Viele Startups beginnen unter prekären Bedingungen – das - i-net

Roger Meier
«Viele Startups beginnen unter prekären Bedingungen
– das muss nicht sein»
Roger Meier hat vielen Startups der Region Basel beim erfolgreichen Aufbau geholfen. Der
Unternehmer verschafft nicht nur Zugang zu Investoren, sondern auch zu Knowhow und
Talenten. Dabei kann er auf ein grosses Netzwerk zurückgreifen.
In unserem Interview erläutert er, warum Vertrauen in seiner Tätigkeit so wichtig ist und
warum er überzeugt davon ist, dass auf dem fruchtbaren Nährboden der Region Basel noch
viel mehr entstehen könnte.
Sie gelten als Mitinitiant und Coach einiger erfolgreicher Startup-Projekte in der Region
Basel. Wie kam es dazu?
Ich glaube, es ist das Resultat der Kombination meiner verschiedenen bisherigen
Tätigkeiten. Ich konnte schon kurz nach meiner Banklehre in Basel mithelfen, wohlhabende
Privatkunden in Anlagefragen zu beraten. Darunter waren auch viele, deren Vermögen aus
Chemie und Pharma stammt. In sehr jungen Jahren durchlief ich eine ziemlich schnelle
Laufbahn, die mich von der Anlageberatung in den Börsenhandel einer Privatbank nach
Genf und schliesslich zu einer Investmentbank nach New York, London und Zürich führte.
Für diese Bank half ich mit, in der Schweiz eine institutionelle Kundschaft aufzubauen.
Danach entschied ich mich für ein Fachhochschulstudium in Betriebswirtschaft und stiess
Mitte der 90er Jahre zur STG-C&L, heute PwC, wo ich in der Unternehmensberatung
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Veränderungsprojekte im Risk Management begleiten durfte. Vor 18 Jahren machte ich
mich selbständig. Damals half ich einem Freund, eine Stelle zu suchen – und fand nach
wenigen Monaten auch eine. Was zunächst als Freundschaftsdienst gedacht war,
entpuppte sich als valables Geschäftsmodell, das wir heute «InPlacement» nennen. Dieses
fängt beim Menschen an und hört beim Unternehmen auf – nicht umgekehrt wie bei den
meisten Headhuntern. Heute zählen wir fast alle bekannten Unternehmen zu unseren
Kunden und wir haben sehr, sehr vielen hochqualifizierten Leuten bei der Suche nach der
optimalen beruflichen Herausforderung geholfen. Nicht wenige davon konnten eine
Geschäftsidee verwirklichen und den Sprung in die Selbständigkeit vollziehen.
Was ist das Erfolgsrezept Ihrer Arbeit?
«Erfolg» ist ein grosses Wort. Wenn Sie damit zum Beispiel die Zulassung neuer
Medikamente oder einen erfolgreichen Exit meinen, dann waren wir noch nicht erfolgreich
– wir arbeiten noch daran. Es ist allerdings schön zu sehen, wie erfreulich sich die von mir
betreuten Unternehmen entwickeln. Es wurden bislang immerhin zahlreiche Arbeitsplätze in
der Region und auch ein beachtlicher Wert geschaffen. Was das Konzept betrifft, hat sich
aus meinen bisherigen Tätigkeiten offenbar ein taugliches Modell zur Identifikation und
Unterstützung von Startups ergeben. Aus geschätzten 20‘000 bis 30‘000 Gesprächsstunden
mit Menschen in beruflichen Veränderungsprozessen mit unterschiedlichsten
Qualifikationen hat sich ein gewaltiges Netzwerk ergeben. Wir helfen den Menschen und
exponieren uns für sie. Dieses Vertrauen erhalten wir zurück. So kann ich neue
Geschäftsideen durch geeignete Netzwerkpartner zügig validieren. Da ich als Ökonom
gerade in den Life Sciences rasch an ein fachliches Limit gelange, schätze ich den Rat von
Experten sehr. Via Netzwerkkontakte finden übrigens praktisch alle neuen Projekte ihren
Weg zu mir. Ich achte sehr auf die Qualität der Empfehlungen und woher sie kommen –
Vertrauen kann die Transaktionskosten stark senken und ist gerade bei Jungunternehmen,
bei denen es meist an allem fehlt, zentral.
Wie gehen Sie bei einem Startup-Projekt konkret vor?
