Einfamilienhäuser Einfamilienhaus in Puchheim Kapitel 1/1 | 11 1/1 Einfamilienhaus in Puchheim Christine Ryll, Architektin und Journalistin, München Bautafel Abb. 1: Dachziegel erwiesen sich als günstigste Außenhaut. Lediglich Dachpappe wäre noch günstiger gewesen Ein Holzhaus im Ziegelkleid – Familie Geier ließ sich auf ein spannendes Projekt ein. Und ist nun rundum glücklich. Wenn Manfred Geier nach seinem Zuhause gefragt wird, sieht er nur einen Ort vor sich: das elterliche Anwesen in einer Siedlung mitten in Puchheim bei München. 60er-Jahre-Bauten, ein großer Garten hinter dem Haus und das Haus der Großmutter mitten im Garten. Hier hat er seine Kindheit und Jugend verbracht. Später bezog er gemeinsam mit seiner Frau Christine den ersten Stock des elterlichen Hauses. Doch nachdem ein Sohn und eine Tochter geboren waren, wurde es für die Familie allmählich zu eng. Und so bot es sich an, das Haus der verstorbenen Großmutter als neuen Lebensraum zu beziehen. Zu klein, zu marode, zu alt: Eine ehrliche Bestandsaufnahme ließ alle Träume platzen. Das Haus war beim besten Willen nicht für eine vierköpfige Familie geeignet. Es musste abgerissen werden. Übrig blieb eine Lücke, ein schmaler Streifen im großen Garten. Zu klein für einen Standardbau. Daher bat Christine Geier ihren Bruder, den Architekten Hans Niedermaier, um Hilfe. Gemeinsam mit Katja Bauvorhaben: Einfamilienhaus als Lückenbebauung, Puchheim Bauweise: Holzmassivbau, System LenoTec Baujahr: 2004 Baukosten: 277.000 Euro Nutzfläche: Wohnfläche 149 m2 Umbauter Raum: 915 m3 Bauherr: Familie Manfred Geier, Puchheim Architekt: Katja Klingholz, Tobias Fürst, Hans Niedermaier, München, www.derhausladen.de Statik: Ing.-Büro Ludwig Krumbachner, Dachau Ausführung Rohbauarbeiten: Thomas Hermann GmbH, Dachau Ausführung Zimmerer- und Dachdeckerarbeiten: Zimmerei + Holzbau Werner Polt GmbH, Vierkirchen, [email protected] Klingholz und Tobias Fürst führt er ein Architekturbüro in München. Er machte sich sofort ans Werk. Das Ergebnis war unkonventionell: Bei Einhaltung sämtlicher Abstandsflächen ergab sich als baurechtlich erlaubtes Gebäude ein schmaler, asymmetrischer Kubus mit mehrfach geknickter Oberfläche, der mit einem gewöhnlichen Haus nur noch wenig gemeinsam hatte. Damit war die äußere Form der Villa Christa gefunden. Innen ist das Gebäude klar strukturiert. Es gliedert sich – im Erdgeschoss – in eine geräumige Diele mit einer schmalen einläufigen Treppe am hinteren Ende. Rechts davon liegt die offene Gemeinschaftszone. Kochinsel, Essen und Wohnen reihen sich aneinander. Drei riesige Glasschiebetüren öffnen diesen Raum zum seitlich angrenzenden Hof, eine weitere Glas- 12 | Kapitel 1/1 Einfamilienhäuser Einfamilienhaus in Puchheim front zum rückwärtigen Garten. Jenseits der Längswand, die den Baukörper in der Mitte unterteilt, finden noch ein Gästezimmer und ein WC Platz. Beides wird vom Wohnzimmer aus erschlossen. Im Gegensatz zum weitgehend offenen Parterre ist die erste Etage – hier beginnt bereits die Dachschräge – klar in drei Räume mit Bad gegliedert. Eltern und Kinder schlafen hier. Christine hat unter dem Dach sogar noch ein kleines Boudoire bekommen, eine Kammer, in die sie sich zurückzieht, wenn sie mal Ruhe braucht. Pure Oberflächen, warme Optik Abb. 2: Lückenfüller nach Maß: Das Gebäude passt sich gut in die bestehende Bebauung ein Lediglich der Keller des ungewöhnlichen Neubaus ist aus Beton. Der Bodenbelag im Erdgeschoss besteht aus Gussasphaltplatten, die auf dem Heizestrich und der Dämmung liegen. Der Rest des Hauses besteht aus Holz oder Holzprodukten. LenoTec (Dickholz) mit Fichte-Dreischichtplatten als oberster Deckschicht stellt die Außen- und die Innenwände. „Wir haben dieses Material als sehr preisgünstig kennengelernt, sofern man die Oberfläche nicht noch einmal verkleidet“, informieren die Architekten. Die Konsequenz, dass dabei Räume entstehen, die nicht weiß sind, sondern holzfarben, gehen die Planer gerne ein. Schon weil sie die Atmosphäre schätzen, das warme Licht, das in solcher Umgebung herrscht. Abb. 3: Auf der Längsseite des Gebäudes öffnen sich große Fensterflächen Die Böden im Obergeschoss der Villa Christa sind daher