Vielleicht muss man sich auch von dem Begriff Mediaagentur

Werben & Verkaufen /// www.wuv.de
Nr. 9 /// 29. Februar 2016 /// 8,30 €
Mehr Licht !
Omnicom-Chef
Florian Adamski
bringt Offenheit in
die Media-Debatte
Mit
offenem
Visier
Foto: W&V/Thomas Dashuber
Leicht war das sicher nicht: nach der hitzigen Media-Debatte
der vergangenen Monate sich zu trauen, mit einem W&VInterview an die Öffentlichkeit zu gehen. Nach all den Vorwürfen zu mangelnder Transparenz, zu merkwürdigen Geschäftspraktiken, zu schwer durchschaubaren Trading-Deals.
Doch Florian Adamski beweist Mut. Als Chef von OmnicomMedia, der zweitgrößten Mediaagenturgruppe Deutschlands,
ist er der erste hochkarätige Mediamanager, der den Mumm
hat, Klartext zu reden. Der zu allen Punkten Stellung bezieht.
Ohne sich zu verstecken. Ohne all den schwierigen Themen
auszuweichen. Und das ist gut so. Es ist höchste Zeit, dass die
Media-Debatte auch aus Sicht der großen Agenturen geführt
wird. Denn Adamskis Antworten relativieren manch einen
Vorwurf. Aber entkräften sie diese auch? Sind Skonti tatsächlich eine Erlösquelle? „Aber da läuft nichts hintenrum“, sagt er
und begründet es ausgiebig. Und das Geschäft mit Trading?
Es liege im einstelligen Prozentbereich. Nun ja. Auch über
Rückvergütungen, Programmatic Buying und Ad-Fraud spricht
er mit offenem Visier. Was aber hält er vom Newcomer Blackwood Seven, der fett Transparenz auf seine Fahnen schreibt?
Adamski hegt große Sympathien für Marktteilnehmer, die
Organisationen zwingen, sich selbst zu hinterfragen (S. 16).
3
Dinge
… die Sie in diesem
Heft überraschen werden
Die Digitalagentur Syzygy
ist nach einer seltenen
Konstellation
von Himmelskörpern
benannt. Das wusste der
neue Agenturchef Lars
Lehne noch nicht
Seite 48
Er war 1986 live dabei,
nach dem WM-Spiel,
als Maradona sein irreguläres Tor mit der
„Hand Gottes“ verteidigte:
Guy Hayward, Global-CEO
Kirshenbaum
Seite 33
Die wahre Leidenschaft
von Zeitungsvermarkter
Heiko Genzlinger ist
Tourenwagenrennen
selber fahren
Seite 47
Jochen Kalka, Chefredakteur
[email protected]
W&V 9-2016 | 3
M E D IA- D E BAT T E
„Bei uns läuft nichts
hintenrum“
16 | W&V 9-2016
Der neue Omnicom-Media-Chef Florian Adamski erklärt im
W&V-Gespräch, warum sich die Branche radikal verändern
muss. Und was ihn an der Transparenzdebatte nervt
I NTERVI EW: T homa s Nöt t i ng, Joc he n Ka l ka
F OTO S : Fr i t z B e c k fü r W&V
F lorian Adamski ist anders als andere
Mediaagentur-Geschäftsführer. Sein
unkonventioneller Stil ist ihm von
Weitem anzusehen. Zum Interviewtermin bei W&V erscheint er in kariertem
Hemd und modischem blauem Stricksakko.
Auch im Geschäft gibt er sich selbstbewusst und progressiv. Der Mann, der mit
gerade einmal 38 Jahren an der Spitze von
Deutschlands zweitgrößter Mediaagenturgruppe steht, kündigt „radikale Veränderungen“ an. Im eigenen Haus, wo er soeben das
„umfassendste Reorganisationsprojekt der
Unternehmensgeschichte“ angestoßen hat.
Und auch grundsätzlich: Mediaagenturen
müssen sich mehr zu Dienstleistern und Beratern entwickeln, lautet sein Credo. Und auch
zur Transparenzdebatte äußert sich der neue
Omnicom-Media-Chef so klar wie bislang
kein Agenturboss vor ihm.
Herr Adamski, mit Verlaub: Sie sind der
Mediaagentur-Geschäftsführer, der sich
am coolsten kleidet. Was wollen Sie damit
sagen? Sind Sie eine neue Generation?
