Verstrafrechtlichung» derWirtschaftnimmtzu

Unternehmen
Mittwoch, 23. März 2016 · Nr. 23
CH Mit dem Ergebnis für 2015 hat
der Pharmazulieferer die Transformationsphase abgeschlossen.
Der Pharmazulieferer Siegfried hat den
Umsatz dank Übernahmen 2015 kräftig
gesteigert (vgl. Kennzahlen). Ende 2014
kaufte er Hameln Pharma und im September 2015 die Pharmasparte des Chemiekonzerns BASF. Die Zukäufe spiegeln sich jedoch in einer abnehmenden operativen Gewinnmarge. Hameln
Pharma und die Einheit von BASF sind
deutlich weniger profitabel als Siegfried.
Damit einher geht ein gegenüber dem
Umsatzzuwachs unterproportionales
Wachstum des Gewinns. Den Aktionären wird eine 20% höhere Dividende von
1.80 Fr. vorgeschlagen.
Mit den Übernahmen will Siegfried
im laufenden Jahr rund 670 Mio. Fr. Umsatz erzielen. Damit hätte sie die vom
Management definierte Schwelle zur
kritischen Grösse erreicht. Um starke
Schwankungen im Geschäftsverlauf zu
vermeiden, müssen Zulieferer von Arzneimittelherstellern immer freie Produktionskapazitäten haben. Das kostet. Je grösser der Umsatz, desto weniger machen deren Aufwand in Relation
zum Erlös aus. Bewahrheiten sich die
Prognosen von Siegfried für 2016, wäre
sie Ende dieses Jahres doppelt so gross
wie vor fünf Jahren.
Die seit 2010 anhaltende Transformationsphase sei damit abgeschlossen,
sagte CEO Rudolf Hanko an der Pressekonferenz. Der seit sechs Jahren amtierende Deutsche musste Siegfried zu
mehr Effizienz und Kundennähe trimmen. Mit einem mittlerweile im Betrieb
stehenden Werk in China kann die Gesellschaft Roh- und Zwischenmaterial
neu kostengünstiger herstellen. Mit der
Übernahme von Hameln verfügt sie zudem über die nötigen Kapazitäten für
die sterile Abfüllung von liquiden Wirkstoffen. Immer mehr Präparate werden
heute als Infusion verabreicht.
Siegfried sind nicht nur gut aufgestellt. Mit einem KGV von 13 für 2016
sind deren Aktien auch vergleichsweise
günstig bewertet. Die Titel des Konkurrenten Lonza (KGV 20) kommen auf weit
höhere Werte. Dem Unternehmen muss
es nun jedoch gelingen, die rückläufige
Profitabilität wieder auf die Vorjahreswerte zu heben.
GRI
Alle Finanzdaten zu Siegfried
im Online-Aktienführer:
www.fuw.ch/SFZN
Siegfried N
SPIX (SPI ohne Dividende) angeglichen
Kurs 22. März in Fr.
Rendite 2016A in %
KGV 2016
Börsenwert in Mio. Fr.
Umsatz 2015 in Mio. Fr.
Gewinn 2015 in Mio. Fr.
200
150
100
13
14
15 16 Valoren-Nr.
A Schätzung
186
1,2
13
774
480,6
39,1
1 428 449
Quelle: Thomson Reuters / FuW
Unternehmenszahlen
Umsatz
– Veränderung in %
Ebit
– Veränderung in %
in % vom Umsatz
Finanzergebnis
Steuern
Gewinn
operativer Cash–flow
Investitionen
Bilanz per 31.12.
Bilanzsumme
Cash
Eigenkapital
– in % der Bilanzsumme
2013
2014
2015
374,9
+2
40,8
+127,9
10,9
9,4
3,6
53,9
67,5
25,7
315,3
–15,9
34,0
–16,7
10,8
–3,1
6,8
38,6
24,6
141,5
480,6
+52,4
43,4
+27,6
9,0
–5,5
2,0
39,1
23,1
252,8
537,8
52,6
362
67,4
629,6
50,2
382,8
60,8
1003,9
47,4
492,7
49,1
«Verstrafrechtlichung»
der Wirtschaft nimmt zu
Hot Corner
SCHWEIZ Das verschärfte Korruptionsstrafrecht fordert Unternehmen und Verwaltungsräte.
