vom Händler Z auf Basis von Fahrplänen.
24
Ablauf der Fahrplanmeldungen (vereinfachte Darstellung)
26
Marktmechanismus für die Beschaffung der Regelreserve (Beispiel)
28
Möglichkeiten zur Preisstellung in Abhängigkeit von Systemzustand
und Zustand der Bilanzgruppe
29
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5
Vorwort
Das Stromversorgungsgesetz (StromVG) vom 23. März 2007 und die Stromversorgungsverordnung
(StromVV) vom 14. März 2008 (Stand 1. Oktober 2011) haben den Schweizer Strommarkt für
Endkunden mit einem Jahresverbrauch ab 100 MWh pro Verbrauchsstätte geöffnet. Fünf Jahre nach
Inkrafttreten dieses Gesetzes sollen durch einen referendumsfähigen Bundesbeschluss auch
Endverbraucher mit einem Jahresverbrauch von weniger als 100 MWh pro Verbrauchstätte vom
diskriminierungsfreien Netzzugang Gebrauch machen können. Dieser Beschluss unterliegt dem
fakultativen Referendum.
Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips (vgl. Art.3 Abs. 1. StromVG) wurde im Rahmen des Projekts
Merkur Access II ein umfassendes Regelwerk für die Elektrizitätsversorgung im offenen Strommarkt
durch Fachleute der Branche ausgearbeitet. Mit diesem Regelwerk steht der Elektrizitätswirtschaft
eine branchenweit anerkannte Empfehlung zur Nutzung der Stromnetze und der Organisation des
Energiegeschäftes zur Verfügung.
StromVG und StromVV verlangen die Erarbeitung von Richtlinien zu verschiedenen Sachverhalten
durch die Netzbetreiber. Diese Aufgabe wird im Rahmen der Branchendokumente erfüllt. Die
entsprechenden Kapitel in den verschiedenen Dokumenten sind im Kapitel 7 des Marktmodells
Elektrische Energie (MMEE) aufgeführt.
Das Netznutzungsmodell für die Verteilnetze (NNMV – CH), das Netznutzungsmodell für das
Übertragungsnetz (NNMÜ – CH), der Transmission Code (TC – CH), das vorliegende Balancing
Concept (BC – CH), der Metering Code (MC – CH) und der Distribution Code (DC – CH) sind
Schlüsseldokumente unter den Branchendokumenten.
Abgestimmt auf diese zentralen Dokumente werden die Umsetzungsdokumente sowie die nötigen
„Werkzeuge“ durch die Branche erarbeitet.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
6
Anwendungsbereich des Dokumentes
Mit der Veröffentlichung des Balancing Concepts entstehen folgende Anwendungsmöglichkeiten bzw.
Anwendungseinschränkungen:
•
Das Balancing Concept beschreibt die Bestandteile des Bilanzmanagements und stellt einen
Leitfaden für das in der Schweiz implementierte Bilanzmanagementkonzept dar.
•
Zur Umsetzung der hier dargestellten Leitsätze werden nicht nur geeignete Prozesse und
Systeme benötigt, sondern auch entsprechende Grundlagen wie einen nationalen
Übertragungsnetzbetreiber und eine Regelzone.
•
Bei der weiteren Ausgestaltung sind die Zusammenhänge mit Regeln in anderen Bereichen (z.B.
internationale Standards) zu berücksichtigen.
Die Dokumente und Verträge, die die konkrete Umsetzung der hier dargelegten Prinzipien für das
Bilanzmanagement in der Schweiz beschreiben, sind auf www.swissgrid.ch
(Bilanzgruppenmanagement, Regel- und Ausgleichsenergie) und www.strom.ch (Messdatenmanagement) zu finden.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
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1.
Executive Summary
1.1.
Allgemeines
(1)
Das StromVG sieht – analog zum Marktmodell für elektrische Energie des VSE (MMEE-CH) die Öffnung des Strommarktes und damit die Trennung von Energielieferung und
Netznutzung vor. Damit wird die Grundlage für Wettbewerb bei Stromerzeugung, –handel
und –vertrieb geschaffen, so dass alle Marktakteure die Möglichkeit haben, sich frei auf dem
Strommarkt zu betätigen. Das Übertragungsnetz und die Verteilnetze bilden dabei den
„Marktplatz“.
(2)
Für die effiziente Organisation dieses Marktplatzes ist das Bilanzmanagementkonzept, das
die Dienstleistungen des Übertragungsnetzbetreibers zur Aufrechterhaltung der elektrischen
Energie- und Leistungsbilanz in einem Netz definiert, von hoher Bedeutung.
(3)
Das Bilanzmanagement setzt sich aus dem Fahrplanmanagement, Regelungen für die
Bereitstellung von Regel- und die Verrechnung von Ausgleichsenergie sowie dem
Messdatenmanagement zusammen. Vorliegendes Papier ist die konzeptionelle Grundlage
für eine marktgerechte und diskriminierungsfreie Organisation jedes dieser drei Elemente im
Einklang mit der Schweizer Gesetzgebung. Auf dieser Basis wurden konkrete
Umsetzungsdokumente erarbeitet, z.B. der Bilanzgruppenvertrag und Konzepte sowie
Verträge zur Beschaffung von Regelenergie. Bei der Erarbeitung wurde auf die Kompatibilität
mit bestehenden EU-Regelungen und der Praxis im Ausland geachtet.
(4)
Die Implementierung des Bilanzmanagements erfolgt in der Schweiz durch die nationale
Netzgesellschaft (Art. 20 StromVG).
1.2.
Fahrplanmanagement
(1)
Im geöffneten Markt erfolgen Energielieferungen über Fahrpläne. Am Fahrplanmanagement
nehmen Bilanzgruppen teil, in denen die Messpunkte eines oder mehrerer Akteure zur
Abwicklung von Energiegeschäften zusammengefasst sind. Der Bilanzgruppenverantwortliche ist gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber für die Ausgeglichenheit der
Leistungs- und Energiebilanz in seiner Bilanzgruppe und die ordnungsgemässe
Fahrplanabwicklung verantwortlich (Art. 23 Abs. 4 StromVV).
(2)
Für ein reibungsloses Fahrplanmanagement sind die notwendigen Prozesse definiert,
standardisierte Datenformate festgelegt und Verantwortungen zugewiesen.
1.3.
Regel- und Ausgleichsenergie
(1)
Trotz hoher Prognosequalität ist nicht zu vermeiden, dass die tatsächliche Abnahme von der
prognostizierten Last (den Fahrplänen) abweicht. Um das Gleichgewicht zwischen
Erzeugung und Verbrauch dennoch zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten, wird durch den
Übertragungsnetzbetreiber auf Basis von Verträgen mit Akteuren bzw. Erzeugungsanlagen,
die gewisse Mindestanforderungen erfüllen, Regelenergie in Form von Primär-, Sekundärund Tertiärreserve beschafft. Ebenso können Abweichungen zwischen geplanter und
tatsächlicher Erzeugung auftreten, die ebenfalls über Regelenergie ausgeglichen werden.
Wenn nicht explizit unterschieden, umfasst der Begriff Regelenergie auch die damit
verbundene Regelleistung.
(2)
Die Beschaffung von Regelenergie erfolgt marktbasiert, transparent und nicht
diskriminierend. Die Kosten werden gesetzeskonform verrechnet (Art. 15, 22 und 31b
StromVV).
(3)
Ausgleichsenergie stellt eine Abrechnungsgrösse dar, durch die den
Bilanzgruppenverantwortlichen vom Übertragungsnetzbetreiber ihre Abweichungen zwischen
Fahrplänen und tatsächlicher Einspeisung / tatsächlichem Verbrauch in Rechnung gestellt
werden.
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1.4.
Messdatenmanagement
(1)
Grundlage für das Messdatenmanagement bildet der Metering Code und das
Umsetzungsdokument SDAT-CH. Für die Abrechnung von Energielieferungen zwischen
Bilanzgruppenverantwortlichen, Lieferanten, Endverbrauchern und Erzeugern bzw.
Erzeugungsanlagen aber auch für die Abrechnung der Netznutzung sind Messdaten
erforderlich. Im Rahmen des Messdatenmanagements werden von den Verteilnetzbetreibern
alle für das Bilanzmanagement notwendigen Daten ermittelt, aufbereitet und den
berechtigten Marktakteuren zur Verfügung gestellt. Die StromVV schreibt vor, dass alle
Erzeugungseinheiten ≥ 30 kVA und alle Endverbraucher, die von ihrem Recht auf
Marktzugang Gebrauch machen, über eine Lastgangmessung mit automatischer
Datenübermittlung verfügen müssen (Art. 8 Abs. 5 StromVV).
(2)
Für eine reibungslose Abrechnung sind bindende Standards hinsichtlich der Datenformate
und eine sorgfältige Plausibilisierung durch den Verteilnetzbetreiber unverzichtbar. Zur
Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit ist sicherzustellen, dass die Daten nur an
berechtigte Akteure weitergegeben werden.
1.5.
Umfang des Dokuments
(1)
Vorliegendes Dokument beschreibt den Rahmen für die detaillierte Ausgestaltung des
Bilanzmanagements. Für die Umsetzung des hier dargestellten Konzepts sind weitere
Konkretisierungen und Prozessdefinitionen erfolgt, wobei bestehende Systeme und
europäische Standards berücksichtigt wurden. Die Dokumente und Verträge, die die konkrete
Umsetzung der hier dargelegten Prinzipien für das Bilanzmanagement in der Schweiz
beschreiben, sind auf www.swissgrid.ch (Bilanzgruppenmanagement, Regel- und
Ausgleichsenergie) und www. strom.ch (Messdatenmanagement) zu finden.
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2.
Einleitung
2.1.
