Markus Temming GmbH: Es müssen nicht immer große Lösungen sein Wenn Beschäftigte in der Familienphase nicht so häufig in den Betrieb kommen können, dann kommt der Betrieb eben zu ihnen – oder kommt ihnen zumindest entgegen. Mit Heimarbeit und flexiblen Arbeitszeiten schafft es der Gütersloher Brillenhersteller Markus Temming GmbH, Fluktuation und Fehlzeiten von Fachkräften zu senken. Familienfreundliches Handwerk: Praktische Konzepte ohne hohen Investitionsbedarf In Handwerksbetrieben ist die Zahl der Beschäftigten überschaubar. Man kennt sich. Lösungen für Probleme können unkompliziert angepackt werden – so wie beim Gütersloher Brillenhersteller Markus Temming GmbH. Das kleine mittelständische Unternehmen erleichtert Fachkräften in der Familienphase mit einfach umsetzbaren Mitteln die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ein einfach umzusetzendes Maßnahmenpaket für kleine Betriebe Das Gütersloher Unternehmen Markus Temming GmbH entwirft, produziert und vertreibt Designerbrillen. Besonders in der Produktion wird von den Beschäftigten hoch spezifisches technisches Wissen und handwerklich präzises Arbeiten gefordert. Rund ein halbes Jahr dauert es, neues Personal anzulernen. „Nach der Anlernzeit habe ich eine hoch qualifizierte Fachkraft“, so Bernadett Störmann von der Geschäftsleitung. „Sie zu verlieren, würde einen hohen betriebswirtschaftlichen Verlust bedeuten.“ Deshalb tut das Unternehmen viel dafür, seine Fachkräfte zu halten – vor allem, wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht. Denn viele der 47 meist weiblichen Beschäftigten sind kurz vor oder mitten in der Familienphase. „Wenn Beschäftigte mit Kindern nicht mehr so häufig ins Unternehmen kommen können, dann kommt das Unternehmen eben zu ihnen“, erklärt Bernadett Störmann. „Wir richten auf Wunsch einen Arbeitsplatz zu Hause ein.“ Und dabei macht es keinen Unterschied, ob es um Verwaltungstätigkeiten oder um die Herstellung von Brillen geht. „Wir stellen PC, Licht und Werkzeuge zur Verfügung.“ Zu Hause können sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Arbeit frei einteilen und sich so besser auf unregelmäßige Schulzeiten oder Unterrichtsausfall einstellen und sogar für das Mittagessen sorgen. Diese Flexibilität genießen aber nicht nur die „Heimarbeitenden“ des Unternehmens. Alle Beschäftigten haben individuelle Arbeitsverträge mit einem wöchentlichen Arbeitspensum zwischen 10 und 40 Stunden. Flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten sowie schrittweiser Wiedereinstieg nach der Elternzeit runden das Maßnahmenpaket ab. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Beschäftigte mit Kindern konzentrierter arbeiten, wenn Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert wird.“ Und Konzentration ist bei der filigranen Arbeit das A und O. Wer hier den Kopf nicht frei hat, macht schnell Fehler. So garantieren die Vereinbarkeit fördernden Angebote den reibungslosen Betrieb und damit auch eine hohe Kundenzufriedenheit. Denn zugesagte Termine können problemlos eingehalten werden. „All das erfordert keinen hohen Investitionsbedarf“, sagt Bernadett Störmann. „Jeder Betrieb, und sei er noch so klein, kann die Maßnahmen umsetzen.“ Voraussetzung aber sei, dass die Geschäftsleitung ein offenes Ohr für die Belange der Beschäftigten habe und Probleme offen angesprochen werden können. Dann fände sich immer eine Lösung. „Da reicht meist schon guter Wille, Flexibilität und gute Führung.