MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 AG Kaiserzeit im Barbaricum – Aktuelle Forschungen Jan Schuster: Czarnówko - ein zentrales Gräberfeld in Hinterpommern, ein zentraler Platz im südlichen Ostseeraum Im Jahr 2015 erfolgte der letzte Spatenstich auf dem Gelände des Gräberfeldes der vorrömischen Eisenzeit und der Völkerwanderungszeit von Czarnówko in Hinterpommern, etwa 60 km nordwestlich von Gdańsk gelegen. Mit ca. 1800 Gräbern handelt sich um das größte seiner Art in Polen. Nicht nur aufgrund seiner schieren Größe, sondern auch hinsichtlich seiner Bedeutung kann es ohne Bedenken als Meganekropole bezeichnet werden. Zwar ist die Erfassung der Befunde und Funde gerade erst abgeschlossen und ist eine umfassende Auswertung noch in weiter Ferne, doch kann dem Platz mit Fug und Recht schon jetzt eine Schlüsselposition für Forschungen zur Frühgeschichte im südlichen Ostseeraum zugebilligt werden. Erstmals wurde er der Fachwelt durch die Vorlage einer reich ausgestatteten Grablege bekannt, zu deren Inventar auch ein römischer Bronzekessel mit drei Attachen in Form von Suebenköpfen gehört. Weitere reiche, auch zeitlich gestaffelte Grabfunde unterstreichen die herausragende Bedeutung der hier Bestattenden und Bestatteten im sozialen Gefüge sowie der Lokalität innerhalb der politischen Topographie der Region. Anhand von Funden kann ein entwickeltes Beziehungsgefüge nach Südskandinavien und in andere Regionen der Germania magna belegt sowie ein Bild intensiver Kontakte zu germanischen Elitezentren und zum Römischen Reich nachgezeichnet werden. René Bräunig: Kein zentraler Ort – die Ergebnisse der Makrorestanalysen des Fundplatzes BiesdorfHabichtshorst Auf dem Berliner Fundplatz 1298 in Berlin-Biesdorf finden seit 1999 Untersuchungen statt. Mittlerweile wurden hier ca. 18,5ha archäologisch untersucht. Neben einem umfangreichen Keramikspektrum, einigen Metallobjekten und Tierknochen wurden insgesamt über 100 Brunnen dokumentiert. Dabei lag in der Vergangenheit der Fokus meist auf Details der Konstruktion und den Funden aus den Brunnenanlagen. Die dendrochronologisch datierten Anlagen belegen die Nutzung des Platzes während der gesamten Eisenzeit und der frühen Kaiserzeit, sowie nochmals in der altslawischen Periode. Die Radiokarbondatierungen erweitern die chronologischen Belege für eine Besiedlung ab dem Mesolithikum, dem Endneolithikum, der Bronzezeit und bis in die frühe Völkerwanderungszeit hinein. Während der jetzt abgeschlossenen Grabungskampagne wurden die Aushübe aller dokumentierten Befunde geschlämmt und die darin enthaltenen karbonisierten Pflanzenreste geborgen. Das Spektrum der dabei geborgenen Pflanzenreste umfasst die gesamte Eisenzeit und die frühe Kaiserzeit und belegt eine differenzierte Landschaftsnutzung. Ruth Blankenfeldt: Hoby: Reiches Grab – reicher Ort? Umfangreich ausgestattete Gräber und aufwändige Grabkonstruktionen kennzeichnen die letzten Ruhestätten ehemals hochstehender Persönlichkeiten. Fraglich ist, ob und wie sich diese Menschen bereits zu Lebzeiten vergleichbar deutlich von anderen Bewohnern innerhalb eines Siedlungsverbundes absetzten. Auf der dänischen Insel Lolland wird seit 2010 eine älterkaiserzeitliche Siedlung untersucht, die sich circa 300 Meter von dem sehr reich ausgestatteten Grab von Hoby aus dem 1. Jh. n. Chr. befindet. Eine Fragestellung bei der Interpretation der Befunde ist, ob sich hier Hinweise auf elitäre Bevölkerungsschichten oder Reichtum der Bewohner und somit eine Verbindung zu der außergewöhnlichen Grablege finden lassen. Andreas Folkers/Saryn Schlotfeldt: Neue Ausgrabungen und interdisziplinäre Forschungen am Fundplatz Elsfleth-Hogenkamp, Ldkr. Wesermarsch Der im Mündungsbereich von Weser und Hunte gelegene Fundplatz Elsfleth-Hogenkamp war bereits in den vergangenen Jahren Gegenstand intensiver archäologischer Forschungen und steht nun erneut im wissenschaftlichen Fokus. 1 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Bislang nahezu ausschließlich durch Oberflächenfunde bekannt, spiegelt das Fundspektrum nicht nur eine Nutzung des Platzes während des 1. Jahrtausends n. Chr. wider, sondern deutet durch Qualität und Quantität sowohl auf eine besondere Funktion als Handelsplatz mit überregionalen Kontakten, als auch auf eine lokale Buntmetallproduktion. Aufbauend auf den bereits erfolgten Untersuchungen sollen durch eine umfassende interdisziplinäre Zusammenarbeit neue Erkenntnisse auf (über-)regionaler Basis gewonnen werden. Mit Hilfe archäologischer und pedologischer Geländearbeiten soll der Fundplatz in seiner Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur erfasst und rekonstruiert werden, ebenso wie die landschaftlichen Veränderungen. Es wird unter anderem zu klären sein, wie die Bebauung der Siedlung im Bereich des Fundplatzes aussah, wie die Erhaltung ist und welche Aktivitäten sich in den Befunden und Funden widerspiegeln. Erste Geländekampagnen zur Prospektion des Siedlungsumfeldes fanden im Herbst 2015 statt, erste archäologische Suchschnitte sind für März 2016 geplant. Anhand von bodenkundlichen Bohrungen und geomagnetischer Prospektion sollen Strukturen erkannt und analysiert werden, um ein genaueres Bild der Paläotopographie zu visualisieren. Erste Bohrungen und Sondierungen haben deutlich gezeigt, dass der Fundplatz und die Umgebung von Gewässerstrukturen durchzogen waren, die als ehemals schiffbar gelten können und somit als Kommunikations-/Handelsweg dienten. Im Zuge des Projektes soll eine Vielzahl an weiteren Bohrungen stattfinden und der Siedlungsplatz soll weiterhin großflächig geomagnetisch sondiert werden, um das Ausmaß des fluviatilen Netzes räumlich und zeitlich zu beschreiben. Zusätzlich zu den bodenkundlichen Untersuchungen wird das bei den Ausgrabungen gewonnene keramische Fundmaterial neben der typologischen Auswertung für weiterführende archäometrische Analysen genutzt um auf diese Weise die Entwicklung der Töpfereitradition während der Besiedlung des Fundplatzes rekonstruieren zu können. Mit Hilfe metallurgischer Untersuchungen, die am Deutschen Bergbau-Museum Bochum durchgeführt werden, soll darüber hinaus untersucht werden, welche handwerklichen Tätigkeiten vor Ort ausgeübt wurden, wo die verarbeiteten Metalle hergekommen sind und was vor Ort hergestellt wurde. Im Rahmen der AG Kaiserzeit sollen die neuesten Daten der Untersuchungen vorgestellt werden, die u. a. bei den Feldarbeiten im März gewonnen wurden. Klaus Wirth/Sven Jäger Kontinuität, Wandel und Neubeginn - Ein kritischer Blick auf das Fundspektrum der "römisch-germanischen" Siedlung von Heddesheim Der vorgestellte Siedlungsbereich wurde 2013 im Vorfeld der Erschließungsarbeiten für ein Wohngebiet entdeckt und konnte bis 2015 in Teilen ausgegraben werden. Drei Bereiche sind von Bedeutung: eine Nordsiedlung mit Strukturen des 1. bis 3. Jahrhunderts, eine Süderweiterung mit Strukturen des 3./4. Jahrhunderts und ein Wirtschaftsbereich im Süden aus dem 4./5. Jahrhundert. Die Initialphase der Siedlung ist durch Fundgut germanischer Prägung und eine größere Zahl römischer Importe charakterisiert. Dies ist in der Region wenig verwunderlich, denn die sogenannten Neckarsweben sind durch die Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium im Neckarmündungsgebiet historisch zu fassen. Ob allerdings das Einsetzen der neckarswebischen Besiedlung in der Region wie allgemein angenommen erst nach 50 n. Chr. anzusetzen ist, oder doch schon einige Jahre zuvor, wird kritisch zu prüfen sein. Die Beobachtung, dass die germanische Materialkomponente bis weit in das 3. Jahrhundert existent bleibt und nach der Okkupation des rechtsrheinischen Gebiets nicht durch die provinzialrömische Kultur verdrängt wurde, widerspricht dem bisherigen Forschungsbild. Es wird von der Verdrängung der germanischen Komponente bereits im frühen 2. Jahrhundert ausgegangen. Da diese Komponente nun jedoch bis in die späte Limeszeit hinein belegt ist, lässt sich nun die Frage stellen, ob dieser offenbar traditionell verharrende Bevölkerungsteil eine Rolle beim Transformationsprozess zur sogenannten "Frühalamannenzeit" spielte. Die Frage bekommt noch mehr Relevanz, da der für das rechtsrheinische Gebiet