auch mit Fichtendielen belegt. Die Treppe besteht aus geseiftem Fichte-Massivholz. Die Einbauschränke setzen sich aus MDF-Platten zusammen und der Küchenblock aus Betonschalungsplatten. Alles Holzoberflächen. Mal gewachst, mal Abb. 4: Die Architekten gestalteten den gesamten Innenausbau, auch die Küche Abb. 5: Das Ziegelkleid liegt auf einer Lattung/Konterlattung. Darunter folgen Holzfaserplatten und eine Dampfsperre Einfamilienhäuser Einfamilienhaus in Puchheim geölt, mal geseift, mal – im Falle der Wände und Decken – gar nicht behandelt, mal, wie die Betonschalungsplatten, fertig beschichtet. So wirkt Villa Christa nicht wie ein Sammelsurium an Bauteilen und Einbauten, sondern wie ein einheitliches Objekt, einem Möbel gleich. Ohne Materialfeuerwerk, aber mit einer straffen Struktur, die die gezielte Auswahl der Baustoffe mit sich bringt. Edle Fassadeziegel, kleiner Preis Beispiel Außenhaut. Nein, hier finden sich keine Holzverschalungen, Lattungen und Gitter. Stattdessen beherrschen Dachziegel das Bild. Sie verkleiden Wände, Schrägen und Dach und hüllen das gesamte Gebäude in ein einheitliches Kleid. Als Alternative standen auch andere Materialien zur Auswahl, doch die Dachziegel waren verhältnismäßig günstig. Lediglich Dachpappe wäre noch billiger gewesen. Und das war den Planern und Bauherren noch nicht nachhaltig genug. Auf 30/50 mm Latten und 40/90 mm Konterlatten verlegt und teilweise verschraubt, stellen nun Ziegel die oberste Deckschicht des Objekts Villa Christa. Dahinter versteckt sich die Dampfsperre, verlegt auf 22 mm Holzfaserplatte als Unterdeckplatte. Es folgt eine weitere Schicht mit 120/100 mm dicken Holzfaserplatten und schließlich die 115/85 mm dicke Dickholzunterkonstruktion. „Wir sehen das Haus als Persiflage auf die umgebende Bebauung“, schmunzelt Architekt Tobias Fürst. Die Nachbarn sehen es unterschiedlich. Manche sind angetan von dem Bauwerk, manche finden es komisch, manche bemängeln, dass das Haus einfach nicht so aussieht, wie ein Haus ihrer Meinung nach aussehen sollte: mit Sockel, Fassade und Satteldach mit Ziegeldeckung. Die Bauherren finden das ganze „schlichtweg genial“. Nicht nur wegen dem Platzangebot und der guten Atmosphäre, auch wegen des Raumklimas. Denn der erste Sommer hat bereits gezeigt, dass das Gebäude dank LenoTec (Dickholz) und der Ziegelhaut und trotz der großen Öffnungen immer angenehm temperiert bleibt, egal wie heiß es draußen ist. Im Winter hingegen ist es bullig warm. Daher wurde hier auch wenig investiert. Als Heizung dient die Gastherme des alten Hauses. Sie hatte die Großmutter erst vor wenigen Jahren ausgetauscht. Nun baute sie der Installateur einfach aus dem Altbau aus und schloss sie im Neubau wieder an, kaum dass die Wände nebst Dach standen. Die einzelnen Elemen- Kapitel 1/1 | 13 te hatte der Hersteller vorgefertigt und sie mit dem Tieflader angeliefert. Binnen weniger Tage hatte die Zimmerei Werner Polt GmbH das Gebäude komplett aufgestellt. Die restlichen Arbeiten wie den äußeren Fassadenaufbau und die Dachdeckung erledigten die Zimmerer vor Ort. Präzises Konzept, zuverlässige Umsetzung Bauherren und Architekten vertrauten einander, deshalb übernahmen die Planer auch den kompletten Innenausbau. Das handwerkliche Know-how haben sie in früheren Tätigkeiten bei einem Schreiner bzw. bei einem Schlosser erworben. Neben Treppe, Türen und Schränken verlegten sie den Fußboden und bauten auch die Küche in Eigenregie. „So wie wir nach einem ganzheitlichen Konzept im Entwurf streben, so legen wir auch Wert auf die inhaltliche Umsetzung im Detail“, erklärt Fürst die Haltung der Planer. „So erklärt sich unser Anliegen, Dinge, welche wir theoretisch entwickeln, selbst handwerklich umzusetzen, um auf diesem Wege auch unkonventionelle Detaillösungen ausprobieren zu können.“ Abb. 6: Die Zimmerei stellte das Gebäude auf, deckte das Dach und baute die Fassaden 14 | Kapitel 1/1 Einfamilienhäuser Einfamilienhaus in Puchheim Grundrisse, Schnitte Kind Kammer Bad Bad Abb. 8: Grundriss Obergeschoss Abb. 7: Grundriss Dachgeschoss Garage Wohnen Gast Essen Kochen WC Abb. 9: Grundriss Erdgeschoss Kind Diele Eltern
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