Ralf Jackewitz

Die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung Röbels seit wendischer Zeit.
Ralf Jackewitz, Stadtarchiv Röbel/ Müritz
Bereits um 960 muß es eine suburbane Siedlung unterhalb der vermutlich als Stützpunkt und
Zehntsammelplatz für das Bistum Havelberg errichteteten Vorläuferanlage der Burg Röbel gegeben
haben, die als Handels- und Dienstleistungskommune fungierte. Eine alter Heer- u. Handelsweg
führte schon damals durch unseren Ort, wobei die Lage an der Müritz sicherlich auch den
Warentransport per Schiff begünstigte.
Mit dem großen Slawenaufstand 983 wurde der Einfluß des Havelberger Bischofs bzw. der frühen
Deutschen für mehr als 150 Jahre wieder minimiert; Handel trieb man dennoch sicherlich weiter,
und die Burg Röbel blieb wohl erhalten, nun als Führungssitz der Müritzer. Neben Ackerbau und
Haustierhaltung muß ein weiteres Standbein des damaligen Röbelers der Fischfang gewesen sein.
Dazu kamen diverse Handwerke, die bei den Wenden durchaus gut entwickelt waren, wie die
Schmiedekunst und die Weberei. Auch die Holzverarbeitung hatte einen hohen Stand erreicht, was an
den Brückenbauten und Burgwällen des 10./11. Jhdts. erkennbar ist.
Etwa ab 1180 müssen sich die ersten Siedler (Bauern, Händler, Handwerker) aus Flandern, dem
Niederrheingebiet und Westfalen, im hohen Teil der späteren Neustadt niedergelassen haben. Sie
erhielten vom Landesherren Hausäcker („Pertinentien“), welche an den Bau und die Unterhaltung
eines Wohnhauses gebunden waren und diesen Stadtgründern später die Bezeichnung „Ackerbürger“
einbrachten. Auf die Zeit
vor oder um 1200 kann man
auch die beiden Dreiecksstraßenmärkte in Röbel
datieren: der unterhalb der
Neusiedlung angelegte
„Pferdemarkt“ und der im
Bereich Alt-Röbels befindliche, auch als Burgmarkt
angesehene „Ziegenmarkt“.
Beide Märkte waren mit
Booten zu erreichen, was
den Transport begünstigte.
Für das Jahr 1217 wurde Röbel als fundiert gemeldet, erste Stadtrechte erhielt es 1226, im gleichen
Zeitraum wie Güstrow, Plau und Parchim. Mit Güstrow verbindet Röbel die Rechtsform dieser
Privilegierung ursprünglich niedersächsischer Prägung (Hagenrecht), das sogenannte Schweriner
Stadtrecht, dessen Wortlaut auf eine bereits weit fortgeschrittene, über das Genossenschaftswesen
hinausgehende urbane Selbstverwaltung schliessen lässt.
Als erste Gilde in Röbel galten noch Anfang des 16. Jhdt. die Handelsleute, vorrangig Tuchhändler,
deren Metier wohl als ein Hauptimport aus dem flandrisch/niederfränkischen Raum gelten kann. Das
Recht Tuch zu verschneiden hatte zuvor aus Wollwebern Händler gemacht und damit einflußreiche
Mitglieder der städtischen Oberschicht. 1291 wurde den Röbeler Wollwebern dieses wichtige Privileg,
das sie von Nicolaus I. v. Werle schon rund 50 Jahre zuvor erhalten hatten, erneut schriftlich bestätigt.
Ihre Handelsbeziehungen reichten weit; ein Indiz dafür ist das enge Verhältnis zu Lübeck, wo der
Röbeler Magistrat in der dortigen Marienkirche sogar einen Altar unterhielt. Der Lübecker
Stadthauptmann und spätere Ratsherr Gödecke Vretup besaß zudem bis 1303 das Zollrecht für Röbel.