Eigentlich sind es fünf Schritte: Validierung, Kommunikation, Vertrauensbildung,
Teambildung und Finanzierung. Eine Finanzierung ohne Vertrauen ist unmöglich. Nach der
Validierung, für die ich meist auf mein Netzwerk zurückgreifen kann, geht es meist zunächst
um eine Übersetzung der Unternehmensidee in eine allgemein verständliche Form. Die
meisten Ideen stammen ja von Wissenschaftlern oder Technologen, die es nicht unbedingt
gewohnt sind, mit Investoren oder Leuten ausserhalb ihres gewohnten Arbeitsgebietes zu
kommunizieren. Als drittes gilt es, Vertrauen zu gewinnen. Wenn unabhängige, kompetente
Drittpersonen mit einem gewissen Gewicht in der Branche oder der Region eine Idee gut
finden und dies auch kommunizieren, dann sendet dies ein starkes Signal. Dies schafft den
Boden für eine erfolgreiche Finanzierung. Der vierte Faktor – und hier hilft wiederum das
Netzwerk – ist, dass wir Personen mit ergänzenden Talenten mobilisieren können, die
mitmachen oder quasi als «Elefantentanten und -onkel» mit Rat und Tat Geburtshilfe
leisten. Im Idealfall kann sich so ein schlagkräftiges, komplettes Team formieren, welches
aus einer Idee ein erfolgreiches Unternehmen schaffen kann.
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Und warum engagieren sich diese Personen?
Helfen zu können gibt ein gutes Gefühl. Nicht selten sind erfolgreiche Menschen davon
angetan, etwas zurückgeben zu können. Aber Altruismus alleine genügt nicht: Wer bei
einem Projekt sehr früh mitmacht, verschafft sich auch Optionen. Bei Erfolg kann man
sagen «ich war von Beginn an dabei» und sogar in der künftigen Firma einsteigen.
Letztlich geht es also doch darum, das grosse Geld zu machen?
Nein! Ist Geld verdienen die einzige Motivation, ein Startup zu gründen, dann führt dies
meist schnell ins Verderben. Man muss teilen können, wenn man erfolgreich sein will. Die
stärksten Unternehmer sind oft besessen von ihrer Vision, der Menschheit einen Nutzen zu
stiften und damit einen bleibenden Wert zu generieren. Das Geschäft ist dann nur eine
Konsequenz dieses Antriebs.
Das klingt einfach, wo liegen die Schwierigkeiten?
Kaum ein Gründer ist ein Universaltalent. Vielen fehlt eine objektive und realistische
Einschätzung ihrer Idee und der Umsetzungsrisiken. Träumereien werden oft rasch
durchschaut. Es ist beileibe nicht so, dass sich die meisten überschätzen – im Gegenteil: Ich
habe Gründer erlebt, die den Wert ihrer Entdeckung unterschätzten. Die meisten Gründer
betreten Neuland: Sie wagen sich aus den Laboren hinaus und müssen die Geldgeber nicht
nur von ihrer Idee überzeugen, sondern auch, dass sie die Entwicklungsschritte ihrer Firma
erfolgreich meistern können. Hier geht es darum, eine gesunde Balance zwischen dem
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und einer gewissen Demut zu finden. Nicht jeder
Innovator ist auch ein guter Unternehmer oder Leader. Die Zeiten, in denen man nur mit
einer Idee viele Millionen bekommen hat, sind definitiv vorbei. Es gilt, geweckte
Erwartungen zu übertreffen. Und schliesslich begehen viele Gründer bei der Wahl ihrer
allerersten Partner Fehler, die sich später nur schwer korrigieren lassen.
Und was ist die Motivation der Investoren?
