Antworten der GRÜNEN - Deutscher Tierschutzbund

Tierschutzpolitische Fragen an die
im Landtag Baden-Württembergs
vertretenen Parteien
zur Landtagswahl am 13. März 2016
1. Der Tierschutz ist sowohl in der baden-württembergischen Landesverfassung als auch im
Grundgesetz festgeschrieben. Damit erging der Auftrag an den Staat, dem Tierschutz bei Gesetzgebung, Auslegung und Anwendung des Rechts ausreichend Rechnung zu tragen. In der Praxis
muss sich allerdings noch Vieles ändern, damit der Wert Tierschutz auch im Alltag Eingang findet
und gelebt wird. In gerichtlichen Auseinandersetzungen wird der Staatszielbestimmung Tierschutz in vielen Fällen nach wie vor nicht Rechnung getragen und bedauerlicherweise werden
landesweit viele tierschutzrelevante Anzeigen sehr schnell eingestellt oder unverständlich gering
bemessen geahndet.
Die grün-rote Landesregierung hat im Mai 2015 u.a. deswegen das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine (TierSchMVG) eingeführt. Nun gilt es, das Gesetz wirksam umzusetzen.
1.1. Wie beurteilen Sie dieses Gesetz und wie werden Sie vor allem die Arbeit der anerkannten
Verbände nun konkret unterstützen, damit diese dieses Recht auch umzusetzen in der Lage
sind? Wird ihre Partei das TierSchMVG - so sie Regierungspartei wird - beibehalten?
Ja. Mit der Einführung des Verbandsklagerechts können anerkannte Verbände nun endlich auch
als Anwälte für den Tierschutz eintreten und die Interessen der Nutz-, Heim-, Wild-, Zoo- und Zirkustiere gerichtlich vertreten. Mit dem Landtagsbeschluss im Mai 2015 haben wir eines unserer
großen Tierschutzziele erreicht.
1.2. Werden Sie auch eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines bundesweit gültigen Tierschutz-Verbandsklagegesetzes anstrengen bzw. unterstützen, damit seriösen Tierschutzorganisationen die Möglichkeit gegeben wird, gegen Tierhalter, Tiernutzer und/oder Behörden zu klagen, wenn diese sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen halten – auch, um damit das fehlende Instrument zur Durchsetzung des Staatszieles Tierschutz zu schaffen?
Die Einführung des Verbandsklagerechts auf Bundesebene ist im Koalitionsvertrag der Bundesregierung enthalten. Wir würden eine Umsetzung auf Bundesebene selbstverständlich voll und ganz
unterstützen.
1.3. Werden Sie sich dafür einsetzen, in jedem Regierungsbezirk eigene Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Tierschutzrecht einzurichten, um so sicherzustellen, dass auch vor Gericht alles
herausgearbeitet und umgesetzt wird, was im Tierschutz rechtlich möglich ist?
Die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Untersuchung von Delikten gegen Artenschutz, Umwelt und Tierwohl halten wir Grünen für sinnvoll. NRW hat mit der Einrichtung einer
Schwerpunktstaatsanwaltschaft Umweltkriminalität bereits bewiesen, dass dadurch nicht nur
mehr Fälle ans Tageslicht kommen, sondern diese auch durch deren spezifische Sachkunde besser
aufgeklärt werden. Hinzu kommt, wie auch beim Verbandsklagerecht, die präventive Wirkung.
1.4. Werden Sie die von der grün-roten Landesregierung etablierte Stabsstelle eines Landestierschutzbeauftragten (SLT) - die sich in den wenigen Jahren ihres Bestehens schon landesweit und
über viele Interessenskreise hinweg als zuverlässig und kompetent bewährt hat - in gleicher
Form beibehalten? Werden Sie die SLT weiter personell ausbauen und stärken?
Wir Grünen haben uns für die Einrichtung einer Stabstelle Landestierschutz im Land stark gemacht. Selbstverständlich wollen wir diese Stelle auch in Zukunft beibehalten. Wir werden die
Stabstelle als unabhängige und starke Stimme für die Tiere weiterhin voll und ganz unterstützen.
Personell ist die Stabstelle bereits gut ausgestattet. Zur Sicherung der Kontinuität und Qualität
streben wir die Verstetigung einer dritten Stelle im höheren Dienst (Tierärztin) an.
2. Ebenfalls unter der grün-roten Landesregierung wurde im April 2015 das Landesjagdrecht umfassend novelliert. Im neuen „Jagd und Wildtiermanagementgesetz“ (JWMG) von BadenWürttemberg wurden einige wichtige Tierschutzanliegen umgesetzt, wie das Verbot, Hunde und
Katzen zu töten, Totschlagfallen einzusetzen oder Füchse im Naturbau zu bejagen. Auch wird
Füchsen erstmalig eine Schonzeit eingeräumt. Sieht man davon ab, dass es auch hierbei in begründeten Fällen Ausnahmeregelungen geben kann, ist insgesamt gesehen mit dem neuen
JWMG doch ein deutlicher Schritt hin zu einem moderneren Jagdrecht gelungen.
2.1. Wie beurteilen Sie das neue Landesjagdgesetz?
Im neuen wissenschaftsbasierten und zugleich praxistauglichen Jagd- und Wildtiermanagementgesetz finden sich mehr Tierschutz und mehr Naturschutz denn je. Zudem steigert das Gesetz die
gesellschaftliche Akzeptanz der Jagd. Wir haben damit einen Paradigmenwechsel im Umgang mit
unseren Wildtieren erreicht. Im Bundestierschutzgesetz heißt es, niemand dürfe einem Tier ohne
vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Dies gilt nun auch für die Jagd in
Baden-Württemberg. Und mit der zweimonatigen Jagdruhe im März/April schaffen wir erstmals
für alle Wildtiere eine einheitliche jagdfreie Zeit.
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2.2. Halten Sie die Bejagung von Tieren grundsätzlich für ethisch vertretbar und welche Möglichkeiten sehen Sie, das Tierschutz- und Wildtiermanagement nun in der Praxis konkret zu verbessern?
Baden-Württemberg ist ein waldreiches Land mit vielfältigen Lebensräumen für Wildtiere. Gleichzeitig werden große Flächen für Landwirtschaft, Siedlungen und Verkehr genutzt, wodurch es immer wieder zu Wildschäden und Unfallgefahren kommt, die nur mit angepassten Wildtierbeständen reduziert werden können. Die Jagd darf, so haben wir Grünen es im Gesetz verankert, nur auf
Basis eines vernünftigen Grundes erfolgen: zum Schutz bedrohter Arten, der Artenvielfalt und Biodiversität, bei nachhaltiger Nutzung (Nahrung, Bekleidung) und zur Abwehr von Tierseuchen, zur
Verhinderung von Wildschäden und der Vermeidung von Wildunfällen.
