5 : Fruhling 1 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Inhaltsverzeichnis Begrüßung durch Edith, Erika und Eva + Unsere Redaktionsarbeit….....................4-5 Zuschriften und Glückwünsche…………………….………………………….…………………….….. 6-7 Spendenaufruf, Download und Druckservice……..………..…………………………..……………8 Frauenherrschaft? Das ist Unfug! – Ein Interview mit Heide Göttner-Abendroth……………….……………………………………9-13 Interview in der Frankfurter Rundschau – Auf einen Kaffee mit Uschi Madeisky……………..….……….……..…...……………………. 14-20 Mathilde - Was bringt Sie zum Lachen?..............................................................................21 Aufruf Frauenportraits…………………………………………………………………………………………. 21 10 Jahre MatriaVal-Verein – große Feier in Bad Oldeslohe…………………………..22-23 Ritual des Rates der Großmütter - „Wir hüten die Weisheit!“…………………..………. 24 Mythologie-Wochenende - „Drachin, Schlange, Frauenkraft“………………………..…..25 „Der rote Faden“ – Familienaufstellung in der Matri-Linie……….……….…………. 26-27 Das Mädesüß……….……….………………………….....................................................................28-30 „Isch, die Löwenzahnwurzel bin eine hervorragende Verbündete“…………..…..31-32 Mit dem Farn fliegen – Pflanzen-Begegnungen…………………..………………………. 33-37 Brutblätter - Eine parthenogenetische Mutterpflanze..…………...…..………………..38-40 Gemüse aus dem Sack – Ein Garten auf kleinstem Raum………………….…………41-42 Buchvorstellung: Hexenwerk………………..……………………………………………………………… 42 Wilde Delikatessen – Vom Arme-Leute-Essen zum Gaumenschmaus………….43-46 Sommerlinde – Tilia Platyphyllos……….……….………………………………………………………. 47 Baum-Smoothie mit Lindenblättern………………….……..…………………………………………. 48 Der Grüne Mann – Das unbezähmbare Leben.………………………….…………………. 48-49 Der Grüne Mann – Gedicht………………………….………………..……………………………………. 50 Ruthenisches Salzkraut - Rollende Büsche…………………………………………………………. 51 Wie ich das Wesen des Schlehdorns kennen lernte…………………………………….. 52-53 2 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Inhaltsverzeichnis Eine Bitte um Berichtigung zur letzten Ausgabe………………….………………………… 54-55 „Der Anbeter“ oder „Das Angebetete“……………………………….….…….………………………..56 Post aus Cornwall – KaraMa schreibt…………………………………….………..…………..……….. 57 Matri-Zirkel in München Genähtes Labyrinth im Stuttgarter Matri-Zirkel…………………………………………………… 58 Das Matria-Zentrum Ostfriesland entsteht!...........................................................................59 Kunst im Ahninnenwald…………………….........………………………………………………………. 60-61 Tanz Kultur Natur – FrauenReise nach Rumänien…………………………………………………62 Humor ist, wenn frau trotzdem lacht……………………………………………………………………..62 Sie kam, sie sah, sie klebte – Portrait einer Straßenkünstlerin……..………………….63-65 Bierdeckel-Kampagne – Mach mit!………………….….…..……………………………………………. 66 Herrenlose Damenunterwäsche gesichtet………………………………………………………. 67-68 Nacktprotest im Kölner Dom……………………………………………………….………………….. 69-70 Kreative Pause!..................................................................................................................................70 Humor weiblich……………….……………………………..………………………………………………….71-72 Vogelgöttin + Leberblümchen - Himmelskonfetti……………………………….………………. 73 Verleihung einer MatriAna……………………………………………………….……………………………..74 Geburtstagswünsche für KaraMA und Maria Mies………………………….……………….75-79 Wichtiges Buch: Die Stärken der Mütter………….........…………..…………………………………79 Ein weiterer Protestbrief………………………………………………….…………………………..………….80 Buchbesprechung: AVE DEA – 13 Göttinnen der griechisch-römischen Myhologie neu begegnen.….……..………… 81 Rekonstruierte Wandmalereien der Jungsteinzeit aus dem Bodensee……………..… 82 Themen beim nächsten Mal + Impressum……..……………………….