Im 15. Jhdt. büssten die hiesigen Wollweber durch die verstärkten Importe besserer Stoffe und die
Abgrenzung von den Tuchhändlern ihre Vormachtstellung ein. Ihr stolzes Selbstverständnis zeigt sich
dennoch in der Zunftakte von 1463, in der sie u.a. die Aufnahme von Slawischbürtigen sowie
Abkömmlingen von Leinewebern und Pfeifern (nicht „ehrlich“ geboren) ausschlossen.
Diese Diskrimierung ist auch als Abwehrhaltung zu sehen gegenüber den vielen Zuwanderern, die in
Folge der Raubritterkriege in die Stadt drängten und versuchten, sich aus dem städtischen Proletariat
emporzuarbeiten, um schliesslich Bürgerrecht zu bekommen. Letzteres jedoch bedingte noch bis weit
in das 19. Jahrhundert hinein Haus- und Grundbesitz. Gleiches galt anfänglich auch für die
Handwerkerschaft, die sich zur eigenen Stärkung zu Zünften zusammenschlossen und im Laufe des
14. Jhdts. Ansprüche auf Sitze im Rat der Stadt anmeldeten. Vorreiter dabei waren die Schuhmacher,
Schmiede, Bäcker und Fleischer neben den bereits etablierten Wollwebern.
Die Furcht vor möglicher Konkurrenz hatte auch die kontinuierliche Herabstufung der Altstadt bis hin
zur bloßen „Dorffschaft“ im 17. Jhdt. zur Folge, wo die Brauerei, die Ansiedlung von Handwerkern
und die Nutzung des Stadtfeldes untersagt waren.
Ackerbürger gab es in Alt-Röbel keine, erst mit der Verwaschung des Begriffes im 19. Jhdt. werden
solche in der Altstadt genannt. Ackerbürgerstädte in Reinform, wie man sie in Niedersachsen findet,
entwickelten sich in Mecklenburg nicht. Hier wurde von Bürgern mit anderen Hauptberufen
Landwirtschaft im Nebenerwerb betrieben, auf den als Pertinentien bezeichneten Anteilen an der
landwirtschaftlichen Nutzfläche auf der städtischen Feldmark. Im Gegensatz zu den zumeist aus
Hagendörfern entstandenen, von vorne herein landwirtschaftlich ausgerichteten Ackerbürgerstädten
Niedersachsens kannte man im alten mecklenburgischen Landrecht ursprünglich keine bäuerliche
Bürgerschaft in den Städten. Grund dafür war die Einschränkung, daß nur derjenige Bürgerrecht
erwerben konnte, der „ehrlicher“ (ehrenhaften) Abstammung war und „ehrliche“ , d.h. „zünftige“
Berufe wie Händler, Gewerbetreibender oder Handwerker (z.B. Fleischer, Bäcker, Schmied, Tuchoder Schuhmacher) ausübte. Im Jahre 1514 beschrieb der herzogliche Sekretär Monnick nach seiner
Inspektionsreise durch die Lande auch die Gilden bzw. Handwerksämter in der Neustadt Röbel:
1) die Kaufmannsgilde mit „12 Paar Personen“ (die Ehefrauen waren Gildemitglieder);
2) das Schumacheramt mit 24 Personen ( der Begriff „Amt“ statt „Gilde“ zeigt die Trennung
der Handwerkerschaft von den Kaufleuten auf);
3) das Wollweberamt mit 23 Personen (die Tuchmacher/-händler zählten sich nicht mehr zu den
den Handwerkern, d.h. Wollwebern, obwohl sie diesem Handwerk entstammten; sie fertigten
und/oder verkauften auch Tuch aus anderen Stoffen wie Seide);
4) das Amt der Bäcker mit 8 Personen;
5) das Schmiedeamt mit 12 Personen;
6) das Schröder(Schneider)amt mit 9 Personen;
7) das Amt der Knochenhauer(Schlachter) mit 3 Personen.
