OSTWESTFALEN-LIPPE / NRW WESTFALEN-BLATT Nr. 50 Montag, 29. Februar 2016 »Integration von Anfang an ist das Ziel« NRW-Familienministerin Christina Kampmann (SPD) will Flüchtlingskinder möglichst schnell in Kitas sehen B i e l e f e l d (WB). Auf Christina K a m p m a n n (35) kommt es an. In der Flüchtlingskrise ist die NRW-Familienministerin ganz besonders gefragt, wenn es um die Integration vor allem der Flüchtlingskinder geht. Mit der SPDPolitikerin aus Bielefeld hat Andreas S c h n a d w i n k e l über die Herausforderungen ihres Amtes gesprochen. Bad Salzuflen (WB). Unbekannte haben in der Nacht zum Samstag in Bad Salzuflen die Evangelisch-reformierte Kirche WülferKnetterheide mit Farbe besprüht. Nach Angaben der Polizei fanden sich auf mehreren Wänden die Schriftzüge »ACAB« (»All cops are bastards«), »Joe«, »187« sowie »Vater Staat«. Wer etwa zu den Urhebern sagen kann, wird gebeten, die Polizei unter der Nummer 05222/98 18 31 20 anzurufen. ? Christina Kampmann: Die Verantwortung als Ministerin ist eine andere. Ich bin in die Politik gegangen, um etwas zu bewegen und die Gesellschaft ein Stück gerechter zu machen. Und da hat man als Ministerin ganz andere Möglichkeiten. Dafür bin ich jeden Tag dankbar. ? Aber die Beamten und Mitarbeiter im Ministerium wollen doch sicher, dass sich mit dem Wechsel an der Spitze nichts ändert, oder? 1700 bei Demo in Minden Kampmann: Genau das Gegenteil ist der Fall. Viele begreifen meinen Anfang auch als Neubeginn im Ministerium und kommen mit ihren Ideen zu mir. Das läuft sehr dynamisch. Minden (WB). Friedlich und ohne Störungen ist nach Angaben der Polizei am Samstag in Minden eine Demonstration von etwa 1700 Menschen verlaufen. Sie zogen unter dem Motto »Minden bleibt bunt« über die Weserbrücke durch die Fußgängerzone zum Marktplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Die Demo war als Gegenpol zu den Demonstrationen von Russlanddeutschen in den vergangenen Wochen gedacht. ? Neben dem Schul- und Arbeitsministerium spielt Ihr Ministerium die Schlüsselrolle bei der Integration der Flüchtlinge. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um? ? Spielen die Flüchtlingseltern da mit? Kampmann: Viele Eltern kennen aus ihren Heimatländern keine staatlichen Betreuungsstrukturen für Kleinkinder. Bei unseren Brückenprojekten werden jene Flüchtlingskinder betreut, die noch nicht in eine Kita gehen. Da werden die Eltern miteinbezogen, sodass die gesamte Familie angesprochen wird. ? 13 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben in NRW. Ist das eine Problemgruppe? Kampmann: Unser Arbeitsschwerpunkt muss sein, diese jungen Leute bei uns zu integrieren. Noch im November und Dezember sind pro Woche bis zu 500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu uns gekommen. Das stellt eine große Herausforderung für die Jugendämter dar. Seit 1. November werden die Flüchtlinge auf sämtliche 186 Jugendämter im Land verteilt, während sie zuvor schwerpunktmäßig auf sieben Städte Nordrhein-Westfalens konzentriert waren. Wir wollen denen, die hier bleiben können, eine gute Perspektive geben. Und ich denke, dass es sich lohnt, weil gerade diese Gruppe besonders motiviert ist. ? Wie steht es um das geplante neue Kita-Gesetz? Kampmann: Wir überlegen uns das nicht alleine im Ministerium. Alle Akteure, die damit zu tun haben, sollen eingebunden werden. Düsseldorf (WB). Die Polizei in NRW hat so viel Überstunden angehäuft, dass es Wochen dauern würde, die abzufeiern. »Nähmen die 40 000 Polizisten in NordrheinWestfalen zeitgleich ihre vier Millionen Überstunden, wäre im ganzen Land fast zweieinhalb Wochen lang kein einziger Polizist im Einsatz«, sagte am Wochenende SvenErik Wecker, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG). Nachts Kirche beschmiert Vermissen Sie den Bundestag? Haben Sie sich als Abgeordnete freier gefühlt? Kampmann: Die Größe der Aufgabe ist mir jeden Tag bewusst. Denn es ist ganz entscheidend für eine erfolgreiche Integration, die Flüchtlingskinder möglichst zügig in die Kitas zu bekommen. Diese Integration von Anfang an ist unser Ziel. »Wochenlang keine Polizei« Die Jüngste in der NRW-Landesregierung: Familienministerin Christina Kampmann (35/SPD) plant ein neues Kita-Gesetz. Fotos: dpa, Oliver Schwabe Wir wollen