…………………………… 83 Ich habe mich verloren und gehe mich jetzt suchen... Sollte ich zurück sein, bevor ich wieder da bin, sagt mir bitte Bescheid, dass ich hier auf mich warten soll... 3 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Begrussung durch Edith, Erika und Eva Liebe Frauen! Es geht eine helle Flöte, der Frühling ist über dem Land… …und mit ihm sprießen die Beiträge über Kräuter und Pflanzen, über den Grünen Mann und großartige Frauen, über matriarchale Projekte und Werke. Doch nicht nur schöne WortBeiträge wachsen den MutterlandBriefen zu: auch GönnerinnenBeiträge, wie die lieben Schweizerinnen ihre Spenden nennen. Dies alles bringt unsere matriarchale Zeitung zum Erblühen. Wie lebt es sich matriarchal? Das ist für immer mehr Menschen eine Hoffnung weckende, ja fast frühlingshafte Frage, denn dort, wo Mutter Natur Vorbild und Grundlage für eine Ethik des Lebens ist, gedeiht alles wunderbar. Auch in dieser Ausgabe finden sich viele große und kleine Antworten, die wie Saatkörner aufgehen können, um sich bald in bunter Vielfalt zu entfalten. Flöte aus MammutElfenbein, Fundort Geißenklösterle, Schwäbische Alb Birken horchen auf die Weise, Birken und die tanzen leise. Es geht eine helle Flöte, der Frühling ist über dem Land. Edith, Erika und Eva 4 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Unsere Redaktionsarbeit Wir ändern morgen, ändern heut', wir ändern wütend und erfreut. Wir ändern ohne zu verzagen, an allen sieben Wochentagen. Wir ändern bei Tag und auch bei Nacht, weil Ändern einfach Freude macht. Wir ändern teils aus purer Lust, mit Vorsatz teils, teils unbewusst. Wir ändern gut und auch bedingt, weil Ändern immer Arbeit bringt. Wir ändern resigniert und still, wie jeder es so haben will. : : Die Alten ändern und die Jungen, wir ändern selbst die Änderungen. Wir ändern, nehmen‘s sehr genau, und stehen dabei uns‘re Frau. Und ist der Plan auch gut gelungen, bestimmt vertragt er Anderungen. Und ist der Plan auch gut gelungen, bestimmt verträgt er Änderungen. Wir ändern deshalb früh und spät alles, was zu ändern geht. Wir ändern heut' und jederzeit, zum Denken kaum Gelegenheit. 5 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : : Zuschriften und Gluckwunsche Ein fräundlicher Gruß von Meret-Eva Windele, der Autorin des Buches „Jahreszeiten, Magie, Heilung“: : Danke fur die Zeit die Muhe und den Humor : 6 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF 7 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Spendenaufruf Vielen Dank für die kleinen und großen Spenden, die laufend bei uns für die Mutterlandbriefe eingehen! Gespendet werden sowohl Jahresbeiträge, als auch Einzelbeträge pro Heft. Jede noch so „kleine“ Spende bringt uns weiter. Mehrere Frauen spenden uns z.B. jeden Monat 5 Euro. Das klingt nach wenig, führt aber übers Jahr zu einer Spende von 60 Euro. Alle Frauen, die noch nicht gespendet haben, sind weiterhin aufgerufen, uns nach den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, etwas zukommen zu lassen (Kontonummer s. Druckservice). Auch Sachspenden sind willkommen! Eure Überweisung auf das Konto MatriaVal e.V. sollte als Betreff haben: Spende Mutterlandbriefe. Kontonummer: 200 367 170 BLZ: 500 502 01 Frankfurter Sparkasse IBAN: DE19500502010200367170 SWIFT-BIC: HELADEF1822 Download Die Zeitung kann hier www.mutterlandbriefe.de heruntergeladen werden. Druckservice Auf Grund der Nachfragen bieten wir einen exklusiven Service für Frauen an, die, aus welchen Gründen auch immer, eine Ausgabe der Mutterlandbriefe auf Papier erhalten wollen. Wir bitten in diesem Fall um Überweisung des Selbstkostenpreises von 10 Euro. Das Porto ist darin enthalten. Bitte schickt uns nach der Überweisung eine E-Mail mit der Bitte um den Ausdruck, da es für uns aus dem Überweisungstext oft nicht ersichtlich ist, ob es sich um eine Spende oder um eine Überweisung für den Ausdruck handelt!!! 