Handlungsbedarf: Der offene Markt verlangt Werkzeuge und Regeln
(1)
Die Öffnung des Strommarktes für alle Kunden (vertikale Öffnung) setzt ein funktionierendes
Bilanzmanagement voraus. Den Netzen und ihrer Nutzung durch die verschiedenen
Marktakteure kommt dabei als neutraler Marktplatz eine hohe Bedeutung zu. Dies verlangt
insbesondere:
die Trennung von Netz- und Marktaktivitäten
den Betrieb eines Bilanzgruppenmodells
die Beachtung des Datenschutzes
den Anspruch der Verfügbarkeit aggregierter marktrelevanter Informationen
(2)
Die Erfahrungen im Ausland zeigen, dass der offene Strommarkt sehr hohe Anforderungen
an die systemtechnische Infrastruktur stellt. Die Menge der Fahrplan- und
Informationsaustausche nimmt rasch zu. Die damit verbundenen Geschäftsprozesse sind ein
kritischer Faktor. Daher ist die Abwicklung von Energiegeschäften im geöffneten Strommarkt
ohne formalisierte und automatisierte Geschäftsprozesse nicht durchführbar. Die Rechte und
Pflichten der Akteure müssen im Rahmen schweizerischer und europäischer Vorgaben klar
geregelt und vertraglich zwischen den Akteuren festgelegt sein. Aufgrund der Bedeutung des
Stromhandels für die Schweiz ist darüber hinaus die Kompatibilität mit anderen europäischen
Systemen unverzichtbar.
(3)
Das Bilanzmanagement wird für die Regelzone Schweiz von der nationalen Netzgesellschaft
durchgeführt (Art. 20 StromVG).
2.2.
Ziel und Umfang dieses Dokuments
(1)
Das vorliegende Balancing Concept fixiert die wesentlichen Ausgestaltungsmerkmale des
Bilanzmanagementkonzepts für die Regelzone Schweiz im Einklang mit den Bestimmungen
aus StromVG und StromVV. Zu den einzelnen Aspekten wurden Umsetzungsdokumente
angefertigt, die auf Basis der hier dargestellten Leitlinien erarbeitet wurden. Bei der
Ausarbeitung dieser detaillierten Marktregeln wurden neben den gesetzlichen Vorgaben
bestehende Codizes und Regeln (wie z.B. internationale Fahrplanstandards - insb. das ESSRegelwerk1 - Metering Code, Transmission Code, Distribution Code, Kompatibilität mit
internationaler Praxis) berücksichtigt.
1
ENTSO-E-Scheduling System: Standard der ENTSO_E für den elektronischen Austausch von Daten zwischen Marktteilnehmern und
Übertragungsnetzbetreibern sowie zwischen Übertragungsnetzbetreibern
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10
3.
Überblick Bilanzmanagementkonzept
3.1.
Definition
(1)
Unter Bilanzmanagement versteht man alle technischen, organisatorischen und
abrechnungstechnischen Vorgänge, um die elektrische Energie- und Leistungsbilanz im
Elektrizitätssystem ständig aufrecht zu erhalten. Das Bilanzmanagement stellt eine zentrale
Aufgabe des Übertragungsnetzbetreibers dar (Art. 20 Abs. 2 Bst. b StromVG).
3.2.
Bestandteile eines Bilanzmanagementkonzepts
(1)
Ein Bilanzmanagementkonzept in geöffneten Strommärkten muss Regelungen zu den in
untenstehender Abbildung aufgeführten Themen umfassen.
Abbildung 1: Bestandteile eines Bilanzmanagementkonzepts
(2)
Die einzelnen Bestandteile betreffen unterschiedliche Zeiträume, die detaillierter in den
Kapiteln 4-6 behandelt werden.
3.2.1.
Vor dem Liefertag: Fahrplanmanagement
(1)
Das Fahrplanmanagement gewährleistet, dass der Übertragungsnetzbetreiber über die
voraussichtliche Beanspruchung seines Netzes informiert ist. Der Grossteil des
Fahrplanmanagements findet am Vortag statt (übliche Bezeichnung day-ahead
Fahrplanmanagement). Je nach Marktsituation gibt es ein Fahrplanmanagement auch nach
dem Vortag z.B. während des Liefertages (übliche Bezeichnung Intraday).
(2)
Aufgrund der zahlreichen Bilanzgruppenverantwortlichen sind für das Fahrplanmanagement
genau definierte Prozesse der Fahrplanabwicklung, vereinheitlichte Fahrplanformate sowie
definierte Datenformate und Übertragungsmedien erforderlich. Am Fahrplanmanagement
nehmen nur Bilanzgruppen vertreten durch ihre Bilanzgruppenverantwortlichen teil, in denen
die Marktakteure zur Abwicklung ihrer Energiegeschäfte zusammengefasst sind (Art. 23 Abs.
4 StromVV).
3.2.2.
Während des Liefertags: Bereitstellung der Regelenergie
(1)
Die Bereitstellung von Regelenergie dient während des Liefertags der ständigen
Sicherstellung des physikalischen Gleichgewichts zwischen Energieerzeugung und verbrauch durch Inanspruchnahme entsprechender Regelreserven.
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11
3.2.3.
Nach dem Liefertag: Messdatenmanagement und Abrechnung der
Ausgleichsenergie
(1)
Das Messdatenmanagement erfasst den tatsächlichen Verbrauch und die Produktion und
bildet somit die Basis für die verursachungsgerechte Zuordnung von Abweichungen
gegenüber den Fahrplänen.
(2)
Die Netzbetreiber erfassen dafür die notwendigen Energiewerte gemäss Metering Code CH
und stellen sie den berechtigten Marktakteuren bedarfs- und fristgerecht gemäss SDAT-CH
zur Verfügung.
(3)
Die vom Übertragungsnetzbetreiber in Anspruch genommene Regelenergie wird in Form von
Ausgleichsenergie den Bilanzgruppenverantwortlichen möglichst verursachungsgerecht
verrechnet.
(4)
In diesem Zusammenhang wurden die Regeln zur Beschaffung und Vergütung von
Regelenergie sowie zur Verrechnung von Ausgleichsenergie definiert.
(5)
Um ihre Ausgleichsenergiekosten zu minimieren oder Fahrplanfehler zu korrigieren sowie
SDL Abrufe fahrplantechnisch im Nachhinein darzustellen, haben die Akteure die
Möglichkeit, innerhalb einer bestimmten Frist rückwirkend untereinander Geschäfte
abzuwickeln.
3.2.4.
Abgrenzung des Bilanzmanagements von den übrigen
Systemdienstleistungen
(1)
Das Bilanzmanagement ist konzeptionell von den übrigen Systemdienstleistungen des
Übertragungsnetzbetreibers getrennt. Diese umfassen alle unentbehrlichen Hilfsdienste,
nämlich Systemkoordination, Primärregelung, Schwarzstart- und Inselbetriebsfähigkeit,
Spannungshaltung und Blindenergieausgleich, betriebliche Messungen, Ausgleich der
Wirkverluste.
(2)
Sekundärregelung, Tertiärregelung und Redispatch sind im Bilanzmanagement eingebunden.
(3)
Die Organisation dieser Systemdienstleistungen ist nicht Gegenstand des vorliegenden
Papiers, ihre Erbringung und deren Abgeltung sind separat zu regeln.
3.3.
Akteure und ihre Rollen im Rahmen des Bilanzmanagements
(1)
Akteure sind juristische oder natürliche Personen, die am Markt teilnehmen. Rollen sind
definierte Aufgabengebiete der einzelnen Akteure. Akteure können demnach, auch
gleichzeitig, mehrere Rollen wahrnehmen. Nachfolgend werden die einzelnen Rollen und die
dazugehörigen Verträge, die der jeweilige Akteur abschliessen muss, beschrieben.
(2)
Die grundsätzlichen Beziehungen zwischen den Rollen gehen aus der folgenden Abbildung
hervor. Nachfolgend werden die einzelnen Rollen beschrieben.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
12
Abbildung 2:
Wesentliche Rollen2 und ihre grundsätzlichen Vertragsbeziehungen im geöffneten
Markt im Rahmen des Bilanzmanagements (Überblick) 3
3.3.1.
Übertragungsnetzbetreiber
(1)
Grundlegende Verantwortung des Übertragungsnetzbetreibers (Art. 20 StromVG):
Der Übertragungsnetzbetreiber ist verantwortlich für die Bereitstellung der Netzinfrastruktur
und für die Übertragung der elektrischen Energie an die angeschlossenen Verteilnetze,
Endverbraucher und Erzeugungsanlagen sowie an alle angrenzenden (ausländischen)
Übertragungsnetze. Der Übertragungsnetzbetreiber ist ausserdem für das
Bilanzmanagement verantwortlich, das die Aufgabe hat, das Gleichgewicht zwischen
Erzeugung und Verbrauch jederzeit zu gewährleisten.
(2)
Er schliesst mit den Verteilnetzbetreibern, die an sein Netz angeschlossen sind, Verträge ab.
Sofern Erzeugungsanlagen und Endverbraucher direkt an das Übertragungsnetz
angeschlossen sind, schliesst er die dafür nötigen Verträge ab. Dies können typischerweise
Netznutzungs-, Netzanschluss-, Netzbetriebs- und Datenlieferungsverträge sein.
(3)
Im Zusammenhang mit dem Bilanzmanagement ist er zuständig für den Abschluss der
Bilanzgruppenverträge zwischen ihm und den Bilanzgruppenverantwortlichen (Art. 23
StromVV). Er ist zuständig für die Abwicklung des Fahrplanmanagements innerhalb der
Regelzone Schweiz.
(4)
Die unvermeidlichen Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Verbrauch
innerhalb der Bilanzgruppen werden im Rahmen des Bilanzmanagements durch den
Übertragungsnetzbetreiber ausgeglichen. Somit wird der sekundenscharfe Bilanzausgleich
gewährleistet. Er beschafft die Regelenergie für den Bilanzausgleich und verrechnet die
Ausgleichsenergie an die Bilanzgruppenverantwortlichen (Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV).