Investoren wollen einen risikogerechten «return on investment». Dieser sollte bei Startups
aufgrund der grossen Ausfallrisiken sehr hoch sein. Ich glaube aber, dass besonders
Privatinvestoren gern an einer interessanten Geschichte teilhaben. Es ist sicherlich
attraktiver, Geld mit einem neuen Medikament, das bislang unheilbare Krankheiten
therapiert, zu verdienen, als mit einem anonymen Fondsanteil. Heute suchen viele
Investoren Anlagemöglichkeiten, deren Wertentwicklung nicht von der Europäischen
Zentralbank, sondern von einem objektiven wissenschaftlichen Fortschritt abhängt. Die
Frühphasen-Unternehmen sind meist auch im historischen Vergleich äusserst attraktiv. Im
Zeitalter von Negativzinsen ist es vermutlich eine gute Idee, einen kleinen Teil des
Barguthabens in diesen Sektor zu investieren. Gerade hier in der Region investieren
Privatpersonen, die nicht selten ihr Vermögen in der Pharmabranche erzielt haben, gerne in
die frühen Finanzierungsrunden von vielversprechenden Startups. Leider können unsere
Pensionskassen heute noch nicht wesentlich in diesen Sektor investieren, was komplett
unsinnig ist. Deshalb verdient das Projekt «Zukunftsfonds» von Henri B. Meier jede
mögliche Unterstützung. Und dann gibt es natürlich die Venture Capitalists, sogenannte
VCs: Professionelle Investoren – für Gründer ein sehr schwieriges Terrain.
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Inwiefern?
Meist hören Gründer in den Frühphasen ihres Unternehmens von den Vertretern der VCs,
dass ihre Idee zwar interessant, die Firmenbewertung jedoch zu hoch und die Datenlage
noch zu wenig überzeugend sei. Man solle doch später wieder kommen, wenn detailliertere
Daten vorliegen. Das ist zwar unbefriedigend, hilft den Gründern jedoch, ihre Geschichte
zu trainieren. Und wer genau zuhört, erhält wertvolle Hinweise über die Erwartungen
künftiger Finanzpartner. Gerade im Hinblick auf spätere, grössere Finanzierungsrunden ist
es wichtig, ein Vertrauensverhältnis mit den VCs aufzubauen. Wer mit VCs spricht, sollte
sich auch in deren Lage versetzen können. Die Investoren, die in diese Venture Funds
investieren, haben meist auch sehr hohe Erwartungen. Darum stehen deren Manager auch
unter enormem Druck. Es lohnt sich, auch ein Auge auf den Investitionszyklus zu werfen, in
dem ein Venture Capital Fund gerade steckt. Hat er überhaupt Geld zum Investieren? Oder
muss er gerade noch den Rest eines Funds auffüllen? Die Entscheidungen und Impulse der
VCs folgen tendenziell mehr den Prioritäten des Fundmanagements – beispielsweise im
Hinblick auf eher zügige Exits – als den Bedürfnissen der Firmen. Ein guter VC bringt dem
Unternehmen auch grosse Sachkenntnis und Netzwerke, die erfolgskritisch sein können.
Und sie haben häufig eine disziplinierende Wirkung auf die Führung der Unternehmen, was
sicher nicht schadet. Die meisten VCs suchen möglichst viel Kontrolle und investieren lieber
grosse Beträge in späteren Entwicklungsphasen als kleine in Frühphasen. Ich glaube aber,
dass sie damit riskieren, einige der spannendsten Frühphasen-Firmen zu verpassen. Das ist
mehr und mehr das Problem der VCs: Es ist schwierig, die Nadel im Heuhaufen zu finden.
Und wie finden Sie die Nadel im Heuhaufen?
Ich suche sie nicht – es ist eher umgekehrt: Die Projekte werden über das Netzwerk an mich
herangetragen. Im Zentrum von guten Ideen stehen immer Menschen. Dann soll eine
vernünftige wissenschaftliche Rationale vorliegen und im Idealfall solide Patente. Wenn Sie
so wollen, beginnt meine «due diligence» mit den Menschen und nicht mit der
Wissenschaft, wie es die VCs praktizieren. Ein gutes Team kann aus einem schlechten
Produkt ein gutes formen, ein schlechtes nicht. Wenn ich mit einem Projekt vor einen
potentiellen Investor trete, achte ich sehr darauf, dass dieser die Information in geeigneter
Form präsentiert bekommt. Dazu gehört ein knappes, aussagekräftiges Factsheet, welches
die Idee und deren Umsetzung vorstellt. Die Gründer setzen bei den Empfängern oft ein
Wissen voraus, das nicht vorhanden ist. Deshalb muss eine Präsentation die wichtigen
Punkte erklären und alle Dimensionen enthalten – inklusive Finanzplanung und Ausblick auf
künftige Meilensteine – an denen Wert geschaffen werden soll. Eine solche Präsentation
lässt sich ohne grossen Aufwand in einen Business Plan erweitern. Ich bin kein grosser Fan
von Business Plänen – sie sind meist schon veraltet, wenn sie fertig gestellt sind. Aber das
Verfassen von Business Plänen zeigt unerfahrenen Gründern auf, um welche Themen sie
sich ausserhalb ihres Spezialgebiets noch kümmern müssen. Im Idealfall sind die dafür
benötigten Talente aber bereits im Team vorhanden, so dass ein Startup möglichst rasch
Fahrt aufnehmen kann.