Meine Frau ist Modeberaterin und achtet
schon darauf, wie ich aus dem Haus gehe.
Aber das ist kein betont lässiger Auftritt. Ich
gehöre vom Jahrgang sicher einer neuen
Generation an – auch was die Einstellungen
angeht. Wir arbeiten ja in einer Branche, die
sich radikal verändert. Und da gibt es übrigens
Manager, die weitaus wichtiger sind als ich
und die noch viel lässiger rumlaufen.
Sie bauen derzeit die Omnicom-MediaGruppe um. Etwa 150 Mitarbeiter wechseln aus der Einkaufsabteilung der Holding zu den Tochteragenturen OMD und
PHD. Bauen Sie einen Wasserkopf ab?
Ganz sicher nicht. Es geht einfach darum,
unsere Ressourcen näher an die Kunden zu
bringen. In den letzten Jahren hat sich unse18 | W&V 9-2016
re Mitarbeiterzahl mehr als verdoppelt. Dieses Wachstum hat vor allem in der für den
Kunden eher anonymen Holding stattgefunden. Die Folge war ein Ungleichgewicht
zu den Kollegen, die bei OMD und PHD an
der Kundenfront arbeiten. Das drehen wir
nun um.
Was heißt das konkret für Ihre Kunden?
Bislang haben Mitarbeiter relativ weit weg von
den Kunden gearbeitet. Jetzt werden sie Teil
der Kundenteams im Arbeitsalltag der Kundenberater. Hinzu kommt: Wir reduzieren
Komplexität. Wir hatten in der Vergangenheit
15 verschiedene Agenturmarken, die mit unseren Kunden kommuniziert haben. Das
haben wir radikal gestrafft. Es gibt nur noch
drei große Kompetenzbereiche innerhalb der
Holding: Analytics, Investment und Content.
Diese sind eng verzahnt mit unseren starken
Agenturmarken OMD und PHD.
Einige der größten
Omnicom-Kunden
Ca.-Bruttowerbeausgaben 2015
in Mio. Euro
Rewe Group
Oetker Gruppe
McDonald’s
Apple
1&1 Internet
Bayer Healthcare
MCM Klosterfrau
Sony
Google
310
251
218
143
130
105
53
42
37
Omnicom Media Group Germany
2015 gesamt:
ca. 2,8 Mrd. €
Auswahl. Quelle: Nielsen und Recma 2015
Sie haben unlängst 1&1 gewonnen. Der
bislang größte Coup Ihrer Amtszeit?
Es ist zumindest unser größter Etatgewinn seit
etwa zehn Jahren. Wir haben vor zwei Jahren
den Etat von Vodafone verloren. Der Gewinn
von 1&1 kompensiert diesen Verlust.
Die Recma bescheinigt Ihren Agenturen
allerdings zuletzt mäßige Neugeschäftswerte. OMD steht bei B, PHD bei B+.
Haben Sie ein Neugeschäftsproblem?
Im Gegenteil. 2015 werden wir aber erstmals
nach langer Zeit wieder deutlich wachsen. Wir
haben mit Bayer, Verivox, SAP und HUK Coburg große Kunden gewonnen. Im aktuellen
Jahr kommen 1&1 oder Bacardi hinzu. Man
muss die von Ihnen genannten Werte schon
zeitlich richtig einordnen. Sie beziehen sich
auf die Zeit bis 2014. Da hatten wir tatsächlich
eine Phase, in der das Neugeschäft nicht so
lief wie in den Jahren davor.
Ist Ihr Umstrukturierungsprogramm
eigentlich auch eine Antwort auf die
Transparenzdebatte?
Nein. Wir machen das, weil wir es für richtig
halten. Wir müssen uns verändern, weil der
Markt komplizierter geworden ist und Kunden immer mehr Fragen an uns haben. Die
einfachen Antworten von einst gibt es heute
nicht mehr. Deshalb entwickeln wir uns immer mehr zu einem Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen. Ich bin davon überzeugt: In wenigen Jahren wird der bisherige
Maßstab Billings nicht mehr der Maßstab für
unseren Erfolg sein.
Was wird es dann sein?
Ganz einfach: unser konkreter, nachweisbarer
Beitrag zum Geschäftserfolg unserer Kunden.
