downloaden - Salzgitter Automotive Engeneering GmbH & CO. KG

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Die Salzgitter Automotive Engineering (SZAE) ist eine etablierte Größe unter
Deutschlands Automobilzulieferern. Die 230 Mitarbeiter fertigen u. a.
Außenhautteile für besonders exklusive Autos – wie den neuen Mercedes-AMG
GT oder den Bentley Mulsanne. Ein Besuch in Georgsmarienhütte
Von Carsten Wurr (Text) und Udo Bojahr (Fotos)
Foto: Daimler AG,
Heilix Blechle
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Foto: photobojahr.de
Für den Mercedes-AMG GT (Foto
oben) liefert die SZAE u. a. die
Seitenwände. Höchste Qualität ist
gefragt – und deshalb gehören
Stichproben im werkseigenen
Lichtraum für Oberflächenaudit
zum Leistungsumfang (Foto unten)
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portliches Design, 510 PS und eine Höchstgeschwindigkeit jenseits der 300 km/h:
Der Mercedes-AMG GT S ist ein Fahrzeugtraum schlechthin. Die Salzgitter Auto­
motive Engineering GmbH & Co. KG (SZAE)
ist durch die Herstellung von Seitenwänden und
verschiedenen Strukturteilen an der Produktion
der sportlichen Erscheinung des GT beteiligt.
Die SZAE mit ihren 230 Mitarbeitern hat sich
seit Jahren als eine feste Größe im Automobilzulieferermarkt etabliert. Das Unternehmen ist Spezialist für Blechumformung im Bereich des Karosseriebaus. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von
der Herstellung produktionsreifer Serienwerkzeuge
bis hin zu Bauteilen und Komponenten für Kleinund Mittelserien. Darüber hinaus entwickelt und
fertigt SZAE Werkzeuge, Bauteile und Komponenten für den Konzept- und Prototypenbau aus
Stahl und Aluminium. Zu den Kunden gehören im
Wesentlichen die größten europäischen Automobilhersteller. Das Unternehmen wurde 1986
gegründet und gehört seit 2001 zur Salzgitter AG.
Nun ist es ja keineswegs so, dass Fahrzeuge
mit dem gewissen Etwas Neuland für die SZAE
sind. So hat man für die rund 450 Exemplare des
legendären Bugatti Veyron auch schon mehrere
Außenhautteile produziert – u. a. die Türen und
die Kotflügel. Zu den Stammkunden in Osnabrück
zählt weiterhin die Nobelmarke Bentley. Jürgen
Schmalzriedt, Technischer Geschäftsführer der
SZAE: „Für das Modell Mulsanne pressen wir 85
verschiedene Bauteile – u. a. das Dach, die Motorhaube und die Seitenwand hinten. An den Modellen Flying Spur und Continental sind wir ebenfalls
mit verschiedenen Serienbauteilen aus Stahl und
Aluminium beteiligt.“ Porsche lässt bei SZAE für
sein Hybrid-Modell des Panamera die Öffnungen
für Ladestromanschluss in der rechten Seitenwand
ausschneiden und formen.
Die Außenhaut ist die Visitenkarte eines jeden
Fahrzeugs. Schon minimale Unebenheiten stören.
Deshalb ist über den gesamten Produktionsverlauf äußerste Präzision gefragt. Das beginnt schon
beim Bau der Werkzeuge für die Blechumformung.
Schmalzriedt: „Zunächst erfolgen die Auslegung
mit den entsprechenden Simulationsuntersuchungen und die Konstruktion der Werkzeuge. Kommt
der Werkzeugrohling dann aus der Gießerei zurück, wird er mechanisch bearbeitet und montiert.“
Die Werkzeuge, die aus einem Ober- und einem
Unterteil bestehen – dem Stempel, dem Blechhalter und der Matrize – und die bis zu 30 Tonnen wiegen, werden schließlich in eine der fünf
hydraulischen Pressen eingebaut, die maximal
1.600 t Stößeldruck entwickeln und den Blechen
die endgültige Form geben. Serienteile werden
abschließend stichprobenartig überprüft. Das geschieht durch 3D-Koordinatenmesstechnik sowie
optisch in einem Lichtraum für Oberflächenaudit
und durch Aufbringen einer speziellen Folie, das
sogenannte „Folieren“.