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Wenn Sie auf Ihre lange Erfahrung zurückschauen: Was hat sich für Startups verändert?
Startups haben heute einen viel besseren Zugang zu viel mehr Informationen, die vor
wenigen Jahren Grossunternehmen vorbehalten waren. Auch die Netzwerke sind viel
offener. Informationen fliessen schneller und die Qualität der Gründer, der Firmen und
deren Organisationsgrad sind massiv besser als vor zehn Jahren. Sie kommen schneller und
besser vorwärts. Kurz: All dies begünstigt Investitionen in Startups sehr.
Welche Rolle spielt die Region Basel in Ihrer Tätigkeit?
Die Region Basel ist seit vielen Jahren meine Wahlheimat. Ich lebe äusserst gerne hier und
schätze die hiesige Mentalität enorm. Für mich gibt es gerade im Life Sciences-Sektor
keinen besseren Ort auf der Welt. Hier gibt es fast alles – zu jedem Thema entlang der
Wertschöpfungskette finden Sie hier Knowhow im Netzwerk, welches aufgrund der grossen
Mobilität der im Sektor tätigen Menschen auf den ganzen Planeten ausstrahlt. Die
Universität sorgt stetig für tollen Nachwuchs und herausragende Grundlagenforschung. Die
ganze Region ist mit dieser sehr wissenschaftlichen Industrie seit 200 Jahren vertraut. Dass
sie dies bisher ausserordentlich gut hinbekommen hat, zeigt die Tatsache, dass hier einige
der erfolgreichsten Pharmafirmen der Welt sind. Ein Teil des geschaffenen Wohlstands ist
glücklicherweise wieder in Jungunternehmen zurück geflossen. Es fällt aber auf, dass in
letzter Zeit auch neue Investoren von «ennet dem Jura» Interesse an Jungunternehmen der
Region bekunden. Auch global tätige VCs haben in Basel ihre Niederlassungen.
Wie sollte sich die Region in Ihren Augen entwickeln?
Zu unseren grossen Konzernen sollten wir grosse Sorge tragen und ihren Anliegen
unbedingt auch in Bern besseres Gehör verschaffen. Der Life Sciences-Sektor bringt mit
grossem Abstand die grösste Wertschöpfung in die Schweiz, aber dieser Umstand ist viel
zu wenig bekannt. Die hiesige Pharmaindustrie hat eine weltweit einzigartige Umsetzungsund Vermarktungspower, macht aber zu wenig aus ihren Möglichkeiten in der Innovation.
Wir müssen Wege finden, mehr innovative Wachstumsfirmen aus unseren Grossfirmen und
Universitäten hervorzubringen oder hier anzusiedeln. Denn solche Unternehmen etablieren
sich hier primär wegen des einmaligen Knowhows, nicht wegen Steuergeschenken.
Verkauft sich denn die Region unter ihrem Wert?
«Mr hets aber mr zaigts nit» ist wirklich sympathisch, aber mir kommt es manchmal so vor,
als ob man sich in Basel seiner Stärken nicht bewusst ist. Nur wenige Basler wissen, dass sie
seit Jahren unter den Weltmeistern sind, was das jährliche Pro-Kopf-Wachstum des
Bruttosozialprodukts anbetrifft. Es nimmt nominal viel stärker und schneller zu als das eines
Chinesen.
Sehen Sie auch Wolken am Horizont?
Ja. Bei Erfolg gibt es immer eine Tendenz, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Unsere
grossen Pharmafirmen sind jedoch sehr gut geführt. Mir bereitet eine andere Entwicklung
Sorge: Wir sind anscheinend besser darin, Innovationen in Spätphasen für viel Geld zu
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kaufen als sie selbst zu produzieren. Das muss nicht sein. Mir wäre es lieber, wenn die
Grossen mehr innovative Basler Firmen kaufen würden. So bliebe die Wertschöpfung hier.
Es ist beunruhigend, dass die grossen Firmen offenbar viel mehr Innovation im Ausland
finden. Ich glaube nicht, dass die Basler grundsätzlich weniger innovativ sind als andere.