Für mehr Tierschutz in Wald und Feld haben wir im JWMG weitreichende Akzente gesetzt. Alle
Entscheidungen fällen wir künftig auf Basis des Wildtiermonitorings sowie wissenschaftlicher Erkenntnisse. Diese fließen ein in den Wildtierbericht, wonach entschieden wird, ob Tierarten geschützt werden oder bejagt werden dürfen. Ein Leuchtturmprojekt grüner Politik.
2.3. Wird ihre Partei das JWMG weiterführen und auf eine korrekte Umsetzung der Vorgaben
achten? Welche Nachbesserungen werden Sie vornehmen? Wie planen sie vor allem den Aspekt
Wildtiermanagement mit Leben zu füllen, welche wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse werden hier zukünftig zugrunde gelegt, wie werden sie gewonnen?
Wir wollen das von Grün-Rot geschaffene JWMG fortführen. Auf Basis wissenschaftlicher und jagdlicher Erkenntnisse sowie gesellschaftlicher Entwicklungen werden wir die Zuordnung der Arten in
den Nutzungs-, Entwicklungs- oder Schutzstatus alle drei Jahre anpassen und uns für eine angemessene Ausstattung der wildtierökologischen Einrichtungen des Landes einsetzen.
Das Gesetz haben wir durch seine Neuerungen bereits mit Leben gefüllt. Die im Monitoring gewonnenen Erkenntnisse fließen in das künftige Artenmanagement ein. Eingebunden sind die Wildtierforschungen an universitären Lehrstühlen, an der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt
(FVA) Freiburg und die Wildforschungsstelle (WFS) des Landes in Aulendorf. WFS, FVA und die Professur für Forst- und Umweltpolitik Freiburg berücksichtigen alle Studien und Forschungsergebnisse. Unsere Augen und Ohren in der Fläche sind gleichermaßen die Natur- und Tierschützer wie
auch die Jäger und Jägerinnen. Um künftigen Aufgabenstellungen aktiv zu begegnen, haben wir
2015 das Expertenforum “Weiterentwicklung der Wildtierforschung“ eingerichtet. Wir koordinieren die potenzielle Rückkehr von Tierarten wie Wolf, Luchs und Wildkatze sowie den Ausbau des
Biotopverbunds und der Wildtierkorridore.
3. Tierschutzarbeit wird auf Bundesebene bislang leider nicht staatlich finanziell gefördert. In
Baden-Württemberg wurde immerhin für die Jahre 2010 bis 2016 das Förderprogramm „VV
Tierheime“ aufgelegt. Die Landesregierung hat damit in den vergangenen Jahren zwar vermehrt
Mittel zum baulichen Erhalt der Tierheime im Land bereitgestellt, doch reichen diese Mittel bei
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Weitem nicht aus. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die öffentliche Hand u.U. zurückzieht,
wenn ein Verein eine Co-Finanzierung mit weiteren Geldgebern anstrebt, weil das angestrebte
Bau- oder Sanierungsprojekt sonst nicht zu stemmen ist.
3.1. Werden Sie das Förderprogramm „VV-Tierheime“ weiterhin aufrechterhalten? Welche Möglichkeiten sehen Sie, den karitativen Tierschutz über die rein baulichen Maßnahmen hinaus direkt mit Landesmitteln dauerhaft zu unterstützen? Würden Sie hierfür konkrete Initiativen ergreifen und wenn ja welche?
Jährlich stellt die grün-rote Landesregierung bis zu 500.000 Euro für Bau und Sanierungen von
Tierheimen zur Verfügung. Das Förderprogramm „Zuwendungen zur Sanierung und den Bau von
Tierheimen“ hat sich bewährt und wir wollen es fortsetzen.
Das Engagement unserer Tierschutzvereine ist unverzichtbar. Sie leisten wertvolle Beiträge bei der
Unterbringung von Fundtieren, bei der Beratung von Tierhaltern und anderen Tierschutzfällen.
Das wollen wir auch in Zukunft unterstützen. Wir wollen uns weiterhin dafür einsetzen, dass der
Tierschutz in Öffentlichkeit und Bildung noch stärker wahrgenommen wird und dies auch vor Ort
seinen Niederschlag findet. Dies geschieht schon jetzt z.B. durch die Verleihung des Tierschutzpreises. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird an engagierte Bürgerinnen und Bürger des Landes vergeben, die sich unermüdlich und nachhaltig zum Wohl der Tiere einsetzen. Vom Tierschutzverein
über engagierte Einzelpersonen bis hin zu landwirtschaftlichen Betrieben repräsentieren die Preisträgerinnen und Preisträger 2015 eine vielseitige Mischung.
3.2. Würden Sie das Anliegen der Tierheime und Tierschutzvereine gegenüber den Kommunen
unterstützen, eine faire sachgerechte Kostenerstattung für die für die Kommunen übernommenen Aufgaben zu bekommen? Wenn ja, wie und in welchem Umfang werden Sie den Erhalt der
Tierheime konkret unterstützen?
Die zahlreichen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Tierschutzverbände leisten
vorbildliche und absolut notwendige Arbeit in unzähligen, meist ehrenamtlich erbrachten Stunden. Gleichzeitig ist uns Grünen die Entscheidungshoheit der Kommunen ein zentrales Anliegen.
Starke entscheidungsfreudige Kommunen sind gut für unser Land. Indem wir die Tierheime finanziell bei Bauvorhaben unterstützen, werden die Kommunen durch die sog. Drittelfinanzierung zumindest indirekt aufgefordert, sich auch zu beteiligen. Wir können und wollen den Kommunen
aber keine Vorgaben machen.
3.3. Was halten Sie von einem Masterplan des Landes zugunsten des karitativen Tierschutzes?
Wir erachten die Erstellung eines solchen Plans mit verstärkter Koordinierung spezieller Projekte
wie den Auffangstationen für sinnvoll. Die sich in den letzten Jahren verändernde Heimtierhaltung,
insbesondere bei Handel und Haltung von Exoten, erfordert eine kritische Analyse der Situation
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und der Perspektiven. Über entsprechende Vorschläge von Seiten der Tierschutzverbände würden
wir uns freuen.
3.4. Setzen Sie sich auch auf föderaler Ebene für einen bundeseinheitlichen Rahmen zur kostendeckenden Erstattung der von Tierheimen übernommenen staatlichen Leistungen ein?
