Tag5

Tag 5: Zu den Drakensbergen
Das Bergmassiv ‚Amphitheater‘ in den Drakensbergen
Heute ist eine lange Busfahrt angesagt, 550 Kilometer liegen vor uns: Es locken mit dramatischen Berggipfeln die Drakensberge in der Provinz Natal. Die lange Fahrt wird uns
wieder zurück auf die N4 führen, an Middelburg und den Ndebeles vorbei, Richtung Johannesburg - die Türme aus der Ferne angucken - und dann scharf links Richtung Berge und
Mont-aux-Source, unserem heutigen Ziel. Unterwegs ist kein größerer Halt geplant, zumal
Johannesburg sich mit seiner hohen Kriminalitätsrate kaum als Besichtigungsziel anbietet.
Und schön ist die Stadt wirklich nicht mehr. Immerhin habe ich damals ein paar Tage in der
Innenstadt überlebt. Unsere Spaziergänge zu Fuß waren nur sehr kurz, dann war uns so
unbehaglich in der Menge, dass wir immer sofort wieder in die sicheren Mauern des Hotels
zurückgeflüchtet sind und uns an dem netten Pool auf dem Dach mit Ausruhen auf die
Rundreise vorbereitet haben. Lediglich unterbrochen von einigen aufregenden Ausflügen.
Immerhin habe ich so eine Diamantenmine und Soweto besucht und eine Ballonfahrt in
den Magaliesbergen unternommen.
Nur langsam verlassen wir das hübsche Hotel mit der herzlichen Atmosphäre. Noch ein
turbulentes Frühstück, bei dem sich alle an dem kleinen Buffet drängen, als ob es seit Tagen nichts mehr zu essen gegeben hätte. Und es gibt die nun schon bekannte Schlacht
um die Teller mit den Eiern. Aber nun sind die Koffer verstaut, noch schnell die Krümel
abgewischt und los geht’s!
Noch sind wir in den landschaftlich reizvollen östlichen Drakensbergen, aber bald verlassen wir diese und die lange Fahrt über das flache Hochveld beginnt. Einzige Abwechslung
sind nur die auftauchenden Türme der Bergwerke, Kohlekraftwerke und Minen, denn wir
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fahren über die Bodenschätze Südafrikas dahin. Und das Land ist überreich damit gesegnet in diesen geologisch alten Schichten.
Das Auftanken des Busses ist eine angenehme Unterbrechung, können doch wieder die
notwendigen Wasserflaschen und Naschereien erstanden werden. Besonders haben es mir
die wunderbaren frische Nüsse angetan. Bei der Weiterfahrt sind nun alle aufgewacht und
im Bus herrscht ein wildes Geschnatter. Am späten Vormittag wird der Verkehr dichter, die
Türme von Johannesburg tauchen am Horizont auf. Wir haben die Provinz Mpumalanga
verlassen und sind nun in der reichen Provinz Gauteng. Reich, weil sich hier die vielen Bergwerke für Gold und Kohle befinden. Schon immer sind die Männer vom Land hierher zur
Arbeit gekommen. Von der Apartheidregierung wurden sie gezwungen ihre Familien zu
Hause zurück zu lassen und mussten in sogenannten Männerwohnheimen wohnen. Wir
haben sie in Soweto gesehen. Eng, ärmlich, erniedrigend.
Irgendwann halten wir kurz und Gerhard übergibt irgendwas seiner Frau, mit der er dort
einen Treffpunkt ausgemacht hatte. Karin behauptet, dass das wohl der Grund für die Fahrt
über die Nationalstraße ist, statt sich quer über das Land zu schlängeln. Ich kann mir aber
nicht vorstellen, dass man mit dem großen Bus quer über die Landstraßen bequemer fährt
als über die Autobahn. Vielleicht hätte man mehr sehen können. Leider bin ich kurz vor
der Übergabe eingenickt und habe nun die Gattin nicht gesehen. Peinlich, abends beim
Essen fragt er nämlich ganz stolz, ob ich sie gesehen hätte, sie muss wohl deutlich jünger
sein als er.