postulierte Einbruch in den Jahren des "Limesfalls" 259/60 n. Chr. in den aufgedeckten Bereichen der Siedlung nicht zu fassen ist. Einen gut erkennbaren Bruch in der Besiedlung gab es erst im 4. Jahrhundert. Die Nordsiedlung wird abgebrochen und flächig planiert. Es entsteht im Süden ein neuer Siedlungsteil, der durch eine große Zahl an Backöfen gekennzeichnet ist. Der Befund findet im nachlimeszeitlichen Südwestdeutschland keinen Vergleich 2 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 und es ist anzunehmen, dass hier über den eigenen Bedarf hinaus Backwaren produziert worden sind. Ist dadurch eine Verbindung zum valentinianischen Bauprogramm im Neckarmündungsgebiet zu ziehen? Unter den aufgezeigten Aspekten soll der bisherige Forschungsstand zur "germanischen Besiedlung" im Neckarmündungsgebiet kritisch hinterfragt werden. Elke Schanz: Die Gräberfeldstraße von Neubrandenburg mit Blick auf ein frühkaiserzeitliches Reihengräberfeld Baron Gottlob Hacke beschreibt in seiner Geschichte der Vorderstadt Neubrandenburg von 1783 bereits „schöne Urnen nebst ihren Kleinodien“ auf den Raths-Feldstücken bei der Heidmühle, die er in Gesellschaft des Herrn Sponholz und vieler anderen Personen ausgraben ließ. Doch erst mit dem Verkauf der städtischen Grundstücke entlang der Ziegelbergstraße und deren Neubebauung begannen ab 1998 die ersten systematischen Ausgrabungen, die Gräberfelder von der jüngeren Bronzezeit bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts erbrachten. Paul Fischer-Schröter: Die (Doppel-)Korrdidorhäuser vom germanischen Fundplatz Wustermark 23, Ldkr. Havelland – Neue Erkenntnisse und Interpretationsvorschläge In den Jahren 1998, 1999 und 2004 fanden auf dem Fundplatz Wustermark 23, Ldkr. Havelland, archäologische Untersuchungen auf einer Fläche von 3,2 ha statt. Insgesamt konnten 42 Langhäuser anhand der Befunde rekonstruiert werden, von denen zwölf einen sogenannten Korridor und vier einen Doppelkorridor aufweisen. Spätestens seit der Publikation der Hausbefunde von Lübesse 4, Ldkr. Ludwigslust, durch R. Lehmphul ist der Begriff Korridorhaus geläufig und bezeichnet Gebäude, die zwischen den Pfosten von mindestens zwei aufeinanderfolgenden Kerngerüstpfostenpaaren jeweils zwei zusätzliche Pfosten aufweisen. Der so entstandene Korridor ist prägend und ermöglicht neue Interpretationsmöglichkeiten hinsichtlich des Hausbaus der späten Römischen Kaiserzeit. Auffällig sind nicht nur die identischen Ausmaße und die Position der Korridore und Doppelkorridore innerhalb der Langhäuser, sondern auch die modulartige Bauweise der Gebäude. Diese Proportionen lassen sich auch auf die anderen bekannten Korridor- und Doppelkorridorhäuser problemlos übertragen und werfen Fragen hinsichtlich der veränderten Wahrnehmung und Nutzung von deutlich in Räumen gegliederten Langhäusern auf. Mögliche theoretische Ansätze und Interpretationsmöglichkeiten bietet hierbei die Architektursoziologie. Lothar Schulte: Quantitative Aufnahmen von Siedlungen und Bestattungen am Beispiel Schleswig-Holsteins Überblicksarbeiten für die jüngere Römische Kaiserzeit beschränken sich auf Materialgruppen oder Regionalstudien, die angesichts der differierenden Fragestellungen stets nur eingeschränkt vergleichbar bleiben. Mit einer vor über zwei Jahren gestarteten Datenbankaufnahme soll dieser Mangel beseitigt und eine Referenz für weitere Studien geschaffen werden. In dieser Datenbank sollen zum einen alle barbarischen Siedlungs- und Bestattungsplätze der Stufen C1a, C1b und C2 innerhalb Deutschlands erfasst und die Grabinventare aller Nekropolen dieser Zeitstufen aufgenommen werden. Am Beispiel Schleswig-Holsteins, wo die Aufnahme am weitesten vorangeschritten ist, sollen die Möglichkeiten einer solchen Fundplatz und Grabinventaraufnahme vorgestellt werden. Krzysztof Patalan: Zur Regionalisierung der Fein- und Goldschmiedeproduktion in der Römischen Kaiserzeit am Beispiel von S-förmigen Schließhaken Der Entstehungsprozess von lokalen Machtzentren hat auch einen direkten Einfluss auf die Regionalisierung von Handwerksstätten und -produkten. Dies gilt vor allem für die Herstellung (edelmetallener) Statusobjekte, welche auch als Veblen-Güter bezeichnet werden können, da eine Nachfrage nach diesen Artikeln stets hoch war. Die Goldschmiedeproduktion hing, neben dem jeweils vorherrschenden Stilempfinden, jedoch auch von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. So sind Unterscheide zwischen einzelnen Formen auch mit der Verfügbarkeit und dem Materialvorrat, einem Vorhandensein von bestimmten Werkzeugen sowie den Fähigkeiten des Handwerkers/Feinschmieds in der Anwendungen bestimmter Techniken zu begründen. 3 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Diese Aspekte werden am Beispiel von S-förmigen Schließhaken – ein Element des Halsschmucks, welches besonders aus der Römischen Kaiserzeit bekannt ist – dargestellt. Dabei werden die Produktionsverfahren analysiert, um Werkstattkreise zu identifizieren, welche auch von lokalen Machtzentren abhängig sein konnten. Jonas Enzmann: Unterschätztes Fundgut? Die Verbreitung Eifeler Basaltlava im nordwesteuropäischen Barbaricum Basaltlava steht nur selten im nordwesteuropäischen Barbaricum an und wurde offenbar kaum ausgebeutet. Demgegenüber steht die industrielle Produktion von Drehmühlen aus Basaltlava, der im Römischen Reich gelegenen Steinbrüche am Bellerberg in der Eifel (Lkr. Mayen-Koblenz). Im Zuge einer Master-Arbeit an der CAU-Kiel wurden die publizierten Funde von Basaltlava im nordwesteuropäischen Barbaricum aufgenommen. Der Vortrag präsentiert erste Ergebnisse zur Verbreitung unter besonderer Berücksichtigung quellenkritischer Probleme. Anschließend wird kurz auf die Bedeutung der Ergebnisse bezüglich der Diskussion um Austauschkonzepte und -routen von römischem Import eingegangen. 4 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 AG Theorie – Theory on stage. Das Museum als Diskursraum archäologischer Theorie? Doreen Mölders: Einführung Archäologische Museen sind fester Bestandteil der Museumslandschaft. Sie gehören zu den klassischen Ausstellungshäusern mit großen Sammlungen. Sie sind Depots und Orte des Bewahrens. Sie leisten Arbeit an der Vergangenheit, stellen Identitäten, Alteritäten und Alienität zur Diskussion und stehen damit in Verantwortung gegenüber ‚der Öffentlichkeit‘ und deren kulturellem Gedächtnis. Doch welche Theorien und Konzepte liegen implizit und explizit den Ausstellungsnarrativen archäologischer Museen zu Grunde? Welche und wessen Geschichte wird mit welchen Mitteln erzählt? Ist archäologische Theorie für das Praxisfeld Museum überhaupt relevant? Diese und andere Fragen werden in der Sektion der AG TidA diskutiert. Sabine Rieckhoff: Identitätsfindung – Ideologisierung – Ökonomisierung. Zeitgeist und Zeitgeschichte im Spiegel archäologischer Museen Der Umgang mit archäologischen Objekten zu jeder Zeit, angefangen vom zufallsbedingten Sammeln der Renaissance bis hin zur Kommerzialisierung heutiger Eventkultur, unterliegt historischen Bedingungen, die eine Wechselwirkung erzeugen. Ausgewählte Beispiele zeigen, wie einerseits diverse soziologische, philosophische, etc. Theorien Ausstellungsnarrative geschaffen haben und andererseits aber auch das Museum als sozialer Raum wirkt, der Diskurse produziert. Anja Grothe / Michael Schefzik: Krieg Jens Beutmann: Geld. Archäologie einer Idee Unter dem Arbeitstitel „Geld. Archäologie einer Idee“ bereitet das smac für die zweite Jahreshälfte 2016 (Eröffnung 26. Mai) seine erste selbst konzipierte Sonderausstellung vor. Anlass ist die Finanzkrise von 2008 und ihre bis heute spürbaren Folgen. Wir stellen uns die Frage „Was ist Geld und wie ist es zu dem geworden?