Neben den Wollwebern waren hier schon seit slawischer Zeit Leinenweber ansässig, die, wenn auch
geringer geachtet, wesentlich länger als die einst mächtigen Wollweber ihr Handwerk in der Stadt
ausübten (im Jahre 1871 gab es noch 21 Weber hier, aber nur noch einen Tuchmacher). Die
Leineweber erhielten hier allerdings (ebenso wie die Fischer) erst nach 1530 Amtsprivilegien durch
den Landesherren, nachdem der Magistrat ihnen dies bis dahin verweigert hatte. Auch blieb diesen
vorrangig altstädtischen Handwerkern der Besuch der Stavenbäder (Badestuben) in der Stadt verwehrt,
wo die anderen städtsichen Gilden ihre oft ausschweifenden Gildenfeste feierten.
Alle anderen Handwerker hatten keine eigene Amtshierarchie; das Fehlen korporativer Rechte
bedeutete einen geringeren Einfluß beim Magistrat. Erst sehr spät (Ende d. 18.Jhdts.) kam es dann zu
überregionalen Zusammenschlüssen mit Berufsgenossen in nahegelegenen Städten, z.B. bei den
Färbern.
Die zunehmende Anzahl an städtischen Handwerkern resultierte daraus, dass den Städten das
alleinige Recht der Ansiedlung von Handwerkern und der Ausübung des Braugewerbes und später der
Brennerei zusprachen neben dem stadtspezifischen Marktrecht (nur auf den Rittergütern gab es
beschränkt Ausnahmen). Diese Privilegien hatten die immer stärker werdenden Stände (Ritterschaft
und Städte) den Herzögen abgehandelt oder sogar abgepreßt. Ein beträchtlicher Teil der Versorgung
des Umlandes fand also in den Städten statt.
Für den hohen Grad an Handelsvolumen sprechen auch die vielen Marktstellen in Röbel: Die alten
Straßenmärkte Pferdemarkt, Ziegenmarkt/Kirchplatz ( bereits vor 1225), der Neue Markt (seit ca.
1260), dazu der Roßmarkt an der Fronerei und der Ziegenort in der Altstadt, wobei in der Altstadt
noch ein weiterer Straßenmarkt vermutet wird, wahrscheinlich vor der Marienkirche. Neben zwei
Wochenmärkten wurden in der Regel noch viermal im Jahr Jahrmärkte abgehalten.
In der Altstadt stark vertreten waren einst neben den Fischern auch Pachtbauern, die vorrangig
Ländereien der Kirche bewitschafteten und sowohl die Priester als auch die auf der Burg ansässige
Landesherrschaft zu versorgen hatten.
Mühlen gab es reichlich in und um Röbel; neben zwie Wassermühlen beschickten die Röbeler um
1500 mindestens drei Windmühlen mit ihrem Mahlgut.
Der Viehbestand war beträchtlich: noch bis 1945 hatte die Stadt Viehhirten auf der Lohnliste.
Wie wohlhabend Röbel zu Beginn des 16.Jhdts. gewesen sein muß, läßt sich aus der Zahl der dem
herzoglichen Heere zuzuführenden Bewaffneten ablesen: 1510 hatte Röbel 200 Mann zu stellen,
Waren und Güstrow dagegen nur jeweils 100 Mann. Ein weiteres Indiz für den einstigen Wohlstand
kann man dazu in der Existenz eines Dominikanerklosters (Bettelorden) in der Stadt sehen.
Die allgemeine Wirtschaftsflaute in der 2. Hälfte des 16.Jhdts. setzte sich verstärkt mit dem 30jährigen
Krieg, seinen Folgekriegen, der preussischen Besetzung, und schliesslich der Okkupation durch
Napoleons Truppen fort. Danach begann ein merklicher Aufschwung, der sich beispielsweise im
Zuwachs an Händlern, Schmieden und besonders Schuhmachern bemerkbar machte und einen
Einwohnerzuwachs von mehr als 1500 bis auf 3500 Menschen (1850) bewirkte.
Unten: Die wirtschaftl. Verhältnisse Röbels in den Mecklenburg. Staatskalendern 1797 bis 1871
Die Einrichtung einer Sparkasse 1832, durch die Röbels leerer Stadtsäckel wieder gefüllt wurde, der
Ausbau des Hafens um 1840, die Pflasterung der sogenannten „Kunststraßen“, sowie die leider
selbstverschuldet späte Anbindung an das Eisenbahnnetz 1899 förderten ebenfalls das Wirtschaftsleben in der Stadt. Schon 1857 nahm ein Gaswerk seinen Betrieb auf und 1900 entstand ein städtisches
Krankenhaus.