2
Die Bilanzgruppe für Erneuerbaren Energien sowie die Systemdienstleistungserbringer (Letztere können Erzeugungseinheiten oder Endverbraucher
sein) sind bewusst aus Vereinfachungsgründen nicht dargestellt. Es gibt andererseits auch eine wichtige, hier nicht dargestellte Funktion in vielen
Bilanzgruppen, diejenige des Systemdienstleistungsverantwortlichens.
3
Dargestellt sind hier nur die für das Bilanzmanagement relevanten Verträge. Weitere Vertragsbeziehungen sind möglich.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
13
(5)
In Notsituationen kann der Übertragungsnetzbetreiber gemäss den gesetzlichen
Bestimmungen auf Basis entsprechender Abkommen Akteure anweisen, bestimmte
Massnahmen umzusetzen (Art. 20 Abs. 2 Bst. c StromVG).
(6)
Beispiel bezüglich der Akteur-Rollen-Beziehung:
Der Akteur, der die Rolle des Übertragungsnetzbetreibers wahrnimmt, tritt für
Endverbraucher und Erzeugungsanlagen, die direkt an das Übertragungsnetz
angeschlossen sind, analog einem Verteilnetzbetreiber auf. Folglich hat er in dieser Rolle
auch die dem Verteilnetzbetreiber zugeordneten Aufgaben wie z.B. die Regelung des
Netzanschlusses und Abrechnung der Netznutzung zu erfüllen.
3.3.2.
Verteilnetzbetreiber
(1)
Grundlegende Verantwortung der Verteilnetzbetreiber (Art. 8 StromVG und Art. 8 StromVV):
Der Verteilnetzbetreiber ist verantwortlich für die Bereitstellung der Netzinfrastruktur und für
die Verteilung der elektrischen Energie innerhalb seines Netzgebietes. Zudem stellt er den
Bilanzgruppenverantwortlichen, dem Übertragungsnetzbetreiber und den Lieferanten die
erforderlichen Daten zur Verfügung. Darüber hinaus verwaltet er die Zuordnung der
Messpunkte zu den Bilanzgruppen.
(2)
Im Zusammenhang mit dem Bilanzmanagement erfasst und liefert er bedarfs- und
fristgerecht die notwendigen Messdaten, welche die einzelnen Rollen, z.B.
Bilanzgruppenverantwortliche und Lieferanten, benötigen (Art. 8 Abs. 3 StromVV). Der
Verteilnetzbetreiber verwaltet die Zuordnung aller Messpunkte von Endverbrauchern zu
Lieferanten bzw. von Erzeugungsanlagen zu Erzeugern sowie zu ihren Bilanzgruppen. Die
Datenübermittlung ist im Dokument SDAT-CH, respektive in Verträgen mit dem
Übertragungsnetzbetreiber, dem Bilanzgruppenverantwortlichen und dem Lieferanten bzw.
dem Erzeuger zu regeln.
(3)
Er schliesst mit den Erzeugungseinheiten, Endverbrauchern und anderen Netzbetreibern, die
an sein Netz angeschlossen sind, die erforderlichen Verträge ab. Dies können typischerweise
Netznutzungs-, Netzanschluss-, Netzbetriebs- und Datenlieferungsverträge sein (für den Fall,
dass Netzeigentum und –betrieb voneinander getrennt sind, erfolgt dies dennoch in der
Regel durch den Netzbetreiber). Bei Endverbrauchern und Erzeugungseinheiten werden
Netznutzungs- und Netzanschlussverträge abgeschlossen oder es gelten „Allgemeine
Bedingungen“ im Rahmen eines Reglements.
(4)
Im Rahmen der Förderung von erneuerbaren Energien hat der Verteilnetzbetreiber die
Aufgabe, den von der Nationalen Netzgesellschaft erhobenen Zuschlag auf die
Übertragungskosten der Hochspannungsnetze nach Art 15b EnG zu zahlen. Der
Verteilnetzbetreiber kann den Zuschlag auf die Endverbraucher überwälzen.
3.3.3.
Bilanzgruppenverantwortliche
(1)
Grundlegende Verantwortung der Bilanzgruppenverantwortlichen:
Der Bilanzgruppenverantwortliche ist gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber für die
ständige Ausgeglichenheit der Leistungsbilanz in seiner Bilanzgruppe und die ordnungsgemässe Fahrplanabwicklung verantwortlich.
(2)
Der Bilanzgruppenverantwortliche ist dafür verantwortlich, die Differenz zwischen effektivem
Verbrauch und Erzeugung und den angemeldeten Fahrplänen möglichst gering zu halten.
Die auf Grund der Prognoseungenauigkeit verbleibenden Differenzen werden vom
Übertragungsnetzbetreiber dem Bilanzgruppenverantwortlichen zu Ausgleichsenergiepreisen
verrechnet und sind vom Bilanzgruppenverantwortlichen zu zahlen.
(3)
Der Bilanzgruppenverantwortliche bildet Fahrpläne, die jeweils die Summe der Liefer- und
Bezugsgeschäfte mit anderen Bilanzgruppen in der Regelzone Schweiz oder in
angrenzenden ausländischen Regelzonen repräsentieren. Er bildet somit Summenfahrpläne
für jede Bilanzgruppe, mit der er innerhalb der Regelzone CH oder in Bilanzgruppen in
ausländischen Regelzonen Energie austauschen möchte. Er tauscht diese Fahrpläne mit
diesen Bilanzgruppen ab und meldet sie an den Übertragungsnetzbetreiber. Er ist
verantwortlich für die Fahrplanabweichungen gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber.
Ausserdem meldet der Bilanzgruppenverantwortliche kurzfristig neue Fahrpläne auf Grund
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14
von unvorhergesehenen Last- und/oder Erzeugungsänderungen, Aktivierung von
Systemdienstleitungen (für etwaige in seiner Bilanzgruppe befindlichen
Systemdienstleistungserbringer) oder als Folge von Intraday-Geschäften und entsprechend
den Erfordernissen des Engpassmanagements die von den Erzeugern gemeldeten
Kraftwerksausfälle an den Übertragungsnetzbetreiber.
(4)
Die Bilanzgruppenverantwortlichen spielen somit eine zentrale Rolle im Bilanzmanagement.
Um eine einwandfreie Abwicklung zu gewährleisten, müssen die
Bilanzgruppenverantwortlichen vom Übertragungsnetzbetreiber standardisierte einheitliche
Anforderungen erfüllen (z.B. Bonitätsprüfung, Teilnahme am technischen Probebetrieb).
(5)
Grundsätzlich kann jeder Marktakteur entscheiden, ob er eine eigene Bilanzgruppe gründet
oder sich einer bestehenden Bilanzgruppe anschliesst. Für die Bildung von Bilanzgruppen
sind verbindliche, nicht-diskriminierende Standards festgelegt worden, die dem
Bilanzgruppenvertrag auf der swissgrid Website zu entnehmen sind. Die interne Organisation
der Bilanzgruppe liegt in der Verantwortung des Bilanzgruppenverantwortlichens. Dieser
Bereich unterliegt dem freien Markt, Branchendokumente legen keine
bilanzgrupppeninternen Regelungen fest.
(6)
Die Bilanzgruppen übernehmen die Teilfahrpläne der Bilanzgruppe für erneuerbare Energien
(BG-EE) entsprechend Art. 24 Abs. 4 und 5 StromVV. Die Teilfahrpläne werden den
Bilanzgruppen rechtzeitig day ahead für die Lieferung vom Folgetag vom
Bilanzgruppenverantwortlichen der BG-EE (BGV-EE) zugestellt. Die Bilanzgruppen zahlen
für die von der BG-EE übernommene Energie dem BGV-EE den vom Bundesamt für Energie
für diesen Zeitraum festgelegten Marktpreis (Art. 24 Abs. 5 StromVV).
(7)
Beispiel bezüglich der Akteur-Rollen-Beziehung:
Selten ist ein Akteur nur Bilanzgruppenverantwortlicher. In fast allen Fällen ist er auch
Händler, meist auch Lieferant.
3.3.4.
Verantwortlicher für die Bilanzgruppe für erneuerbare Energien
(1)
Zusätzlich zu den regulären Aufgaben eines Bilanzgruppenverantwortlichen und Lieferanten
hat der Bilanzgruppenverantwortliche für die Bilanzgruppe für erneuerbare Energien (BGVEE) folgende grundlegende Verantwortung:
Der BGV-EE nimmt sämtliche Anlagen auf, die im Rahmen der kostendeckenden
Einspeisevergütung nach Art. 7a EnG gefördert werden und über eine Lastgangmessung
verfügen, erstellt Fahrpläne für deren Einspeisungen und teilt diese gemäss Endverbrauch
auf die Bilanzgruppen in der Schweiz auf.
(2)
Der BGV-EE wird gemäss Art. 24 StromVV vom Bundesamt für Energie bestimmt. EnGgeförderte Anlagen ohne Lastgangmessung verbleiben in der Bilanzgruppe des örtlichen
Stromlieferanten.
(3)
Der BGV-EE hat die Aufgabe, für die von ihm verwalteten Anlagen Fahrpläne zu erstellen
und diese den anderen Bilanzgruppen und der nationalen Netzgesellschaft zuzustellen (Art.
24 Abs. 4 StromVV). Diese Fahrpläne basieren entweder auf eigenen Prognosen oder auf
den Angaben der Produzenten. Die Teilfahrpläne, welche die einzelnen Bilanzgruppen zu
übernehmen haben, werden anhand des jeweiligen anteiligen Endverbrauchs der
Bilanzgruppen am Gesamtverbrauch in der Schweiz bestimmt.
(4)
Die Zustellung der Teilfahrpläne an die übrigen Bilanzgruppen erfolgt day-ahead für die
Lieferung vom Folgetag.
