QualifikationsollteimFokusstehen

Unternehmen
Mittwoch, 15. April 2015 · Nr. 29
15
Qualifikation sollte im Fokus stehen
Hot Corner
Schweiz Der Anteil an Frauen in den Verwaltungsräten der dreissig grössten kotierten Unternehmen steigt auch ohne Quote.
Michael OTTe
D
ie Forderung einer Frauenquote
in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft war in den Neunzigerjahren fixer Bestandteil der politischen
Agenda einiger Parteien. Zur Jahrtausendwende fristete die Forderung ein Schattendasein. Nun ist die Frauenquote wieder «en vogue» und zu einem handfesten
Politikum geworden. In den letzten Jahren
wurden mehr als zwanzig Vorstösse im
eidgenössischen Parlament eingereicht,
die aber allesamt keine Mehrheit fanden.
Nun will der Bundesrat, wohl auch beflügelt vom Entscheid der deutschen Koalitionsparteien, eine Frauenquote für
Aufsichtsräte grosser Unternehmen einzuführen, im Rahmen der Aktienrechtsrevision ebenfalls eine Frauenquote einführen. Zur Debatte standen offenbar zwei
Varianten: Eine «harte» Quote von 30% für
Verwaltungsräte grosser, kotierter Unternehmen innerhalb von fünfzehn Jahren.
Als Sanktionierungsmassnahme bei Nichterfüllung hätten sich die Befürworter etwa
ein Verbot von Dividendenzahlungen vorstellen können. Diese Variante war im
Bundesrat nicht mehrheitsfähig.
Rechtfertigungsdruck
Nun setzt der Bundesrat also die «weiche»
Quote auf die aktienrechtliche Traktandenliste. Konkret will er bei grossen kotierten Gesellschaften eine Geschlechterquote (so lautet die politisch korrekte und
geschlechtergerechte Formulierung) von
mindestens 30% imVerwaltungsrat und in
der Geschäftsleitung durchsetzen. Sollte
ein Unternehmen diese Quote verfehlen,
müssen im Vergütungsbericht die Gründe
dafür angegeben werden. Darüber hinaus
sollen geeignete Massnahmen aufgezeigt
werden, wie der Verwaltungsrat gedenkt,
das weniger stark vertretene Geschlecht
zu fördern.
Diese Variante ist sicherlich «softer» –
sie bleibt aber dennoch ein tiefer Eingriff
in Wirtschafts- und Organisationsfreiheit:
Die Personalauswahl muss gerechtfertigt
werden. Bereits im Herbst 2013 entschied
der Bundesrat, für die obersten Leitungsorgane von 24 bundesnahen Betrieben
einen Frauenanteil von 30% festzulegen.
Damals machte er immerhin nur Vorgaben für Gesellschaften, die ihm selber gehörten. So unter anderem für die SBB,
SUVA oder den Rüstungsbetrieb RUAG.
Nicht betroffen ist jedoch die Swisscom.
Entwicklung des Frauenanteils im VR
Durchschnitt SLI-Unternehmen, per Ende Jahr, in %
1
nach ordentlicher Generalversammlung
18
16
14
12
10
8
6
4
2
0
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 1
Quelle: zRating / Grafik: FuW, sp
ten nötig sein sollen, bleibt das Geheimnis
des Bundesrats. Bestünde tatsächlich ein
Regulierungsbedarf, müsste er konsequenterweise sämtliche Unternehmen,
ob privat gehalten oder kotiert, in die
Pflicht nehmen.
Es ist ein Faktum, dass Frauen in den
Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsgremien der Schweizer Publikumsgesellschaften eine Minderheit darstellen. Der
Anteil der Frauen im Verwaltungsrat hat
sich über die letzten sechs Jahre aber positiv entwickelt. Bei den dreissig grössten
kotierten Gesellschaften aus dem Swiss
Leader Index (SLI) betrug der Frauenanteil 2010 rund 10%. Nach den Generalversammlungen (GV) 2015 nähert sich dieser
Wert der 20%-Marke an (vgl. Grafik).
