Trialogische Fortbildung bei der Polizei - Konzept und erste Ergebnisse „Wenn Stigma tödlich wird, kann Fortbildung lebensrettend sein“ „Irre menschlich Hamburg“ - UKE Prof. Dr. Thomas Bock, Robert Dorner, Sarah Niemann, Helmut Fabeck SuSe 2016 Hamburg Helmut Fabeck Erster Hauptkommissar, Lange: Einsatzgruppenleiter, Leiter Fortbildungsdienststelle „Schießen u. Einsatztraining“, Leitung operativer Gruppen, Jetzt: Wiss. Mitarbeiter an der Polizeiakademie. Helmut Fabeck http://www.inno-serv.eu/content/changing-perceptions-people-mental-illnesses-irre-menschlich „2008-09 gab es vermehrt Einsätze gegen psychisch Kranke. Im Verlauf dann drei schreckliche Ereignisse, nämlich Schußwaffengebrauch der Polizei tötlicher Art. Wir haben dann eine gemeinsame Initiative gestartet. Besonderheit war, dass erstmalig auch Betroffene beteiligt waren. Wir haben diskutiert, wie es Ihnen geht, wenn Polizei in Uniform kommt, mit Zwangsmitteln droht. Da haben wir deutlich hinzugelernt. Diese Menschen auch zu verstehen, sie zu verstehen ..“. • Trialogische Fortbildung mit der Polizeispitze • Regelhafte Fortbildung mit allen Auszubildenden der Polizei im Laufbahnabschnitt I („Mittlerer Dienst“) • Zusammenarbeit von UKE (bes. Robert Dorner) und Irre menschlich Hamburg e.V. • Pilot-Studie über mehrere Kurse (n=160) Übersicht • • • • Ausgangssituation in der Polizei Problem Stigma i.A. Konzept der trialogischen Fortbildung Erfahrungen und Ergebnisse Irre menschlich Hamburg (1) Ausgangslage Polizei • Konfrontation mit psychisch Erkrankten eher in Ausnahmesituationen • Hohe Erwartungen, großer Druck, enges Krankheitsbild = wenig Handlungsoptionen • Begegnung im Nachhinein, Austausch auf Augenhöhe = weniger Alarmismus, weniger Hochschaukeln. Mehr Zeit, Gelassenheit, Vorsicht – mit sich u. anderen (2) Problem Stigma • Für viele Patienten und Angehörige Vorurteile schlimmer als Symptome, bedeuten Ausgrenzung und verhindern rechtzeitige Hilfen • Stigmat. = Zuordnung negativ bewerteter Merkmale Unsere aktuelle Verantwortung! • Vorurteile heute = Fehler der Psychiatrie gestern? Unsere historische Verantwortung Stigma wirkt nach Außen + Innen • Stigma-Risiko abhängig von Menschenbild und Krankheitskonzept • Biologischer Reduktionismus – Zunahme sozialer Distanz (Angermeyer & Schomerus) • Problem der Selbst-Stigmatisierung, mehr Toleranz und Sensibilität wichtig • Notwendig: Begegnung und offenes Verständnis inkl. Annahme fließender Übergänge (3) Trialogische Fortbildung Konzept zu „Psychische Erkrankung/Gesundheit“ • • • • Übersicht / „anthropologisches“ Verstehen Begegnung Reflexion Diskussion berufsspezifischer Aspekte: – z.B. bes. Schmerzempfinden bei Borderline – Bes. Wahrnehmung bei Psychosen – Verlust des Zeitgefühls bei schweren Depressionen – Respektbedürfnis bei Manien – Aspekt der Überanpassung bei Bipolaren Störungen Pathologische + Anthropologische Aspekte Fließende Grenzen zw. gesund und krank • Ängste: zunächst (Selbst)Schutz vor Gefahr, Risiko: Verselbständigung, Verallgemeinerung, Zuspitzung, Lähmung und Panik • Zwänge: Rituale geben Halt, Schutz vor Zerfall Gefahr: Einengung, Blockade, Gefängnis • Depressionen: emotionaler Totstellreflex, Schutz aber: kognitive/affektive Teufelskreise, Verzweiflung, Leere, Selbstgefährdung • Manien: Flucht nach vorne, aus Überanpassung, Grenzen sprengen o. Befreiung, Abwehr Verzweiflung aber: Selbstgefährdung, sozialer Schaden • Borderline: „Grenzgänger“, Langzeit-Pubertät? schwierige