Bevor Automobilhersteller mit der Serienproduktion eines Fahrzeugs beginnen, testen sie mit
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Betrachten Modelle der
Fahrzeuge, für die die SZAE
schon produziert hat, v. l.:
Jürgen Schmalzriedt,
Technischer Geschäftsführer, Frank Abendrot,
Projektleiter, und Knut
Westpfahl, Kaufmännischer
Geschäftsführer
Luftaufnahme des SZAEWerkes in Georgsmarienhütte. Ein weiteres befindet
sich nur wenige Kilometer
entfernt in Osnabrück
Im Foyer empfängt ein
Türmodell des Bentley
Mulsanne die Besucher. Die
SZAE baut für alle 8.000
Exemplare des 290.000 €
teuren Fahrzeugs die
Türeinzelteile vorn und
hinten
Zwei Mitarbeiter legen ein Seitenteil in eine der fünf Pressen des Werkes. Mit bis zu 1.600 t Druck werden sie in die endgültige Form gebracht (Foto oben).
Mit einem Abziehstein verzieht Helmut Sonnenberg kleinste Unebenheiten auf diesem Nachformwerkzeug
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Thorsten Klein ist einer der „Streichler“ bei SZAE. Mit der Hand fühlt er bei Prototypen auch die kleinsten Unebenheiten (Foto oben). Fertige Teile werden
sorgfältig gelagert – kein Kratzer darf die Perfektion beeinträchtigen
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zahlreichen Prototypen. „Für den aktuellen Golf
von VW haben wir zum Beispiel die Seitenteile
für die gesamte Prototypenserie geliefert“, sagt
Knut Westpfahl, Kaufmännischer Geschäftsführer
der SZAE. Auch dafür baut SZAE die Werkzeuge
selber. Sie werden nach Vorgaben des Kunden aber
so lange modifiziert, bis die Bleche die Serienreife
erreicht haben: „Mitunter pressen wir nur zwanzig
Exemplare, warten dann z. B. die Fahrzeugtests
ab, ändern die Werkzeuge wie gewünscht, pressen
wieder eine Teilmenge Seitenwände ab – und so
weiter.“
Die Rohkarosserie von Fahrzeugen umfasst
durchschnittlich 250 bis 300 Einzelteile – in der
Außenhaut und in der Struktur. Knut Westpfahl:
„Produzieren können wir diese Teile alle, aber
je nach Auftragssituation haben wir maximal 80
davon in der Fertigung.“
Jeden Tag verlassen sechs bis sieben Sattelschlepper mit Teilen das Firmengelände von SZAE –
von fünf Zentimeter langen Haltern bis zu fünf
Meter messenden Außenhautteilen. Darunter sind
auch Zusammenbauten wie der Schweller für den
Bentley Mulsanne, der aus sieben Einzelteilen besteht und der bei SZAE in Osnabrück verschweißt
wurde, sowie komplette Großserienwerkzeuge, die
von Serienherstellern für ihre eigenen Presswerke
geordert werden.
Die Diversität in der Angebotspalette mit ihren
jeweils doch recht unterschiedlichen Zyklen und
Laufzeiten ist wichtig für eine konstante Auslas­
tung der Gewerke. Für die nächsten Jahre ist
Knut Westpfahl optimistisch: „Ich denke, dass das
Anfrageniveau der Automobilhersteller durch die
weiter wachsende Modellvielfalt – trotz gleichzeitig
zunehmender Virtualität in der Modellplanung –
auf einem hohen Niveau bleibt.“
Millimeterarbeit mit dem Hammer –
dazu gehört Feingefühl
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Am Haken: Karosserieteile warten auf ihren Versand
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