Und schon biegen wir ab, Richtung Harrismith und zu den Drakensbergen. Die Landschaft
ist jetzt von sanften Hügeln in goldbrauner Farbe geprägt. Das gefällt mir außerordentlich.
Wir sind inzwischen im trockenen Free State. So trocken, dass links und rechts immer wieder kleine, perfekte Windhosen/Tornados zu sehen sind, die den staubigen Boden hoch
wirbeln. Schön anzusehen, solange sie noch so klein und harmlos sind.
Derweil vertreibt uns Karin eine eventuell aufkommende Langeweile mit hoch interessanten Informationen: Wir erfahren vieles über die reichen Bodenschätze des Landes, über die
großen Probleme durch Aids, über die hohe Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende
hohe Kriminalität bis hin zu den Schwierigkeiten ihrer Haushaltshilfe Florence, die uns einen guten Eindruck der so anderen Art von Leben und Lebenseinstellung der schwarzen
Frauen hier geben. Karin ist ein nicht versiegender Quell von besten Informationen über
ihr heiß geliebtes Südafrika!
Wir durchqueren die kleine Stadt Harrismith mit recht hübschen Zuckerbäcker-Häusern,
die als ein beliebter Ausgangspunkt für einen Besuch der Drakensberge dient. Wir sehen
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leider nicht den versteinerten Baumstamm, der beim vorab Lesen mein Interesse erregt
hatte. Natürlich ist auch keine Zeit den bedeutenden Botanischen Garten auf dem Platberg, seinem Namen entsprechend ein Tafelberg, zu besuchen. Dort werden die Pflanzen
der Drakensberge gezeigt. Im Umkreis der Stadt halte ich umsonst nach den Schafen Ausschau, die ich eigentlich bei einem Zentrum der Schafzucht mit der größten Wollproduktion Südafrikas erwarte. Übrigens werden deshalb in warmen Ländern wie Südafrika oder
Australien Wollschafe gezüchtet, weil ihre Haare bei der gleich bleibend warmen Temperatur gleichmäßiger wachsen und so die Wolle nicht kratzt! Hinter der Stadt schwenken wir
Richtung Berge und dem Royal Natal Game Reserve ab.
Am Sterkfontain Dam
Am Sterkfontain Dam..
ein bedeutendes Wasserreservoir...
für Südafrika
Da, ein Glitzern. Zwischen den Bergen, taucht der riesige Sterkfontain Staudamm auf. Wunderschön im nachmittäglichen Sonnenschein gelegen, gerade die Zeit, in der die Sonnenstrahlen immer ihr Licht besonders zu brechen scheinen. Eine verwunschene Stimmung.
Genau das Richtige für eine Fotopause, gilt es doch den Kontrast zwischen blinkenden
Wellen und sanften, kahlen Hügeln einzufangen. Auch hier gibt es einen Naturpark, diesmal zum Schutz von Geiern und Adlern.
Aber Afrika lebt von Touristen und eine Gruppe junger Männer steht bereit, ihre Schätze zu
verkaufen. Immerhin eine Abwechslung, die Tiere hier sind aus Ton geformt. Sie haben zwar
merkwürdige weiße Streifen als Verzierung, die ihnen so was zuckerbäckeriges geben, aber
es hat sie sonst nirgendwo gegeben, also was landschaftsspezifisches? Und gleich beginnt
ein wildes Kaufen, man muss schließlich was für die Bevölkerung tun! Leider hat Waltraud
die einzige Schildkröte, hätte gut zu meinen anderen gepasst, und Mette die einzige Giraffe
ergattert. So bleibt mir nur ein Nashorn. Wenigstens ist es dank Keksschachtel heil zu Hause
angekommen! Andere Tontiere scheinen schon unterwegs ihr Ende gefunden zu haben.
