Gute gesunde Kita Prävention in NRW

68
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Prävention in NRW
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Gute gesunde Kita
Bildung und Gesundheit in Kindertageseinrichtungen
Prävention in NRW | 68
Anja Voss, Susanne Viernickel
Gute gesunde Kita
Bildung und Gesundheit in Kindertageseinrichtungen
Inhaltsverzeichnis
0
Einleitung
1
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
1.7
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag
Bildungsverständnis
Angebotscharakter
Trägervielfalt
Konzeptionsvielfalt
Personale Dienstleistungsorganisation
Qualitätsverständnis
9
9
11
13
14
14
15
16
2
2.1
2.1.1
2.1.2
2.2
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
Theoretischer Rahmen
Gesundheitsverständnis
Zum Verhältnis von Belastung und Beanspruchung
Belastungen und gesundheitliche Beanspruchungen von Kindern,
pädagogischen Fachkräften und Eltern
Der Bildungsbereich Gesundheit
Stellenwert der Gesundheit sowie der Prävention und
Gesundheitsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Wechselbeziehung zwischen Gesundheit und Bildungsqualität in
Kindertageseinrichtungen: Die gute gesunde Kita
17
17
17
20
21
2.3
2.4
2.5
2.6
3
7
24
25
27
28
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« –
Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
3.1
Qualitätsverständnis der guten gesunden Kita
3.1.1 Pädagogische Qualität
3.1.2 Ein dimensionales Qualitätsmodell
3.2
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
3.2.1 Die Kita als Setting
3.2.2 Verhaltens- und Verhältnisorientierung
3.2.3 Leitungshandeln
3.2.4 Transparenz
3.2.5 Partizipation
3.2.6 Resilienzförderung
3.2.7 Empowerment
3.2.8 Risiko- und Ressourcenorientierung
3.2.9 Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung
3.2.10 Nachhaltigkeit
30
4
4.1
4.2
44
44
47
Referenzrahmen gute gesunde Kita
Acht Qualitätsbereiche und vierzig Qualitätsfelder
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
31
32
33
37
37
38
38
40
40
40
41
41
42
42
Inhaltsverzeichnis
5
5.1
5.2
5.3
6
Wege zu einer guten gesunden Kindertageseinrichtung
Akteursebenen und Akteure
Der Qualitätsentwicklungsprozess
Gelingensbedingungen einer integrierten Gesundheits- und
Qualitätsentwicklung
101
102
104
106
0
Einleitung
Das vorliegende Konzept soll Kindertageseinrichtungen auf dem Weg zu einer gesunden
und entwicklungsfördernden Lebens-, Lern- und Arbeitswelt unterstützen. Die gute gesunde Kindertageseinrichtung1 zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Umsetzung des
Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrags mit der Förderung der Gesundheit aller
im Setting Beteiligten verbindet und dadurch die Entwicklungs- und Bildungschancen
der Kinder nachhaltig verbessert.
In Übereinstimmung mit anderen aktuellen Qualitätskonzepten und Programmen zur
Bildungs- und Gesundheitsförderung2 werden Prävention und Gesundheitsförderung
als unverzichtbare Elemente zur Erzielung optimaler Bildungsqualität verstanden, die
stärker als bislang Eingang in die Organisationsentwicklung von Kindertageseinrichtungen finden sollen.
Gesundheit und Bildung stehen in einem Wechselverhältnis zueinander und bedingen
sich in der guten gesunden Kita gegenseitig: Gesundheit ist somit zugleich die Grundlage und das Ergebnis eines gelingenden Bildungsprozesses, Bildung ist sowohl eine
1
2
Unter der Bezeichnung »Gute gesunde Kita« versammeln sich eine Reihe zum Teil voneinander unabhängiger, zum Teil aus
gemeinsamen Ursprüngen hervorgegangener Konzepte und Praxismaterialien. Gemeinsam ist ihnen die paradigmatische
Verschränkung von Bildung und Gesundheit mit dem Anspruch, für die Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen
beide Perspektiven konsequent zu integrieren und Kindertageseinrichtungen gleichzeitig als bildungs- und gesundheitsförderliche Settings zu gestalten.
u. a. Die gute gesunde Kita gestalten, Bertelsmann Stiftung 2012; NRW-Landesprogramm Bildung und Gesundheit, Steuerungsgruppe des Landesprogramms »Bildung und Gesundheit« 2013
7
Einleitung
Voraussetzung für Gesundheit als auch ein Ergebnis eines gesundheitsfördernden
Lebens- und Lernortes. Die gute gesunde Kita berücksichtigt bei der Erfüllung des
Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrags sowohl das Wohl des Kindes als auch
die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Um diese Verbindung nachhaltig zu stärken, geht es in der guten gesunden Kita nicht
um die Durchführung von kurzfristigen Einzelmaßnahmen für unterschiedliche Beteiligungsgruppen, sondern um die Implementierung der sich gegenseitig bedingenden
Faktoren als langfristiges Ziel in die Alltagsroutinen, Strukturen und Entwicklungsprozesse der Organisation. Ausgangspunkt ist eine salutogenetische Sichtweise und ein
Verständnis von Bildung, das auf Sicherheit gebenden Beziehungen basiert und neben
der Förderung des Kohärenzgefühls der Kinder gleichermaßen die Persönlichkeitsentwicklung und den Auf- und Ausbau der Gesundheitskompetenz von Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern sowie Eltern fokussiert.
Das vorliegende Konzept wird mit einer Beschreibung der Charakteristika von Kindertageseinrichtungen im aktuellen Kontext ihres gesellschaftlichen Auftrags eingeleitet
(Kap. 1). Im Anschluss wird das Thema »Gesundheit« in Kindertageseinrichtungen theoretisch und empirisch aufgearbeitet (Kap. 2). Das dritte Kapitel führt in das Qualitätsverständnis, die grundlegenden Prinzipien und den Aufbau des Konzepts der guten
gesunden Kita ein. Diese bilden die Basis für den nachfolgend ausdifferenzierten Referenzrahmen der guten gesunden Kita, der acht Bereiche und insgesamt 40 Qualitätsfelder beinhaltet. Die Qualitätsfelder bilden in unterschiedlicher Gewichtung Struktur-,
Orientierungs-, Organisations- und Management-, Prozess-, Entwicklungs- und Ergebnisqualitäten der guten gesunden Kita ab und dienen im Prozess der Qualitätsentwicklung den beteiligten Akteuren als Orientierungs- und Ankerpunkte.
Das fünfte und letzte Kapitel zeigt auf, wie Kindertageseinrichtungen sich auf den Weg
machen und einen systematischen Qualitätsentwicklungsprozess zur guten gesunden
Kita initiieren und verstetigen können. Von großer Bedeutung für einen erfolgreichen
Verlauf ist es, dass jede Einrichtung entsprechend der spezifischen Voraussetzungen
eigene Ziele und Wege zur Umsetzung und ihren eigenen Rhythmus der Qualitätsentwicklung findet.
8
1
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
Tageseinrichtungen für Kinder sind gesellschaftliche Institutionen, die sich durch eine
Reihe charakteristischer Merkmale auszeichnen, durch die sie sich von familiären Bildungs- und Erziehungsumwelten, von der Kindertagespflege als parallelem Angebot
der Bildung, Erziehung und Betreuung und von der Schule als nachfolgender Bildungsinstitution abgrenzen lassen. Um die Themen Bildung und Gesundheit in Kindertageseinrichtungen angemessen bearbeiten und miteinander in Bezug setzen zu können,
müssen die konstituierenden Merkmale dieses Settings identifiziert und berücksichtigt
werden.
1.1
Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag
Die frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung in Kindertagesreinrichtungen unterliegt seit einigen Jahren großen Veränderungen. Das gesellschaftliche Ziel, für alle
Kinder gute Bildung von Anfang an bereitzustellen, erfordert Bildungs-, Erziehungsund Betreuungsangebote für Kinder in ausreichender Quantität und hoher Qualität.
Von bildungspolitischer Relevanz ist hierfür besonders der Ausbau der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige und das Inkrafttreten des Rechtsanspruches auf einen
Betreuungsplatz für Kinder mit Vollendung des ersten Lebensjahres seit August 2013.
Hiermit sind eine Reihe von Herausforderungen verbunden: die bedarfsgerechte regionale Bereitstellung von Plätzen, damit verbundene Aus- und Neubaumaßnahmen
sowie die Gewinnung von qualifizierten Fachkräften für die neu entstandenen Plätze,
um den gesetzlich festgeschriebenen Personalschlüssel gewährleisten zu können.
9
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
Bildungs- und gesellschaftspolitische Begründungsmuster für den Ausbau rekurrieren
sowohl auf den Betreuungsauftrag im Sinne der Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Ermöglichung der Wahlfreiheit von Eltern, ihr(e) Kind(er) in den
ersten Lebensjahren zu Hause zu betreuen oder eine öffentliche Betreuung in Anspruch
zu nehmen, als auch auf den Bildungs- und Erziehungsauftrag im Sinne der gesellschaftlichen Verantwortung für Bildungs- und Chancengerechtigkeit und den Abbau
sozialer Ungleichheiten, wenn die Bildungsbeteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund bzw. Unterstützung der alltagsintegrierten Sprachförderung beim Zweitsprachenerwerb und die Teilnahme an frühkindlicher Bildung für Kinder mit Behinderung
thematisiert wird.
Der Bildungsauftrag von Tageseinrichtungen für Kinder ist zwar bereits länger im SGB
VIII (§ 22 Abs. 3) verankert; die Forderung nach einer systematischen Gestaltung von
Bildungsprozessen der frühen Kindheit und der Entwicklung von Standards und Kriterien der Bildungsarbeit wurde durch die Einführung des gemeinsamen Rahmens der
Länder für die frühkindliche Bildung in Kindertagesstätten 2004 jedoch noch einmal
hervorgehoben und seitdem in allen Bundesländern in Bildungsprogramme, -pläne
oder -leitlinien überführt.
Der in § 22 SGB VIII formulierte eigenständige Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag wird in den Ländergesetzen konkretisiert. So liegen beispielsweise nach dem
Kinderbildungsgesetz (KiBiz) von Nordrhein-Westfalen die Kernaufgaben von Kindertageseinrichtungen (und Kindertagespflege) darin, »das Kind … in seiner Entwicklung zu
einer eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern, es zu Verantwortungsbereitschaft, Gemeinsinn und Toleranz zu befähigen, seine interkulturelle
Kompetenz zu stärken, die Herausbildung kultureller Fähigkeiten zu ermöglichen und
die Aneignung von Wissen und Fertigkeiten in allen Entwicklungsbereichen zu unterstützen.« (§ 13 Abs. 2 KiBiz 2014)3. Weiterhin gibt das Gesetz eine »individuelle Bildungsförderung [vor, die] die unterschiedlichen Lebenslagen der Kinder und ihrer Eltern
berücksichtigt« (§ 13 Abs. 3 KiBiz 2014). Die pädagogischen Fach- und Leitungskräfte
in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege »haben den Bildungs- und Erziehungsauftrag im regelmäßigen Dialog mit den Eltern durchzuführen und deren erzieherische
Entscheidungen zu achten« (§ 3 Abs. 2 KiBiz 2014). Als Aufgaben der pädagogischen
Fachkräfte hebt das Kinderbildungsgesetz das Beobachten und Dokumentieren der
Entwicklung der Kinder hervor sowie die individuelle Sprachförderung. Auch die Zusammenarbeit mit den Familien wird im KiBiz gesondert aufgeführt, insbesondere die
Unterstützung von Familien durch die Erweiterung der Kindertageseinrichtungen zu
Familienzentren (§ 16 KiBiz 2014).
In diesen Ausführungen wird deutlich, dass Kindertageseinrichtungen als erste Stufe
des Bildungswesens nicht nur den Auftrag der Förderung bildungsrelevanter Fähigkeiten und der Vorbereitung auf die Schule haben, sondern auch Orte der Sozialisation
und der Entwicklung im Zusammenspiel von Individualität und Soziabilität sind4. Im
Mittelpunkt steht eine umfassende Lebens- und Persönlichkeitsbildung in enger Kooperation mit den Eltern. In der Trias von Bildung, Erziehung und Betreuung beginnen alle
3
4
10
In anderen Bundesländern werden ähnlich lautende Formulierungen gewählt, wobei in den Gesetzestexten auch individuelle
Schwerpunktsetzungen erkennbar sind.
Hemmerling, 2008
Bildungsverständnis
drei Komponenten mit der Geburt des Kindes in der Familie, werden durch vorschulische Einrichtungen unterstützt und in der Schule weitergeführt. Sie unterscheiden sich
jedoch in ihrem Auftrag:
• Betreuung (›care‹) als Fundament frühkindlichen Aufwachsens stellt einen integralen
Bestandteil der Erziehung dar und bedeutet in Kindertageseinrichtungen die professionell wahrgenommene Aufgabe der physischen und emotionalen Versorgung der
Kinder sowie den Aufbau und die Stabilität von Beziehungen.5
• Erziehungsprozesse umfassen in erster Linie die Vermittlungstätigkeiten der älteren
Generation bzw. der pädagogischen Fachkräfte gegenüber der jüngeren. Diese sind
jedoch nicht unidirektional, sondern vollziehen sich in Form eines komplexen, immer
interaktiven und kommunikativen Wechselverhältnisses zwischen der eigenständigen
und eigen«sinnigen« Aneignungstätigkeit des Kindes und dem Bezug auf gesellschaftliche Werte und Traditionen, gesetzte Verhaltensstandards und Erziehungsziele von
Seiten der Erwachsenen.6 In Kindertageseinrichtungen finden die Kinder Unterstützung in der Entwicklung ihrer Ich-Identität und der Herausbildung ihrer moralischen
Urteilskraft, und sie erlernen gesellschaftliche Regeln sowie Orientierungsmuster.
• Der Begriff der Bildung betont die im Menschen angelegte Eigentätigkeit im Sinne
einer »Bildsamkeit« oder »Lernfähigkeit«, während Erziehung und Betreuung die Angewiesenheit des Heranwachsenden auf Unterstützung und Anregung aus seiner Umwelt betonen. Bildung und Erziehung sind als komplementäre Begriffe zu verstehen,
wobei Erziehung eher als Vermittlungstätigkeit und Bildung eher als Aneignungstätigkeit begriffen wird.7
1.2
Bildungsverständnis
Bildung8 als ein Grundbegriff der (Früh-)Pädagogik verweist auf einen selbsttätigen Prozess der Welt-Aneignung, der mit der Geburt beginnt und sich lebenslang vollzieht. In
diesem Prozess sind Beziehung und Bindung die Voraussetzungen für Bildung, und
Mündigkeit bzw. Selbstbestimmung ist das Ziel. Das Kind eignet sich seine Lebensumwelt über mannigfaltige Weltbezüge, wie z. B. kulturelle, soziale, subjektive und
materiell-dingliche Welten, an. Die individuellen Bildungsprozesse des Kindes hängen
von einer anregenden Umgebung und aufmerksamen Bezugspersonen ab, die das Kind
in seiner Selbsttätigkeit unterstützen. Der »Gemeinsame Rahmen der Länder für die
frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen«9 stellt eine Verständigung der Bundesländer über die Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen dar. Innerhalb des gemeinsamen Rahmens gehen alle Länder eigenen, den spezifischen Bedingungen angemessenen Wegen der Ausdifferenzierung dieses Rahmens nach. Folgende Aspekte sind bundeslandübergreifend leitend:
5
6
7
8
9
Rauschenbach 2009
Liegle 2014
Benner 2001
Die bundesdeutsche Diskussion um pädagogische Ansätze zur Förderung von Bildungsprozessen im Elementarbereich
widmet sich im Gegensatz zum internationalen Diskurs primär der Bestimmung des Bildungsbegriffs in Abgrenzung zu
Lernen oder Erziehung. In der internationalen Diskussion existiert die Differenzierung nicht und es wird von Lernprozessen
bzw. Entwicklung oder Förderung im Rahmen von Childhood Education and Care gesprochen.
Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004/Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03.04.06.2014
(www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf )
20.11.2015
11
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
• das Prinzip der ganzheitlichen Förderung
• wechselseitige Einflussnahme von Kind und sozialem Umfeld im Prozess der Weltaneignung oder Sinnkonstruktion
• Vermittlung grundlegender Kompetenzen und die Entwicklung und Stärkung persönlicher Ressourcen
• Erweiterung, Unterstützung sowie Herausforderung des kindlichen Forscherdranges
• interkulturelle Bildung
Die Herausforderung an die pädagogischen Fachkräfte besteht nun darin, die (all-)täglichen Erfahrungen der Kinder so zu gestalten, dass daraus Bildungserfahrungen werden können. Dies setzt voraus, dass sich Kinder mit für sie zentralen Themen befassen
können, auf ihre Weise lernen und ihre individuellen Potenziale einsetzen und entfalten können, wenn sie über den Erwerb von Wissen und Kompetenzen hinaus Bereitschaften und Einstellungen (weiter-)entwickeln und wenn sie lernmethodische und
selbstreflexive Kompetenzen erwerben. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass
die kindlichen Bedürfnisse nach Sicherheit, empathischer Fürsorge und Bindung an
wichtige Bezugspersonen erfüllt sind.
Die relevanten Inhalte werden im Elementarbereich nicht Fächern, sondern weiter
geschnittenen »Bildungsbereichen« zugeordnet. Die Rahmenvereinbarung der Jugendministerkonferenz und Kultusministerkonferenz vom 14./15.5.2004 unterscheidet sechs
Bildungsbereiche:
• Sprache, Schrift, Kommunikation
• Personale und soziale Entwicklung, Werteerziehung/religiöse Bildung
• Mathematik, Naturwissenschaft, (Informations-)Technik
• Musische Bildung/Umgang mit Medien
• Körper, Bewegung, Gesundheit
• Natur und kulturelle Umwelten
Neben den in der Rahmenvereinbarung definierten Lernprinzipien und Bildungsbereichen
orientiert sich das hier beschriebene Konzept der guten gesunden Kita an dem im Bildungsbericht 2014 zugrundegelegten Bildungsverständnis mit den drei Zieldimensionen
»individuelle Regulationsfähigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit
sowie Humanressourcen«10:
»Individuelle Regulationsfähigkeit beinhaltet die Fähigkeit des Individuums, sein Verhalten und sein Verhältnis zur Umwelt, die eigene Biografie und das Leben in der Gemeinschaft selbstständig zu planen und zu gestalten. Der Beitrag des Bildungswesens
zu den Humanressourcen richtet sich sowohl auf die Sicherstellung und Weiterentwicklung des quantitativen und qualitativen Arbeitskräftevolumens als auch auf die Vermittlung von Kompetenzen, die den Menschen eine ihren Neigungen und Fähigkeiten
entsprechende Erwerbsarbeit ermöglichen. Indem die Bildungseinrichtungen gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit fördern, wirken sie systematischer Benachteiligung aufgrund der sozialen Herkunft, des Geschlechts, der nationalen oder ethnischen
Zugehörigkeit entgegen.«
10 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2014, S. 1
12
Angebotscharakter
Neben dem Lernen in einer Lebenslaufperspektive geht es auch um die Anerkennung
der frühen Jahre als eine Zeit für die Grundlegung zentraler Lerndispositionen und für
die Entwicklung eines positiven Selbstbildes als Lernende und Lernender. Im Sinne
eines lebenslangen Lernens und der oben erwähnten Humanressourcen wird ein Verständnis von Bildung zugrunde gelegt, das nicht nur die Kinder, sondern alle Beteiligten auf dem Lernweg sieht. Damit geht es auch um die Teilnahme an Fort- und Weiterbildung und damit verbundenen Aufstiegsoptionen im System frühkindlicher Bildung,
Erziehung und Betreuung für die dort tätigen Erwachsenen. Und es geht auch um die
Eltern: Wenn Bildungsqualität eng mit Beziehungsqualität verwoben ist, müssen die
Eltern-Kind-Beziehungen gleichermaßen Berücksichtigung finden wie die Zusammenarbeit mit Eltern. Letzteres sollte gemäß dem gesetzlichen Auftrag die Beteiligung der
Eltern umfassen und Information, Beratung und Austausch nicht nur mit Blick auf Bildung, sondern auch auf Prävention und Gesundheitsförderung beinhalten.
1.3
Angebotscharakter
Tageseinrichtungen für Kinder sind mit ihrer bundesgesetzlichen Verortung im SGB VIII
zentraler Bestandteil der Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Sie
sind soziale Einrichtungen mit Betreuungscharakter und pädagogische Einrichtungen
mit dem Förderungsauftrag der Erziehung und Bildung des Kindes11. Kindertageseinrichtungen gehören inzwischen zur »sozialen Infrastruktur«12 des Landes und gelten
als »unverzichtbares Element der Lebenslagen von Kindern und ihren Familien.«13
Für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr besteht seit 1996 ein Rechtsanspruch
auf einen Platz in einer Tageseinrichtung, seit August 2013 wurde der Anspruch für
Kinder, die das erste Lebensjahr vollendet haben, erweitert; eine Besuchspflicht besteht
nicht. Durch den quantitativen Ausbau der Betreuungsinfrastruktur ist die Betreuungsquote der unter Dreijährigen in Deutschland im Jahr 2014 bereits auf über 30 Prozent
gestiegen, wobei deutliche regionale Unterschiede zu verzeichnen sind14. Die Besuchsquoten bzw. die Bildungsbeteiligung der drei- bis unter sechsjährigen Kinder liegen
auf einem konstant hohen Niveau, sodass praktisch nahezu alle Vier- und Fünfjährigen
eine Tageseinrichtung besuchen. Die außerfamiliäre Erziehung und Bildung hat sich
demnach als ein fester Bestandteil in der Bildungsbiografie eines Kindes etabliert und
die Kita ist zu einer bedeutsamen Sozialisationsinstanz avanciert.
• Die Eltern »haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener
Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern«.15
Sie schließen mit dem Träger der Einrichtung ihrer Wahl einen Aufnahmevertrag. Die
Angebotsschwerpunkte der Tageseinrichtungen für Kinder wandeln sich ständig entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und Entwicklungen:
• Es erfolgt ein massiver Ausbau des Platzangebots für Kinder unter drei Jahren entsprechend den Vorgaben des Bundes.
11
12
13
14
15
§ 22 SGB VIII; Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013
Honig, Joos & Schreiber 2004, S. 12
ebd.
Die Betreuungsquote für NRW beträgt 19,9 Prozent (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2014)
§ 5 Abs. 1 SGB VIII
13
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
• In vielen Ländern werden ein oder mehrere Kindergartenjahre beitragsfrei gestellt.
• Tageseinrichtungen für Kinder werden zu »Familienzentren« weiterentwickelt, in denen die bestehenden Angebote der Familienunterstützung zusammengeführt werden.
• Die außerunterrichtlichen Angebote für Kinder im Grundschulalter werden zunehmend
nicht mehr in den Tageseinrichtungen für Kinder (»Horte«/«Hortgruppen«) bereitgestellt, sondern als offenes oder geschlossenes Angebot an den Schulen.
• Die intensive Zusammenarbeit zwischen Tageseinrichtungen für Kinder und Grundschulen und die gemeinsame Gestaltung des Übergangs werden teilweise bindend
gesetzlich verankert (zum Beispiel § 14 KiBiz 2014 und § 5 Abs. 1 Schulgesetz NRW
2014).
1.4.
Trägervielfalt
»Die Jugendhilfe ist gekennzeichnet durch die Vielfalt von Trägern unterschiedlicher
Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden und Arbeitsformen«16. Träger sind öffentliche Träger (Städte, Gemeinden, Landkreise) und »freie Träger der Jugendhilfe« (religiöse/kirchliche Träger, Wohlfahrtsverbände, Vereine). Sobald sich anerkannte freie Träger engagieren, »soll die öffentliche Jugendhilfe von eigenen Maßnahmen
absehen«17. Dieses Prinzip hat zur Folge, dass ca. zwei Drittel aller Tageseinrichtungen
für Kinder von freien Trägern betrieben werden, in manchen Bundesländern, wie zum
Beispiel in Nordrhein-Westfalen, sogar drei Viertel aller Einrichtungen18. Jeder Träger
benötigt für den Betrieb einer Einrichtung eine Betriebserlaubnis durch den »überörtlichen Träger der Jugendhilfe«. Die entsprechende Prüfung erstreckt sich auf die personellen und räumlichen Gegebenheiten, aber auch auf die pädagogische Konzeption
der Einrichtung. Die Spitzenverbände der freien bzw. der öffentlichen Träger stimmen
sich fortlaufend untereinander innerhalb ihrer Strukturen bzw. Gremien ab.
1.5.
Konzeptionsvielfalt
Zwar gibt es mit dem »Gemeinsamen Rahmen der Länder für frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen« der Jugend- und Kultusministerkonferenz19 eine grundsätzliche Verständigung der Länder über die Umsetzung und Ausgestaltung des Bildungsauftrags
von Kindertageseinrichtungen. Die für die Kinder- und Jugendhilfe typische Vielfalt von
Wertorientierungen, Inhalten, Methoden und Arbeitsformen (s. o.) lässt jedoch keine
landesweit verpflichtenden Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung z. B. der Bildungsund Erziehungsarbeit in Tageseinrichtungen für Kinder zu, d. h., dass die konzeptionelle Umsetzung der Rahmenpläne und die konkrete Bildungsarbeit den Trägern und
Fachkräften der Tageseinrichtungen obliegt. Die konzeptionelle Ausrichtung des Angebots gehört also zu den zentralen Aufgaben und Rechten jedes Einrichtungsträgers.
Die Akzeptanz jedes Papiers mit Aussagen zur Bildungs- und Erziehungsarbeit (und
auch deren Qualität bzw. Evaluation) hängt also davon ab, inwieweit es mit der Grund-
16
17
18
19
14
§ 3 Abs. 1 SGB VIII
»Subsidiaritätsprinzip«, vgl. dazu §75 SGB VIII
Information und Technik Nordrhein-Westfalen – Geschäftsbereich Statistik (IT-NRW) 2009, S. 17
Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004/Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 23.11.2015
(www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf )
03./04.06.2004, Datum der Ansicht 20.11.2015
Personale Dienstleistungsorganisation
ausrichtung und/oder dem Leitbild des Trägers sowie der daraus entwickelten pädagogischen Konzeption der Einrichtung bzw. des Trägers kompatibel ist – wobei das
Ergebnis dieser Prüfung unterschiedlich ausfallen kann. Dies gilt nicht zuletzt im Bereich des Qualitätsmanagements: Bestimmte Konzepte stehen der Grundauffassung
bestimmter Träger(gruppen) nahe und werden dort verwendet bzw. adaptiert oder integriert, während sie mit der Ausrichtung bzw. Tradition anderer Träger(gruppen) nicht
kompatibel sind und dort nicht eingeführt werden.
1.6.
Personale Dienstleistungsorganisation
Kindertageseinrichtungen stellen gegenwärtig das größte sozialpädagogische Handlungs- und Arbeitsfeld dar. Sie sind zu einem sozialstaatlichen Dienstleistungsangebot
und zu einem wichtigen Element der sozialen und regionalen Infrastruktur Deutschlands sowie zu einem zentralen Bestandteil kindlicher Lebensverläufe geworden.20 Als
Dienstleistungsunternehmen unterliegen Kindertageseinrichtungen und ihre Träger politischen Steuerungsvorgaben und bewegen sich innerhalb eines aktiven Marktgeschehens. Aus dem wertgebundenen Auftrag sozialer und pädagogischer Arbeit leitet sich
jedoch die Notwendigkeit einer spezifischen Form des Managements ab. Sie unterscheidet sich vom Management in wirtschaftsorientierten Organisationen durch die
Hervorhebung der Bedeutung von Organisationsstrukturen für die in ihnen arbeitenden
Menschen.21 Zentral sind deshalb die Entwicklung und Bereitstellung von Methoden,
die ein gemeinsames, zielorientiertes Handeln aller Mitarbeiter unter bestmöglicher
Nutzung der innerhalb der Organisation vorhandenen Potentiale ermöglichen, wobei
der Erhalt und die Förderung individueller Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie
individuelle Persönlichkeitsmerkmale und Wertvorstellungen berücksichtigt werden
sollen. Auf der Ebene der Organisation werden verbesserte Delegations-, Kommunikations- und Kooperationsstrukturen, Transparenz und regelmäßige (Selbst-)Evaluationen
angestrebt.
Als öffentlich verantwortete familienergänzende Angebote haben Kindertageseinrichtungen in Bezug auf ihre Klientel mehrere Funktionen zu erfüllen. Sie sollen erstens eine
Infrastruktur zur Verfügung stellen, die Familien die Balance zwischen beruflichen und
familiären Leistungen erleichtert; sie tragen zweitens durch die Gestaltung der pädagogischen Umwelt und der pädagogischen Interaktionen unmittelbar zur Bildungsförderung von Kindern bei, wobei sie sowohl kompensatorisch als auch primärpräventiv
wirksam werden sollen; und sie können drittens Eltern bei ihren Erziehungsaufgaben
durch Beratung, Austausch und Übermittlung an Experten und Fachdienste konkrete
Unterstützung anbieten. Diese Funktionen stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander, das nicht immer auflösbar ist. Nach M. Joos setzt die Stärkung des Bildungsauftrags von Kindertageseinrichtungen dessen Dienstleistungsfunktion voraus, während
dies umgekehrt nicht gilt.22 Als Verbindungselement bzw. Regulativ zwischen beiden
Elementen wird die Qualität bzw. Qualitätsentwicklung verstanden.
20 Joos 2002, S. 9
21 Müller-Schöll & Priepke 1989
22 Joos 2002
15
Merkmale der Tageseinrichtungen für Kinder
1.7
Qualitätsverständnis
Qualität in der eigenen Arbeit einzulösen und hierfür Qualitätskriterien zu formulieren
und verbindlich zu vereinbaren sind Anforderungen, denen sich alle Institutionen mit
einem gesellschaftlichen und gesetzlich verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag
stellen müssen. Dabei wird der Qualitätsbegriff in der kindheitspädagogischen Fachdiskussion nicht neutral, sondern in einer bewertenden Konnotation benutzt. Je nach
Blickwinkel können hierfür die Gesamtorganisation, die gesamte pädagogische Arbeit
oder speziell die Bildungsaufgaben der Einrichtungen fokussiert werden. Die gute gesunde Kita integriert alle diese Sichtweisen und berücksichtigt in besonderer Weise
die Zielgrößen der Gesundheit, Prävention und Gesundheitsförderung von Kindern als
auch von pädagogischen Fachkräften und Eltern.
Qualität ist keine objektive, unveränderliche Größe, sondern relativ und abhängig von
der Sichtweise und den Interessen der Beteiligten; außerdem unterliegen Ansichten
darüber, was Qualität im pädagogischen Feld ausmacht, einem historischen Wandel.
Ihre Definition muss somit kontinuierlich überprüft und gemäß der sich verändernden
Bedingungen in einem dialogischen und partizipativen Prozess reformuliert werden. Die
im Referenzrahmen verankerten vierzig Qualitätsfelder verstehen sich hierfür als Orientierungen und bündeln den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand und Erfahrungen im Sinne »bester Fachpraxis« zu einem Kompendium praxisrelevanter Qualitätsansprüche.
16
2
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
2.1
Theoretischer Rahmen
2.1.1
Gesundheitsverständnis
Für die Zusammenführung von Bildungsqualität und Gesundheitsförderung wird ein
mehr-perspektivisches und integrierendes Verständnis von Gesundheit zugrunde gelegt. Im Mittelpunkt steht eine salutogenetische Sichtweise und damit die Frage nach
der Entstehung und Förderung von Gesundheit im Alltag von Kindertageseinrichtungen.
Kindertageseinrichtungen werden dabei als Setting im Sinne einer Lebens- und Arbeitswelt von pädagogischen Fach- und Leitungskräften, Kindern und Eltern betrachtet, denn
»Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt:
dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und leben«.23
Gesundheit wird definiert als ein »Stadium des Gleichgewichts von Risikofaktoren und
Schutzfaktoren, das eintritt, wenn einem Menschen eine Bewältigung sowohl der
inneren (körperlichen und psychischen) als auch der äußeren (sozialen und materiellen) Anforderungen gelingt. Gesundheit ist ein Stadium, das einem Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt«.24
23 WHO 1986, S. 5
24 Hurrelmann & Richter 2013, S. 147
17
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
Zu den maßgeblichen Bedingungsfaktoren für Gesundheit und Krankheit gehören:
• Verhaltensfaktoren, womit körperliche Aktivität aber auch Essgewohnheiten und
psychische Spannungsregulation gemeint sind,
• Verhältnisfaktoren, wozu neben dem sozioökonomischen Status auch »Bildungsangebote und wirtschaftliche Verhältnisse sowie Komponenten der Gesundheits- und
Krankheitsversorgung« zählen,
• personale Faktoren, womit sowohl die genetische Disposition aber auch die körperlich-psychische Konstitution und die ethnische Zugehörigkeit zählen.25
Die drei Faktorengruppen bilden die Gesundheitschancen für Menschen ab und wirken
nicht unabhängig voneinander, sondern bedingen sich gegenseitig. Mit Blick auf die
in der Definition genannten äußeren Anforderungen greift das Konzept der guten gesunden Kita sowohl die Verhältnisfaktoren und damit gesellschaftliche Bedingungen als
auch die steuernde Funktion der Organisation Kindertageseinrichtung bei der Schaffung von angemessenen Rahmenbedingungen auf. Daneben geht es um die inneren
Anforderungen und somit um die Entwicklung von gesundheitsrelevanten Einstellungen und Verhaltensweisen aller Beteiligten. Die personalen Faktoren sind über die zugrundegelegte bildungs- und gesundheitswissenschaftliche Perspektive auf die gute
gesunde Kindertageseinrichtung kaum zu beeinflussen.
Innere Anforderungen
• Veranlagung
• Körperliche Konstitution
• Immun-, Nerven-, Hormonsystem
• Persönlichkeitsstruktur
• Temperament
• Belastbarkeit
Äußere Anforderung
Gesundheit als
gelungene Bewältigung der inneren
und äußeren
Anforderungen
•
•
•
•
•
•
•
•
Sozioökonomische Lage
Wohnbedingungen
Ökologisches Umfeld
Hygienische Verhältnisse
Private Lebensform
Arbeitsbedingungen
Soziale Einbindung
Bildungsangebote
Abb. 1:
Gesundheit als gelungene Bewältigung von inneren und äußeren Anforderungen26
Gesundheit und Krankheit werden nicht als starre Strukturen bzw. Zustände verstanden,
sondern aus salutogener Perspektive als ein Kontinuum, auf welchem sich die Beteiligten in Richtung Krankheit oder Gesundheit bewegen.27 Als zentrale Bedingungsfaktoren für die Bewegung zum positiven Pol des Kontinuums gelten generalisierte Widerstandsressourcen und ein gut ausgebildetes Kohärenzgefühl. Das Kohärenzgefühl setzt
25 ebd.
26 in Anlehnung an Hurrelmann & Richter 2013, S.143
27 Antonovsky 1997
18
Theoretischer Rahmen
sich aus drei Komponenten zusammen: einem Gefühl der Verstehbarkeit der eigenen
Person und der Umwelt (comprehensibility), einem Gefühl der Handhabbarkeit und Bewältigbarkeit (manageability) und einem Gefühl der Bedeutsamkeit und Sinnhaftigkeit
(meaningfulness). Mithilfe dieser Ressourcen wird ein konstruktives Umgehen mit den
allgegenwärtigen Stressoren möglich. Gesundheit ist nach dieser Vorstellung kein passiver Gleichgewichtszustand, sondern ein labiles, aktives und sich dynamisch regulierendes Geschehen.28
Ebenso, wie als Ziel von Bildung Mündigkeit bzw. Selbstbestimmung formuliert wird
(vgl. Kap. 1), begreift das vorliegende Konzept auch Gesundheitsförderung als einen
»Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen«.29 Mit
dem Begriff der »Förderung« sind hier nicht nur schützende oder sichernde Faktoren,
sondern auch anregende und unterstützende Impulse gemeint. Gesundheitsförderung
ist ein komplexer sozialer und gesundheitspolitischer Ansatz, der ausdrücklich sowohl
die Verbesserung von gesundheitsrelevanten Lebensweisen als auch die Verbesserung
von gesundheitsrelevanten Lebensbedingungen umfasst. Gesundheitsförderung will
nicht nur individuelle Lebens- und Handlungsfähigkeiten beeinflussen und Menschen
zur Verbesserung ihrer Gesundheit befähigen. Sie zielt darüber hinaus auf ökonomische, soziale, ökologische und kulturelle Faktoren und auf politische Intervention zur
Beeinflussung dieser gesundheitsrelevanten Faktoren«.30
Als ergänzende Strategie zur Gesundheitsförderung, die auch für den Arbeitsschutz von
besonderer Bedeutung ist, kann in Kindertageseinrichtungen die (Krankheits-)Prävention
eingesetzt werden, womit Interventionen bezeichnet werden, die das Auftreten einer
Krankheit durch vorbeugende Maßnahmen verhindern.31 Präventive Maßnahmen können
sich an pädagogische Fachkräfte richten (z. B. über Bewegungsangebote), sie sind aber
insbesondere für die Zielgruppe der Kinder von Bedeutung, da in Kindertageseinrichtungen zum einen ein Großteil der unter Sechsjährigen erreicht wird. Zum anderen wird
eine Altersgruppe angesprochen, die im Vergleich zu anderen Altersgruppen noch wenig
von Krankheiten betroffen ist und bei der Gesundheitspotentiale gut zu aktivieren sind.