Unsere laufende landesweite Tierheimförderung ist ein politisches Signal, dass sich Grün-Rot der
Bedeutung der Tierheime bei der Unterbringung von Fund- und anderen Tieren bewusst ist. Im
Grundsatz soll die Förderung und Kostenerstattung vor Ort unter Berücksichtigung der lokalen
Verhältnisse erfolgen. Um die Fragen des Fundrechts zu klären, hat das Ministerium für Ländlichen
Raum und Verbraucherschutz in der Sitzung des Landesbeirats für Tierschutz am 15.12.2015 angeregt, zunächst konkrete Zahlen zur Verweildauer der Tiere zu erfassen sowie eine Schätzung der
zu erwartenden Kosten vorzunehmen.
4. Der legale und illegale Handel mit Heimtieren und Exoten nimmt stetig zu, jeder kann sich
ohne Probleme und Einschränkungen Tiere anschaffen. Dementsprechend werden auch immer
mehr „Haustiere“ von ihren Besitzern ausgesetzt oder abgeschoben - die Folge: Die badenwürttembergischen Tierheime sind nahezu durchgehend voll oder sogar überfüllt.
Der Umgang mit Heimtieren und Exoten wird in Deutschland bislang nur durch die unscharfen
und lückenhaften Rahmenbedingungen im Tierschutzgesetz und in der „TierschutzHundeverordnung“ geregelt. Es fehlen konkrete und umfassende Vorschriften zu Zucht, Haltung,
Handel, Ausbildung sowie Registrierung und Kennzeichnung von Heimtieren.
4.1. Unterstützen Sie die Forderung des Landestierschutzverbandes und des Deutschen Tierschutzbundes e.V., die Zucht, die Ausbildung, die Haltung, den Handel sowie die Kennzeichnung
und Registrierung von Hunden, Katzen und anderen als „Haustiere“ gehaltenen Tieren auf Bundesebene umfassend zu regeln, z.B. über ein so genanntes „Heimtiergesetz“? Welche eigenen
Initiativen auf Landesebene kämen für sie darüber hinaus in Frage?
Wir unterstützen das Anliegen einer bundeseinheitlichen Definition der Haltungsanforderungen
(Mindestkäfigmaße, Wannentiefe usw.) und des zugelassenen Zubehörs (keine unfallträchtigen
Hamsterräder, keine Weichmacher). Auch die Bundestierärztekammer befürwortet diesen Ansatz
ausdrücklich. Unsere Nachbarländer Österreich und die Schweiz haben vergleichbare Richtlinien
bereits. Auf Unkenntnis beruhendes Tierleid ließe sich damit weitreichend eindämmen. Beim innergemeinschaftlichen Verbringen sowie bei der Einfuhr aus Drittländern gibt es für Hunde und
Katzen bereits Vorschriften wie z.B. eine Kennzeichnung oder die vorgeschriebene Tollwutimpfung. Darüber hinaus plant die Landesregierung keine weitergehenden Regelungen oder Initiativen
für die Haltung von Haus- oder Heimtieren.
4.2. Welche Ansätze verfolgen Sie, um auch die Eingriffsmöglichkeiten der Behörden zu verbessern, etwa beim illegalen Handel mit Tieren, beim Animal Hoarding oder im Bereich Qualzucht?
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Hier sind drei ganz unterschiedliche Aspekte angesprochen.
Beim illegalen Tierhandel liegt die Schwierigkeit darin, die Delikte aufzudecken. Um auf die EUweite Not der Tiere deutlich hinzuweisen, haben unser grünes Ministerium, die Tierschutzbeauftragte und Tierschutzverbände zu einer internationalen Konferenz in Brüssel eingeladen. Das
Schlussdokument bringt es auf den Punkt: Wir brauchen eine vollständige Rückverfolgbarkeit, um
dem wachsenden illegalen Handel das Handwerk zu legen.
Das Animal Hoarding, das krankhafte Sammeln von Tieren, ist eine psychische Erkrankung einzelner Menschen, der nicht pauschal vorgebeugt werden kann. Katzen, Hunde, Kaninchen, Ponys,
Reptilien und Vögel, die überforderten Halterinnen und Haltern abgenommen wurden, werden in
Tierheimen untergebracht. Damit sie nicht den Rest ihres Lebens dort bleiben müssen, suchen wir,
auch über die Stabstelle Landestierschutz, nach einem neuen Zuhause.
Qualzuchten haben mittlerweile ein für uns unerträgliches Maß angenommen. Doch die Gesetzgebung liegt beim Bund, von dem wir, ebenso wie die Konferenz der Agrarminister der Bundesländer, die Anwendbarkeit des § 11b Tierschutzgesetz (Verbot von Qualzüchtungen) auch in der Nutztierhaltung fordern.
4.3. Werden Sie sich darüber hinaus dafür einsetzen, dass - ähnlich wie Waschmaschine und
Fernseher - die Tierhaltung in sozial schwachen Haushalten bei der Bemessung von Sozialleistungen durch staatliche Fördermittel gesondert berücksichtigt wird?
Wer ein Tier hält, ist nach dem Tierschutzgesetz verpflichtet, das Tier angemessen zu ernähren, zu
pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Zur Abhilfe in der Not hat unsere Landestierschutzbeauftragte die Gründung eines Vereins angestoßen: Wenn Tierhalterinnen oder Tierhalter die
Versorgung ihres Tieres nicht selbst gewährleisten können, kann der 2015 gegründete Verein Tierschutzsozial- und -notfallfonds e.V. (TSNF) Hilfe leisten. Nicht angestrebt wird aber die Entstehung
oder Daueralimentierung problematischer Fälle.
5. Ein großes Problem für Tierheime und Kommunen stellt die unkontrollierte Vermehrung von
Hauskatzen dar. Zahlreiche ungewollte Katzen und Katzenwelpen werden ausgesetzt und sich
selbst überlassen. Die Tiere „verwildern“, leiden unter Mangelernährung und einem hohen Risiko zu erkranken. Überlebende Tiere vermehren sich, auch wenn sie krank sind, weiter. Großes
Tierleid entsteht, obwohl Tierschutzvereine versuchen, solche scheuen, frei lebenden Katzen zu
kastrieren und vor Ort weiter zu versorgen. Zwar hat Baden-Württemberg als eines der ersten
Bundesländer seine Kommunen gem. § 13b Tierschutzgesetz ermächtigt, Kastrationsverordnungen für Katzen zu erlassen, dieser neue Passus des Tierschutzgesetzes hat sich aber leider in der
Praxis nicht bewährt, ist er doch aufgrund zahlreicher Einschränkungen kaum umsetzbar.
5.1. Trotz der vorhandenen Zuständigkeitsverordnung zum Schutz von Katzen hat deshalb bisher
keine Kommune eine Kastrationsverordnung für Freigängerkatzen ins Leben gerufen. In welcher
Form sehen Sie das Land in der Pflicht, dies weiter voranzutreiben? Welche finanziellen Mittel
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sollen den Tierschutzvereinen für Kastrationsaktionen frei lebender Katzen zukünftig zur Verfügung gestellt werden?