in diesem Jahr die Eckpunkte vorlegen. ? Steigt die finanzielle Beteiligung für das Land? Kampmann: Ja, davon gehen wir aus. Das Land hat seinen Finanzierungsanteil bereits 2012 und 2014 zwei Mal erhöht. Aktuell stehen uns nach dem gerichtlichen Aus für das Betreuungsgeld in NRW 431 Millionen Euro mehr für die frühkindliche Bildung zur Verfügung. Das setzen wir zum Kindergartenjahr 2016/2017 um. Davon sind 100 Millionen Euro als Investitionsmittel vorgesehen, weil wir mehr Kita-Plätze brauchen – wegen der leicht gestiegenen Geburtenrate und wegen der Flüchtlingskinder. Das Land beteiligt sich außerdem noch mit der Erhöhung des jährlichen Dynamisierungsfaktors der Kita-Betriebskosten von 1,5 auf 3 Prozent. von aus, dass die Flüchtlingskinder, die schon hier sind und noch kommen, bleiben werden? rum hat die Kunstszene so distanziert auf Ihre Berufung reagiert? Broschüren in arabischer Sprache, um Flüchtlinge zu unterstützen? Kampmann: Ich gehe davon aus, dass die Flüchtlingskinder, deren Asylantrag anerkannt wird, erst einmal bei uns bleiben werden. Es ist nur schwer abzusehen, wann sich die Situation in Syrien ändert und wann sich die Bedrohung durch den »Islamischen Staat« reduziert. Daher setzen wir auf Integration, die so früh wie möglich beginnt. Kampmann: Darüber habe ich mich anfangs auch gewundert, mittlerweile hat sich das aber beruhigt. Ich habe zwar nicht im Kulturbereich gearbeitet, aber zur vielfältigen Kulturszene in meiner Heimatstadt Bielefeld hatte und habe ich durchaus engen Kontakt. Ich empfinde es als Privileg, als Ministerin für Kultur zuständig zu sein, und bringe eine Offenheit für alle Kulturthemen mit. Kampmann: Ich halte diese Broschüren schon für sinnvoll, denn es kommen ja nicht nur Analphabeten. Die Landeszentrale entwickelt auch andere Materialien und Veranstaltungsreihen für schulpflichtige Flüchtlinge, um diesen die Grund- und Menschenrechte zu vermitteln. Darüber hinaus arbeiten viele der von der Landeszentrale geförderten Einrichtungen unmittelbar mit Flüchtlingen zusammen. ? »Kein Kind zurücklassen«. Wird es immer schwieriger, den Slogan von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft umzusetzen, wenn immer mehr Kinder Die Opposition im Landtag wartet auf Ihren ersten großen Wurf, der wahrscheinlich das neue Kita-Gesetz sein wird. Liegt die große Lösung oft im Kleinen? ? Sie haben den Zuzug der Flüchtlingskinder als »wahren Segen im demografischen Wandel« bezeichnet. Gehen Sie da- kommen, die vielleicht schnell Deutsch lernen, aber deren Eltern kein Deutsch sprechen? dem Inhalt »Irgendwas mit Flüchtlingen« automatisch bewilligt? Kampmann: Ich finde, dass wir da in NRW in einer ganz guten Situation sind. Denn für uns sind Migration und Integration nicht neu, das gibt es schon ganz lange. Aufgrund unserer Erfahrung damit ist es weniger schwer, mit dieser neuen Dimension an Zuwanderung umzugehen. Wir haben schon die Strukturen, die wir jetzt weiter öffnen müssen. Kampmann: Automatisch ganz sicher nicht, aber wir haben schon eine spezielle Förderung über den Landesmusikrat zum Beispiel an Organisationen, die etwas für Flüchtlinge im musikalischen Bereich machen wollen. Das gilt auch für Sportvereine. ? Auch Flüchtlingskinder haben einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. Wäre eine KitaPflicht für sinnvoller, damit sie die Sprache lernen? Kampmann: Den Kita-Besuch für Flüchtlingskinder verpflichtend zu machen, fände ich ziemlich problematisch, das wird es von uns nicht geben. Ich denke, dass wir möglichst viele Anreize schaffen sollten, damit Flüchtlingskinder in die Kitas gehen. Deshalb müssen wir die Eltern davon überzeugen, dass frühkindliche Bildung etwas Gutes ist. In der schnellen Integration der Flüchtlingskinder sieht die Bielefelderin Christina Kampmann die größte Herausforderung ihrer Arbeit. Auch in der Kunst dreht sich derzeit alles um das Megathema Flüchtlinge. Wird in Ihrem Ministerium jeder Förderantrag mit »Ich gehe davon aus, dass die Flüchtlingskinder, deren Asylantrag anerkannt wird, erst einmal bei uns bleiben werden. Denn es ist nur schwer abzusehen, wann sich die Situation in Syrien ändern und wann sich die Bedrohung durch den ›Islamischen Staat‹ reduzieren wird.