Gesundheitsförderung und Prävention ist gemeinsam, dass sie einen »Gesundheitsgewinn« erzielen wollen.32
Sowohl präventive als auch gesundheitsfördernde Strategien sprechen in der guten
gesunden Kita mehrere der von der WHO (1986) definierten zentralen Handlungsfelder
an, und zwar:
• Schaffung gesunder Lebenswelten
• Förderung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktivitäten
• Entwicklung persönlicher Gesundheits- und Lebenskompetenzen
Für die im Setting Kita beteiligten pädagogischen Fachkräfte und Eltern liegt ein gesundheitsförderndes Ziel im Auf- und Ausbau der Gesundheitskompetenz, die als Resultat
28
29
30
31
32
Franke 2010
WHO 1986, S.
Hurrelmann &
Rosenbrock &
Hurrelmann &
1
Richter 2013, S. 149
Kümpers 2006
Richter 2013, S. 151
19
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
von Bildungs- und Kommunikationsmaßnahmen in der Prävention und Gesundheitsförderung gesehen wird.33 Das Konzept setzt zwar zunächst auf der Verhaltensebene
und am Individuum an, zielt dann aber darauf ab, die gesellschaftliche und politische
Umwelt so zu beeinflussen, dass gesundheitsbewusstes Verhalten möglich ist. Mit Blick
auf ein Bildungsverständnis, das Bildung als einen lebenslangen Prozess beschreibt
(vgl. Kap. 1.1), haben Aus- und Weiterbildung der pädagogischen Fachkräfte hier eine
bedeutende Funktion im Sinne eines wichtigen Katalysators zum Aufbau der Gesundheitskompetenz. Diese entsteht in sozialen Zusammenhängen, womit neben dem
sozialen Umfeld auch der Arbeitsplatz gemeint ist.
Für die Eltern bedeutet das zum einen, im Setting Kita Zugang zu Gesundheitsinformationen zu bekommen, zum anderen, Rahmenbedingungen für ein gesundheitsbewusstes Verhalten zu erleben und mitzugestalten.
2.1.2
Zum Verhältnis von Belastung und Beanspruchung
Gesundheit und Krankheit werden in dem zugrundegelegten Verständnis als ein Kontinuum verstanden, auf welchem sich die Beteiligten in Abhängigkeit der Anforderungen
bzw. Risiken und den jeweiligen Widerstandsressourcen entweder in Richtung Krankheit oder Gesundheit bewegen. Diese Zusammenhänge sollen im Folgenden aus systemischer Betrachtungsweise durch das Anforderungs-Ressourcen-Modell (SAR-Modell)
eine theoretische Rahmung erhalten.
Das Modell beschreibt die Zusammenhänge zwischen der Arbeitssituation und den -anforderungen, die an eine Person gestellt werden, und der Wirkung dieser auf die Beschäftigten.34 Der Begriff der Belastungen wird im Modell gemäß der DIN EN ISO 6385,
der ergonomischen Grundnorm für die Gestaltung von Arbeitssystemen, wertneutral
definiert als »(…) die Gesamtheit der äußeren Bedingungen und Anforderungen im Arbeitssystem, die auf den physiologischen und/oder psychologischen Zustand einer Person einwirken« (o. S.).35 Diese bewirken eine Beanspruchung, definiert als eine »(…)
innere Reaktion des Arbeitenden auf die Arbeitsbelastung, der er ausgesetzt ist und
die von seinen individuellen Merkmalen (z. B. Größe, Alter, Fähigkeiten, Begabungen,
Fertigkeiten usw.) abhängig ist«.36 Die Beanspruchung als Folge einer Belastung kann
sowohl positive als auch negative kurzfristige Beanspruchungsfolgen nach sich ziehen:
also anregend und motivierend wirken, aber auch negativ – wie etwa ermüdende und
verschleißende Effekte. Langfristig werden nach dem Modell das Wohlbefinden, die
Arbeitsfähigkeit sowie der Gesundheitszustand positiv beeinflusst oder aber eine Störung des inneren Gleichgewichts, Leistungsminderung, Gesundheitsbeschwerden und
Erkrankungen hervorgerufen. Die Auswirkung der Belastungen ist in dem Mo-dell
abhängig von den persönlichen Ressourcen einer Person, wie etwa Fähigkeiten und
Fertigkeiten, mit den Belastungen besser umgehen zu können.37 Im SAR-Modell werden Gesundheit und Krankheit also als Resultate von Anpassungs- und Regulationspro-
33
34
35
36
37
20
Kickbusch, Wait & Maag 2005
Becker 2006
DIN EN ISO 6385, 2004
ebd.
Nachreiner 2001
Belastungen und gesundheitliche Beanspruchungen von Kindern, pädagogischen Fachkräften und Eltern
zessen zwischen einem Individuum und seiner Umwelt verstanden. In folgender Abbildung ist dieses dargestellt:
Umwelt des
Individuums
Externe Anforderungen
Externe Ressourcen
Verhalten und Erleben
des Individuums
(Bewältigungsverhalten,
emotionales Verhalten,
Gesundheitsverhalten,
Bedürfnisbefriedigung
Lebenszufriedenheit)
Psychophysische
Merkmale des
Individuums
Interne Anforderungen
Interne Ressourcen
Gesundheit des
Individuums
Abb. 2:
Bedingungsmodell für Gesundheit des Individuums38
2.2
Belastungen und gesundheitliche Beanspruchungen von Kindern,
pädagogischen Fachkräften und Eltern
Kinder in Kindertageseinrichtungen
Die gesundheitliche Lage und die gesundheitliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist nach den Ergebnissen des Kinder- und Jugendgesundheitssurveys
(KiGGS) insgesamt (sehr) gut.39 Es zeigt sich allerdings, dass die Chancen auf ein gesundes Leben nicht gleich verteilt sind. Bei ca. 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen
finden sich erhöhte Gesundheitsrisiken, die häufig auf dem Lebensstil und den Lebensumständen der Familien beruhen. Neben Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien sind besonders die Kinder betroffen, die
unter Mehrfachbelastungen stehen (z. B. niedriges Einkommen, Arbeitslosigkeit, hohe
Kinderzahl, soziale Isolation, schwieriges Wohnumfeld ebd). Gesundheitliche Ungleichheit
ist bereits im Kindes- und Jugendalter stark ausgeprägt. Die daraus resultierenden Lebensbedingungen beeinflussen die körperliche, psychische und soziale Entwicklung der Kinder.
Zudem findet seit einigen Jahren eine Verschiebung von akuten zu chronischen Erkrankungen und hin zu psychischen Auffälligkeiten statt. Als mögliche Belastungen für die
Gesundheit von Kindern in Kindertageseinrichtungen und Vorschulalter werden Entwicklungsauffälligkeiten in den Bereichen Sprache, Bewegung, Ernährung, Zahngesundheit
und Verhalten genannt. Daneben hat die Resilienzforschung aber auch schützende
Faktoren ermittelt, die sich stärkend auf die psychische und physische Gesundheit von
38 Blümel 2010
39 Robert Koch-Institut 2014
21
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
Kindern auswirken und ihnen eine gute Bewältigung von Belastungssituationen zum
Beispiel durch sichere Bindungen und zuverlässige Beziehungen oder durch ein positives Selbstkonzept ermöglichen.
Die Handlungsfelder der Bundesregierung zur Förderung der Kindergesundheit lassen
sich mit der guten gesunden Kita verknüpfen, so zum Beispiel in den übergeordneten
Zielen der Förderung von Prävention und gesundheitlicher Chancengleichheit aber auch
in der Minimierung gesundheitlicher Risiken.
Pädagogische Fach- und Leitungskräfte
Die berufliche Tätigkeit von pädagogischen Fach- und Leitungskräften hat sich in den
letzten Jahren durch die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen an das
Berufsfeld (z. B. Einführung der Bildungspläne, Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz etc.)
deutlich verändert. Neben den regulären Betreuungs- und Erziehungsaufgaben sind päd.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit vielfachen zusätzlichen Anforderungen konfrontiert,
die zum einen aus der veränderten Marktsituation resultieren, wie z. B. einem erhöhten Wettbewerb, Zertifizierungen zur Qualitätssicherung oder der Notwendigkeit eines
eigenständigen Managements, aber auch aus erhöhten pädagogischen Ansprüchen erwachsen und Fort- und Weiterbildungserfordernisse nach sich ziehen, wie z. B. zur Dokumentation der Entwicklung der betreuten Kinder, zur gezielten Sprachförderung oder
zur naturwissenschaftlich-technischen Elementarbildung.
Bei der Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen spielen pädagogische Fach- und Leitungskräfte eine entscheidende Rolle, z. B.
mit Blick auf ihren Vorbildcharakter. Gleichzeitig zählen sie zahlreichen Studien zufolge
selbst zu einer gesundheitlich stark belasteten Berufsgruppe.40 Nach Daten verschiedener Krankenkassen sind ihre Arbeitsunfähigkeitstage in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen.41 Waren Erzieherinnen und Erzieher 2008 noch 13,9 Tage krankgeschrieben42, so waren es 2012 bereits 17,2 Tage43. Allerdings zeigte sich im Jahr 2013
eine Trendumkehr mit sinkenden Berufsunfähigkeitstagen für Beschäftige in Sozial- und
Erziehungsberufen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen.44
Die Gründe für die hohen Ausfallzeiten sind vielschichtig: Zum einen gehört der Beruf
der Erzieherin bzw. des Erziehers zu einem Tätigkeitsfeld, das sich durch höhere psychonervale und vielgestaltige sozial-kommunikative Anforderungen kennzeichnen lässt45,
und zum anderen zu den Berufsgruppen, die ein erhöhtes Risiko aufweisen, an psychischen Belastungen zu leiden46. Bei jeder/m Zehnten der pädagogischen Fach- und
Leitungskräfte in Nordrhein-Westfalen wurde innerhalb eines Jahres ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, also ein Burnout, ärztlich diagnostiziert.47 Neben den
40
41
42
43
44
45
46
47
22
Berger u. a. 2001; Elsner, Petereit-Haack & Nienhaus 2009; Viernickel, Voss, Mauz & Schumann 2014
IKK-Bundesverband 2006; Techniker Krankenkasse 2010
Techniker Krankenkasse 2009
Techniker Krankenkasse 2013
vgl. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2014
vgl. Thinschmidt, Gruhne & Hoesl 2008
Techniker Krankenkasse 2013
Viernickel, Voss, Mauz & Schumann 2014
Belastungen und gesundheitliche Beanspruchungen von Kindern, pädagogischen Fachkräften und Eltern
psychischen sind auch physische Erkrankungen auffallend häufig vertreten. Dies sind
insbesondere Muskel-Skelett-Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und neurologische Erkrankungen sowie ein erhöhtes Infektionsrisiko. Die häufigsten Beschwerden
von Fach- und Leitungskräften sind Kreuz- und Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, Grübelei, innere Unruhe sowie leichte Ermüdbarkeit, Mattigkeit und ein
übermäßiges Schlafbedürfnis.48
Die oben zitierte Studie zum Zusammenhang von strukturellen Rahmenbedingungen
in Kindertageseinrichtungen und der Gesundheit von pädagogischen Fach- und Leitungskräften zeigt, dass es ein Wechselspiel zwischen strukturellen Rahmenbedingungen in Kitas und dem Gesundheitszustand der pädagogischen Fachkräfte gibt: Schlechte
strukturelle Rahmenbedingungen wie zu wenig Zeit, räumliche, finanzielle und personelle Ausstattungsmängel, geringe Arbeitsplatzsicherheit, keine festen Pausenzeiten,
fehlende Einrichtungsbesprechungen oder Supervisionsangebote erhöhen das Risiko
für verschiedene gesundheitliche Beeinträchtigungen. Dazu gehören z. B. eine schlechteres subjektives Gesundheitserleben, häufigere chronische Erkrankungen und psychische Störungen sowie Beeinträchtigungen im Alltag. Fachkräfte mit schlechten strukturellen Rahmenbedingungen zeigen unter Kontrolle von persönlichen Faktoren wie bspw.
Alter, privater Belastung bzw. Unterstützung, arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensmustern oder individuellem Gesundheitsverhalten ein 2,6-fach höheres Risiko,
Leitungskräfte ein 2,5-fach höheres Risiko für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit als
ihre Kolleginnen und Kollegen mit guten strukturellen Rahmenbedingungen.49
Neben den Belastungsfaktoren können für den Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers
aber auch zahlreiche Ressourcen identifiziert werden, wie z. B. ein hoher Handlungsspielraum, ein gutes Teamklima, viel Bewegung bei der Arbeit, hohe Unterstützung von
Weiterbildung durch die Einrichtung und ein hohes Ausmaß an beruflicher Gratifikation
wie Bezahlung, Arbeitsplatzsicherheit und Anerkennung. Weitere Schutzfaktoren liegen
in der direkten Arbeit mit Kindern, Kommunikation und Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzte bis hin zu organisationalen Ressourcen wie Partizipationsmöglichkeiten, zeitlichen und inhaltlichen Freiheitsgraden und einem hohen
Grad an Verantwortung.50 Als wichtige persönliche Ressourcen für lösungsorientiertes
Handeln gelten berufliche Kompetenz und Selbstwirksamkeitsüberzeugung51 sowie die
Identifikation mit dem Beruf.52
Eltern/Familie
Die Eltern bzw. die Familie spielen als primäre Sozialisationsinstanz eine entscheidende
Rolle, sowohl für Bildungsprozesse als auch für Prävention und Gesundheitsförderung
insbesondere in der frühen Kindheit, aber auch im gesamten Kindes- und Jugendalter.
Bildungsprozesse finden hier alltagsintegriert und mit einer spielerischen Orientierung
statt und beeinflussen die Bildungsmotivation und -chancen der Kinder langfristig.53
48
49
50
51
52
53
ebd.
Viernickel, Voss, Mauz & Schumann 2014
Gruhne & Hoesl 2008
Weinert 1998; Khan 2000
van Dick & Wagner 2001
Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012, S. 48
23
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
Eltern dienen ihren Kindern nicht nur als Orientierungshilfen und eröffnen ihnen Entfaltungsmöglichkeiten, sondern treffen zudem bedeutsame Bildungsentscheidungen, zum
Beispiel über den Zugang zu anderen frühkindlichen Bildungsangeboten, so dass von
einem Wechselverhältnis zwischen der Bildungswelt Familie und Kindertageseinrichtungen ausgegangen werden kann.
Gesundheit im Mutterleib, Stillen, Impfungen und Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung und Vorsorge sind ebenso gesundheitsrelevante Entwicklungsthemen der frühen
Kindheit wie eine sichere Bindung, die Entwicklung von Selbsttätigkeit und Autonomie
sowie die Fähigkeit einer flexiblen Bewältigung von Problemen und die Fähigkeit zur
adäquaten Verhaltensregulation und zur emotionalen Selbstregulation. Diese Kompetenzen entwickeln sich in einer wechselseitig positiven und unterstützenden Beziehung
mit engen Bezugspersonen, was in der Regel die Eltern (oder Pflegeeltern) sind. Die
in den Beziehungen mit den Eltern erworbenen Bindungsstile sind für die weitere Entwicklung der Kinder von grundlegender Bedeutung.
Wie bereits dargestellt, hat die Familie eine bedeutsamen Einfluss auf die Entwicklung
von Kindern54, und neben dem Bildungsstand hängt auch der Gesundheitszustand deutlich von der familiären Herkunft ab. Außerdem können Wechselwirkungen zwischen der
Gesundheit und den Bildungschancen der Kinder dahingehend aufgezeigt werden, dass
kranke Kinder schlechter lernen und gebildetere Kinder gesundheitsbewusster leben.55
Sowohl Bildung als auch Gesundheit stellen »einen Transmissionsmechanismus für
die »Vererbung« des sozioökonomischen Status an die nachfolgende Generation dar«
(ebd., S. 15).
2.3
Der Bildungsbereich Gesundheit
Auch der Aspekt der Gesundheit bzw. Gesundheitsvorsorge ist in dem gemeinsamen
Rahmen der Länder für frühe Bildung in Tageseinrichtungen verankert (vgl. Kap. 1.2).
Konkret heißt es dort zum Bildungsbereich Körper, Bewegung, Gesundheit:
»Das Kind lernt, Verantwortung für sein körperliches Wohlbefinden und seine Gesundheit zu übernehmen. Die Bewegung spielt dabei eine herausragende Rolle, darüber
hinaus ist sie aber auch besonders wichtig für die kognitive, emotionale und soziale
Entwicklung des Kindes. Gesundheitliche Bildung ist im Alltag von Kindertageseinrichtungen ein durchgängiges Prinzip, der Zusammenarbeit mit den Eltern und anderen
Kooperationspartnern kommt dabei große Bedeutung zu.«56
Schon mit diesen knappen Sätzen wird deutlich, dass Gesundheit nicht etwas ist,
was mit dem Kind »passiert«, sondern das Ergebnis eines aktiven Bildungsprozesses;
dass enge Verbindungen zu anderen Bildungsbereichen bestehen und dass neben
der Kindertageseinrichtung alle Lebens- und Bildungsorte des Kindes beteiligt sein
müssen.
54 Robert Koch Institut 2006
55 Seyda 2009
56 Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. Jugendministerkonferenz & Kultusministerkonferenz 2004, S. 5
24
Stellenwert der Gesundheit sowie der Prävention und Gesundheitsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder
Die Bildungspläne bzw. -programme für den Elementarbereich sollen den grundlegenden
Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen hervorheben und sind als Orientierungshilfe für Träger und Kindertageseinrichtungen zu verstehen, in der praktischen Umsetzung und Ausgestaltung lassen sie großen Spielraum zu. Die in den Bildungsplänen
enthaltenen Bildungsbereiche verstehen sich als »Aufforderung an alle Kindertageseinrichtungen und das pädagogische Personal, die Bildungsmöglichkeiten des Kindes in
diesen Bereichen zu beachten und zu fördern«.57 Durch die Installierung eines eigenständigen Bildungsbereiches Gesundheit (häufig im Zusammenhang mit Körper und/
oder Bewegung) in den Bildungsplänen aller 16 Bundesländer wird die Bedeutsamkeit
des Themas für die Betreuungs-, Erziehungs- und Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen zum Ausdruck gebracht – wobei es deutliche Unterschiede in Umfang und
Einordnung dieses Bildungsbereiches gibt. Die Mehrzahl der Papiere identifiziert den
Gesundheitsbegriff der WHO als Bezugspunkt, allen gemeinsam ist eine ressourcenorientierte Sichtweise, die weniger die Krankheitsrisiken der ersten Lebensjahre fokussiert, sondern die Bedingungen für gesundes und gesundheitsförderndes Aufwachsen
in den Mittelpunkt rückt. Häufig wird jedoch der Schwerpunkt auf die körperlichen und
weniger auf die psychischen und sozialen Gesundheitsressourcen gelegt. Außerdem
werden gesundheitsrelevante Themen zum Teil nicht unter dem Oberbegriff ›Gesundheit‹ erfasst, wie z. B. Resilienz oder Partizipation.
In den Grundsätzen zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen58 wird eine
übergreifende Perspektive eingenommen. Im Bildungsbereich Körper, Gesundheit und
Ernährung wird formuliert, dass Gesundheit »weit über das Training des Zähneputzens
und des Händewaschens hinaus« geht59, sondern »eine ganzheitliche und präventive
Gesundheitsbildung (umfasst), die die Stärkung der Selbstsicherheit, die Befähigung
zur Lebenskompetenz und die Verantwortungsübernahme für sich und seinen Körper
enthält«.60
Diese Überlegungen zu bildungsrelevanten Persönlichkeitsvariablen konvergieren mit
dem erweiterten Gesundheitsbegriff und einer salutogenetischen Perspektive61 (vgl.
Kap. 2.1.1) und sollen im Folgenden in ihrem Wechselverhältnis dargestellt werden.
2.4
Stellenwert der Gesundheit sowie der Prävention
und Gesundheitsförderung in Tageseinrichtungen
für Kinder
Als Orte der Prävention und Gesundheitsförderung sind Kindertageseinrichtungen von
besonderer Bedeutung, da dort eine große Anzahl von Kindern in frühem Alter erreicht
werden kann, eine zeitliche Kontinuität gegeben ist und der Erhalt bzw. Ausbau vorhandener Schutzfaktoren fokussiert werden kann.
57 Jugendministerkonferenz & Kultusministerkonferenz 2004
58 Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen & Ministerium für Schule und
Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen 2011
59 ebd., S. 39
60 ebd., S. 39
61 Antonovsky 1997
25
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
Schutzfaktoren sind langfristig wirksame Gesundheitsressourcen. Eine kontinuierliche
Förderung protektiver Ressourcen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in ihren
Nahräumen und Lebenskontexten (Familie, Gemeinde, Institutionen) sowie ein aktives
Eintreten gegen gefährdende soziale und gesundheitliche Ungleichheiten (im Rahmen
der Lebensverhältnisse und Gesamtpolitik) zählen zum Kern von Prävention und Gesundheitsförderung.62 Der besondere Stellenwert von Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen wird im 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung63, der den thematischen Schwerpunkt »Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland« hat, deutlich: Prävention und Gesundheitsförderung lassen
sich danach in Kindertageseinrichtungen über zwei Zugangsweisen umsetzen:
• »Gesundheitsförderung in Tageseinrichtungen« profitiere von der Tatsache, dass
hier fast alle Kinder und ihre Familien sehr frühzeitig erreicht werden können. Die
Einrichtung werde »als niedrigschwelliger Zugangsweg und -ort für spezielle Zielgruppen genutzt, um gesundheitsförderliche Interventionen durchzuführen«64.
• »Gesundheitsförderung durch Tageseinrichtungen (und durch ihre Weiterentwicklung)«
versuche umfassender, »z. B. durch Stadtteilentwicklung und Vernetzung langfristig
gesundheitsrelevante und gesundheitsabträgliche Lebensbedingungen zu modifizieren… Erst durch eine solche Gesundheitsförderung können die Folgen möglicher sozialer Randständigkeit zumindest teilweise nachhaltig aufgefangen werden.«65 Dieser
Ansatz sei »auch insofern zielführender, weil ›Defizite‹ in gesundheitsrelevanten Kompetenzen nicht individuumszentriert, sondern eingebettet in sozial ungleiche Alltagsstrukturen und Lebensstile betrachtet werden«.66
Neben der Verankerung von Gesundheit, Prävention und Gesundheitsförderung in den
Bildungsplänen der Länder wird diese Schwerpunktsetzung durch weitere aktuelle Entwicklungen unterstützt:
• Unter dem Stichwort »Frühe Hilfen« wird die Ergreifung von gesundheitsfördernden
und präventiven Maßnahmen bereits in der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes durch frühpädagogische Fachkräfte und entsprechende Expertinnen und Experten gefördert.
• Der laufende bundesweite Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei
Jahren weitet den Aktionsradius der »Frühen Hilfen« erheblich aus, da Familien durch
niedrigschwellige Angebote gerade in Kindertageseinrichtungen frühzeitig erreicht
werden und die Eltern sehr junger Kinder entsprechend informiert, ggf. beraten und
aktiv in gesundheitsfördernde Bildungsprozesse einbezogen werden können.
• Die flächendeckende Weiterentwicklung von Tageseinrichtungen für Kinder zu Familienzentren eröffnet die Möglichkeit, neben Erziehungs- und Bildungsfragen gezielt gesundheitsrelevante Themen und Informationen an die Eltern zu transportieren und
eine optimale Vernetzung mit Kooperationspartnern aus dem Sozialraum zu gestalten.
• Alle Beteiligten im Setting Kita haben etwas davon, wenn Gesundheit aus ganzheitlicher Perspektive aufgegriffen und allen Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden ermöglicht wird. Insbesondere aber diejenigen Eltern und Kinder, die in
62
63
64
65
66
26
Lyssenko, Rottmann & Bengel 2010
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009
ebd., S. 195
ebd., S. 195
ebd., S. 195
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
sozial benachteiligten Lebensverhältnissen leben und vermehrt Gesundheitsrisiken
ausgesetzt sind, profitieren von der Kita als einem Ort, in dem die Förderung von
Prävention und gesundheitlicher Chancengleichheit aber auch die Minimierung gesundheitlicher Risiken als übergeordnete Ziele verankert sind.
2.5
Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Die Bestimmungen zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten
in Kindertageseinrichtungen setzen sich aus verbindlichen Gesetzen und Verordnungen,
dem Arbeitsschutzrecht, ebenfalls verbindlichen Unfallverhütungsvorschriften, nicht
verbindlichen Regeln und Normen sowie Tarifverträgen zusammen. Das deutsche Arbeitsschutzrecht gilt branchenunabhängig für alle Beschäftigte und über die Unfallverhütungsvorschrift Grundsätze der Prävention im Grundsatz auch für die Kinder und
Ehrenamtlichen in Kindertageseinrichtungen. Träger und Leitungskräfte tragen Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen und die entsprechende Information und
Aufklärung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Arbeitsschutzgedanke umfasst
nicht nur die Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, sondern ebenso die »menschengerechte Gestaltung der Arbeit«.67 Hieraus
leiten sich nicht nur auf physikalisch-technische Gegebenheiten zielende Präventionsaufgaben, sondern auch ein Auftrag zur medizinischen und psychologischen Gesundheitsvorsorge und -förderung ab.
Mit dem Abschluss des Tarifvertrags zur betrieblichen Gesundheitsförderung im Sozialund Erziehungsdienst vom 27. Juli 2009 sind wichtige Vereinbarungen getroffen worden,
die die geltenden Arbeitsschutzbestimmungen aufgreifen, ergänzen und die Perspektive
der Prävention und Gesundheitsförderung im Alltag der Kindertageseinrichtungen betonen:
• Gefährdungsbeurteilungen gelten als wichtigstes Instrument im Arbeits- und Gesundheitsschutz. Im Tarifvertrag wurde dies aufgegriffen und ein individueller Anspruch
auf die Durchführung einer jährlichen Gefährdungsbeurteilung formuliert, die sowohl
physische als auch psychische Gefährdungen berücksichtigt.
• Zur Umsetzung der Maßnahmen ist eine betriebliche Kommission zu bilden, die paritätisch auf Vorschlag des Arbeitgebers und des Betriebs- bzw. Personalrats zusammengesetzt wird.
• Die Kommission kann die Einrichtung von betrieblichen Gesundheitszirkeln mit weit
reichenden Vorschlagsrechten für gesundheitsfördernde Maßnahmen beschließen.
Bisher hat sich die Praxis der regelmäßigen Gefährdungsbeurteilung in Kindertageseinrichtungen jedoch noch nicht in einer Form etabliert, dass sie für Ziele der Prävention
und Gesundheitsförderung in breitem Umfang nutzbar gemacht werden könnte. Träger
und Leitungskräfte sind häufig nicht ausreichend informiert und geschult, um Gefährdungsbeurteilungen kompetent durchführen zu können. Außerdem stammt die Mehrzahl der verfügbaren Instrumente zur Gefährdungsbeurteilung aus den technischen und
produzierenden Bereichen; selbst wenn diese an die besonderen Bedingungen und
Gefährdungsbereiche in Kindertageseinrichtungen angepasst sind, werden sie der be-
67 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) § 3
27
Gesundheit in Tageseinrichtungen für Kinder
sonderen Bedeutung psychischer Faktoren in pädagogischen Berufen häufig nicht in
dem erforderlichen Maße gerecht.
Die vorliegenden Erfahrungen mit dem Einsatz von Gesundheitszirkeln sind überwiegend positiv.68 Sie werden jedoch noch nicht besonders häufig eingesetzt: in der für
Nordrhein-Westfalen repräsentativen Studie von Viernickel, Voss, Mauz & Schumann
(2014) gaben über 70 Prozent der befragten Leitungskräfte an, dass bei ihnen keine
Gesundheitszirkel durchgeführt werden.69
2.6
Wechselbeziehung zwischen Gesundheit und Bildungsqualität
in Kindertageseinrichtungen: Die gute gesunde Kita
Die gesundheitliche Lage von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen steht in Deutschland (wie in vielen anderen Ländern auch) in engem Zusammenhang mit der sozialen
Lage70, wobei diese meistens über Bildung, Berufseinkommen und Berufsstatus erfasst
wird. Der hohe Stellenwert von Bildung für die Gesundheit ist inzwischen hinlänglich
nachgewiesen und es ist unumstritten, dass der Bildungsstand einen großen Einfluss
auf das Gesundheitswissen und -verhalten sowie auf gesundheitsbezogene Kompetenzen und Einstellungen von Kindern hat.71 Soziale Benachteiligung im Kindesalter gilt
als Risikofaktor für die psychosoziale und körperliche Entwicklung von Mädchen und
Jungen. Gesunde Kinder haben wesentlich bessere Lernvoraussetzungen, sind konzentrierter und motivierter. Dadurch erzielen sie im Bildungssystem höhere Lernerfolge
und können die Anforderungen des Systems besser bewältigen. Auf diese Weise steigt
die Bildung und führt durch umfassendes Wissen und größere Kompetenzen zu umso
größeren Lernerfolgen. Die bessere Bildungssituation hat wiederum gesteigertes Wohlbefinden, geringeres Risikoverhalten und damit auch eine bessere Gesundheit zur
Folge.72
Bildung stellt demnach eine Ressource für die Gesundheit dar, die sich »in Wissen und
Handlungskompetenzen (ausdrückt), die eine gesundheitsförderliche Lebensweise und
den Umgang mit Belastungen und Gesundheitsproblemen unterstützen«.73 Dazu bedarf
es auch der Erfahrung, dass Bildung eine sinnstiftende Ressource für die Bewältigung
der Anforderungen des Lebens sein kann.74
Gesundheit ist aber nicht nur das Ergebnis eines gelungenen Bildungsprozesses, Gesundheit und Wohlbefinden sind genauso als Voraussetzungen für Bildungs- und Lernprozesse und für geistige wie körperliche Leistungsfähigkeit zu verstehen. Die Bindungsforschung zeigt, dass Kinder, deren Bindungssystem z. B. durch Angst, aber auch durch
körperliches Unbehagen, Schmerzen oder Hunger aktiviert wird, nicht mehr aufnahmefähig und -willig für die Informationen aus der Umwelt sind. Sie geben ihr Explorationsverhalten auf und beenden ihr Spielen, um Hilfe oder Trost durch ihre Bindungsperson
68
69
70
71
72
73
74
28
Khan 2012b
Viernickel, Voss, Mauz & Schumann 2014
vgl. Robert Koch Institut 2012, 2014
vgl. Lampert, Kroll, von der Lippe, Müters & Stolzenberg 2013
vgl. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2012
Lampert u. a. 2013
Blättner & Heckenhahn 2009
Wechselbeziehung zwischen Gesundheit und Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen: Die gute gesunde Kita
zu erhalten. Erst wenn ihr psychisches oder körperliches Wohlbefinden wieder hergestellt ist, wird die biologisch angelegte Neugiermotivation wieder handlungsleitend,
und das Interesse an den Phänomenen der Umwelt erwacht aufs Neue. Befunde aus
der Neurobiologie unterstreichen den Zusammenhang von Gesundheit, Wohlbefinden
und Lernen: Das, was unter Aktivierung positiver Emotionen gelernt wird, wird zum Hippocampus weitergeleitet und von dort in das Langzeitgedächtnis überführt, wo es für
kreative und assoziative Problemlösevorgänge verfügbar bleibt. Unter Angst oder Stress
erworbene Wissensinhalte werden in einer anderen Gehirnregion, dem Mandelkern,
verortet, dessen Funktion es wiederum hingegen ist, bei Abruf von assoziativ in ihm
gespeichertem Material den Körper und den Geist auf Kampf und Flucht vorzubereiten.75
Die zentrale Rolle der Gesundheit für Bildung, Lernen und Arbeitsfähigkeit wird u. a.
auch im »Haus der Arbeitsfähigkeit«76 hervorgehoben. Die physische und psychische
Gesundheit bilden in diesem arbeitswissenschaftlichen Modell die Basis für gute Arbeitsfähigkeit.
Prävention und Gesundheitsförderung decken sich auch in vielfältiger Hinsicht mit den
Aufgaben und Zielen von Bildung und Erziehung im Kindesalter. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz wird als ausdrückliches Ziel die Entwicklung des Kindes zu einer gemeinschaftsfähigen und eigenverantwortlichen Persönlichkeit genannt und in den bildungsund gesundheitswissenschaftlichen Ausführungen des vorliegenden Konzeptes werden
als zentrale Ziele sowohl in der Diskussion um Bildung als auch für die Gesundheitsförderung Mündigkeit bzw. Selbstbestimmung und die Entwicklung eines positiven
Selbstkonzeptes formuliert. Die Ergebnisse der Bildungsforschung korrespondieren mit
denen der Gesundheitsforschung und lassen sich mit dem Herzstück der Salutogenese,
dem »Kohärenzgefühl«, trefflich umschreiben. Damit hat Antonovsky die Grundlage für
Gesundheit und Wohlbefinden und zugleich ein zentrales Bildungsziel beschrieben: Das
Kohärenzgefühl drückt aus, »... in welchem Ausmaß man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass...
1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und äußeren Umgebung
ergeben, strukturiert, voraussehbar und erklärbar sind;
2. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement
lohnen.«77
Die Entwicklung und Förderung eines positiven Selbstkonzeptes ist nicht nur ein zentrales Ziel einer frühkindlichen Gesundheitserziehung, sondern ebenso ein zentrales
Bildungsziel. Die heutigen Antworten auf die Frage, was einen Menschen gesund erhält, führen zu zentralen Persönlichkeitsmerkmalen und damit zu zentralen Bildungszielen. Deshalb ist eine Schlüsselfrage bei der Qualitätsbestimmung und -weiterentwicklung einer Tageseinrichtung für Kinder, inwieweit sie einen gesunden und damit
zugleich förderlichen Lebens- und Lernort für alle Beteiligten darstellt.
75 Spitzer 2002
76 Ilmarinen & Tempel 2010
77 Antonovsky 1997, S.36
29
3
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung«
– Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
Die gute gesunde Kita unterstützt Kinder durch die Schaffung einer gesunden Lebenswelt und die alltägliche qualitätsvolle Gestaltung der Betreuung, Bildung und Erziehung,
dieses Kohärenzgefühl zu entwickeln. Die verbindenden Elemente zwischen Prävention,
Gesundheitsförderung und einem vom Kind und seinen aktiven Beiträgen zur Wissensund Weltaneignung ausgehenden Bildungsverständnis liegen in den übergeordneten
Zielen der Selbstbestimmung, Mündigkeit und Eigenverantwortlichkeit aber auch in
der Stärkung der personalen, sozialen und körperlichen Ressourcen aller Beteiligten.
Untergeordnete Ziele liegen für die Kinder im Befähigen und Ermöglichen von Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und des Sich-Erprobens, Lernens und der Entwicklung
eines positiven Selbstkonzeptes aber auch in der Förderung der drei Komponenten
des Kohärenzgefühls (Verstehbarkeit, Handhabbarkeit, Bedeutsamkeit) im pädagogischen Alltag.
Die gute gesunde Kita unterstützt neben den Kindern auch die pädagogischen Fachund Leitungskräfte bei der Unfallverhütung, der Vermeidung von Berufskrankheiten
sowie im Abbau gesundheitlicher Risiken und im Aus- und Aufbau gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen und Gesundheitsressourcen. Zudem geht es um Fort- und
Weiterbildungen im Bereich der Gesundheitskompetenz aber auch der Qualitätsentwicklung als immanentem Bestandteil der Organisationsentwicklung.
30
Qualitätsverständnis der guten gesunden Kita
Als ein wesentliches Merkmal moderner Frühpädagogik müssen auch die Eltern gestärkt und entlastet werden, indem sie über niedrigschwellige Angebote erreicht und
für Bildungs- und Gesundheitsthemen sensibilisiert sowie für die Inanspruchnahme
entsprechender Angebote motiviert werden.