Revolution der
Mikrokredite
TINO GABERTHÜEL
S
eit einigen Jahren findet eine zunehmende «Verstrafrechtlichung» der
Wirtschaft statt. In diese Richtung
geht auch die Revision des Korruptionsstrafrechts. Mit Inkrafttreten der neuen
Bestimmungen soll die Grundlage zur Bekämpfung der Bestechung im Geschäftsverkehr (Privatbestechung) in der Schweiz
verstärkt werden. Die Referendumsfrist ist
am 14. Januar unbenutzt abgelaufen. Mit
Inkrafttreten der neuen Regelungen ist bis
Mitte Jahr zu rechnen.
Die neuen Korruptionsbestimmungen
erhöhen die Anforderungen an Schweizer Unternehmen und deren Verwaltungsräte. Denn bei der Bestechung handelt es sich um einen Straftatbestand, bei
dem neben dem bestechenden Mitarbeiter auch das Unternehmen sanktioniert
werden kann. Dies, wenn dem Unternehmen vorzuwerfen ist, dass es nicht alle
erforderlichen und zumutbaren organisatorischenVorkehrungen getroffen hat, um
eine Bestechung zu verhindern. Die Anforderungen an die verlangten Massnahmen sind hoch. So stellen die Strafverfolgungsbehörden weitreichende Anforderungen an die Compliance-Programme
von international tätigen Unternehmen.
Es reicht nicht, dass ein Kontrollsystem
vorhanden ist; entscheidend ist, dass ein
solches im Tagesgeschäft konsequent
umgesetzt wird.
Im Fall mangelhafter Compliance bestehen über die zivil- und strafrechtliche Verantwortlichkeit hinausgehende
Risiken. So kann der Reputationsschaden für ein Unternehmen erheblich sein
und einen direkten negativen Einfluss auf
den Umsatz beziehungsweise Gewinn des
Unternehmens haben.
Schutz des Wettbewerbs
Bis anhin regelte das Bundesgesetz gegen
den unlauteren Wettbewerb (UWG) die
Privatbestechung. Eine Bestrafung nach
UWG setzt voraus, dass die Bestechung
zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Fehlt
eine Konkurrenzsituation, bleibt korruptes Handeln unter Privaten straflos.
So macht sich beispielsweise der Zulieferer von Automobilkomponenten nicht
strafbar, der den für die Qualitätskontrolle Verantwortlichen beim Automobilhersteller besticht, damit er bei der Abnahme der Lieferung über die mangelnde
Qualität seiner Komponenten hinwegsieht. Ferner ist die bisherige UWG-Regelung – im Unterschied zur Bestechung
von Amtspersonen, die im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt ist – als Antragsdelikt
ausgestaltet. Die Verfolgung einer Privatbestechung setzt somit voraus, dass der
Geschädigte bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde einen Strafantrag stellt.
Dies geschieht selten, denn die betroffenen Unternehmen bevorzugen, die Angelegenheit intern zu regeln.
Neu im Strafgesetzbuch
Neu wird die Bestechung von Privatpersonen im Strafgesetzbuch geregelt werden.
Damit fällt das Erfordernis der Wettbewerbsverzerrung weg. Sanktioniert wird
künftig jede Art von Privatbestechung, unabhängig davon, ob die Bestechung im
Kontext einer Konkurrenzsituation erfolgt oder nicht. Ferner gilt die Privatbestechung neu als Offizialdelikt und wird
BILD: JIRI HUBATKA/IMAGEBROKER/KEYSTONE
Siegfried
kommt voran
13
Privatbestechung wird neu als Offizialdelikt von Amtes wegen verfolgt.
von Amtes wegen verfolgt. Davon ausgenommen sind lediglich «leichte Fälle», die
weiterhin nur auf Antrag des Geschädigten untersucht werden. Wann ein «leichter Fall» vorliegt, wird gesetzlich allerdings
nicht geregelt. In der parlamentarischen
Debatte zum Gesetzesentwurf wurde erwähnt, dass dies etwa dann der Fall sei,
wenn die Deliktsumme höchstens wenige
tausend Franken beträgt und die Sicherheit und Gesundheit von Dritten nicht
betroffen ist. Bis sich eine gefestigte Gerichtspraxis etabliert hat, bleibt eine gewisse Unsicherheit, wann eine Privatbestechung nicht mehr als «leichter Fall» zu
beurteilen ist.