Die Verbesserung der Infrastruktur begünstigte den Abtransport von Naturprodukten wie Holz aus den
wiederaufgeforsteten Stadtwäldern und Ziegeln. Insbesondere landwirtschaftliche Produkte vorrangig
aus den umliegenden Gütern waren noch bis in die 60er Jahre des 20.Jhdts. Hauptausfuhrkontingente.
Die Wirtschaftskrise der 1880er Jahre hinterliess auch in Röbel ihre Spuren, und die Innungsreform
beendete das Monopol des städtischen Handwerks, dem nun auch ländliche Konkurrenz erwuchs.
Zudem kamen immer mehr Waren aus industrieller Herstellung. Während so die große Zahl der
Handwerker in der zweiten Hälfte des 19. Jhdts stark schrumpfte, eröffneten sich für die Gastronomie
neue anfangs noch bescheidene Zukunftschancen, denn schon vor 1900 kamen die ersten Touristen
hierher. Die bereits begonnene Begrünung und der Ausbau von Alleen rückte nun stärker in den
Fokus des Magistrats, denn von den « Sommerfrischlern » versprach man sich Wirtschaftsbelebung.
Oben: Postkarte mit dem 1891 gegründeten Hotel „Seelust“. Die Aufnahme entstand 1913
Kleinere Industriebetriebe wie eine Walzmühle, Kartoffelflockenfabrik, Brauerei und Brennerei, eine
Maschinenfabrik, Ofenbauer etc. veränderten zudem das soziale Bild der Stadt zusehendst, wenn sich
auch die Einwohnerzahl dadurch nicht wesentlich nach oben bewegte (um 3600 bis 1945).
Der Anteil an Arbeitern und Angestellten wuchs dagegen nach dem Ende des II. Weltkrieges und dem
Zuzug von Flüchtlingen aus dem Osten und erreichte seinen Höhepunkt in den 1980er Jahren, als
Röbel noch dazu Zentrum eines eigenen Landkreises war (1952-1994). In dieser Zeit bis zur „Wende“
stellten neben den Gewerbebetrieben und der Verwaltung auch die landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften einen zentralen Beschäftigungsfaktor dar. Der Fremdenverkehr blühte
wegen der Reisebeschränkungen zur Ostsee auf und Großbetriebe wie z.B. Wismut-Aue unterhielten
hier Ferienzentren. Obwohl der Personen-und später auch Güterverkehr über die Bahnanbindung Ende
der 1960er Jahre ebenso wie der Güterumschlag im Hafen zugunsten der Straße eingestellt worden
waren, wuchs die Einwohnerzahl weiter: 1986 lebten hier 7050 Menschen, heute sind es dagegen nur
noch knapp über 5200.
Während die Situation des Einzelhandels in der Innenstadt leider wie in vielen anderen Städten
stagniert, ist die Zahl der Supermärkte im Stadtgebiet auf insgesamt zehn angewachsen, darunter
neben den Lebensmitteldiscountmärkten ein Textildiscounter, 1 Baumarkt und ein Agrarmarkt.
Größter und erfolgreichster Produktionsbetrieb ist das CD-Werk mit ca.500 Mitarbeitern; danach
folgen mit weitem Abstand eine Glaserei sowie eine Reihe größerer und kleinerer Bau-und Handwerksbetriebe. Immer wichtiger für die Stadt und ihre dienstleistenden sowie in der Gastronomie
tätigen Bürger wird dagegen der Tourismus als Hoffnungsträger für eine Stabilisierung der
wirtschaftlichen Verhältnisse.
Nicht zuletzt aufgrund der Konsumangebote hat Röbel seinen einstigen Charakter als Handels- und
Marktzentrum für die Region auf veränderte Weise behalten.
So findet Mecklenburgs Wahlspruch „Alles blifft bi’n Ollen“ hier seine Bestätigung, „nur’n büschen
anners“.