Nicht kastrierte Tiere bekommen Nachwuchs, und bei weitem nicht jedes Tier findet liebevolle
Besitzer. Dies gilt insbesondere für verwilderte Tiere. Diese Tiere leiden große Not, sind abgemagert und oft krank. Glücklicherweise haben die Probleme in Baden-Württemberg bisher nicht das
Ausmaß anderer Bundesländer erreicht. Das Bundestierschutzgesetz verlangt, dass im Vorfeld einer kommunalen Kastrationsverordnung den verwilderten Katzen direkt geholfen werden
muss. Den Tierschutzvereinen, die dies mit beständigem Einsatz tun, sprechen wir unsere große
Anerkennung aus. Sie bieten den Gemeinden oft ihre Hilfe bei der tiergerechten Regulierung verwilderter Katzenbestände an.
Auch der Tierschutzbeirat des Landes hat sich mit dem Thema befasst und Empfehlung herausgegeben. Er richtet an alle Katzenhalter und –halterinnen die dringende Bitte, jede Katze mit Freigang kastrieren und dabei kennzeichnen und registrieren zu lassen. Zur Unterstützung eines vorbildlichen Pilotprojekts des Landestierschutzverbands gegen Katzenelend beabsichtigt das Ministerium für Ländlichen Raum Tierschutzorganisationen für Kastrationsaktionen für 2016 und 2017
einen Zuschuss zukommen zu lassen.
Empfehlungen des Landestierschutzbeirats:
http://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/mmlr/intern/Katzenempfehlung_kurz.pdf
5.2. Wie stehen Sie zur Forderung einer überregionalen, landeseigenen Katzenkastrationsverordnung, die alle Halter von Katzen mit Freigang dazu verpflichtet ihre Tiere kastrieren, kennzeichnen und registrieren zu lassen, um so das „Katzenelend“ endlich wirkungsvoll eindämmen
zu können?
Die Kastration von Freigänger-Katzen in Verbindung mit Kennzeichnung und Registrierung halten
wir für sinnvoll.
6. Fast drei Millionen Tiere werden in Deutschland jedes Jahr für Tierversuche „verbraucht“.
Schwer belastende Tierversuche für unklare Zwecke sind nach wie vor zulässig,. Eine unabhängige Prüfung und Bewertung der Versuchsanträge ist den zuständigen Behörden gar nicht möglich
- stattdessen bleibt das 2013 novellierte Tierschutzgesetz und die neue Tierversuchsverordnung
Deutschlands in einigen Punkten noch hinter dem Tierschutzstandard zurück, den die EUTierversuchsrichtlinie verbindlich vorgibt. Nicht zuletzt deswegen wurde auch bei der EUKommission bereits Beschwerde gegen die unzureichende Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht eingelegt.
Auch wenn die Zahl der Tierversuche in Baden-Württemberg zuletzt rückläufig war, weißt die
aktuelle Statistik (2013) noch immer eine extrem hohe Zahl von 495.339 Tieren aus, die jährlich
für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt oder getötet werden. Baden-Württemberg ist im „Tierverbrauch“ beim Ländervergleich damit an zweithöchster Stelle.
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6.1. Welche Maßnahmen schlagen Sie konkret vor, um den Tierverbrauch im Land (weiter) zu
verringern?
6.2. Werden Sie die tierversuchsfreie Forschung in Baden-Württemberg stärker fördern als bisher und sich dafür einsetzen, dass zukünftig ein Teil der staatlichen Fördermittel für die Forschung bevorzugt an solche Projekte vergeben werden, die Tierversuche gezielt durch tierversuchsfreie Experimente und Verfahren ersetzen?
Zu 6.1 und 6.2: Es ist richtig, dass Baden-Württemberg als einwohnerstarkes und forschungsintensives Bundesland im Ländervergleich des „Tierverbrauchs“ in absoluten Zahlen weit oben rangiert.
Trotzdem ist es uns wichtig, festzuhalten, dass die Zahl der Tierversuche in Baden-Württemberg in
den letzten Jahren bereits deutlich zurückgegangen ist.
Unser Ziel ist es, Tierversuche in Forschung und Lehre weiterhin stark zu reduzieren, auch wenn in
absehbarer Zeit nicht vollständig auf Tierexperimente in der Forschung verzichtet werden kann.
Wir setzen uns insbesondere dafür ein, dass Baden-Württemberg zur europaweiten Modellregion
für die Entwicklung und den Einsatz von Alternativen zu Tierversuchen wird. Grün-Rot hat daher
ein Förderprogramm aufgelegt, das die Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum
Tierversuch mit jährlich 400.000 Euro unterstützt. Wir werden dieses in der kommenden Legislaturperiode besser ausstatten und verbindlich im Haushalt festschreiben. So kann daraus ein über
die Landesgrenzen hinweg ausstrahlender Forschungsschwerpunkt werden. Der Transfer von der
Forschung in die Praxis wird dabei zukünftig eine besondere Rolle spielen.
Mit Hilfe von Modellprojekten wollen wir zudem die Möglichkeiten eines tierverbrauchsfreien
Studiums auch in Medizin und Lebenswissenschaften praktisch zeigen. Studierende sollen die
Möglichkeit erhalten, einen universitären Abschluss zu erlangen, wenn sie Tierversuche aus ethischen Gründen ablehnen. Dort, wo es weiterhin Tierversuche im Studium gibt, sollen diese an Tieren durchgeführt werden, die nicht eigens zu diesem Zweck gezüchtet werden.
Wie weit bei der generellen Vergabe von Landesfördermitteln der „Tierverbrauch“ ein Kriterium
sein kann – dies betrifft insbesondere die Förderung von Projekten in der Medizin und in den Lebenswissenschaften –, werden wir prüfen. Allerdings sind DFG, Bund und die EU hier die vom Volumen her weitaus größeren Drittmittelgeber, so dass der Effekt einer Kopplung der Landesforschungsförderung an dieses Kriterium insgesamt nur eine begrenzte Wirkung entfalten würde.
6.3. Beabsichtigen Sie - auch mit Blick auf die jüngsten Diskussionen um die Missstände bei den
Affenversuchen am Max Planck Institut in Tübingen - darauf hinzuwirken, dass speziell Versuche an Primaten in Baden-Württemberg drastisch reduziert werden?