“ und es zeigt sich, dass die gegenwärtige Rolle des Geldes sich tatsächlich zu guten Teilen aus der Geschichte heraus verstehen lässt. Geld und die damit verbundene Form zu wirtschaften ist ein Ergebnis gesellschaftlicher „Verhandlungen“ – ein Ergebnis, das Geisteswissenschaftler nicht unbedingt überrascht, für eine allgemeine Öffentlichkeit aber relevant sein mag. Die Ausstellung will sich dem Phänomen mit Witz und Unterhaltungswert annähern. Anna Flückiger: Plündernde Barbaren und dunkle Jahrhunderte. Affirmation und Reflexion von Narrativen der Frühgeschichte in archäologischen Ausstellungen In der frühgeschichtlichen Archäologie stehen derzeit u. a. forschungsbestimmende Leitmotive im Fokus der Theoriediskussion. Einige davon wurden in der Forschung als Narrative identifiziert, während sie in Ausstellungen nach wie vor als historische Sachverhalte tradiert werden. Im Vortrag wird nach der Einbettung dieser Narrative im Ausstellungskontext gefragt: Wie werden sie in Wort und Bild präsentiert? Wie wird mit der Diskrepanz zwischen Forschungsstand und vermittelten Narrativen umgegangen? Anschließend folgen Anregungen, wie Ausstellungen dazu genutzt werden könnten, diesen Widerspruch aufzulösen oder die Diskussion dazu mitzugestalten. Lisa Noggler-Gürtler: Eindeutige vieldeutig – „Römer oder so. Eine Ausstellung zum Gräberfeld in Brigantium“, vorarlberg museum, Bregenz Die scheinbar einfache Frage „Wer liegt da begraben?“ lässt sich nicht sicher beantworten. Bei aller Wissenschaft bleibt Raum für Spekulationen. Mann, Frau? Reich, arm? Von hier oder von dort? Wie alt denn nun? Ausstellungen zu Archäologischen Themen genießen häufig unhinterfragt den Ruf, „wahre“ wissenschaftliche Aussagen zu treffen, die sich auch in der musealen Präsentation manifestieren. „Römer oder so. Zum antiken 5 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Gräberfeld von Brigantium“ stellt das Spekulative in den Mittelpunkt – Skizzenhaftes und Eventuelles versus Gesichertes und Bekanntes. Narration und Szenografie setzen darauf, aktuellen Klischees, stereotypen Bildern und scheinbar sicherem Wissen über die Vergangenheit zu begegnen. Christoph Hölzel: Das Berliner Vorderasiatische Museum im 21. Jahrhundert? Die Räume des VAM sind nach dem forschungsgeschichtlichen Kulturkreisprinzip angeordnet. Die diachrone, typologische Objektanordnung suggeriert einen starren, unveränderlichen „Alten Orient“. Daher präsentiert die momentane Ausstellung einen veralteten archäologischen und museologischen Forschungsstand. Dieser Beitrag versteht sich als Versuch, die Ausstellungsplanung im Rahmen des „Masterplans Museumsinsel“ in die Öffentlichkeit zu bringen und verschiedene Gruppen an dem Diskurs für ein kritisches Museum zu beteiligen. Anhand der experimentellen Labors des „Humbold-Labs“ sollen Ideen für eine Neu- oder Umgestaltung entwickelt und vorgestellt werden. Astrid Hackel: Paläontologische Diskurse im Spiegel der Ausstellungsgestaltung. Eine Spurensuche im Berliner Naturkundemuseum Von der paläontologischen Fundstätte in der Wüste über ihrer ‚natürlichen‘ Umwelt enthobene SauropodenSkelette, die erst in der filmischen Verlängerung der Ausstellung zum Leben erwachen bis hin zur jüngst eröffneten T-Rex-Ausstellung, die das Skelett eines tyrannosaurus rex nicht als pars pro toto, sondern als gespensterhaften Schatten eines 60 Mio. Jahre alten Exemplars inszeniert: Am Beispiel des Museums für Naturkunde in Berlin unterzieht der kulturwissenschaftlich motivierte Beitrag historische Einschnitte in der Ausstellungsgestaltung von Sauriern einer kritischen Analyse und berücksichtigt dabei insbesondere die Wechselwirkungen zwischen dem Stand der paläontologischen Forschung und einer die Ansprüche und Selbstsicht dieser Forschung reflektierenden Szenografie. Sabine Wolfram: In die Tiefe der Zeit. Die archäologische Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz In einer Führung durch die archäologische Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz – kurz smac – erklärt Sabine Wolfram Konzept und Inszenierung der Ausstellung, die seit Mai 2014 geöffnet ist. 6 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Schwerpunktthema: Stadt / frühstädtische Siedlungen Sabine Reinhold: Wann ist eine Stadt eine Stadt? Fragen zum Konzept „Stadt“ in der Prähistorie Was ist eine Stadt? Sowohl moderne Stadtgeographie wie auch die Urban Studies haben sehr genaue Vorstellungen vom Wechselspiel sozialer, räumlicher und zeitlicher Aspekte im Leben einer modernen Stadt. Doch wann beginnt dieses Phänomen? Reicht die Zusammenballung vieler Menschen – Wie vieler genau? – aus, um aus einer Siedlung eine Stadt werden zulassen? In der Antike und im Mittelalter ist eine Stadt zunächst eine politisch definierte Körperschaft. Ihre architektonische Fassung, Bevölkerungszahl oder ihr Territorium sind weniger von Bedeutung wie die soziale Zusammengehörigkeit und Handlungsfähigkeit oder die Autonomie nach außen. Nicht erst der Streit um die ‚Stadthaftigkeit‘ von Troia hat die Frage nach der historischen Tiefe solcher Definitionskriterien angeheizt. Aktuell stellt sich etwa im Fall der riesigen Tripolje-Siedlungen des 4. Jahrtausend v. Chr. in der Ukraine, an denen moderne Prospektionsmethoden in die zig tausende gehende Existenz von zeitgleichen Häusern enthüllte die Frage – Stadt oder Mega-Dorf oder etwas ganz anderes? Merkmalslisten, die pro oder contra Kriterien abarbeiten führen hier wenig weiter. Gefragt ist eine architektur- und raumsoziologische Perspektive, die die internen Mechanismen von Orten untersucht, an denen Menschen in großer Zahl und über lange Zeiträume miteinander leben. Heike Delitz, Bamberg/Wuppertal: Gesellschaften der Städte, Gesellschaften der Zelte. Architektonische Modi der kollektiven Existenz In welcher Gesellschaft leben wir, d. h.: wie konstituieren sich Kollektive eigentlich, und was kennzeichnet dabei unsere Art, ein Kollektiv zu bilden? Diese Leitfragen der Soziologie sind auch die der Soziologie der Architektur, wenn diese nach den sozialen Effekten der Architekturen fahndet. Und sie lässt sich vielleicht am ehesten beantworten, wenn man einen weiten Horizont einnimmt - divergente Arten vergleichend, in denen sich Kollektive architektonisch einteilen, fixieren, hierarchisieren. Neben ethnologischen Vergleichen ist dabei der Blick in die Archäologie instruktiv - in erste architektonisch fixierte Gesellschaften, in der Frage nach ihrer Gemeinsamkeit und Differenz im Blick auf 'uns'. Martin Renger: »Aller Anfang ist schwer«. Überlegungen zu Urbanisierungsprozessen in Südwestasien Während der Forschung der urbane Charakter der heute im Südirak gelegenen ›Mega-City‹ Uruk auch in spätchalkolithischer Zeit kaum noch Zweifel bereitet, scheint das Narrativ von den ›Städten der Steinzeit‹ wie im Fall des zentralanatolischen Çatal Höyük und andernorts überwunden. Kategorien wie ›Mega-Dorf‹ oder ›MegaSite‹ traten an dessen Stelle und lösten es weitgehend ab. Doch wann ist eine Stadt eine Stadt? Mit dem Blick auf den Forschungsdiskurs fragt der Vortrag nach dem charakteristisch Anderen und Neuen in der Produktion urbanen Raumes. Aber ebenso danach welche Möglichkeitsbedingungen diese Siedlungsform erlaubten und wo die Anfänge lagen, welche Auswirkungen derartiges Zusammenleben hatte genauso wie nach den Modi sowie Zugängen etwaiger Untersuchungen. Stephanie Merten: Architektur (wird ge)formt – Eine Standortbestimmung von Klassischer Archäologie, Urbanistik und Architektursoziologie Schon der antike griechische Staatsmann Perikles soll wohl im 5. Jh. v. Chr. bemerkt haben, dass die Menschen, nicht die Häuser, eine Stadt ausmachen. Vor dem Hintergrund dieser Aussage scheint es umso frappierender, dass die Stadtforschung, welche zwar seit Ausbildung des Faches ein Teil der Klassischen Archäologie ist, erst in der jüngeren Zeit den antiken Menschen selbst in den Mittelpunkt rückte. Zuvor standen in urbanistischen Studien hauptsächlich Funktions- und Stilanalysen im Vordergrund. Im Vortrag soll am Beispiel Pompeji und der Untersuchung möglicher Handlungs(spiel)räume, -potenziale aber auch Raumdeterminanten einer antiken römischen Stadt aufgezeigt werden, dass mittlerweile auch architektursoziologische Fragen Einzug in diese archäologische Disziplin halten. 