(5)
Die gelieferte Energie wird den übrigen Bilanzgruppen vom BGV-EE mit dem für den
jeweiligen Zeitraum vom Bundesamt für Energie festgelegten Marktpreis in Rechnung gestellt
(Art. 24 Abs. 5 StromVV). Aus diesen Mitteln und den Einnahmen aus den Zuschlägen nach
Art. 15b EnG vergütet die BG-EE die Produzenten.
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15
3.3.5.
Händler
(1)
Grundlegende Verantwortung von Händlern:
Händler kaufen und verkaufen Energie von Marktakteuren innerhalb oder ausserhalb ihrer
Bilanzgruppe. Ihre Energiehandelsgeschäfte werden in der Regel mit Hilfe von Fahrplänen
abgewickelt.
(2)
Der Händler schliesst Verträge (An- und Verkauf) für Energie, die über daraus resultierende
Fahrpläne abgewickelt werden, mit anderen Akteuren ab (z.B. Standard-Handelsprodukte
(Base, Peak)). Ihm sind keine Messpunkte zugeordnet und folglich erhält er keine Messdaten
von Verteilnetzbetreibern.
(3)
Ein Händler kann auch über Fahrpläne Endverbraucher beliefern. Voraussetzung ist, dass
dieser Endverbraucher mit einem Lieferanten einen offenen Vertrag abgeschlossen hat, der
dies zulässt.
(4)
Beispiel bezüglich der Akteur-Rollen-Beziehung:
Der Händler ist oftmals auch Bilanzgruppenverantwortlicher, um seine Geschäfte autonom
abwickeln zu können. Kleinere Händler können sich über Dienstleistungsverträge einer
anderen Bilanzgruppe anschliessen und somit die Abwicklung ihrer Geschäfte sicherstellen.
3.3.6.
Erzeuger
(1)
Grundlegende Verantwortung eines Erzeugers:
Der Erzeuger muss jede seiner Einspeisestellen (= Erzeugungseinheit) genau einer
Bilanzgruppe zuordnen (Art. 23 Abs. 1 StromVV). Diese Zuordnung wird durch den
zuständigen Netzbetreiber abgewickelt.
(2)
Der Erzeuger betreibt eine oder mehrere Erzeugungseinheiten und speist über
Einspeisestellen Energie ins Netz ein. Er ist für die ordnungsgemässe Erzeugung durch
seine Erzeugungseinheit(en) verantwortlich. Über die Zuordnung seiner Einspeisestellen zu
einer Bilanzgruppe ist die Vermarktung der erzeugten Energie sichergestellt.
(3)
Er meldet, gegebenenfalls via zuständigen BGV die Kraftwerkseinsatzfahrpläne, soweit diese
für die Engpassprognosen erforderlich sind, zeitgerecht an den Übertragungsnetzbetreiber.
(4)
Beispiel bezüglich der Akteur-Rollen-Beziehung:
Betreiben Erzeuger einen grösseren Kraftwerkspark, dann sind sie meist auch BGV und
Händler, um die erzeugte Energie optimal vermarkten zu können.
3.3.7.
Erzeugungseinheit
(1)
Grundlegende Verantwortung einer Erzeugungseinheit:
Die Erzeugungseinheit muss durch den Erzeuger genau einer Bilanzgruppe zugeordnet
werden. (Art. 23 Abs. 1 StromVV). Diese Zuordnung wird durch den zuständigen
Netzbetreiber abgewickelt.
3.3.8.
Lieferant
(1)
Grundlegende Verantwortung des Lieferanten:
Ein Lieferant beschafft Energie zur Versorgung seiner Endverbraucher. Seine Beschaffung
basiert auf Verbrauchsprognosen der von ihm versorgten Endverbraucher. Die Messpunkte
von jedem seiner Endverbraucher sind ihm und genau einer Bilanzgruppe, an welcher er
angeschlossen ist, zugeordnet. Diese Zuordnung wird durch den zuständigen Netzbetreiber
abgewickelt.
(2)
Lieferanten versorgen diejenigen Endverbraucher mit Energie, die mit ihnen einen offenen
Vertrag abgeschlossen haben. Dieser Vertrag kann als Vollversorgung ausgelegt sein. Dabei
hat der Endverbraucher weder das Recht noch die Pflicht, von einem anderen Lieferanten
oder Händler Energie zu beziehen. Der offene Vertrag kann aber auch ein Vertrag zur
Ergänzungslieferung sein. In diesem Fall hat der Endverbraucher je nach Vertragsgestaltung
das Recht oder auch die Pflicht, einen Teil seines Bezuges über einen oder mehrere Händler
zu beschaffen. Ein offener Vertrag verpflichtet den Bilanzgruppenverantwortlichen, dem der
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16
Lieferant zugehört, die Differenzen zwischen Prognose und tatsächlichem Verbrauch
gegenüber dem Übertragungsnetzbetreiber zu tragen. Jeder Lieferant muss somit einer
Bilanzgruppe zugeordnet sein.
(3)
Der Lieferant muss nicht selbst die Rolle als Bilanzgruppenverantwortlicher annehmen.
(4)
Beispiel bezüglich der Akteur-Rollen-Beziehung:
Lieferanten, die historisch bedingt einen Grossteil der Endverbraucher in einem bestimmten
geographischen Bereich versorgen, betreiben meist eine eigene Bilanzgruppe und treten
auch als Erzeuger auf. Kleinere Lieferanten, die keine eigene Bilanzgruppe betreiben wollen,
schliessen typischerweise einen Dienstleistungsvertrag mit einer Bilanzgruppe ab.
3.3.9.
Endverbraucher
(1)
Grundlegende Verantwortung der Endverbraucher:
Der Endverbraucher muss sich selbst genau einer Bilanzgruppe zuordnen, wobei diese
Zuordnung in der Regel durch seinen Lieferanten erfolgt (Art. 23 Abs. 1 StromVV). Diese
Zuordnung wird durch den zuständigen Netzbetreiber abgewickelt.
(2)
Der Endverbraucher ist der Kunde, der elektrische Energie an einer oder mehreren
Ausspeisestellen im Verteilnetz oder in Einzelfällen im Übertragungsnetz bezieht. Hierfür
schliesst er mit einem Lieferanten einen offenen Vertrag und evtl. mit Händlern weitere
Lieferverträge ab (siehe 3.3.8). Die Zuordnung jeder Ausspeisestelle zu dem Lieferanten, mit
dem der Endverbraucher einen offenen Vertrag hat, sowie zur entsprechenden Bilanzgruppe
kann der Endverbraucher beim Verteilnetzbetreiber selbst veranlassen. Alternativ kann der
Endverbraucher auch seinen Lieferanten dazu beauftragen.
3.3.10. Systemdienstleistungserbringer
(1)
Grundlegende Verantwortung der Systemdienstleistungserbringer:
Die Systemdienstleistungserbringer erbringen Systemdienstleistungen für den
Übertragungsnetzbetreiber.
(2)
Im Rahmen der Bilanz der Schweizer Regelzone werden lediglich die Lieferung bzw. der
Bezug von Regelenergie zum Ausgleich der Bilanz und die Lieferung von Energie zur
Kompensation der Wirkverluste des Übertragungsnetzes betrachtet, sowie die Übermittlung
der nötigen Informationen an den Bilanzgruppenverantwortlichen, damit dieser die
entsprechende fahrplantechnische Abwicklung vornehmen kann.
(3)
Als Systemdienstleistungserbringer können Erzeugungseinheiten, Händler und
Endverbraucher auftreten, die bestimmte technische und organisatorische Anforderungen
erfüllen.
(4)
Die Rolle des Systemdienstleistungserbringers wird im Folgenden nicht detailliert
aufgegriffen.
3.4.
Rollen und ihre Aufgaben im Rahmen der Bilanz der Schweizer
Regelzone
Fahrplanmanagement
Übertragungsnetzbetreiber
Empfang, Plausibilisierung, Prüfung
und Bestätigung
der Summenfahrpläne der Bilanzgruppenverantwortlichen.
Abstimmung mit
ausländischen
Übertragungsnetzbetreibern.
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Systemdienstleistungen
Beschaffung von
Regelenergie am
Regelenergiemarkt.
Beschaffung von
Energie zur
Kompen-sation
der Wirkverluste
des Übertragungsnetzes.
17
Ausgleichsenergie
Abrechnung
von
Ausgleichsenergie mit
Bilanzgruppenverantwortlichen.
Messdatenmanagement
Empfang,
Prüfung und
Bestätigung der
pro Bilanzgruppe
aggregierten
Messdaten der
Verteilnetzbetreiber.
Fahrplanmanagement
Systemdienstleistungen
Ausgleichsenergie
Verteilnetzbetreiber
Messdatenmanagement
Zuordnung von
allen Messpunkten der Endverbraucher und
Erzeugungseinheiten zu
Bilanzgruppen.
Erfassung und
Lieferung von
Messdaten (für
Abrechnungen
des Bilanzmanagements
und für
Prognosen und
Abrechnung der
Lieferanten).
Bilanzgruppenverantwortlicher
Sammelt und
aggregiert die
Fahrpläne der
Lieferanten,
Erzeuger und
Händler in seiner
Bilanzgruppe und
leitet die Summenfahrpläne an den
Übertragungsnetzb
etreiber weiter.
Er übernimmt den
vom BGV-EE zugestellten Fahrplan.
Verantwortlicher für
die Bilanzgruppe für
erneuerbare
Energien
Sammelt und aggregiert die Fahrpläne der Erzeuger
in seiner Bilanzgruppe und leitet
die Summenfahrpläne an den Übertragungsnetzbetreiber weiter.
Erstellt Teilfahrpläne für die übrigen Bilanzgruppen
und leitet diese an
die Bilanzgruppenverantwortlichen weiter.