Auch der Anteil Frauen an Neuwahlen
wird seit 2010 klar grösser – dieser Trend
bestätigt sich nun in der laufenden GVSaison 2015. Die höchste Frauenquote
innerhalb des SLI hat Zurich Insurance
(36%), gefolgt von Syngenta (30%) und
Nestlé (29%, vgl. Tabelle). Klar in der Minderheit sind Frauen in den Geschäftsleitungen. Hier liegt der Durchschnitt bei
4%. Wiederum schwingen auch hier die
Bluechips Zurich Insurance (22%) und
Syngenta (18%) obenaus.
Die Schweiz unterscheidet sich unterdessen nicht grundlegend von anderen
europäischen Ländern. In der Europäischen Union betrug der durchschnittliche
Frauenanteil bei den grössten kotierten
Gesellschaften etwas mehr als 10%. In den
USA lag die Quote bei rund 14% und für
Länder in Asien sind Werte unter 5% eher
die Regel als die Ausnahme.
Governance
Was für den Anleger zählt
Für einen Aktionär sollte es nicht relevant
sein, welches Geschlecht wie stark in der
Unternehmensführung vertreten ist. Vielmehr sollten die Qualifikation und die
Leistung im Vordergrund stehen. Ist der
Verwaltungsrat mit kompetenten Mitgliedern besetzt, zahlt sich das auch für den
Anleger aus.
Zudem ist die Schweiz eine offene Gesellschaft. Gesetzliche oder regulatorische
Hürden stehen Frauen bei der Karriere
nicht im Weg. Sie können unter denselben
Voraussetzungen in einen Verwaltungsrat
gewählt werden wie Männer. Es gibt zwar
gesellschaftliche Hürden, wie die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dieses Problem lässt sich jedoch nicht
mit einer Quote aus dem Weg räumen.
Die neuen Bestimmungen gelten fünf
Jahre nach Inkrafttreten des neuen Aktienrechts. Mahlen die politischen Mühlen
in Bern im gewohnten Tempo, wird dies
etwa 2023 der Fall sein. Geht die Entwicklung in den SLI-Gesellschaften ähnlich
weiter wie in den Vorjahren, erübrigt sich
dort eine Frauenquote ohnehin.
Michael Otte ist CEO des
Aktionärsdienstleisters zRating
Prototypen
Grundsätze der guten und
verantwortungsvollen Unternehmensführung betreffen jeden Aktionär.
FuW publiziert regelmässig Artikel zu Corporate
Governance in Schweizer Unternehmen.
Die Meinung des Autors muss nicht mit
derjenigen der redaktion übereinstimmen.
SLI-Unternehmen im Vergleich
Verwaltungsrat 1
Unternehmen Total Frauenquote 3
Zurich
11
36
10
30
Syngenta
14
29
nestlé
11
27
novartis
11
27
UBS
12
25
Credit Suisse
13
23
Swiss re
9
22
Baloise
9
22
lonza
9
22
Holcim
9
22
Swisscom
9
22
Adecco
9
22
Givaudan
10
20
Galenica
5
20
Swatch Group 4
18
Swiss life
11
12
17
Schindler
12
17
roche
8
13
Julius Bär
8
13
ABB
11
Sika
9
11
Clariant
9
9
11
Sonova 4
10
10
Aryzta
10
10
Transocean
10
10
Actelion
6
richemont
18
4
9
0
Kühne + nagel
6
0
Geberit
10
0
SGS
17
Durchschnitt
Geschäftsleitung 2
Total Frauenquote 3
11
18
9
22
14
7
9
0
10
0
9
11
12
0
6
0
5
0
7
0
7
0
12
0
6
0
5
0
8
13
7
0
9
0
11
18
6
0
11
9
9
0
4
0
14
7
4
0
3
0
5
0
11
0
8
0
6
0
23
13
4
1
4
nach ord. GV 2015
2
per 10.4.2015
3
in %
per ende 2014
Quelle: zRating
BilDer: SAnDrA Meier
Nur Kotierte betroffen
Nun weitet der Bundesrat den Aktionsradius auf börsenkotierte Gesellschaften
aus. Mehr noch: Die Quote gilt auch für
Geschäftsleitungen, womit er weit über
den internationalen Trend hinausgeht.
