Frühzeitige Beratung kann späteren Ärger vermeiden

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Die IHK Bonn/Rhein-Sieg bestellt und vereidigt Sachverständige.
Ansprechpartnerinnen sind Dr. Christina Schenk (l.) und Marion Bülow.
„Frühzeitige Beratung kann
späteren Ärger vermeiden“
Ein Unternehmer hat seinen Betrieb energetisch sanieren lassen und stellt bereits nach einer Heizperiode Schimmel in den Räumen des Verwaltungsgebäudes fest. Ist das ein Fall für einen Sachverständigen?
Marion Bülow: Ja. Hier kommen mehrere Sachverständige in Frage. Der Unternehmer kann einen Generalisten beauftragen, der Sachverständiger für
„Schäden an Gebäuden“ ist. Er könnte sich auch
einen Sachverständigen für „Wärme- und Feuchtigkeitsschutz“ oder einen Sachverständigen für „Schä-
Sachverständigenverzeichnis
Von Architektenleistung bis Zentralheizung: Das bundesweite Sachverständigenverzeichnis enthält Angaben zu 8539 (Stand Januar 2016) von Industrie- und
Handelskammern und anderen Bestellungskörperschaften öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Wer auf einem
Sachgebiet eine neutrale Einschätzung benötigt, findet dort den geeigneten
Gutachter. Falls es nach dem Blick in die Datenbank noch Fragen gibt, hilft
die IHK Bonn/Rhein-Sieg telefonisch weiter.
www.svv.ihk.de
Kontakt: Dr. Christina Schenk / Marion Bülow, Telefon 0228 2284-135
E-Mail: [email protected] / [email protected]
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Die Wirtschaft März 2016
den an und Bewertung von Innenräumen“ wenden.
Sie alle können feststellen, ob mangelhaft saniert
wurde oder ob der Schimmel durch falsches Lüften
entstanden ist.
Wann wird es Zeit, einen Sachverständigen zu beauftragen?
Dr. Christina Schenk: Wenn eine gütliche Einigung
bei Streitigkeiten mit der Baufirma, der Werkstatt, der
Versicherung oder dem Lieferanten nicht mehr möglich erscheint. Dann benötigt ein Unternehmen die
sachkundige Unterstützung eines neutralen, unabhängigen Dritten, also eines öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen. Wir helfen gern, den
geeigneten Sachverständigen zu finden.
Auch bei einem Bauvorhaben ist es sinnvoll, im
Vorfeld einen Sachverständigen hinzu zu ziehen. Er
kann dem Bauherrn „bauberatend“ zur Seite stehen.
Frühzeitige Beratung kann späteren Ärger vermeiden.
Wie kann ich sicher gehen, einen geeigneten Sachverständigen gefunden zu haben?
Marion Bülow: Da der Begriff des „Sachverständigen“ gesetzlich nicht geschützt ist, ist es sinnvoll,
sich mit einem unparteiischen und unabhängigen Experten in Verbindung zu setzen, der von der IHK oder
einer anderen Kammer bestellt und vereidigt wurde.
Diese Bestellung ist das Qualitätsmerkmal.
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Schon bei einer ersten Kontaktaufnahme wird der
Sachverständige mitteilen, ob die in Rede stehenden Fragen in sein Sachgebiet fallen oder ob er
einen weiteren Experten hinzu ziehen muss. Dazu
ist er verpflichtet.
Gilt das Gutachten eines Sachverständigen vor
Gericht?
Dr. Christina Schenk: Privat in Auftrag gegebene
Gutachten gelten vor Gericht zwar als Argument,
nicht jedoch als Beweis. Die Kosten für private Gutachten trägt derjenige, der sie in Auftrag gibt. Das
Geld kann allerdings nachträglich erstattet werden,
wenn sich herausstellt, dass dieses Gutachten zur
Prozessvorbereitung erforderlich war.
Als Beweis gilt ein Gutachten erst, wenn der
Richter den Gutachter gerichtlich beauftragt. Dieser soll – nach den gesetzlichen Regelungen – öffentlich bestellt und vereidigt sein.
Muss es denn überhaupt zum Prozess kommen?