Händler
Abwicklung des
Energiehandels
über Fahrpläne
Übermittlung der
Fahrpläne an den
zuständigen BGV
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
Abwicklung der
vom Übertragungsnetzbetreiber angeforderten, von den
Systemdienstleistungserbringern
gelieferten
Regelenergie
bzw. Energie zur
Kompensation der
Netzverluste
(Voraussetzung
verbindliche
Verträge).
Händler kann
Regelenergie an
den
Übertragungsnetz
betreiber liefern
18
Begleichung
der
Ausgleichsenergieabrechnung.
Entgegennahme
und Prüfung der
aggregierten
Messdaten der
ihm
zugeordneten
Akteure, geliefert
von den
Netzbetreibern.
Begleichung
der
Ausgleichsenergieabrechnung.
Entgegennahme
der von den
Netzbetreibern
abzuliefernden
einzelnen bzw.
aggregierten
Messdaten der
ihm
zugeordneten
Erzeuger.
Fahrplanmanagement
Erzeuger
Systemdienstleistungen
Messdatenmanagement
Erstellung und
Übermittlung von
Prognosefahrplänen an den
Bilanzgruppenverantwortlichen
(abhängig von
Dienstleistungsvertrag mit diesem)
Zeitgerechte Meldung an den ÜNB,
gegebenenfalls via
zuständigen BGV,
der Kraftwerkseinsatzfahrpläne,
soweit diese für die
Engpassprognosen
erforderlich sind
Erzeugungs
-einheit
Siehe Rolle >
Systemdienstleistungserbringer
Systemdienstleistungserbringer
Bereitstellung von
Regelenergie für
den Übertragungsnetzbetreiber – entweder von regelfähigen Erzeugungseinheiten, die bestimmte Anforderungen erfüllen oder
von Lasten, die die
Möglichkeit zum
Lastabwurf bieten
(insbesondere
grosse Endverbraucher, die die
Anforderungen
erfüllen)
Lieferung von
Energie zur
Deckung der
Wirkverluste
Lieferant
Ausgleichsenergie
Erstellung und
Übermittlung von
Prognosefahrplänen an den
Bilanzgruppenverantwortlichen
(abhängig von
Dienstleistungsvertrag mit diesem)
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
Entgegennahme
der Messdaten
seiner
Endverbraucher
vom jeweiligen
Verteilnetzbetreiber
19
Fahrplanmanagement
Systemdienstleistungen
Endverbraucher
Ausgleichsenergie
Messdatenmanagement
Siehe Rolle >
Systemdienstleistungserbringer
Abbildung 3: Wesentliche Rollen und ihre Aufgaben im Rahmen des Bilanzmanagements
3.5.
Auswirkungen des Bilanzmanagements auf die Rollen der Akteure
(1)
Das Bilanzmanagement hat für die verschiedenen Rollen folgende Auswirkungen:
Übertragungsnetzbetreiber
•
•
•
•
•
Verteilnetzbetreiber
Bilanzgruppenverantwortlicher
Verantwortlicher für
Bilanzgruppe für
erneuerbare Energien
Händler
Erzeuger
Lieferant
Endverbraucher
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Gesetzliche, vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Kompatibilität mit dem Ausland
Beschaffung und Vergütung der Regelenergie nach einheitlichen
transparenten Kriterien
Gesetzeskonforme Verrechnung der Regelenergiekosten in Form von
Ausgleichsenergie
Gesetzlich, vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Trennung von Netz- und Marktaktivitäten
Klare Regeln im Rahmen des Messdatenmanagements
Gesetzlich, vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Kompatibilität mit dem Ausland
Gesetzlich, vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Mengeneffekt
Neue Handelsmöglichkeiten
Vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Neue Vermarktungsmöglichkeiten, z.B. Möglichkeit zur Teilnahme am
Regelenergiemarkt, soweit die technischen und organisatorischen
Anforderungen erfüllt werden
Vertraglich festgelegte und abgegrenzte Verantwortung
Automatisierung der Abläufe
Mengeneffekt, Verschachtelungseffekt kann genutzt werden
Neue Vertriebsmöglichkeiten auf allen Netzebenen
Freie Wahl des Lieferanten
Möglichkeit des Bezugs von Energie von einem oder mehreren
Händlern
Möglichkeit zur Teilnahme am Regelenergiemarkt bei abschaltbaren
Verbrauchern, soweit sie die Anforderungen erfüllen
Abbildung 4: Auswirkungen des Bilanzmanagements aus Sicht der Rollen
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
20
3.5.1.
Auswirkungen auf den Übertragungsnetzbetreiber
3.5.1.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
(1)
Durch die für einen diskriminierungsfreien Netzzugang notwendige Trennung der Erzeugung,
Transport- und Verteiltätigkeiten sind die jeweiligen Verantwortungen der Rollen klar
abzugrenzen und festzuhalten. Die Schnittstellen zwischen den Rollen sind in Verträgen
geregelt.
(2)
Die Tatsache, dass alle Endverbraucher über Lieferanten in Bilanzgruppen
zusammengefasst werden, ermöglicht dem Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen des
Bilanzmanagements je Bilanzgruppe nur eine Partei, nämlich den
Bilanzgruppenverantwortlichen, als Kontaktstelle und Vertragspartner zu haben.
3.5.1.2. Automatisierung der Abläufe
(1)
Durch die freie Lieferantenwahl wird die Anzahl der Beziehungen zwischen den Akteuren
stark wachsen. Damit die Datenflut bewältigt werden kann, ist es unverzichtbar,
automatisierte Prozesse einzurichten. Mit der Einführung von Bilanzgruppen kann eine klare
Zuweisung der Tätigkeitsbereiche und der Schnittstellen definiert werden, womit sich eine
solide Basis für eine Automatisierung der Abläufe ergibt. Eine besondere Bedeutung kommt
hierbei dem Messwesen zu, das wesentliche Daten für die notwendigen Abläufe liefert.
3.5.1.3. Kompatibilität mit den Nachbarländern
(1)
Die betriebliche Zusammenarbeit mit den Übertragungsnetzbetreibern der Nachbarländer ist
gewährleistet.
3.5.1.4. Beschaffung und Vergütung der Regelenergie
(1)
Regelenergie wird vom Übertragungsnetzbetreiber marktbasiert nach transparenten und
nicht-diskriminierenden Methoden beschafft und als Ausgleichsenergie an die Bilanzgruppen
weiterverrechnet (Art. 22 Abs. 1 und Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV).
(2)
Durch die Bildung von Bilanzgruppen lässt sich eine klare und einheitliche Abgrenzung
zwischen der Ausgleichsenergie und Energiegeschäften sowie Systemdienstleistungen
erreichen. Dies ermöglicht eine verursachergerechte Abgeltung der einzelnen Geschäfte.
3.5.1.5. Bilanzmanagement
(1)
Der Übertragungsnetzbetreiber stellt die Abwicklung des Bilanzmanagements sicher (Art. 20
Abs. 2 Bst. B StromVG).
3.5.2.
Auswirkungen auf Verteilnetzbetreiber
3.5.2.1. Trennung von Netz- und Marktaktivitäten
(1)
Zur Sicherstellung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs für Dritte müssen
Energieversorgungsunternehmen ihre Netz- und Marktaktivitäten mindestens buchhalterisch
und informatorisch voneinander trennen (Art. 10 StromVG).
3.5.2.2. Messdatenmanagement
(1)
Durch die Marktöffnung wird für die Abwicklung und Abrechnung der Energiegeschäfte von
Händlern und Lieferanten eine Vielzahl von Messdaten benötigt. Einem professionellen und
automatisierten sowie bedarfs- und fristgerechten Messdatenmanagement kommt damit vor
allem auf Verteilnetzebene eine hohe Bedeutung zu. Die Berechnung und Tragung der
dadurch entstehenden Kosten ist gemäss den Vorgaben im Metering Code CH zu regeln.
3.5.3.
Auswirkungen auf Händler
3.5.3.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
(1)
Siehe 3.5.1.1
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
21
3.5.3.2. Automatisierung der Abläufe
(1)
Siehe 3.5.1.2
3.5.3.3. Neue Handelsmöglichkeiten
(1)
Ein sachgerecht ausgestaltetes Bilanzmanagementkonzept ermöglicht Händlern die
Erschliessung neuer geografischer Märkte sowie die Entwicklung neuer Produkte.
3.5.4.
Auswirkungen auf Lieferanten
3.5.4.1. Vertraglich festgelegte Verantwortungen
(1)
Siehe 3.5.1.1
(2)
Durch die Vielzahl an vertraglichen Optionen können die Lieferanten ihren Grad der
Flexibilität in der Beschaffung und Abwicklung der Lieferungen selbst wählen.
3.5.4.2. Automatisierung der Abläufe
(1)
Siehe 3.5.1.2
3.5.4.3. Mengeneffekt
(1)
Die mögliche Zusammenfassung mehrerer Marktakteure in Bilanzgruppen kann wegen der
dadurch erzielten grösseren Volumina zu Kostenvorteilen führen.
3.5.4.4. Verschachtelungseffekt
(1)
Wäre jeder einzelne Endverbraucher zur Abgabe von Fahrplänen an den
Übertragungsnetzbetreiber verpflichtet, würden Abweichungen zwischen effektivem
Elektrizitätsverbrauch und Fahrplanangaben für jeden einzelnen Endverbraucher entstehen.
Durch die Einführung des Bilanzgruppenmodells lässt sich der Verschachtelungseffekt
nutzen. Die Fahrpläne für die gesamte Bilanzgruppe lassen sich dabei zuverlässiger
prognostizieren als für einzelne Endverbraucher: Da sich die Verbrauchsschwankungen der
einzelnen Endverbraucher in der Regel gegenseitig teilweise aufheben, dürften die
Abweichungen zwischen Fahrplänen und tatsächlichem Verbrauch der gesamten
Bilanzgruppe geringer sein als zwischen Fahrplänen und Verbrauch einzelner
Endverbraucher. So wird durch die Verschachtelung die von einer Bilanzgruppe benötigte
Ausgleichsenergie gegenüber einem System mit Abwicklung von Einzeltransaktionen
reduziert.