Wir werden ähnlich bewertet werden wie
Beratungsunternehmen, etwa Roland Berger
oder Accenture. Wir investieren und expan-
dieren immer mehr in Bereiche, die mit Billings nichts mehr zu tun haben. Unsere Agentur Trakken etwa. Das ist ein Beratungs- und
Implementierungsunternehmen.
Können Sie denn nachvollziehen, dass
sich Werbekunden mehr Transparenz von
ihren Mediaagenturen wünschen?
Selbstverständlich. Mediaagenturen handeln
schätzungsweise mit 10 Mrd. Euro von den
rund 15 Mrd. Euro, die netto hierzulande in
Werbung investiert werden. Dass Kunden genau wissen wollen, was mit diesem Geld passiert und welche Erlösoptionen sich daraus
für ihre Agentur ergeben, ist absolut nachvollziehbar. Wäre ich auf Kundenseite, würde ich
dieselben Fragen stellen.
Trotzdem kommt das Wort Transparenz
in Ihrem Umgestaltungsprogramm an
keiner Stelle vor. Warum nutzen Sie die
Gelegenheit nicht, um sich auf diesem
Florian
Adamski
Der gebürtige Düsseldorfer ist
ein Eigengewächs des Omnicom-Networks. Der heute
38-Jährige arbeitet seit mehr
als 19 Jahren für die Agenturgruppe, wo er seine Karriere als
Volontär startete. 2008 wurde
er mit gerade einmal 30 Jahren
jüngster Agenturgeschäftsführer des Unternehmens bei der
Düsseldorfer Tochter MediaTeam OMD. Neben seiner
Tätigkeit bei Omnicom gründete er auch eigene Unternehmen,
etwa 2000 ein Startup für
personalisierte Content- und
News-Aggregation.
Nach dem Rückzug von Omnicom-Media-Chef Manfred
Kluge stieg Adamski im April
2015 zum CEO der gesamten
Agenturgruppe auf.
Feld zu positionieren?
Ich will dieser Debatte ja gar nicht ausweichen. Sie ist wichtig und richtig. Ich gehöre
auch nicht zu denjenigen, die meinen, das
Thema sei erledigt. Mich ärgert es aber, wenn
in der Presse darüber pauschalisierend und
undifferenziert berichtet wird. Dabei wird
übersehen, was Agenturen in den letzten
Jahren an Transparenz geschaffen haben. Bei
uns gibt es ein 15-köpfiges Media-Controlling-Team. Diese Kollegen können jedem
Kunden jederzeit alle Fragen beantworten.
Ich kann letztlich nur für unsere Gruppe
sprechen. Dort arbeite ich seit 19 Jahren, und
ich gebe Ihnen mein Ehrenwort: In all diesen
Jahren hat kein Kunde mir gegenüber je bezweifelt, dass wir uns stets vertragskonform,
gesetzeskonform und auch kommerziell
und moralisch richtig verhalten haben. Gerichtstermine zu solchen Themen standen
weder bei meinen Vorgängern noch bei mir
im Kalender.
W&V 9-2016 | 19
20 | W&V 9-2016
Umbau bei Omnicom
Die Omnicom Media Group ist mit jährlich 2,9 Mrd. Euro Billings die zweitgrößte
deutsche Mediaagenturgruppe. Derzeit baut sie um. Ziel: Mehr Mitarbeiter sollen im
direkten Kundengeschäft arbeiten. 150 Planer wechseln von der Holding zu den
Tochteragenturen OMD und PHD. Die Aktivitäten werden in drei Geschäftsbereiche
unterteilt, Agenturmarken wie Annalect treten dafür in den Hintergrund. Digitalchef
Sascha Jansen und Einkaufschef Frank Ziegler steigen in die Geschäftsführung auf.
Dann lassen Sie uns doch etwas Transparenz schaffen. Wie handhaben Sie das
Thema Rückvergütungen?
97 Prozent unserer Rückvergütungen fließen
an Kunden zurück. Genau so, wie unsere Verträge es vorsehen. Die anderen drei Prozent
haben eine Klausel in ihren Verträgen, wo
diese Frage klipp und klar geregelt ist.
Omnicom Media Group Germany
CEO Florian Adamski · CFO Richard Small · COO Peter Kuhlmann · CIO Frank Ziegler · CDO Sascha Jansen
Wie hoch ist bei Ihnen das Verhältnis
zwischen Honoraren und sonstigen
Einnahmen, also Erlösen, die aus Geschäften mit Medien kommen?