7 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Udo Schlotzhauer: Die Stadt im Kontext der griechischen Kolonisation: Die Ausbreitung im Schwarzen Meer Während der sog. großen griechischen Kolonisation besiedelten Griechen besonders in der archaischen Epoche weite Küstengebiete im Mittelmeer und im gesamten Schwarzen Meer, bis hin zum äußersten Nordosten dem Mündungsgebiet des Don. Im Zuge dieser mehrere Jahrhunderte währenden Migrationsbewegung breitete sich das Konzept der griechischen „Stadt“ in teils ferne und fremde Gebiete und es verdoppelte sich ihre Anzahl. Die Entwicklung und Ausbreitung der „Stadt“ hing also unmittelbar mit der Kolonisation zusammen. In den Ausführungen wird die Ausbreitung der Stadtkultur in ein Gebiet thematisiert, in dem semi-nomadische und nicht sesshafte Kulturen vorherrschten: dem Nordpontus. John Collis: Iron Age Urbanisation in temperate Europe Urban settlements in temperate Europe can be identified as early as the 6th century BC, but do not become widespread until the end of the 2nd and the 1st centuries with the oppida. The earlier settlements contrast with the city states around the Mediterranean in that there is no standard template, most of them are short-lived, lasting only a few generations, and they are widely dispersed. They seem in some cases to be the major centres of large ‘tribal’ entities such as the Bituriges or the Arverni They include both open and defended sites, and can be associated with trade routes or industrial production. Marcus Reuter: Römische Städte in Deutschland Mit dem Vordringen der Römer über die Alpen gelangten zahlreiche kulturelle Neuerungen nach Mitteleuropa. Neben der Schrift oder dem staatlichen Münzwesen zählte dazu vor allem die Anlage von Städten, die nun fast überall das Siedlungsbild prägten – in der Regel bis heute. Einen grundlegenden Unterschied zur Moderne allerdings gibt es: Der Begriff „Stadt“ im heutigen Sinne war in der römischen Antike unbekannt; man bezeichnete die städtischen Siedlungen damals nach ihrer jeweiligen Rechtsform, also colonia, municipium oder civitas. Dabei war die Größe einer Siedlung für deren Rechtsform völlig unerheblich. Der Vortrag gibt einen kurzen Überblick über Anzahl, Größe und die rechtliche Stellung römischer Städte in Deutschland. Lumír Poláček, Die mährischen Zentralorte des 9. Jahrhunderts als frühstädtische Siedlungsagglomerationen Im Fokus des Vortrages stehen die drei bedeutendsten mährischen Zentren des 9. Jahrhunderts: Mikulčice, Staré Město-Uherské Hradiště und Břeclav-Pohansko. Obwohl keiner dieser Orte in den Schriftquellen eine zuverlässige Erwähnung findet, können sie aufgrund jahrzehntelanger systematischer Grabungen als führende Zentralorte des mährischen Reiches herausgestellt werden. Es handelte sich um große, funktional und räumlich stark gegliederte Siedlungskomplexe auf inselartigen Erhebungen in der Talaue der mittleren March und unteren Thaya. Wahrscheinlich übernahmen alle drei Orte grundlegende Aufgaben in der Verwaltung, Wirtschaft sowie Kirchenorganisation des mährischen Reiches. Sie waren stark und vielfältig mit der mährischen Dynastie der Mojmíriden, mit ihrer politischen Macht, Repräsentation sowie Selbstdarstellung verknüpft. Der Vortrag konzentriert sich auf die sog. frühstädtischen Merkmale. Er bemüht sich, gemeinsame sowie spezifische Züge der Fundorte zu definieren und ihre historische Bedeutung auf der Grundlage eines weiträumigen Vergleichs in Mitteleuropa zu beleuchten. Felix Biermann: Vom karolingerzeitlichen Emporium zur spätslawischen Burgstadt – Zentralorte bei den nördlichen Westslawen Im nördlichen westslawischen Raum (Nordpolen/Ostdeutschland) gab es vom 8. – 12. Jahrhundert Orte, die neben herrschaftliche auch wirtschaftliche und religiöse Zentralfunktionen besaßen, durch ihre Größe hervortraten und oft auch befestigt waren. Urbane Ansätze erkennt man in den skandinavisch-slawischen Emporien des 8. – 10. Jahrhunderts. an der Ostsee sowie in den spätslawischen Burgstädten der Folgezeit, darunter piastische Zentralorte in Großpolen, pommersche Hafenorte wie Usedom und elbslawische Burgzentren wie Berlin-Spandau. In jüngerer Zeit gelingt es immer besser, die Komplexität der damit verbundenen, hierarchisch gegliederten Wirtschafts- und Kommunikationsstrukturen zu verstehen. 8 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Matthias Untermann: Gründung – Wachstum – Wüstung. Die mittelalterliche Stadt im Blick archäologischer Forschung Um 1200 hat sich in Mitteleuropa ein neuer Siedlungstyp „Stadt“ herausgebildet, dessen Attraktivität sich nun in zahllosen Neugründungen manifestiert. Gegenüber der auf „Stadtrechte“ blickenden historischen Forschung konnte die Mittelalterarchäologie wichtige neue Aspekte zu Planung und Gründung von Städten, aber auch zu ihrem Ausbau und – erstaunlich häufig – zu Wüstungsprozessen erarbeiten. Detaillierte Einblicke in frühe Städte mit Feuchtbodenerhaltung eröffnen neue, noch ungeklärte Fragen an die Nachbardisziplinen. 9 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 AG Wissenschaftsgeschichte – Ausstellungen zur Ur- und Frühgeschichte im kurzen 20. Jahrhundert Karl Banghard: Die Freilichtmuseumsgründungen von Oerlinghausen und Lübeck im Vergleich Im Sommer 1936 entstanden unter Betreuung des "Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte" zwei neuartige Freilichtanlagen, die sich erstmalig der germanischen Vorzeit widmeten. Sie schlossen zwar formell an die Konzeption der Pfahlbauten in Unteruhldingen an, ihr Programm war ideologisch stärker zugespitzt. Verglichen wird, wie sich die beiden Anlagen angesichts ihrer unterschiedlichen Ausgangsbedingungen auf der einen- und ihrer gleichlautenden geschichtspolitischen Aufträge auf der anderen Seite entwickelten. Sylvia Crumbach: Vom Baumsargfund zum uniformen Urgermanen. Kleider machen Geschichtsbilder 1891 veröffentlichte Sophus Müller Lebensbildzeichnungen auf Basis der in den Bestattungen von Trindhøj und Borum-Eshøj erhalten gebliebenen Textilen. Seine Vorstellungen vom Erscheinungsbild der Eliten wurden schnell populär. Erhaltenes textiles Material, in diesem besonderen Fall von mutmaßlichen Kleidungstücken, ist sehr selten und besonderen Konservierungsumständen geschuldet. Der Nachweis gewebter Kleidung für die Bronzezeit war die Basis populärer Gegenbilder zur Vorstellung von in Fellen gekleideten primitiven "Germanengestalten". Die Lebensbilder wurden so zu Ikonen eines neuen und sachlichen, vielfach an völkische Vorstellungen gebundenen Germanenbildes. Dabei kommt es auf der einen Seite zu einer Verallgemeinerung der Kleidungsstücke als "gesamtgermanisch" und auf der anderen Seite zur Konstruktion von mutmaßlichen Traditionslinien für Volks- und Bauerntrachten der Neuzeit. Unter dem Paradigma der anschaulichen Vermittlung von Ergebnissen der Vor- und Frühgeschichtsforschung wurde der Beschäftigung mit Textilen eine große Relevanz beigemessen. Während für den Germanenzug im Berliner Grunewaldstadion 1933 unter wissenschaftlicher Beratung von Albert Kiekebusch noch Kleidungsstücke nach Illustrationen durch einen Kostümverleih gefertigt worden sind, entstanden für das 1938 eröffnete Museum Germanischer Trachtenkunde (Neumünster) "fadengetreue" Nachbildungen unter Leitung von Karl Schlabow. Diese wurden einerseits in Propaganda-Veranstaltungen eingebunden, dienten aber auch zur anschaulichen Illustration von erhalten Textilen und als komplettierte Darstellung fragmentiert erhaltener Artefakte. Über die Modellwerkstatt des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte konnten solche Anschauungsstücke für museale Präsentationen bezogen werden. Illustrationen und Figurinen waren, neben textilen Nachbildungen, in Museen und Ausstellungen präsent. Die Textilen aus den dänischen Elitegräbern wurden so zum Blueprint eines uniformen und von völkischen Vorstellungen determinierten Bild der mutmaßlichen "Urgermanen" in der Bronzezeit. Susanne Grunwald: Großmähren im Kalten Krieg. Zur Planung der Grossmähren-Ausstellung 1967 und 1968 in beiden Teilen Berlins Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte man in der tschechoslowakischen Kulturpolitik an den historiografischen Mythos des Großmährischen Reiches („Magna Moravia") an. Neben verschiedenen politischen, kulturellen und pädagogischen Maßnahmen trugen vor allem die archäologischen Untersuchungen an den Zentren des Großmährischen Reiches und ihre Präsentation in einer international außerordentlich gelobten Ausstellung während der 1960er Jahre dazu bei, Großmähren in der