Aber ich sehe verschiedene Gründe dafür, weshalb man hier deutlich unter den
Möglichkeiten bleibt, was Neugründungen anbetrifft. Schauen Sie: Die meisten
Unternehmen, die wir in den letzten Jahren mit sehr grossen Beträgen finanzieren konnten,
haben es zu Beginn nur unter prekären finanziellen Bedingungen an den Start geschafft.
Das ist doch verrückt! Wir sehen Innovatoren und potentielle Firmengründer zwischen
Dreissig und Fünfzig, die sich die Realisierung ihrer Idee aufgrund der hohen
Lebenshaltungskosten nicht leisten können. Es ist bezeichnend, dass alle der von mir
betreuten Firmen nur starten konnten, weil die Gründer entweder von einer sogenannten
«garden leave» (Anm. d. Red.: vom Arbeitgeber bezahlte Freistellungsfrist), einer
Frühpensionierung oder von Arbeitslosengeld profitieren konnten. Es kann doch nicht sein,
dass die Innovationskraft der wichtigsten Exportindustrie der Schweiz von derartigen, eher
zufällig verfügbaren Finanzierungsquellen abhängen soll! Jeder weiss, dass zwischen Idee
und der ersten Finanzierung grosse Umsetzungsrisiken lauern. Ich glaube, dass gerade
deshalb viele glänzende Ideen in der Region niemals realisiert werden.
Was ist also zu tun?
Basel bräuchte eine Innovationsstiftung, welche die bestehende Finanzierungslücke von der
Idee bis zur ersten privatwirtschaftlichen Finanzierung schliesst. Hier geht es vielleicht pro
Projekt um maximal einen kleinen sechststelligen Betrag. Bereits heute fliessen reichliche
Gelder in die verschiedensten gesellschaftlichen Bereiche wie Kultur, Soziales oder Sport.
Man verstehe mich bitte nicht falsch: Ich bin sehr dankbar, dass unsere Stadt und ihre
Mäzene so viel Gutes tun. Mir liegt aber ebenso viel daran, dass sich auch unsere
nachkommenden Generationen ein solches Mäzenatentum noch leisten können. Deshalb:
Warum nicht gezielt gute Ideen finanzieren, die Realisierungschancen haben und die
Region nachhaltig weiterbringen? Das wäre volkswirtschaftlich und gesellschaftlich sehr
sinnvoll. Die Stiftung müsste ihre Gelder nach objektivierbaren, nutzenorientierten Kriterien
einsetzen, die Unternehmer in der Verantwortung belassen und nach erfolgreichen, sehr
frühen Investitionen, allfällige Erträge im besten Fall wieder reinvestieren. Sie soll sich daran
messen lassen, wie viele gute Ideen sie bis in eine erfolgreiche Finanzierung begleiten
kann. Sie sollte auch im Ideen-Scouting und der Suche nach Investoren behilflich sein, sowie
Unterstützung beim Aufsetzen von Firmen bereitstellen. Und sie dürfte proaktiv auf
Partnerorganisationen wie Universitäten und Firmen zugehen, um Innovationspotential mit
umsetzungswilligen Gründern zusammen zu bringen.
Und wer zahlt in die Stiftung ein?
Aufgrund der beachtlichen Umsetzungsrisiken kann eine solche Stiftung kaum
gewinnorientiert sein und müsste auf unbeschränkte Dauer angesetzt sein. Da aus meiner
Sicht alle gesellschaftlichen Schichten mittel- und langfristig von einer derartigen Stiftung
profitieren würden, könnte sie auch von allen finanziert werden. In anderen Regionen
werden derartige Stiftungen mehrheitlich von wohlhabenden Privatpersonen und Familien
finanziert, die auf Generationen hinaus Verantwortungsgefühl beweisen und so grösste
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gesellschaftliche Verdienste und Anerkennung erwerben. Im Idealfall würde eine solche
Stiftung uns alle überleben.
Wie konkret ist dieses Vorhaben?
Sagen wir es so: Es ist im Moment etwas mehr als eine Idee. Gerade in Basel haben
Stiftungen, die über Jahrhunderte Tolles bewirkt haben, eine grosse Tradition. Warum nicht
Gutes für unsere Zukunft tun?
Welche Rolle spielt Big Pharma?
