Als PDF öffnen - Konrad-Adenauer

LÄNDERBERICHT
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
RECHTSSTAATSPROGRAMM
SÜDOSTEUROPA
SVEN-JOACHIM IRMER
DORU TOMA/ANDREI AVRAM
März 2016
www.kas.de/rspsoe
Verfassungsgericht der Republik
Moldau führt Direktwahl des
Staatspräsidenten erneut ein
Das Verfassungsgericht der Republik Mol-
Die Entscheidung beruht auf einer Klage
dau hat am 4. März das Gesetz Nr. 1115-
von 18 Abgeordneten, damals allesamt Mit-
XIV vom 5. Juli 2000 zur Änderung
und
glieder der Demokratisch-Liberalen Partei
Novellierung der Verfassung (faktisch in
(PLDM), die am 12. November 2015 eine
Bezug auf die Präsidentschaftswahlen) für
Überprüfung des Art. 135 Abs. (1) lit. c) in
verfassungswidrig erklärt. Somit wird der
Verbindung mit Art. 141 Abs. (2) der Ver-
nächste Präsident der Republik Moldau
fassung der Republik Moldau i. d. F. vom
direkt von den Bürgern gewählt und nicht
Jahr 2000 beantragt hatten. Diese Artikel
mehr wie bisher durch das Parlament. Das
hatten den Übergang von einer präsidialen
Gericht hat zugleich auch das darauf be-
zu einer parlamentarischen Republik ermög-
zogene Gesetz zur Verfassungsnovellie-
licht.
rung betreffend die Wahl des Präsidenten
der Republik Moldau durch das Parlament
In der Tat hatte die Wahl des Präsidenten
mit einer Dreifünftel-Mehrheit der Abge-
durch das Parlament mehrfach politische
ordneten für verfassungswidrig erklärt.
Krisen
verursacht.
Die
vorgeschriebene
Dreifünftel-Mehrheit hatte zu Blockaden im
Das Verfassungsgericht begründete die Ent-
Parlament geführt, die wiederum vorgezo-
scheidung mit Verweis darauf, dass die im
gene Parlamentswahlen bewirkt hatten, weil
Jahr 2000 erfolgte Verfassungsänderung auf
die Nichtwahl des Präsidenten nach zwei
einem entsprechend Entwurf beruhe, der in
Abstimmungen die Auflösung der Legislative
der Form vom Verfassungsgericht nicht po-
mit sich brachte. Auch im Vorfeld der Wahl
sitiv begutachtet worden sei. Ferner wies
eines neuen Präsidenten nach Ablauf der
das Verfassungsgericht darauf hin, dass die
Amtszeit von Timofti war offen, ob die auf
Verfassungsreform ein „imperfektes Regie-
56 von 101 Stimmen im Parlament beru-
rungssystem“ hervorgerufen habe. Die Ver-
hende Regierungskoalition (unterstützt von
fassung dürfe keinerlei „Lücken oder innere
der Demokratischen Partei – PDM, der Libe-
Widersprüche“ ermöglichen.
ralen Partei – PL und „Überläufern“ aus der
Partei der Kommunisten und aus der PLDM)
Die Entscheidung wird bereits am 22. März,
die entsprechende Mehrheit erreichen wür-
zum Ende der Amtszeit des jetzigen Staats-
de. In diesem Sinne dürfte die Entscheidung
präsidenten, Nicolae Timofti, in Kraft treten.
den öffentlichen Druck auf Vlad Plahotniuc,
Folglich müssen, gemäß der alten, nunmehr
dem Hintermann der PDM und der jetzigen
wieder
verfassungsrechtlichen
Regierung, etwas reduzieren. Plahotniuc gilt
Bestimmungen, bis spätestens am 24. Mai
als unpopulärster Politiker des Landes und
Präsidentschaftswahlen in der Republik Mol-
soll auch die Justiz - Medienangaben zufolge
dau stattfinden. Bis dahin übt der jetzige
– fast gänzlich kontrollieren. Ihm kann
Präsident kommissarisch weiterhin das Amt
nunmehr nicht mehr zugeschrieben werden,
aus.