Über 60 Prozent unserer Erträge kommen aus
Commissions und Fees. Das sind Honorare
und Dienstleistungsvergütungen unserer Kunden für Forschung, Content, Branded Experiences. Der Rest kommt aus anderen Quellen.
Aus Trading?
Auch aus Trading. Diese Diskussion wird aber
überproportional geführt. Bei uns handelt es
sich um einen einstelligen Prozentsatz der
Werbezeiten, die wir von TV-Sendern kaufen.
Das ist eine Restzeitenvermarktung. Ja, wir
kaufen diese Volumina ohne direkten Auftrag
und hoch rabattiert ein. Wir versuchen, in
Teilen damit eine Marge zu erzielen. Wir nutzen diese auch, um Garantien für bestimmte
Konditionen in einzelnen Mediengattungen
zu erfüllen, wie es inzwischen bei einer Vielzahl von Kunden der Fall ist. Um es klar zu
sagen: Wir investieren in einigen Fällen selbst
signifikant, um einen Kunden überhaupt betreuen zu dürfen. Und jeder einzelne Euro aus
Trade-Volumina wird gegenüber den Kunden
als solcher deklariert. Und wir klären über die
damit verbundenen Limitationen auf, etwa
Schieberecht. Kunden können dann entscheiden, ob sie das wollen oder nicht.
In der Diskussion ist das Thema aktuell ja
wegen des Digitalgeschäfts. AgencyTrading-Desks, über die Mediaagenturen
programmatisch einkaufen, gelten als
Blackboxes. Inwieweit machen Sie
transparent, was Sie über Ihr TradingDesk Accuen einkaufen?
Alle unsere Kunden erhalten einen vollständigen Überblick der eingesetzten Umfelder –
da gibt es keine Blackboxes. Für 80 Prozent
unserer Kunden weisen wir vertragsgemäß
jede einzelne Einkaufsposition aus – bis auf
Analytics &
Development
Investment &
Accountability
Content &
Experience
Kernaufgaben
Data-Management
Customer-Insights
Web-Analytics
Kernaufgaben
Verhandlung (Media/Data/Tech)
Accountability,
Digitale Entwicklungskompetenzen
Kernaufgaben
Branded Entertainment,
Social Communities,
Live Communication
Kernmarken
Annalect,
Trakken
Kernmarken
Resolution,
Accuen,
Areasolutions
Kernmarken
Fuse
OMD
PHD
CEO Oliver Stroh · COO Thomas Hinkel ·
CDO Christian Zimmer
CEO Holger Thalheimer
OMD Düsseldorf
OMD Berlin
GF Akgün
Karakas, Boris
Cieslar, Andreas
Törpel
OMD Hamburg
OMD München
PHD Frankfurt
PHD Düsseldorf
GF Kate
Burgarth, Norbert
Andermann, Frank
Knebel, Henning
Wegemer
GF Petra Strauss,
Julia Tillack
GF Holger
Thalheimer,
Sabine KnöpfelRuth, Katrin
Grünmeier
GF Holger
Thalheimer,
Sabine KnöpfelRuth
Quelle: Omnicom
den letzten Cent. Die übrigen 20 Prozent haben explizit andere KPIs. Diese Kunden interessieren sich nicht für unsere Einkaufspreise, sondern für skalierbare Ergebnisse. Zum
Beispiel die Generierung von Probefahrten zu
einem bestimmten Preis, wohlgemerkt bei
voller Brand-Safety. In solchen Fällen sind wir
damit entweder erfolgreich und machen dabei
vielleicht auch eine Marge. Oder aber es funktioniert nicht. Dann zahlen wir drauf.
Kommt so etwas vor?
„Wir investieren
selbst
signifikant,
um Kunden
überhaupt
betreuen zu
dürfen“
Glauben Sie mir das: Wir haben bereits
Summen in sechsstelliger Höhe abschreiben
müssen.
Manche Werbekunden befürchten,
Programmatic Buying befördere Ad-Fraud
und spüle Marken in Umfelder, in die sie
nicht wollen.