öffentlichen Wahrnehmung als den frühen Vorläufer des gemeinsamen Staates von Tschechen und Slowaken zu etablieren. Im vorliegenden Beitrag sollen nicht die einzelnen Elemente dieses Nationalmythos dargestellt werden, sondern die Organisation der berühmten Großmähren-Ausstellung im geteilten Berlin – sie wurde 1967 in Berlin West und 1968 in Berlin Ost gezeigt. Die Berliner Großmähren-Ausstellungen sind ein wissenschaftsgeschichtliches Beispiel für Ausstellungskonzeptionen der Archäologie in den 1960er Jahren, aber auch für den tatsächlichen Status der Kommunikationskultur zwischen den Fachvertretern der DDR und der BRD einerseits und der ČSSR andererseits. Denn es zeigt sich, dass vor allem die Interessen der fragilen internationalen Diplomatie und die innerdeutschen Konkurrenzkämpfe die Vorbereitungsphasen beider Ausstellungen dominierten, während inhaltliche oder methodische 10 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Fragestellungen oder die Idee der Konstruktion von Nationalmythen auf archäologischer Grundlage völlig unberührt blieben. Prof. Dr. Uta Halle: „Ausstellungswürdigste Funde und Ausgrabungen als Spiegelbild moderner Forschung“ – Archäologie in Bremer Museen In den ersten Jahrzehnten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Archäologie in Bremen in zwei Museen gezeigt. Der Vortrag zeigt wie zum einen völkische Gedankengut im Väterkunde-Museum fortgeführt wurde und wie im Focke-Museum ein Neuanfang durchgeführt wurde. In beiden Häusern wurden neben der Dauerausstellung auch Sonderausstellungen präsentiert, zudem neue Wege der Vermittlung bestritten. Christoph Jahn: Die Politisierung der ostpreußischen „Grenzlandmuseen“ nach dem Ersten Weltkrieg – „…eine Kriegserklärung durch Fundstücke“ Charakteristisch für die nach dem ersten Weltkrieg in Ostpreußen vorherrschende politische Stimmung war die Eigenwahrnehmung als „Grenzlandposten“. Das Deutsche Reich musste als Folge des Versailler Vertrages Teile des westlichen und nordöstlichen Ostpreußens an Polen und Litauen abtreten, so dass Ostpreußen zur Exklave wurde. In dieser politischen Lage machten es sich viele Museen in Ostpreußen zur Aufgabe, die territorialen Ansprüche gegenüber Polen und Litauen mit archäologischen Argumenten zu begründen. Die Museen versuchten schon vor 1933 mit Ausstellungen, Gedenkstätten und Ausgrabungen, Nachweise für die „germanische Kontinuität“ im Osten in Stellung zu bringen und als eine Art „institutionalisierte ethnische Deutung“ den politischen „Grenzlandgeist“ der Bevölkerung zu formen. Diese Tendenzen mündeten nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in der Provinz Ostpreußen in eine dezidierte Germanisierungspolitik. Der außergewöhnliche Fundreichtum in Ostpreußen, vor allem aus den frühgeschichtlichen Epochen, bot hierfür zahlreiche archäologische Anknüpfungspunkte. Die Vor- und Frühgeschichte in Ostpreußen erhielt somit einen besonders hohen politischen Stellenwert, der die verschiedenen ostpreußischen Museen bald in einen internen Konkurrenzkampf um Mittel und Kompetenzen führte. Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung und Wirkung der archäologischen Forschung in Ostpreußen für die Entwicklung des Faches in dieser Phase der deutschen Vorgeschichtsforschung. Kathrin Legler: Das Landesmuseum in Halle (Saale) nach 1945 – Neubeginn und Konsolidierung Den vielfältigen Varianten von Museen und den in ihnen präsentierten Ausstellungen ist gemein, dass sie Geschichtsbilder erzeugen, jedoch nicht in der Lage sind, die Vergangenheit exakt wiedergeben zu können. Umso mehr werden in (prä-)historischen Ausstellungen die ausgestellten Objekte häufig dazu verwendet, einen Bezug zur Gegenwart durch die Betonung von Gemeinsamkeiten oder Unterschieden zu modernen Gesellschaften herzustellen. Allerdings ist schon allein die Auswahl der Objekte und ihre Präsentation ein Produkt der Gegenwart, die Konzeption und Kontextualisierung der Objekte von zeitgenössischen Geschichtsbildern geleitet. Insbesondere seit dem 20. Jahrhundert sind Ausstellungskonzeptionen/-inhalte und Wissenschaft eng miteinander verknüpft, da viele Museen, die über die notwendigen finanziellen Kapazitäten verfügen, grundlegende Forschungsarbeit leisten können. Das Verhältnis zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis, deren Weitergabe – neben der Bewahrung von Objekten – zu den grundlegenden Aufgaben eines Museums gehört, und ihrer Darstellung, also die Ästhetik der arrangierten Objekte in einer Ausstellung, ist jedoch spannungsgeladen. Ein wissenschaftsgeschichtliches Interesse daran zeugt von dem Bestreben, sich mit der Tradierung von Geschichtsbildern auseinanderzusetzen. Die Analyse von Museen als Medien zeitgenössischer gesellschaftlicher Werte und wissenschaftlicher Erkenntnisse erfordert die Fokussierung auf zentrale Aspekte: auf die Ausstellungsmacher (Protagonisten), die Ausstellung als ihr Produkt und die Besucher als ihre Rezipienten. Mein Vortrag soll sich in einer Einzelfallanalyse mit dem Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) im Zeitraum zwischen 1946 und 1970 beschäftigen. Zwei zentralen Fragen möchte ich nachgehen: Wer waren die Protagonisten, die die Geschichte des Museums nach seiner Wiedereröffnung am 3. März 1946 prägten? Und zweitens, wie vereinen sich Neolithkumsforschung und Dauerausstellung, welche Objekte wurden der 11 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Öffentlichkeit präsentiert und welche Inhalte transportierten diese. Kurzum, welche Ästhetik war bestimmend und wie wurde beispielsweise der Museumsbau als Gebäude einbezogen? Reena Perschke: Die museale Präsentation von „Venusfigurinen“: Ein Spiegel zeitgenössischer Ideologien im 20. Jahrhundert Die ersten Funde unbekleidet dargestellter paläolithischer Frauenfigurinen erhielten im 19. Jh. in Anlehnung an antike Frauenstatuen den Gattungsnamen „Venusfigurinen“, der bis heute die Interpretation dieser Fundgattung erheblich prägt. Die Einbettung dieser Figurinen in Ausstellungen folgte im 20. Jh. der jeweils präferierten Ideologie. Herrschte bis zum Ersten Weltkrieg noch eine eher kolonial-ethnologische Präsentation im Vergleich zu indigenen afrikanischen Völkern wie den Khoi-San („Hottentotten“) vor, wurden sie während des Nationalsozialismus als Beleg einer nicht-indogermanischen Urbevölkerung Europas und somit als „wildes Urvolk“ vor der Einwanderung kulturbringender, „nordischer“ Germanen während der Jungsteinzeit angesehen. In der Nachkriegszeit spaltete sich die Figurinen-Präsentation analog zur politischen Spaltung Deutschlands. In der frühen BRD wurden speziell die Frauenfigurinen als mütterliche bzw. schwangere Frauen einer steinzeitlichen Hochkultur gedeutet. Zeitgenössische Ausgrabungsergebnisse, beispielsweise von jungsteinzeitlichen Figurinen aus Catal Höyük (Türkei) in den 1960er Jahren, wurden dieser Interpretation zur Seite gestellt. In der DDR dagegen wurden die gleichen paläolithischen Figurinen im Engelsschen Sinn als Beleg der ersten vorgeschichtlichen Kulturstufe „Wildheit“ genutzt. So wurde die „Venus von Willendorf“ im Museum für Deutsche Geschichte (Ost-Berlin) noch bis 1990 als Fruchtbarkeitsidol oder Ahnenfigurine der vorzivilisatorischen SteinzeitGesellschaft interpretiert. Mit der Betonung feministischer Werte und einer allgemeinen gesellschaftlichen Liberalisierung in Westdeutschland rückten auch die frühen Frauenfigurinen mehr in einen aktiven Kontext. Sie wurden seit den 1980er Jahren vermehrt nicht mehr nur als (passiv) Schwangere, sondern auch als pornographische Fremd- oder Selbstdarstellungen, als Beleg für die Integration Behinderter (anhand des schrägen Frauenköpfchens von Dolni Vestonice) oder als Ausweis einer hoch entwickelten Steinzeitkunst dargestellt. An dieser einen eng begrenzten Objektgruppe lässt sich somit der Wandel von Ausstellungskonzipierungen und beschriftungen analog zum jeweils vorherrschenden ideologischen System abbilden. Sarah Romeyke: Eine "Pflanzstätte nationaler Wissenschaft". Das Heiligengraber Heimatmuseum 1909 - 1947 1909 als "Prignitzmuseum" durch die damalige Äbtissin des Klosters zum Heiligengrabe, Adolphine von Rohr, gegründet, gilt es als eines