8 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Frauenherrschaft? Das ist Unfug! Wie lebt es sich im Matriarchat Sind Matriarchate tatsächlich das Paradies für Frauen? Wie ergeht es den Männern dort? n-tv.de spricht mit Dr. Heide Göttner-Abendroth, der Begründerin der modernen Matriarchatsforschung. Seit mehr als 30 Jahren ist sie auf diesem Gebiet aktiv. Sie kennt zahlreiche Menschen aus matriarchalen Gesellschaften und hat selbst bei den Mosuo in Südwestchina geforscht, die inmitten des chinesischen Staatsgebildes auch heute noch nach klassischen matriarchalen Mustern leben. Im Gespräch zeigt sich: Klischee und Wirklichkeit haben wenig miteinander zu tun. Und wir können viel aus dem matriarchalen Leben lernen. : Wir konnen viel aus dem matriarchalen Leben lernen. Ashaninka: Peru/ Brasilien Frau Göttner-Abendroth, die Matriarchatsforschung geht davon aus, dass das Matriarchat in der menschlichen Frühzeit allgemein verbreitet war. Wie ist die Situation heutzutage? Wie viele Matriarchate gibt es noch? Von den Gesellschaften, die ich als voll matriarchal bezeichnen würde, gibt es heute höchstens noch 20. Mit ausgeprägt matriarchalen Spuren und Mustern gibt es sehr viel mehr. Wie gelingt es diesen Kulturen, mit matriarchalen Mustern weiter zu existieren, wenn die Welt drum herum so anders tickt? Die heute noch lebenden matriarchalen Gesellschaften in Asien, Amerika und Afrika haben eine jahrhundertelange Geschichte des Widerstands hinter sich. Viele leben in Rückzugsgebieten wie Gebirgen oder Wüsten, die bis vor Kurzem einfach nicht gut erreichbar waren. Heute sind sie viel mehr von Straßen- und Industriebau betroffen, aber der Widerstand hält an. Viele von diesen Völkern haben sich in Aufständen gegen die fremden Kulturen aufgelehnt. 9 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Sind die klassischen Matriarchate wirklich – so wie wir gern glauben wollen – das Paradies für Frauen? Wissen Sie, ich rede nie von Paradies. Die Muster sind einfach anders. Matriarchate stärken die Stellung der Frau. Wenn die stark ist, heißt das aber nicht, dass die Stellung des Mannes schwach sein muss. Ich bezeichne Matriarchate als Gesellschaften in Balance. Ihre Muster zeigen deutlich, dass sie von einer Egalität der Geschlechter ausgehen, dass also beide Geschlechter gleichwertig sind. Jedes Geschlecht hat seine eigene Aktionssphäre und seinen eigenen ökonomischen, rituellen und sozialen Bereich. Das übertreten sie auch nicht, weil sie der Auffassung sind, dass sich die Geschlechter gegenseitig respektieren müssen, und der gleiche Respekt gebührt ihren jeweiligen Handlungssphären. Die Minangkabau auf Sumatra, ein 6-Millionen-Volk, sind die größte nach matriarchalen Mustern lebende Gesellschaft auf der Welt. Die Kinder lernen die Kultur, indem sie von Anfang an teilnehmen. Die Geschlechter respektieren sich gegenseitig. Wie sieht denn die Aufgabenverteilung aus? Was ist Frauensache und was sind rein männliche Angelegenheiten? Das ist von Gesellschaft zu Gesellschaft anders. Bei den Mosuo in Südwestchina zum Beispiel, wo ich geforscht habe, sind die Männer für Fischerei und Handel zuständig. Die Frauen machen dort den Garten und Ackerbau. Das wird auch nicht vermischt. In Juchitán, das ist eine matriarchale Stadt in Mexiko, ist es genau umgekehrt. Die Männer können damit gut leben? Da gibt es keine Machtkämpfe? Die brauchen keine Machtkämpfe, eben weil matriarchale Gesellschaften genau auf die Balance und die Egalität der Geschlechter achten. Matriarchate werden ja meist mit Frauenherrschaft verwechselt. Das ist aber völliger Unfug. Diese Stereotype "Dann geht es den Männern schlecht", "Dann müssen die revoltieren" und ähnliches Zeug, sind nichts als Vorurteile aus unseren westlichen Köpfen. Die Männer dort müssen nicht in die Frauensphäre eindringen und die Frauen nicht in die Männersphäre. Das würde man als nicht in Ordnung betrachten, weil jedes Geschlecht seinen eigenen Machtbereich hat. Matriarchale Männer – das ist sehr interessant – verteidigen ihre Kulturen intensiv gegenüber patriarchalen Übergriffen von außen. Sie leben gern in ihrer Gesellschaft. 