Eine gute gesunde Kindertageseinrichtung begreift die Kita als Lebenswelt von Kindern,
pädagogischen Fachkräften und Eltern und verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Systemveränderung. Sie verbindet die Umsetzung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrags von Kindertageseinrichtungen mit der Förderung der Gesundheit aller
Beteiligten. Bildungsqualität und Gesundheitsförderung werden als sich wechselseitig
bedingende Faktoren betrachtet: Gesundheit ist wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens und zugleich die Grundlage und das Ergebnis eines gelingenden Bildungsprozesses, Bildung ist sowohl eine Voraussetzung für Gesundheit als auch ein Ergebnis eines gesundheitsfördernden Lebens- und Lernortes.
In der Praxis der guten gesunden Kita geht es nicht um die Durchführung von Einzelmaßnahmen für unterschiedliche Beteiligungsgruppen, sondern um die Implementierung
dieser sich gegenseitig bedingenden Faktoren als langfristiges Ziel in die Alltagsroutinen, Strukturen und Entwicklungsprozesse der Organisation. Jede Kita entwickelt dabei
entsprechend der spezifischen Voraussetzungen eigene Ziele und Wege zur Umsetzung.
Daneben geht es um die Entwicklung persönlicher Gesundheits- und Lebenskompetenzen der Beteiligten.
Ausgangspunkt ist eine salutogenetische Sichtweise und ein Verständnis von Bildung,
das auf Bindung basiert. Neben der Förderung des Kohärenzgefühls der Kinder geht
es gleichermaßen um den Auf- und Ausbau der gesundheitlichen Ressourcen und der
Gesundheitskompetenz von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie um eine niedrigschwellige Sensibilisierung der Eltern für Bildungs- und Gesundheitsthemen aber auch
um die Motivation der Eltern für die Inanspruchnahme entsprechender Angebote. Die
pädagogischen Fachkräfte entwickeln ein gemeinsam getragenes Werteprofil, das, in das
Einrichtungsleitbild integriert, die Qualität von Bildungsarbeit, Prävention und Gesundheitsförderung trägt. Die Kita-Leitungen übernehmen als Akteure an der Schnittstelle
von Trägervorgaben und Arbeitsalltag in den Einrichtungen Verantwortung für das
Management und die organisatorischen Abläufe, ebenso aber auch für die Profilbildung
und konzeptionelle Weiterentwicklung ihrer Einrichtung. Die Träger sehen sich in der
Verantwortung, die Organisationsentwicklung der Kita mit zu tragen und auf ideeller,
personeller und finanzieller Ebene zu unterstützen. Die Eltern sind an dem Prozess
der Organisationsentwicklung aktiv und gestaltend beteiligt.
3.1
Qualitätsverständnis der guten gesunden Kita
Gute gesunde Kindertageseinrichtungen sind solche, die eine hohe pädagogische
Qualität aufweisen und zugleich ein gesundheitsförderndes Setting darstellen. Dabei
reicht es nicht aus, in den beiden Bereichen Merkmale guter oder bester Qualität und
der Gestaltung fachlicher Praxis parallel zu identifizieren und an ihrer Umsetzung zu
arbeiten. Es geht vielmehr darum, die Stärken beider Herangehensweisen wechselseitig fruchtbar zu machen und beide Perspektiven zu integrieren.
31
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
3.1.1
Pädagogische Qualität
Pädagogische Qualität meint, dass Kindertageseinrichtungen Aktivitäten, Maßnahmen
und Regelungen vorhalten, die es ihnen ermöglichen, das körperliche, emotionale,
soziale und intellektuelle Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder in diesen
Bereichen zu fördern und die Familien in ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgabe zu
unterstützen.78 Diese Sichtweise stellt einerseits eine gewisse Verengung des Blickwinkels dar, indem andere, durchaus auch berechtigte Sichtweisen, wie sie auf multifunktionale Gebilde von verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen immer wieder
entwickelt werden, ausgeblendet werden, wie z. B. eine arbeitsmarktorientierte Perspektive, die Kindertageseinrichtungen vor allem als möglichst flexible Betreuungsarrangements zur Ermöglichung mütterlicher Erwerbstätigkeit begreift. Andererseits ist
hiermit eine klare Positionierung verbunden, die davon ausgeht, dass dem Wohlbefinden und den Entwicklungschancen von Kindern eine Priorität in dem vielfältigen gesellschaftlichen Kräftespiel zukommt. Die Bestimmung pädagogischer Qualität muss deshalb in erster Linie die Arbeit mit der Kindergruppe und dem einzelnen Kind fokussieren und damit die konkreten Handlungs- und Interaktionsvollzüge im pädagogischen
Alltag, aber auch die räumlich-materielle Gestaltung der pädagogischen Umwelt in einer
Form, die frühe Bildungsprozesse anregt und befördert.
Daraus abgeleitet lassen sich einige übergeordnete Wertvorstellungen und Zielsetzungen ausmachen. In jeder Bestimmung von pädagogischer Qualität sollten Kriterien zu
folgenden Aspekten enthalten sein79:
• die Sicherheit der Kinder – gewährleistet durch eine Aufsicht durch Erwachsene und
eine sichere Ausstattung
• die Gesundheit der Kinder – gewährleistet u. a. durch regelmäßige Erfahrungen von
Verstehbarkeit, Bewältigbarkeit und Sinnhaftigkeit im Sinne eines salutogenetischen
Gesundheitsverständnisses, vielfältige Bewegungsangebote, grundlegende Hygienestandards, gesunde und wertvolle Ernährung sowie die Vermittlung eines positiven
Konzeptes von Gesundheit
• normative Prinzipien der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung der Kinder – verstanden als die Vorgabe, dass alle Kinder unabhängig von deren Geschlecht, Kultur,
sozialer oder ethnischer Herkunft oder spezifischen Fähigkeiten gleichwertig geschätzt, gleichberechtigt behandelt und individuell gefördert werden
• Angemessenheit der Aktivitäten und Angebote – ein vorhersehbarer, von einer Balance zwischen Routine, Ritualen und Flexibilität gekennzeichneter Tagesablauf sowie
entwicklungsangemessene, an den kindlichen Interessen orientierte Angebote und
die Möglichkeit eigenaktiver und selbstbestimmter Erkundung herausfordernder, aber
nicht überfordernder Phänomene und Situationen
• positive Interaktionen mit Erwachsenen – also die Erfahrung interessierter, feinfühliger, empathischer und emotional positiv gestimmter Erzieherinnen und Erzieher für
die Kinder und ein Betreuungsumfeld, in dem Kinder lernen können, Erwachsenen
zu trauen, von ihnen zu lernen und mit ihnen Spaß zu haben
• emotionales Wachstum – gefördert durch ein Betreuungsumfeld, das es den Kindern
erlaubt, unabhängig, sicher und kompetent zu handeln
78 Tietze 1998, S. 20f.
79 Viernickel 2006, S. 11f.
32
Qualitätsverständnis der guten gesunden Kita
• positive Beziehungen zu anderen Kindern – gefördert durch ein Betreuungsumfeld,
das den Kontakt mit Gleichaltrigen ermöglicht und aktiv unterstützt.
Um eine solche Qualität zu erreichen und nachhaltig sicherzustellen, muss zum einen
genauer gefasst werden, was unter den einzelnen Aspekten im konkreten pädagogischen Alltag zu verstehen ist. Orientierungshilfen hierfür bieten z. B. Qualitätskriterienkataloge.80 Zum anderen sollten bei der Konzeptualisierung von pädagogischer Qualität strukturelle, prozessuale und kontextuelle Aspekte Berücksichtigung finden.
3.1.2
Ein dimensionales Qualitätsmodell
In der Fachdiskussion um die Qualität von Kindertageseinrichtungen hat sich ein Qualitätsbegriff etabliert, der von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Qualitätsdimensionen ausgeht.81 Zur Strukturierung von Qualitätskriterien werden regelmäßig
die Dimensionen der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität herangezogen; in stärker
ausdifferenzierten Modellen82 werden auch die Dimensionen der Orientierungsqualität,
Management- und Organisationsqualität, Entwicklungsqualität und Kontextqualität berücksichtigt. Die genannten Qualitätsdimensionen hängen miteinander zusammen und
beeinflussen sich wechselseitig. Gut belegt sind Einflüsse der Strukturqualität auf die
Qualität pädagogischer Prozesse sowie der Einfluss von Struktur- und Prozessqualität
auf kindliche Entwicklung als zentralem Aspekt der Ergebnisqualität.
Strukturqualität
Der Begriff der Strukturqualität bezieht sich auf die rechtlichen, organisatorischen und
sozialen Rahmenbedingungen der pädagogischen Arbeit mit den Kindern und umfasst
die finanzielle, personelle und materielle Ausstattung einer Kindertageseinrichtung83,
die diese zu einem Lebens- und Erfahrungsraum werden lässt. Zu den Merkmalen der
Strukturqualität gehören beispielsweise die Größe und Struktur der Einrichtung, die
Lage der Kita, das sozialräumliche Umfeld, die räumlichen Bedingungen, aber auch
die Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte und deren Arbeitsbedingungen wie der
Personalschlüssel, die Gruppengrößen, die Entlohnung, die Anzahl von Urlaubstagen
und die eingeräumten Zeiten für mittelbare pädagogische Arbeit. Auch der Gesundheitsstatus von Kindern, Familien und dem Personal gehört zu den Merkmalen der
Strukturqualität.
Ein großer Teil der Qualitätskriterien im Bereich der Strukturqualität bezieht sich auf
feststehende Gegebenheiten oder Entscheidungen, die außerhalb einer Kindertageseinrichtung getroffen werden, sei es auf politischer Ebene oder vom Träger der Kindertageseinrichtung (z. B. der Personalschlüssel). Dennoch kann jede Kindertageseinrichtung die Strukturen ihrer Einrichtung in dem vorgegebenen Rahmen gestalten und
somit Einfluss auf Kriterien der Strukturqualität nehmen. Die Strukturqualität steht in
80
81
82
83
u. a. Tietze & Viernickel 2007; Heller & Preissing 2009
Herrnberger & Schubert 2010, S. 53f.
Viernickel 2006
Viernickel & Schwarz 2009, S. 12
33
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
einem Zusammenhang mit der Orientierungsqualität (z. B. in Bezug auf die Raumgestaltung, und die Struktur des pädagogischen Alltags) sowie der Organisations- und
Managementqualität (z. B. in Bezug auf die Gruppenstruktur oder die Dienstplangestaltung). Sie beeinflusst ihrerseits in hohem Maße die pädagogische Prozess- und
Ergebnisqualität.84
Orientierungsqualität
Als Orientierungsqualität werden die der pädagogischen Arbeit zugrunde liegenden
Werte, Überzeugungen und Haltungen bezeichnet. Dabei handelt es sich nicht nur um
die individuellen Einstellungen der einzelnen pädagogischen Fachkräfte. Bedeutend für
die Gestaltung der pädagogischen Arbeit in der Kindertageseinrichtung sind vor allem
die kollektiven Orientierungen, die die Strukturen der Einrichtung, die tägliche pädagogische Arbeit mit den Kindern und ihren Familien sowie die Zusammenarbeit im Team
bestimmen.85 Zu den Merkmalen der Orientierungsqualität gehören etwa das Bild des
Kindes jeder einzelnen Fachkraft, ihre Haltung gegenüber Diversität von Familienkulturen und der Vielfalt kindlicher Kompetenzen und Ausdrucksformen oder ihr grundsätzliches Verständnis von Gesundheit. Kollektive Orientierungen innerhalb einer Kindertageseinrichtung beziehen sich z. B. auf den Umgang mit den gestellten Anforderungen
(Ablehnung, Umsetzungsdruck oder die Integration in das eigene pädagogische Verständnis), das Verständnis von Inklusion bzw. einer inklusiven Praxis oder die Zusammenarbeit im Team.86 Auch handlungsleitende Dokumente wie Konzeptionsschriften
oder das Trägerleitbild gelten als Merkmale der Orientierungsqualität und Grundlagen
der pädagogischen Arbeit.
Die pädagogischen Orientierungen von Personen lassen sich nicht ohne weiteres verändern. Persönliche Haltungen und Werte sind mit biographischen Erlebnissen und Erfahrungen verknüpft. Im günstigen Fall können sie durch Aus- und Weiterbildungen, die
professionell begleitete Reflexion der eigenen Arbeit oder ein professionelles (Werte-)
Vorbild verändert werden. Auch kollektive Orientierungen innerhalb eines Teams entwickeln sich über einen längeren Zeitraum. Die kontinuierliche professionelle Weiterentwicklung kann etwa durch konstruktive Diskussionen, Teamfortbildungen, Supervision oder gezielte Teamentwicklung gefördert werden.
Die Orientierungsqualität einer Einrichtung steht im Zusammenhang mit anderen Qualitätsdimensionen. Sie wird von Aspekten der Strukturqualität beeinflusst (z. B. durch
das Ausbildungsniveau der Fachkräfte oder die zur Verfügung stehende Zeit für Teamentwicklungsprozesse) und beeinflusst diese ihrerseits. Die Orientierungsqualität hat –
moderiert durch Merkmale der Organisations- und Managementqualität – Auswirkungen auf die Gestaltung pädagogischer Prozesse und darüber auch auf die Ergebnisqualität.
84 Roßbach 2005
85 Nentwig-Gesemann u. a. 2011
86 ebd.
34
Qualitätsverständnis der guten gesunden Kita
Prozessqualität
Die Merkmale der Prozessqualität beschreiben die »realisierte Pädagogik, wie sie ihren
Adressaten, Kindern und Eltern, begegnet«.87 Im Zusammenhang mit der guten gesunden Kita beschreibt die Prozessqualität alle bildungs- und gesundheitsbewussten
sowie -fördernden Handlungen und Prozesse im Kindergartenalltag. Dazu gehören die
Interaktionen zwischen pädagogischen Fachkräften und den Kindern ebenso wie die
Auswahl und Gestaltung von Aktivitäten, pädagogischen Angeboten und Projekten, die
Zusammenarbeit mit den Eltern, die Raumgestaltung oder die Kommunikation und
Zusammenarbeit im Team.
Prozessqualität beschreibt, wie unter den gegebenen Rahmenbedingungen und angesichts der vorhandenen Orientierungen in konkreten Situationen die Gestaltung der
Bildungs- und Lernprozesse tatsächlich vonstattengeht. Da pädagogische Prozesse in
der Regel hochkomplex sind und ein stark situatives Agieren und Reagieren erfordern,
ist Prozessqualität demnach auch abhängig von dem individuellen gesundheitlichen
Status und Wohlbefinden, der Motivation und dem situativen Kontext. Hohe Prozessqualität geht mit einem hohen Anspruch an Professionalität im pädagogischen Handeln
einher. Sie lässt sich insbesondere durch die rückblickende Reflexion der eigenen Handlungen verdeutlichen und verändern.
Die Prozessqualität wird von den Merkmalen der Strukturqualität und der Orientierungsqualität beeinflusst, welche wiederum durch Aspekte der Organisations- und Managementqualität moderiert werden.
Organisations- und Managementqualität
Zur Organisations- und Managementqualität in Kindertageseinrichtungen gehören neben
der fachlichen Leitung die Bewirtschaftung, Betriebs- und Personalführung, die Qualitätssicherung und -entwicklung und die Weiterentwicklung der Organisation entlang
strategischer Ziele, sowie die Gestaltung der Zusammenarbeit im Team und mit den
Eltern, die Öffentlichkeitsarbeit sowie Kontakte und Kooperationen mit dem Träger, mit
Behörden und weiteren Akteuren im Sozialraum.88 Darüber hinaus bemisst sich die
Organisations- und Managementqualität auch anhand verschiedener Aspekte des Organisations«klimas« einer Einrichtung, was u. a. die wahrgenommene Klarheit und
Transparenz ihrer Ziele und die Verteilung von Verantwortung angeht, den Grad an
Innovationsbereitschaft, die Möglichkeiten für professionelle Weiterentwicklung sowie
die vom Team wahrgenommenen Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten. Ein gutes
Management und ein Organisationsklima, das auf den Prämissen der Kooperation und
Partizipation beruht, gelten als Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit der einzelnen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und des gesamten Teams und tragen dazu bei, dass
pädagogische Fachkräfte ihrerseits eine bildungs- und gesundheitsförderliche Atmosphäre und Umgebung schaffen können.
87 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2006, S. 200
88 Viernickel 2006.
35
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
Entwicklungsqualität
Mit dem Begriff Entwicklungsqualität gerät all das in den Blick, was eine kontinuierliche
Weiterentwicklung wie auch eine Konsolidierung der pädagogischen Arbeit sowie der
Kindertageseinrichtung als gesundheitsförderliches Setting ermöglicht. Dazu gehören der
kritische Blick auf Veränderungen im Umfeld, die Anpassungen auf Seiten der Einrichtung erfordern, die selbstkritische Analyse und Reflexion von Zielen, Arbeitsabläufen,
fachlichen Kompetenzen, Belastungen und Ressourcen innerhalb der Einrichtung bzw. des
Teams und der bewusste und nachhaltige Einsatz vorhandener Ressourcen und Kompetenzen. Entwicklungsqualität zeigt sich auch in der Personalentwicklung, also darin,
inwieweit die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit haben, sich weiterzuqualifizieren und diese in Anspruch nehmen. Ziel ist, das Geschehen in der Einrichtung
und die Veränderungen selbst zu gestalten bzw. mitzubestimmen, also die eigene
Arbeit von einer Meta-Ebene aus selbstkritisch zu reflektieren. Dabei kommen Instrumente und Methoden des Qualitätsmanagements und der betrieblichen Gesundheitsförderung zum Einsatz.
Ergebnisqualität
Die Ergebnisqualität umfasst die Wirkungen und Ergebnisse, die eine Kindertageseinrichtung unter Einsatz der verfügbaren Strukturen und realisierten Prozesse erzielt. Die
Ziele der Betreuung, Bildung und Erziehung in Kindertageseinrichtungen liegen darin,
die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen
Persönlichkeit zu fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie zu unterstützen
und zu ergänzen sowie den Eltern dabei zu helfen, Kindererziehung und Erwerbstätigkeit besser miteinander verbinden zu können. Die Definition von Ergebnisqualität muss
sich dementsprechend an diesen Vorgaben orientieren und den kindlichen Kompetenzerwerb und seine Bildungs- bzw. Entwicklungsergebnisse sowie die Zufriedenheit von
Eltern mit dem Betreuungsangebot berücksichtigen. Im Kontext des Konzepts der
guten, gesunden Kita sind jedoch darüber hinaus auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder sowie die Gesundheitskompetenz der pädagogischen Fachkräfte
zentrale Aspekte der Ergebnisqualität. Die benannten Dimensionen (Struktur-, Orientierungs-, Organisations- und Management-, Prozess-, Entwicklungs- und Ergebnisqualität)
und acht sich daraus ableitende Qualitätsbereiche (die Einrichtung als Lebens- und
Erfahrungsraum; Grundlagen der pädagogischen Arbeit; Gestaltung der Bildungs- und
Lernprozesse; Kooperation, Partizipation; Team und Leitung; Professionalität und Personalentwicklung; Qualitätsmanagement; Wirkungen und Ergebnisse) bilden die vertikale Strukturierung des in Kap. 4 beschriebenen Referenzrahmens der guten gesunden
Kita. Unter jedem Qualitätsbereich werden wiederum je fünf Qualitätsfelder benannt
und durch (exemplarische) Qualitätskriterien operationalisiert.
Nachfolgend sollen jedoch zunächst zehn Grundsätze aufgeführt werden, die bei der
Entwicklung zur guten gesunden Kita Berücksichtigung finden sollten. Sie greifen die
theoretischen Ausführungen in den vorangegangenen Kapitel auf und sind als orientierende Aspekte zu verstehen, die sich quer zu allen Dimensionen, Qualitätsbereichen
und -feldern verorten lassen und quasi die Hintergrundfolie bilden, auf der sich die
Bearbeitung der ausgewählten Qualitätsfelder vollzieht.
36
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
3.2.
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
3.2.1
Die Kita als Setting
Die systematische Verbindung von Prävention, Gesundheitsförderung und Bildungsqualität lässt sich mit dem Settingansatz Erfolg versprechend umsetzen:89
»Ein Setting ist ein Sozialzusammenhang, der relativ dauerhaft und seinen Mitgliedern
auch subjektiv bewusst ist. Dieser Zusammenhang drückt sich aus durch formale Organisation (z. B. Betrieb, Schule), regionale Situation (z. B. Kommune, Stadtteil, Quartier),
gleiche Lebenslage (z. B. Rentner/Rentnerinnen), gemeinsame Werte bzw. Präferenzen
(z. B. Religion, sexuelle Orientierung) bzw. durch eine Kombination dieser Merkmale.
… Gesundheitlich interessant sind Settings, von denen wichtige Impulse für bzw. Einflüsse auf die Wahrnehmung von Gesundheit, auf Gesundheitsbelastungen und/oder
Gesundheitsressourcen sowie auf alle Formen der Bewältigung von Gesundheitsrisiken
(Balance zwischen Belastungen und Ressourcen) ausgehen«.
Der Settingansatz fokussiert die Lebenswelt von Menschen und damit die Rahmenbedingungen, unter denen Menschen leben, lernen, arbeiten und konsumieren. Die Kindertageseinrichtung ist eine solche Lebenswelt; sie ist Lernort für Kinder, Arbeitsplatz
für die pädagogischen Fachkräfte und ein wichtiges Unterstützungssystem für Familien
und Bezugspersonen der Kinder. Außerdem sind Kindertageseinrichtungen eng in ein
sozialräumliches Umfeld mit vielfältigen Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten
integriert, wozu z. B. der öffentliche Gesundheitsdienst, (Sport-)Vereine, Freizeit- und
Kultureinrichtungen, andere Einrichtungen des Trägers (z. B. Seniorenheime) oder ehrenamtliche Personen gehören. Insofern ist die Kindertageseinrichtung ein hervorragender Ort für gesundheitsförderliche Interventionen. Ebenso ist es wichtig, diesen
Lebensraum in baulicher, organisatorischer und sozialer Hinsicht so zu gestalten, dass
er das Sicherheits- und Gesundheitsverhalten positiv beeinflusst und die Aneignung
von Sicherheits- und Gesundheitskompetenzen unterstützt.
Demzufolge eignen sich Kindertageseinrichtungen als erste Ebene des Bildungssystems
quasi als Schlüssel-Setting für Chancengleichheit durch Bildungs- und Gesundheitsförderung, da hier Kinder in einer Lebensphase angesprochen werden, in der Erlebensund Verhaltensweisen entscheidend geprägt werden. Diese Aufgabe wird die Kita aber
nur übernehmen können, wenn die pädagogischen Fachkräfte unter gesundheitsförderlichen Strukturen und Abläufen arbeiten.90 Zudem können die »drei wesentlichen
Bestimmungsmerkmale moderner Frühpädagogik«91, wozu neben der direkten pädagogischen Arbeit der Fachkräfte mit den Kindern die Zusammenarbeit mit Eltern und Bezugspersonen sowie die Vernetzung mit anderen Institutionen gehört, umgesetzt werden. In Kindertageseinrichtungen kann es gelingen, Eltern niedrigschwellig zu erreichen
und für Bildungs- und Gesundheitsthemen zu sensibilisieren sowie für die Inanspruchnahme entsprechender Angebote zu motivieren.
89 Rosenbrock & Hartung 2010, o. S. Der Settingansatz ist in den gemeinsamen Handlungsleitlinien der Spitzenverbände der
Krankenkassen zur Umsetzung des SGB V § 20 Abs. 1 und 2 verankert und seit 2010 werden Settingträger auch durch
die GKV gefördert (vgl. Conrad 2013).
90 GKV-Spitzenverband 2010
91 Fröhlich-Gildhoff 2013, S. 357
37
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
Für eine integrierte Qualitäts- und Gesundheitsentwicklung ist es von besonderer Bedeutung, die unterschiedlichen Bedürfnisse, Interessen, Belastungen und Ressourcen
aller Gruppen des Settings Kindertageseinrichtung zu berücksichtigen und sie in Interventionen einfließen zu lassen. Mit gesundheitsförderlichen Interventionen sollen im
Rahmen des Settingansatzes drei zentrale Ziele erreicht werden92:
• die Kompetenzen und Ressourcen der im Setting lebenden Personen zu stärken
(Kompetenzstärkung auf individueller Ebene)
• gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen zu entwickeln (Ebene der Strukturbildung)
• möglichst viele Personen(gruppen) dieser Lebenswelt binden in diesem Prozess
systematisch möglichst viele Personen(gruppen) in deren Lebenswelt ein (Partizipation)
3.2.2
Verhaltens- und Verhältnisorientierung
Die Gesundheit wird nicht nur durch die Lebens- und Arbeitsbedingungen, durch die
Qualität der Lebensräume, in denen Menschen leben, arbeiten, lernen und spielen,
beeinflusst und bestimmt. Einen vermutlich ebenso großen Einfluss hat auch das Verhalten des Menschen, seine Kompetenzen, Dispositionen und Einstellungen. Deshalb
ist es wichtig, sowohl das Verhalten als auch die Verhältnisse in den Blick zu nehmen.
Vor diesem Hintergrund findet Prävention und Gesundheitsförderung im Setting Kita
auf zweierlei Wegen statt: Zum einen werden die Verhältnisfaktoren und damit gesellschaftliche Bedingungen, die steuernde Funktion der Organisation Kindertageseinrichtung bei der Schaffung von nachhaltigen Systemveränderungen sowie konkrete technische und organisatorische Gegebenheiten in den Einrichtungen angesprochen. Zum
anderen geht es auch um Verhaltensänderungen bzw. um konkrete Handlungsfelder
und partizipativ gestaltete Programme für bestimmte Zielgruppen im Setting Kita. Prävention und Gesundheitsförderung auf der Verhaltensebene legt den Fokus auf die
Zielgruppe selbst und ihre individuellen Lebensweisen bzw. ihr Gesundheitsverhalten. Je nach den spezifischen Bedingungen der Kita können unterschiedliche Interventionsstrategien gewählt werden, wie z. B. Information, Aufklärung oder Beratung, aber auch die Veränderung gesundheitsbelastender Faktoren. Im Mittelpunkt
steht hier das WHO-Handlungsfeld der Entwicklung persönlicher Gesundheits- und
Lebenskompetenzen.93
3.2.3
Leitungshandeln
Die Leiterinnen und Leiter von Kindertageseinrichtungen sind die Führungskräfte in
den Einrichtungen. Sie organisieren und koordinieren den Alltag, führen ihre Einrichtung
in rationaler Weise zu vorgegebenen Zielen, vermitteln Visionen, wirken inspirierend
und sind Vorbilder für alle Mitglieder der Kita-Gemeinschaft. Sie gestalten damit wesentlich die Bedingungen, Strukturen und Prozesse der Kindertageseinrichtungen und
schaffen dadurch zu einem großen Teil die Voraussetzungen, die Betreuung, Erziehung
und Bildung ermöglichen sollen.
92 Kilian u. a. 2008
93 WHO 1986
38
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
Leiterinnen und Leiter sind aber nicht nur der Schlüssel für Innovation und Qualität,
sondern auch für die Gesundheit in ihren Einrichtungen. Sie nehmen durch ihr tägliches Handeln, durch ihr Management und durch ihr direktives Leitungshandeln direkt
und indirekt Einfluss auf Motivation, Arbeitszufriedenheit, Belastungserleben und auf
krankheitsbedingte Fehlzeiten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sind die Teamprozesse von Offenheit und professionell geführten Auseinandersetzungen geprägt?
Gelingt es, eine gemeinsam geteilte Leitorientierung zu entwickeln? Wird die Arbeit so
strukturiert, organisiert und gewichtet, dass die Aufgaben unter den zur Verfügung
stehenden Rahmenbedingungen bewältigt werden können?
Zudem ist es ihre Aufgabe, der gesundheitsförderlichen Organisationsentwicklung Orientierung und Richtung zu geben, indem entsprechende Visionen entwickelt werden
und das Team dafür gewonnen wird sowie Erwartungen formuliert werden. Ein organisatorisch effektiv geführter Kindergarten mit klaren Erwartungen an die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter reduziert Unsicherheit, Missverständnisse, Auseinandersetzungen um
Zuständigkeiten und damit generell den Stress am Arbeitsplatz. Gleichzeitig wird durch
fachliche Vorgaben der Anspruch an die Fachkräfte kommuniziert, bestimmte Standards
in der pädagogischen Arbeit anzustreben bzw. zu erreichen.
Demzufolge führen Prävention und Gesundheitsförderung in der Kindertageseinrichtung
nur dann zu nachhaltigen Verbesserungen, wenn die Leitung ein dauerhaftes und glaubwürdiges Interesse an dem Thema Gesundheit hat und sich engagiert für die Realisierung einer guten gesunden Kita einsetzt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass hinter
einer guten Gesundheitsqualität einer Kindertageseinrichtung immer auch eine gesundheitsbewusste und gesundheitsförderlich handelnde Leitung steht.
Für eine erfolgreiche Initiierung sowie nachhaltige Implementierung einer integrierten
Gesundheits- und Qualitätsentwicklung in einer Kindertageseinrichtung sind also die
Leitungskompetenz und der Leitungsstil von besonderer Bedeutung.94 Leitungskräfte
beeinflussen die Einrichtungskultur in besonderer Weise:
Ein professioneller Umgangsstil, der sachlich, aber nicht kontrollierend ist und Stärken
und Leistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anerkennt, bewirkt eine höhere
Arbeitszufriedenheit, die wiederum nachweislich zu weniger restriktivem und kontrollierendem Umgang mit den Kindern führt. Das Fehlen von Feedback und Unterstützung
durch die Leitung korreliert dagegen mit Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Schließlich hat
die Leitungskraft eine nicht zu unterschätzende Vorbildwirkung. So mag ihre Mitgliedschaft in einer professionellen Organisation oder ihre Teilnahme an Qualifikationsmaßnahmen eine zunehmend professionelle Haltung der Mitarbeiterschaft nach sich ziehen,
eine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Herausforderungen und lebenslanger persönlicher Weiterentwicklung.
Um diesen Ansprüchen gerecht werden zu können, brauchen insbesondere die Leitungskräfte zeitliche Ressourcen, Weiterqualifizierungsangebote und konkrete Unterstützung
durch den Träger oder andere Fachdienste.95 Jede Unterstützung der Leitungskraft einer
Einrichtung kann zu einer gelingenden Gesundheits- und Qualitätsentwicklung beitragen.
94 Viernickel 2006
95 Strehmel 2015
39
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
3.2.4
Transparenz
Gute gesunde Kindertageseinrichtungen zeichnen sich durch Transparenz aus. Die wesentlichen Fragen »Was ist unser pädagogisches Profil, unser Wertekern?«, »Was kennzeichnet unsere pädagogische Arbeit?« und »Was möchten wir für die Kinder und Familien erreichen?« werden gemeinsam im Team und im Austausch mit den Eltern bearbeitet
und die Ergebnisse nach innen und außen kommuniziert. Auch in der Qualitätsentwicklung ist Transparenz wichtig; sie beginnt mit der Bestandsaufnahme und setzt sich
fort bei der Klärung und Verabredung von Zielen, Ressourcen und Wegen, der Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen, Projekte oder Regelungen und der regelmäßigen
Ergebnisüberprüfung. Beschlüsse, Prozesse und Ergebnisse sollten in sparsamer, aber
dennoch aussagekräftiger Form dokumentiert werden, um allen Beteiligten Informationen zugänglich machen zu können und als Grundlage für Reflexion und Evaluation.
3.2.5
Partizipation
Partizipation bedeutet nicht nur Teilnahme, sondern auch Teilhabe, also Mitbestimmung
bei allen wesentlichen Fragen der Lebensgestaltung. Dazu gehört die Definitionsmacht
und somit die Möglichkeit, die Gesundheitsprobleme (mit-) bestimmen zu können, die
von gesundheitsfördernden bzw. präventiven Maßnahmen angegangen werden sollen.96
Im Rahmen von Teilhabeangeboten können Kompetenzen und Einstellungen entwickelt
werden, wie z. B. das Erkennen und Formulieren eigener Wünsche und Bedürfnisse,
das Einbringen und Präsentieren eigener Vorschläge, aber auch die offene Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und das Suchen nach Alternativen – die wichtige
Ressourcen für ein selbstbestimmtes Leben darstellen und sich positiv auf das Zusammenleben in einem sozialen Umfeld auswirken.
Im Laufe der Beteiligungsprozesse kann ein Problembewusstsein erweitert und demokratisches Verhalten geübt werden. Wenn für die entsprechenden Altersgruppen angemessene Beteiligungsverfahren eingesetzt werden, ist Partizipation in allen Altersgruppen –
also auch mit Kindern im Kita-Alter – möglich.97 Die Partizipative Qualitätsentwicklung98
legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Teilhabe der Zielgruppen und Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter, weil diese Akteure über lokales Wissen verfügen und wesentlich zum Erfolg von Intervention beitragen. Partizipation in Kindertageseinrichtungen
gelingt am besten, wenn sie im pädagogischen Konzept der Kindertageseinrichtung
verankert wird und in der Aufbau-, Aufgaben- und Ablauforganisation niedergelegt ist.
3.2.6
Resilienzförderung
Für die Beteiligungsgruppe der Kinder und Jugendlichen, aber auch der pädagogischen
Fachkräfte, findet der Ansatz der Resilienzförderung und damit die Stärkung der psychischen Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psycho-
96 Wright, 2010
97 Kooperationsverbund Gesundheitliche Chancengleichheit 2013
98 Wright 2010
40
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
sozialen Entwicklungsrisiken Berücksichtigung.99 Resilienz ist keine angeborene Eigenschaft oder ein absolutes, stabil überdauerndes Persönlichkeitsmerkmal, sondern entwickelt sich vielmehr in der Auseinandersetzung mit der Umwelt und in Abhängigkeit
von vorhandenen Belastungen und Ressourcen. In Anlehnung an die zugrunde gelegte
Definition von Gesundheit wird Resilienz gefördert, wenn ein ausgewogenes Verhältnis
von Schutz- und Risikofaktoren vorhanden ist. Sie lassen sich auf drei Ebenen festmachen: Erstens auf der individuellen Ebene, in der es um die Persönlichkeitsmerkmale
der Kinder bzw. Fachkräfte geht, zweitens auf der Ebene der engeren sozialen Umwelt
(Familie) und drittens auf der Ebene außerfamiliärer Stützsysteme, d. h. die Lebenswelt außerhalb der Familie, wozu die Kindertageseinrichtung gehört.
3.2.7
Empowerment
Empowerment bezeichnet Strategien und Maßnahmen, die das Maß an Selbstbestimmung und Autonomie im Leben eines Menschen erhöhen. Es hat sich nicht nur in der
Gesundheitsförderung, sondern auch in der modernen Organisationsentwicklung als
probates Konzept etabliert.100 Empowerment meint dabei sowohl den Prozess der
Selbstbemächtigung als auch die professionelle Unterstützung, um Ressourcen und
Gestaltungsspielräume wahrnehmen, nutzen und ausbauen zu können.101
In Kindertageseinrichtungen geht es bei Empowerment vor allem um eine emanzipatorische Perspektive. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ist, dass pädagogische Fachkräfte selber daran glauben, dass »die anderen« zu eigenen Lösungsfindungen in der Lage sind. Dies bedeutet, dass sie eher Fragen stellen als fertige Antworten parat haben und damit die anderen – Kinder oder Eltern – überhaupt erst
einmal definieren können, wofür sie eine Lösung brauchen. Das Ziel hierbei ist, andere Menschen dabei zu unterstützen, mehr Kontrolle über ihre Lebensbedingungen
zu erreichen, eventuell »erlernte Hilflosigkeit« zu überwinden und ihnen zu mehr Handlungsfähigkeit zu verhelfen.102
3.2.8
Risiko- und Ressourcenorientierung
Prävention und Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen entwickeln ihre Maßnahmen aus salutogener und aus pathogener Perspektive. Da Gesundheit nicht ausschließlich als eine durch die Vermeidung von Risiken erreichbare Abwesenheit von
Krankheit, sondern auch durch ein möglichst hohes Maß an psychischem, physischem
und sozialem Wohlbefinden charakterisiert ist, sind für die gesundheitliche Entwicklung
einer Kindertageseinrichtung und ihrer Akteure nicht nur die Risikofaktoren (pathogene Perspektive), sondern auch die Ressourcen und Stärken (salutogene Perspektive)
von Bedeutung.