der ersten Heimatmuseen in Brandenburg überhaupt. Untergebracht im Südflügel der Klausur wollte es mit seinen frühgeschichtlichen Funden und Objekten aus der regionalen Alltagskultur den Prignitzern ihre historischen Wurzeln vor Augen führen und den Begriff "Heimat" für jeden erlebbar machen. Begleitet wurde die Museumsarbeit von Grabungen auf höchstem fachwissenschaftlichen Niveau. Zu den Mitgliedern des 1913 noch unter seinem ersten Leiter Paul Quente gegründeten "Heimat- und Museumsvereins" zählten namhafte Prähistoriker aus dem In- und Ausland. Heiligengrabe wurde so in den 1920er Jahren zu einem Mittelpunkt prähistorischer Forschung in der Mark Brandenburg. Der Versuch, die Ur- und Frühgeschichte in den 1930er Jahren zu popularisieren und sie in den Dienst der Ideologie des Dritten Reichs und des Germanenkults zu stellen, überschattete - nach heutiger Sicht - die verdienstvollen Leistungen der frühen Jahre des Museums. Der Vortrag widmet sich vor allem den frühen Bestrebungen und Zielen, die schon die Gründer mit der Sammlung verbanden, wie auch den Präsentationsformen und vom Museum ausgehenden Aktivitäten, welche bereits den "geistigen Humus" auch für die Museumsarbeit ab 1933 bis 1945 bildeten. Prof. Dr. Gunter Schöbel: Das regionale und das zentrale Prinzip im Südwesten – Zur Bedeutung archäologischer Funde während der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit Wie kommt der Fund ins Museum, wie wird er ausgestellt und welche Vermittlungsfunktion hat er? Regional oder zentral, museal aber auch non-museal. Unter dieser Fragestellung soll im Vortrag exemplarisch die Situation für die erste Hälfte des 20. Jh. in Baden und Württemberg-Hohenzollern beleuchtet werden. 12 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 1918 herrschte Aufbruchsstimmung. 115 Schlösser waren deutschlandweit plötzlich in republikanische Hände gelangt. Die Denkmalpflege setzte sich nicht für ihre Sozialisierung, sondern erfolgreich für ihre Nutzung als „Museumsschlösser“ ein (Hörrmann 2014, 14). Das traditionelle Museum trat darüber hinaus in eine Diskussion über ein demokratisches Museum ein (Roth 1990, 17). Die NS-Gleichschaltung 1933 beendete das freie Spiel der Kräfte, nicht aber die Auseinandersetzung um die Kulturschätze, die durch die neu hinzugetretenen politischen Mächte verschärft wurde. Die Zentralisierungsbestrebungen und auch die geforderte Reduzierung auf wenige Schau- und Prunkstücke nach der Forderung des Reichserziehungsministers von 1935 wurden nach 1945 im neuen Südweststaat fortgesetzt. In der Nachkriegszeit wurden fast alle Bilder, Modelle und Dioramen aus den Museen entfernt. Ein gewaltiger Bildersturm fand statt. Die Angst, Rekonstruktionen und Bilder zu zeigen war evident. Die Strukturen jedoch blieben – und auch die „Didaktisierung“ und die „Ästhetisierung“ als Kernforderungen des Erziehungsministers Rusts 1935 für die nationalpolitische Erziehung. Der wertvolle, einzigartige Schatzfund, seine Aura als Kunstgegenstand, trat nach 1945 stärker in den Mittelpunkt und nicht länger seine tatsächliche Erzähl- und Kulturfunktion - seine Geschichte. Es sollte mit Blick auf eine geforderte Vielfalt an Formen der Geschichtsvermittlung – auch auf eine „Citizen Science“ (Bürgerwissenschaft) entschieden werden- wie mit dem archäologischen Fund zukünftig umgegangen werden soll. Welche Vermittlungsfunktion soll ihm zukommen? 13 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Landesarchäologie Sachsen Harald Stäuble/Saskia Kretschmer/Cornelia Rupp: Sieben auf einen Streich. Ausgrabung und Präsentation der neuen bandkeramischen Brunnen aus Droßdorf, Lkr. Leipzig Als 2011 im Vorfeld des Braunkohlenabbaufeldes Peres bei Droßdorf, südlich von Leipzig, eine bis dahin unbekannte linienbandkeramische Siedlung entdeckt wurde, ahnte noch niemand, dass dort im Jahr 2014 gleich sieben Brunnenkonstruktionen dieser Kultur gefunden werden sollten. Die seit 1996 an verschiedenen Fundstellen in Sachsen ausgegrabenen sechs linienbandkeramischen Brunnen konnten dadurch mit einem Streich mehr als verdoppelt werden! Die Brunnen der etwa zwölf Hektar großen Siedlung von Droßdorf lagen unmittelbar vor der Abbaukante und mussten in schneller Abfolge untersucht werden. Zwei im Block geborgene Brunnen werden derzeit außerhalb des Tagebaus „unter den Augen der Öffentlichkeit“ ausgegraben. Eine in der Halle aufgebaute Begleitausstellung führt in das Thema Linienbandkeramik ein und stellt die Droßdorfer Siedlungsgrabung vor. Michael Strobel: Neues von der Peripherie. Zur trichterbecherzeitlichen Besiedlung zwischen Elbe und Mulde im 4. Jahrtausend v. Chr. Seit Anfang der 1990er Jahre konnte im Raum Riesa durch Befliegungen eine neue mittelneolithische Siedlungslandschaft erschlossen werden. Sie zeichnet sich durch sechs Grabenwerke sowie an die dreißig trapezförmige Grabanlagen aus. In der Mikroregion können momentan vier Grabenanlagen und ein Trapez in das 4. Jahrtausend v. Chr. und damit die Trichterbecherkultur datiert werden. Alle Erdwerke liegen an Bachtälern und sind regelhaft mit trapezförmigen, ost-west-orientierten Grabanlagen assoziiert. Bohrungen in den Auen von Keppritz- und Mehltheuerbach erbrachten den Nachweis von Feuchtbodensedimenten, die ein erhebliches Potential für die Rekonstruktion von Landschaftsentwicklung bzw. Umwelt während der Trichterbecherkultur bergen. Wolfgang Brestrich / Ingmar Balfanz / Kathrin Balfanz / Katrin Beutler / Stefanie Buchwald / Stefan Tessenow / Christina Wagner / Torsten Wagner: Durch Feuer konserviert - eisenzeitliche Architekturbelege aus Brandschutt Überlegungen zur räumlichen Struktur eines eisenzeitlichen Siedelplatzes bei Ragewitz (Lkr. Leipzig) Mit den Ausgrabungen bei Ragewitz wurde u.a. ein Siedlungsplatz der Vorrömischen Eisenzeit (Ha D/Lt A) erfasst. Ein geoarchäologischer Untersuchungsansatz ermöglicht die kritische Bewertung des überlieferten Befundbildes. Als Ergebnis wird die wechselhafte räumliche Befunddisposition als tendenziell authentisch eingestuft. Ein breites Spektrum an Relikten prähistorischen Baumaterials (gebrannter Lehm, z.T. mit Putz/Farbschichten) bietet Chancen zur Rekonstruktion von Baustrukturen jenseits üblicherweise fassbarer Grundrisse. Aus einer kritischen Zusammenschau mit dem gegebenen Befundverteilungsbild resultiert die Frage nach wirksamen Überlieferungsfiltern und Rekonstruktionsmöglichkeiten der räumlich/funktionalen Struktur. Joanna Wojnicz /Gabriele Wagner: Das Forschungsprojekt „Der Hortfund von Cortnitz als Spiegel weitreichender Fernbeziehungen in den sächsischen Markengebieten“ am GWZO Leipzig Im Jahr 2005 wurde auf einer Wiese bei Cortnitz in der Nähe von Bautzen einer der größten Hacksilberschätze Sachsens ausgegraben. 1500 Fundstücke (Schmuck/Münzen) spiegeln das weitreichende Beziehungsgeflecht des hohen Mittelalters wider. Die interdisziplinären Untersuchungen des Hortfundes in dem seit 2014 laufenden Projekt liefern interessante Erkenntnisse bezüglich der aufwändigen Herstellungstechnik der reich mit Granulierung und Filigran verzierten Schmuckstücke. Der überregionale Vergleich bestätigt die Einbettung des Fundes vor allem in den westslawischen Kontext. Im Projekt wird ebenso der Interpretation der breitgestreuten Herkunft der Münzen aus Prägeorten von England bis weit nach Mittelasien nachgegangen. 14 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Christiane Hemker: Über den Erzgebirgskamm – Mittelalterlicher Bergbau in Sachsen und Böhmen. Das internationale Forschungsprojekt ArchaeoMontan 2018 Seit 2012 wird im Rahmen des ArchaeoMontan-Projektes der mittelalterliche Bergbau in Sachsen und Böhmen durch ein interdisziplinäres deutsch-tschechisches Wissenschaftlerteam aus verschiedenen Institutionen erforscht. Die montanarchäologischen Untersuchungen unberührter Bergbaulandschaften unter Tage sowie von Bergbausiedlungen beidseits des Erzgebirgskamms haben bereits zu einem erheblichen Erkenntnisgewinn für die weitgehend unbekannte Bergbauperiode des 12. und 13. Jahrhunderts geführt. Herausragend ist die intensive fachliche und grenzübergreifende Kooperation der neun Projektpartner. Die Forschungen der bis zu 60 Projektmitarbeiter werden damit seit 2012 von der Europäischen Union mit Fördermitteln in Höhe von insges. 