3.5.4.5. Neue Vertriebsmöglichkeiten
(1)
Ein sachgerecht ausgestaltetes Bilanzmanagementkonzept ermöglicht Lieferanten die
Erschliessung neuer Kundengruppen und geografischer Märkte sowie die Entwicklung neuer
Produkte.
3.5.5.
Auswirkungen auf Erzeuger
(1)
Das Bilanzgruppenmodell ermöglicht Erzeugern, Energie einzuspeisen und an
Endverbraucher auf allen Netzebenen (indem er selber als Lieferanten auftritt oder über
einen dritten Lieferanten) abzusetzen. Auch die Teilnahme am Regelenergiemarkt stellt eine
neue Vermarktungsoption dar. Erzeuger gewinnen somit an Flexibilität und können sich neue
Absatzmöglichkeiten erschliessen. Wie der Endverbraucher kann auch der Erzeuger seine
Einspeisestellen (=Erzeugungseinheiten) über einen „Erzeugerwechsel“ einer anderen
Bilanzgruppe zuordnen.
3.5.6.
Auswirkungen auf Endverbraucher
3.5.6.1. Freie Wahl des Lieferanten und ggf. der Händler
(1)
Das Bilanzmanagementkonzept ist eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung der
Strommarktöffnung und damit dafür, dass Endverbraucher ihren Lieferanten und ggf. einen
oder mehrere Händler frei wählen können.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
22
(2)
Damit diese Wahlfreiheit in der Praxis umgesetzt werden kann, ist es unverzichtbar, dass die
Prozesse für einen einfachen und diskriminierungsfreien Lieferantenwechsel genau definiert
und dokumentiert sind. Auch die Teilnahme am Regelenergiemarkt ist für abschaltbare
Endverbraucher möglich.
3.6.
Grundsätzliche Abläufe beim Lieferantenwechsel in Zusammenhang mit
dem Bilanzgruppenmanagement
(1)
Im Folgenden werden einige Abläufe beim Lieferantenwechsel beschrieben.
(2)
Beispielhaft sind folgende Szenarien möglich:
A)
Der Kunde wechselt zu einem anderen Lieferanten innerhalb derselben Bilanzgruppe
(Endverbraucher hat mit dem Lieferanten einen Vollversorgungsvertrag)
Bilanzgruppe 1
X
Bilanzgruppe 1
W
X
Situation vor dem Wechsel
W
Situation nach dem Wechsel
W, X
Lieferant
Endverbraucher
Offener Vertrag
Abbildung 5: Der Kunde wechselt vom Lieferanten W zum Lieferanten X in der gleichen
Bilanzgruppe (jeweils mit Vollversorgung)
B)
Der Kunde wechselt zu einem Lieferanten (Vollversorgung), der sich in einer anderen
Bilanzgruppe befindet. Damit wechselt der Kunde die Bilanzgruppe.
Bilanzgruppe 1
Bilanzgruppe 1
W
W
Bilanzgruppe 2
Bilanzgruppe 2
Y
Y
Situation vor dem Wechsel
Situation nach dem Wechsel
W, Y
Lieferant
Endverbraucher
Offener Vertrag
Abbildung 6: Der Kunde wechselt vom Lieferanten W zum Lieferanten Y in einer anderen
Bilanzgruppe (ebenfalls jeweils Vollversorgung).
(3)
Im Falle des Lieferantenwechsels hat die Kündigung des alten Liefervertrages rechtzeitig
durch den Endverbraucher oder den von diesem bevollmächtigten neuen Lieferanten zu
erfolgen.
(4)
Um eine effiziente Abwicklung des Wechsels zu gewährleisten, sind geregelte Abläufe
erforderlich. Diese sind im Umsetzungsdokument SDAT-CH beschrieben.
© VSE / AES + Swissgrid BC – CH 2012
23
(5)
Der Endverbraucher kann sich durch einen Bevollmächtigten, in der Regel durch den neuen
Lieferanten, vertreten lassen. Ebenso ist der Lieferant berechtigt, sich vom bevollmächtigten
Bilanzgruppenverantwortlichen vertreten zu lassen.
(6)
Der Endverbraucher bzw. der neue Lieferant muss bei einem Lieferanten- bzw.
Bilanzgruppenwechsel mit einem zu definierenden zeitlichen Vorlauf die erforderlichen
Informationen dem Netzbetreiber bekannt geben, an dessen Netz der Endverbraucher
angeschlossen ist.
(7)
Neben dem Wechsel des Lieferanten (Fall A und B) ist es einem Endverbraucher auch
möglich, Energie von einem Lieferanten und gleichzeitig von einem oder mehreren Händlern
zu beziehen. Dieser oder diese Händler können sich in der gleichen Bilanzgruppe wie der
Endverbraucher oder in anderen Bilanzgruppen befinden.
C)
Der Kunde bezieht Energie nach Fahrplan von einem Händler, der sich in einer anderen
Bilanzgruppe befindet (Teilversorgung). Der verbleibende Energiebedarf wird im Rahmen
einer Ergänzungslieferung (offener Vertrag) vom Lieferanten, dem der Endverbraucher
zugeordnet ist, geliefert.
Bilanzgruppe 1
Bilanzgruppe 1
W
W
Fahrplanlieferung
Bilanzgruppe 2
Bilanzgruppe 2
Z
Z
Situation vor dem Wechsel
W
Lieferant
Situation nach dem Wechsel
Z
Händler
Endverbraucher
Offener Vertrag Fahrplanlieferung
Abbildung 7: Der Kunde wird weiterhin vom gleichen Lieferanten W versorgt. Allerdings
erhält er zusätzlich eine Energielieferung vom Händler Z auf Basis von Fahrplänen.
3.7.
Schnittstellen zu anderen Prozessen
(1)
Die Einführung des Bilanzgruppenmodells beeinflusst auch andere Bereiche, die
Schnittstellen mit diesen haben. Diese Bereiche, die eine enge Verknüpfung mit dem
Bilanzmanagement aufweisen, werden hier kurz erläutert.
3.7.1.
Deckung der Netzverluste
(1)
Bei jedem Transport von elektrischer Energie entstehen Verluste, die von der transportierten
Energiemenge abhängig sind. Aufgrund dieser Tatsache ist es notwendig, dass mehr
Energie in das Netz eingespeist wird, als von den Endverbrauchern bezogen wird. Für die
Beschaffung dieser Energiedifferenz sind der Übertragungsnetzbetreiber für das
Übertragungsnetz und die Verteilnetzbetreiber für die Verteilnetze verantwortlich. Im
Übertragungsnetz ist Verlustenergie klar von der Regelenergie zu trennen, damit eine
korrekte und transparente Abrechnung und Weiterverrechnung erfolgen kann. Die
Beschaffung von Verlustenergie wird durch den Netzbetreiber organisiert.
3.7.2.
Engpassmanagement
(1)
Zwischen Engpassmanagement (sowohl Schweiz-intern als auch grenzüberschreitend) und
Bilanzmanagement besteht folgende Schnittstelle: Das Engpassmanagement kann
kurzfristige Fahrplananpassungen notwendig machen, um den Engpass z.B. durch
Redispatchmassnahmen zu beseitigen.
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24
4.
Fahrplanmanagement
(1)
Das Fahrplanmanagement ist eine der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der
Versorgungssicherheit in einem geöffneten Markt mit einem Bilanzgruppensystem.
4.1.
Allgemeines
(1)
Ein Fahrplan stellt den prognostizierten Leistungsbedarf jeder Bilanzgruppe pro Zeitintervall
dar. Er gibt für jedes Zeitintervall an, wie viel Energie zwischen den Bilanzgruppen bzw. der
Regelzone Schweiz und dem Ausland ausgetauscht werden soll.
(2)
Zur Gewährleistung der freien Lieferantenwahl und der Abwicklung einer strukturierten
Beschaffung sind im Zusammenhang mit dem Fahrplanmanagement einige Bedingungen zu
erfüllen:
definierte Prozesse der Fahrplanabwicklung (Anmeldung, Quittierung, Validierung
etc.). Der ESS4-Prozess ist massgeblich
verbindliche Nominierungszeiten
verbindliche Abläufe für Korrektur der Fahrpläne am Vortag (day-ahead), während des
laufenden Tages (Intraday) und an einem folgenden Arbeitstag (Post Scheduling)
innerhalb der Schweiz.
definierte Datenformate und Übertragungswege
Kompatibilität mit europäischen Standards
Vereinheitlichte Fahrplanformate und Möglichkeit zur Abrechnung
(3)
Alle Marktakteure sind verpflichtet, einer bestehenden Bilanzgruppe anzugehören oder eine
eigene Bilanzgruppe zu bilden. Jeder Bilanzgruppenverantwortliche ist verpflichtet, für seine
Bilanzgruppe dem Übertragungsnetzbetreiber die benötigten Summenfahrpläne im
vorgesehenen Zeitraster zu allen anderen Bilanzgruppen, mit denen sie Energieverkehr
durchführt, abzugeben.
(4)
Im Rahmen des Fahrplanmanagements entstehen dem Übertragungsnetzbetreiber Kosten,
die auf die Marktakteure umgewälzt werden müssen (Art. 15 Abs. 1 Bst. b StromVV).
4.2.
Fahrplanmeldungen
4.2.1.
Ablauf
(1)
Fahrpläne sind dem Übertragungsnetzbetreiber in der Regel bis zum frühen Nachmittag des
dem Liefertag vorausgehenden Tages für den Folgetag mitzuteilen (sog. day-ahead
Fahrplanmanagement). Üblicherweise werden Fahrpläne in MW im geforderten Zeitintervall
(bspw. h, ¼h) für die gesamten 24 Stunden des Folgetages angegeben (Leistungsmittelwerte
im geforderten Zeitintervall). Fahrpläne können auch Intraday oder nachträglich
entsprechend den vom Übertragungsnetzbetreiber definierten Nominierungsregeln
angemeldet werden.