99
100
101
102
Richter-Kornweitz 2011
Brandes & Stark 2010
Kobelt-Neuhaus 2011
Richter-Kornweitz 2011
41
Das Konzept »Gute gesunde Kindertageseinrichtung« – Qualität und Gesundheit integriert entwickeln
Als Risikofaktoren bezeichnet man in den Gesundheitswissenschaften sowie in der Sozial- und Präventivmedizin alle Vorläufer und Prädiktoren von Krankheiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Durch ihr Einwirken entsteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, an der nachfolgenden Krankheit zu erkranken und/oder vorzeitig zu versterben
bzw. zu verunfallen. Eine Unterscheidung wird getroffen zwischen Risikofaktoren, die
als vorwiegend verhaltens-, lebensweisen- und persönlichkeitsgebunden angesehen
werden, und solchen, die vorwiegend nicht verhaltensgebunden, d. h. technisch, organisatorisch, sozialstrukturell und ökologisch bedingt sind. Zu den letzteren gehören
zum größten Teil auch die Gefahren im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes.
Unter Ressourcen versteht man hingegen Faktoren der Beanspruchungsoptimierung, die
es ermöglichen, Situationen positiv zu beeinflussen und Stress verursachende Auswirkungen zu verhindern.
In der Kita-spezifischen Gesundheitsarbeit sollte es somit zum einen um die Verhütung
und Verringerung von Gefährdungen und Risiken sowie um die Vermeidung von Krankheiten und Unfällen gehen. Zum anderen geht es um die Förderung von Gesundheit,
indem personale Ressourcen der Kinder und Jugendlichen, der pädagogischen Fachkräfte, des sonstigen Personals und der Eltern sowie protektive Faktoren der Organisation und der Umwelt einer Kindertageseinrichtung gestärkt werden.
3.2.9
Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung
Die rechtlichen Bestimmungen zur Gesundheit und Bildung in Kindertageseinrichtungen
beziehen sich einerseits auf den Arbeitsschutz und die Gesundheitsförderung für das
Personal und anderseits auf den gesetzlichen Auftrag zur Unfallverhütung und Krankheitsvermeidung sowie Bildungs- und Gesundheitsförderung für die Kinder. Ein zeitgemäßes Verständnis von Prävention und Gesundheitsförderung folgt allerdings keinem
kategorialen Denken, sondern versteht sich als übergreifende Konzeption, die die Verhütung und Abschwächung von Risiken mit der Förderung von Ressourcen kombiniert.
Demzufolge werden Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung als einander ergänzende, nicht konkurrierende Herangehensweisen verstanden. Stehen beim Arbeitsschutz
und bei der Unfallverhütung die Verhütung und Minimierung akuter Gefährdungen und
Risiken, d. h. Faktoren, die direkt und vehement auf den Gesundheitszustand und die
Sicherheit einwirken oder einwirken können, im Mittelpunkt, ist es bei der Gesundheitsförderung die Entwicklung von Schutzfaktoren und Stärken der Personen, die geeignet sind, die gesundheitsbelastenden Einwirkungen abzumildern und zu nivellieren.
3.2.10 Nachhaltigkeit
Ein übergeordnetes Ziel der guten gesunden Kita liegt in einer nachhaltigen Verbesserung der Entwicklungs- und Bildungschancen von Kindern. Nachhaltigkeit wird auf zweierlei Wegen in der Umsetzung des Konzeptes berücksichtigt: Zum einen sichern die im
Rahmen der einrichtungsspezifischen Qualitätsentwicklung durchgeführten Evaluationen
die Langzeiteffekte des Prozesses. Im Mittelpunkt steht hier die langfristige Wirkung
von Interventionen bzw. die Tatsache, dass bestimmte Effekte erst zu einem späteren
42
Zehn Grundsätze der guten gesunden Kita
Zeitpunkt evident werden können. Zum anderen verfolgt der Prozess der Qualitätsentwicklung am Lebens- und Arbeitsort Kita grundsätzlich zwei gesellschaftspolitische
Ziele, und zwar die Reduzierung sozialer und gesundheitlicher Ungleichheiten sowie gesundheits- und bildungsfördernde Strukturen und Bedingungen der sozialen und natürlichen Umwelt.103
103 Hahn 2014
43
4
Referenzrahmen gute gesunde Kita
4.1
Acht Qualitätsbereiche und vierzig Qualitätsfelder
Im Folgenden wird ein Referenzrahmen für die Qualität von Kindertageseinrichtungen
vorgestellt, der die oben beschriebene Verknüpfung von Bildung und Gesundheit auffächert und der Selbstevaluation zugänglich macht. Für den Schulbereich liegt ein solcher Referenzrahmen bereits vor. Brägger & Posse haben ihn in ihrem Handbuch Instrumente für die Qualitätsentwicklung und Evaluation in Schulen (IQES)104 veröffentlicht.
Im Rahmen der Umsetzung des Konzeptes »Gute gesunde Schule« wurde er in den
vergangenen Jahren vielfach erfolgreich für die Interventionsplanung und Evaluation
eingesetzt. Er ist aktuell grundlegender Bestandteil des Landesprogramms Bildung und
Gesundheit in Nordrhein-Westfalen und des Fachkonzeptes Mit Gesundheit gute Schulen entwickeln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Auch für den
Kita-Bereich gibt es bereits einen Referenzrahmen zur Qualitätsentwicklung in der guten
gesunden Kita.105 Er bildet die Grundlage für das Berliner Landesprogramm Kitas bewegen – für die gute gesunde Kita.106
Der hier vorliegende und nachfolgend beschriebene Referenzrahmen leitet sich vom
Referenzrahmen »Gute gesunde Schule« ab. Die Adaption dieses Referenzrahmens für
den Bereich der Tageseinrichtungen für Kinder bietet sich an, weil dadurch ein kohären-
104 Bräger & Posse, 2007a
105 Bertelsmann Stiftung, 2012
106 https://www.berlin.de/sen/bjw/service/presse/pressearchiv-2012/pressemitteilung.141154.php; download 10.06.2015
44
Acht Qualitätsbereiche und vierzig Qualitätsfelder
tes Qualitätsverständnis als Grundlage für eine integrierte Qualitäts- und Gesundheitsentwicklung im Elementar- und Schulbereich geschaffen wird. Bei aller notwendigen
Beachtung der rechtlichen, organisatorischen und konzeptionellen Unterschiede zwischen
Schulen und dem Elementarbereich wird so deutlich, dass sich beide bei ihrer qualitativen Weiterentwicklung mit weitgehend ähnlichen Fragestellungen und Themenfeldern
auseinandersetzen – oder auseinandersetzen sollten. Dies wäre ein weiteres positives
Signal in einer Zeit, in der die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe ohnehin
weit oben auf der fachpolitischen Agenda steht.
Der Referenzrahmen »Gute gesunde Schule« des IQES-Handbuches umfasst insgesamt
acht Dimensionen und vierzig Qualitätsbereiche mit Schlüsselindikatoren, die auf den
drei Grunddimensionen Ergebnis-, Prozess- und Gesundheitsqualität basieren. In den
Qualitätsdimensionen und -bereichen werden einerseits sicherheits- und gesundheitsbezogene Ansätze wirksam. Andererseits haben sie selbst einen Einfluss auf die Entwicklung psycho-sozialer Schutzfaktoren und damit auch auf die Leistungsbereitschaft
und -fähigkeit.
Die Qualitätsdimensionen Struktur-, Orientierungs-, Leitungs-/Management-, Prozess,
Entwicklungs- und Ergebnisqualität bilden sowohl im IQES-Referenzrahmen »Gute gesunde Schule«107 als auch im vorliegenden Referenzrahmen »Gute gesunde Kita« ein
wichtiges strukturierendes Element. Diese noch sehr allgemeinen Qualitätsdimensionen
werden durch die Benennung von acht Qualitätsbereichen auf das Feld der Kindertageseinrichtungen bezogen und spezifiziert. Auf dieser Ebene ergeben sich im Zuge der
inhaltlichen Ausfüllung naturgemäß in einigen Fällen andere Schwerpunktsetzungen als
im, auf den schulischen Kontext abgestimmten, IQES-Tableau.
Die acht Qualitätsbereiche werden durch jeweils fünf thematische Felder weiter konkretisiert, so dass sich eine Matrix aus insgesamt vierzig Qualitätsfeldern ergibt. Die
Qualitätsdimensionen und Qualitätsfelder wurden einerseits in enger inhaltlicher Anlehnung an das IQES-Tableau108, anderseits unter Einbeziehung und Bewertung anderer
Referenzrahmen festgelegt und benannt.
Jedes Qualitätsfeld wird nachfolgend kurz beschrieben und es werden mögliche Qualitätsmerkmale und Schlüsselindikatoren formuliert. Qualitätsmerkmale und Schlüsselindikatoren sind dabei nicht als abschließende Aufzählung, sondern vielmehr als orientierende Ankerpunkte zu verstehen, die im Verlauf der praktischen Arbeit mit dem Referenzrahmen und der fachlichen Auseinandersetzung im Team ausdifferenziert, ergänzt
und angepasst werden können und sollen. Grundsätzlich gilt, dass aus der Vielzahl von
Themen zunächst diejenigen herausgefiltert werden sollten, für die ein besonderer Handlungsbedarf besteht. Zum anderen sollten die Gegebenheiten jeder einzelnen Einrichtung als Ausgangspunkt der Qualitätsentwicklung genutzt werden.
Der Referenzrahmen greift die aktuellen Entwicklungen in der Diskussion um Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen auf und führt bereits vorhandene Qualitätsaspekte zusammen. Er versteht sich als Orientierungshilfe für Träger und pädagogische
107 Brägger & Posse 2007, S. 31
108 ebd.
45
Referenzrahmen gute gesunde Kita
Fach- und Leitungskräfte auf dem Weg zur guten gesunden Kita. Er soll aufzeigen, was
unter einer guten gesunden Kindertageseinrichtung zu verstehen ist. Er gibt somit im
Einzelnen Orientierung für
• Planungs- und Gestaltungsprozesse
• interne und externe Evaluation
• Zielvereinbarungen zwischen Einrichtung und Träger
• die Festlegung von Zielen zwischen Leitung und pädagogischen Fachkräften
• die Konzeption von Fortbildungs- und Unterstützungsangeboten
• die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften
• Maßnahmen der Bildungsverwaltung und Träger.
46
Qualitätsmanagement der Prävention und Gesundheitsförderung
Betriebliche
Prävention und
Gesundheitsförde- Gesundheitsförderung
rung als Führungsaufgabe
Themen und Pra- Ressourcen stärGesundheitsförxis der Prävention ken und Partizipa- derliches Einrichund Gesundheits- tion fördern
tungsklima
förderung
Gesundheitsförderndes Umfeld
und Kooperation
mit externen Partnern
Weiterentwicklung
der Einrichtung,
Selbstevaluation,
Entwicklung und
Umsetzung von
Zielvereinbarungen
Unterstützungsund Weiterqualifizierungsbedarf,
Vorschlagswesen,
Beschwerdemanagement
Zusammenarbeit
mit dem Träger
Inklusion verwirk- Beobachtung und Öffnung in den
Dokumentation
lichen
Sozialraum
als Grundlage von
Bildungsbegleitung
und individueller
Förderung
Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzqualität und
Arbeitsschutz
Selbstreflexion,
Individualfeedback und persönliche Qualitätsentwicklung
Interaktions-,
Zusammenarbeit
im Team/Teamkul- Kommunikations-,
Feedback- und
tur
Konfliktkultur
Gestaltung von
Übergängen und
Kooperation mit
der Grundschule
Achtsame Kommunikation und
Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern
Bindung und feinfühlige Interaktion
als Grundlage
pädagogischer
Arbeit
Zeitliche Rahmenbedingungen
Gesundheit und
Wohlbefinden der
Kinder und des
Personals
Zufriedenheit von
Kindern, Eltern
und anderen Institutionen
Vorbereitung auf
lebenslanges Lernen, Bewältigung
von Übergängen
Schlüsselqualifikationen und
Kompetenzen der
Kinder
Weiterentwicklung Steuerung der
fachlicher Kompe- Qualitätsprozesse,
tenzen, GesundGesundheitszirkel
heitskompetenz
der pädagogischen Fachkräfte
Aufgaben- und
Kompetenzverteilung/Organisation
der Zusammenarbeit/Personaleinsatz
Bildungs- und
Erziehungspartnerschaft mit den
Familien der
Kinder
Selbstwahrnehmung und Peerbeziehungen
unterstützen
Gestaltung und
Reflexion des
pädagogischen
Alltags
Raumgestaltung
und Materialangebot
Wirkungen und
Ergebnisse der
Einrichtung
Umsetzung des
Zielgerichtete Per- Gemeinsame
sonalentwicklung Qualitätsansprüche Bildungs- und
und -ziele
Erziehungsauftrags
Qualitätsmanagement
Selbsttätiges und Transparente und Einrichtungsleientdeckendes Ler- demokratische
tung
nen mit allen Sin- Einrichtungskultur
nen ermöglichen
Professionalität
und Personalentwicklung
Bildung und Gesundheit als konzeptioneller Rahmen, Kohärenz
als gemeinsames
Grundverständnis
Team und
Leitung
Organisations- und ManagementErgebnisqualität/Entwicklungsqualität:
qualitäten
Professionalität, Personalentwicklung,
Evaluation, Qualitätsentwicklung
und -Sicherung
Gesundheitsstatus
von Kindern,
Familien und Personal
Kooperation,
Partizipation
Orientierungs-, Prozess-, Organisationsund Managementqualität: Zusammenarbeit im Team, Leitung, Erziehungspartnerschaft mit Eltern, Zusammenarbeit mit der Schule
Gestaltung der
Bildungs- und
Lernprozesse
Orientierungs- und Prozessqualität:
Bildung, Betreuung und Erziehung
Die Einrichtung Grundlagen der
als Lebens- und pädagogischen
Erfahrungsraum Arbeit
Strukturqualität:
Ressourcen und
Bedingungen der
Einrichtung
Acht Qualitätsbereiche und vierzig Qualitätsfelder
47
Referenzrahmen gute gesunde Kita
4.2
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
1.1 Gesundheitsstatus von Kindern, Familien und Personal
Der Gesundheitsstatus von Kindern, Familien und den Mitarbeitenden ist eine wichtige Voraussetzung und
Ausgangspunkt für die pädagogische Arbeit in der Kindertageseinrichtung. Die Leistungsfähigkeit eines
Menschen ist in hohem Maß von dem eigenen Gesundheitsstatus und vom eigenen Wohlbefinden abhängig.
Ohne dies werden (sozial-)pädagogische Fachkräfte keine gute Arbeit leisten können, werden Kinder nicht
die bestmöglichen Fortschritte in ihrem Bildungsprozess machen. Deshalb ist für die gute gesunde Kita von
großer Bedeutung, den Gesundheitsstatus aller zu kennen und zu berücksichtigen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Fachkräfte tauschen sich
• Im Aufnahmegespräch wird mit den Eltern ausgetauscht, was das Kind
regelmäßig mit den Eltern über
im Hinblick auf sein gesundheitliches Wohlergehen braucht.
den gesundheitlichen Status
• Tür- und Angelgespräche werden genutzt, um alltägliche Beobachtungen
und das Wohlbefinden der
zum Wohlbefinden des Kindes auszutauschen.
Kinder aus.
Der gesundheitliche Status und • Das Wohlbefinden der Kinder ist ein ständiger Auswertungsgesichtsdas Wohlbefinden der Kinder
punkt bei den regelmäßig durchgeführten Beobachtungen.
werden regelmäßig beobachtet • In den Bildungsdokumentationen sind Aussagen zum Wohlbefinden, zum
und sind Ausgangspunkt für geSelbstwertgefühl und zur Ich-Stärke des jeweiligen Kindes enthalten.
sundheitsfördernde Angebote, • Die pädagogischen Fachkräfte nutzen die Informationen zum Gesundheitsstatus zur Planung der pädagogischen Arbeit.
Bildungsangebote und die Gestaltung des pädagogischen
Alltags.
Die pädagogischen Fachkräfte
beziehen Informationen über
den gesundheitlichen Status
der Familien sensibel in ihre
Arbeit mit ein.
• Die Fachkräfte sorgen für eine geschützte Gesprächsatmosphäre, wenn
Eltern über den Gesundheitsstatus in ihrer Familie erzählen möchten.
• Die Fachkräfte besprechen mit den Eltern mögliche Auswirkungen für
das Kind und suchen ggf. nach Entlastungen.
• In der Kindertageseinrichtung gibt es leicht zugängliche Informationen
über Unterstützungsangebote zur Gesundheitsförderung und Prävention
für die Eltern.
Der gesundheitliche Status und • Der Gesundheit und das Wohlbefinden der pädagogischen Fachkräfte
das Wohlbefinden der pädagowerden regelmäßig erfasst.
gischen Fachkräfte stellen einen • Bei der Aufgabenverteilung und Dienstplangestaltung wird die GesundAusgangspunkt für Gesundheitsheit der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt.
und Qualitätsentwicklung in der • Qualitätsentwicklung in der Einrichtung zielt darauf, Ressourcen der
Einrichtung dar.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu stärken und Belastungen zu minimieren.
48
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
1.2 Raumgestaltung und Materialangebot
Zentral für die Strukturqualität der Kindertageseinrichtung in Hinblick auf Gesundheit und Bildung sind die
zur Verfügung stehenden Räume. Während die Anzahl, Größe und Anordnung der Räume nur mit einem
hohen finanziellen Aufwand verändert werden können, liegt die gesundheits- und bildungsfördernde Ausgestaltung der Räume in der Verantwortung der Kindertageseinrichtung und des Trägers. So können z. B.
mit Farben, Beleuchtung und Schallschutz verschiedene Raumatmosphären geschaffen werden. Sicherheitsaspekte, Schadstoffarmut sowie Ergonomie spielen bei der Raumgestaltung eine wichtige Rolle. Bei der
Ausgestaltung der Räume können die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder nach Bewegung und Ruhe,
Rückzug und Entdecken berücksichtigt werden. Entsprechendes gilt für die Materialien, die für die pädagogische Arbeit zur Verfügung stehen. Quantität und Qualität der Materialien spielen eine wichtige Rolle
für die Gesundheit und Bildungsmöglichkeiten der Kinder. Eine nachvollziehbare und leicht zugängliche
Aufbewahrung trägt zu Bildungsgelegenheiten bei und erleichtert die Arbeit der Fachkräfte. Ebenso ist es
von zentraler Bedeutung für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
dass ihre Arbeitsplätze so eingerichtet und ausgestattet sind, dass die anstehenden Aufgaben gut bewältigt
werden können.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Das Gebäude der Einrichtung
ist sicher gestaltet und
eingerichtet.
• Das Gebäude ist barrierefrei gestaltet.
• Wände sind weder spitzig noch rau und weisen auch keine scharfen
Kanten auf.
• Verglasungen (Tür- und Fensterverglasungen, Vitrinen, Aquarien, verglaste
Bilder etc.) bestehen aus Sicherheitsglas oder vergleichbaren Materialien
• Umwehrungen dürfen nicht zum Aufsitzen, Rutschen und Klettern verleiten.
• Treppen verfügen über ausreichend große und rutschhemmende Trittflächen sowie Handläufe.
Die Räume und das Außengelände der Einrichtung fördern
Wohlbefinden und Gesundheit
der Kinder.
• Anzahl, Größe und Ausstattung der Räume entsprechen den altersgemäßen Bedürfnissen der Kinder. Dasselbe gilt für die Größe und die
Ausstattung des Außengeländes.
• Die Räume sind schallgedämmt, damit sich die Kinder nicht gegenseitig
bei ihren verschiedenen Tätigkeiten stören.
• Die Räume vermitteln Geborgenheit. Großer Einfluss kommt dabei der
Farbgestaltung zu.
Bei der Gestaltung der Räum- • Die Fachkräfte und der Träger gestalten abwechslungsreiche Bewegungslichkeiten und des Außengeund Erfahrungsräume, die vielfältige Gelegenheiten zum Klettern, Schauländes wird besonderes Augenkeln, Rutschen und Balancieren (z. B. Leitern, Kästen, Bäume, Schrägen,
merk auf vielfältige BeweSchaukeln, Taue) ermöglichen.
gungsgelegenheiten sowie eine • Die Räume für die Mahlzeiten sind ruhig und einladend gestaltet. Die
gesunde EssensKüche ist für die Kinder zugänglich oder einsehbar.
kultur gerichtet.
• Das Außengelände entspricht mit seinen vielfältigen Betätigungs- und
Bewegungsmöglichkeiten den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder
in den verschiedenen Entwicklungsphasen.
Die Gestaltung der Räume und • Das Material ist in überschaubaren und nachvollziehbaren Strukturen
die Auswahl des Materials
angeordnet.
bieten den Kindern vielerlei
• Die pädagogischen Fachkräfte geben mit Hilfe des Materials regelmäßig
Bildungsanregungen.
neue Impulse.
• Die Materialien sind multifunktional und regen zum kreativen Gebrauch
an.
49
Referenzrahmen gute gesunde Kita
Sicherheitsaspekte werden bei
der Raumgestaltung und bei
der Anschaffung von Materialien beachtet.
• Mobiliar, Spielgeräte und Ausstattungsgegenstände werden mit Blick
auf Gefährdungs- und Unfallrisiken angeschafft und regelmäßig überprüft.
• Die Empfehlungen der Unfallversicherungsträger werden umgesetzt.
Den Mitarbeiterinnen und Mit- • Den pädagogischen Fachkräften stehen ein ansprechend gestalteter
arbeitern stehen ausreichend
Pausenraum sowie Räume für Elterngespräche und Teambesprechungen
große und angemessen gestalzur Verfügung.
tete Räume zur Verfügung, um
• Für die Küche und den Haushaltsbereich stehen angemessen große und
ihren Aufgaben gerecht werden
sinnvoll eingerichtete Räume zur Verfügung.
zu können.
• Es gibt ein Leitungsbüro mit einer angemessenen Arbeitsplatzausstattung.
Die Gestaltung der Räumlichkeiten berücksichtigt auch die
Bedürfnisse der Eltern.
• Es sind ausreichend Stellplätze für Kinderwagen und Kinderfahrräder
vorhanden.
• Es gibt in der Einrichtung Aufenthaltsmöglichkeiten für Eltern (Sitzgelegenheiten, Elterncafé etc.).
• Die Garderobe ist für Erwachsene und Kinder gut zugänglich und übersichtlich gestaltet.
Kinder, Mitarbeiterinnen und
• Die pädagogischen Fachkräfte und die sonstigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie Eltern werden
Mitarbeiter sind an der Planung der Raumgestaltung beteiligt.
in die Gestaltung der Räum• Kinder werden regelmäßig zu ihren Wünschen in Bezug auf Material
lichkeiten und des Außengeund Raumgestaltung befragt. Für die Eltern gibt es die Möglichkeit,
ländes einbezogen.
Wünsche und Anregungen einzubringen.
• Die Nutzung der Räume und des Materials ist Bestandteil des systematischen Beobachtens.
50
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
1.3 Der zeitliche Rahmen
Die zeitlichen Bedingungen in einer Kindertageseinrichtung haben Auswirkungen auf die Qualität der pädagogischen Arbeit sowie auf das Wohlbefinden von Kindern, Familien und den pädagogischen Fachkräften.
Festgelegte Zeiten und Routinen geben Orientierung und Sicherheit im Tagesablauf, können jedoch gleichzeitig die zeitlichen Freiräume von Kindern, Eltern und Fachkräften einschränken. Bildungsprozesse finden
häufig ungeplant statt und erfordern eine hohe zeitliche Flexibilität. Vor allem für sehr junge Kinder sind
ungeteilte Aufmerksamkeit und Geborgenheit, wie sie in 1-zu-1-Situationen möglich sind, Voraussetzung für
das eigene psychische Wohlbefinden. Die Fachkraft-Kind-Relation sowie die den Fachkräften zur Verfügung
stehende Vor- und Nachbereitungszeit spielen eine entscheidende Rolle für die Betreuungsrelation und
damit die Zeit, die die Fachkräfte jedem einzelnen Kind und den weiteren Aufgaben widmen können.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Öffnungszeiten sind so
• Die Öffnungszeiten sind am Wohl der Kinder orientiert, berücksichtigen
gestaltet, dass die Bedürfnisse
aber auch den Betreuungsbedarf der Eltern.
von Kindern, Eltern und päda- • Die Organisation von Früh- und Spätdienst ist ebenfalls am Wohl der
gogischen Fachkräften berückKinder orientiert (z. B. wird in der Eingewöhnungszeit darauf geachtet,
sichtigt werden.
dass dem Kind vertraute pädagogische Fachkräfte ggf. auch beim Früh-/
Spätdienst anwesend sind) und berücksichtigt auch die Interessen der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die zeitliche Strukturierung des • Der Tagesablauf ist variabel und kommt den unterschiedlichen TagesTages ist an den Bedürfnissen
rhythmen der Kinder entgegen. Insbesondere werden die bei jedem
der Kinder ausgerichtet.
Kind unterschiedlichen Schlaf-Wach-Rhythmen berücksichtigt.
• Die Kinder haben immer wieder die Möglichkeit zu Ruhe- und Entspannungsphasen.
• Bewegung ist Alltag in der Einrichtung; die Bewegungsmöglichkeiten
sind nicht auf bestimmte Zeiten und »Angebote« beschränkt.
Den pädagogischen Fachkräften und der Leitung stehen
ausreichend Zeiten für mittelbare pädagogische Arbeit bzw.
Leitungsaufgaben zur Verfügung.
• Für die anstehende mittelbare pädagogische Arbeit sind für alle Fachkräfte Zeiten im Umfang von mindestens 15 Prozent der Arbeitszeit vertraglich vereinbart.
• Für die Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit sowie für
Elterngespräche, Teamsitzungen und sonstige Aufgaben sind feste Zeiten im Dienstplan ausgewiesen.
• Für die Leitung der Kindertageseinrichtung steht ein den Aufgaben
angemessenes Zeitkontingent zur Verfügung. Dies setzt sich aus einem
Sockelkontingent (unabhängig von der Größe der Einrichtung) und
einem platzabhängigen zusätzlichen Kontingent zusammen.
Die Fachkraft-Kind-Relation
gewährleistet, dass die Fachkräfte Zeit für die Kinder
haben.
• Der Personalschlüssel ist so gestaltet, dass trotz Urlaub, krankheitsbedingter Abwesenheiten, Fortbildung und mittelbarer pädagogischer Aufgaben jederzeit genügend Fachkräfte für die Kinder zur Verfügung stehen.
• Eine feste Vertretungsregelung sorgt für eine gleichbleibende Personalausstattung.
• Die Aufnahme von Kindern mit besonderen Bedürfnissen wird durch
eine angemessene zusätzliche Personalsausstattung ermöglicht
Die zeitlichen Ressourcen der
Eltern werden berücksichtigt.
• Die Veranstaltungen für Eltern sind so terminiert, dass sie von allen
Eltern – auch den berufstätigen – wahrgenommen werden können.
• Schließzeiten der Einrichtung werden den Eltern frühzeitig bekannt
gegeben.
• Die Bringe- und Abholzeiten sind flexibel.
51
Referenzrahmen gute gesunde Kita
1.4 Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzqualität und Arbeitsschutz
Die Zufriedenheit, das Wohlbefinden und die Gesundheit der pädagogischen Fachkräfte werden von den
Arbeitsbedingungen und der Arbeitsplatzqualität entscheidend beeinflusst. Die Reduktion gesundheitlicher
Belastungen gehört ebenso dazu wie eine angemessene personelle und materielle Ausstattung der
Arbeitsplätze. Gesundheitsförderliche Arbeitsbedingungen sind die Grundlage für gesundheitsförderliches
Verhalten und eine hohe Qualität der pädagogischen Arbeit. Die Berücksichtigung von Arbeitsschutzvorschriften und Richtlinien minimiert Gesundheits- bzw. Unfallrisiken von Kindern, Personal und Eltern.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Personalschlüssel und Personal- • Der Personalschlüssel sichert, dass über die gesamte Öffnungszeit der
einsatz sind so bemessen, dass
Einrichtung eine gleich bleibende hohe Qualität der pädagogischen
sowohl Gesundheit und WohlArbeit gegeben ist.
befinden des Personals als auch • Die Dienstplangestaltung vereinbart die Belange der Arbeitnehmerinnen
die angestrebte pädagogische
und Arbeitnehmer mit dem erzieherischen Auftrag sowie den BedürfnisQualität ermöglicht werden.
sen und Interessen der Kinder und Familien.
Die Arbeitszeitregelungen sind
verlässlich, überschaubar und
stressmindernd.
• Es gibt ein Arbeitszeitkonzept (»Arbeitszeitkonten«).
• Der Dienstplan gibt den Fachkräften Verlässlichkeit und Planungssicherheit.
• Pausen werden fest eingeplant und können stets in Anspruch genommen
werden.
Die Arbeitszeiten sind auch an • Unterschiedliche Wochenarbeitszeiten sind in allen Funktionen möglich.
den Bedürfnissen der Mitarbei- • Bei der Planung der Arbeitszeiten werden die zeitlichen Voraussetzunterinnen und Mitarbeiter ausgegen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt.
richtet und ermöglichen eine
• Die Wünsche und Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werVerbindung von Familie und
den bei der Urlaubsplanung so weit wie möglich berücksichtigt.
Beruf.
Räume und Ausstattung entsprechen den Erfordernissen
des Arbeitsschutzes.
• Erwachsengerechtes und ergonomisches Mobiliar steht in allen Arbeitsräumen zur Verfügung. Dies betrifft vor allem Sitzmöbel, Wickelplätze
und Schreibtische.
• Alle Räume verfügen über einen ausreichenden Schallschutz.
• Die Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Bestimmungen in Bezug auf
Räume und Ausstattung wird regelmäßig überprüft und ggf. notwendige
Maßnahmen werden veranlasst.
• Die Instrumente des Arbeits- und Gesundheitsschutzes werden angewandt, z. B:
• Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung
• Einrichtung einer betrieblichen Kommission,
• Einrichtung eines Gesundheitszirkels
• Unterweisung
Räume und Ausstattung bieten • Den Fachkräften stehen angemessen und übersichtlich eingerichtete Areine produktive und angenehme
beitsplätze für Schreibtätigkeiten zur Verfügung.
Arbeitsatmosphäre.
• Die Gestaltung und Ausstattung des Pausenraums entspricht den Bedürfnissen der pädagogischen Fachkräfte (z. B. ruhige Farbgestaltung,
Ruhesessel, Kühlschrank).
• Jeder Fachkraft steht ein Platz für persönliche Utensilien zur Verfügung.
52
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Die technische Ausstattung ent- • Es stehen ausreichend Digitalkameras, Computer und Drucker zur Verspricht den Erfordernissen der
fügung.
pädagogischen Arbeit.
• Alle technischen Geräte werden entsprechend den Vorschriften geprüft
und gewartet und sind jederzeit nutzbar.
Die Kindertageseinrichtungen
• Die pädagogischen Fachkräfte werden in ihrer Arbeit von Küchenfach-,
beschäftigen eine ausreichende
Reinigungs- und Haushaltskräften unterstützt.
Zahl von Küchen-, Reinigungs- • Die Arbeitsplatzgestaltung und der zeitliche Rahmen der Tätigkeiten der
und Haushaltskräften.
Küchenfach-, Reinigungs- und Haushaltskräfte entsprechen den anstehenden Aufgaben und den rechtlichen Vorgaben.
Die Arbeitsabläufe werden nach • Lasthandhabungen werden nach Möglichkeit vermieden
ergonomischen Gesichtspunkten • Schweres Arbeitsmaterial wird so gelagert bzw. umgerüstet, dass es
gestaltet.
nicht gehoben oder getragen werden muss.
53
Referenzrahmen gute gesunde Kita
1.5 Gesundheitsförderndes Umfeld und Kooperation mit externen Partnern
Zur Stärkung der Bildungsarbeit, der Gesundheitsförderung und der Prävention ist es von großer Bedeutung, das Umfeld der Kindertageseinrichtung in die Arbeit einzubeziehen. Durch die Nutzung von externen
Ressourcen und die Pflege von Kooperationen können die Arbeitsbedingungen der Fachkräfte verbessert
werden und das Angebot an Bildungsgelegenheiten und Gesundheitsförderung erheblich erweitert werden.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Gesundheitliche Ressourcen und • Die Verkehrssituation im Einzugsgebiet und besonders in der unmittelRisiken im Einzugsgebiet der
baren Umgebung der Einrichtung wird gemeinsam mit den Eltern im
Einrichtung werden berückHinblick auf mögliche Gefahren analysiert.
sichtigt.
• Falls erforderlich, werden Maßnahmen initiiert und durchgeführt, die die
Risiken minimieren oder beseitigen.
• Der Träger setzt sich auf kommunaler Ebene dafür ein, dass die Bedürfnisse der Kinder nach Sicherheit und Bewegung bei der baulichen Weiterentwicklung der unmittelbaren Umgebung berücksichtigt werden.
54
Vorhandene Ressourcen im
Umfeld werden genutzt, um in
der Einrichtung fehlende bzw.
eingeschränkte räumliche Ressourcen zu kompensieren und
die Bildungsanregungen zu
erweitern.
• Die pädagogischen Fachkräfte kennen und nutzen naturnahe Orte oder
Naturräume, Spiel- und Sportplätze, Bäder, öffentliche Grünflächen,
Räume und Angebote anderer Träger in der näheren Umgebung der Einrichtung und tauschen sich mit den Eltern darüber aus.
• Die pädagogischen Fachkräfte nutzen und erschließen mit den Kindern
das kulturelle und soziale Umfeld der Kita (z. B. Theater, Museum, Geschäfte, Seniorenheime, Universitäten etc.).
• Die Einrichtung bietet (sofern möglich) ihrerseits ihre Räume und ihr
Außengelände den Kindern und Erwachsenen aus der Nachbarschaft sowie anderen Anbietern und deren Teilnehmerinnen und Teilnehmern an.
Die Kita setzt sich dafür ein,
dass die Kinder zu Fuß, mit
dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln gebracht
werden (können).
• Der Träger setzt sich für eine gute Erreichbarkeit der Kita mit öffentlichen Verkehrsmitteln ein.
• Der Träger der Einrichtung sorgt für ausreichend gesicherte Fahrradstellplätze in unmittelbarer Nähe der Einrichtung.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
2.1 Bildung und Gesundheit als konzeptioneller Rahmen und gemeinsames Grundverständnis
Damit die Bildungs- und Gesundheitsförderung zentraler Bezugspunkt für die pädagogische Arbeit einer
Kindertageseinrichtung wird, ist es unabdingbar, dass alle Fachkräfte ein gemeinsames Grundverständnis
entwickeln. Die tägliche Arbeit birgt das Potenzial, Gesundheit zu fördern und Bildungsprozesse zu ermöglichen. Dafür sind die bewusste Gestaltung des Alltags und die Orientierung an gesundheits- und bildungsfördernden Konzepten erforderlich. Neben der gemeinsamen Erarbeitung eines Konzeptes sind die alltägliche Umsetzung und die regelmäßige Reflektion von besonderer Bedeutung. Dazu bedarf es geteilter
pädagogischer Wertvorstellungen und einer Orientierung am Konzept der Salutogenese.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Das Konzept der Salutogenese
dient als Grundlage der pädagogischen Arbeit mit den Kindern, der Zusammenarbeit mit
den Familien und der Arbeitsorganisation der Fachkräfte.
• Das Konzept der Salutogenese wird im Team diskutiert und auf die verschiedenen Aufgabenbereiche bezogen.
• Das Konzept der Salutogenese wird regelmäßig als Folie für die Reflexion
der eigenen Arbeit genutzt.
• Das salutogenetische Grundverständnis spiegelt sich in der Konzeption
der Einrichtung wider.
Das Kohärenzgefühl als »Herzstück« der Salutogenese wird
als zentrales Bildungsziel und
Ziel der Gesundheitsförderung
umgesetzt.
• Die Bildungsanlässe der Kinder werden mit Blick auf Verstehbarkeit,
Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit entwickelt.
• Die Umsetzung der drei Komponenten des Kohärenzgefühls wird regelmäßig reflektiert und weiterentwickelt.
Die Wertschätzung jeder Person und eine konsequente
Ressourcenorientierung sind
geteilte Werte, die sich in der
täglichen Arbeit widerspiegeln.
• Jedes Kind wird in seiner Einzigartigkeit wertgeschätzt.
• Die unterschiedlichen sozialen Kontexte jedes Kindes werden berücksichtigt.
• Die Arbeit der Fachkräfte erfährt Anerkennung und Wertschätzung. Die
fachliche Weiterentwicklung setzt an den jeweiligen Stärken an.