Konkret betroffen sind kotierte Gesellschaften, welche zwei der nachfolgenden
Grössen in zwei aufeinanderfolgenden
Geschäftsjahren überschreiten: eine Bilanzsumme von 20 Mio. Fr., ein Umsatz
von 40 Mio. Fr. oder 250 Vollzeitstellen im
Jahresdurchschnitt. Weshalb Geschlechterquoten nur bei kotierten Gesellschaf-
Bereits heute ist in den Verwaltungsräten einiger grosser kotierter Unternehmen jedes dritte Mitglied eine Frau.
Kurz notiert
Bossard wächst dank Akquisitionen: Der
Industriezulieferer weist für das Startquartal einen 5% höheren Umsatz von 169
Mio. Fr. aus. In Lokalwährung betrug das
Wachstum 8,2%. Ohne Zukäufe in Europa
und in den USA ergab sich in Lokalwährung ein Umsatzminus von 1,5%, in
Franken ein Rückgang von 4,3%. Für das
Gesamtjahr rechnet Bossard weiterhin
mit 660 bis 680 Mio. Fr. Umsatz (+13 bis
16%). Zur Steigerung wird vor allem die
Region Amerika beitragen.
Swiss Prime Site erhält neuen CEO: Der
Verwaltungsrat der grössten Schweizer
Immobiliengruppe SPS hat den Implenia-Manager René Zahnd (Jg. 1966) zum
Chief Executive Officer ernannt. Er wird
spätestens im Mai 2016 Nachfolger von
Markus Graf, der das Pensionsalter erreicht. Noch nicht bestimmt ist der Finanzchef. Markus Meier führt diese Aufgabe ad interim.
Villars erleidet Einbruch: Für die Westschweizer Detailhandelsgruppe war
2014 ein schlechtes Jahr. Der Umsatz in
den Kaffeebars und den Tankstellenshops sank im Vergleich zum ausserordentlich guten Vorjahr 14,4% auf 85,7
Mio. Fr. (89,1 Mio. Fr. inklusive Liegenschaften). Der Gewinn brach 28,5% auf
2,7 Mio. Fr. (26.12 Fr. je Aktie) ein. Villars
belässt die Dividende auf den illiquiden
Aktien bei 8 Fr.
Bravofly mit neuem CFO: Der Onlinereisevermittler Bravofly ernennt zum 1.Mai
Francesco Guidotti. Er war zuletzt Finanzchef beim italienischen Onlinemodehändler Yoox. Guidotti hat in Rom studiert
und mehrere Positionen als Controller
und CFO für italienische und Schweizer
Unternehmen absolviert. Der bisherige
CFO von Bravofly, Gaspar Santonja, verlässt das Unternehmen, berät es aber
noch bis zum 30.Juni.
Vorsorge belastet Unternehmen stärker:
Das von schweizerischen Konzernen bilanzierte Deckungsverhältnis der Pensionsverpflichtungen ist im ersten Quartal
1,5 Punkte auf 95% gesunken, wie das Beratungsunternehmen Towers Watson berechnete. Die Diskontierung der Rentenverpflichtungen habe wegen des nochmaligen Zinsrückgangs stärker zugenommen
als der Marktwert der Vorsorgevermögen.
Conzzeta mit 1:4 Split: Die Transformation
von Conzzeta erhält weiter Kontur. Für
den 22. Juni wird eine a.o. Generalversammlung einberufen, an der über die
Abspaltung des Immobilienbereichs
Plazza sowie einen Aktiensplit befunden
wird. Der Inhaber einer bisherigen Conzzeta-A-Aktie wird demnach je vier neue
Conzzeta-A-Aktien erhalten sowie je vier
Plazza-A-Aktien. Erster Handelstag der
Plazza-A-Aktien an der SIX Swiss Exchange soll der 26. Juni sein.
LVMH erhöht Umsatz deutlich: Der weltgrösste Luxusgüterkonzern hat den Umsatz im ersten Quartal 16% auf 8,32
Mrd. € gesteigert. Günstige Wechselkurseffekte trugen dazu 13 Prozentpunkte
bei. Die Divisionen Reisedetailhandel
sowie Uhren & Schmuck verzeichneten
die höchsten Zuwachsraten. Die Marken
Bulgari und Hublot starteten gut ins laufende Jahr, Tag Heuer spürte die Wirkung
des Umbaus.