Eine Bestrafung setzt voraus, dass die
Bestechung in der Schweiz erfolgt. Auch
eine teilweise Begehung in der Schweiz
reicht aus (so etwa das Versprechen oder
Angebot oder die Annahme eines Vorteils in der Schweiz). Ferner liegt eine
Begehung in der Schweiz vor, wenn sich
der Bestechende im Zeitpunkt der Anordnung einer Geldüberweisung vorübergehend in der Schweiz aufhält. Schliesslich
kann bereits ein verwendetes Schweizer
Bankkonto für eine Strafbarkeit genügen.
Verwaltungsrat in der Pflicht
Im Unternehmen ist der Verwaltungsrat für die Oberleitung der Gesellschaft
verantwortlich. Er hat die notwendigen
Massnahmen zu treffen, damit die anwendbaren Gesetze und internen Reglemente und Weisungen von der gesamten
Organisation eingehalten werden. Konkret bedeutet dies für den Verwaltungsrat, dass er eine Risikoanalyse vornehmen muss, welche u.a. das Geschäftsmodell, die Geschäftsprozesse und Vertriebskanäle, die Geschäftspartner und das geografische Tätigkeitsgebiet miteinbeziehen. Gestützt darauf legt der Verwaltungsrat die unternehmensinternen Strukturen
fest und erlässt die notwendigen Richtlinien und Verhaltensanweisungen (sogenannte Compliance-Manual bzw. Code of
Conduct).
Ferner hat der Verwaltungsrat sicherzustellen, dass die Mitarbeiter für die
Risiken sensibilisiert, angemessen über
die Richtlinien und Anweisungen informiert und entsprechend ausgebildet werden. Schliesslich müssen dem Risikoprofil
des Geschäfts entsprechende MonitoringSysteme geschaffen werden.
Fortlaufende Überprüfung
Zu beachten ist, dass eine Beschränkung
auf die massgebliche Schweizer Gesetzgebung (insbesondere bei international tätigen Unternehmen) zu kurz greift.
Vielmehr sind auch die ausländischen Gesetze in den Ländern, in denen sich Tochtergesellschaften oder Distributionspartner befinden, in die Analyse einzubeziehen (so etwa ausländische Korruptionsbestimmungen wie der US-amerikanische
Foreign Corrupt Practices Act oder der
UK Bribery Act). Es handelt sich um einen
komplexen und anspruchsvollen Prozess,
der kontinuierlich überwacht und verbessert sowie an die sich laufend ändernden
Umstände angepasst werden muss.
Falls trotz Compliance- und Monitoring-System Gesetzesverletzungen auftreten, hat der Verwaltungsrat – oft unter
Zeitdruck – dafür zu sorgen, dass deren
Ausmass und Ursache aufgedeckt und die
erforderlichen Verbesserungsmassnahmen getroffen werden.
Bei regulierten Unternehmen (Banken,
Versicherungen oder Pharmakonzernen)
sind allenfalls die zuständigen Aufsichtsbehörden zu informieren bzw. in den Prozess zu involvieren.
Tino Gaberthüel ist Partner bei der Anwaltskanzlei Lenz & Staehelin in Zürich.
Vor zehn Jahren hatte Jorma Jokela eine
Idee. Der damals 25-jährige, bereits
erfolgreiche Unternehmer erkannte, dass
schnelle, unbürokratische Mikrokredite
(bis 3000€) von Banken praktisch nicht
angeboten wurden. Also diente Jokela die
Idee dem damaligen Innovationsführer
in seiner Heimat Finnland an – Nokia.
«Sie mochten die Idee», sagt Jokela. Doch
er solle noch fünf Jahre warten, riet ihm
der Mobiltelefonhersteller. «Also machte
ich es selbst», sagt Jokela. Heute ist Ferratum (XETRA: FRU, Kurs: 22.65€, Marktwert 492 Mio.€) eines der erfolgreichsten
Fintech-Unternehmen Europas, Nokia
ein Schatten früherer Tage.
Seit zehn Jahren führt Jokela nun
eine Firma, die seit ihrer Gründung jedes Quartal Gewinn abwirft und zweistellige Wachstumszahlen erzielt. 2015
machte Ferratum einen Umsatz von 111
(+57%) und einen Ebit von 17 Mio.€
(+44%). Damit erfüllt das MicrolendingUnternehmen fast haargenau die Schätzungen von Berenberg, die die Firma
neu auf ihrem Radar führt.