“ Wo Familienfreundlichkeit praktisch gelebt wird Wo Familienfreundlichkeit praktisch gelebt wird Die Brillenmanufaktur Markus Temming wurde 1998 in Isselhorst bei Gütersloh gegründet. Geschäftsführer Markus Temming startete mit zwei Angestellten. Zehn Jahre später waren es bereits 47 Beschäftigte, 41 davon weiblich. In dieser Zeit wurden von sieben Mitarbeiterinnen acht Kinder geboren. Gut die Hälfte der Belegschaft befindet sich zurzeit in der aktiven Familienphase. Von Anfang an war die Betriebsleitung daher mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf konfrontiert und bemüht, individuelle Lösungen zu finden – ohne zu wissen, dass sie damit ein wichtiges und öffentlichkeitswirksames Thema ganz selbstverständlich lebten und zu einem der Vorreiter im Handwerk wurden. Auslöser Im Betrieb geht es sehr familiär zu. „Es besteht eine enge, persönliche Bindung zwischen dem Firmengründer Herrn Temming und seiner Belegschaft“, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Bernadett Störmann. „Er ist regelmäßig in der Werkstatt, um den Kontakt zu halten und nach dem Rechten zu sehen. Und wenn es Probleme gibt, wird er direkt von den Mitarbeitern angesprochen.“ Ist ein Kind krank, hat die Kita ungünstige Öffnungszeiten oder fällt die Tagesmutter aus – immer dann, wenn ein Problem ansteht, werden Lösungen gefunden. Daraus entwickelte sich mit der Zeit eine breite Palette flexibler Angebote für Beschäftigte in der Familienphase. „Das geschah ganz selbstverständlich.“ 2006 startete das Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes NRW ein Pilotprojekt zum Thema "Mehr Wettbewerbsstärke und Ertragskraft durch Familiensinn = der Pluspunkt für den Mittelstand". Ziel war die Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung von familienfreundlichen Maßnahmen in Unternehmen in Ostwestfalen-Lippe. „Ich bin zu einer Informationsveranstaltung gegangen“, erinnert sich Bernadett Störmann. „Da erst wurden mir viele Maßnahmen, die wir umgesetzt hatten, als Maßnahmen bewusst.“ Die Brillenmanufaktur entschied sich für eine Teilnahme an dem Pilotprojekt – und entdeckte ganz neue Möglichkeiten. In Interviews mit Beschäftigten gab eine Halbtagskraft an, oft unruhig zu sein, weil sie das Gefühl habe, ihre Kinder seien nicht ausreichend betreut. Wechselnde Schulzeiten der Kinder, Krankheiten und Unterrichtsausfall machten der allein erziehenden Mutter konzentriertes Arbeiten ohne Stress und Hektik fast unmöglich. Die Firma richtete ihr den ersten Heimarbeitsplatz seit Bestehen des Unternehmens ein. Drei Tage arbeitet die Fachkraft seitdem von zu Hause, zwei Tage im Betrieb. Sie ist seitdem konzentrierter und hat ihre Arbeitszeit zudem erhöht. Außerdem konnten ihre Fehlzeiten reduziert werden. Denn weil sie sich die Arbeitszeiten zu Hause nun selbst einteilt, kann sie sich auf die wechselnden Schulzeiten durch Unterrichtsausfälle flexibel einstellen. Erfahrungen Die Teilnahme an dem Pilotprojekt war der Startschuss, sich offensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen und auch an die Öffentlichkeit zu wagen. So gewann die Firma bei einem lokalen Wettbewerb „Familie gewinnt“, der vom Kreis Gütersloh und der Bertelsmann Stiftung 2007 ausgelobt worden war, den ersten Platz. “Durch die nachfolgenden Medienberichte haben wir mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfahren“, sagt Bernadett Störmann. „Wir bekamen daraufhin viele Bewerbungen von Menschen in der Familienphase – und gewannen so neue Mitarbeiterinnen.“ Auch das innerbetriebliche Klima habe sich verändert. „Es wird seitdem noch offener miteinander gesprochen, und es gibt ein größeres gegenseitiges Verständnis.“ Maßnahmen Es gibt keine Patentlösungen. Vielmehr sind die Angebote zur besseren Vereinbarkeit individuell auf die Bedürfnisse der Angestellten zugeschnitten. So haben alle Beschäftigten individuelle Arbeitsverträge mit einem wöchentlichen Arbeitspensum zwischen 10 und 40 Stunden. Flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten sowie schrittweiser Wiedereinstieg nach der Elternzeit runden das Maßnahmenpaket ab. Darüber hinaus wird Beschäftigten in Produktion und Verwaltung regelmäßig oder in Notsituationen die Arbeit von zu Hause ermöglicht. So gibt es zurzeit einen Heimarbeitsplatz in der Buchhaltung und einen Heimarbeitsplatz in der Produktion. Da in der Herstellung von Brillen vor allem kleine und leichte Teile zum Einsatz kommen, ist der Investitionsaufwand für die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes gering. Hier geht es um einen zusätzlichen