Über den Oliviershoek Pass
Weiter geht es. Die Straße schraubt sich über den Oliviershoek Pass und bietet fantastische
Ausblicke. Immerhin sind wir jetzt auf gut 2000 Meter Höhe. Dann noch ein Halt, diesmal
mit Blick auf eine weite Landschaft auf der anderen Seite der Passhöhe und einen unten
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Blick vom Oliviershoek Pass
im Tal liegenden kleinen Stausee. An diesen schließen sich
in der Ferne weitere Stauseen an, hier am Rande der Berge
ist ein großes Wasserreservoir fürs Land angelegt worden.
Ärgerlicherweise gibt es auch hier Tontiere, diesmal nicht
in beige, sondern in einem Grauton. Die gefallen mir zwar
besser und eine Giraffe hätte es auch noch gegeben, aber
zwei von den Zuckerbäckerstücken sind einfach zu viel.
Wieder im Bus fahren wir an der typischsten afrikanischen Landschaft vorbei: Schirmakazien. Sie füllen ein weites Tal unterhalb der Straße, sehr schön. Die Aussicht auf die vor uns
aufragende Bergwelt wird immer eindrucksvoller, auch wenn die Berge in einen grauen
Schleier gehüllt sind. Wir kommen zum Tor des Royal Natal Nature Park, in dem unser Hotel
Mont-aux-Source liegt. Royal deshalb, weil die Royals in den fünfziger Jahren mal einen längeren Urlaub im Gebiet gemacht haben. Die Briten haben schließlich eine enge Beziehung
zu Natal und Südafrika, hatten sie doch immerhin ab 1844 von Kapstadt aus die Region
besiedelt und verwaltet. Aufregung entsteht, als jemand ein Schild am Hang entdeckt, dass
unser Hotel mal zu Mövenpick gehörte. Inzwischen gehört es aber zur Oriongruppe mit
vielen Häusern in ganz Afrika.
Mont-aux-Source
Der Name kommt von dem Berg Mont-aux-Sources, der hier mit 3282 m die höchste Erhebung ist. Der Name weist auf die zahlreich am Berg entspringenden Quellen hin, wie die
Flüsse Tugela und Oranje, die beiden mächtigsten Flüsse
Südafrikas. Er ist Teil der acht km breiten, steil abfallenden
Basalt-Felswand des "Amphitheaters", die unserem Hotel direkt gegenüberliegt und als die bedeutendste Sehenswürdigkeit der hiesigen Drakensberge gilt. Flankiert wird die
Felswand von den beiden Bergen „Sentinel“ und „Eastern
Buttress“. An einer Seite des Amphitheaters stürzt der Tugela-Fluss als zweithöchster Wasserfall der Welt – 800 Meter
Ein Dorf der Zulu am Fuß der Berge
tief – herunter, allerdings über drei Felsstufen. Wenigstens
habe ich schon den höchsten frei fallenden Wasserfall, den
Angel-Fall in Venezuela, gesehen, diesen sehen wir nämlich
nicht.
Das Amphitheater
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Blendend, die Aussicht von der schönen Terrasse des Hotels aus! So toll hatte ich mir das nicht vorgestellt. Vor allem
nicht, dass das Amphitheater direkt dem Hotel gegenüber
liegt. Schade nur, dass die Berge sehr dunstig sind. Dafür ist
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das Wetter aber blendend und warm. Das ist in den Bergen
schließlich nicht selbstverständlich. Das Hotel selber strahlt
einen leicht angegammelten, altertümlichen Charme aus.
Seine Hausflügel sind in einem Halbrund angeordnet, fast
so wie das Amphitheater gegenüber. Das weiß und grün
des Anstrichs erweckt einen schönen ländlichen Eindruck,
unterstrichen durch den abfallenden Hang davor mit Rasen
Blick von der Hotelterrasse
und üppigen Pflanzen. Weiter unten ist unter Bäumen ein
kleiner Pool mit Liegen zu sehen. Marianne und ich haben nur ein Zimmer zum Garten
hinaus. Dafür ist es aber riesengroß und wenn man davon absieht, dass nach dem Duschen
das Badezimmer halb unter Wasser steht, können wir sehr zufrieden sein. Dafür haben
wir endlich entdeckt, dass in Südafrika Föhne fest verkabelt und somit klausicher in der
Schreibtischschublade angeschlossen sind! Wir nutzen die zwei Übernachtungen im gleichen Hotel für die kleine Wäsche zwischendurch. Die Luft muss sehr trocken sein, so rasant
schnell, wie die Sachen trocknen.