Die Fachkräfte teilen eine be• Die pädagogischen Fachkräfte reflektieren ihre eigene Bewegungsbiowegungsfreundliche Grundhalgrafie und -sozialisation, ihre aktuelle Einstellung zu Bewegung und
tung, die die Eigenaktivität der
sportlicher Betätigung sowie ihre individuelle Bewegungspraxis.
Kinder in den Mittelpunkt
• Die pädagogischen Fachkräfte richten die Gestaltung der Räumlichkeistellt.
ten und die Gestaltung des Alltags an den Bewegungsbedürfnissen der
Kinder aus.
• Die pädagogischen Fachkräfte sind mit der individuellen Bewegungsentwicklung von Kindern vertraut und ermutigen alle Kinder zu eigenaktiven und vielfältigen Bewegungserfahrungen. Dies gilt insbesondere
für Kinder mit Behinderungen.
Das Prinzip der Inklusion ist
ein zentraler Ankerpunkt der
pädagogischen Arbeit.
• Die pädagogischen Fachkräfte setzen sich regelmäßig mit den Grundlagen des Inklusionskonzeptes auseinander und überprüfen das Gelingen
der Umsetzung in der eigenen Einrichtung.
• In der pädagogischen Arbeit berücksichtigen die pädagogischen Fachkräfte die verschiedenen Bedürfnisse der Kinder, ohne sie auf bestimmte
Zuschreibungen festzulegen.
55
Referenzrahmen gute gesunde Kita
Die pädagogischen Mitarbeiter/
-innen berücksichtigen die Bedürfnisse von Kindern in den
verschiedenen Altersstufen109
• In der pädagogischen Konzeption wird zumindest exemplarisch erläutert,
in welcher Form und bei welchen Gelegenheiten die folgenden Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt werden:
• Ernährung, Ruhe, Bewegung, Anregung der Sinne
• Wertschätzung (Anerkennung, Ermutigung)
• Sicherheit, Zugehörigkeit, Geborgenheit, Teilhabe
• Selbstverwirklichung (Selbsttätigkeit, Entdecken)
• Bedürfnis nach neuen Erfahrungen
Dabei wird auf die verschiedenen Altersstufen eingegangen.
In die laufende Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption werden Kinder und
Eltern einbezogen.
• Das gesamte Team arbeitet an der Weiterentwicklung und Umsetzung
der pädagogischen Konzeption der Einrichtung mit.
• Ziele und inhaltliche Schwerpunkte werden konkret und auch für Außenstehende anschaulich beschrieben.
• Die Wünsche und Anregungen der Kinder und der Eltern werden systematisch erhoben und bei der Weiterentwicklung der Konzeption berücksichtigt.
109 vgl. Andresen & Albus 2009; Piefel 1993
56
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
2.2 Gestaltung und Reflexion des pädagogischen Alltags
Der gemeinsam verbrachte Alltag in der Kindertageseinrichtung hat eine besondere Bedeutung für die gute
gesunde Kita. Im Alltag finden sich unzählige Gelegenheiten für die Anregung von Bildungsprozessen. Diese
zu erkennen und zu nutzen zeichnet die hohe Qualität pädagogischer Arbeit aus. Auch ist der Alltag in besonderem Maße bedeutsam für das Wohlbefinden der Kinder. Vorhersehbare Abläufe, die an den Bedürfnissen der Kinder orientiert sind, können Sicherheit geben. Gleichzeitig können die Interessen der Kinder
in die Alltagsgestaltung einfließen. Der Alltag bietet Zeit und Raum zum Aufbau wertschätzender Beziehungen zwischen den Kindern untereinander und mit den pädagogischen Fachkräften. Schließlich können im
alltäglichen Miteinander gesundheitsförderliche Handlungspraktiken eingeübt werden (Ernährung, Bewegung,
Zahnpflege).
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Fachkräfte finden eine Ba- • Die pädagogischen Fachkräfte sorgen für gleichbleibende Routinen und
lance zwischen vorhersehbaren
Rituale im Alltag (z. B. feste Zeiten, Orte und Abläufe für Mahlzeiten,
Ritualen und flexibler, an den
Schlafen, Morgenkreis).
Bedürfnissen der Kinder orien- • Spontane Ereignisse und Bedürfnisse der Kinder werden flexibel in den
tierter Alltagsgestaltung.
Tagesablauf integriert.
• Die Dauer verschiedener Aktivitäten ist am Entwicklungsstand und den
aktuellen Bedürfnissen der Kinder ausgerichtet.
Prävention und Gesundheitsför- • Die pädagogischen Fachkräfte integrieren abwechslungsreiche Bewederung sind selbstverständliche
gungsanregungen in den Alltag und gehen nach Möglichkeit täglich
Bestandteile der alltäglichen
hinaus.
pädagogischen Arbeit mit den • Die Kinder finden den ganzen Tag über Rückzugs- und RuhemöglichKindern.
keiten.
• Zähneputzen und Händewaschen werden als feststehende und dennoch
anregende Rituale in den Alltag integriert.
Die Gestaltung des Alltags
• Die pädagogischen Fachkräfte beziehen bei der Gestaltung des Alltags
knüpft an den Erfahrungen der
die unterschiedlichen Erfahrungen der Kinder in ihren Herkunftsfamilien
Kinder an und bietet Bildungsein.
anregungen.
• Die Kinder werden in die Planung von Aktivitäten einbezogen.
• Die verschiedenen Aufgaben im Alltag werden als Bildungsgelegenheiten
genutzt (z. B. Tischdecken, Aufräumen, Kinder zählen…)
Die pädagogischen Fachkräfte • Die pädagogischen Fachkräfte beobachten und reflektieren die Stimmigreflektieren die Alltagsgestalkeit der Alltagsgestaltung in regelmäßigen Abständen.
tung regelmäßig, sprechen sich • Die Gestaltung des Alltags ist regelmäßiges Thema der gemeinsamen
im gesamten Team ab und
Teamsitzungen und wird sowohl an den pädagogischen Grundhaltungen
passen sie an veränderte
sowie an den Erfordernissen und individuellen Bedürfnissen der Kinder
Gegebenheiten an.
ausgerichtet.
57
Referenzrahmen gute gesunde Kita
2.3 Bindung und feinfühlige Interaktion als Grundlage der pädagogischen Arbeit
Verlässliche Bindungsbeziehungen der Kinder sind sowohl grundlegend für ihr Wohlbefinden als auch Voraussetzung für gelingende Bildungsprozesse. In der guten gesunden Kita ist deshalb die pädagogische Arbeit daran ausgerichtet, für alle Kinder sichere Bindungsbeziehungen mit den pädagogischen Fachkräften
zu ermöglichen. Von besonderer Bedeutung für Bindungsbeziehungen der Kinder ist die enge und wertschätzende Zusammenarbeit der pädagogischen Fachkräfte mit den Eltern der Kinder. Die Wertschätzung
der Kinder drückt sich in einer feinfühligen Interaktion mit den Kindern aus.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die grundlegende Bedeutung • Die theoretischen Grundlagen des Bindungskonzeptes sowie deren
von zuverlässigen BindungsBedeutung für die Gestaltung der pädagogischen Arbeit sind allen
beziehungen für das WohlbeFachkräften in der Einrichtung vertraut.
finden, die seelische Gesundheit • Die Fachkräfte gestalten aktiv die Beziehungen zu den Kindern. Sie
und Entwicklung von Kindern
gehen dabei sensibel auf die Signale der Kinder ein.
ist Ausgangspunkt der pädago- • Der Arbeitszeiten der pädagogischen Fachkräfte sind so organisiert, dass
gischen Arbeit.
für jedes Kind zu jeder Zeit eine ihm vertraute Bezugsperson ansprechbar ist
Die Eingewöhnung von Kindern • Die Einrichtung verfügt über ein wissenschaftlich fundiertes Eingewöhentspricht den aktuellen
nungskonzept, das von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeErkenntnissen der Bindungssetzt und regelmäßig überprüft wird.
forschung.
• Insbesondere bei Kindern unter drei Jahren wird die Eingewöhnungsphase schrittweise und im ständigen Dialog mit den Eltern gestaltet.
• Während der Eingewöhnung wird jedes Kind von einer festen Bezugserzieherin/einem festen Bezugserzieher begleitet. Nach Möglichkeit kann
das Kind selbst seine Bezugserzieherin oder seinen Bezugserzieher
wählen.
Die Zusammenarbeit mit den
Familien der Kinder hat einen
hohen Stellenwert.
• Die Kinder erleben, dass ihre Familien wertgeschätzt werden und die Fachkräfte ihren Erlebnissen in der Familie mit großem Interesse begegnen.
• Die Fachkräfte bemühen sich aktiv um eine partnerschaftliche Beziehung
mit den Eltern der Kinder.
• Die pädagogischen Fachkräfte stehen in ständigem Austausch mit den
Eltern der Kinder. Die familiären Erlebnisse und das aktuelle Wohlbefinden des Kindes werden im Kita-Alltag berücksichtigt.
Die Interaktion der pädagogischen Fachkräfte mit den Kindern zeichnet sich durch Feinfühligkeit und Wertschätzung
aus.
• Die pädagogischen Fachkräfte reagieren auf alle verbalen und nonverbalen Äußerungen der Kinder angemessen und zugewandt.
• Das Verhalten der Erzieherinnen und Erzieher ist geprägt von Wertschätzung, emotionaler Wärme und Empathie.
• Die Erzieherinnen und Erzieher respektieren jedes Kind. Sie stellen z. B.
kein Kind vor anderen bloß, sie rufen kein Kind aus der Ferne, sondern
gehen zu ihm, sie machen keine spöttischen oder gar sarkastischen
Bemerkungen, sie lassen jedes Kind ausreden, die Interaktionen finden
in gleicher Augenhöhe statt.
Den pädagogischen Fachkräf• Die Beziehungen zu den Kindern und mit den Familien werden regelten stehen verschiedene Formäßig in den Teamsitzungen thematisiert.
men der Unterstützung und zur • Die pädagogischen Fachkräfte nutzen die Methode der kollegialen BeraReflexion ihrer Beziehungen zu
tung und arbeiten ggf. mit Videographie, um ihre Interaktionen mit den
den Kindern und deren FamiliKindern zu reflektieren.
en zur Verfügung.
• Die pädagogischen Fachkräfte nutzen regelmäßig Supervisionen, um
ihre Beziehungen zu den Kindern und den Eltern zu reflektieren.
58
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
2.4 Inklusion verwirklichen
Kindertageseinrichtungen werden von Kindern mit vielfältigen familiären, sozialen und kulturellen Hintergründen sowie von Kindern mit unterschiedlichen psychischen und physischen Voraussetzungen besucht.
Inklusion zu verwirklichen bedeutet nicht nur, mit dieser Unterschiedlichkeit wertfrei umzugehen, sondern
auch, sich bewusst zu machen, dass jeder Mensch nicht nur einer bestimmten Gruppe angehört, sondern
sich jede Identität aus vielen Merkmalen und Zugehörigkeiten zusammensetzt.110 In Bezug auf die pädagogische Arbeit in der guten gesunden Kita bedeutet Inklusion, so weit wie möglich allen Kindern gleiche
Erfahrungen zu ermöglichen und so oft wie nötig individuell auf besondere Bedürfnisse einzugehen
(ebd.). Inklusive Pädagogik trägt dazu bei, dass alle Kinder sich in der Kita wohl und angenommen fühlen
und jedes Kind in seinen individuellen Bildungsprozessen unterstützt wird.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Alle Kinder und ihre Familien
sind in der Kindertageseinrichtung willkommen.
• Bei der Aufnahme eines Kindes wird gemeinsam mit den Eltern nach den
für das Kind und seine Familie bestmöglichen Bedingungen gesucht
(z. B. Betreuungszeiten, Bezugserzieherinnen und -erzieher, Schlafplatz…)
• Bei der Aufnahme von Kindern und ihren Familien werden keine Kinder
oder Familien aussortiert.
• Die Personalausstattung ermöglicht den Fachkräften, sich jedem Kind
individuell zuzuwenden.
Die Fachkräfte begegnen den
• Die pädagogischen Fachkräfte interessieren sich für die familiäre SituaKindern und ihren Familien mit
tion jedes einzelnen Kindes und sind im kontinuierlichen Kontakt mit
einer offenen und vorurteilsbeden Eltern.
wussten Haltung.
• Die Familiensprachen und Familienkulturen der Kinder sind im Alltag
präsent (Lieder, Fotowände jeder Familie, Besuche der Eltern).
• Die Fachkräfte reflektieren regelmäßig ihre Zusammenarbeit mit den
Familien und machen sich eventuelle Vorurteile bewusst.
Die pädagogischen Fachkräfte • Die Fachkräfte setzen sich mit strukturellen Diskriminierungen auseireflektieren gesellschaftliche
nander und berücksichtigen gesellschaftliche Benachteiligungen von
und strukturelle DiskriminieKindern und Familien.
rungen sowie ihren eigenen
• Die pädagogischen Fachkräfte sind sich ihrer eigenen gesellschaftlichen
sozialen und kulturellen HinterVerortung bewusst. Sie erkennen eigene Vorurteile und finden Wege,
damit umzugehen.
grund.
• Die pädagogischen Fachkräfte achten im Gespräch mit und über Kinder
und Familien auf Wertschätzung. Sie vermeiden Verallgemeinerungen
und weisen sich gegenseitig auf Diskriminierungen hin.
Raumgestaltung und Materialangebot sind so beschaffen,
dass alle Kinder sich willkommen und aufgehoben fühlen.
• Die Einrichtung ist barrierefrei gestaltet.
• Das Materialangebot spiegelt die Vielfalt der Kinder und ihrer Familien
wider (z. B. Hautfarbenstifte, Auswahl der Puppen, Kinderbücher, in
denen Kinder mit Behinderungen, Scheidungsfamilien, die Lebenswirklichkeit von Familien mit Migrationshintergrund in Deutschland vorkommen ...).
• Ausstattung und Material berücksichtigen die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Kinder (z. B. individuell gestaltete Schlafplätze).
110 vgl. Sulzer 2013, S. 14
59
Referenzrahmen gute gesunde Kita
2.5 Themen und Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung
In der guten gesunden Kita zieht sich der Fokus Gesundheit als Querschnitt durch alle Bereiche der pädagogischen Arbeit. Um dies zu erreichen, werden spezifische Themen der Gesundheitsförderung und der
Prävention gezielt in den Blick genommen und in die alltägliche Praxis übertragen. Dabei werden die Voraussetzungen der Kinder und ihrer Familien ebenso berücksichtigt wie die Gegebenheiten der Kindertageseinrichtung.
Grundlage für eine gelingende Gesundheitsförderung und erfolgreiche Prävention sind zunächst Fachwissen
und ein gemeinsames Verständnis der Fachkräfte, des Trägers, der Leitung, der sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die gemeinsame Entwicklung und regelmäßige Reflexion eines Konzeptes zur
Umsetzung.
Indem Kindertageseinrichtungen einen Schwerpunkt auf Themen der Prävention und Gesundheitsförderung
legen und diese systematisch in ihre Arbeit integrieren, leisten sie einen konkreten Beitrag zur Förderung
der Gesundheit der Kinder, in den Familien und auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie tragen zu
vermehrtem Wissen über die eigene Gesundheit bei und können Kinder, Familien und Fachkräfte dabei unterstützen, gesundheitsförderliche Gewohnheiten zu entwickeln.
Die Auseinandersetzung mit Themen der Prävention und Gesundheitsförderung bieten vielseitige Bildungsanregungen für Kinder, insbesondere in Bezug auf den eigenen Körper, die eigenen Sinne und die eigenen
Gefühle.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Themen der Gesundheitsförde- • Für die jeweilige Kita werden passgenaue Konzepte zur Umsetzung der
rung und Prävention werden
gesundheitsrelevanten Themen erarbeitet und umgesetzt. Dabei werden
systematisch und kontextbezovor allem die Voraussetzungen und Lebensbedingungen der Kinder und
gen in die pädagogische Arbeit
ihrer Familien sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter berücksichtigt.
der Kindertageseinrichtung
• Träger, Leitung und Fachkräfte entwickeln ein gemeinsames Konzept zur
integriert.
Prävention und Früherkennung möglicher Probleme von Kindern.
• Alle beteiligten Personengruppen sind an der Erarbeitung eines Konzeptes beteiligt. Dies betrifft sowohl die pädagogischen als auch die sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Leitung und den Träger der
Einrichtung sowie die Kinder und ihre Familien.
60
Der eigene Körper und das
eigene Erleben stehen im
Mittelpunkt der Gesundheitsförderung.
• Mädchen und Jungen werden darin unterstützt, ihren Körper sensibel
wahrzunehmen und ein positives Körpergefühl zu entwickeln.
• Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die Kinder im Alltag dabei,
ihre Bedürfnisse und Gefühle wahrzunehmen und regen zu verschiedenen Formen an, diese zum Ausdruck zu bringen.
• Die pädagogischen Fachkräfte begleiten die Erkundungen des eigenen
Körpers, ermöglichen Freude an Körperlichkeit und Sinnlichkeit und
unterstützen die Kinder dabei, ihre eigenen Grenzen wahrzunehmen
und gegenüber anderen zu vertreten.
Ein besonderer Fokus ist auf
eine gesunde Ernährung gerichtet. Die Fachkräfte orientieren
sich an dem DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in
Tageseinrichtungen für Kinder
der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung e.V. (2013).
• Die angebotenen Mahlzeiten sind hochwertig, abwechslungsreich und
schmackhaft, werden frisch zubereitet und anregend präsentiert.
• Bei der Auswahl der Lebensmittel werden kulturspezifische, religiöse,
alters- und gesundheitsbedingte Aspekte berücksichtigt.
• Süßigkeiten werden nur zu besonderen Gelegenheiten angeboten. Gesunde Alternativen stehen regelmäßig zur Verfügung.
• Die Kinder haben jederzeit Zugang zu Wasser oder ungesüßten Tees.
• Die Küchenfachkräfte verfügen über spezielles Fachwissen zu gesunder
und kinderfreundlicher Ernährung und bilden sich regelmäßig weiter.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Die Fachkräfte gestalten die
Mahlzeiten lustvoll und beziehen die Kinder ein.
• Die pädagogischen Fachkräfte sorgen während der gemeinsamen Mahlzeiten für eine angenehme und entspannte Atmosphäre und essen gemeinsam mit den Kindern.
• Die Kinder können selbst entscheiden, was und wie viel sie essen
möchten.
• Die Kinder haben die Möglichkeit, an der Zubereitung von Mahlzeiten
mitzuwirken (z. B. Einkaufen auf dem Markt, Waschen und Schneiden
von Gemüse und Obst, Brot backen…)
In der Kindertageseinrichtung
• Die pädagogischen Fachkräfte ermöglichen den Kindern vielfältige Sinneswird die Lust an Bewegung
und Bewegungserfahrungen.
sowie die Freude an und in
• Die pädagogischen Fachkräfte ermöglichen den Kindern häufig Erfahrunder Natur besonders gefördert.
gen in der Natur.
• Die pädagogischen Fachkräfte fördern die Freude an der Natur und die
Bereitschaft, liebevoll und sorgsam mit Pflanzen und Tieren umzugehen
und sich umweltfreundlich zu verhalten.
Psychische und soziale Gesund- • Die pädagogischen Fachkräfte kennen psychische und soziale Risiken im
heitsaspekte werden thematiKindesalter.
siert und berücksichtigt.
• Pädagogische Fachkräfte gehen empathisch mit den daraus resultierenden Bedürfnissen der Kinder um und legen Wert auf die Ausbildung
einer altersgemäßen Risikokompetenz.
• Die pädagogischen Fachkräfte setzen sich mit eigenen psychischen
Belastungen auseinander und nutzen Unterstützungsangebote.
Ruhe- und Entspannungsphasen für Kinder und pädagogische Fachkräfte werden
bewusst gestaltet.
• Der Alltag in der Kita ist so organisiert, dass die Kinder während der
Ruhe- und Schlafphasen nicht gestört werden.
• Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die Kinder dabei, zur Ruhe
zu kommen und bieten verschiedene Entspannungsmöglichkeiten an.
• Die Fachkräfte kennen und nutzen ihrerseits unterschiedliche Formen
der Stressbewältigung und nutzen ihre Pausenzeiten zur Entspannung.
Entwicklungsbesonderheiten
und -risiken werden frühzeitig
erkannt, die Erziehungsberechtigten werden entsprechend
beraten.
• Fachkräfte in der Einrichtung haben Kenntnisse über Anzeichen verschiedener Entwicklungsrisiken (körperliche, sprachliche oder kognitive Entwicklung).
• Im Fall eines Verdachts wird möglichst frühzeitig das Gespräch mit den
Erziehungsberechtigten gesucht, da nur diese tätig werden können.
• Beim Verdacht auf eine Gefährdung des Kindeswohls beteiligt sich die
Einrichtung an dem in diesen Fällen vorgesehenen Verfahren (§ 8a SGB
VIII).
61
Referenzrahmen gute gesunde Kita
3.1 Selbsttätiges und entdeckendes Lernen mit allen Sinnen ermöglichen
Damit Bildungsprozesse in Kindertageseinrichtungen stattfinden können, müssen Kinder die Gelegenheit
haben, ihren eigenen Interessen und Impulsen zu folgen. Bildungsprozesse gehen vom Kind aus und
knüpfen immer an dessen Vorerfahrungen an. Kinder lernen mit allen Sinnen und haben das Bedürfnis,
die Welt eigenständig zu entdecken. Die pädagogischen Fachkräfte gehen von ihren Beobachtungen der
Bildungsprozesse aus und geben Anregungen, stellen potentiell interessante Materialien zur Verfügung,
fordern die Kinder heraus und sorgen für flexible Zeit- und Spielräume.
Kinder, die ihren eigenen Fragen folgen können, lernen sich selbst und ihre Umgebung kennen und verstehen. Sie erfahren, dass sie selbst etwas bewirken können, sie lernen mit Frustrationen umzugehen,
sie probieren verschiedene Wege aus, um etwas zu erreichen. Diese Erfahrungen sind grundlegend für ein
gesundes Aufwachsen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Eigenaktivität der Kinder
• Die pädagogischen Fachkräfte nehmen alle Kinder als aktive und komwird als Ausgangspunkt der päpetente Lerner wahr und verstehen sich als Begleiterinnen und Begleidagogischen Arbeit verstanden.
ter der Bildungsprozesse der Kinder.
• Die pädagogischen Fachkräfte begleiten die Tätigkeiten der Kinder beobachtend und halten sich mit Vorschlägen, Erklärungen und Angeboten
zurück. Sie ermöglichen den Kindern, ihre eigenen Themen zu verfolgen
und eigene Lösungswege zu finden und stehen als Gesprächspartnerinnen und -partner oder als Unterstützung zur Verfügung, wenn die Kinder
dies benötigen oder wünschen.
• Die pädagogischen Fachkräfte tauschen sich im Team regelmäßig über
die Themen der Kinder aus und entwickeln gemeinsam Ideen für die
weitere Gestaltung der Arbeit.
Die Kinder finden viele Möglichkeiten zu handlungs- und
erfahrungsorientiertem Lernen.
• Die pädagogischen Fachkräfte ermöglichen den Kindern selbsttätiges
und entdeckendes Lernen, indem sie Räume und Materialien anregend
gestalten und an den aktuellen beobachteten Interessen der Kinder ausrichten.
• Die Kinder haben die Möglichkeit, alle Materialien und Geräte auszuprobieren, die sie interessieren.
• Die Kinder werden in der Auffassung bestärkt, dass nicht alles sofort
gelingen kann. Sie werden im Fall eines Misserfolgs ermuntert, den
nächsten Versuch zu wagen.
Die Kinder haben die Möglichkeit, Sicherheitskompetenz –
u. a. Risiken einschätzen, sich
selbst sichern – aufzubauen
und weiterzuentwickeln.
• Die Kinder haben die Möglichkeit, ihre eigenen Kräfte zu erproben, physische Grenzbereiche auszutesten und »kalkulierte Risiken« innerhalb
eines gesetzten Rahmens einzugehen.
• Die pädagogischen Fachkräfte sind sich des Spannungsverhältnisses von
Sicherheitserwägungen und den persönlichkeitsbildenden Impulsen von
herausfordernden und potenziell risikobehafteten Aktivitäten bewusst,
gehen in den fachlichen Austausch darüber und kommen zu begründeten Entscheidungen.
Die Kinder erhalten die Zeit, die • Die Kinder werden nicht unterbrochen, wenn sie in eine Sache vertieft
sie brauchen, um sich mit ihren
sind. Die pädagogischen Fachkräfte achten darauf, dass Kinder während
Fragen und Entdeckungen zu
des gesamten Tages ihre Tätigkeiten abschließen können.
beschäftigen.
• Die Fachkräfte gestalten den Tagesablauf so flexibel, dass Bildungsgelegenheiten jederzeit genutzt werden können.
• Die Kinder dürfen sich langweilen.
62
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Subjektive Bedeutsamkeit und • Die Erzieherinnen und Erzieher gehen von den Fragen der Kinder aus.
Bezug zur Lebenswelt des Kin- • Die pädagogischen Fachkräfte bieten den Kindern Anregungen und
des sind Auswahlkriterien für
Her-ausforderungen, die an ihren Themen, Erlebnissen und Erfahrungen
Projekte, Themen und Inhalte.
anknüpfen.
• Die Erzieherinnen und Erzieher gehen von Ereignissen und Erfahrungsmöglichkeiten im Umfeld der Einrichtung aus und greifen sie auf.
Die selbsttätigen Bildungspro- • Die pädagogischen Fachkräfte tauschen sich mit den Eltern über die
zesse der Kinder werden beim
ak-tuellen beobachteten Bildungsthemen der Kinder aus.
Austausch mit den Eltern regel- • Die pädagogischen Fachkräfte nutzen die Dokumentationen ihrer Beobmäßig thematisiert.
achtungen, um die Bildungsprozesse der Kinder für die Eltern sichtbar
zu machen.
• Die Bedeutung des selbsttätigen Lernens wird in Elternabenden thematisiert.
63
Referenzrahmen gute gesunde Kita
3.2 Selbstwahrnehmung und Peerbeziehungen unterstützen
Wie Kinder sich selbst wahrnehmen, ist gleichzeitig Resultat von und Voraussetzung für Erfahrungen in
sozialen Beziehungen und mit der gegenständlichen Umwelt. Eine Selbstwahrnehmung, die von positiven
Überzeugungen und Einstellungen sich selbst gegenüber geprägt ist, ist eine bedeutende personale Ressource, die in einem engen Wechselverhältnis mit der Gesundheit, Bildungsbereitschaft und -fähigkeit eines
Kindes steht. Auch Kontakte und Beziehungen zwischen den Kindern prägen das kindliche Selbstkonzept,
da jede Reaktion eines Gegenübers als Wissen über sich selbst nutzbar gemacht und in das eigene Selbstbild integriert wird. Peers sind darüber hinaus eine Entwicklungs- und Bildungsressource, weil sie von Erwachsenen-Kind-Beziehungen unterscheidbare Merkmale aufweisen; vor allem ist ihr Macht- und Kompetenzverhältnis ausgeglichener, was ko-konstruktive Bildungsprozesse besonders befördert. Peers teilen
ähnliche Interessen und Spielvorlieben und können, wenn sie regelmäßig zusammenkommen, individualisierte Beziehungen und Freundschaften ausbilden, die wertvoll für das emotionale Wohlbefinden und die
psychische Gesundheit sind.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
64
Die Erzieherinnen und Erzieher
ermöglichen den Kindern,
»Eigen-Sinn« zu entwickeln.
• Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die Kinder darin,...
• wahrzunehmen und zu vertreten, was sie mögen oder was sie nicht
mögen
• ein positives Selbstkonzept zu entwickeln
• Eigenliebe zu empfinden
• einen bewussten Umgang mit den eigenen Gefühlen und dem eigenen Körper zu entwickeln
• die eigene Geschlechtsidentität zu entwickeln.
Die Fachkräfte berücksichtigen
die Bedeutung von Peerbeziehungen und begleiten diese
respektvoll.
• Die pädagogischen Fachkräfte kennen die große Bedeutung von Peerbeziehungen und bieten dafür zahlreiche Gelegenheiten im Alltag.
• Die pädagogischen Fachkräfte ermöglichen den Kindern, ihre Beziehungen selbst zu wählen und ermuntern sie, auf andere Kinder zuzugehen.
• Die pädagogischen Fachkräfte beobachten die Kindergemeinschaft und
Peerbeziehungen regelmäßig und tauschen sich darüber aus.
Die pädagogischen Fachkräfte
ermöglichen allen Kindern die
Erfahrung, einer Kindergruppe
anzugehören.
• Die pädagogischen Fachkräfte regen das Zusammenspiel zwischen den
Kindern an, indem sie Materialien bereitstellen, die Kooperation und
gemeinsame Anstrengung erfordern.111
• Die Erzieherinnen und Erzieher unterstützen gemeinsame Aktivitäten
von neu aufgenommenen Kindern und Kindern, die die Einrichtung
schon länger besuchen.
• Rituale, die Sicherheit vermitteln und das Zusammengehörigkeitsgefühl
stärken, haben einen hohen Stellenwert.
Die Erzieherinnen und Erzieher
fördern die Kompetenzen der
Kinder, unterstützen sie dabei,
Meinungsverschiedenheiten
und Konflikte untereinander,
d. h. ohne direktes Eingreifen
der Erwachsenen, konstruktiv
zu lösen.
• Die pädagogischen Fachkräfte nehmen Konflikte ernst und begleiten sie
empathisch.
• Die pädagogischen Fachkräfte bestärken die Kinder in ihren Versuchen,
bei Konflikten selbst »Win-Win-Lösungen« zu finden.
• Bei Bedarf bieten die pädagogischen Fachkräfte auf der Basis fachlicher
Konzepte Schritte für Konfliktlösungen an, indem sie u. a.
• die Konfliktsituation beschreiben
• Auswirkungen des Konfliktverhaltens beschreiben
• aktiv zuhören und Fragen stellen
• Ich-Botschaften geben
• mögliche Lösungen beschreiben
• Kindern Konfliktlösungsrituale nahebringen.112
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Gefühlsäußerungen der Kinder
werden wahrgenommen und
beantwortet.
• Alle Gefühle haben im Alltag ihren Platz, auch Wut und Angst. Die
Fachkräfte reagieren mit Empathie.
• Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die Kinder dabei, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und auf die Gefühle anderer Kinder empathisch zu reagieren.
• Die pädagogischen Fachkräfte thematisieren gemeinsam mit den Kindern
verschiedene Möglichkeiten, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
Die Erfahrungen der Eltern mit • Die pädagogischen Fachkräfte tauschen sich mit den Eltern über die
den Peerbeziehungen ihrer KinBeziehungen ihrer Kinder zu anderen Kindern aus, insbesondere auch
der werden berücksichtigt.
über die Erfahrungen der Kinder mit Geschwistern.
• Sie entwickeln gemeinsam Ideen, wie sie Freundschaften zwischen Kindern unterstützen können.
111 Völkel 2010, S. 10
112 Kain u. a. 2006; Faller, Faller & Weiß 2008
65
Referenzrahmen gute gesunde Kita
3.3 Achtsame Kommunikation und Interaktion zwischen Erwachsenen und Kindern
Kommunikation und Sprache gehören zu den Grundlagen menschlichen Zusammenlebens. Sich ausdrücken
zu können, Dialoge zu führen, von sich zu erzählen, sich zu streiten und zu argumentieren sind die Kulturtechniken, die jedem Menschen ermöglichen, die Welt zu erfahren und zu begreifen und sie selbst mitzugestalten. Kommunikation und Partizipation betreffen Bildung und Gesundheit gleichermaßen. Achtsame
Kommunikation trägt dazu bei, dass Kinder sich wohl und angenommen fühlen. Die eigenen Bedürfnisse
äußern zu können, gehört zu werden und mitbestimmen zu können, ermöglicht Kindern, zu ihrem eigenen
Wohlbefinden beizutragen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die pädagogischen Fachkräfte
verstehen Kindheit als eine
dem Erwachsenenalter gleichberechtigte Lebensphase.
• Die Handlungen der Kinder werden als sinnvoll wahrgenommen und
nicht unterbrochen.
• Die pädagogischen Fachkräfte begegnen den Handlungen und Ideen
der Kinder mit Neugier und Offenheit.
• Der gegenseitige Umgang ist von wechselseitigem Respekt, Empathie
und Reversibilität geprägt, Kinder werden als gleichwertige und -berechtigte Partner betrachtet.
Die Interaktionen zwischen
Erzieherinnen bzw. Erziehern
und Kindern sind von Respekt
geprägt.
• Die Privatsphäre der Kinder (Eigentumsfach, eigenes Portfolio, Toilettengang) wird strikt respektiert.
• Die Erzieherinnen und Erzieher verdeutlichen jedem Kind, dass sie
strikt zwischen Person/Beziehung und Handlungsweisen trennen (z. B.:
»Du bist in Ordnung, aber das, was du machst, finde ich nicht in Ordnung.«)
• Die Erzieherinnen und Erzieher halten die Balance zwischen Nähe und
Distanz, können auch bei großer Sympathie Grenzen setzen.
Die Erzieherinnen und Erzieher
interagieren und kommunizieren in individualisierter Form.
• Die Erzieherinnen und Erzieher sprechen jedes Kind so an, wie es angesprochen werden möchte.
• Die Erzieherinnen und Erzieher sind sensibel für kulturbedingte Unterschiede in den Formen der Interaktion und Kommunikation (z. B. ist
eine Begrüßung per Handschlag oder eine Umarmung in der Öffentlichkeit in manchen Kulturen üblich, in anderen verstoßen sie gegen die
guten Sitten).
• Die Fachkräfte nutzen eine dem Alter des Kindes angemessene Sprache,
ohne dabei zu stark zu vereinfachen.
Die Erzieherinnen und Erzieher • Die Erzieherinnen und Erzieher signalisieren Empathie und fördern
orientieren sich bei der Komgleichberechtigte Kommunikation (wie auch sprachliche Kompetenzen)
munikation mit den Kindern an
durch
den Prinzipien der Reversibili• »aktives Zuhören«
tät und der Kongruenz.
• Fragen statt Aussagen, insbesondere offene Fragen
• Nachfragen
• Äußerungen, die Verständnis ausdrücken
• »Ich-Botschaften«113
• Am Modell der Erzieherin und des Erziehers können die Kinder Übereinstimmung zwischen Worten, Gefühlen und Verhaltensweisen (z. B.:
»Sage nicht ›ja‹, wenn du ›nein‹ sagen willst!«) beobachten.
113 Gordon 2012
66
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Kommunikation wird als Dialog • Die Fachkräfte reden mit den Kindern anregend, entwickeln mit den
verstanden, der durch WertKindern gemeinsame Dialoge und achten darauf, möglichst wenige
schätzung und Interesse getraAnweisungen zu geben (Tu dies!, Lass das!).
gen wird.
• Die Fachkräfte schreiben Geschichten oder Kommentare der Kinder zu
ihren eigenen Bauwerken, Bildern, etc. auf (Kinderdiktat).
• Die Fachkräfte reflektieren ihre Kommunikation mit den Kindern regelmäßig und geben sich gegenseitig dazu Rückmeldungen.
Sprachförderung findet in kom- • Gemeinsame, intensive Unterhaltungen finden regelmäßig statt (z. B.
munikativen Alltagsprozessen
im Morgenkreis, bei den Mahlzeiten).
statt.
• Die Erzieherinnen und Erzieher zeigen bei spontanen Erzählungen eines
Kindes Aufmerksamkeit und Interesse.
• Das Kommunikationsbedürfnis des Kindes hat Vorrang vor der grammatikalisch richtigen Form seiner Äußerungen.
• Die Erzieherinnen und Erzieher achten auf ihr Sprachvorbild.
Die Bedeutung einer wertschät- • Die pädagogischen Fachkräfte dokumentieren Gespräche mit den Kindern
zenden und offenen Kommunifür die Eltern.
kation wird auch mit den Eltern • Kommunikation mit Kindern ist auch ein Thema auf Elternabenden.
der Kinder thematisiert.
67
Referenzrahmen gute gesunde Kita
3.4 Beobachtung und Dokumentation als Grundlage von Bildungsbegleitung und
individueller Förderung
Das systematische Beobachten von Bildungs- und Entwicklungsprozessen von Kindern stellt ein wesentliches Instrument einer ressourcenorientierten und individuellen Bildungs- und Entwicklungsbegleitung dar.
Bildungsprozesse finden dann statt, wenn Kinder ihren eigenen Interessen folgen können und die Möglichkeit haben, sich in selbstgewählte Tätigkeiten zu vertiefen. Dabei profitieren sie von Anregungen und
Herausforderungen erwachsener Bezugspersonen ebenso wie von den Interaktionen mit anderen Kindern.