Ferratum, seit Februar 2015 an der
Frankfurter Börse kotiert, ist ein reiner
Onlinedienst – mobil und in Echtzeit. In
weniger als fünf Minuten ist ein Konto
eröffnet. «Standardfragen wie nach dem
Einkommen brauchen wir gar nicht»,
sagt Jokela. Zum Backgroundcheck,
den auch jede Bank durchführt, kommt
ein Screening des Onlineverhaltens
des Nutzers. Zögert der Nutzer beim
Antragsprozess? Oder zeigt er Selbstbewusstsein. «Es gibt eine optimale Prozesszeit», sagt Jokela.
Weiter wird das Verhalten in den
sozialen Medien überprüft. Beispielsweise besteht laut Jokela eine hohe Korrelation zwischen schlechten Schuldnern und Nutzern, die viele Schimpfworte auf Facebook oder Twitter benutzen. Rund 10000 Datenpunkte werden
so von einem seit zehn Jahren selbstlernenden Algorithmus analysiert, der
innerhalb von Minuten eine Entscheidung fällt. Die gefällt den meisten nicht.
Nur 10% bekommen nach diesem Herzund-Nieren-Check einen Kredit gewährt. «Das Geschäft liegt nicht im Verleihen von Geld», so Jokela, «sondern darin, Geld wieder zurückzubekommen».
In der Technologie steckt Ferratums
Alleinstellungsmerkmal. «Bisher gibt
es keinen Konkurrenten zu unserem
Bewertungsmodell», sagt Jokela. Deswegen hat Ferratum auch seit 2012 eine
Banklizenz. Nicht nur hat das Unternehmen dadurch Zutritt zum gesamten europäischen Markt. «Banken teilen
auch viele Daten miteinander», sagt Jokela. Futter für den Algorithmus, um ihn
noch besser zu machen.
Heute ist Ferratum bereits in 23 europäischen Ländern verfügbar und weist
3,5 Mio. Nutzer auf. Weitere Markteintritte sollen folgen und neue Produkte
lanciert werden, z.B. Geschäftskredite
bis 50000 €. Der Anspruch: die führende
mobile Bank Europas werden. Analysten
schreiben Ferratum noch grosses Potenzial zu. Das geschätzte Kurs-GewinnVerhältnis 2016 ist mit 22 nicht zu hoch.
Und nach Bloomberg würde das von
Analysten prognostizierte starke Wachstum das KGV 2017 auf 13 drücken. VA
Ferratum
Aktuell auf www.fuw.ch
Apple zeigt die
erwarteten Produkte
Die Spatzen pfiffen es in den vergangenen
Wochen von den Dächern: Die Ingenieure
von Apple haben an einem kleineren
und günstigeren iPhone sowie einer ebenfalls geschrumpften Version des iPad Pro
gearbeitet. Montagabend hat Apple beides
vorgestellt.
www.fuw.ch/230316-1
Kurs: 22.65 € | Valor: 25787021
SDax angeglichen
Kurz notiert
Peach Property kauft in Deutschland zu:
Die Immobiliengesellschaft baut ihr Portfolio weiter aus. Sie kauft in Nordhessen
116 Wohnungen. Dadurch erhöht sich die
Anzahl Wohnungen im Portfolio auf 2034
Einheiten. Die neu erworbenen Wohnungen werfen jährliche 0,6 Mio. Fr. Miete ab.
Sika expandiert in Kanada: Der Bauzulieferer hat in Kanada seine vierte Fabrik eröffnet. Das Werk liegt in Vancouver und
deckt den pazifischen Nordwesten ab. Es
umfasst eine Mörtelfertigung sowie Kapazitäten zur Herstellung von Betonzusatzmitteln. Damit setzt Sika seine Wachstumsstrategie fort. Das Unternehmen verfügt in Nordamerika nun über 18 Werke.
CPH verkauft Land am Zürichsee: Das Betriebsgelände der CPH in Uetikon am See
wird für 52 Mio. Fr. (knapp 800 Fr. pro
Quadratmeter) an den Kanton Zürich verkauft, der dort den Bau einer Kantonsschule plant. Im Preis berücksichtigt sind
Aufwände zur Beseitigung von Altlasten.
Zudem beteiligt sich CPH an der Sanierung des vorgelagerten Seegrunds, wofür
der Kanton Zürich 32 Mio. Fr. des Kaufpreises einbehält.
Korrigendum
«Freenet will bei Sunrise mitverdienen»,
FuW Nr. 22 vom 19. März: Panagiotis
Spiliopoulos ist Leiter Research bei der
Bank Vontobel, nicht bei der ZKB.
30
28
26
24
22
20
18
16
2015
2016
Quelle: Thomson Reuters / FuW