Dabei ist das Gegenteil richtig. Wir haben uns
schon lange dem Thema Qualität im Bereich
Digital verschrieben und treiben diesen Punkt
mit Eigen- und Marktinitiativen konsequent
voran. So können wir technologisch schon
vor dem ersten Gebot Ad-Fraud weitgehend
ausschließen. Wir haben erst kürzlich eine
W&V 9-2016 | 21
Vollerhebung unserer Kampagnen gemacht. Ergebnis: Nur
3,1 Prozent unserer Ad-Impressions waren fraudulent. Der
Gesamtmarkt liegt bei gut 9 Prozent. Das ist dann im Vergleich zwar gut, aber natürlich immer noch nicht zufriedenstellend. In solchen Fällen muss eben nachverhandelt werden.
Und genau das tun wir dann. Es ist schade, dass im Zusammenhang mit Programmatic stets über diese Themen gesprochen wird. Wir sollten eigentlich über die signifikanten
Effizienzsteigerungen reden, die sich für Kunden ergeben.
Wir bieten unseren Kunden an, diesen Vorteil an sie weiterzureichen und bei ihnen ebenfalls das Geld per Lastschrift
einzuziehen. Die meisten Kunden wollen aber nicht, dass wir
auf ihr Konto zugreifen. Das ist ein Problem. Ein anderes ist,
dass einige Kunden ihre Rechnungen signifikant zu spät zahlen – da müssen wir dann in Vorleistung treten. Und wenn
ein Kunde Probleme bekommt, müssen wir dem Geld
hinterherrennen. Wir wurden bereits sehr konkret mit den
Folgen von Insolvenzen konfrontiert.
Die alte Gretchenfrage aber bleibt: Können Agenturen
gleichzeitig Händler und Berater sein?
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Noch mal: Tradinggeschäfte machen bei uns nur einen kleinen, einstelligen Prozentsatz eines riesigen Markts aus. Sie
werden im Rahmen einer sinnvollen Empfehlung im Vorfeld
explizit besprochen und nicht „untergemischt“, wie oftmals
kolportiert. Worin soll da ein Interessenkonflikt bestehen?
Weil es eine objektive Mediaberatung negativ beeinflussen könnte, wenn Agenturen Eigeninteressen als
Händler haben.
Den Vorwurf, das würde massiv zunehmen, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Bei uns sind sie nicht gestiegen –
ganz anders übrigens als die Rückvergütungen, die wir an
Kunden weiterreichen. Bei uns machen diese Geschäfte mit
Medien, etwa über die Betreuung von Etats oder Marktforschung, einen verschwindend geringen
einstelligen Prozentsatz unserer Umsätze
aus. Wir achten peinlichst genau darauf,
wie diese Leistungen vergütet werden. Unsere Stunden- und Tagessätze dafür sind
unter Marktniveau angesiedelt.
Was ist mit Skonti? Auch eine Erlösquelle, bei der Mediaagenturen mit
Kundengeldern wirtschaften.
Es stimmt, Skonti sind für uns eine Erlösquelle. Aber da läuft nichts hintenrum. Uns
ist vollkommen bewusst, dass wir diese
Skonti für Kundengelder erhalten. Deswegen informieren
wir unsere Kunden auch darüber. Aber man muss schon so
fair sein und den Zahlungsverkehr genau anschauen. Wir
erlauben zum Beispiel Vermarktern, Gelder bei uns per Lastschriftverfahren einzuziehen. Dafür gibt es Incentivierungen.
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/ "
Ein verwandtes Thema sind Dienstleistungsvergütungen. Gelder, die von Vermarktern an Mediaagenturen
für Dienstleistungen wie Marktforschung bezahlt
werden. Gibt es das bei Ihnen?
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Wir bieten unseren Kunden Optionen, die diese wahrnehmen können – oder eben nicht. Wir beraten objektiv, und
unsere Kunden sind mündig. Und dann bleiben wir manchmal auch in Teilen auf diesen Volumina sitzen und müssen
sie abschreiben, weil sie eben nicht in Anspruch genommen
werden. Glauben Sie mir: Diese Konflikte haben wir in unserer Gruppe nicht.
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Trotzdem: Ist es nicht ein Fehler im System, wenn
Mediaagenturen zu großen Teilen nicht von ihren Kunden, sondern von den Medien bezahlt werden?
Das ist ein sehr pauschaler Vorwurf, den man schlecht pauschal zurückweisen kann. Man muss sich die Mühe machen,
die einzelnen Details zu beleuchten. Ich glaube, das habe ich
gerade getan. Entscheidend ist, stets transparent zu verfahren.