Werkzeugsatz sowie die Ausleuchtung, um die optimalen Lichtverhältnisse zu schaffen. Faktoren für den Erfolg Als wichtigsten Faktor nennt Bernadett Störmann ein Klima der Offenheit, das es ermögliche, Probleme ansprechen zu können und zu dürfen. Die Probleme selbst sollten individuell geregelt werden. Die Frage lautet in jedem Einzelfall: Was braucht es wirklich? So stelle man sicher, dass die gefundenen Maßnahmen auch wirklich die Bedürfnisse der Beschäftigten träfen. Ist der Erfolg messbar? Nach Angaben der Geschäftsführung gibt es im Betriebsablauf kaum mehr unvorhergesehene Fehlzeiten, da Probleme frühzeitig identifiziert und Lösungen gefunden werden. Ein reibungsloser Ablauf sei so garantiert und zeige sich in der Verlässlichkeit, die das Unternehmen seinen Kunden anbietet. Zudem seien die Fehlzeiten sehr niedrig und kaum Fluktuation bei den Fachkräften zu verzeichnen. Der Druck ist weniger geworden Simone Schlepphorst (33) arbeitet seit fünf Jahren beim Gütersloher Brillenhersteller Markus Temming. Die gelernte Zahnarzthelferin ist in der Produktion mit dem Vorrichten von Brillengestellen beschäftigt, einer Tätigkeit, die sehr präzises und konzentriertes Arbeiten erfordert. Vor drei Jahren richtete das Unternehmen der allein erziehenden Mutter einer achtjährigen Tochter und eines 12jährigen Sohnes einen Heimarbeitsplatz ein. Frau Schlepphorst, wie war das, bevor Sie von Zuhause aus arbeiten konnten? Ich war manchmal unkonzentriert und mit meinen Gedanken eher bei meinen Kinder als bei der Arbeit. Warum war das so? Ich habe damals jeden Vormittag in der Brillenmanufaktur gearbeitet und hatte feste Arbeitszeiten. Meine Kinder aber haben unterschiedliche Schulzeiten. Manchmal fällt auch Unterricht aus. Oder die Kinder sind krank. Ganz problematisch war es in den Sommerferien. So viel Urlaub habe ich ja nicht, um sie in der Zeit zu betreuen. Und meine Eltern konnten und können nicht einspringen, da sie auch noch berufstätig sind. Was war Ihr Lösungsvorschlag? Ich wollte gern ganz von Zuhause arbeiten. Aber Herr Temming, der Firmeninhaber, fand das schade, weil ich dann viel von der Kommunikation im Betrieb verpassen würde. Wir haben uns dann dafür entschieden, dass ich zwei Tage im Betrieb und drei Tage von zu Hause aus arbeite und haben das mal ein paar Wochen ausprobiert. Wie geht es Ihnen jetzt? Prima. Einerseits empfinde ich es als sehr wohltuend, auch mal aus meinem Alltag raus zu kommen und in der Firma zu sein. Andererseits bin ich jetzt viel zu Hause und kann für die Kinder da sein – vor allem, wenn sie krank sind. Es ist ja meist so, dass erst ein und kurz danach das zweite Kind krank wird. Früher konnte ich dann nicht arbeiten und bin zu Hause geblieben – allerdings mit der großen Sorge um meinen Arbeitsplatz. Heute kann ich flexibel reagieren. Ich kann bei den Kindern sein und trotzdem arbeiten. Der Druck ist weniger geworden. Und was machen Sie in den Ferien? Wir haben vereinbart, dass ich während der Ferien ganz von Zuhause aus arbeiten kann. Wie sieht Ihr Heimarbeitsplatz aus? Ich habe einen Schreibtisch und ausreichend Beleuchtung. Mein Werkzeug und das, was ich sonst noch brauche, bringe ich aus dem Betrieb mit – ich bin ja regelmäßig da. Es ist alles so einfach und praktisch. Da fällt es leicht, sich zu konzentrieren. Markus Temming GmbH Stammsitz Isselhorster Straße 374 33334 Gütersloh Telefon: 05241-688660 Telefax: 05241-688670 E-Mail: [email protected] Internet: www.markus-t.com Branche Optische Industrie, Augenoptik Produkte/Dienstleistungen Design, Entwicklung, Produktion und Vertrieb von Designerbrillenfassungen "made in Germany" Tätigkeitsbereich international Unternehmens- und Personalleitung Herr Markus Temming, Inhaber und Geschäftsführer Bernadett Störmann, Management, stellvertretende Geschäftsführung Beschäftigte Gesamt = Deutschland 48 | Frauen: 65 Prozent | Männer: 35 Prozent Familienfreundliche Maßnahmen Flexible Arbeitszeitregelungen Sämtliche Arbeitsverträge werden bezüglich Wochenarbeitszeit