Blickwechsel im Unternehmen Blickwechsel im Unternehmen: Vertrauen in die Kompetenz anderer (1) Bilanz: Finanzmärkte ändern Blickwinkel des Managements Die Forderung nach kurzfristig steigenden Quartalsgewinnen und Aktienkursen verlagert den Blickwinkel des Management zunehmend auf die Finanzmärkte. Interessen von Kapitalbesitzern und persönliche Karrierewünsche der Führungskräften verändern den betrieblichen Alltag. Kunden, Produkte und Service finden sich nur noch auf Platz zwei des Interesses. Die auf kurzfristige Quartalsgewinne und Karrieren geeichten Managern sind immer auf der Suche nach kurzfristig wirksamen Möglichkeiten zur Kostensenkung. Da sind Sparmassnahmen bei Investitionen, Innovationen und Personal das Naheliegendste. Damit verbundene negative Auswirkungen auf zukünftige Geschäfte interessieren diese Manager nicht wirklich. Zum einen können sie das auf Grund ihres häufigen Stellenwechsels aus eigener Erfahrung kaum noch wirklich beurteilen. Zum anderen haben sie rechtzeitig vorher häufig schon eine neue Aufgabe an anderer Stelle übernommen. Die vielfältig zu beobachtende Fokussierung auf die kurzfristigen Interessen der Kapitalbesitzer verhindert langfristig den wirtschaftlichen Erfolg. Details dazu auf der Seite „Ingenieurarbeit“. (2) Ursache: Komplexität überfordert zentrale Führung Die Entfernungen der Entscheidungszentralen zur Realität über die sie entscheiden werden dadurch noch größer. Das um so mehr je komplexer und vielfältiger die Realität ist und je kürzer die Zeiträume sind, in denen darüber entschieden werden muss. Zur Überbrückung dieser Lücken werden Berater beauftragt. Die filtern dann mit ihrem „Handwerkszeug“ (Managementphilosophien und Rezepten) einige messbare Teile der Realität heraus und verwandeln sie in einen Foliensatz. So entstehen Rasterbilder unterschiedlicher Teilaspekte, die genügend Spielräume lassen für Interpretationen. Auf diese Weise können Vorgaben von Eigentümern und Finanzmärkten, persönliche Sichtweisen, Karriereinteressen und Seilschaften die Entscheidungen beeinflussen, ohne das deren Realitätstauglichkeit überprüfbar ist.1) Eine Beteiligung derjenigen, welche die jeweilige Realität aus eigener Erfahrung um ein Vielfaches besser kennen, ist dabei eher nicht vorgesehen. So bleiben die erarbeiteten Entscheidungsvorlagen meist ebenso im Verborgenen wie die Gestaltung der beschriebenen Spielräume. Zudem liegen zwischen zentraler Entscheidungsebene und Wirklichkeit diverse Unterorganisationen, die auf die Entstehung und die anschließende Umsetzung der Entscheidungen teilweise erheblichen Einfluss nehmen können. Entsprechend schwierig ist es, die richtigen - sprich wirtschaftlich erfolgreichsten - Entscheidungen zu treffen. Entscheidungsfehler bleiben da nicht aus. Wer darauf mit einer Stärkung der Kontrollen der Zentralen reagiert, zielt in die falsche Richtung. Dadurch werden Unselbstständigkeit und Jasagertum noch mehr gefördert. Das rückt die Entscheidungszentralen noch weiter weg vom Tagesgeschäft und macht sie so noch anfälliger für Fehlentscheidungen. 1 von 3 Blickwechsel im Unternehmen Realitätsferne der Zentralen gefährdet Erfolg Der geringe Kontakt zu den Alltagsprobleme ihrer Kunden und Mitarbeiter fördert dort Unzufriedenheit und Demotivation. Das kann bis hin zu Desinteresse und innerer Kündigung führen und erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg eines Unternehmens haben. Tendenzen in diese Richtung sind nicht nur Insidern schon länger bekannt.2) Eigentlich gehört die Bearbeitung komplexer Prozesse unter Einbindung vielfältiger Fachgebiete und Kulturen zu den Stärken deutscher Arbeitskultur. Genau da aber liegen die größten Schwächen unserer derzeitigen Führungskultur. Das gefährdet Wohlstand und sozialen Frieden in Deutschland. Es müssen dringend neue Wege gefunden werden, um Komplexität und Vielfalt zu beherrschen. __________________________ 1) Hier geht es nicht darum, jemandem deswegen persönliche Vorwürfe zu machen: weder dem der solche Entscheidungen trifft, noch demjenigen, der sie weitgehend widerstandslos hinnimmt. Jeder erfüllt „seine“ Aufgabe. Trotzdem wird das Ergebnis der Realität häufig nur teilweise gerecht und für Menschen mit wenig direktem Kontakt zu den Vorständen gelegentlich sogar völlig unakzeptabel. 