« ? Kampmann: Das ist ganz oft so. Ich denke, dass man das Kita-Gesetz als großen Wurf bezeichnen kann. Die Kibiz-Regeln sind schon so häufig reformiert worden. Deswegen ist es Zeit für ein neues Kita-Gesetz. Dass ich mich auch für die kleinen Probleme im KitaAlltag interessiere, heißt ja nicht, dass ich keine großen Reformen anstoßen kann. ? ? Zu Ihrem Ministerium gehört auch das Kulturressort. Wa- ? Sportvereine verlieren Mitglieder, wenn Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften werden. Wie sehen Sie das Problem? Kampmann: In der Regel sind Sporthallen in kommunaler Hand, aber das ist für mich als Sportministerin ein großes Thema. Ich betone, dass diese Nutzung nur temporär erfolgen kann. Die Belegung von Sporthallen mit Flüchtlingen kann keine längerfristige Maßnahme sein, weil der Vereinssport eingeschränkt wird. Aber viele Kommunen hatten vor allem im vorigen Jahr keine andere Möglichkeit, weil sie schnell reagieren mussten. ? In Ihrem Ministerium sind Sie auch für die Landeszentrale für politische Bildung verantwortlich. Muss da mehr kommen als ? Sie scheinen sich als Ministerin in einer rot-grünen Landesregierung wohler zu fühlen als in der Großen Koalition als SPDAbgeordnete im Bundestag. Ist der Eindruck richtig? Kampmann: Ja, der Eindruck ist richtig. Ich finde, dass die rot-grüne Landesregierung gut funktioniert. Wir haben als SPD immer gesagt, dass die Grünen unser Wunschpartner sind. ? Was sich in Ihrem Ministerium bündelt, hieß unter SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder noch »Gedöns«. Heute ist Familienpolitik kein weiches Thema mehr. Woran liegt das? Kampmann: Beim NRW-Familienbericht haben wir Familien auch nach ihren Problemen gefragt. Und Zeitmangel ist für viele das größte Problem. Das zeigt, dass familienfreundliche Arbeitszeiten in Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Standortfaktor geworden sind. Hier müssen wir noch bessere Lösungen für Familien mit Kindern finden. ? Führt das Ministeramt auch dazu, dass die Partei bestimmte Erwartungen an Sie hat, zum Beispiel SPD-Bezirksvorsitzende OWL zu werden? Kampmann: Ich bin immer noch SPD-Ortsvorsitzende in BielefeldUmmeln, und das bin ich gerne. Dort bekomme ich alles mit, da wird alles offen angesprochen und kritisiert. Diese Bindung an die Basis ist mir sehr wichtig. ? Hat die Familienministerin mit 35 Jahren schon eigene Familienpläne? Kampmann: Das werden wir sehen. Ich habe jetzt erst einmal meine neue Aufgabe, die sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Und ich habe schon eine tolle Familie. Kein massenhafter Fahrraddiebstahl Paderborn (WB). Die Polizei hat das Gerücht, sie habe im vergangenen Jahr 200 gestohlene Fahrräder aus einem Paderborner Flüchtlingsheim geholt, zurückgewiesen. Sprecher Michael Biermann: »Wir finden ab und zu ein gestohlenes Rad an Flüchtlingsheimen, aber nicht in diesem Ausmaß.« Oft stünden auch Mengen von Fahrrädern an Flüchtlingsheimen, weil Einheimische sich dort ihrer alten Räder entledigten. AfD-Kundgebung in Paderborn Paderborn (WB). Am 18. März soll eine weitere Kundgebung der Alternative für Deutschland (AfD) in Paderborn stattfinden. AfDKreisvorsitzender Günter Koch hat dazu unter dem Motto »Neuwahlen jetzt – Rote Karte für Merkel« aufgerufen. Veranstaltungsort und Zeitpunkt werde er noch bekannt geben. Bereits am 15. Januar und 12. Februar hatte die AfD Kundgebungen in Paderborn veranstaltet. Schaf von Wolf gerissen? Düsseldorf (WB). Nach dem gewaltsamen Tod eines Schafs im Oberbergischen Land hat der NABU NRW zu Besonnenheit aufgerufen. Nicht jeder Schafsriss sei einem Wolf zuzuschreiben, die Untersuchung müsse abgewartet werden. In Nordrhein-Westfalen gab es bisher drei bestätigte Wolfsnachweise, zuletzt im Januar 2015 im Kreis Siegen-Wittgenstein. Ein Rudel gibt es in NRW bisher nicht. Kein nachgeholter Rosenmontagszug Essen (dpa). In Essen wird der wegen Sturms ausgefallene Rosenmontagszug nun doch nicht nachgeholt. Die 33 Karnevalsgesellschaften hätten die beiden vom Festkomitee Essener Karneval vorgeschlagenen Termine im Mai mit großer Mehrheit abgelehnt, sagte der FEK-Vorsitzende Volker Sassen. Der Rosenmontagszug gehöre für viele ausschließlich zur Karnevalszeit, und die sei nun mal Aschermittwoch vorbei.
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