(2)
Der Übertragungsnetzbetreiber stellt dem Bilanzgruppenverantwortlichen kurzfristig nach
dem Eintreffen des Fahrplanes eine Empfangsbestätigung zu. Diese bestätigt, dass der
Übertragungsnetzbetreiber den Fahrplan erhalten hat und die Registrierung erfolgt ist. Sie
bestätigt noch nicht die Semantik (Logik) und Ausführbarkeit des Fahrplanes.
(3)
Im weiteren Verlauf des Nachmittags (bei einer day-ahead Anmeldung) überprüft der
Übertragungsnetzbetreiber die Semantik und validiert die Konsistenz und Ausführbarkeit des
eingegangenen Fahrplans. Bei negativer Prüfung fordert der Übertragungsnetzbetreiber den
Bilanzgruppenverantwortlichen zur Korrektur des Fahrplanes mit entsprechender Frist auf.
Kommt bis zum Ablauf dieser Frist kein validierter Fahrplan zu Stande, greifen vom
Übertragungsnetzbetreiber vorab definierte Regeln für die Abwicklung. Bei positiver Prüfung
sendet der Übertragungsnetzbetreiber dem Bilanzgruppenverantwortlichen die
Fahrplanbestätigung.
4
ENTSO-E Scheduling System, siehe Literaturverzeichnis
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25
(4)
Der Bilanzgruppenverantwortliche kann nur dann davon ausgehen, dass sein Fahrplan
durchgeführt wird, wenn er im Besitz der Fahrplanbestätigung ist. Alle vom
Übertragungsnetzbetreiber bestätigten Fahrpläne sind verbindlich.
4.2.2.
Verantwortung
(1)
Der Bilanzgruppenverantwortliche ist verantwortlich für die von ihm an den
Übertragungsnetzbetreiber abgegebenen Fahrpläne sowie für deren zeitgerechte
Übermittlung. Der Übertragungsnetzbetreiber bestätigt den Erhalt sowie die Ausführbarkeit
der Fahrpläne. Es liegt jedoch in der Verantwortung des Bilanzgruppenverantwortlichen,
beim Ausbleiben der Bestätigungen die Zustellung der Fahrpläne zu klären oder diese in die
Wege zu leiten.
(2)
Bevor der Bilanzgruppenverantwortliche dem Übertragungsnetzbetreiber seinen Fahrplan
sendet, sollte er seine Geschäfte mit anderen Bilanzgruppenverantwortlichen abstimmen, um
Fahrplandifferenzen zu vermeiden. So ist gewährleistet, dass der Übertragungsnetzbetreiber
von beiden Bilanzgruppenverantwortlichen eine konsistente Fahrplananmeldung erhält.
(3)
Auswirkungen auf Grund von fehlenden, fehlerhaften oder nicht übereinstimmenden
Fahrplanmeldungen gehen zu Lasten des Bilanzgruppenverantwortlichen.
BGV I
Geschäfte /
Fahrplan
abstimmen
BGV II
Fahrplan
erstellen
Fahrplan
korrigieren
Fahrplan
senden
BGV
Fahrplan
empfangen
ÜNB
Empfang
bestätigen
Fahrplan
bestätigen
nein
ja
Plausibilisierung
nein
ja
ÜNB
Fahrplan
ausführen
Validierung
Abbildung 8: Ablauf der Fahrplanmeldungen (vereinfachte Darstellung)
4.2.3.
Engpässe
(1)
Fahrplanmeldungen werden unter dem Vorbehalt einer Prüfung von Netzengpässen und
allenfalls zugeteilten Kapazitäten angenommen. In allen Fällen hat der
Übertragungsnetzbetreiber die angemeldeten Fahrpläne auf ihre Ausführbarkeit zu prüfen.
Der Übertragungsnetzbetreiber hat das Recht, die angemeldeten Fahrpläne im Rahmen der
reglementarischen Bestimmungen für die Netzsicherheit unter Angabe von Gründen
abzulehnen. Betroffene Bilanzgruppen werden hierüber direkt informiert. Zusätzlich sollen zur
Gewährleistung von Transparenz und Diskriminierungsfreiheit die Ursache und die
voraussichtliche Dauer des Engpasses vom Übertragungsnetzbetreiber im Internet
veröffentlicht werden.
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26
5.
Regel- und Ausgleichsenergie
5.1.
Allgemeines
(1)
Das Bilanzmanagement, mit der Aufgabe, das Gleichgewicht zwischen Energieerzeugung
und Energieverbrauch jederzeit zu gewährleisten, setzt den Einsatz von Regelreserven
voraus. Betriebstechnisch sind drei Arten von Regelreserven zu unterscheiden: Primär-,
Sekundär- und Tertiärregelreserven. Zum Verständnis der Vorgänge müssen alle drei
Regelprozesse gemeinsam erläutert werden, obwohl ihre Abwicklung und ihre finanzielle
Abgeltung üblicherweise unterschiedlich erfolgen. Als wesentliche Akteure sind der
Übertragungsnetzbetreiber sowie die Systemdienstleistungserbringer involviert.
(2)
Die Beschaffung der Regelenergie erfolgt für die gesamte Regelzone Schweiz über einen
Regelenergiemarkt. Die vertraglich fixierten ENTSO-E-Regeln legen zwar das Verhalten und
die technischen Anforderungen an die erforderlichen Regelreserven grundsätzlich fest,
hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung eines solchen Marktes gibt es jedoch keine
einheitlichen europäischen Standards.
(3)
Dabei hängen Effizienz und Zuverlässigkeit des Regelenergiemarktes stark von der
konkreten Ausgestaltung ab. Die Marktregeln sollen deswegen Wettbewerb, Transparenz,
Effizienz und Gleichbehandlung sicherstellen, um z.B. unerwünschte Marktverzerrungen
durch die Akteure zu verhindern.
(4)
Die Akteure haben die Verpflichtung, dass die als Regelreserve vom
Übertragungsnetzbetreiber kontrahierten Kapazitäten tatsächlich vorgehalten und nicht
doppelt vermarktet werden.
5.2.
Die unterschiedlichen Regelungsarten
5.2.1.
Definitionen
5.2.1.1. Primärregelung
(1)
Automatische und unverzügliche (im Sekundenbereich) Wiederherstellung des
Gleichgewichtes von Erzeugung und Verbrauch im gesamten synchronen Verbundnetz zur
Einhaltung der Frequenzwerte in zulässigen Grenzen. Bei Differenzen zwischen Erzeugung
und Verbrauch / Frequenzschwankungen wird die Produktion in Kraftwerken, die über einen
Frequenzregler verfügen, automatisch erhöht oder reduziert, um diese Schwankungen
auszugleichen.
5.2.1.2. Sekundärregelung
(1)
Automatische Einhaltung des gewollten Energieaustausches (Übergabesollwert) der
Regelzone Schweiz mit dem übrigen Verbundnetz, ohne dem Verhalten der Primärregelung
entgegen zu wirken. Ein einwandfreies Funktionieren der Sekundärregelung bewirkt, dass
sowohl die Übergabeleistung als auch die Netzfrequenz auf ihren jeweiligen Sollwert
zurückgebracht werden.
(2)
Zu diesem Zweck ist die Regelzone Schweiz mit einem Netzregler ausgerüstet
(Leistungsfrequenzregelung), dessen Reaktionszeit im Minutenbereich liegt. Der Stellbefehl
des Netzreglers wirkt auf Produktionseinheiten, die dem Übertragungsnetzbetreiber zur
Regelung zur Verfügung stehen, und ändert die abgegebene Leistung dieser Einheiten.
5.2.1.3. Tertiärreserve
(1)
Die partielle oder totale Aktivierung der Tertiärreserve ermöglicht eine bewusste
Verschiebung des Arbeitspunktes der Sekundärregelung, so dass dieser wieder innerhalb
seines Regelbandes zu liegen kommt. So sollen die Austauschprogramme der Regelzone
auch dann entsprechend ihrem Sollwert erfolgen, wenn die Sekundärregelreserve nicht mehr
ausreicht (zum Beispiel bei Kraftwerksausfällen).
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Organisation von Regelenergiemärkten
5.2.2.
5.2.2.1. Allgemeines
(1)
Die Regeln und Bedingungen zur Teilnahme an den Regelenergiemärkten sind auf der
Webseite von Swissgrid veröffentlicht.
5.2.2.2. Beschaffung der Primärreserve
(1)
Die Primärregelreserve wird vom Übertragungsnetzbetreiber über eine Ausschreibung
marktbasiert, transparent und nicht-diskriminierend beschafft. Die ENTSO-E-Regeln legen
die minimale Leistungsvorhaltung jeder Regelzone fest. Für die Primärregelreserve wird über
ein Präqualifikationsverfahren sichergestellt, dass ausschliesslich geeignete
Erzeugungseinheiten an der Ausschreibung des Übertragungsnetzbetreibers teilnehmen: Die
zur Primärregelung herangezogenen Produktionseinheiten müssen auf einem Arbeitspunkt
betrieben werden, die eine Erhöhung oder eine Absenkung der abgegebenen Leistung in
festgelegten Grenzen erlaubt (Regelband).
5.2.2.3. Beschaffung der Sekundärreserve
(1)
Die Sekundärreserve wird vom Übertragungsnetzbetreiber über eine Ausschreibung
marktbasiert, transparent und nicht-diskriminierend beschafft. Die ENTSO-E -Regeln legen
die minimale Leistungsvorhaltung jeder Regelzone fest. Für die Sekundärreserve wird über
ein Präqualifikationsverfahren sichergestellt, dass ausschliesslich geeignete
Erzeugungseinheiten an der Ausschreibung des Übertragungsnetzbetreibers teilnehmen: Die
zur Sekundärregelung herangezogenen Produktionseinheiten müssen auf einem
Arbeitspunkt betrieben werden, die eine Erhöhung oder eine Absenkung der abgegebenen
Leistung in festgelegten Grenzen erlaubt (Regelband).