2) Nach einer Befragung von Fach- und Führungskräften über 40 Jahre ist die Mitarbeiterzufriedenheit in den Konzernen gesunken. Dort sind nur noch 65 % der Fach- und Führungskräfte zufrieden oder sehr zufrieden. (Unternehmensberatung Boris Gloger und Hochschule Augsburg). (3) Alternativen: Vertrauen in die Kompetenz anderer Um den Bezug zur Realität zu erhöhen, müssten Entscheidungskompetenzen weg von den Zentralen, näher an die in der Realität agierenden Stellen delegiert werden. Das erfordert Vertrauen in die Kompetenz der dort tätigen Führungskräfte. Wo darüber nicht im ausreichenden Maße verfügt werden kann, bleibt nur eine stärkere Beteiligung der vor Ort agierenden Mitarbeiter.3) Regeln dafür finden sich beispielsweise in der Betriebsverfassung. In dem entsprechenden Gesetz hat die Politik den Betriebsräten die Möglichkeiten gegeben, wirtschaftliche Alternativvorschläge zu Unternehmensentscheidungen oder eigene Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu erarbeiten. Sie können dazu von der Entscheidung betroffenen Beschäftigte hinzu ziehen. Das Unternehmen wird verpflichtet, Löhne und Gehälter für diese Beschäftigten weiterzuzahlen. Die Rahmenbedingungen dafür sind betriebsintern zu vereinbaren. Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung ist bis zum Ende der Beratungen über die erarbeiteten Alternativen auszusetzen. Das Unternehmen ist gehalten - aber nicht gezwungen - bei wirtschaftlich vergleichbaren Vorschlägen, denjenigen zu bevorzugen, der für die Beschäftigen günstiger ist.4) Beteiligungsorientiert arbeiten Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass dieses Vorgehen zwar mühsam aber unter Einhaltung bestimmter Rahmenbedingungen durchaus erfolgreich sein kann. Entscheidend ist, dass Erfahrungsträger und Experten in die Erarbeitung der Alternativen eingebunden sind und die erarbeiteten Lösungen allen Betroffenen zur Beurteilung vorgelegt werden. Insbesondere Letzteres zwingt dazu Lösungen zu präsentieren, die realisierbar, fachlich fundiert und von einer deutlichen Mehrheit der Betroffenen unterstützt werden. Inhaltliche Kritik an solchen Vorschlägen haben wir auch von Seiten des Managements selten gehört. In der Regel haben die erarbeiteten Vorschläge Wege aufgezeigt, die das Management so gar nicht erkannt oder vorschnell verworfen hatte. 2 von 3 Blickwechsel im Unternehmen Natürlich kann man unmöglich zu jeder kritischen unternehmerischen Entscheidung Alternativen erarbeiten. Das ist aber auch gar nicht notwendig. Es reicht, dass das Management damit rechnen muss, dass solche Alternativlösungen aus dem Kreis der Beschäftigten entstehen können. Bereits das veranlasst das Management selbst für eine ausreichende Einbeziehung ihrer Beschäftigten zu sorgen. Niemand lässt sich gerne von anderen vorführen, dass es auch gute Alternativen zu seinen Entscheidungen gegeben hätte. Leider werden diese Möglichkeiten von den Betriebsräten jedoch bislang so gut wie nicht wahrgenommen. Dies liegt wohl vor allem daran, dass die dafür notwendigen fachlichen Qualifikationen und Experten insbesondere aus den Büros5) in den Betriebsräten und Gewerkschaften kaum vertreten sind. Ein Artikel über die Arbeit von Betriebsräten und Gewerkschaften ist in Arbeit. __________________________________ 3) Das hat zudem den unschlagbaren Vorteile, dass Probleme so schon zu einem Zeitpunkt erkannt werden, an dem sie aus den - den Zentralen vorliegenden - Zahlen noch gar nicht erkennbar sind! 4) Siehe Betriebsverfassungsgesetz § 28 a, § 80 Absatz (2) - (4), § 86 a, § 92 a, § 107 Absatz (2) Satz 2 sowie Absatz (3) Satz 3 und 4, § 108 Absatz (2) und § 111 Satz 2. 5) Gemeint sind Ingenieure, vergleichbare Qualifikationen anderer Fachgebiete, Projektleiter, Vertreter der unteren Führungsebene etc.. 3 von 3
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