Wahlweise bleibt vorm Abendessen Zeit die Aussicht oder den Pool zu genießen. Ich entschließe mich für die Terrasse und wappne mich mit dem hübschen Heft, in dem ich meine
Reiseindrücke sammeln will. Ich liege jetzt schon um Tage mit meinen Einträgen zurück, da
die Tage und Abende so ausgefüllt sind. Den Versuch, während der Busfahrt zu schreiben,
habe ich aufgegeben. Zum einen ist es völlig unleserlich, zum anderen bin ich schließlich
hier um die Aussicht zu genießen. Also lasse ich mich auf
einem strategisch günstigen Stuhl mit Blick nieder und beginne zu schreiben. Aber schon bald kommen die ersten
Mitreisenden, bereits für den Abend fein gemacht, und
eine angenehme Unterhaltung beginnt. Als schon fast alle
versammelt sind und die Sonne nahezu untergegangen ist,
gehe ich mich endlich umziehen, schließlich möchte ich
Blick von der Hotelterrasse
nicht das Abendbrot verpassen.
Es gibt ein reichhaltiges Büffet mit einer guten Auswahl
an Fisch als Vorspeisen. Allerdings vermisse ich wieder das
Roastbeef, als Fleisch gibt es nur Huhn und Schwein, das
vom Koch abgeschnitten wird. Die Gemüseauswahl ist
leider mager. Das reichliche Dessertbuffet ist mit einheimischen Delikatessen bestückt. Die absolute Krönung indessen ist eindeutig die Eiskrem in einer großen Schüssel!
Dazu Garnierungen wie Schokostreusel und Schokosoße.
Eis habe ich noch nie auf einem Buffet gesehen.
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Blick von der Hotelterrasse
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Nach der Schlacht am Buffet klingt der Tag in gemeinsamer Runde aus. In der Halle werden die Stühle und Sessel zu einem großen Kreis zusammengestellt. Der Barmann guckt
unglücklich, als seine Stühle aus der Bar heraus getragen werden. Ich verschließe meine
Augen und Ohren vor der Tatsache, dass ich so was bei anderen Hotelgästen immer unmöglich finde. Denn diesmal es gibt noch eine Menge anderer Gäste, aber wir tun gerade
so, als ob wir wieder allein im Hotel wären! Das Stühlerücken geschieht, um endlich die
Vorstellungsrunde durchzuführen. Auf dieser Reise sind schließlich zu dem harten Kern der
Mitglieder des Gesprächskreises noch weitere Bekannte und Freunde eingeladen worden,
um eine genügend große Gruppe zu bekommen. Allerdings habe ich mich in den vergangenen Tagen eifrig bemüht die einzelnen Mitglieder der Gruppe näher kennen zu lernen
und habe das eigentlich gerade abgeschlossen. Aber so werden doch von dem einen oder
anderen interessante Dinge über sich selber vorgetragen. Manche finden aber auch keinen
Mut etwas über sich zu erzählen, wie das manchmal so ist.
Eigentlich hatte ich beim Lesen des Reiseplans gedacht, dass dies ein anstrengender und
langweiliger Tag werden würde, für den ausgerechnet ich den Tagesbericht zu schreiben
habe. Aber da Gerhard sich so beeilt hat und wir früh in dem angenehmen Hotel angekommen sind, konnten wir die schönen Ausblicke in die Bergwelt genießen und hatten noch
ausgiebig Zeit uns auszuruhen. So hat sich ein vermeintlich fader Tag noch als großartig
entpuppt!
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