Tierversuche an Primaten lehnen wir ab und wollen dazu beitragen, dass darauf ganz verzichtet
werden kann. Dazu setzen wir insbesondere auf die Förderung computergestützter Verfahren für
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die Erforschung von Gehirnfunktionen (in silico). Die rechtlichen Handlungsspielräume des Landes
hinsichtlich des Verbots bzw. der Genehmigung von Tierversuchen, auch von Primatenversuchen,
sind allerdings begrenzt, wie jüngst das Bremer Urteil gezeigt hat. Auf Bundesebene werden wir
uns dafür einsetzen, die EU-rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz von Versuchstieren auch tatsächlich zu nutzen und absolute Obergrenzen für die Belastungen der Tiere sowie eine vollständige Prüfung des möglichen Nutzens einzuführen.
Weiterhin werden wir uns dafür einsetzen, einen Dialog zu den ethischen und rechtlichen Fragen
zu etablieren. Nur wenn sachlich über die ethischen und forschungspolitischen Aspekte von Tierversuchen diskutiert werden kann, werden auch die mit diesen Versuchen befassten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereit sein, sich der öffentlichen Debatte zu stellen.
6.4. Unterstützen Sie die Forderung, Tierversuche in den nächsten 10 - 20 Jahren abzuschaffen?
Wir stehen dafür, Tierversuche soweit wie möglich zu reduzieren, durch Alternativmethoden zu
ersetzen und dort, wo sie unerlässlich sind, Versuchsdurchführung und Genehmigungspraxis am
Leid der Tiere auszurichten. Zur politischen Ehrlichkeit gehört, dass eine vollständige Abschaffung
von Tierversuchen derzeit nicht erreicht werden kann. Im Übrigen kennt unsere Verfassung auch
die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.
6.5. Unterstützen Sie eine Bundesratsinitiative zur Klarstellung der vollumfänglichen eigenständigen Prüfpflicht der Unerlässlichkeit bei Tierversuchsanträgen durch die Behörde im Tierschutzgesetz?
Ja. Wir werden uns auf Bundesebene für eine Novellierung des Tierschutzgesetzes einsetzen, um
den EU-rechtlich möglichen Spielraum zum Schutz der Versuchstiere auszuschöpfen.
6.6. Setzen Sie sich dafür ein, dass das Tierschutzgesetz (und die dazugehörende Versuchstierverordnung) erneut überarbeitet und vor allem in Hinblick auf Tierversuche nachgebessert wird?
Sind auch Sie der Ansicht, dass es bei Tierversuchen eine obere Belastungsgrenze geben muss,
ab der bei ethischer Abwägung für die Tiere schwer belastende Versuche, die für die Versuchstiere mit erheblichen Leiden und Ängsten verbunden sind, nicht genehmigt werden dürfen?
Ja. Wir werden uns auf Bundesebene für eine Novellierung des Tierschutzgesetzes einsetzen, um
den EU-rechtlich möglichen Spielraum zum Schutz der Versuchstiere auszuschöpfen. Wir werden
uns dabei u.a. für die Einführung absoluter Obergrenzen bei der Belastung der Tiere (Schmerzen,
Leid, Ängste) sowie für eine vollständige Prüfung des möglichen Nutzens bei der gesetzlich vorgeschriebenen ethischen Abwägung bei der Genehmigung von Tierversuchen einsetzen. Besonders
wichtig erscheint es uns, festzulegen, dass besonders belastende Versuche im Regelfall nicht genehmigungsfähig sind und dass das methodische Instrumentarium für die Belastungseinschätzung
wie für die Nutzenabschätzung konkretisiert werden muss, um zu einer gerichtsfesten Abschätzung zu gelangen.
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6.7. Welche konkreten Maßgaben wollen Sie ergreifen, dass an Hochschulen und anderen
Lehreinrichtungen im Bereich der Biowissenschaften, Pharmakologie und Medizin ethische
Grundlagen der Mensch-Tierbeziehung und die Möglichkeiten einer Forschung ohne die Durchführung von Tierversuchen angemessen Eingang finden?
Das in Punkt 6.1/6.2 angesprochene Programm zur Erforschung von Alternativmethoden ermöglicht seit 2013 auch die Finanzierung von Forschungsvorhaben, die sich mit wissenschaftsethischen
oder wissenschaftssoziologischen Fragestellungen in Bezug auf Tierversuche auseinandersetzen.
Wir begrüßen es, wenn Hochschulen und Forschende hier aktiv werden.
Darüber hinaus haben wir im Landeshochschulgesetz ein Transparenzregister eingeführt, das eine
Grundlage für den hochschulinternen Diskurs über forschungsethische Fragen darstellt. Diese forschungsethische Diskussion an den Hochschulen wollen wir zukünftig institutionell verankern.
Auch die Aktivitäten der Landesbeauftragten für einen Dialog über forschungsethische Fragen begrüßen wir.
Bezüglich des Studiums haben wir im Landeshochschulgesetz verankert, dass jeder Studiengang
auch zu einem „verantwortungsvollen Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat“ befähigen soll. Ebenso hat die wieder eingeführte Verfasste Studierendenschaft
durchaus auch das Mandat, ethische Fragen im Zusammenhang mit Forschung und Lehre zu thematisieren.
7. Der landwirtschaftlichen Tierhaltung kommt in der Agrarwirtschaft des Landes nach wie vor
eine große Bedeutung zu. Umgekehrt steigen die Ansprüche der Verbraucher an die Tierhaltung
- Tierschutz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung wird immer mehr auch ein politisches Thema. Allein in Baden-Württemberg wurden im vergangen Jahr über 1,8 Millionen Schweine und
über 1 Million Rinder gehalten. Die Tierzucht und -Mast findet aber immer noch unter z. T. tierunwürdigen Bedingungen statt. Der Großteil der so genannten Nutztiere wird in engen Ställen
zusammengepfercht, viele sind schon zuchtbedingt krank. Vollspaltenböden, Anbindehaltung,
betäubungslose Kastrationen und schmerzhafte Verstümmelungen zur Anpassung an Haltungssysteme sind weitere Beispiele für immer noch bestehende Missstände. Dringenden Handlungsbedarf gibt es darüber hinaus bei der Schlachtung.
7.1. Werden Sie sich für Verordnungen im so genannten Nutztierbereich einsetzen, die spürbare
tiergerechte Verbesserungen in den Haltungsbedingungen der verschiedenen Tierarten festlegen? Werden Sie ggf. bereits vorher die Vergabe von Fördermitteln an Landwirte an die Erfüllung von höheren Tierschutzstandards in Haltung und Umgang mit den von ihnen gehaltenen so
genannten Nutztieren binden?
Ja. Die Verbesserung des Tierwohls ist uns Grünen ein großes Anliegen. Wir befürworten mit
Nachdruck die Initiative Nordrhein-Westfalens für verbindliche Vorgaben für die Putenhaltung.
