ThermaCare Wärmeumschläge oder Zurück zur Natur

ThermaCare Wärmeumschläge
oder
Zurück zur Natur
Mit diesem phantastischen Heilmittel und nicht zuletzt der zugehörigen Information in der TVWerbung ist dem Pharmakonzern Pfizer Consumer Healthcare wohl ein Meilenstein ge­
lungen! Es geht nicht allein um das Mittel selbst, sondern mehr noch um die Aufklärung der
Menschen, die heute allzu technisiert und wissenschaftsgläubig geworden sind. Kurz: Es
geht um die Rückbesinnung auf die natürlichen Werte.
Einleitend versichert uns schon einmal Sonja,
dass sie bei Anwendung von ThermaCare ein
so "tolles Gefühl" hat. Nun, das ist noch nicht
sehr fundiert, eben nur ein Gefühl, wie sie es
auch durch Auflegen eines warmen Wasch­
lappens hätte haben können.
Die fachliche Untermauerung erfahren wir erst
durch ihren Lebensgefährten Thomas, der uns
erklärt: "Da kommt keine Chemie oder sonst
irgendwas an meine Haut dran." Das ist wirklich
beruhigend zu hören, wo es doch immer wieder verirrte Patienten gibt, die versuchen, ihren
Hexenschuss durch sattes Auftragen von konzentrierter Schwefelsäure zu beheben. Ver­
mutlich sind das dieselben Leute, die glauben,
mit Kampfstoffen aus dem Ersten Weltkrieg,
zum Beispiel durch Inhalieren von Chlorgas (Cl 2)
ihre Bronchitis heilen zu können Es ist
anerkennenswert, dass Thomas mit solchen
Verfehlungen in aller Deutlichkeit aufräumt.
Keine Chemie, das ist die zentrale Leitlinie. Man
sollte diesen Weg weiter verfolgen und über die
hässliche Chemie hinaus auch auf die anderen
verdammten Naturwissenschaften erweitern.
Nehmen wir unseren Haushaltsstrom zum Beispiel – ist da nicht immer noch Physik mit im
Spiel? Muss das sein? Ich für meinen Teil habe längst begonnen, die Physik nicht an meinen
Strom dranzulassen. Man sieht dann zwar nicht mehr so viel, aber es ist doch einfach alles
sauberer und natürlicher. Für die Wäsche kann man auch den guten alten Teppichklopfer
nehmen, und statt des Elektroherds verwenden wir ein Feuerchen mit Naturästen aus dem
Wald.
Weiter: Manche Menschen nutzen für ihre Buchhaltung oder für die Steuererklärung die
Regeln der Arithmetik. Gleiches gilt für manche Handwerker (also einfache, schlichte
Menschen), die zum Beispiel den Farbbedarf zum Anstrich größerer Flächen kalkulieren
wollen. Da fangen sie eventuell an, nicht nur malzunehmen (wie es sich für Naturmenschen
gehört), sondern zu "quadrieren", und wenn dabei Rundungen auftreten, habe ich schon
erlebt, dass sie mit Pi (π) hantieren. Da liegt ganz stark der Verdacht nahe, dass sie
eigentlich Mathematik betreiben, und das wollen wir doch nicht.
Ganz schlimm wird es ja bei der Berichterstattung während und nach Wahlen. Da werden so
genannte "Hochrechungen" gemacht und allen Fernsehzuschauern präsentiert. Wenn man
dahinterschaut, betreiben diese Leute tatsächlich Statistik, also wieder etwas, das man nur
an diesen spinnerten Universitäten beigebracht kriegt. Statt einfach mitzuteilen: Der gesunde
Menschenverstand hat wieder gesiegt, und die Merkel wird's schon wieder machen. Das
wäre doch die natürlichste Herangehensweise.
Es bleibt allerdings die Frage, was denn Thomas mit dem Zusatz "oder sonst irgendwas"
meint. Eigentlich bleibt dann ja nicht mehr viel übrig. Lässt er denn wenigstens Sonjas
einfühlsam massierenden Hände "an seine Haut dran"? Oder vielleicht transmediale
Ichfindungsemanationen, wie sie chemiefreien Bachblüten entströmen? Wie wär's mit elfdimensionalem Bioquantenschaum? Diese Frage klärt sich sofort, wenn man weiter zuhört.
Dann erfährt man nämlich, dass Thomas nur "natürliche Wärme" an seine Haut dran lässt.
Schon allein dies ist bahnbrechend. Wer bisher in dem Irrglauben war, das Phänomen der
Wärme würde durch die thermodynamischen Hauptsätze beschrieben, denen zufolge sich
jegliche Energie aus Arbeit und Wärme zusammensetzt, welch letztere nur reversibler oder
irreversibler Natur sein kann, lernt jetzt eine dritte Form, nämlich eben die "natürliche
Wärme" kennen. Gut, man wird jetzt zwar die Lehrbücher der Physikalischen Chemie neu
schreiben müssen, aber diese wollten wir ja eigentlich sowieso nicht mehr haben. "Natürlich"
ist das Zauberwort, das das Leben durch und durch prägt und nicht nur für die Wärme gilt.
Schließlich gibt es ja auch "natürliche" Nahrungsmittel wie Zucker, Vitamine, Ballaststoffe bis
hin zu Mineralien, immer jeweils im Gegensatz zu ihren teuflischen "chemischen" Pendants.
Das gilt insbesondere auch für Medikamente: Digitoxin zum Beispiel, synthetisch erzeugt, ist
ein tödliches Gift, während es nur heilsam segnende Wirkungen hat, wenn man es aus dem
natürlichen Roten Fingerhut gewinnt.
Wen es interessiert, wie denn nun diese "natürliche Wärme" entsteht, braucht nur in den
Beipackinformationen oder auch auf der ThermaCare Homepage nachzulesen. ThermaCare
enthält nämlich Eisenpulver (Fe), das beim Öffnen der Packung mit Luftsauerstoff (O 2)
reagiert. Das erinnert mich an etwas – was war das noch? Ja genau, das kam im Chemie­
unterricht der Oberstufe vor: die Oxidation von Eisen – eine stark exotherme Reaktion, mit
der man auch Safes aufschweißen kann. Ist diese denn noch "natürlich" zu nennen? Oder
eher doch chemisch, also unnatürlich? Diese Frage muss fürs erste noch offen bleiben.
Im weiteren Verlauf versichert uns Thomas jedenfalls, dass mit ThermaCare die Ursache,
nämlich die Verspannung bekämpft wird: "Die ist hinterher weg und kommt auch nicht
wieder". Das ist schön. Frage ist allerdings: Wozu braucht man dann eigentlich noch den
"SUPER-BIG-PACK" für günstige 26,52€? Kommt die Verspannung vielleicht doch wieder?
Haben andere Patienten die Packung versehentlich zwischen die Beine geklemmt oder in die
Suppe gerührt? Oder wie?
Das sollte von Pfizer in einer der unvermeidlichen nächsten Folgen klargestellt werden.
Bis dahin wünscht
Gute Besserung in vielerlei Hinsicht
Dr. rer nat Bernhard Kilger