pdf: Tanzcafe_1_2016 - Projekt

Tanzcafé im Seniorenzentrum „Villa Toscana“ in Kottenheim
Der „schwarze Zigeuner“ weckt Erinnerungen
Heinrich und Mathilde Rüber, die in diesem Jahr Eiserne Hochzeit feiern,
stießen mit einem Glas Sekt aufeinander an.
Musik-Geragoge Heiko Schiller hatte mit seinem Akkordeon immer die passenden Schlager parat.
Kottenheim. Die Testphase ist abgeschlossen, die Veranstaltung hat
sich mittlerweile fast schon etabliert:
Zum dritten Mal fand im Seniorenzentrum „Villa Toscana“ in Kottenheim ein Tanzcafé für die Bewohner
und für Gäste aus nah und fern
statt. Bereits im Dezember und im
Januar zeigten sich alle begeistert.
Auch von außerhalb kommen ältere
Menschen angereist, meist zehn bis
15 an der Zahl. Bei der dritten Veranstaltung zog es sogar einen
Mann aus Andernach in die „Villa
Toscana“, er hatte aus der Zeitung
davon erfahren.
Nicht so weit hatte es der 91-jährige
Heinrich Rüber; er lebt in der Ortsgemeinde Kottenheim. Seine Ehefrau Mathilde, die im Seniorenzentrum lebt, besucht er jeden Tag; da
lässt er sich das Tanzcafé nicht ent-
gehen. Im Normalfall bringt er noch
ein paar Freunde mit; diesmal kam
er allein, sie waren alle erkrankt.
Rüber ließ sich das Stück gedeckten Apfelkuchen, serviert von den
Mitarbeiterinnen des Seniorenzentrums, schmecken: „Ich muss zwar
nicht unbedingt auf meine Linie
achten, aber mehr als ein Stück
geht nicht.“ Danach stieß er mit seiner Ehefrau (die beiden feiern in
diesem Jahr Eiserne Hochzeit) mit
einem Glas Sekt an - und verschwand auf der Tanzfläche, „obwohl die Beine doch ganz schön
wackelig sind.“ „Mir war schon im
Vorfeld klar, dass es gut funktioniert“, freute sich Leiterin Ellen
Schäfer (48), die die Gäste immer
wieder selbst zum Tanz aufforderte:
„Wenn die älteren Bewohner vertraute Musik hören, weckt das Erin-
nerungen. Die Menschen fühlen
sich in frühere Zeiten versetzt und
können beim Tanzen ihre Schmerzen vergessen.“ Vor zwei Jahren
kam Schäfer und ihrer Mitarbeiterin
Claudia May bei einer Veranstaltung
des „Netzwerks Demenz“ im Café
au Lay“ in Mendig die Idee, so etwas auch im eigenen Haus anzubieten. „Wir haben gemerkt, dass
eine solche Veranstaltung den Menschen ganz einfach Spaß macht.
Unsere Bewohner begeben sich
gefühlsmäßig in eine andere Welt
und spüren das damals Erlebte. Mit
diesem Aha-Erlebnis können wir
auch die Bewegungsabläufe fördern.“
Einmal im Monat (an einem Samstag von 15 bis 17 Uhr) präsentiert
der Musik-Geragoge Heiko Schiller
aus Koblenz mit seiner Gitarre und
Leiterin Ellen Fischer forderte die Gäste immer wieder zum Tanz auf.
Fotos: SK
seinem Akkordeon Schlager aus
den Zwanziger-, Dreißiger- oder
Vierzigerjahren des vergangenen
Jahrhunderts bis heute. Mit Liedern
wie „Tanze mit mir in den Morgen“,
„Du schwarzer Zigeuner“ oder „La
Paloma“ lässt der examinierte Krankenpfleger, der seit acht Jahren im
Kreis Mayen-Koblenz lebt und 2011
seine Ausbildung an der Fachhoch-
schule im westfälischen Münster
abgeschlossen hat, die Besucher in
Erinnerungen schwelgen. „Ich habe
das schon 20 Jahre lang in Mecklenburg-Vorpommern gemacht“, so
Schiller, „aber es ist auch für mich
immer wieder aufs Neue eine Freude, die glänzenden Augen der älteren Menschen zu sehen.“
- SK -