Nachdem der Bundesrat den Entwurf im November 2015 der Bundesregierung zugeleitet hat, ist
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diese nun am Zug. Wir setzen uns zudem für die EU-weite Verbesserung ein. Für die Schafhaltung
greift der allgemeine Teil der Verordnung. Zudem hat der Landesbeirat für Tierschutz zusammen
mit Experten und dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Empfehlungen für
mehr Tierschutz erstellt.
Bei Milchkühen halten wir grundsätzlich Laufställe und Weidehaltung für die besseren Haltungsformen und wollen die ganzjährige Anbindehaltung rasch überwinden. Ein sofortiges Verbot der
Anbindehaltung würde jedoch zwangsläufig zur Aufgabe vieler kleinbäuerlicher Betriebe im Land
und zur Verlagerung der Produktion in die Agrarfabriken Nord- und Ostdeutschlands führen – das
ist nicht unser Ziel. Der Erhalt bäuerlicher Landwirtschaft ist uns wichtig. Deshalb setzen wir auf
den Umbau unserer Betriebe zu Laufställen oder die Kombination mit Ausläufen. Bei der Agrarförderung haben wir deshalb das Tierwohl in den Mittelpunkt der Stallbauförderung gerückt und die
Sommerweideprämie für Milchkühe und deren weibliche Nachzucht eingeführt.
Darüber hinaus setzen wir auch auf die betriebliche Eigenkontrolle nach TierSchG §11 (8). Bäuerinnen und Bauern wollen wir tierbasierte Indikatoren zur Beurteilung ihres Bestands, wie sie
jüngst die FH Nürtingen für Milchkühe erarbeitet hat, an die Hand geben.
7.2. Die grün-rote Landesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode u.a. ihre Fördermittelvergabepraxis tlw. an das Tierschutzlabel-System des Deutschen Tierschutzbundes angelehnt
und zahlt bspw. über das neue Agrarförderprogramm „Fakt“ Prämien für mehr Tierwohl aus. So
gibt es künftig Landesfördermittel, wenn Rinder im Sommer Weidezugang bekommen, wenn
Schweine auf Stroh statt auf Beton-Spaltenböden stehen und wenn Hühner einen Freilandauslauf haben. Werden Sie diese Richtung beibehalten? Welche weiteren Maßnahmen zur tiergerechten Nutztierhaltung werden Sie umsetzen?
Mit den Richtlinien des Förderprogramms für Agrarumwelt, Klimaschutz und Tierwohl (FAKT) und
des Agrarinvestitionsförderungsprogramms haben wir Grünen den Umgang mit Tieren ethisch
verantwortungsvoller ausgestaltet. So unterstützen wir eine verbesserte Tierhaltung, indem wir
den Bau neuer Ställe nur noch vom Land fördern, wenn er über die gesetzlichen Mindeststandards
deutlich hinausgeht. Außerdem vergüten wir den Mehraufwand bei der Haltung von Mastschweinen auf eingestreuten Liegeflächen und mit Beschäftigungsmöglichkeiten oder freiem Zugang zum
Auslauf sowie die tiergerechte Masthühnerhaltung. Ziel der Sommerweideprämie ist es, die Haltungsbedingungen für Milchkühe, die in der Regel im Stall gehalten werden, zu verbessern. Ziegen
und Schafe werden in Baden-Württemberg vorwiegend im Freien gehalten, sodass eine vergleichbare Prämie keine Verbesserung in der Haltung bedeuten würde. Die FAKT-Tierwohlmaßnahmen
zur Haltung von Mastschweinen und Mastgeflügel orientieren sich am Tierschutzlabel des Deutschen Tierschutzbunds. Für weitere Tierarten liegen bisher noch keine Kriterien vor. Sollte eine
Ausweitung stattfinden, können wir uns vorstellen, diese künftig in unsere Förderung aufzunehmen.
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Seit langem fordern wir auch eine stärkere EU-Förderung in der zweiten Säule, um so die finanziellen Spielräume für Tierwohlmaßnahmen zu erhöhen. Mit diesen zusätzlichen Mitteln könnten der
Aufwand der tierhaltenden Betriebe, der über den Handel nicht vergütet wird, honoriert und Umstellungsanreize geschaffen werden.
7.3. Setzen Sie sich für ein Tierschutz-Kennzeichnungssystem ein, z.B. eine verpflichtende Kennzeichnung nach Haltungsform (analog der Eierkennzeichnung 0/1/2/3) oder eine klare und einheitliche Kennzeichnung für Produkte aus artgerechter Tierhaltung? Unterstützen Sie eine solche
Kennzeichnung auch für verarbeitete tierische Produkte?
Transparenz und Verbraucherinformation sind für uns Grüne wichtige Grundprinzipien. Als Kunden
und Kundinnen wollen wir qualifizierte Entscheidungen an der Theke und im Supermarkt treffen
können. Schon jetzt sind viele Verbraucherinnen und Verbraucher bereit, bei eindeutiger Kennzeichnung einen fairen Preis zu zahlen. Deshalb haben wir die Kennzeichnung der Haltungsform
auf Frischfleischverpackungen angestoßen. Schwieriger ist die Umsetzung bei verarbeiteten Produkten. Wegen deutlich höherer Anforderungen sollte die Kennzeichnung in diesem Bereich erst
nach dem erfolgreichen Start beim Frischfleisch erfolgen.
7.4. Wie bewerten Sie den Umstand, dass auch in baden-württembergischen Brütereien noch
immer männliche Eintagsküken ausgelesen und getötet werden, obwohl dies dem Erfordernis
des 'vernünftiges Grundes' gem. Tierschutzgesetz widerspricht?
Der Bundesrat hat im September 2015 einstimmig beschlossen, beim Bundestag einen Entwurf für
eine Änderung des Tierschutzgesetzes einzubringen, wonach es verboten wird, "ein Wirbeltier
ohne vernünftigen Grund, insbesondere zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile, zu töten." Im
Hinblick auf das Töten von Eintagsküken wird derzeit eine neue Technologie zur Praxisreife geführt, womit die Eier mit männlichen Küken bereits vor dem Schlüpfen erkannt und vernichtet
werden. Es wurde eine Übergangsfrist bis zum 30. Mai 2017 festgelegt.
Daneben begrüßen wir das Engagement der Bruderhuhn-Initiative Deutschland für die Aufzucht
männlicher Küken sowie die Alternative des Zweinutzungshuhns, welches sowohl zum Eierlegen
als auch zum Schlachten verwendet werden kann.
7.5. Welche Maßnahmen regen Sie konkret an, um den Tierschutz in der Landwirtschaft von der
Zucht bis zur Schlachtung insgesamt zu verbessern? Sind z.B. konkrete Initiativen zum Verzicht
auf Manipulationen (Schwanz- und Schnabelkupieren, Enthornen) geplant (und wenn ja, wann)?