Ich glaube, dass Big Pharma ein ambivalentes Verhältnis zu Spin-offs hat. Ich bin fest davon
überzeugt, dass in ihren Schubladen viel mehr tolle Ideen liegen, als diese jemals realisieren
können. Man könnte ja auch in einen Junioren-Campus für Jungunternehmen investieren.
Wir wissen, dass nicht jeder Fussball-Junior das Zeug zu einem Shaqiri hat und in der ersten
Mannschaft des FCB spielen wird. Aber das ist uns egal – vielleicht spielt er ja dann auch
mal beim FC Bayern München. Spin-offs zu ermutigen, zu beschleunigen, sogar teilweise
mitzufinanzieren, käme einem starken Statement gleich – nämlich, dass man glaubt, über
ein gewaltiges Innovationspotential zu verfügen, welches viele Shaqiris hervorbringen
könnte.
Ist der Standort Basel so stark, dass er auch in neuen Feldern, wie beispielsweise
Digital Medicine, Cracks anziehen kann?
Ja, auf alle Fälle! Das Feld ist gross genug. Hier in der Region gibt es in vielen Disziplinen in
den Life Sciences Knowhow auf Weltklasse-Niveau. Innovation findet ja häufig gerade
zwischen den Disziplinen statt, weshalb die Verbindung von Informationstechnologien,
Medizin, Forschung und Entwicklung garantiert noch grossartige Entwicklungschancen
bietet. Und wenn wir feststellen sollten, dass uns noch wichtiges Knowhow fehlt, dann
sollten wir es schleunigst hierher holen. Wir sollten unser Möglichstes tun, diese Disziplinen
intelligent zu verknüpfen, damit Nützliches entstehen kann.
Viele sagen, die Industrie müsse sich ein Stück weit neu erfinden und Big Pharma habe
ausgedient.
Musste sie das nicht schon immer? Die Industrie in der Schweiz und besonders in unserer
Region hat sich in den letzten drei industriellen Revolutionen doch ganz gut geschlagen
und damit bewiesen, dass sie sich stets neu erfinden kann. Das ist eine der grössten Stärken
der Schweiz und der Region. Big Pharma wird auch in Zukunft eine grosse Rolle spielen,
auch wenn sie sich vermehrt auf ihre Stärken konzentrieren und ihre Schnittstellen weiter
dynamisieren müssen wird.
Was meinen Sie damit?
Big Pharma ist besonders gut in der Spätphase der Entwicklung, in der Zulassung, dem
Marktzugang und im eigentlichen Verkauf. Und sie versteht es, Geld zu verdienen. Wenn
sie es schafft, sich gegenüber den Chancen der vierten industriellen, «digitalen» Revolution
zu öffnen und sich neue Wertschöpfungsmodelle zu erschliessen, wird sie auf lange Frist
hinaus erfolgreich sein und damit die stärkste wirtschaftliche Stütze der Schweiz bleiben. Im
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besten Fall auch dank vieler innovativer, noch zu gründenden Jungunternehmen aus der
Region, deren Produkte sie dann hoffentlich irgendwann in Welt hinaus tragen werden.
Interview: Thomas Brenzikofer und Nadine Nikulski, i-net
Roger Meier ist Verwaltungsrat der Piqur Therapeutics, Mitbegründer von Strekin, Cellestia
Biotech und weiterer Jungunternehmen sowie Gründer und Inhaber der Clarena Ltd, einer
Firma, welche Geschäftsleute und Führungskräfte in den Bereichen Finanzwirtschaft,
Management von Veränderungsprozessen, Beratung und HR unterstützt.
In den 90er Jahren beriet er für die STG-Coopers & Lybrand (später PriceWaterhouse
Coopers) als Treasury- und Risk Management Consultant mittlere bis sehr grosse
multinationale Konzerne sowie Institutionelle Anleger in der Schweiz und Europa in
Strategie- und Organisationsfragen. Zuvor half er dem damals grössten
Wertschriftenhandelsunternehmen der Welt, Salomon Brothers Inc., eine Institutionelle
Kundschaft in der Schweiz aufzubauen, arbeitete als Zins- und Derivatehändler bei der
ältesten Genfer Privatbank und in einer Grossbank als Anlageberatungsassistent für sehr
vermögende Privatpersonen.
Roger
Meier
absolvierte
eine
Banklehre,
mehrere
amerikanische
Wertschriftenhändlerprüfungen sowie ein Traineeprogramm bei Salomon Brothers. Inc. in
New York und London und ist Betriebsökonom HWV.
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