Dr. Christina Schenk: Die Parteien können sich
außergerichtlich mit Hilfe eines Sachverständigen
einigen. Geschäftspartner können dazu eine sogenannte Schiedsgutachtenklausel (s. Kasten) in ihren
Vertrag aufnehmen. Diese Klausel besagt, dass im
Falle eines Streites ein Schiedsgutachter verbindlich über die Sache entscheidet. Selbst wenn der
Streitfall bereits eingetreten ist, können sie sich
noch auf die Klärung durch ein Schiedsgutachten
einigen.
Die Schiedsgutachtenvereinbarung sollte sorgfältig formuliert werden, da es auch hier bei Unklarheiten zu Streit kommen kann.
Wenn der Schiedsgutachter durch die IHK bestimmt werden soll, benötigen wir neben einem
Antragsschreiben zur Benennung auch eine kurze
Schilderung des Sachverhalts, die Anschriften der
Parteien und den Vertrag, aus dem sich die Schiedsgutachtenvereinbarung ergibt.
Mit welchen Kosten ist zu rechnen?
Dr. Christina Schenk: Das Schiedsgutachten als
Alternative zum Gerichtsverfahren spart Zeit und
Geld. Die Höhe der Kosten hängt vom Einzelfall ab.
Es gibt keine Gebührenordnung, die Schiedsgutachter können ihren Stundensatz pauschal oder
nach Aufwand abrechnen. Ratsam ist, die Vergütung
bereits im Schiedsgutachtervertrag zu regeln, den
der Schiedsgutachter mit den Parteien schließt.
Ein Schiedsgutachten gibt es sicher nicht zum
Schnäppchenpreis, Qualität hat ihren Preis.
Die Benennung des Schiedsgutachters durch
die IHK Bonn/Rhein-Sieg ist kostenfrei.
Viele Unternehmen sind international tätig. Kann
ich im Ausland einen deutschen Sachverständigen
einsetzen?
Formulierungsvorschlag für Schiedsgutachtenklauseln
Dieser Vorschlag lässt sich individuell anpassen:
„Entstehen bei der Durchführung des Vertrages zwischen X und Y (Parteien) vom …
(Datum) Meinungsverschiedenheiten über …
(z.B. das Vorhandensein von Mängeln oder die
Höhe des Mietzinses oder folgende Fragen: …),
so soll gemäß § 317 ff. BGB ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten eingeholt
werden. Als Schiedsgutachter soll auf Antrag
einer Partei oder beider Parteien von der IHK
Bon/Rhein-Sieg ein öffentlich bestellter und
vereidigter Sachverständiger benannt und sodann von den Parteien beauftragt werden. Jede
der Parteien kann den Sachverständigen auch
alleine beauftragen. Er kann von der anderen
Partei nur aus wichtigem Grund abgelehnt werden. Im Falle der Verhinderung oder des Vorliegens von Ablehnungsgründen wegen Besorgnis
der Befangenheit soll von der IHK ein Ersatzsachverständiger benannt werden. Die Kosten
für das Schiedsgutachten tragen die Parteien je
zur Hälfte. Die Kosten für die Benennung durch
die IHK trägt/tragen…“
Variante für den Schluss:
„Die Kosten des Schiedsgutachtens trägt
die nach den Feststellungen des Gutachtens
unterliegende Partei. Bei Teilunterliegen bestimmt sich die Verteilung der Kosten nach
dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens oder
Unterliegens und wird vom Schiedsgutachter
festgelegt.“
Marion Bülow: Selbstverständlich können deutsche Sachverständige bei Privataufträgen auch im
Ausland tätig werden. Schwieriger wird es bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, erst recht außerhalb der EU. Es gelten jeweils die Gesetze des
anderen Landes. Dann wird der zwischenstaatliche Rechtshilfeverkehr angewendet, das kann sehr
zeitaufwendig sein.
Welche Alternativen gibt es?
Marion Bülow: Kann der deutsche Sachverständige die Sache nicht alleine beurteilen, muss er unter
Umständen Experten vor Ort hinzuziehen. Die Organisation EuroExpert mit über 50.000 Fachleuten
hilft, über ihre Suchfunktion einen geeigneten Experte vor Ort zu finden (www.euorexpert.org).
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