Zur Frage nach den Verbesserungen in der Nutztierhaltung verweisen wir auf die Beantwortung
der Frage 7.2. Darüber hinaus hat Grün-Rot sich auf den Agrarministerkonferenzen des Jahres
2015 für neue Mindeststandards auf Bundesebene eingesetzt:
- Das Enthornen soll nur noch mit Sedieren und Schmerzmittel erlaubt sein. Das Schnabelkürzen
bei Geflügel wird bis August 2106 beendet. Ein geeignetes Instrument, die Haltungsbedingun12
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gen dahingehend zu verbessern, dass das Kürzen von Schnäbeln und das Kupieren von
Schwänzen nicht mehr notwendig sind, ist die Vereinbarung Europäischer Innovationspartnerschaften (EIP). Im EIP werden Forschungsprojekte zum Beenden des Kupierens gefördert. Auch
im landeseigenen Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg gibt es Forschungsprojekte dazu.
Im Bereich der Schlachthofüberwachung haben wir 30 zusätzliche Amtsveterinäre eingestellt.
Wir wollen uns weiterhin dafür stark einsetzen, die Akkordschlachtung abzuschaffen.
8. Die Missstände bei den Nutztiertransporten haben sich durch die EU-Osterweiterung und dem
Wegfallen der Grenzkontrollen weiter verschärft. Besonders problematisch sind LangstreckenNutztiertransporte, die auf ihrem mehrtägigen Weg nach Spanien, Südfrankreich und Italien
durch Baden-Württemberg (BW) rollen. Immer wieder kommt es dabei zu massiven Tierschutzproblemen wie gravierende Verletzungen während des Transports oder zu lange Tiertransportzeiten und zu hohe Ladedichten.
Ein weiteres Problem: Weniger als 1 % der jährlichen „Nutztiertransportkontrollen“ in BW sind
echte Verkehrskontrollen, die weitaus meisten Kontrollen erfolgen erst am Bestimmungsort
(Schlachthof) oder am Verladeort. Transittransporte werden folglich so gut wie nie erfasst.
8.1. Unterstützen Sie die Forderung des Landestierschutzverbandes nach einer deutlichen Erhöhung der Verkehrskontrollen von Nutztiertransportern über das ganze Jahr hinweg (statt der
bisher über wenige Wochen pro Jahr durchgeführten „Schwerpunktkontrollen“, wobei auch
hierbei nur ein sehr geringer Anteil auf die Tiertransporter „im rollenden Verkehr“ entfällt) und
der Einrichtung einer ausreichenden Anzahl von Versorgungsstationen an den entsprechenden
Transitstrecken in BW, um in Not geratenen Nutztieren im Akutfall schnellstmöglich helfen zu
können?
Viehtransporte in der EU und in Deutschland sind geregelt durch die Verordnung (EG) 1/2005 zum
Schutz von Tieren beim Transport sowie durch die nationale Tierschutztransportverordnung
(2009). Wir streben an, die Kontrollintensität zu erhöhen, um rechtskonforme und tiergerechte
Transporte zu gewährleisten. Die vom MLR befürworteten Schwerpunktkontrollen sind aus unserer Sicht der richtige Weg. Weiteres ist aktuell nicht geplant.
8.2. Setzen Sie sich für eine international geltende, strikte Transportzeitobergrenze für Tiere von
maximal 8 Stunden ein?
Viele Tiere werden stundenlang quer durch Europa zu den billigsten Schlachthöfen gefahren. In
den letzten Jahren sind die Transportzeiten sogar noch deutlich angestiegen. Das ist für uns unfassbar. Wir Grüne bekennen uns seit langem klar zur Begrenzung der Transportzeiten auf acht
Stunden.
9. Eine tiergerechte Haltung von Wildtieren oder Exoten in Zirkusunternehmen ist nicht möglich,
das wurde inzwischen durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegt. Nach dem
tragischen Zwischenfall mit einem entlaufenden Zirkus-Elefanten vor wenigen Monaten in Bu13
chen hat die Haltung von Wildtieren zusätzliche Brisanz erhalten. Bedingt durch Vorfälle von
entlaufenen Zirkustieren oder Unfällen mit zum Teil gefährlichen Zirkustieren erteilen immer
mehr Städte und Kommunen Zirkusunternehmen mit Wildtieren keine Auftrittsgenehmigung
mehr. So stellen bereits mehrere Städte in BW Zirkusunternehmen mit bestimmten Wildtieren
keine öffentlichen Plätze mehr zur Verfügung, wie z.B. Heidelberg, Heilbronn, Baden-Baden,
Schwetzingen und Stuttgart (außer Cannstatter Wasen).
9.1. Wie bewerten Sie die Haltung und Zurschaustellung von Wildtieren in Zirkusunternehmen
und sprechen Sie sich für ein Verbot von Wildtieren in Zirkusbetrieben aus? Würden Sie Maßnahmen ergreifen, dieses umzusetzen, und wenn ja, welche?
Tiger, die durch Reifen springen, und Männchen machende Elefanten haben im Zirkus nichts mehr
zu suchen. Auch vorm Zirkuszelt darf der gesellschaftliche Wertwandel nicht Halt machen. Wir
fordern seit langem auf Bundesebene ein Verbot bestimmter Wildtierarten im Zirkus. Die im Tierschutzgesetz festgelegte artgemäße Haltung, Unterbringung und arttypische Gruppenhaltung sind
in der Zirkuswelt nicht möglich. Der Zirkus mit Wildtieren muss zum Auslaufmodell werden.
9.2. In wie weit setzen Sie sich dafür ein, die Tierhaltung in Zirkussen insgesamt zu verbessern
und für das Halten und Mitführen von Tieren bestimmter Arten generelle Nachstellverbote zu
erlassen?
Die artgerechte Haltung von Affen, Elefanten, Giraffen, Nashörnern & Co. in Zirkussen sind unmöglich. Ein bundesweites Verbot für bestimmte Wildtierarten im Zirkus ist überfällig. Ebenso wie der
Bundesrat in den Jahren 2003 und 2011 fordern auch wir Grüne die Bundesregierung zu weiteren
Haltungsbeschränkungen und dem Verbot bestimmter Wildtiere im Zirkus auf. Doch auf Bundesebene geschieht nichts.
Den Kommunen empfehlen wir, öffentliche Plätze nur an Unternehmen ohne problematische
Wildtiere zu vergeben. In Städten wie in Bonn, Köln, Heidelberg und jüngst auch in Heilbronn geschieht dies bereits. Wir hoffen, dass nach und nach alle Kommunen diesem klaren Schritt folgen.