10 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Ist die Gleichrangigkeit beider Geschlechter das, was das Leben im Matriarchat besonders prägt? Das prägende Merkmal ist die Ausgewogenheit in allem: bei Männern und Frauen, zwischen Jüngeren und Älteren, und vor allem auch, was ganz wichtig ist, zwischen Mensch und Natur. Die Mutter sind zentral. : Inwiefern spielt die Frau im Matriarchat dennoch die zentrale Rolle? Matriarchale Gesellschaften sind in der Mutterlinie organisiert. Die Menschen leben in großen Clans zusammen, Arawak: meist in einem Clan-Haus, Guyama/ und die Clans bestehen aus Suriname den Verwandten in der Mutterlinie. Deswegen sind die Mütter zentral. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie dort herrschen. Sie haben einfach die größte Achtung, weil alle, die in dem Clan-Haus wohnen, ihre Töchter und Söhne und Enkelinnen und Enkel sind. Auch ökonomisch gibt es da einen interessanten Aspekt: Beide Geschlechter tragen zur Ökonomie bei. Aber die Güter werden in die Hände der Clan-Mütter gegeben, und die haben nicht das Recht, sie zu besitzen, sondern sie haben das Verteilungsrecht. Die Clan-Mütter sind dafür verantwortlich, dass die Güter gleichmäßig verteilt werden, und das bedeutet, dass alle Clan-Mitglieder gleich viel erhalten. Kommt es trotzdem auch mal zu Konflikten? Wie werden die gelöst? Läuft das anders als bei uns? Klar, die im Matriarchat lebenden Menschen sind ja keine Engel. Die streiten sich natürlich auch, haben mal Probleme miteinander, oder es vertragen sich zwei Clans im Dorf nicht. Aber die Lösungen für solche Konflikte sind anders als bei uns. Wenn bei uns zwei Menschen in Streit geraten, kommt es zu seelischen Verletzungen, und die beiden Menschen sind meist allein, es hilft ihnen niemand. In matriarchalen Gesellschaften ist bei einem individuellen Streit der ganze Clan da. Und wenn Clans in Schwierigkeiten geraten, dann hilft das gesamte Dorf, die Streitigkeit zu lösen. Das bedeutet: Es ist niemand im Streit allein. Es ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe, Konflikte zu lösen. Und es geschieht stets durch Verhandlungen und Gespräche. Denn so funktioniert auch die ganze politische Entscheidungsfindung. Matriarchale Gesellschaften regieren sich selbst stets durch Verhandlungen mit dem Ziel der Konsensfindung. 11 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Das heißt, sie leben in einer Art Konsensdemokratie? Das ist äußerst interessant: All ihre politischen Entscheidungen fallen tatsächlich in Einstimmigkeit. Und das nicht nur im Clan, sondern im ganzen Dorf und in der Region. Das geschieht über ein sehr ausgeklügeltes System von verschiedenen Räten. Der Clan-Rat kommt zusammen, dann der Dorf-Rat und dann der Regional-Rat. Die Beratungen zeugen davon, dass die Menschen eine enorm hohe kommunikative Kompetenz haben. Sie beraten so lange, bis sich über ein Problem, das die Region betrifft, alle Menschen dieser Region einig sind. Ich habe das selbst in China miterlebt. Das funktioniert. Es ist ein politisches Muster, das von vornherein Hierarchie, Klassen, Abwertung und Mundtotmachen von anderen unterbindet. Da sind alle - auch die Minderheiten - integriert, und alle haben was zu sagen. Ich muss natürlich hinzufügen: Es sind keine Riesen-Gesellschaften wie unsere, sondern kleinere. Welche Rolle spielt die Familie und insbesondere die Vaterschaft im matriarchalen Alltag? Die Kleinfamilie aus Vater, Mutter, Kind, wie wir sie kennen, gibt es nicht. Die Kinder gehören grundsätzlich zur Mutter und bleiben in deren Clan. Die Mütter - das ist dann eine Gruppe von Schwestern - erziehen die Kinder gemeinsam. Großmütter, Großtanten und Brüder sind auch da. Die Menschen haben eine enorm hohe kommunikative Kompetenz. Arawak: Guyama/Suriname Das Interessante ist: Die Brüder betrachten die Kinder der Schwester als ihre Kinder, während die in unseren Augen biologischen Väter die Kinder nicht als ihre Kinder ansehen. Das liegt an der Mutterlinie. Der Bruder der jungen Mutter trägt denselben Clan-Namen wie sie selbst und damit auch denselben wie ihre Kinder. Daher betrachten sie sich als verwandt. Der biologische Vater aber hat