Wir legen Vereinbarungen und Optionen gegenüber unseren
Kunden offen. Und die können dann Entscheidungen treffen.
Zahlen Kunden denn ausreichend Honorare?
Ich werde nicht behaupten, dass uns unsere Kunden pauschal
schlecht bezahlen. Die meisten zahlen wesentlich angemessenere Honorare, als im Markt kolportiert wird. Natürlich
verhandeln sie knallhart mit uns. Aber sie sind auch Argumenten zugänglich. Und wie ich schon sagte: Die Entwicklung geht dahin, dass Mediaagenturen mehr Geld mit Beratungsleistungen als mit Einkauf verdienen werden. Kunden
wollen nicht mehr allein Millionen von Kontakten einkaufen,
tiv wenige Direktkunden. Meine These
zu diesem Thema ist: Vermarkter haben
ein offensichtliches Interesse, diese Kunden nicht schlechter dastehen zu lassen.
Aber sollte sich ihre Zahl signifikant erhöhen, wird sich das durchschnittliche
Rabattniveau nicht gerade nach oben
bewegen. Aber ich will das Thema nicht
kleinreden. Wenn es sich durchsetzt, wird sich unsere
Rolle eben noch schneller und radikaler ändern.
Wie genau wird diese Rolle dann aussehen?
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Ich habe kürzlich erst mit einem großen Kunden gesprochen.
Er will erstmals eine Kampagne programmatisch selbst einkaufen. Jetzt stellt er fest, dass er die Ressourcen dafür nicht
hat. Ich habe da gar keine Schadenfreude und habe ihm
angeboten: Wir schicken einige Mitarbeiter für Tagessätze
zu ihm in die Firma, und die richten das ein.
Sie geben dabei Know-how an Ihre Kunden weiter.
Genau. Das sagen mir einige meiner Kollegen in dem Zusammenhang auch. Und natürlich gibt es da bisweilen auch
Verunsicherung. Aber meine Antwort lautet: Wir tun das,
weil es unser Geschäftsmodell sein wird.
Das hat mit dem ursprünglichen Modell einer Mediaagentur nicht mehr viel zu tun.
Vielleicht muss man sich auch von dem Begriff Mediaagentur verabschieden. Ich sehe grundsätzlich drei mögliche Entwicklungen für Mediaagenturen. Es wird diejenigen geben,
die die aktuellen Entwicklungen verschlafen. Die werden
irgendwann mit ihren Networkschwestern zu größeren
Einheiten zusammengelegt. Dann wird es Spezialdienstleister geben, etwa für bestimmte Branchen oder bestimmte
Technologieangebote. Und dann wird es diejenigen geben,
die frühzeitig schon ein umfassendes Set an Dienstleistungen angeboten haben, um dem Full-Service-Gedanken
gerecht zu werden. Mein Ziel ist es, dass wir zu dieser Gruppe gehören.
Mit Blackwood Seven hat gerade erst ein Newcomer
einen großen Teiletat von VW gewonnen, der ebenfalls
stark auf das Thema Transparenz setzt – aber auf eine
technologische Lösung. Was halten Sie davon?
sondern sie wollen nachweisbare und skalierbare Geschäftserfolge von uns. Und dafür sind sie auch bereit zu zahlen.
Warum gibt es dann den Trend, dass Werbungtreibende
ihren Mediaeinkauf in die eigenen Hände nehmen, vor
allem im Digitalgeschäft?
Wir arbeiten auch mit Direktkunden. Unser neuer Kunde
1&1 gehört dazu. Wenn Kunden diesen Weg gehen wollen, unterstützen wir sie dabei. Bis jetzt gibt es ja noch rela-
Ich begrüße diese mutige Entscheidung von VW aus zwei
Gründen: Erstens unterstreicht sie unseren eigenen Weg, uns
für ein stark daten- und KPI-getriebenes Geschäftsmodell
zu engagieren. Die hiermit verbundenen Investitionen in
Technologie und Kompetenz sind schließlich enorm. Zweitens hege ich grundsätzlich große Sympathien für neue
Marktteilnehmer, da sie Organisationen zwingen, sich selbst
zu hinterfragen. Auch wenn es vielleicht die populistischere
Schlagzeile wäre, aber die Omnicom Media Group ist diesbezüglich weder neidisch noch arrogant, sondern vielmehr
aufmerksam und agil.
ag e n t u re n@ w u v.d e
W&V 9-2016 | 23