Balance von Bindung und Autonomie, bis zu: Selbstverletzung, Fremdgefährdung • Psychosen: Reizoffenheit/ Dünnhäutigkeit, Traum ohne Schlaf, Rückgriff kindliche Wahrnehmung, Wiederbeleben von Vergangenheit, extremer Eigensinn, bis zum: Verlust eigener Grenzen Anthropologisches Verstehen – Theorie des Trialogs „Menschen müssen im Unterschied zu anderen Lebewesen um ihr Selbstverständnis/-gefühl ringen. Es gehört zu unseren Möglichkeiten, an uns zu zweifeln und dabei auch zu verzweifeln, über uns hinaus zu denken und uns dabei auch zu verlieren ... Wer darüber psychotisch wird, ist also kein Wesen vom anderen Stern, sondern zutiefst menschlich“. (trialogischen „blauen“ Broschüre: „Es ist normal, verschieden zu sein“) Irre menschlich Hamburg Begegnungsprojekte und trialogische Fortbildung • Trialogischer Verein in Koop. mit Uniklinik (UKE) • Begegnungsprojekte in (Hoch)Schulen und Betrieben (Toleranz und Sensibilität) • Tage der offenen Tür „Psychiatrie macht Schule“ • Trialogische Fortbildung Journalisten, Gesundheitsberufe, Jugendhilfe, Lehrer, Pastoren, Polizei, Wohnungswirtschaft, Bewährungshilfe, Jobcenter, u.a. • Kulturprojekte, Ausstellungen, Filme u.a. • Allgemein: Website, Hörfunk-, Kinospot www.irremenschlich.de Irre menschlich Hamburg Antistigma-Netzwerk Hamburg Landesverband der Erfahrenen Hamb. Institut für Lehrerfortbildung u. Schulentwicklung Hilfe u. Orientierung Für ps.erkrankte Stud. (HOpeS) HopeS FHH -‐ Akademie für sozialpäd. Fachkräfte Wohnungs-‐ unternehmen EU-‐Projekt EX-‐IN EXperienced-‐ INvolvement Psychoseseminar Hamburg UKE Irre menschlich Hamburg eV Landesverband der Angehörigen Arbeitsintegrations-‐ Netzwerk –ARINET Arbeitslosenprojekte Arbeitsagentur, Jobcenter Landespolizeischule Bewährungshilfe Stadtteil-‐, Berufs-‐, Gesamtschulen, Gymnasien Kirchenkreis Nord Telefon-‐Seelsorge, u.a. - Mitglied im DPWV, - Förderung durch Start Social, - Spendenparlament, - Deutsche Behindertenhilfe, - Psychenet Kreis der ideelle UnterstützerInnen („Paten“): Persönlichkeiten aus Kultur, Medien, Politik und Wissenschaft (s. Flyer) EmPeeRie – Partizipative Forschung Zielgruppen / Partner • • • • • • • Medien, Journalisten, Theater ... Lehrer, Jugendhilfe, Sozial-, Bewährungshilfe, Wohnungsunternehmen, Arbeitslosenprojekte, Jobcenter, Pastoren, Telefonseelsorge Polizisten, ... (4) Pilotstudie „trialog. Fortbildung“ Polizei • Einfaches vorher – nachher Design • N = 160 • Fragebogen zu sozialer Distanz, Stereotypen, negativen Gefühlen, Hoffnung (nach Angermeyer & co, analog Psychenet-Kampagne) • Hypothese: Zunahme Hoffnung, ansonsten Abnahme Ergebisse • • • • • Weniger Soziale Distanz, weniger negative Gefühle, weniger Stereotype, komplexeres Krankheitsverständnis, mehr Hoffnung auf Behandlung! Helmut Fabeck „Seit der ersten und den weiteren regelmäßigen Fortbildungen sind wir umsichtiger geworden. Weniger Angst lässt uns auch weniger Sheriff sein. Es hat keinen Einsatz mit Todesfolgen mehr gegeben. Das führe ich auch auf die Fortbildung zurück ... .....In Berlin gab es eine ähnliche Zuspitzung – erst ohne Konsequenzen wie bei uns. Ich hoffe aber, sie werden von uns lernen“. „Das Einzige, das mich von meinen psychotischen Patienten unterscheidet, ist meine Fähigkeit, sie gesünder zu sehen, als sie das z.Z. können“. Prof. Thea Schönfelder, Pionierin der Familientherapie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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