einen Hand verlesenen Präsidenten von
gültigen
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„seiner“ Parlamentsmehrheit wählen zu las-
Die Parteien haben nach der Veröffentli-
sen.
chung der Entscheidung des Verfassungsgerichts unterschiedlich reagiert. Die Demo-
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Die von der „alten“ Verfassung, nun wieder
kraten, Liberal-Demokraten und die Sozia-
SVEN-JOACHIM IRMER
gültigen Bestimmungen sehen vor, dass nur
listen haben einerseits diese Entscheidung
DORU TOMA/ANDREI AVRAM
Staatsbürger über 40 Jahre, die seit min-
begrüßt, die PLDM schrieb sich den Erfolg
destens 10 Jahren ihren Hauptwohnsitz im
dieser Entscheidung sogar zu mit Verweis
März 2016
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Land haben und die Landessprache beherr-
auf die „Beharrlichkeit der Aktionen[…] be-
schen, sich für das Präsidentenamt zur Wahl
ginnend mit 2009“ und auf die Initiierung
stellen können.
eines Referendums im Jahre 2010 zur Wiedereinführung der Direktwahl, das am Quo-
Unter diesen Umständen kann der bisherige
rum, jedoch nicht am Ergebnis gescheitert
erstplatzierte Politiker in Umfragen, der pro-
war. Die Liberalen andererseits nannten die
russische Bürgermeister von Bălți, Renato
Entscheidung gefährlich, weil die moldaui-
Usatii (37) nicht für das Amt kandidieren,
schen Wähler angeblich leicht zu manipulie-
weil
ren seien. Positiv äußerte sich die Europäi-
er
das
entsprechende
Mindestalter
nicht erreicht hat. Somit gelten als wahr-
sche
scheinliche Anwärter für dieses Amt Igor
(PPEM)
Volkspartei
Dodon (der ebenfalls pro-russische Vorsit-
Leancă. Die PPEM begrüße die Entschei-
zende der Partei der Sozialisten), die ehe-
dung, die „ein wichtiges Thema geklärt hat,
malige Bildungsministerin Maia Sandu, die
das die gesamte moldauische Gesellschaft
des
der
Republik
Moldau
Ex-Premierministers
Iurie
als pro-westlich gilt und eine neue Partei –
beschäftigt“, hieß es auf der Facebook-Seite
PAS – gegründet hat, wie auch Andrei
der Partei.
Năstase (Anführer der seit gut einem Jahr
andauernden Protestbewegung DA). Gewin-
Dabei sprachen sich im November 2015
nen wird derjenige Kandidat, der mindes-
82,7 Prozent der Bürger der Republik Mol-
tens 50 Prozent der abgegebenen Stimmen
dau im Rahmen einer Umfrage für eine di-
für sich entscheiden kann. Wenn dies im
rekte Wahl des Präsidenten durch das Volk
ersten Wahlgang nicht der Fall sein wird,
aus, so dass die Entscheidung des Verfas-
wird der Gewinner im Rahmen einer Stich-
sungsgerichts von Freitag im Einklang mit
wahl zwischen den zwei Bestplatzierten er-
dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung
mittelt.
steht und somit der Demokratie eine neue
Chance gibt.
Es ist wahrscheinlich, dass es zu zwei Wahlgängen kommen wird. Die Wählerschaft der
Republik Moldau ist sehr zersplittert und
keiner der möglichen Kandidaten scheint
im ersten Wahlgang auch nur mehr als 20
Prozent der Stimmen erreichen zu können.
Der politische Kampf wird
durch mehrere
Faktoren entschieden werden. Zum einem
bleibt abzuwarten, ob es zur Bildung eines –
zumindest deklarativen – pro-europäischen
Blocks
der
jetzigen
parlamentarischen
Mehrheit kommen wird. Hingegen dürfte
das pro-russische Lager mit Dodon einen
einheitlichen Kandidaten aufstellen. Nicht
zuletzt muss gesehen werden, welche Rolle
das Erscheinen eines Kandidaten von außerhalb des Parlaments – wie z.B.
Maia
Sandu oder Andrei Năstase - in diesem
Wahlkampf spielen wird.