und Einsatz individuell mit dem Arbeitnehmer abgestimmt. Familienbewusste Arbeitsorganisation | Ein hohes Maß an Selbstverwaltung wird den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern übergeben. Beschäftigte der Administration organisieren ihren Bereich eigenverantwortlich nach Arbeitsvolumen. In der Produktion wird zum Beispiel in Wochen mit Brückentag entsprechend vorgearbeitet, um den Brückentag selber frei zu halten. | Selbstverständlich werden bei der Urlaubsplanung sowie anderen offiziellen Terminen die Belange und Betreuungszeiten der Eltern berücksichtigt. Familienfreundlicher Arbeitsort | Um zum Beispiel die Betreuungssituation einer allein erziehenden Mutter zu erleichtern, wurde der Arbeitsplatz so umgestellt, dass sie zwei Tage in der Firma ist, um den internen Anschluss zu behalten, die anderen drei Tage von zu Hause aus arbeitet. | In Notsituationen, bei unerwarteten Vorkommnissen, wie Krankheit der Kinder oder plötzliche Betreuungsengpässe können Arbeiten von zu Hause aus erledigt werden. | Einrichtung eines Homeoffice- Arbeitsplatzes Informations- und Kommunikationspolitik Mit jedem betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden individuelle Gespräche geführt, um die Situation zu erfassen und gemeinsam Lösungen zu finden. Führungskompetenz | Regelmäßige Information über offizielle Angebote/ Unterstützungen sowie Informationsweitergabe an die Beschäftigten | Unterstützung des örtlichen Lokalen Bündnisses, Teilnahme an Arbeitskreisen und Veranstaltungen zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf Angebote für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit | Während der Elternzeit wird ein enger Kontakt zu den Beschäftigten gehalten, sie werden zu Firmentreffen und Veranstaltungen eingeladen | Stundenweiser Wiedereinstieg bereits während der Elternzeit möglich, um den Kontakt zur Firma und Kolleginnen und Kollegen so eng wie möglich zu halten | Im Firmeneigenen Showroom und im Büro können die jungen Mütter ihr Kind mitbringen. Entgeltbestandteile Zuschuss zur Kinderbetreuung Geldwerte Leistungen für Familien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Familienangehörige bekommen unsere Brillen zu einem Vorzugspreis. Vorteile der familienfreundlichen Maßnahmen Personalbindung durch sehr hohe Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen. Außerordentlich geringe Rate an Personalwechsel, wodurch Ruhe im innerbetrieblichen Ablauf besteht. Gleichzeitig kann das Investitionsvolumen im Bereich Einarbeitung neuer Arbeitskräfte gering gehalten werden. Preise/Auszeichnungen | 1. Platz im Wettbewerb „familie gewinnt“ der Bertelsmann Stiftung und dem Lokalen Bündnis für Familie des Kreises Gütersloh | Teilnahme am Projekt „Mehr Wettbewerbsstärke und Ertragskraft durch Familiensinn = der Pluspunkt für den Mittelstand“ im Auftrag des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration NRW Zeitpunkt der Einführung familienfreundlicher Maßnahmen Seit Unternehmensgründung 1999 Vermarktung des Engagements beim Recruiting Berichte in den lokalen Tageszeitungen, sowie bundesweit in Magazinen und branchenspezifischen Fachzeitschriften. Anteil von Frauen in Führungspositionen 33 Prozent Besonderheiten | Sehr flache hierarchische Strukturen | Kennenlernen des Betriebes und der Arbeitsplätze für Familienmitglieder und Freunde im Rahmen von Firmenveranstaltungen (Familientag „Hoffest“) Zitate „Besonders in einer Manufaktur sind absolute Präzision, Perfektion und höchste Qualitätsstandards die Grundlage für gleichbleibend hochwertige Produkte und Erfolg im Markt. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Beschäftigten nur dann dauerhaft dieses hohe Niveau halten können, wenn sie spüren, dass wir nicht nur ihres fachlichen Könnens wertschätzten, sondern uns auch ein funktionierendes Familienleben wichtig ist.“ Markus Temming, Inhaber Ansprechpartner zum Thema Bernadett Störmann Telefon: 05241-688660 Fax: 05241-688670 E-Mail: [email protected]
© Copyright 2025 ExpyDoc