Eine Umgebung, die Platz für eigene Projekte und unterschiedlichste Materialien bereitstellt, unterstützt
die Bildungsprozesse.
Um Kinder in ihren aktuellen Bildungsprozessen begleiten zu können, benötigen pädagogische Fachkräfte
Zeit, die Tätigkeiten der Kinder systematisch zu beobachten und mit Kindern, Eltern und ihren Kolleginnen
und Kollegen zu besprechen. Nur so lassen sich die verschiedenen Aspekte individualisierter Bildungsanregungen für jedes Kind herausfinden.
Ressourcenorientierte Beobachtung von Kindern stellt die individuellen Stärken jedes Kindes in den Mittelpunkt. Das Bewusstsein über das eigene Können und die Erfahrung, angemessene Herausforderungen
bewältigen zu können, stärken das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeitserfahrung jedes Kindes. Dies
sind wichtige Grundlagen für das Wohlbefinden eines Kindes und seine Widerstandsfähigkeit im Sinne der
Salutogenese.
Die systematische Beobachtung des Wohlbefindens und der Entwicklung jedes Kindes kann die pädagogischen Fachkräfte und die Familien der Kinder auf mögliche besondere Bedürfnisse des Kindes aufmerksam machen und somit zu einer Stärkung von Gesundheit beitragen.
Schließlich unterstützt der intensivierte Austausch die Beziehung zwischen Kindertageseinrichtung, dem
Kind und seiner Familie und trägt so zu einer besseren Zusammenarbeit und der gemeinsamen Unterstützung des Kindes bei.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Das ressourcenorientierte
• Ziele und Verfahren der Beobachtung und Dokumentation werden im Team
Beobachten und Dokumentieabgestimmt und sind in der pädagogischen Konzeption beschrieben.
ren wird als Grundlage der Bil- • Beobachtungen und Dokumentationen orientieren sich in erster Linie
dungs- und Entwicklungsbean den Ressourcen, Leistungen und Fortschritten der Kinder.
gleitung verstanden.
• Im Fokus der systematischen Beobachtungen stehen sowohl individuelle
Bildungsprozesse jedes Kindes als auch Entwicklungsfortschritte und -besonderheiten sowie das Wohlbefinden jedes Kindes.
• Darüber hinaus werden die Interaktion in der Kindergruppe, die Raumgestaltung und durchgeführte Projekte regelmäßig beobachtet und ausgewertet.
Das Beobachten und Doku• Ein im Team abgestimmtes Verfahren ermöglicht den Fachkräften das
mentieren ist fest in die alltägungestörte systematische Beobachten.
lichen Abläufe eingeplant.
• Systematische Beobachtungen werden regelmäßig ausgewertet und mit
den Kolleginnen und Kollegen besprochen. Dafür ist ausreichend Zeit
eingeplant.
• Die Erzieherinnen und Erzieher haben die Möglichkeit, verschiedene
Methoden systematischer Beobachtung von Kindern verschiedener
Altersstufen ausführlich kennenzulernen und in der Praxis einzuüben.
68
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Das Beobachten findet im Aus- • Für das Beobachten erfragen die pädagogischen Fachkräfte das Einvertausch mit den Kindern und
ständnis der Kinder. Sie respektieren, wenn Kinder in bestimmten Situaihren Eltern statt.
tionen nicht beobachtet werden möchten.
• Die Ergebnisse der Beobachtungen werden zur Reflexion der eigenen
Arbeit, zur Planung von pädagogischen Angeboten sowie für den Austausch mit den Kindern und mit den Familien genutzt.
• Die Ergebnisse der Beobachtungen werden in einem angemessenen Umfang dokumentiert und Kindern und Eltern zugänglich gemacht.
69
Referenzrahmen gute gesunde Kita
3.5 Ressourcen der Kinder stärken und Partizipation fördern
Ein positives Selbstbild und hohe Selbstwirksamkeitserwartungen sind grundlegend für psychische Gesundheit und Wohlbefinden und ein aktives Zugehen auf die Welt. Deshalb ist es ein zentraler pädagogischer
Grundsatz, an den Stärken von Kindern anzusetzen und es ihnen zu ermöglichen, sich in Gestaltungs- und
Entscheidungsprozesse gemäß ihres Entwicklungsstandes und ihrer Interessen einzubringen. So wird die
kindliche Persönlichkeitsentwicklung – verstanden als Zusammenspiel von Individuation und Sozialisation114
– im Kontext der alltäglichen pädagogischen Arbeit unterstützt.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die pädagogischen Fachkräfte
stärken die Stärken und Ressourcen der Kinder.
• Die pädagogischen Fachkräfte nehmen die Stärken und Ressourcen jedes Kindes wahr und spiegeln sie den Kindern.
• Die pädagogischen Fachkräfte ermutigen die Kinder, ihre Stärken und
Fähigkeiten in die Kindergemeinschaft einzubringen.
• Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen die Kinder bei der Verwirklichung von selbstgewählten Vorhaben und ermutigen sie, bei Misserfolgen
nicht aufzugeben.
Jedes Kind wird herausgefordert, • Die Erzieherinnen und Erzieher erwarten von keinem Kind etwas, das
aber nicht überfordert. Es kann
es (noch) nicht kann.
sich innerhalb seiner individu- • Beobachtungen führen zu einer individuellen Wahrnehmung des Kindes
ellen »Zone der nächsten Entund seines Bildungsprozesses und folglich zu »individuellen Curricula«.
wicklung«115 bewegen.
• Projekte, Angebote sowie Raum- und Materialgestaltung, aber auch Aufsicht und Kontrolle orientieren sich an den individuellen Voraussetzungen, den aktuellen Interessen und Themen der Kinder und bieten neue
Herausforderungen.
Die Kinder werden bei allen
• Die pädagogischen Fachkräfte lassen die Kinder so oft wie möglich selbst
Fragen, die sie betreffen, ihrem
wählen (z. B. den Sitzplatz am Esstisch, rausgehen oder drinbleiben).
Alter angemessen beteiligt.
• Die pädagogischen Fachkräfte ermutigen die Kinder, ihre Meinung und
ihre Wünsche zu Angeboten, Raumgestaltung und Regeln zu äußern und
berücksichtigen diese.
• In der Kindertageseinrichtung gibt es erprobte Verfahren, um die Kinder
zu beteiligen (Kinderparlament, Abstimmungen …)
Die Mitwirkung der Kinder und • Die Materialien in der Einrichtung sind den Kindern frei zugänglich, sodas Übernehmen von Verantfern im Einzelfall nicht Sicherheitsaspekte dagegen sprechen.
wortung haben einen hohen
• Die pädagogischen Fachkräfte respektieren Regeln, die zwischen Kindern
Stellenwert.
ausgehandelt werden.
• Die Kinder können sich zeitweise und nach Absprache auch an Orten
aufhalten, an denen keine Erzieherin oder kein Erzieher anwesend ist.
114 Damon 1990
115 vgl. Wygotski 1987
70
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
4.1 Transparente und demokratische Einrichtungskultur
Die Kindertageseinrichtung gilt als »Kinderstube der Demokratie«.116 Wie unter einem Brennglas werden
hier demokratische Strukturen und Prinzipien in einem überschaubaren und sinnhaften Rahmen für die
Kinder, aber auch für alle weiteren Akteure erfahr- und gestaltbar. Regeln, Abläufe und Entscheidungen
sollten in ihrer Entstehung transparent gemacht werden, auf der Basis demokratischer Meinungsbildung
gründen und potenziell verändert werden können. Alle Akteure haben die Chance, eigene Wünsche, Kritikpunkte und Ideen einzubringen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Der Alltag in der Einrichtung
orientiert sich am Ziel eines
demokratischen Zusammenlebens.
• Die Interessen von Kindern, Eltern, pädagogischen Fachkräften, sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Leitungskraft werden
sichtbar gemacht und fließen in Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse ein.
• Alle Beteiligten übernehmen im Rahmen ihrer Möglichkeiten Verantwortung für das gemeinsame Leben.
• Chancengleichheit und Gendersensibilität sind nicht nur Bestandteil der
pädagogischen Konzeption, sondern ebenso gelebte Praxis.
In der Kindertageseinrichtung
sind Abläufe und Entscheidungen für alle nachvollziehbar.
• Bei anstehenden Entscheidungen oder Veränderungen ist die frühzeitige Information aller betroffenen Gruppen eine Selbstverständlichkeit.
• Abläufe und Entscheidungsstrukturen sind allen bekannt und werden
neuen Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erläutert.
• Abläufe und Entscheidungsstrukturen werden regelmäßig hinterfragt und
auf die pädagogische Sinnhaftigkeit und die Funktionalität hin überprüft.
Leitung und Team wirken auf
• Kolleginnen und Kollegen werden möglichst frühzeitig über alle Ereigzielführende Entscheidungspronisse informiert, die für sie von Bedeutung sein könnten.
zesse und ein aktives gegen• Die Regeln der Entscheidungsfindung in Angelegenheiten, von denen
seitiges Informationsverhalten
alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen sind, werden gemeinsam
hin.
festgelegt.
• Die Grundsätze der Dienstplangestaltung werden im Team gemeinsam
mit allen Beteiligten festgelegt.
Die Berücksichtigung der
Belange und Wünsche der
Eltern ist sichergestellt.
• Die Öffnungszeiten der Einrichtung werden am systematisch erhobenen
Bedarf der Familien im Umfeld des Einzugsbereichs der Einrichtung festgelegt.
• Zufriedenheit, Bedarfe und Anregungen von Eltern werden regelmäßig
abgefragt und berücksichtigt.
• Die pädagogischen Grundsätze der Einrichtungskonzeption werden mit
den Eltern regelmäßig diskutiert.
Die Eltern sind an der Weiterentwicklung der Einrichtung
beteiligt.
• Die Eltern arbeiten aktiv in den Gremien der Einrichtung (Elternversammlung, Elternbeirat, Rat der Kindertageseinrichtung) mit.
• Die Elternvertretung wird als willkommener Kooperationspartner betrachtet, frühzeitig informiert und in anstehende Entscheidungen bereits im
Vorfeld einbezogen.
• Die Beteiligung von Eltern am Geschehen in der Einrichtung ist willkommen.
116 vgl. Hansen u. a. 2009
71
Referenzrahmen gute gesunde Kita
4.2 Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Familien der Kinder
Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen für Kinder, und die Erfahrungen, die Kinder in ihren Familien
machen, beeinflussen die kindliche Entwicklung in besonderer Weise. Bildungs- und Gesundheitsförderung
in Kindertageseinrichtungen kann deshalb nur im Kontakt und in Kooperation mit den Eltern gelingen.
Kinder profitieren außerdem besonders dann von der familienergänzenden Betreuungs- und Bildungsumwelt, wenn es positive Verbindungen zwischen den Lebensbereichen gibt. Der Aufbau einer respektvollen
und wertschätzenden Beziehung zu den Familien und die Gestaltung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit liegen dabei in der Verantwortung der professionellen pädagogischen Fachkräfte.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die partnerschaftliche Zusam• Die Belange und Bedürfnisse der Eltern sind bedeutsame Bezugspunkte
menarbeit mit den Familien hat
in der Arbeit der Kindertageseinrichtung.
einen ebenso hohen Stellenwert • Die Familien der Kinder werden von den pädagogischen Fachkräften als
wie die pädagogische Arbeit
die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder uneingeschränkt anerkannt.
mit den Kindern.
• Die pädagogischen Fachkräfte pflegen eine achtungs- und vertrauensvolle Beziehung zu den Eltern der Kinder.
Die pädagogischen Fachkräfte • Die Familien aller Kinder werden freundlich begrüßt und angesprochen.
pflegen einen respektvollen
• Familien haben grundsätzlich Zugang zu allen Räumen der Kindertagesund wertschätzenden Umgang
einrichtung, in denen sich ihre Kinder aufhalten. Pädagogisch begrünmit den Eltern, Geschwistern
dete Ausnahmen werden mit den Eltern abgestimmt.
und sonstigen Bezugspersonen • Mit und von den Familien der Kinder wird stets respektvoll gesprochen.
der Kinder.
Die Familien der Kinder sind
im Alltag der Kindertageseinrichtungen präsent.
• Beim Bringen und Abholen der Kinder können sich die Eltern die Zeit
nehmen, die sie und ihr Kind als angemessen empfinden.
• Von jedem Kind werden nach Möglichkeit Fotos der Familie aufgehängt.
• Die Familien werden eingeladen, Dinge, Geschichten, Wörter, Lieder…
aus ihrer Familienkultur in den Kita-Alltag einzubringen.
• Kompetenzen von Eltern werden – wenn möglich – einbezogen, z. B. für
die Beteiligung an Veranstaltungen (Feste, Ferienfreizeiten), Gestaltung
der Räume der Einrichtung und ihres Außengeländes, Durchführung bestimmter Angebote auf der Basis von Honorarverträgen u. ä.
Die pädagogischen Fachkräfte • Die pädagogischen Fachkräfte tauschen sich regelmäßig mit den Eltern
stehen in einem engen und
über die Gesundheit und das aktuelle Befinden, die aktuellen Bedürfvertrauensvollen Austausch mit
nisse und die Themen der Kinder aus und berücksichtigen diese bei
den Eltern.
der Gestaltung des Alltages.
• Die pädagogischen Fachkräfte nehmen sich regelmäßig und nach Bedarf
Zeit für ausführliche Gespräche mit den Eltern zur Entwicklung und Bildung ihrer Kinder sowie zu Erziehungsfragen.
• Die pädagogischen Fachkräfte gehen auf Sorgen, Ängste und Befürchtungen der Eltern sensibel und empathisch ein.
Alle Informationen werden
leicht verständlich präsentiert
und sind allen Eltern zugänglich.
72
• Die pädagogischen Fachkräfte stimmen mit den Eltern ein geeignetes
Informationsverfahren ab (Aushänge, E-Mail Verteiler, Elternbriefe…).
• Die pädagogischen Fachkräfte sorgen dafür, dass Informationen für Familien, die kein Deutsch verstehen, übersetzt werden. Wichtige Informationen liegen auch in den Erstsprachen von Familien mit Migrationshintergrund vor.
• Die pädagogischen Fachkräfte informieren die Familien regelmäßig über
die aktuellen Telefonnummern, Ansprechpartnerinnen und -partner und
Sprechzeiten und richten diese am Bedarf der Eltern aus.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
In der Kindertageseinrichtung
gibt es verschiedene Angebote
für Eltern, die zur Gesundheit
und zum Wohlbefinden von
Kindern und ihren Familien
beitragen.
• Die pädagogischen Fachkräfte bieten zu verschiedenen pädagogischen
Themen Informationen und Austausch an (z. B. Trocken werden, Trotzphase, Geschwisterbeziehungen …).
• Die Eltern werden regelmäßig zu ihren Themenwünschen und bevorzugten Zeiten befragt.
• Die Einrichtung baut Kooperationen auf, um verschiedene Gesundheitsund Bewegungsangebote für Familien anbieten zu können.
Die Kindertageseinrichtung ist
Treffpunkt und Informationsort
für Eltern.
• Die Einrichtung hält für Eltern deutlich sichtbar und leicht zugänglich
Informationen über Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebote im nahen
Umfeld bereit.
• In der Einrichtung gibt es Informationen zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Eltern.
• In der Einrichtung gibt es einen Ort für den Austausch der Eltern untereinander (z. B. Elternecke, Elterncafé ...).
73
Referenzrahmen gute gesunde Kita
4.3 Gestaltung von Übergängen und Kooperation mit der Grundschule
Übergänge werden heute als Transitionen, als »komplexe, ineinander übergehende und sich überblendende Wandlungsprozesse« verstanden.117 Die Diskontinuität, die mit Übergängen einhergeht, bringt für alle
am Übergangsprozess Beteiligten Veränderungen auf der individuellen, der Beziehungs- und der Ebene
der Lebensumwelten mit sich. Die Kita als ein beteiligter Lern- und Lebensort – sowohl beim Übergang
eines Kindes von der Familie in die Kita als auch beim Übergang von der Kita in die Grundschule – hat
die Aufgabe, Übergänge so zu gestalten, dass sie von den beteiligten Kindern und Eltern als bewältigbar
erlebt werden. Sie trägt damit dazu bei, dass Kinder und Eltern den Transitionsprozess als weniger stresshaft erleben, gestärkt daraus hervorgehen und die erfolgreiche Bewältigung des Übergangs als zukünftige
Entwicklungsressource verfügbar wird.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Übergänge der Kinder von der • Alle pädagogischen Fachkräfte in der Kindertageseinrichtung kennen die
Familie in die KindertageseinBedeutung von Übergängen für die Kinder.
richtung, innerhalb der Einrich- • In der Einrichtung gibt es begründete Konzepte für die Gestaltung der
tung und von der Einrichtung
Übergänge, die allen bekannt sind und regelmäßig überprüft werden.
in die Schule werden bewusst • Alle Übergänge der Kinder werden in enger Kooperation mit den Eltern
gestaltet.
und den anderen Beteiligten gestaltet.
Jede Eingewöhnung eines Kindes wird bestmöglich vorbereitet.
• Den Eltern werden vor Aufnahme des Kindes über den Ablauf der Eingewöhnung ausführlich informiert.
• Die pädagogischen Fachkräfte informieren sich vor Beginn der Eingewöhnung über die Gewohnheiten, Vorlieben und Besonderheiten des
Kindes und erfragen Wünsche der Eltern.
• Während der Zeit der Eingewöhnung planen die Fachkräfte ausreichend
Zeit für Gespräche mit den Eltern ein.
Der Ablauf einer Eingewöhnung • Die Dauer einer Eingewöhnung wird ganz allein von den Bedürfnissen
ist an den Bedürfnissen des
des Kindes bestimmt.
jeweiligen Kindes ausgerichtet. • Die Fachkräfte bemühen sich, die Bedürfnisse des Kindes im Alltag
bestmöglich zu erfüllen und überprüfen unter diesem Gesichtspunkt Alltagsroutinen und Materialangebot.
• Für die Zeit der Eingewöhnung sind die Fachkräfte von anderen Verpflichtungen freigestellt, so dass eine zuverlässige Bindung wachsen
kann.
Der Übergang in die Schule
wird langfristig vorbereitet.
117 Griebel & Niesel 2004, S. 35
74
• Die Eltern der Kinder werden frühzeitig über die Bedeutung des Übergangs in die Schule für die Kinder informiert.
• Die Kinder gestalten aktiv die Verabschiedung der Schulkinder im Jahr
vor ihrem eigenen Schuleintritt mit.
• Die Vorstellungen, Wünsche und Befürchtungen der Kinder in Bezug auf
die Schule werden von den pädagogischen Fachkräften mit verschiedenen Mitteln aufgegriffen.
• In Zusammenarbeit mit den Lehrkräften an den Grundschulen werden
Aktivitäten durchgeführt, die geeignet sind, Ängste und Unsicherheiten
bei den Kindern abzubauen (z. B. wechselseitige Hospitationen und
Besuche, gemeinsame Aktivitäten von Kindergartenkindern und Erstklässlern, Unterstützungs- und Patensysteme).
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Abschiede werden mit Ritualen • Jeder Abschied von Kindern und Eltern wird bewusst und liebevoll
und individuellen Aktivitäten
gestaltet.
begangen.
• In der Kindergruppe gibt es Rituale für die Gestaltung von Abschieden.
• Jedes Kind wird individuell verabschiedet.
Die Kindertageseinrichtung
arbeitet mit den aufnehmenden Grundschulen in der
Umgebung zusammen.
• Die pädagogischen Fachkräfte kennen die zuständigen Grundschulen in
der Umgebung der Kindertageseinrichtung.
• Es finden regelmäßige Kooperationstreffen zwischen den Schulen und
den Kindertageseinrichtungen statt.
• Die pädagogischen Fachkräfte nehmen nach Möglichkeit Kontakt mit
den zukünftigen Lehrkräften der Kinder auf und entwickeln Aktivitäten
zur Begleitung des Übergangs.
75
Referenzrahmen gute gesunde Kita
4.4 Öffnung in den Sozialraum
Der Sozialraum, in dem Kinder und Familien leben, wirkt durch die Zusammensetzung der dort lebenden
Menschen und ihre Bedarfe, regionale Traditionen, die Mitwirkung von Eltern und anderen interessierten
Personen und durch die bestehende Infrastruktur im Umfeld der Einrichtung in die Kindertageseinrichtung
hinein und beeinflusst deren pädagogische Ausrichtung und Qualität. Umgekehrt sind Kindertageseinrichtungen auch aktive Gestalter im Sozialraum, wenn sie ihre Arbeit bekannt machen, sich bei Stadtteilfesten
und anderen Gelegenheiten engagieren und mit anderen pädagogischen, psychosozialen und Gesundheitsdiensten im Umfeld Kontakte pflegen oder kooperieren. Werden beide Perspektiven berücksichtigt, können
Aktivitäten und Angebote besser aufeinander abgestimmt werden, so dass Doppelungen vermieden werden,
eine Erweiterung der Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten von Kindern sowie eine effektivere Nutzung
von Bildungs- und Gesundheitsressourcen erreicht wird. Sozialraumorientierung hat in diesem Sinne ein
Doppelmandat:118 die Entwicklung der Adressaten zu unterstützen und Barrieren im Sozialraum zu identifizieren und abzubauen.
Die Formen kindlicher Lebensweltaneignung »…hängen wesentlich davon ab, ob und wie Kinder sich in
diesem Sozialraum einfühlen, ihn erleben und mitgestalten können und wie sie den Umgang ihrer Bezugspersonen mit dem Lebensumfeld erleben«.119 Räume, Aktivitäten und Angebote der Kindertageseinrichtung
sollten unter aktiver Beteiligung der Akteure im Lebensumfeld geplant und gleichzeitig an ihren Bedürfnissen ausgerichtet werden.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Fachkräfte kennen die sozialen Gegebenheiten im Einzugsbereich der Einrichtung.
• Die Fachkräfte kennen das Wohnumfeld der Einrichtung, in der sie
arbeiten, und die Orte, an denen sich Kinder und Familien aufhalten.
• Die Fachkräfte kennen die für Familien wichtige Infrastruktur im Umfeld
(z. B. Büchereien, Familienbildungsstätten, Ärzte, Gesundheitsdienste,
Spielplätze, Vereine, Beratungsstellen).
• Sie können Eltern auf bestehende Angebote im näheren Umfeld der
Einrichtung hinweisen.
Die Einrichtung kooperiert mit • Es gibt eine Liste aller relevanten Personen und Institutionen, mit
anderen Kindertageseinrichtundenen die Einrichtung kontinuierlich zusammenarbeitet (mit den Namen
gen und mit Anbietern verschieder Ansprechpartner, ihrem Verantwortungsbereich, mit Adressen und
dener Leistungen für Kinder
Telefonnummern).
und Familien.
• Kooperationspartner passen zu dem pädagogischen Konzept der Einrichtung.
• Sinn, Umfang und Nutzen der jeweiligen Kooperation sind weitgehend
geklärt.
• Es gibt innerhalb des Teams bestimmte Ansprechpartnerinnen und
-partner und klare Absprachen über Aufgaben und Verantwortlichkeiten
sowie über Art und Umfang der jeweiligen Kooperationen.
Kindertageseinrichtungen, die
• Die pädagogischen Fachkräfte informieren sich regelmäßig über die
ein Familienzentrum aufbauen
Angebote des Familienzentrums und geben diese Informationen an die
oder bereits aufgebaut haben,
Eltern weiter.
arbeiten eng mit verschiedenen • Die Einrichtung hat Kontakt zu Personen bzw. Institutionen im mediziAnbietern zusammen.
nischen bzw. therapeutischen Bereich und bietet Räumlichkeiten für
regelmäßige Sprechstunden an.
118 vgl. Kobelt-Neuhaus & Refle 2013, S. 12
119 vgl. Kobelt-Neuhaus & Refle 2013, S. 13
76
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
4.5 Gesundheitsförderliches Einrichtungsklima
Gesundheitsförderung in Kindertageseinrichtungen setzt im Alltag an, und die gute gesunde Kita erkennt
man auch an den Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Einrichtung: den Räumlichkeiten, der Qualität der
alltäglichen Abläufe und den dort üblichen Kommunikations- und Umgangsformen. Diese Umweltfaktoren
wirken sich auf subtile Weise auf das emotionale Wohlbefinden bzw. das Belastungserleben, die Stimmungslage sowie auf den Aktivitätsgrad und die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Erwachsenen und Kindern
aus. Oft können schon geringe und kostengünstige Veränderungen in Verhaltensweisen oder Abläufen zu
deutlichen Verbesserungen führen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Der Alltag in der Einrichtung
ist durch ein Klima geprägt, in
dem sich alle wohl fühlen.
• Die Kommunikation zwischen Fachkräften, Eltern und Kindern ist freundlich und respektvoll.
• Kooperation wird als wichtiger Aspekt des Arbeitsalltags angesehen und
gelebt.
• Alle Räumlichkeiten sind einladend gestaltet und in einem gepflegtem
Zustand.
• In der Einrichtung herrschen stets angenehme und den jeweiligen Aktivitäten entsprechende Lichtverhältnisse.
In der Kindertageseinrichtung
wird für angenehme räumliche
Bedingungen gesorgt.
• Der Geräuschpegel in der Einrichtung ist ständig niedrig.
• Alle Räumlichkeiten werden mehrmals täglich gelüftet.
• Alle Räumlichkeiten werden täglich gereinigt und aufgeräumt.
Absprachen sind von Verläss• Termine und Sprechzeiten werden von den pädagogischen Fachkräften
lichkeit als Zeichen des gegenund von den Eltern eingehalten.
seitigen Respekts geprägt.
• Die pädagogischen Fachkräfte können ihre geplanten Arbeitszeiten
einhalten.
• Mit den Kindern vereinbarte Aktivitäten finden verlässlich statt.
Die Arbeit in der Einrichtung ist • Die Erzieherinnen und Erzieher setzen kein Kind unter Zeitdruck.
so strukturiert, dass für nieman- • Die Erzieherinnen und Erzieher werden selbst nicht unter Zeitdruck
den Zeitdruck entsteht.
ge-setzt.
• Um zeitlichen Druck beim Bringen und Abholen zu verringern, werden
gemeinsam mit den Eltern Unterstützungsmöglichkeiten entwickelt.
(z. B. Zusammenarbeit mit Tagesmüttern, Babysitterbörse...)
Das Engagement und die geleistete Arbeit aller werden
gewürdigt und wertgeschätzt.
• Die pädagogischen Fachkräfte erhalten positive Rückmeldungen von
der Einrichtungsleitung.
• Die Arbeit der sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Reinigungskräfte, Köchinnen und Köche, Küchenfachkräfte, Haushaltskräfte…) wird
wahrgenommen und gewürdigt.
• Das ehrenamtliche Engagement von Eltern wird wahrgenommen und
angemessen gewürdigt.
77
Referenzrahmen gute gesunde Kita
Positive Rückmeldungen sind
fester Bestandteil des Alltags.
78
• Es finden regelmäßig soziale Veranstaltungen für alle Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter wie Feiern oder Betriebsausflüge statt, die förderlich für
das Betriebsklima sind.
• Kinder, Erzieherinnen und Erzieher erfahren Bestätigung und haben Erfolgserlebnisse.
• Die pädagogischen Fachkräfte versuchen, den Eltern täglich von beobachteten Ressourcen und Erfolgserlebnissen der Kinder zu berichten.
• Bei der Erhebung von der Zufriedenheit der Eltern mit der Kita wird
auch nach positiven Einschätzungen gefragt.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
5.1 Einrichtungsleitung
Leitungskräfte sind Schlüsselfiguren für die Qualität und Qualitätsentwicklung in der Kindertageseinrichtung.
Sie tragen Verantwortung für einen geregelten Betriebsablauf, aber vor allen Dingen für die Personal- und
Teamentwicklung, die fachliche wie konzeptionelle Weiterentwicklung und die Herausbildung eines pädagogischen Profils und Wertekerns. Das Leitungshandeln und die hieraus entstehenden Impulse tragen maßgeblich zur Ausgestaltung und Qualität des Bildungsangebots und ebenso zu einem Gesundheitsbewusstsein und zur Implementierung gesundheitsförderlicher Strukturen und Prozesse bei.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Leitung sorgt für verlässliche und klare Abläufe in der
Einrichtung.
• In der Einrichtung ist ein Sicherheit vermittelnder Umgang mit Zeitstrukturen und -vorgaben üblich.
• Der Informationsfluss ist sichergestellt – auch bei zeitweiliger Abwesenheit (z. B. Krankheit).
• Mängel werden umgehend erkannt und behoben.
• Entscheidungen sind transparent, verbindlich und nachhaltig.
• Leitungsverständnis und Leitungshandeln sind kooperativ.
• Dinge, die eine bestimmte Mitarbeiterin oder/einen bestimmten Mitarbeiter betreffen, werden nicht im Beisein von anderen verhandelt.
Die Leitung fühlt sich für die
Weiterentwicklung der Einrichtung verantwortlich und treibt
sie voran.
• Die Leitung ist in der Lage, fachliche Visionen für die Einrichtung und
für sich selbst zu entwerfen.
• Die Leitung hat klare Vorstellungen von ihren mittelfristigen Zielen.
• Sie sucht einen tragfähigen Konsens mit Team und Träger hinsichtlich
zentraler pädagogischer Werte und Ziele.
Die Leitung sorgt für die eigene • Die Leitungskraft ist an den fach- und berufspolitischen Fragen ihres
fachliche Weiterqualifikation.
Berufsstandes interessiert.
• Sie nimmt regelmäßig an Arbeitskreisen für Leitungskräfte teil.
79
Referenzrahmen gute gesunde Kita
5.2 Aufgaben- und Kompetenzverteilung/Organisation der Zusammenarbeit/Personaleinsatz
Ein gut funktionierendes Team zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Mitglieder in ihren spezifischen
Kompetenzprofilen ergänzen und Unterschiedlichkeit nicht vorrangig als Bedrohung und Konkurrenz, sondern als Bereicherung und Ansporn zu eigener Weiterentwicklung wahrgenommen wird. Dies gelingt, wenn
die Aufgaben- und Kompetenzverteilung transparent ist und in einem partizipativen Prozess vorgenommen
wird, die Zusammenarbeit durch Information und Kommunikation gestützt ist und jede/r sich mit seinen
Stärken, Anliegen und Fragen angemessen einbringen kann. Ein solches Verständnis multiprofessioneller
Teams stärkt die Kindertageseinrichtung nicht nur im Hinblick auf ein breites und anspruchsvolles pädagogisches Angebot, sondern auch das Zugehörigkeits- und Kohärenzgefühl sowie die Zufriedenheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Verteilung der Aufgaben ist • Die Leitung ist um eine klare und faire Aufgabenverteilung bemüht.
klar geregelt.
• Die Aufgabenverteilung berücksichtigt die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten.
• Kompetenzen und Entscheidungsstrukturen bei der Verteilung der Aufgaben sind geklärt und für alle transparent.
• Die Leitung delegiert so viele Aufgaben wie möglich und gibt der jeweiligen Fachkraft Entscheidungsbefugnisse.
Die Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind breit gestreut und
werden gezielt ergänzt.
• Im Team sind unterschiedliche Zusatzqualifikationen vorhanden.
• Im Team sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlichen
fachlichen Schwerpunkten und Interessen.
• Im Team sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlich langer Berufserfahrung.
Die Mitarbeiterinnen und Mitar- • Die Teammitglieder können bei der gemeinsamen Planung und Durchbeiter können ihre Stärken und
führung der pädagogischen Arbeit ihre jeweiligen Interessen und Stärihre Ideen in die pädagogische
ken einbringen.
Arbeit einbringen.
• Wechselseitige kollegiale Beratung findet regelmäßig statt.
80
Die Belange der Beschäftigten
werden beim Personaleinsatz
und bei der Dienstplangestaltung so weit wie möglich berücksichtigt.
• Die Arbeitszeiten und der (hauptsächliche) Arbeitsort des Personals sind
in Schriftform vereinbart.
• Wünsche und Erwartungen der Fachkräfte an die Dienstplangestaltung
werden erfragt und nach Möglichkeit berücksichtigt.
• Bei Interessenkollisionen werden in offener Weise konstruktive Lösungen
gesucht.
• Es wird regelmäßig (mindestens einmal im Jahr) geprüft, ob die Dienstplangestaltung noch den Bedürfnissen und Erfordernissen der Kinder,
Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entspricht.
Arbeitsplatzbeschreibungen
• Die Aufgaben des Personals sind vertraglich in Schriftform vereinbart
(Arbeitsplatzbeschreibungen).
• Die Angemessenheit der Arbeitsplatzbeschreibungen und ggf. Notwendigkeiten der Weiterentwicklung werden in regelmäßigen Abständen
reflektiert.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
5.3 Zusammenarbeit im Team/Teamkultur
Unter Professionalität frühpädagogischer Fachkräfte-Teams ist der kritisch-diskursive, fachlich fundierte
Austausch über pädagogische Grundorientierungen, die fortwährende Überprüfung und Reflexion von
Erfahrungswissen und ein diversitätssensibler und auf Anerkennung beruhender Umgang der Fachkräfte
miteinander zu verstehen.120 Damit die Zusammenarbeit im Team gut funktioniert und im Sinne der Organisationsziele, aber auch der Gesundheit und persönlichen Weiterentwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedenstellend verläuft, gilt es, eine Teamkultur zu schaffen, in der sich zum einen alle Kolleginnen und Kollegen aufeinander verlassen können, zugehörig und akzeptiert fühlen sowie Problemsituationen gemeinsam bewältigen (Zugehörigkeitsgefühl), und in der zum anderen berufliche Anforderungen
strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen und es
sich lohnt, die Anforderungen als Herausforderungen anzunehmen und zu bewältigen (Kohärenzgefühl).
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Strukturierte und verbindliche
Formen der Zusammenarbeit
sind im Team etabliert.
• Teamsitzungen werden zur Sicherstellung und Weiterentwicklung des
laufenden Betriebs (Informationsfluss, Vertretungsregelung, Aufgabenverteilung etc.) genutzt. Absprachen sind klar und verbindlich.
• Teambesprechungen werden genutzt, um die Arbeit inhaltlich, z. B. hinsichtlich der Entwicklung einzelner Kinder, der Zusammenarbeit mit den
Eltern, der Schule, dem Träger und anderen Institutionen oder bezogen
auf die Öffentlichkeitsarbeit etc. zu reflektieren.
• In regelmäßigen Abständen reflektieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ob sie mit den Inhalten und dem Verlauf der Teamsitzungen
noch einverstanden sind.
Die Zusammenarbeit zwischen • Die Fachkräfte verstehen und verhalten sich als Team.
den pädagogischen Fachkräften • Die pädagogischen Fachkräfte unterstützen sich gegenseitig in schwieriist kooperativ und wird kontigen Situationen und bieten sich gegenseitigen Rückhalt.
nuierlich reflektiert
• Die pädagogischen Fachkräfte sprechen offen über Probleme und Schwierigkeiten in der Arbeit und suchen gemeinsam nach Lösungen.
Die pädagogischen Fachkräfte • Das Team sucht eine möglichst enge Abstimmung in konzeptionellen
stellen die Basis der gemeinsaGrundfragen, jedes Teammitglied hat jedoch Freiraum bei der Ausgestalmen Arbeit beständig neu her.
tung seiner pädagogischen Arbeit.
• Der konstruktive Diskurs über pädagogische Orientierungen und Werte
ist erwünscht und wird unter den Kolleginnen und Kollegen geführt. In
Teamsitzungen und/oder Inhouse-Fortbildungen sind Zeiten hierfür eingeplant.
Die Zusammenarbeit stärkt und • Die Arbeitsbelastung der einzelnen Teammitglieder entspricht den indientlastet die Mitarbeiterinnen
viduellen Möglichkeiten.
und Mitarbeiter. Dem Team sind • Wahrgenommene Anzeichen von Überbelastung und Burn-Out werden
die Grenzen der Belastbarkeit
den Betreffenden zurückgemeldet.
bewusst (Bedeutung von Gesundheitsförderung und Prävention, Vermeidung von Burn-Out).
120 vgl. Alberti 2013
81
Referenzrahmen gute gesunde Kita
5.4 Zusammenarbeit mit dem Träger
Träger stellen den ideellen, organisatorischen und finanziellen Rahmen bereit, in dem Kindertageseinrichtungen sich zu guten und gesunden Institutionen entwickeln. Je nachdem, wie verlässlich, transparent und
wertschätzend sich die Zusammenarbeit gestaltet, kann diese als Ressource genutzt oder als zusätzliche
Belastung empfunden werden.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Leitung ist in Verwaltungsaufgaben einbezogen, wird
dabei aber auch entlastet.