Auf Bundesebene wollen wir uns für eine Überarbeitung der Zirkusrichtlinie einsetzen. Das Nachstellen einzelner Tiere lässt sich nicht auf Landesebene untersagen. Dies ist nur individuell bei einem Tierhaltungsverbot für einzelne Unternehmen möglich. Deshalb streiten wir auf Bundesebene
auch weiterhin dafür, Haltung und Mitführen bestimmter Wildtiere in Zirkussen zu verbieten.
9.3. Wie stehen Sie zur Haltung von Wildtieren, insbes. exotischer Wildtiere, im Privathaushalt?
Werden Sie umfassende Verbotsregelungen (ggf. auch die Einführung konkreter Positiv- und
Negativlisten) auch jenseits reiner Gefahrtierregelungen auf den Weg bringen bzw. unterstützen?
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Menschen, die über die Anschaffung eines Haustiers nachdenken, bieten wir mehr Information
und Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen privater Tierhaltung an. Dadurch unterstützen wir das Verantwortungsbewusstsein und die Akzeptanz für tiergerechte Haltung in der Bevölkerung. Wir setzen uns für bundeseinheitliche Mindeststandards für die Zucht und Haltung von
Heimtieren sowie Kenntnisse im sachkundigen Umgang mit der jeweiligen Tierart ein. Die Haltung
exotischer, vor allem gefährlicher Tiere in Privathaushalten wollen wir nur
dann zulassen, wenn Artenschutz und Sicherheit sowie ein sachkundiger Umgang gewährleistet
sind. Auf Bundesebene wollen wir den Tierschutz voranbringen, indem wir die Richtlinien für gewerbliche Tierbörsen massiv verschärfen.
Obwohl die Bundesregierung im Koalitionsvertrag großmundig verkündete: „Importe von Wildfängen in die EU sollen verboten und gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere untersagt werden“,
folgten auf Bundesebene bis heute keine Taten.
Allen Tieren in menschlicher Obhut soll ein Leben in artgerechter Haltung ermöglicht werden. Um
bereits Kinder und Jugendliche für den Schutz der Tiere zu sensibilisieren, möchten wir die Tierschutzpädagogik in den Bildungseinrichtungen etablieren. Wir unterstützen zu diesem Zweck Kooperationen von Schulen und Tierschutzlehrkräften.
10. Seit geraumer Zeit wird über Änderungen in der Struktur des Landesbeirats für Tierschutz
diskutiert. Dies kann auch dazu beitragen, dem Tierschutz im Land mehr Gehör zu verschaffen.
10.1. Was schlagen Sie konkret vor, um die Arbeit des Beirates zu stärken und insbesondere den
Positionen der vertretenen Tierschutzverbände mehr Gewicht zu verleihen?
Der Landesbeirat für Tierschutz berät das MLR kompetent in allen Bereichen des Tierschutzes. Wir
Grünen wollen dem Beirat daher als fachpolitisch relevantes Gremium ein höheres Gewicht in Öffentlichkeit und Parlament verleihen. Bereits im Oktober 2015 wurde deshalb beschlossen, die
Zusammensetzung des Beirats den gesellschaftlichen Entwicklungen hin zu einer höheren Parität
zwischen "Tierschützer-" und "Tiernutzerseite" anzupassen.
Themenbezogen sollte sich der Beirat künftig verstärkt in Arbeitskreisen mit einzelnen Fragestellungen befassen. Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dem Beirat die Möglichkeit zu geben,
Gutachten zu speziellen Tierschutzfragen einzuholen oder eine Landtagsanhörung über aktuelle
Tierschutzprobleme zu beantragen. Dies ist jedoch in Abhängigkeit von den Kapazitäten der Mitgliederverbände zu sehen und sollte im Gremium vorabgestimmt werden.
11. Welche Tierschutz-relevanten Themen - außer den schon angesprochenen - sind Ihnen besonders wichtig und welche Initiativen werden Sie dazu in der kommenden Legislaturperiode
auf den Weg bringen?
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Nutztierhaltung
o Wir wollen ein gesellschaftliches Umdenken anstoßen: weg von Manipulationen (Geflügel,
Schweine, Kühe), Qualzuchten (Hochleistungsrassen) und der reinen Ausrichtung der Tierhaltung auf Gewinnmaximierung.
o Wir wollen die Haltungsbedingungen verbessern (z.B. Mindestflächen für das Abferkeln der
Sauen) und die Chancen der Eigenkontrolle in der Tierhaltung nutzen.
o Wir wollen die Forschung nach Alternativen in Tierzucht und Tierhaltung (Ebermast, Zweinutzungshühner) ausbauen und den ökologischen Landbau sowie Investitionen in tiergerechte
Haltungssysteme verstärkt fördern. Der Trend zu Megaställen bietet für Baden-Württemberg
keine Zukunftsperspektive. Daher werden wir über den Bundesrat alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Investition in Megaställe unattraktiv zu machen.
o Zur Verringerung des Leids von Tieren, die zur Schlachtung bestimmt sind, setzen wir uns für
kürzere Transportzeiten und regionale Schlachthöfe ein. Wir wollen uns weiter dafür stark
machen, die Akkordschlachtung abzuschaffen.
o
Das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz, in welchem wir den Natur- und Tierschutz gestärkt haben, wollen wir in der Praxis mit Leben füllen und so für eine breite gesellschaftliche
Akzeptanz sorgen.
o Wir setzen uns bei der Zucht und Haltung von Heimtieren für bundeseinheitliche Mindeststandards sowie Kenntnisse im sachkundigen Umgang mit der jeweiligen Tierart ein. Die Haltung
exotischer, vor allem gefährlicher Tiere in Privathand wollen wir nur dann zulassen, wenn Artenschutz und Sicherheit sowie ein sachkundiger Umgang gewährleistet sind.
o Auf Bundesebene wollen wir die massive Verschärfung der Richtlinien für gewerbliche Tierbörsen erreichen.
o Bei Tierversuchen setzen wir uns auf Landes- und Bundesebene für die Förderung von computergestützten Verfahren (in silico-Methoden) anstelle von invasiven Methoden an lebenden
Tieren ein. Auf EU-Ebene wollen wir für die Einführung einer gesetzlich absoluten Obergrenze
für die Belastungen der Tiere (Schmerzen, Leiden, Ängste) sowie eine vollständige Prüfung des
möglichen Nutzens bei der gesetzlichen ethischen Abwägung bei der Genehmigung von Tierversuchen eintreten. In Modellversuchen wollen wir die Möglichkeit eines tierverbrauchsfreien
Studiums auch in Medizin und den Lebenswissenschaften aufzeigen.
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