Die amerikanische
Proto Labs (NasKurs: 75.50 $
Nasdaq Composite angegl. daq: PRLB, Kurs
75.50$; Börsenwert
1,9 Mrd. $) mit Sitz
in Maple Plain/
50
Minnesota hat sich
einen Namen ge20
macht als Herstel12
13
14 15
lerin von KleinseQuelle: Thomson Reuters / FuW
rien oder Prototypen aus Kunststoff oder Metall. Produziert wird mit allen verfügbaren Technologien von Spritzguss über Fräsen bis
zur Sinterfertigung, was zum Bereich
des 3D-Drucks (additive Fertigung) gezählt wird.Was sich Proto Labs dabei auf
die Fahne geschrieben hat, ist schnellster Kundenservice und Marktnähe. Entwickler können CAD-Modelldaten an
Proto Labs übermitteln und erhalten innert weniger Tage einen Prototyp ihres
Modells in gewünschter Form und entsprechendem Material.
Proto Labs wurde 1999 von Larry
Luki gegründet, der zuvor ein Start-up
aufgebaut hatte mit der Absicht, bessere
Drucker herzustellen. Dabei stellte er
fest, dass es sehr aufwendig war, zu
Kunststoffteilen für diese Drucker zu
kommen. Flugs sah er darin eine neue
Geschäftsidee. Ziel war es, die Zeit für
die Bereitstellung von Spritzgussprototypen radikal zu senken.
Fünfzehn Jahre später erzielt Proto
Labs einen Umsatz von 210 Mio. $ und
einen Gewinn von 42 Mio. $, was eine
stattliche Marge von 20% ergibt. Im laufenden Jahr erwarten die Analysten
einen Umsatz von rund 260 Mio. Fr.,
2016 sollen es schon 320 Mio. $ sein.
Das weitere Wachstum hin zur Milliarde soll die seit gut einem Jahr amtierende CEO Vicki Holt bewerkstelligen.
Eine gute Wahl: Holt hatte zuvor das
Kunststoffunternehmen Spartech (1,3
Mrd. $ Umsatz) aus der Krise geführt –
mit dem soliden Rezept der Konzentration auf das Wesentliche: Hochmargige
Produkte wurden forciert, Lieferzeiten
verbessert etc. Dabei kam ihr zugute,
dass sie viel Erfahrung in der Herstellung von Produkten hat.
Kurz nach ihrem Start bei Proto Labs
hat sie zwei neue Produktionslinien in
Betrieb genommen, eine Fertigungsstätte verlagert und begonnene Übernahmeverhandlungen mit dem SinterUnternehmen FineLine zu einem guten
Abschluss gebracht.
Die Ampel steht auf Grün für Proto
Labs, denn der Markt verlangt nach
schnellerem Produktewandel und höherer Differenzierung. Mit Produktveränderungen soll die Nachfrage der Kunden angekurbelt werden und die Individualisierung hilft, breitere Käuferschichten anzusprechen. Das Prototypengeschäft wird daher weiter stark
wachsen. Die guten Wachstumsperspektiven verbunden mit hoher Profitabilität erklären die luftige Kurs-GewinnBewertung von Proto Labs (2015: 35,
2016: 28). Dennoch: Proto Labs ist ein
gut geführtes mittelständisches USUnternehmen, das einen Trend bedient,
dessen Potenzial weiterhin hoch ist. Zudem scheinen die Risiken im Geschäftsmodell verhältnismässig gering.
aM
Proto Labs
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Korrigendum
«Banque CIC (Suisse) mit mehr Gewinn»,
FuW Nr. 28 vom 11. April: Die Kundengelder sind 2014 um 626 Mio. Fr. (+22,6%) auf
Total 3399 Mio. Fr. gestiegen und nicht wie
fälschlicherweise berichtet auf 626 Mio.
Weiter ist die Banque CIC keine klassische
Vermögensverwalterin, sondern eine Privatbank unter den Universalbanken.
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