• Die Einrichtungsleitung verfügt über die erforderlichen Kenntnisse und
Fähigkeiten in Fragen der Betriebsführung.
• Die Leitung wirkt bei der Verwaltung, insbesondere bei der Verwendung
der finanziellen Mittel, mit.
• Es gibt eine klare Organisation von Arbeitsabläufen (Dienstplangestaltung, Raumnutzung, Zugriff auf Dokumente und Literatur).
• Die Vertretungsregelungen sind transparent.
Die Zusammenarbeit mit dem
• Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sind zwischen Träger, Leitung
Träger ist verlässlich und transund Team geklärt.
parent.
• Eine ständige wechselseitige Information zwischen Träger, Team und
Leitung ist sichergestellt.
Die Leitung ist am Personalma- • Die Einrichtungsleitung ist an Stellenausschreibungen und Einstellungsnagement beteiligt.
gesprächen beteiligt.
• Die Fachkräfte werden in sie betreffende Entscheidungen möglichst frühzeitig einbezogen.
Die konzeptionelle Weiterent• Die Konzeption und die Einrichtungsziele werden in Kooperation zwiwicklung erfolgt nicht top-down,
schen Leitung, Team und Träger und im Austausch mit den Eltern weisondern partizipativ und beteiterentwickelt.
ligungsorientiert.
• Bei Konflikten oder Problemen werden die Fachkräfte von der Leitung
und ggf. Fachberaterinnen und -beratern unterstützt.
82
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
5.5 Prävention und Gesundheitsförderung als Führungsaufgabe
Gesundheit und Sicherheit sind zentrale Ziele der guten gesunden Kita. Es gehört somit zu den genuinen
Führungsaufgaben, über diese Ziele und Wege der Zielerreichung einen Konsens herzustellen und die
eigene Gesundheit ebenso wie die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowie Kindern regelmäßig zu reflektieren. Leitung hat in dieser Hinsicht eine persönliche Vorbildwirkung, ihr obliegt es aber darüber hinaus auch, Fachwissen verfügbar zu machen und neben der
Verhaltensebene auch gesundheitsförderlichen Teamstrukturen und Rahmenbedingungen Aufmerksamkeit
zu widmen und diese ggf. mit dem Team, dem Träger oder auf politischer Ebene zu thematisieren.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Leitung sorgt für die Förderung der eigenen Gesundheit.
• Die Leitung kennt die eigenen Ressourcen und Grenzen und berücksichtigt sie.
• Die Leitung verfügt über Kenntnisse des Zeit-, Selbst- und Stressmanagements.
• Die Leitung kennt Instrumente des Zeitmanagements und wendet sie
erfolgreich an.
• Die Leitung profitiert vom kollegialen Austausch (Leitungskonferenzen)
und von verschiedenen Formen der Beratung (Fachberatung, ggf. Supervision).
• Die Leitung lässt konstruktive Kritik nicht nur zu, sondern fordert sie
ein und zieht daraus Konsequenzen.
• Die Leitung ist in der Lage, unangemessene Forderungen zurückzuweisen.
Die Leitung sorgt für die gesundheitliche Förderung der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
• Die Leitung kennt die Ressourcen und Grenzen der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und berücksichtigt sie.
• Die Leitung macht die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Instrumenten des Zeitmanagements bekannt.
• Die Leitung fördert den kollegialen Austausch und die kollegiale Beratung im Team.
• Die Leitung sorgt – wenn nötig oder vom Team gewünscht – für Teamsupervision.
• Die Leitung lässt konstruktive Kritik im Team nicht nur zu, sondern fordert sie ein.
• In der Kita sind Unterstützungssysteme etabliert.
• Die Leitung ist sich der Bedeutung eines wirksamen Arbeitsschutz- und
Gesundheitsmanagements bewusst und gestaltet dieses aktiv mit.
• Die Leitung ermutigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unangemessene Forderungen zurückzuweisen
Themen der Prävention und
• Die Leitung sorgt für die Weiterentwicklung der pädagogischen Konzepkindlichen Gesundheitsfördetion im Bereich Gesundheitsförderung.
rung sind ein zentrales päda• Die Leitung sorgt dafür, dass die Praxis der Gesundheitsförderung und
gogisches Anliegen der Leitung.
Prävention regelmäßig in Teamsitzungen besprochen wird.
• Die Leitung ist informiert über neuere fachliche Entwicklungen und gibt
sie an das Team weiter.
83
Referenzrahmen gute gesunde Kita
6.1 Zielgerichtete Personal- und Teamentwicklung
Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter realisieren eine gute Bildungsqualität und ein gesundheitsförderliches Umfeld alltäglich durch ihr professionelles Handeln. Sie sind diejenigen, die eine gute Bildungsqualität in Kindertageseinrichtungen durch ihr professionelles Handeln alltäglich realisieren. Hierbei und
bei der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen werden sie in der guten gesunden Kita durch ein umfassendes Personalentwicklungskonzept und durch gezielte Teamentwicklungsmaßnahmen unterstützt. Beides
dient zum einen der Entwicklung und Erhaltung guter pädagogischer Fachpraxis, die das Wohlbefinden
und die Entwicklungsförderung der Kinder sowie die Etablierung einer Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern zum Ziel hat; zum anderen unterstützt es das Kompetenz- und Selbstwirksamkeitserleben der pädagogischen Fachkräfte und eröffnet ihnen berufliche Entwicklungschancen und Aufstiegsoptionen. Die Kindertageseinrichtung kann so zu einem Ort mit hoher Bildungs- und Gesundheitsqualität entwickelt werden.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
84
Die Einrichtung praktiziert bedarfs- und bedürfnisgerechte
Formen der Personalförderung
und -entwicklung.
• In der Einrichtung finden regelmäßig mit allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern Fördergespräche statt.
• Es gibt vereinbarte und verbindliche Regeln für die Durchführung dieser
Gespräche. Die Ergebnisse werden protokolliert, das Protokoll ist den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugänglich.
• Folgende weitere Personal- und Teamentwicklungsmaßnahmen sind
installiert:
• Personalentwicklungsgespräche
• Supervision
• Coaching
• Themenbezogene Fortbildungen
• Arbeitsgruppen zu Personalthemen
• Fortbildungen für potentielle Leitungskräfte
• Arbeitskreise für Sozialpädagogische Fachkräfte
(trägerintern oder trägerübergreifend).
Bei der Inanspruchnahme von
Fortbildungen besteht ein
Gleichgewicht zwischen persönlichen Interessen und Planungen der eigenen fachlichen
Weiterentwicklung und
Zukunftsperspektive und den
Belangen der Einrichtung.
• Die Fortbildungswünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden
regelmäßig erhoben.
• Die Leitung verschafft sich eine Übersicht über die aktuellen Fort- und
Weiterbildungsangebote (auch über die zugänglichen Angebote anderer
Träger).
• In Teamsitzungen werden die Weiterqualifizierungsnotwendigkeiten aus
Sicht der Einrichtung und im Hinblick auf die Weiterentwicklung ihres
fachlichen Profils besprochen.
• Die Leitung sorgt in Übereinstimmung mit den Mitarbeiter innenund
Mitarbeitern dafür, dass (aus Sicht der Einrichtung) notwendige Fortbildungsthemen in Anspruch genommen werden.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Es findet eine intensive Nachwuchsförderung statt.
• Neue Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter werden angeleitet und systematisch ins Arbeitsfeld eingeführt. Die Leitung entwickelt ein Konzept zur
Förderung der praxisbezogenen Ausbildung zukünftiger Fachkräfte und
beteiligt sich zusammen mit ihrem Team aktiv daran (Praktikantinnen
und Praktikanten). Es macht transparent, wie in der Einrichtung mit
Praktikantinnen und Praktikanten gearbeitet wird, welche Anforderungen
und Erwartungen an die zukünftigen Fachkräfte gerichtet werden, aber
auch, was diese in der Einrichtung lernen können und sollen und wie
sie begleitet werden.
• Die Leitung steht in fachlichem Austausch mit den Fachschulen und anderen Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung.
• Die Leitung beteiligt sich an der Entwicklung eines Anforderungsprofils
für Praktikantinnen und Praktikanten und Absolventen der Fachschulen.121
• Die Einrichtung hält Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen in der Elternzeit.
121 vgl. Strätz u. a. 2003
85
Referenzrahmen gute gesunde Kita
6.2 Weiterentwicklung fachlicher Kompetenzen
Die Erwartungen an die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen sind
in den letzten Jahren vielfältiger und komplexer geworden. Eine positive Einstellung zum lebenslangen
Lernen und zur kontinuierlichen Reflexion und Weiterentwicklung der eigenen personalen und fachlichen
Kompetenzen ist eine Grundvoraussetzung dafür, den Anforderungen des Berufs der Erzieherin und des
Erziehers gerecht werden zu können und Kindern eine bildungsanregende und gesundheitsförderliche Umwelt bereitzustellen. Im Sinne eines lebenslangen Lernens befinden sich auch die pädagogischen Fachkräfte
auf dem Lernweg.
Ein wesentlicher Bestandteil dieses Weges ist die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen. Diese können
sowohl die eigene Gesunderhaltung aber auch die fachliche Unterstützung auf dem Weg zur guten gesunden Kita beinhalten. Die Erfahrung, durch Fort- und Weiterbildung, Supervision und/oder kollegiale Beratung individuelle und kollektive Lernprozesse zu vollziehen, kann in das eigene professionelle Selbstbild
integriert und als zukünftige Ressource nutzbar gemacht werden. Darüber hinaus bieten sich hierdurch
auch Aufstiegsoptionen im System frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung.
Die Weiterentwicklung fachlicher Kompetenzen kann auch in enger Anbindung an das sozialräumliche Umfeld mit vielfältigen Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten erfolgen. Hierzu gehört die Aneignung
von Gesundheitskompetenz, die als Resultat von Bildungs- und Kommunikationsmaßnahmen in der Prävention und Gesundheitsförderung gesehen wird.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Fachkräfte verstehen sich
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen sich regelmäßig mit
selbst als Lernende. Sie lernen
Hilfe von kollegialer Beratung auf der Grundlage wechselseitiger Beobmit- und voneinander.
achtungen und Hospitationen.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden sich gegenseitig zu bestimmten Themen fort.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen sich gegenseitig bei
der Planung und Durchführung von Projekten.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beraten und unterstützen sich gegenseitig bei der Zusammenarbeit mit Eltern.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen zur Fortbildung sozialräumliche Kooperations- und Vernetzungsmöglichkeiten.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden ihre Gesundheitskompetenz
aus, damit sie befähigt sind, gesundheitsbewusstes Verhalten zu praktizieren und zu vermitteln.
Fort- und Weiterbildung sind
• Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen an Fortbildungen teil.
das Recht und die Pflicht jeder • Kolleginnen und Kollegen, die an Langzeitfortbildungen bzw. WeiterMitarbeiterin und jedes Mitarqualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, werden in der täglichen Arbeit
beiters.
so weit wie möglich entlastet.
• Die Inhalte von externen Fortbildungen bzw. von besuchten Fachveranstaltungen werden dem Team vermittelt.
• Die Fachberatung reflektiert regelmäßig mit den pädagogischen Fachkräften inhaltliche und organisatorische Fragen an ihre Arbeit.
• Das Team nimmt bei Bedarf und nach Möglichkeit Supervision in Anspruch.
• Die Leitung nimmt mit ihrer Einrichtung – in Rücksprache mit Träger
und Team – an Forschungsprojekten teil und fördert so die fachliche
Weiterentwicklung der Einrichtung.
86
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
Fort- und Weiterbildung sind
wesentliche Bestandteile der
Organisationsentwicklung
Es werden Strukturen in der Kita installiert, damit erworbenes Wissen/
Kompetenzen der Fachkräfte für das gesamte Team und die pädagogische
Arbeit nutzbar gemacht werden können.
87
Referenzrahmen gute gesunde Kita
6.3 Interaktions-, Kommunikations-, Feedback- und Konfliktkultur
In Kindertageseinrichtungen werden personengebundene Dienstleistungen erbracht, die mit einer hohen
täglichen Kommunikations-und Interaktionsdichte verbunden sind. Durch diese Interaktionen werden soziale Beziehungen geformt, und jede Interaktion wird von vorangegangenen Erfahrungen beeinflusst und
beeinflusst wiederum die folgenden. In der täglichen Interaktion werden außerdem die Grundlagen für
wichtige Entwicklungsbereiche der Kinder gelegt, denn Kinder entwickeln sich in der fortlaufenden Interaktion mit ihren sozialen und materiellen Umwelten und gestalten diese von Anfang an aktiv mit. Damit hat
die betreuende Fachkraft direkten sowie indirekten Einfluss auf diese Entwicklung.
Auch für die Zusammenarbeit im Team hat die Qualität der Interaktionen eine hohe Bedeutung. Sie kann
durch die Kenntnis und Anwendung einschlägiger Methoden des Feedbackgebens oder des Konfliktmanagements verbessert werden. Unverzichtbar sind darüber hinaus personale Kompetenzen zur Selbstreflexion,
Perspektivenübernahme und Empathie.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Fachkräfte, Eltern und Kindern
interagieren und kommunizieren achtsam und im Sinne
gewaltfreier Kommunikation
miteinander.
• Die Erzieherinnen und Erzieher kennen die Grundlagen und Methoden
gewaltfreier Kommunikation. Sie sind sensibel für die eigene Kommunikationsweise.
• Mit den Kindern werden Regeln für den Umgang miteinander ausgehandelt und vereinbart. Erzieherinnen und Erzieher unterstützen die Kinder,
ihre Gefühle, Anliegen und Interessen klar zu kommunizieren.
• Das Team nimmt regelmäßig Supervision in Anspruch, die auch auf die
praktizierten Interaktions- und Kommunikationsformen eingeht, oder
verschafft sich auf andere Weise kompetente Rückmeldungen von Außenstehenden.
In der Einrichtung wird eine
• Kollegiale Beratung wird praktiziert.
wertschätzende Feedbackkultur • Leitung gibt Feedback und holt sich Feedback.
im Team sowie gegenüber den • Die wechselseitigen Rückmeldungen innerhalb des Teams beziehen sich
Eltern und den Kindern praktinicht nur auf inhaltliche Fragen, sondern auch auf die praktizierten
ziert.
Interaktions- und Kommunikationsformen.
• Eltern erhalten wertschätzendes Feedback zu ihren Erziehungsformen
und zu ihrer Zusammenarbeit mit der Einrichtung.
• Kinder erhalten wertschätzendes Feedback zu ihren Stärken, Leistungen
und Fortschritten.
Konflikte werden als normaler
Bestandteil sozialen Miteinanders und als Anlässe für eine
produktive Weiterentwicklung
von Beziehungen, Abläufen
und Strukturen verstanden.
88
• Die Leitung verfügt über Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der
Mediation/Konfliktschlichtung.
• Kinder werden unter Berücksichtigung ihres Entwicklungsstandes darin
bestätigt und unterstützt, Konflikte unter sich auszutragen und Kompromisse und Lösungen auszuhandeln.
• Differenzen über Inhalte, Verfahren und Ziele der pädagogischen Arbeit
oder Konflikte zwischen Eltern und pädagogischen Fachkräften werden
umgehend besprochen. Kommt es zwischen den Beteiligten zu keiner
zufriedenstellenden Lösung, wird die Leitung und/oder Fachberatung
einbezogen.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
6.4 Unterstützungs- und Weiterqualifizierungsbedarf, Vorschlagswesen, Beschwerdemanagement
Zu einem umfassenden Qualitätsmanagement gehören die Ermittlung von Unterstützungs- und Qualifikationsbedarfen und die strukturierte Erfassung von Verbesserungsvorschlägen und Beschwerden. Hierfür
müssen Strukturen und Abläufe vereinbart und eingerichtet werden. Im Sinne der Kindertageseinrichtung
als »lernender Organisation« werden Unterstützungsbedarfe nicht als Defizite und Fehler nicht als Scheitern angesehen. Sie sind vielmehr Ausgangspunkte zur gezielten Weiterentwicklung der Organisation und
der dort tätigen Akteure in allen Belangen einer guten gesunden Kita.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Eine Nach- und Weiterqualifizie- • Die Fortbildungsplanung ist an den sich abzeichnenden Veränderungen
rung für neue Aufgaben durch
der pädagogischen Konzeption und den daraus resultierenden neuen
Fort- und Weiterbildung wird
bzw. veränderten Aufgaben orientiert.
möglichst frühzeitig initiiert.
Die fachliche Weiterentwicklung • Alle Fachkräfte wirken daran mit, dass sich die pädagogische Arbeit an
der Einrichtung ist ein gemeinaktuellen Standards orientiert und die Praxis kontinuierlich in Richtung
sam verfolgtes Anliegen.
pädagogisch guter Qualität weiterentwickelt wird.
• Unterschiedliche fachliche Positionen im Team werden respektiert und
sind Anlass für diskursive Klärungen.
• Es finden regelmäßige Inhouse-Fortbildungen statt, an denen das gesamte Team (ggf. einschließlich des technischen Personals) teilnimmt.
Das möglichst frühzeitige Erkennen von Defiziten gilt als
unabdingbarer Teil des Qualitätsmanagements; Beschwerden werden als Chance zur
gezielten Weiterentwicklung
verstanden und behandelt.
• Es gibt Orte und Gelegenheiten, wo Probleme geäußert und angesprochen werden können.
• Im Falle von Meinungsverschiedenheiten oder Problemen zwischen Eltern
und pädagogischen Fachkräften stellen vereinbarte Verfahrensweisen
sicher, dass diese in angemessener Weise besprochen werden.
• Für den Umgang mit Beschwerden und mit Vorschlägen zur Veränderung
und Verbesserung ist ein Regelsystem installiert, in dem Regeln und
Maßnahmen festgelegt wurden:
• Es gibt ein Beschwerdemanagement für Kinder.
Die Arbeitszufriedenheit der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird regelmäßig erhoben
und evaluiert.
• Die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihrem Arbeitsplatz und ihrer Arbeit wird in regelmäßigen Abständen erhoben, und
zwar
• im Rahmen von Teamsitzungen
• im Rahmen von Personalentwicklungsgesprächen
• über strukturierte, auch anonyme Befragungen
• im Rahmen der Reflexion bestimmter Aktionen/Projekte.
• Die Leitung informiert sich über die Gründe für das Ausscheiden von
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
• Die personelle Fluktuation ist relativ gering.
89
Referenzrahmen gute gesunde Kita
6.5 Betriebliche Gesundheitsförderung
Im Setting Kindertageseinrichtung werden im Sinne einer »Lernenden Organisation« durch den Einfluss auf
relevante Rahmenbedingungen die Möglichkeiten für gesundheitsförderliche Handlungen erhöht. Neben der
Stärkung von Gesundheitspotenzialen geht es in der betrieblichen Gesundheitsförderung auch um die Reduzierung von Gesundheitsrisiken, die insbesondere durch die Verhaltens- und Verhältnisprävention sowie
den Arbeits- und Gesundheitsschutz erreicht wird. Betriebliche Gesundheitsförderung meint in der guten
gesunden Kita ein kontinuierliches und systematisches Vorgehen und einen dauerhaften Veränderungsprozess, in dem die gesamte Einrichtung, das Einrichtungsumfeld, die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie beispielsweise deren Arbeitssituation und jeweiligen Arbeitsbedingungen inbegriffen sind.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die körperliche Gesundheit der • Arbeitsmedizinische Untersuchungen und Beratungen werden angeboten
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiund in Anspruch genommen.
ter wird geschützt.
• Sicherheitsmängel und Unfallrisiken in der Einrichtung werden systematisch erhoben und vermindert.
Belastende psychische und
• Auftretende Stress- und Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz werden erpsychosoziale Faktoren werden
mittelt und vermindert.
analysiert und kontrolliert
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden im Umgang mit Belastungssituationen beraten.
• Die Einrichtung wirkt der Burn-Out-Gefahr aktiv entgegen, indem Überforderungssituationen und zu starre und einengende Routinen bzw.
Festlegungen vermieden werden.
• Die Arbeitsabläufe werden regelmäßig daraufhin reflektiert, ob sie der
Arbeitsmotivation und der Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuträglich sind.
Arbeitsschutz wird konsequent
umgesetzt.
90
• Es erfolgt eine umfassende Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch
Information und Motivation der Leitung gegenüber den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern.
• Gefährdungsbeurteilungen werden regelmäßig durchgeführt.
• Für jede Einrichtung ist eine Sicherheitsbeauftragte odr ein Sicherheitsbeauftragter bestellt.
• Unterweisungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz erfolgen für neue
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Tätigkeitsbeginn, ansonsten in
mindestens jährlichem Abstand.
• Regelmäßig werden Schulungen, z. B. durch die Unfallkassen, durchgeführt.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
7.1 Gemeinsame Qualitätsansprüche und -ziele
Die Verständigung über gemeinsame Qualitätsansprüche und –ziele steht am Anfang jeder Qualitätsentwicklung. Ohne eine solche Übereinkunft bleibt unklar, mit welchen Zielen die in einem solchen Prozess
notwendigen Anstrengungen unternommen werden sollen und welchen Nutzen sie für die Beteiligtengruppen haben. Auch wenn nicht sämtliche Qualitätsansprüche und –ziele im Detail von allen geteilt werden
müssen, geht es doch um ein grundsätzliches Bekenntnis zur Realisierung einer hohen Bildungsqualität
und dazu, sich aktiv in die Gestaltung der Kita als gesundheitsförderlicher Lern-, Arbeits- und Lebensort
einzubringen. Die Formulierung, Implementierung und Überprüfung der Qualitätsansprüche und -ziele
erfolgt auf der Grundlage des mehrschrittigen Qualitätsentwicklungsmodells (vgl. Kap. 5).
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Einrichtung arbeitet zielorientiert.
• Die vereinbarten Qualitätsansprüche orientieren sich an der aktuellen
elementarpädagogischen Fachdiskussion.
• Die Qualitätsansprüche berücksichtigen sowohl pädagogische als auch
Sie hat eigene Qualitätsansprügesundheitsbezogene Ansprüche.
che formuliert (im Rahmen der • Die Ziele werden schriftlich festgehalten. Sie sind konkret und für alle
landesweit gültigen Vorgaben
Beteiligten nachvollziehbar formuliert.
und der Vorgaben des Trägers). • Der Zustand wird konkret beschrieben, der durch bestimmte, zuvor
(im Team, mit den Kindern, mit den Eltern, mit anderen) vereinbarte
Interventionen erreicht werden soll.
• Die Sichtweisen, Anliegen und Interessen der Kinder werden bei der Zielentwicklung berücksichtigt.
• Die Ergebnisse von systematischen Beobachtungen der Kinder werden
bei der Zielentwicklung berücksichtigt.
• Die Sichtweisen, Anliegen und Interessen der Eltern werden bei der Zielentwicklung berücksichtigt.
Die Einrichtung setzt die eigenen Qualitätsansprüche in
verkraftbaren, aber stetigen
Schritten um.
• Die Bedingungen zur Umsetzung der Zielsetzungen in der Einrichtung
wurden reflektiert (Erfordernisse in Bezug auf Räume, Zeit, Geld, Personal).
• Für die Umsetzung der Ziele wird eine Prioritätenliste entwickelt.
• Die für die Umsetzung benötigten Zeiträume werden vereinbart. Sie basieren auf den verfügbaren Erfahrungswerten, nicht auf Vorgaben von
außen.
• Die Einrichtung arbeitet qualitätsorientiert, d. h. datenbasiert, projektbezogen und mit dem PDCA-Zyklus.
Die Einrichtung evaluiert die
Umsetzung, verbessert sie, wo
nötig, und reflektiert die Angemessenheit der Qualitätsansprüche (Qualitätszyklus).
• Der Grad der Zielerreichung wird mit den Beteiligten (Kinder, Eltern,
Kolleginnen und Kollegen, Leitung, Kooperationspartner) nach zuvor
festgelegten Zeiträumen und bezogen auf konkret formulierte, schriftlich festgehaltene Ziele reflektiert.
• Situationen, in denen es gelungen ist, die Zielsetzungen umzusetzen,
werden dokumentiert.
• Situationen, in denen es nicht gelungen ist, die Zielsetzungen umzusetzen, werden dokumentiert und analysiert.
• Zielentwicklung und Dokumentation bilden die Grundlage für den fortlaufenden Prozess der Weiterentwicklung der pädagogischen Konzeption.
• Es gibt einen ständigen Ziel-Feedback-Kreislauf.
• Korrekturen sind selbstverständlicher Teil der pädagogischen bzw. der
leitenden Arbeit.
91
Referenzrahmen gute gesunde Kita
7.2 Steuerung der Qualitätsprozesse
Um förderliche Organisationsstrukturen und wichtige Rahmenbedingungen der pädagogischen Arbeit zu
sichern und fortlaufend zu verbessern, ist die Kenntnis und wirksame Anwendung geeigneter Methoden
des Sozial- und Qualitätsmanagements ebenso notwendig wie ein klares und positives Leitungsprofil und
Führungsverhalten.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Einrichtungsleitung und
ggf. weitere Beauftragte steuern und unterstützen den Prozess der Qualitätsentwicklung
und Evaluation.
• Die Leitung verfügt über Kenntnisse zur Qualitätsfeststellung und -entwicklung.
• Die Leiterin sorgt dafür, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit
Konzepten und Methoden der Qualitätsentwicklung und der Gesundheitszirkelarbeit vertraut gemacht werden.
• Die Leitung ist in der Lage, den Prozess der Qualitätsfeststellung, Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung zu initiieren, zu steuern, auszuwerten und zu moderieren.
Sie stellen eine kontinuierliche • In den Teambesprechungen ist regelmäßig Zeit für den fachlichen AusWeiterentwicklung und Verbestausch zu qualitätsrelevanten Themen.
serung der pädagogischen Qua- • Qualitätsziele und -standards werden regelmäßig auf ihre Aktualität,
lität der Einrichtung sicher. ZuAngemessenheit und Einhaltung überprüft.
gleich sichern sie die erreichte • Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten zeitnah umfassende
Qualität ab.
Informationen über das Qualitätskonzept, die Qualitätsziele und-standards der Einrichtung bzw. des Trägers.
Ziele und Abläufe des Qualitäts- • Qualitätsziele und -standards werden verbindlich vereinbart und sind
managements in der Einrichtung
schriftlich fixiert.
sind klar definiert und werden • Ziele sind SMART formuliert (spezifisch, messbar, akzeptabel, realistisch,
entsprechend umgesetzt.
terminiert).
• Die Einrichtungsleitung sorgt für eine kontinuierliche Dokumentation im
erforderlichen Umfang. Prozesse und Ergebnisse der internen Qualitätsentwicklung werden in geeigneter Weise dokumentiert.
• Die pädagogischen Abläufe in der Einrichtung, insbesondere Projekte,
werden in geeigneter Weise dokumentiert. Die Dokumentationen werden
allen Akteuren zugänglich gemacht.
• Zu jedem Kind wird eine »Bildungsdokumentation« angelegt und in regelmäßigen Abständen mit den Eltern besprochen.
• Die Erfordernisse des Datenschutzes (§61 bis §64 SGB VIII), insbesondere die Bestimmungen zum besonderen Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe (§65 SGB VIII) werden berücksichtigt.
92
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
7.3 Selbstreflexion, Individualfeedback und persönliche Qualitätsentwicklung
Institutionen sind nur dann zukunftsfähig, wenn die dort tätigen Personen an einer persönlichen Weiterentwicklung interessiert sind und hierin unterstützt werden. Persönliches Gesundheitsverhalten, die individuelle Haltung zu lebenslangem Lernen und persönlichem Wachstum sowie Achtsamkeit sich selbst und
anderen gegenüber folgen erworbenen Mustern, die biografisch begründet und über selbstreflexive Prozesse zugänglich und veränderbar sind. Regelmäßige kollegiale Rückmeldungen und die Formulierung persönlicher Ziele im Kontext von Qualitätsentwicklung und betrieblicher Gesundheitsförderung unterstützen
die berufliche und persönliche Weiterentwicklung der einzelnen Fachkräfte und die Professionalisierung
der gesamten Institution.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Fachkräfte sind bereit, die
eigene Arbeit immer wieder
selbstkritisch zu reflektieren.
• Die Fachkräfte nutzen Methoden der Selbstreflexion sowie der kollegialen Beratung (wechselseitiges Feedback, wechselseitige Hospitationen,
fachliche Zusammenarbeit im Rahmen von Projektplanungen und Fallbesprechungen) regelmäßig als Anstoß für ihre fachliche WeiterentwickSie sind bereit, die Kompetenlung.
zen der Kolleginnen und Kolle- • Sie nutzen zudem die Möglichkeiten des Feedbacks durch Eltern und
gen als Impulse für die eigene
Kinder.
Weiterentwicklung zu nutzen.
• Sie nehmen an Fort- und Weiterbildungen teil und suchen den Erfahrungsaustausch.
Die Fachkräfte entwickeln fach- • Die Fachkräfte planen die nächsten Etappen ihrer beruflichen Entwickliche Zukunftsvorstellungen für
lung fachlich und zeitlich.
sich und für die Einrichtung.
• In der Einrichtung finden in regelmäßigen Abständen Zukunfts-Werkstätten statt.
Die Fachkräfte reflektieren ihr
eigenes Verhalten und ihr Vorbild hinsichtlich ihres gesundheitsbewussten Verhaltens,
ihrer Bewegung und ihrer
Ernährung.
• Die Fachkräfte lassen regelmäßig Gesundheits-Checks durchführen.
• Die Fachkräfte reflektieren ihre Ernährungsgewohnheiten.
• Die Fachkräfte nutzen regelmäßig Möglichkeiten zur Bewegung und Fitness.
• Die Fachkräfte gestalten ihren Urlaub etc. so, dass sie sich erholen.
93
Referenzrahmen gute gesunde Kita
7.4 Weiterentwicklung der Einrichtung, Selbstevaluation, Entwicklung und Umsetzung von
Ziel-vereinbarungen
Eine methodisch kontrollierte, auf die zentralen institutionellen Ziele und Qualitätsansprüche fokussierte
Einschätzung des IST-Standes bildet die Basis jeglicher Qualitätsentwicklung. Selbstevaluationen bieten
sich hierfür an, weil sie die Fachkräfte als Experten und Expertinnen ihrer eigenen Arbeit ernst nehmen
und geeignet sind, die Identifikation der Akteure mit der Einrichtung und deren Motivation, Veränderungsbereitschaft und Verantwortungsübernahme zu stärken. Der aus der Bestandsaufnahme hervorgegangene
Handlungsbedarf führt zur Formulierung und Umsetzung von Zielvereinbarungen. Sie stellen ein wichtiges
Instrument der Personalentwicklung dar. Ein solches Vorgehen berücksichtigt die Bedürfnisse jedes Menschen nach Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit und entspricht einem salutogenetischen
Verständnis von Gesundheit und Gesundheitsförderung.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Einrichtung überprüft ihre
• Die Einrichtung nutzt Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Einrichtungen,
Praxis regelmäßig anhand der
z. B. über einen regelmäßigen fachlichen Austausch mit Fachkräften aus
Qualitätsansprüche in der eigeanderen Einrichtungen, Hospitationen in anderen Einrichtungen (auch
nen Konzeption und anhand
trägerübergreifend), gezielte Hospitationen bei Modelleinrichtungen
von Methoden des Benchmar(Beispiele bester Praxis).
king. An Selbstevaluationen ist • Die Leitung ist in der Lage, Selbstevaluationen anzuleiten bzw. holt dazu
das gesamte Team beteiligt.
fachliche Unterstützung ein.
Die Weiterentwicklung der Einrichtung wird systematisch
gesteuert.
94
• Teambesprechungen werden genutzt, um die Arbeit inhaltlich, z. B. hinsichtlich der Entwicklung einzelner Kinder, der Zusammenarbeit mit den
Eltern, der Schule, dem Träger und anderen Institutionen oder bezogen
auf die Öffentlichkeitsarbeit etc. zu reflektieren.
• Der Tagesablauf wird in regelmäßigen Abständen daraufhin geprüft, ob
er noch dem aktuellen Bedarf entspricht.
• Räume werden als veränder- und gestaltbar begriffen; Anlässe zur Weiterentwicklung werden aufgegriffen und münden in Umgestaltungen.
• Die Inhalte und Formen der Zusammenarbeit mit Eltern werden in regelmäßigen Abständen daraufhin befragt, ob sie den Bedürfnissen der aktuellen Elternschaft entsprechen und ob sie geeignet sind, die Eltern zur
Zusammenarbeit zu motivieren.
• Gesellschaftliche Veränderungen und ihre Auswirkungen auf Familien und
Kinder werden auf ihre Relevanz für die Einrichtung geprüft. Daraus erwachsende neue bzw. veränderte Anforderungen an die pädagogische
Arbeit werden in die Konzeption integriert.
• Vision und Ziele der Einrichtung werden regelmäßig mit Evaluationsergebnissen abgeglichen.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
7.5 Qualitätsmanagement der Gesundheitsförderung und Prävention
Qualitätsmanagement in der guten gesunden Kita versteht sich als integriertes Qualitätsmanagement von
Bildung und Gesundheit, das sich an frühkindlichen Bildungszielen und an den Wirkungszielen der Gesundheitsförderung und Prävention, d. h. an der Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von
Kindern, Eltern und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einer Weiterentwicklung der hierzu erforderlichen
Wege und Strategien, orientiert.122 Qualitätsmanagementkonzepte sind deshalb daraufhin zu überprüfen,
inwieweit sie den Grundsätzen der guten gesunden Kita entsprechen (vgl. Kap. 3.2) und geeignet sind, beide
Zielperspektiven zu bedienen. Gefährdungsbeurteilungen gelten als zentrales Instrument der betrieblichen
Gesundheitsförderung. Ebenso haben sich u. a. Gesundheitszirkel als eine relativ niedrigschwellige Methodik erwiesen. Die eingesetzten Methoden und Instrument müssen sowohl vom zeitlichen als auch vom
finanziellen Aufwand her ökonomisch vertretbar sein.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Das Qualitätsmanagement
• Die Einrichtung hat ein Qualitätsmanagementsystem installiert, das verbezieht sich nicht auf einzelne
schiedene Dimensionen von Qualität berücksichtigt und miteinander in
Aspekte, sondern es berückBeziehung setzt.
sichtigt gleichermaßen die
• Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prävention sind Themen, die soStruktur, die Orientierungen,
wohl mit Bezug auf die Kinder als auch mit Bezug auf die Mitarbeiteden Prozess und das Ergebnis.
rinnen und Mitarbeiter bearbeitet werden. Entsprechende Qualitätsansprüche sind im Qualitätshandbuch, der Konzeption und ggf. weiteren
Dokumenten formuliert und werden im Kontext von Qualitätsmanagement
und -entwicklung regelmäßig überprüft.
Es werden regelmäßige Gefähr- • Träger und/oder Leitung verfügen über Kompetenzen zur Gefährdungsdungsbeurteilungen durchgebeurteilung nach §5 ArbSchG.
führt.
• Zum Einsatz kommen Instrumente der Gefährdungsbeurteilung, die speziell für den Einsatz in Kindertageseinrichtungen entwickelt wurden.
• Im Bereich der psychischen Gefährdungen wird die Beurteilung nicht nur
auf allgemeiner Ebene, sondern anhand einer Reihe konkret operationalisierter Kriterien durchgeführt.
Das Instrument des Gesundheitszirkels ist bekannt und
wird genutzt.
• Es finden regelmäßige Gesundheitszirkel statt, die – mindestens zu Beginn – von einem externen Experten oder einer externen Expertin moderiert werden.
• Erarbeitete Lösungsvorschläge werden dokumentiert, zeitnah umgesetzt
und evaluiert.
Maßnahmen werden auch
unter dem Gesichtspunkt der
Nachhaltigkeit entwickelt und
überprüft.
• Es wird beachtet, dass nachhaltige Strukturen etabliert werden, die die
erwünschten Wirkungen langfristig absichern.
122 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2001
95
Referenzrahmen gute gesunde Kita
8.1 Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauftrags
Die zentrale Aufgabe von Kindertageseinrichtungen besteht in der Umsetzung des gesellschaftlichen Auftrags der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern. Dies erfolgt vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Bedarfe und aktueller fachwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Bildungsfähigkeit junger Kinder und
zu bildungsförderlichen Interaktionen, Aktivitäten und Angeboten. Die handlungsleitenden Orientierungen,
pädagogischen Prinzipien, Alltagsroutinen, Angebote und Projekte sind in der pädagogischen Konzeption
niedergelegt und somit transparent, kommunizier- und reflektierbar. Eltern als die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder werden in diese Prozesse regelmäßig einbezogen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Das gesamte Team identifiziert
sich mit dem in der pädagogischen Konzeption niedergelegten gemeinsamen Auftrag zur
Bildung, Betreuung und Erziehung. Es ist von der Wirksamkeit der eigenen Arbeit prinzipiell überzeugt.