5.2.2.4. Beschaffung der Tertiärreserve
(1)
Im Rahmen eines Angebotsverfahrens melden die Marktakteure (Erzeuger,
Händler/Lieferanten, Endverbraucher) dem Übertragungsnetzbetreiber, zu welchen
Bedingungen und in welchen Stunden sie bereit wären, während eines definierten Zeitraums
eine bestimmte Leistung (positiv und/oder negativ) vorzuhalten, bzw. eine bestimmte
Energiemenge zu liefern oder abzunehmen. Dabei können vom Übertragungsnetzbetreiber
Mindestdauereinsatz und Mindestmengen festgelegt werden. Der Übertragungsnetzbetreiber
listet die Angebote nach „merit order“ und setzt sie dann nach Bedarf ein.
(2)
Die folgende Abbildung zeigt den Angebotsmechanismus bei Mehrbedarf (grüne Blöcke)
bzw. bei Reduktionen (hellblaue Blöcke). Bei Mehrbedarf werden zuerst die günstigsten
Angebote eingesetzt. Ist eine Reduktion notwendig, dann werden zuerst die Meistbietenden
berücksichtigt. Der Einsatz der gewählten Anbieter für eine Mehrlieferung sowie für eine
Reduktion hängt von der benötigten Leistung bzw. Energiemenge ab.
Preis
Effektiv
gefahrene
Austauschleistung
Leistung
Offerten für den
Verkauf von
Regelenergie
M1
Menge
M2
Abgerufene
bzw.
zurückgestossene
Energie
M1
Preis
Offerten für den
Ankauf von
Regelenergie
FahrplanSollwerte
0
6
12
18
24 Stunden
Menge
M2
Abbildung 9: Marktmechanismus für die Beschaffung der Regelreserve (Beispiel)
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28
5.3.
Ausgleichsenergie
(1)
Als Ausgleichsenergie werden Abweichungen zwischen den angemeldeten
Fahrplanprogrammen (Import und Export sowie An- und Verkäufe) und tatsächlich
gemessenen Ausspeisungen der zur Bilanzgruppe gehörigen Verbraucher, bzw. Einspeisung
von Erzeugern verstanden. Sie stellt damit eine reine Abrechnungsgrösse dar, die es dem
Übertragungsnetzbetreiber ermöglicht, die Kosten der Regelenergiebeschaffung nach klar
definierten Prinzipien gesetzeskonform an die Bilanzgruppenverantwortlichen weiterzugeben.
Die Preise für Ausgleichsenergie orientieren sich daher an den Regelenergiekosten. Sie
müssen zudem wirksame Anreize geben, damit die Bilanzgruppenverantwortlichen auf die
Minimierung der Ausgleichsenergie hinwirken.
(2)
Aus diesem Grund kann es unterschiedliche Preise für Ausgleichsenergie in Abhängigkeit
von der Netzsituation in der Regelzone und vom Zustand der Bilanzgruppe im jeweiligen
Moment, wie folgende Abbildung zeigt, geben.
Regelzone
short (Unterdeckung)
short
(Unterdeckung)
long
(Überdeckung)
(I) BGV zahlt
(II) BGV zahlt
Preis A
Preis B
(III) BGV erhält
(IV) BGV erhält
Preis C
Preis D
Bilanzgruppe
long (Überdeckung)
= Bilanzgruppe wirkt systemstabilisierend
= Bilanzgruppe wirkt systemdestabilisierend
Abbildung 10: Möglichkeiten zur Preisstellung in Abhängigkeit von Systemzustand und
Zustand der Bilanzgruppe
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29
Fall I
Sowohl die Regelzone als auch die Bilanzgruppe benötigen mehr Energie, als beschafft wird. Der
Zustand der Bilanzgruppe belastet den Systemzustand also zusätzlich (BG-short / nicht konform).
Fall II
Wenn in der Regelzone mehr Energie geliefert als abgenommen wird und innerhalb einer
Bilanzgruppe der Verbrauch höher ist als erwartet, trägt die Bilanzgruppe zur Entlastung des
Systemzustands bei. Da die Bilanzgruppe eine Unterdeckung aufweist, wird in der Regelzone zum
Ausgleich weniger Regelreserve benötigt (BG-short / konform).
Fall III
Wenn die Regelzone eine Unterdeckung aufweist, also mehr Energie benötigt, als zur Verfügung steht
und die Bilanzgruppe überspeist, also mehr Energie einspeist, als sie benötigt, trägt die Bilanzgruppe
zur Entlastung des Systemzustands bei (wie in Fall II) (BG-long / konform).
Fall IV
Weisen sowohl die Regelzone als auch die Bilanzgruppe eine Überdeckung auf, speisen also mehr
ein, als benötigt wird, belastet die Bilanzgruppe den Systemzustand zusätzlich (wie in Fall I) (BG-long
/ nicht konform).
(3)
Der Übertragungsnetzbetreiber veröffentlicht die Definition der Preise A, B, C und D in den
„Allgemeinen Bilanzgruppenvorschriften“. Es besteht dabei auch explizit die Möglichkeit, die
Betrachtung des Regelzonenzustands aussen vor zu lassen und damit die Preise A und B
resp. C und D gleichzusetzen, so dass nur noch der Zustand der Bilanzgruppe (long oder
short) relevant ist. Mit der Definition der Preise A, B, C und D werden unterschiedliche
Situationen wie negative Preise, Preise gegen „0“ oder sehr hohe Preise berücksichtigt.
(4)
Die Ausgleichsenergie wird pro Viertelstunde ermittelt und mit den jeweiligen
Ausgleichsenergiepreisen pro Viertelstunde verrechnet.
(5)
Der Übertragungsnetzbetreiber veröffentlicht vorab die Bedingungen für die
Ausgleichsenergiepreise und im Nachhinein die Ausgleichsenergiepreise der einzelnen
Zeitabschnitte und berechnet für jeden Bilanzgruppenverantwortlichen die von ihm zu
tragenden Kosten bzw. Gutschriftsbeträge. Monatlich, stellt der Übertragungsnetzbetreiber
den Bilanzgruppen die Ausgleichsenergie in Rechnung bzw. erteilt Gutschriften.
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30
6.
Messdatenmanagement
6.1.
Allgemeines
(1)
Das Messdatenmanagement beinhaltet die Ermittlung, Aufbereitung, Verarbeitung und
Lieferung der Daten, die für das Bilanzmanagement notwendig sind, einschliesslich der
Daten für Lieferanten- und Bilanzgruppenwechsel.
(2)
Die klare Trennung der Aktivitäten in Erzeugung, Transport und Verteilung verlangt, dass die
notwendigen Daten der einzelnen Prozesse für die berechtigten Marktakteure zugänglich
sind. Durch die Marktöffnung und die Einführung des Bilanzgruppensystems muss ein
standardisiertes und bedarfsgerechtes Messdatenmanagement gewährleistet werden.
6.2.
Messdaten-Informationsfluss für das Bilanzmanagement
(1)
Für die Bewältigung des Bilanzmanagements benötigen die Akteure von Netzbetreibern
Messdaten. Der Umfang sowie die Prozesse des Datenaustauschs sind im Metering Code
und im Umsetzungsdokument Datenaustausch (SDAT-CH) beschrieben.
6.3.
Messstellenzuordnung
(1)
Jeder Messpunkt kann nur einer Bilanzgruppe und einem Lieferanten zugeordnet sein. Dies
bedeutet jedoch nicht, dass ein Endverbraucher je Messpunkt nicht von weiteren Händlern
über Fahrpläne versorgt werden kann. Der Erzeuger, der Endverbraucher und der Lieferant,
denen der Messpunkt zugeordnet ist, haben Anspruch auf Erhalt der Messdaten.
(2)
Der Netzbetreiber (in der Regel der VNB, seltener der ÜNB) ist dafür verantwortlich, dass alle
Messpunkte von Endkunden und Erzeugungseinheiten in seinem Netzgebiet jederzeit
Bilanzgruppen, Lieferanten und Erzeugern zugeordnet sind. Nichtzugeordnete Messpunkte
werden dem Grundversorger zugeordnet.
6.4.
Messdaten
(1)
Jeder Netzbetreiber installiert und betreibt alle notwendigen Einrichtungen für die Erfassung
der notwendigen Leistungs- und Energiewerte und leitet sie den berechtigten Marktakteuren
weiter.
(2)
Die technischen Details und Minimalanforderungen für die Messeinrichtungen sind im
Metering Code näher spezifiziert.
6.5.
Lastgangmessung
(1)
Alle Endverbraucher, die von ihrem Anspruch auf Netzzugang Gebrauch machen, sowie
Erzeugungseinheiten mit einer Anschlussleistung über 30 kVA müssen mit einer
Lastgangmessung mit automatischer Fernauslesung ausgestattet sein (Art. 8 Abs.5
StromVV). Ausnahmen von dieser Regel gelten für Produzenten mit Altanlagen (MKF
gefördert) gemäss Art. 29 StromVV und Art. 28a EnG.
(2)
Die Lastgänge dieser Erzeugungsanlagen/Endverbraucher werden durch gemessene Werte
in definierten Zeitintervallen abgebildet und regelmässig ausgelesen. Somit stehen die
relevanten Daten für die Fahrplanerstellung stets zeitnah zur Verfügung. Zur Bilanzierung ist
zudem jeder Netzübergang mit einer Lastgangmessung auszurüsten. Weitere Einzelheiten
sind im Metering Code bzw. Umsetzungsdokument Datenaustausch (SDAT-CH) festgelegt.
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