8 Mill. Euro unterstützt. Das Projekt wird bis 2018 andauern. Thomas Westphalen: Neues aus den Städten – die Anfänge des Städtewesens in Sachsen aus archäologischer Sicht Der Umbau der Städte nach 1993 war auch geprägt durch eine beispiellose archäologische Erforschung der vom Baugeschehen erfassten Stadtkerne. Jahrelang waren die Grabungsflächen Blickfänge, die schlagartig die gelegentlich überraschende historische Tiefe der unter dem Pflaster erhaltenen Quellen deutlich werden ließ. Nach einer Einführung in die Besonderheiten der Stadtarchäologie wird an Beispielen die Entstehung sächsischer Städte von den Anfängen im 10. Jahrhundert bis zum 13. Jahrhunderts vorgestellt. Hausbau, häusliche Wirtschaft und das Leben in den Vorstädten sind weitere Themen, die im Rahmen des Vortrages beleuchtet werden sollen. 15 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 AG Slawische Archäologie – Vorchristliche Religion der Slawen im frühen und hohen Mittelalter Anne Klammt / Peter Meyer / Mirko Roth: Befund Religion: an den Dingen, in den Köpfen Anhand seit mehreren Jahrzehnten in der archäologischer Fachliteratur diskutierter Funde, Befunde und Berichten in Schriftquellen wird in Zeitschnitten das jeweils in den Interpretationen erkennbare Konzept von Religion aus Sicht der zeitgenössischen religionswissenschaftlichen Forschung betrachtet. Ziel ist eine Auseinandersetzung mit den quellenkritischen Parametern, Terminologien und Konzepten, die an die Texte und die archäologischen Befunde angebracht wurden und werden. Katrin Frey: Der „Wendengötze von Weggun“ zur neuzeitlichen Fälschung frühgeschichtlicher Kultobjekte im nordostdeutschen Gebiet 1930 wurde bei Weggun in der Uckermark ein anthropomorph gestaltetes Bleiobjekt mit zwei Gesichtern und Hörnern gefunden. Von den involvierten Wissenschaftlern wurde zunächst erwogen, dass es sich um eine slawische Gottheit handeln könne, bald aber auf eine Fälschung geschlossen. Der Vortrag stellt das heute verschollene, in Prenzlauer Sammlungsakten dokumentierte Stück vor und diskutiert den kulturhistorischen Kontext des Wegguner „Wendengötzen“ und vergleichbarer Objekte im nordostdeutschen Gebiet. Andrej Pleterski: Strukturelle Verwirklichung des slawischen Altglaubens Der slawische Altglauben ist ein komplexes System, das die Lebenswelt und Wirtschaftsweise mit dem Verständnis der Naturkräfte verbindet. Die grundlegenden Verhältnisse der Naturkräfte sind in einer mythischen Erzählung zusammengefasst. Diese hat eine feste Struktur, die sich auch in den archäologischen Quellen widerspiegelt. Auf der Beobachtungsebene der Gegenstände ist dies z. B. das Idol von Zbru? in der Ukraine, auf der Beobachtungsebene der Landschaft ist das die jeweilige Raumorganisation der einzelnen slawischen Raumeinheiten (župe). Es wird dies am Beispiel von Bamberg dargestellt. René Bräunig: Ein neu entdeckter altslawischer Brunnen mit Schädeldeponierung aus Berlin-Biesdorf, sowie Nachweise agrarischer Konzepte anhand der Makroreste aus Biesdorf und Marzahn Der Fundplatz Biesdorf-Habichtshorst hat in den vergangenen Jahren wiederholt altslawische Befunde ergeben. Darunter fanden sich mehrfach Brunnenanlagen. Während die Erhaltung der Brunnen als gut bezeichnet werden muss, fanden sich dagegen nur relativ wenige organische Funde in ihrer Verfüllung. Offenbar überwog eine profane Nutzung der Anlagen. Das steht im Gegensatz zu den Brunnen der Kaiserzeit und Eisenzeit am selben Platz, in denen sich zahlreiche Deponierung in Form von Gefäßen und Metallobjekten nachweisen lassen. Umso überraschender war 2014 der Nachweis von Rinderschädeldeponierungen in einem älterslawischen Brunnen etwas abseits der bisherigen Siedlungsbelege. Aus dem Brunnen stammen daneben zahlreiche botanische Makroreste, die sich von dem durch die Forschung bereits bekannten Fundplatz Marzahn unterscheiden. Uwe Michas: Hinweise auf vorchristliche Religion auf dem Burgwall Spandau Felix Biermann: Gewalt, Kult, Sonderbestattung? Menschliche Knochen aus slawischen Siedlungszusammenhängen In frühmittelalterlichen Burgen und Siedlungen des westslawischen Raums werden immer wieder menschliche Knochen gefunden: Schädel und Teile postcranialen Skeletts in Siedlungsschichten und Gruben, aber auch komplette Skelette, die teilweise wie Bestattungen erscheinen, teils auch irreguläre Positionen aufweisen. Die Deutung dieser Funde zwischen Gewalt, Kult und Sonderbestattung steht im Mittelpunkt des Vortrages. Michael Schirren: Der Griff an den Bart... Die Gatschower Götterfigur und ihre Verwandten Die Götterfigur von Gatschow (Mecklenburg-Vorpommern) ist wohl die merkwürdigste Kleinplastik des westslawischen Raumes. Bislang sind sieben Figuren bekannt, die die auffällige Geste des Griffes an den Bart 16 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 verbindet. Im Herbst 2015 fand man bei Ribnitz-Damgarten jetzt eine Figur, die der Gatschower bis in Details hinein gleicht. Die naturalistische Darstellungsweise weckt Zweifel an einer slawischen Provenienz. Wurden die Figuren als Stabaufsatz (Machtsymbol,Würdezeichen, Idol oder Fetisch) verwendet? Soňa Hendrychová: Zwei großmährische Gräberfelder in Rajhrad und Rajhradice Die zwei großmährischen Gräberfelder in Rajhrad und Rajhradice befinden sich in der Tschechischen Republik nahe von Brno in Mähren. Beide Lokalitäten liegen in der Nähe des Stiftes Rajhrad. Die Entfernung zwischen beiden beträgt lediglich etwa 250 m. Das Gräberfeld in Rajhrad entstand wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, die Nekropole in Rajhradice ist jünger. Beide Gräberfelder wurden aber vor allem in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts genutzt. Das Gräberfeld in Rajhradice ähnelt den Nekropolen aus den Zentralorten, das Gräberfeld in Rajhrad ist schlichter. Der Zentralort, zu dem sie beide gehörten, befand sich wahrscheinlich im Raum des heutigen Stiftes Rajhrad. Nad’a Profantová: New archaeological evidences of traces of pagan rituals in Bohemia Paper contents some new evidence of paganian thinking and rituals from Bohemia, especially from Roztoky near Prague (the miniature house underthe floor of the pit-house end of 6th to 7th century), Kou?im (9th to first half of 10th century incomplete stone "idol" with five faces found not far from cultic place near spring "ULibuše") and some others, as remains of building´s sacrifice or hoardfinds with ritual meaning (Klete?náhill). Drahomíra Frolíková-Kaliszová: Crosses are the most prominent evidence of Christianity except for churches. Christianisation process performed above shows the relationship between the core of the Mojmiriden domain in Moravia and adjoined countries, i. e. today Slovakia, Bohemia and a part of Austria. Crosses could indicate the origin of the missions too. Kateřina Tomková: Imprint of memory the dead in the Early Medieval Bohemia Presentation concerns the remembering the dead and memorial function of graves in the early medieval pagan and Christian Bohemia, i. e. the formsof grave´s arrangement and architecture carrying memory the dead. This topic will be connect with problem of memory and duration of early medieval cemeteries. Jan Frolík: Prague Castle cemeteries in the early Middle Ages. Attempt to social interpretation Analysis of grave goods (mainly jewellery) and stratigraphical relationships and isotopes of diet indicated the existence of various social groups inhabiting the Prague Castle and its close surroundings during Early Middle Ages. They were also studied signs of Christian faith and pagan ideas. Alexander Sakuth: Ein ostkirchliches Enkolpion in Mecklenburg-Vorpommern 2011 wurde bei einer Begehung des bekannten Fundplatzes Blengow, Fpl. 23 im Landkreis Rostock, die Vorderseite eines bronzenen Enkolpions gefunden. Das Enkolpion gehört zu einem im Byzantinischen Reich weit verbreiteten Typus von Enkolpien des 11./12. Jahrhunderts. Im Vortrag soll das Blengower Fundstück in seinen religionshistorischem Zusammenhang gebracht und die Frage erörtert werden, wie ein ostkirchlicher Gegenstand in das Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern gelangen konnte. Felix Biermann: Vorchristliche Glaubensvorstellungen der Nordwestslawen und ihre Konfrontation mit dem Christentum Für die Rekonstruktion der Glaubensvorstellungen der Nordwestslawen zwischen dem 8. und dem 12. Jahrhundert spielen archäologische Funde mit religiösem Bezug eine besondere Rolle, wenngleich sie schwer zu interpretieren sind. Zusammen mit schriftlichen Überlieferungen, die trotz ihrer geringen Zahl und christlichen Sichtweise wichtige Quellen bilden, lassen sie zahlreiche Einblicke in die slawische Religiosität und ihren Wandel im Laufe der Zeit zu. Zugleich veranschaulichen sie die Auseinandersetzung mit dem Christentum, 17 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 die schließlich zum Untergang der paganen Glaubenswelt führte.Anhand älterer und neuer Funde wird ein Bild der vorchristlichen Religion der Nordwestslawen und ihrer Konfrontation mit dem Christentum gezeichnet. Fred Ruchhöft: Mythos Arkona Seit Jahrzehnten wird auf Arkona gegraben und immer neue mehr oder weniger begründete Thesen erreichen die Öffentlichkeit. Die jüngsten Forschungen erlauben einen völlig neuen Blick auf das einstige Aussehen der berühmten Tempelburg Arkona. Die einzigartigen Befunde und die exklusiven Funde unterstreichen die überregionale Bedeutung dieses Ortes. Elemente wie Wohnen und Handwerk, Handel und Krieg sowie Glaube und Religion sind nicht immer klar zu trennen, in ihrer Komplexität jedoch sicher einmalig im Ostseeraum. Ingo Petri: Eine Triglav-Darstellung aus dem Spätmittelalter? Nach der Eroberung Rügens durch die Dänen im Jahre 1168 gilt der gesamte westslawische Raum als christianisiert. Allerdings gibt es Berichte, dass die Slawen noch bis in die frühe Neuzeit hinein ihren vorchristlichen Glaubensvorstellungen angehangen haben und dass auch einige slawische Götterbilder bis in diese Zeit aufbewahrt worden sein sollen. Ein mögliches slawisches Götterbild, das in das Spätmittelalter datiert, soll vor diesem Hintergrund diskutiert werden. Cecilia Hergheligiu: Ramutten: ein wiederentdecktes mittelalterliches Gräberfeld im Memelland. Studien zur materiellen Kultur im westbaltischen Raum Gegenstand dieses Beitrages sind die Funde einer Nekropole des 9. bis 13. Jahrhunderts aus Ramutten (heute Girkaliai, Litauen), das Anfang des 20. Jahrhunderts untersucht wurde. Das Fundmaterial umfasst zahlreiche verzierte schmuck- und Trachtstücke, Waffen, Reit- und Pferdeausstattung, die zu ihrer Typologie und Datierung untersucht werden. Das Interesse der Auswertung gilt den religiösen Vorstellungen und sozialen, wirtschaftlichen und ethnischen Verhältnissen, die sich aus den Grabsitten und Funden für die dort bestattende Gemeinschaft ableiten lassen. AG Slawische Archäologie – Aktuelles aus der Forschung Jens Schneeweiß: Aktuelle archäologische Forschungen zu den frühen Slawen am Pripjat, Weißrussland In Polesien im südlichen Weißrussland befinden sich sehr frühe Fundplätze der Prager Kultur, die eine Schlüsselfunktion für das Verständnis ihrer Herausbildung und Verbreitung besitzen. Aktuelle Untersuchungen bei Snjadin, Petrikovskij Rajon, dienen der Ergänzung und Publikationsvorbereitung von Forschungsergebnissen der letzten zwei Jahrzehnte, die über Weißrussland hinaus kaum bekannt sind. Sebastian Messal: Forschungen zu Häfen der Slawenzeit an der Ostseeküste Jasper von Richthofen: Hacksilberschätze in der Oberlausitz. Überlegungen. zur Herkunft des Silbers im frühmittelalterlichen Ostmitteleuropa. Seit 932 galten die Milzener in der Oberlausitz als unterworfen. Ausdrücklich wird unter den zu leistenden Tributzahlungen an das ostfränkische Reich neben Honig, Pelzen, Schweinen und Sklaven auch Silber erwähnt. Ungewiss bleibt, ob es sich um vollständige Silbermünzen oder um Hacksilber handelte. Mit den Hacksilberfunden und den darin enthaltenen arabischen Münzen sowie ostfränkisch-deutschen oder westeuropäischen Prägungen wird in größerem Umfang ein Fernhandel mit Silber greifbar. Während sich die Prägestätten der Münzen häufig bestimmen lassen, haben wir weder eine Vorstellung von den Produktionsorten des Schmucks noch kennen wir die Herkunft des verarbeiteten Silbers 18 MOVA / WSVA Chemnitz, 29. März bis 01. April 2016 Andreas Kieseler: Die Eisenschüsseln vom sog. Schlesischen Typ im westslawischen Raum - ein Überblick zu Verbreitung, Datierung und Funktionsdeutung Die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bekannten kleinen, flach-halbkugelförmigen Eisenschalen gehören bis heute zu den faszinierendsten Funden frühmittelalterlich-slawischer Fundplätze. Bislang ist ihre Funktion umstritten: Neben der Verwendung als Back- und Röstbehältnisse wird auch auf eine Nutzung als Zahlungsmittel bzw. Eisenbarren geschlossen. Der Beitrag gibt einen Überblick zu Verbreitung, Datierung und Fundkontext der Schüsseln sowie zur Debatte über ihre Funktion. Ottilie Blum: Neue Grabungsbefunde vom mittelalterlichen Burgwall Hildagsburg bei Wolmirstedt Die Altgrabungen von 1926-29 an der Hildagsburg bei Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt) erbrachten wichtige Befunde zu der archäologisch und landesgeschichtlich bedeutenden mittelalterlichen Befestigung im Elbraum nördlich Magdeburgs, lassen aufgrund ihrer zeittypischen methodischen Schwächen aber einige Fragen offen. Umso wichtiger sind großflächige, heutigen Standards entsprechende Ausgrabungen der Jahre 1999 und 2009 in der Vorburg der Hildagsburg, die nun ausgewertet werden konnten. Die Ergebnisse lassen viele neue Einsichten in die Datierung, Entwicklung, Besiedlung und Befestigung der Hildagsburg zu. Ihre Vorlage und kulturhistorische Einordnung sind Gegenstand des Vortrages. Thomas Kinkeldey: Der slawische Burgwall von Repten (Niederlausitz) - Bebauung, Nutzung und Funktion Anhand der Analyse der Befunde aus der Innenfläche des mittelslawischen Burgwalls von Repten in der Niederlausitz, zu denen Kulturschichten, Steinpflaster, Pfosten und Gruben gehören, und der in großer Zahl vorliegenden Funde werden die Bebauung und die Nutzung des Burgwalls erörtert. Dabei geht es besonders um die Siedlungsfunktion, die wirtschaftliche und herrschaftliche Rolle des Reptener Burgwalls im Vergleich mit den vielen kleinen Ringwällen des Tornower Typs in der Region. Normen Posselt: Mittel- und spätslawische Siedlungsfunde von Wodarg, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte Die Siedlung von Wodarg zeichnet sich durch eine lange Nutzungsdauer vom 9. bis zum 14. Jahrhundert aus. Der Beitrag gibt einen Ãœberblick zur Siedlungsentwicklung. Anhand der besonders reichen spätslawischen Funde, die Handwerk und Handel deutlich hervortreten lassen sollen auch unter Einbeziehung slawenzeitlicher Flussfunde aus dem Tollensetal infrastrukturelle Aspekte jener Region beleuchtet werden. Philipp Roskoschinski: Bewaffnung und Rüstung auf dem Gebiet des Liutizenbundes vom 10.-12. Jahrhundert Mit dem großen Liutizenaufstand von 983 verfestigt sich eine Welt der Stammeskrieger inmitten eines Europas, das sich zunehmend christianisiert und beginnt, hochmittelalterlich-feudale Strukturen zu errichten. Kampf und Krieg nehmen für die Nordwestslawen in dieser Zeit wahrscheinlich eine bedeutende Stellung im Alltag ein, was sich auch im archäologischen Fundgut niederschlägt. Vor diesem Hintergrund sollen Waffenausstattung und Kampfrüstung der liutizischen Nordwestslawen dieser Zeit betrachtet werden. Bettina Jungklaus: Slawen in Potsdam:Ergebnisse der anthropologischen Untersuchungen an den Skeletten vom Gräberfeld Brauerstraße Auf einem bereits bekannten slawischen Gräberfeld in der Potsdamer Brauerstraße wurden Anfang 2015 weitere 48 Gräber dokumentiert. Die anthropologische Untersuchung der Skelette bestand aus der Erfassung von Sterbealter, Geschlecht und Körperhöhe. Auch die krankhaften Veränderungen an den Knochen wurden aufgenommen,wobei vor allem die Gebisse detailliert analysiert wurden. Die Ergebnisse werden mit weiteren Populationen des Havellandes verglichen, um zur Rekonstruktion der Lebensverhältnisse der Bewohner der Burg Poztupimi, die im 10./11. Jahrhundertdort bestattet wurden, beizutragen. 19
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