• Maßnahmen, mit denen die verbindliche Umsetzung der Konzeption
sichergestellt werden soll, werden im Team gemeinsam entwickelt.
• Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird regelmäßig reflektiert.
Die Bildungs- und Erziehungs- • Die Einrichtung reflektiert, ob sie allen Kindern ein breites Erfahrungsarbeit ist an der Entwicklung
spektrum eröffnet.
und Stärkung von Persönlich• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reflektieren gemeinsam mit den
keitsmerkmalen und SchlüsselEltern, welche Persönlichkeitsmerkmale und Schlüsselkompetenzen sich
kompetenzen (Selbstkompebei den einzelnen Kindern (weiter-)entwickelt haben.
tenzen, soziale Kompetenzen, • Diese wahrgenommenen Entwicklungen werden im Hinblick auf die weiSachkompetenzen) orientiert.
tere Verbesserung der pädagogischen Arbeit reflektiert.
Über die Wirksamkeit dieses
Konzepts wird ein ständiger,
beobachtungs- und erfahrungsgestützter Dialog geführt.
Die Bildungs- und Erziehungsarbeit ist an jedem einzelnen
Kind orientiert. Über die Wirksamkeit dieses Konzepts wird
ein ständiger, beobachtungsund erfahrungsgestützter Dialog geführt.
96
• Die Einrichtung reflektiert den Bildungsprozess jedes einzelnen Kindes.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reflektieren, inwieweit den besonderen Interessen, Fähigkeiten und Begabungen bestimmter Kinder Rechnung getragen werden konnte.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reflektieren, inwieweit sie zur Herstellung von Chancengleichheit im Bildungsprozess beitragen konnten.
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
8.2 Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen der Kinder
Bildung bemisst sich in der Wissensgesellschaft weniger am Umfang erworbener Wissensbestände als an
der Fähigkeit, sein Wissen sich ständig verändernden Bedingungen anzupassen und für persönliche Orientierung und gesellschaftliche Teilhabe nutzbar zu machen. Die Anbahnung und Unterstützung lernmethodischer Kompetenzen durch soziale und individuelle Formen von Metakognition und Selbststeuerung fördert
den frühkindlichen Wissenserwerb. Dabei werden Lernprozesse nicht als bloße Wissensaneignung verstanden, sondern als aktive Formen der Wissenskonstruktion und Ko-Konstruktion, die es den Kindern zunehmend erlauben, »… sich Wissensgebiete zu erschließen und Informationen in persönliches, handhabbares
Wissen zu übertragen«.123 Der Erwerb weiterer Schlüsselkompetenzen ist die Voraussetzung dafür, sich
jetzt und zukünftig neue Inhalte eigenständig erschließen sowie bewusste und informierte Entscheidungen
über die eigene Lebensführung und gesundheitsrelevante Verhaltensweisen treffen zu können.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Einrichtung reflektiert, in• Beobachtungen der Kinder werden im Hinblick auf selbständiges Lerwieweit Grundlagen für Bilnen, Problemlösekompetenzen und ko-konstruktive Lern- und Bildungsdungsziele im 21. Jahrhundert
prozesse ausgewertet.
(selbständiges Lernen, Problem- • Entsprechende Beobachtungs- und Auswertungsverfahren (z. B. die
lösekompetenz, soziale Kom»Bildungs- und Lerngeschichten«) werden regelmäßig eingesetzt.
petenzen in gemeinsamen Lernund Bildungsprozessen) tatsächlich zugrundegelegt wurden.
Die Einrichtung reflektiert die
• Beobachtungen der älteren Kinder werden im Hinblick auf metakognitiAnsätze von Metakognition und
ve und lernmethodische Kompetenzen ausgewertet.
die Entwicklung lernmethodi- • Die Selbstwahrnehmung der Kinder wird, sofern sie z. B. in Erzählunscher Kompetenzen bei den
gen oder Gesprächen deutlich wird, dokumentiert.
älteren Kindern.
Die Förderung der kindlichen
Persönlichkeit und die Ausbildung von Schlüsselkompetenzen stehen gegenüber dem Erwerb von Einzelfertigkeiten im
Vordergrund.
• Der pädagogischen Arbeit liegt ein ganzheitlicher Bildungsbegriff zu
Grunde.
• Die Persönlichkeit jedes Kindes und seine individuellen Weltzugänge
werden geachtet. Besondere Fähigkeiten und Talente werden gezielt
gefördert.
Die Einrichtung nutzt ressour- • Die Einrichtung verwendet Dokumentationsformen, die
cen- und entwicklungsorientier• die Stärken und Ressourcen jedes Kindes und
te Dokumentationsformen.
• seine Schritte im Bildungsprozess verdeutlichen. Vergleiche mit Normwerten finden nur bei notwendigen Nachweisführungen statt.
123 Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2001
97
Referenzrahmen gute gesunde Kita
8.3 Vorbereitung auf lebenslanges Lernen, Bewältigung von Übergängen
Lebenslanges Lernen ist Lernen an unterschiedlichen Lernorten und in sowohl nonformalen als formalen
Bildungssettings. Um den Transfer erworbenen Wissens und Könnens in andere Lebensbereiche und Settings abzusichern, gehört es zu den Aufgaben von Kindertageseinrichtungen, anschlussfähige Übergänge
zu gestalten. Übergänge bilden die Gelenkstelle zwischen kindlichen Erfahrungsräumen und erweitern diese
gleichzeitig. Kinder bilden in Übergangssituationen spezifische Bewältigungskompetenzen aus und integrieren ihre Erfahrungen in das eigene Selbstbild. Kindertageseinrichtungen stehen in der Verantwortung,
die kindlichen Ressourcen zur Bewältigung von Übergängen zu befördern und Risiken zu minimieren.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Nicht das Wissen selbst, sondern die Beschaffung, die kritische Bewertung von Wissen
und der Umgang mit unterschiedlichen Informationen
sind zentrale Bildungsziele.
• Beobachtungen der Kinder werden im Hinblick auf den kompetenten
Umgang der Kinder mit Wissen (Beschaffung, Bewertung, Anwendung)
ausgewertet.
• Es wird reflektiert, welche ersten Schritte die Kinder in dieser Hinsicht
gemacht haben.
• Die Kinder werden dabei unterstützt, das eigene Lernen zu gestalten.
Die Fachkräfte verstehen sich
auch im eigenen Umgang mit
Wissen als Vorbild.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter planen Aktivitäten und Projekte so,
dass die gemeinsame Beschaffung und Bewertung von Informationen
und der Umgang mit verschiedenen Informationsquellen feste Bestandteile sind.
• Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen dafür, dass beim Lernen
kein Stress entsteht.
Die Wirksamkeit der Bemühun- • Die Eingewöhnungsphase jedes Kindes wird von den beteiligten Erziegen, den Kindern bei der Beherinnen und Erziehern gemeinsam mit den Eltern reflektiert und im
wältigung von Übergängen
Hinblick auf weitere Verbesserungsmöglichkeiten in der Zukunft reflekdurch stützende Faktoren auf
tiert.
individueller, interaktionaler
• Vor und nach dem Übergang in die Schule werden mit den betroffenen
(Zusammenwirken der BeteiligKindern Gespräche über deren Erwartungen, Befürchtungen und Erfahten) und kontextueller Ebene124
rungen geführt.
zu helfen, wird reflektiert und • Diese Informationen werden zur Reflexion der Wirksamkeit der eigenen
evaluiert.
Bemühungen und zur weiteren Verbesserung des Zusammenwirkens mit
der Schule genutzt.
• Informationen zum weiteren Bildungsweg der Kinder werden gesammelt
und analysiert.
Die Eigenständigkeit der jewei- • Einrichtungen und Grundschulen reflektieren in Arbeitskreisen auf komligen Bildungs- und Erziemunaler Ebene Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Bildungs- und
hungsaufträge von Kita und
Erziehungsaufträge.
Schule wird verdeutlicht und
• Einrichtungen und Grundschulen reflektieren gemeinsam, durch welche
respektiert.
Maßnahmen eine Kontinuität der kindlichen Bildungsprozesse bereits
gegeben ist und was zur weiteren Verbesserung beitragen könnte.
Beide Institutionen fühlen sich • Einrichtungen und Grundschulen überlegen gemeinsam, wie Übergänge
der Kontinuität der kindlichen
erfolgreich und gesundheitsverträglich bzw. gesundheitsförderlich geBildungsprozesse verpflichtet.
staltet werden können.
124 Griebel & Niesel 2004
98
Qualitätskriterien und Qualitätsindikatoren für die vierzig Qualitätsfelder
8.4 Zufriedenheit von Kindern, Eltern und anderen Institutionen
Die Zufriedenheit aller Akteure im Setting ist ein wesentliches Ziel der Qualitätsentwicklung zur guten
gesunden Kita. Eltern und Kinder sind Kunden der sozialen Dienstleistungen von Kindertageseinrichtungen
und ihre Zufriedenheit ist insofern ein Kriterium für die angebotene Qualität. Die Arbeitszufriedenheit hat
nachgewiesenermaßen positive Einflüsse auf das Commitment, das Engagement, die Gesundheit und die
Leistung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.125 Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Er-wartungen, Einschätzungen und Bewertungen der Beteiligten immer konform gehen, sind Strukturen und Prozesse etabliert, die diese sichtbar und kommunizierbar machen.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Die Mitarbeiterinnen und Mitar- • Erwartungen von Eltern werden regelmäßig erhoben und systematisch
beiter reflektieren, inwieweit
ausgewertet.
sie den Grundbedürfnissen der • Verschiedene methodische Möglichkeiten werden genutzt (mündlich,
Kinder in der Einrichtung tatschriftlich).
sächlich gerecht werden.
• Es wird sichergestellt, dass auch Eltern mit geringen Deutschkenntnissen ihre Erwartungen äußern können.
Die Einrichtung setzt sich mit
• Die Eltern erhalten eine Rückmeldung.
den Interessen und Erwartungen der Eltern dialogisch auseinander.
Merkmale der Zufriedenheit
• Beobachtungen der Kinder werden im Hinblick auf die feststellbare Enbzw. Unzufriedenheit von Kingagiertheit der Kinder bei Aktivitäten in der Einrichtung ausgewertet.
dern und Eltern werden erfasst
Entsprechende Verfahren (z. B. Leuvener Engagiertheitsskala für Kinder
und im Hinblick auf mögliche
– LES-K126 und Bildungs- und Lerngeschichten127) werden eingesetzt.
kurz und/oder mittelfristige
• Die Zufriedenheit der Eltern mit der pädagogischen Arbeit der EinrichVerbesserungen diskutiert.
tung wird regelmäßig – auch anonym – erhoben. Vorschläge für Verbesserungsmaßnahmen werden gemeinsam entwickelt und diskutiert.
• Es wird sichergestellt, dass auch Eltern mit geringen Deutschkenntnissen eine Rückmeldung geben können.
Die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird
von Träger und Leitung als
wichtige Ressource betrachtet
und mit geeigneten Maßnahmen befördert.
• Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden regelmäßig zu ihrer Zufriedenheit mit Arbeitsbedingungen und -prozessen sowie zu Verbesserungsansätzen befragt.
• Faktoren, die auf die Arbeitszufriedenheit wirken und im Einflussbereich
von Träger und Einrichtung liegen, wie Umgangston, Entwicklungsmöglichkeiten, Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, Führungsstil
u. a. m., werden evaluiert und ggf. verändert.
Die Einrichtung führt den Dialog zwischen Jugendhilfe und
Schule auf Augenhöhe.
• Einrichtungen und Grundschulen reflektieren gemeinsam die Wirksamkeit der Maßnahmen zur Gestaltung des Übergangs.
125 vgl. Kliche 2011; Viernickel, Voss, Mauz und Schumann 2013
126 vgl. Laevers 1997
127 Vgl. Leu u. a. 2007
99
Referenzrahmen gute gesunde Kita
8.5 Gesundheit und Wohlbefinden der Kinder und des Personals
Menschen, die sich wohl und gesund fühlen, sind in der Lage, die Belange anderer wahrzunehmen und
zu berücksichtigen und ihre eigenen Kompetenzen einzusetzen und weiterzuentwickeln. Kindertageseinrichtungen sind sowohl in ihrer Funktion als frühkindliche Bildungsinstitutionen als auch als durch ihren
Anspruch, gesunde und sichere Arbeitsumwelten zu sein, in der Pflicht, Gesundheit sowie Prävention und
Gesundheitsförderung mit hoher Priorität zu behandeln. In der guten gesunden Kita verbringen Kinder
und Erwachsene gerne ihre Zeit; sie erleben sich als wertgeschätzt und können ihre Fähigkeiten und Stärken einsetzen und ausbauen. Gesundheitliche Belange werden ernst genommen, Probleme rechtzeitig
erkannt und Lösungsansätze gefunden und auf ihren Erfolg hin überprüft.
Mögliche Qualitätsmerkmale Schlüsselindikatoren (Beispiele)
Der Gesundheitsstatus und das • Der Gesundheitsstatus und das Wohlbefinden der Kinder werden regelWohlbefinden der Kinder wermäßig erfasst. Die Fachkräfte setzen für die Beobachtung bzw. Erfassung
den regelmäßig erfasst.
des kindlichen Wohlbefindens angemessene Verfahren ein (Leuvener
Engagiertheitsskala LES-K128; PERIK129).
• Die Ergebnisse der Beobachtungen werden im Team, mit den Eltern
und ggf. mit den Kindern besprochen und es werden pädagogische
Schlussfolgerungen abgeleitet.
• Für jedes Kind sind grundlegende schriftliche Gesundheitsinformationen
(Impfungen, Allergien, spezielle Pflege-und Ernährungsbedürfnisse) vorhanden. Die Informationen sind aktuell.
• Die Sicht der Eltern wird systematisch erhoben.
Gesundheit und Wohlbefinden
der Fachkräfte werden analysiert, reflektiert beobachtet
und, wo nötig, verbessert.
• Die Fachkräfte haben gelernt, Körpersignale zu ihrem Gesundheitszustand wahrzunehmen.
• Die Fachkräfte können Stress am Arbeitsplatz abbauen bzw. vermeiden.
• Die Fachkräfte können mit beruflichen Misserfolgen umgehen.
• Die Fehlzeiten des Personals sind relativ gering.
Aktivitäten, Maßnahmen und
Projekte im Bereich der
Gesundheitsförderung und der
Prävention werden auf ihre
Wirksamkeit überprüft.
• Es wird überprüft, ob gesundheitsfördernde bzw. präventive Aktivitäten
Auswirkungen auf das Verhalten der Kinder in der Einrichtung und in
der Familie haben.
• Es wird reflektiert, ob gesundheitsfördernde bzw. präventive Aktivitäten
Auswirkungen auf das Belastungserleben und den Gesundheitszustand
der pädagogischen Fachkräfte haben.
• Es wird reflektiert, ob die Auswirkungen nachhaltig sind.
128 Laevers 1997
129 Mayr & Ulich 2006
100
5
Wege zu einer guten gesunden
Kindertageseinrichtung
Beim Lesen des Referenzrahmens wird jede Kindertageseinrichtung Aspekte wiederfinden, die sie bereits berücksichtigt und die die eigene Praxis bereits gut beschreiben.
Kein Team fängt von Null an, wenn es um die Entwicklung zu einer guten gesunden
Kindertageseinrichtung geht. Es bedarf jedoch einer systematischen Herangehensweise, um die einmal erreichte Qualität zuverlässig abzusichern, weitere Qualitätsziele zu
benennen und diese mit den verfügbaren Ressourcen auch zu erreichen. Hier setzen
Qualitätsmanagementkonzepte an. Sie gehen von der grundsätzlichen Frage aus, wie
eine Organisation so gesteuert werden kann, dass sich die Qualität ihrer Produkte bzw.
Dienstleistungen kontinuierlich verbessert und sicher den Abnehmer erreicht.130 Für
Unternehmen bzw. Institutionen, die soziale Dienstleistungen bereitstellen, ist es dabei
von besonderer Bedeutung, die Perspektiven aller Beteiligter zu berücksichtigen und
auszuhandeln, da alle Beteiligten an der »Herstellung« von Qualität mitwirken. Die
Orientierung an Dimensionen und Kriterien guter Qualität – im Falle der guten gesunden Kindertageseinrichtung an Dimensionen und Kriterien der Bildungs- und der Gesundheitsqualität, wie sie im beschriebenen Referenzrahmen formuliert sind – erleichtert diese Aushandlungsprozesse, ersetzt sie jedoch keinesfalls.
130 vgl. Esch u. a. 2006
101
Wege zu einer guten gesunden Kindertageseinrichtung
Allerdings ist es nicht hinreichend, sich einmalig auf eine bestimmte Qualität in vereinzelten Handlungsfeldern zu einigen und diese umzusetzen. Damit sich eine Einrichtung zu einer »guten gesunden Kita« entwickeln kann, ist es neben den rechtlichen
Rahmenbedingungen und dem gesetzlichen Auftrag notwendig, dass sich die Organisation kontinuierlich mit der Förderung von Bildung und Gesundheit auseinandersetzt
und passgenaue Wege findet, die gemeinsam vereinbarten Ziele nach und nach zu
verwirklichen. Die gute gesunde Kita ist kein Zustand, der einmal erreicht wird und
dann unverändert bestehen bleibt. Vielmehr beschreibt die »gute gesunde Kita« den
Lernprozess einer Organisation, die sich immer wieder aufs Neue auf die Bedingungen
und Bedürfnisse von Kindern, Familien, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie des
sozialen Umfelds einstellt. Ziel ist es somit, einen Prozess der ständigen Qualitätsverbesserung zu initiieren und zu verstetigen und diesen Anspruch sowohl strukturell als
auch als Bestandteil des individuellen professionellen pädagogischen Handelns zu
verankern.
Gesundheits- und Qualitätsentwicklung muss fester und selbstverständlicher Bestandteil der pädagogischen Alltagspraxis sein. Und gerade deshalb ist es sinnvoll, in kleinen Schritten vorzugehen. Vorrangiges Ziel sollte es nicht sein, alle in Kapitel 4 aufgeführten Qualitätsziele umzusetzen, sondern mit den für die eigene Einrichtung wichtigen Qualitätsfeldern zu beginnen und diese kontinuierlich zu bearbeiten. Qualitätsentwicklung erfolgt als ständiger Prozess in einem Qualitätskreislauf oder einer Qualitätsspirale mit mehreren Elementen, die logisch aufeinander aufbauen. Pädagogische
Qualitätsentwicklungskonzepte131 verfahren in ähnlicher Weise wie Gesundheitszirkel
in der betrieblichen Gesundheitsförderung132 oder Ansätze partizipativer Qualitätsentwicklung133: auf eine Bestandsaufnahme bzw. Analysephase folgt eine Interventionsoder Maßnahmenphase, in der Entscheidungen für konkrete Maßnahmen getroffen und
umgesetzt werden, die anschließend – in der Evaluationsphase – überprüft werden.
Die Ergebnisse der Überprüfung führen zur Anbahnung der nächsten Maßnahmen.
5.1
Akteursebenen und Akteure
An der Weiterentwicklung der Kindertageseinrichtung zu einer »guten gesunden Kita«
sind nicht allein die pädagogischen Fachkräfte und die Leitungskräfte beteiligt. Viernickel, Voss, Mauz und Schumann beschreiben vier Interventionsebenen für ein betriebliches Gesundheitsmanagement:
• Politik und Gesellschaft
• Träger der Kindertageseinrichtung
• Kitaleitung und
• pädagogische Fachkraft134 (ebd. S. 196).
Die politisch und gesellschaftlich festgelegten Rahmenbedingungen, wie etwa die Formen und Inhalte der Aus- und Weiterbildung, die tarifliche Eingruppierung und Entlohnung der Fach- und Leitungskräfte sowie die Vorgaben für Personalschlüssel und Fach-
131
132
133
134
102
vgl. Tietze 2007
vgl. Khan 2000; 2012a
vgl. Wright 2010
Viernickel, Voss, Mauz und Schumann 2013
Akteursebenen und Akteure
kraft-Kind-Relation beeinflussen das Gelingen einer integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung. Eine weitere Ressource stellt die wertschätzende und unterstützende
Begleitung der Gesundheits- und Qualitätsentwicklung in einer Kita durch den jeweiligen Träger dar. Dazu gehören die Bereitstellung von fachlicher Expertise ebenso wie
das Gewähren von weitreichender Eigenverantwortung und von Gestaltungsspielräumen.135 Eine integrierte Gesundheits- und Qualitätsentwicklung gelingt dann besonders
gut, wenn ein Team z. B. bei Fragen der Arbeitsorganisation, bei Anschaffungen oder
baulichen Veränderungen mitentscheiden und selbst Verantwortung übernehmen kann.
Auch Rahmenbedingungen, die z. T. trägerseitigem Einfluss unterliegen, stellen einen
wichtigen Faktor einer gelingenden Gesundheits- und Qualitätsentwicklung dar: Zeit
für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema im Team, für die Reflexion der
eigenen Arbeit, für die Entwicklung und Umsetzung geeigneter Maßnahmen und für
die Information und Zusammenarbeit mit den Eltern. Werden die Anforderungen einer
integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung als zusätzliche Belastung erlebt,
mindert dies die Bereitschaft zur Mitarbeit. Auch die trägerseitige Unterstützung durch
geeignete und übersichtliche Materialien, durch Fortbildungen oder die Prozessbegleitung durch Dritte kann zu einem Gelingen einer integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung beitragen. Insbesondere der Austausch mit anderen Einrichtungen in
gemeinsamen Arbeitsgruppen oder durch Hospitationen kann eigene Organisationsentwicklungsprozesse vorantreiben.
Der Leiter bzw. die Leiterin der Kindertageseinrichtung und die pädagogischen Fachkräfte sind die zentralen Akteure. Vor allem von ihnen wird die Entwicklung hin zu
einer guten gesunden Kita getragen. Entscheidend für einen langfristigen und erfolgreichen Qualitätsentwicklungsprozess ist die Bereitschaft der Fachkräfte, die eigene
Arbeit zu reflektieren und sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln und die Kompetenz der Leitung, die Teammitglieder und anderen Akteure auf gemeinsame Ziele hin
zu orientieren, ohne Unterschiede und konflikthafte Aspekte zu negieren. Eine Sensibilisierung der Fachkräfte für das Thema Gesundheit ist ebenso sinnvoll wie die Frage,
wie jede einzelne Fachkraft von einem solchen Prozess profitieren kann. Erfahrungen,
Erwartungen und Befürchtungen sollten thematisiert und bei der Planung des Verfahrens berücksichtig werden. Eine wichtige Entscheidung liegt auch darin, welche Akteure
und Interessengruppen auf dem Weg zur guten gesunden Kita noch einbezogen werden sollen und zu welchen Zeitpunkten und auf welche Weise dies geschehen soll. Wie
können Eltern, wie können Kinder sich beteiligen? Welche Mitsprache- oder auch Entscheidungsrechte sollen sie haben? Was bedeutet dies für die Kommunikation und die
Organisation dieses Prozesses?
Eine integrierte Gesundheits- und Qualitätsentwicklung einer Kindertageseinrichtung ist
ein Prozess, der sehr klein beginnen kann. Er soll vorhandene Projekte und Prozesse
bündeln, Ressourcen stärken und Aufgaben erleichtern. Jede Auflistung von Qualitätskriterien einer guten gesunden Kita bildet einen Idealzustand ab und kann nur als
richtungweisende Anregung verstanden werden. Eine integrierte Gesundheits- und
Qualitätsentwicklung ist zwar nicht ohne zusätzliche Anstrengung zu verwirklichen,
bietet jedoch die Chance, die Lebens- und Arbeitsbedingungen in Kindertageseinrichtungen langfristig zu verbessern. Dieser Prozess sollte wenn möglich moderiert bzw.
begleitet werden.
135 Nagel-Prinz & Paulus 2012, S. 132
103
Wege zu einer guten gesunden Kindertageseinrichtung
5.2
Der Qualitätsentwicklungsprozess
Zielklärung
Der Qualitätsentwicklungsprozess beginnt mit einem Dialog innerhalb des Teams über
die Vorstellungen, die die Beteiligten mit den zentralen Begriffen »Bildung« und »Gesundheit« verbinden und über die Motive und Ziele, mit denen sie in diesen Prozess
eintreten. In diesem Zusammenhang sollten auch die handlungsleitenden Orientierungen der einzelnen Fachkräfte thematisiert werden. Welche Grundhaltungen treiben ihr
pädagogisches Handeln an? Welche Gemeinsamkeiten und welche Differenzen gibt es
in den pädagogischen Haltungen? Ein erstrebenswertes Ziel könnte es sein, die Kita
als lernende Organisation zu begreifen, die den Dialog über die Grundwerte ihrer Arbeit
stets weiterführt und offen für neue Erkenntnisse und Erfahrungen bleibt.
Auf einer konkreten Ebene geht es aber auch darum, dass sich alle Akteure einen
Überblick über den gesamten Referenzrahmen verschaffen und darüber entscheiden,
welche Qualitätsfelder vorrangig bearbeitet werden sollen. Keine Einrichtung kann alle
Qualitätsfelder in gleich starker Intensität und Differenziertheit bearbeiten. Unter dem
Blickwinkel des exemplarischen Lernens ist dies auch nicht notwendig. Ein mögliches
Auswahlprinzip ist es, an Themen anzusetzen, die gerade sowieso Gegenstand von
Überlegungen und Planungen sind. Damit wird die Qualitätsentwicklung integraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit. Hier kommen aber auch möglicherweise unterschiedliche Erfahrungen und Vorstellungen in Bezug auf ein Qualitätsfeld zum Vorschein. Damit ein gemeinsames Verständnis über Ziele und Wege entwickelt werden
kann, ist der Diskurs im Team über diese Differenzen und die Verständigung über Gemeinsamkeiten von großer Bedeutung für den weiteren Verlauf des Prozesses. Die
Ergebnisse dieses Verständigungsprozesses werden im Konzept der Einrichtung verschriftlicht – dies kann durch die Leitung, die Qualitätsbeauftragte oder eine hierfür
zusammengestellte Fachgruppe erfolgen.
Organisationsdiagnose als Grundlage
Anschließend findet eine Organisationsdiagnose im Sinne einer Bestandsaufnahme
statt, bei der die Stärken und Ressourcen in Bezug auf die ausgewählten Qualitätsfelder ebenso beleuchtet werden, wie Belastungen und Entwicklungsfelder. Damit wird
ein Gegengewicht gegen die beiden verbreiteten Tendenzen gesetzt, lediglich nach Veränderungsnotwendigkeiten und »Defiziten« zu fahnden und fehlende oder ausschließlich mangelhafte Ressourcen für das (noch) nicht Erreichte verantwortlich zu machen.
Die Bestandsaufnahme zeigt auf, was bereits geleistet wird. Diese Selbstvergewisserung ist auch Anerkennung der bisherigen Arbeit und Motivation zur Fortsetzung und
Verbesserung. Gleichzeitig werden aber auch »blinde Flecken« und noch nicht befriedigende Praxen sichtbar, womit Anknüpfungspunkte für konkrete Maßnahmenplanungen entstehen.
136 vgl. Richter-Kornweitz 2011
104
Der Qualitätsentwicklungsprozess
Eine solche Bestandsaufnahme kann individuell oder teambezogen erfolgen. Die Kriterien in den vierzig Qualitätsfeldern des Referenzrahmens (vgl. Kap. 4.1) sind dabei
nicht abschließend zu verstehen, sondern können (und sollen) durch weitere Gesichtspunkte ergänzt werden. Zur Systematisierung der Bestandsaufnahme können die oben
benannten Ebenen (Politik und Gesellschaft; Träger; Kita-Leitung; Fachkräfte) herangezogen werden. In Bezug auf die ausgewählten Qualitätsfelder und unter Berücksichtigung aller vier Ebenen werden Antworten und Standpunkte zu Fragen erarbeitet wie:
• Woran erkennt man unsere Qualität in diesem Qualitätsfeld?
• Wer trägt wie zu dieser Qualität bei? Welche Ressourcen bringen die Akteure, auch
die Kinder und ihre Familien zu dem Thema mit?
• Was zeichnet unsere Einrichtung besonders aus?
• Was fehlt uns noch? Wo liegen Entwicklungspotenziale und -notwendigkeiten?
• Wie beschreiben Eltern unsere Qualität in diesem Feld?
• Wie kommt unsere Qualität bei den Kindern an?
• …..
Formulierung von Zielen und Handlungsbedarfen
Aus dem, was ist, folgt nicht zwangsläufig, was sein soll – was so bleiben bzw. was
sich (wie und in welche Richtung) verändern soll. Pädagogische wie auch persönliche
Grundorientierungen spielen ebenso eine Rolle wie die Einschätzung von realistischen
Möglichkeiten der Umsetzung. Diese Überlegungen müssen transparent werden, damit
ein konstruktiver Konsens gefunden werden kann.
Eine Basis bietet die Vergewisserung darüber, was erhalten bleiben kann und soll, denn
Klarheit darüber zu gewinnen, was bereits erreicht wurde, kann die Auseinandersetzung
mit Möglichkeiten und Notwendigkeiten einer weiteren Verbesserung erleichtern, Anknüpfungspunkte für Weiterentwicklung bieten und motivationssteigernd wirken. Darüber hinaus geht es in diesem Schritt jedoch um die Konkretisierung von Zielen und sich
daraus ableitenden Handlungsbedarfen. Auch hierfür ist die Zuordnung zu den vier
Ebenen hilfreich, denn manches, was sinnvoll und wünschenswert wäre, liegt eventuell außerhalb des direkten Einflussbereichs der Kita-Leitung, des Kita-Teams und der
einzelnen Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiters, und manche Ziele lassen sich nur durch das
Zusammenwirken mehrerer Ebenen erreichen und nachhaltig absichern.
Nachdem eine Zielsammlung erstellt wurde, sollten die Ziele daraufhin angesehen werden, auf welche Weise sie die Themen »Bildung« und »Gesundheit« miteinander verbinden, und ob es sich um kurz-, mittel- oder langfristige Ziele handelt. Langfristige
Ziele sind in der Regel viel allgemeiner formuliert als mittel- und kurzfristige Ziele; sie
müssen also durch »Etappenziele« operationalisiert werden. Jetzt kann man auch abschätzen, inwiefern sich einzelne Ziele wechselseitig ergänzen und befördern oder aber
behindern, eventuell sogar miteinander konkurrieren. Generell ist es wichtig, dass realisierbare Ziele angestrebt werden. An diesem Punkt werden sich in der Regel noch
einmal Korrekturen ergeben. Im Anschluss kann priorisiert werden: was soll als Erstes, was eher nachrangig angegangen werden? Für die Moderation all dieser Prozessschritte stehen vielfältige Methoden zur Verfügung, die den Prozess systematisieren,
transparent machen und dokumentieren helfen.
105
Wege zu einer guten gesunden Kindertageseinrichtung
Auf die Zielfindung bzw. Zielauswahl folgt die Entscheidung, welche Aktivitäten durchgeführt und welche Maßnahmen getroffen werden sollen, die zur Zielerreichung beitragen. Die Maßnahmenplanung beinhaltet immer eine Verständigung über das »Was«
(was soll getan, angeschafft, verändert werden); das »Wer« (wer ist verantwortlich für
die Durchführung oder für Teilschritte, wer arbeitet mit oder liefert zu?); das »bis Wann«
(wie ist die Zeitplanung, bis zu welchem Termin soll die verabredete Aufgabe erfüllt
sein?) und »mit welchen Ressourcen« (welche Ressourcen stehen bereit und wie sind
sie abrufbar?). Zur letzten Frage gehört wieder der Blick über das Team hinaus: Kann
(muss) der Träger unterstützend tätig werden? Wie werden die Eltern bzw. Familien
eingebunden? Welche Netzwerkpartner können einbezogen werden, um Synergieeffekte
zu nutzen?
Zielüberprüfung
Jedes Qualitätsziel muss nach einer bestimmten Zeit überprüft bzw. evaluiert werden.
Wurde das Ziel erreicht oder nicht? Was waren wichtige Gelingensbedingungen, wo gab
es Schwierigkeiten, was gelang nicht? Zur Zielüberprüfung gehört auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Ergebnis wirklich zu einer Verbesserung bzw. Weiterentwicklung hin zu guten gesunden Kita im Sinne der mittel- oder langfristigen Zielvorstellungen führt oder führen kann. Die Zielüberprüfung ist im Grunde bereits der Auftakt zu einem neuen Durchgang des Qualitätskreislaufs im Sinne eines kontinuierlichen
Verbesserungsprozesses, wobei entweder neue Qualitätsfelder in Angriff genommen
werden oder eine Weiterarbeit mit Fokus auf die bisher bearbeiteten Qualitätsfelder
erfolgen kann.
Die gelingende Implementierung einer systematischen Qualitätsentwicklungsarbeit hat
immer auch Effekte auf die Kommunikation und Zusammenarbeit im Team und auf
das professionelle Selbstverständnis der Akteure. Es ist denkbar, dass nach einer
durchgeführten, gut strukturierten Evaluation Besprechungen im Team anders (zielgerichteter, methodisch besser unterstützt, ergebnisorientierter) verlaufen als vorher. Die
Zielüberprüfung bzw. Reflexion der Zielerreichung sollte auch solche Transferprozesse
thematisieren.
5.3
Gelingensbedingungen einer integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung
Abschließend sollen noch einmal die zentralen Faktoren benannt werden, die für das
Gelingen einer nachhaltigen integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung verantwortlich sind. Sie stehen miteinander in enger Beziehung und können sowohl als
Voraussetzung als auch als Ergebnis des Organisationsentwicklungsprozesses gelten.
Die spiralförmig sich aufschichtende und somit Nachhaltigkeit befördernde Dynamik
integrierter Gesundheits- und Qualitätsentwicklung wird daran erneut sichtbar.
• Die integrierte Gesundheits- und Qualitätsentwicklung wird vom gesamten Team der
Einrichtung getragen. Der Leitungskraft und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
stehen dafür angemessene zeitliche Ressourcen zur Verfügung.
106
Der Qualitätsentwicklungsprozess
• Die Leitungskraft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden sich zu den Themen der integrierten Gesundheits- und Qualitätsentwicklung fort. Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, wie externe Fortbildungsveranstaltungen,
Teamfortbildungen, Fachberatung des Trägers sowie Fachliteratur.
• Alle Akteursgruppen sind an dem Entwicklungsprozess beteiligt. Der Prozess der
Gesundheits- und Qualitätsentwicklung wird verständlich kommuniziert und ist für
alle transparent.
• Die Themen »Gesundheit« und »Bildung« durchziehen selbstverständlich den
gesamten Lebens- und Arbeitsalltag in der Kindertageseinrichtung und werden bei
wichtigen Entscheidungen stets berücksichtigt. Vorhandene Ressourcen werden
erkannt und weiter gestärkt, Belastungen werden reduziert.
• Die integrierte Gesundheits- und Qualitätsentwicklung ist an den Bedingungen,
Bedürfnissen und Prioritäten der Menschen in der jeweiligen Kindertageseinrichtung
ausgerichtet. Dabei werden die individuellen Lebenslagen sowie geschlechts-, kultur- oder sozial bedingte Differenzen vorurteilsbewusst berücksichtigt.
• Der Qualitätsentwicklungsprozess wird von einer dafür ausgebildeten Person professionell angeleitet und begleitet und erfolgt mithilfe eines zielgerichteten, geplanten und systematischen Projektmanagements. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
sind mit Gesundheits- bzw. Qualitätszirkeln vertraut und nutzen diese.
107
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Impressum
Herausgeber
Unfallkasse Nordrhein-Westfalen
Sankt-Franziskus-Straße 146
40470 Düsseldorf
Telefon 0211 9024-0
E-Mail [email protected]
Internet www.unfallkasse-nrw.de
Autorinnen
Prof. Dr. Susanne Viernickel, Alice Salomon Hochschule Berlin
Prof. Dr. Anja Voss, Alice Salomon Hochschule Berlin
unter Mitarbeit von Rainer Strätz, Karin Esch, Maren Janella, Tim Krüger und
Stefanie Schwarz
Redaktion
Heinz Hundeloh
Gestaltung
Jens Klennert, Tania Miguez
Druck
Förster & Borries, Zwickau
Bildnachweis
Titelbild: Jochen Fiebig, alle anderen Fotos: Milena Clar
1. Auflage März 2016
2.000 Exemplare
Bestellnummer
PIN 68
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