einen anderen Clan-Namen, nämlich den seiner Mutter. Die Nachkommen, die er mitbetreut und für die er mitsorgt, das sind die Kinder seiner Schwestern. Das ist eine ganz andere Verwandtschaftsordnung, als wir sie haben. Die biologische Vaterschaft, wie wir sie verstehen, hat für sie keine Bedeutung. Manchmal wissen sie gar nicht, wer der biologische Vater des Kindes ist, weil es sie nicht interessiert. Falls sie es aber wissen, respektieren sie das natürlich. Denn der Mann ist ja der Geliebte der Frau. Der wird gern gesehen und bekommt Geschenke. Aber er ist nicht im Clan der Frau zu Haus. 12 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Es gibt also keine Eheschließungen? Nein, nicht in unserem Sinne. Es sind freie Beziehungen. Die Frauen wählen sich ihre Liebsten wie sie wollen. Da gibt es dann zum Teil kurze Beziehungen, zum Teil lange, je nachdem, wie die Liebe eben aussieht. Auch die Männer sind in ihren Liebesbeziehungen frei. Das Interessante ist, dass daraus keine sozialen Probleme für die Kinder entstehen, denn die sind ja immer im ganzen Clan zu Haus und können sich ihre Bezugspersonen aussuchen, wie sie wollen. Sie sind bestens aufgehoben. : Wir konnen viel von diesem Wissen in unsere Gegenwart ubernehmen. : Wie lernen die Kinder? Ist das "Learning by Doing", ein Leben lang? Ja, genau. Die Tätigkeiten von Frauen und Männern lernen die Kinder natürlich von den Erwachsenen, und die kulturellen Angelegenheiten lernen sie durch die großen Feste. Diese Gesellschaften feiern ja sehr viele Feste. Die ganzen agrarischen Feste im Jahreskreis und ihre Lebensstadien-Feste, Ahnenfeste, das wird alles mit sehr viel künstlerischem und spirituellen Aufwand gefeiert. Die Kinder lernen die Kultur, indem sie von Anfang an teilnehmen. Das ist keine Kultur wie wir sie haben, die aus Buch, Theater etc. besteht. Wir haben eine sehr abgespaltene Kultur, die oft am Leben vorbei geht. Den matriarchalen Gesellschaften dagegen ist die Erde heilig, und damit werden Arapesh: Neuguinea die Kinder groß. Es ist eine Kultur, die ständig im Lebenszusammenhang stattfindet. Ununterbrochen. Haben wir eine Chance, matriarchale Strukturen in unserer Gesellschaft zu etablieren? Sie zeigen ja eindrücklich, dass eine Gesellschaft in Balance mit ökonomischer Gleichverteilung und politischem Konsens kein idealisierter Hokuspokus ist, sondern gelebt werden kann. Ja, es ist lebbar. Und die Frage, was wir von diesem Wissen und diesen sehr menschenfreundlichen Mustern in unsere Gegenwart übernehmen können, wird tatsächlich immer lauter, weil mittlerweile viele Frauen und auch Männer von dieser Forschung wissen. Da muss man nicht warten, bis einzelne Staaten eine Veränderung in Gang bringen. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo Menschen anfangen, in ihrem Zusammenhang matriarchal zu leben. In alternativen Bewegungen werden matriarchale Clans gegründet. In der Öko-Bewegung gibt es Menschen, die ihren anderen Umgang mit der Erde als matriarchalen Wert betrachten. In manchen Gemeinschaften probieren sie auch die Konsensfindung. Die Menschen beginnen damit von unten. : Ein Interview mit Heide Gottner-Abendroth entdeckt bei n-tv.de 13 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Interview in der Frankfurter Rundschau Das mütterliche Prinzip ist besser für die Welt Auf einen Kaffee mit Uschi Madeisky. Die Filmemacherin aus Frankfurt dokumentiert Matriarchate und wurde für ihr Lebenswerk mit dem Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen ausgezeichnet. : Der Mann fuhlt sich seiner Mutter und allen Muttern verpflichtet. : Uschi Madeisky hat einen schönen Ausblick auf Bäume und Gärten in ihrem Arbeitszimmer in Frankfurt-Berkersheim, das hell und modern eingerichtet ist. An der Tür hängt ein Bild mit Schriften von Elisabeth Selbert, ein Geschenk von Freundinnen zur Preisverleihung. Die 64-Jährige ist schlank und hat kurze blonde Haare, in ihrer Wohnung trinkt sie Filterkaffee oder sie geht hinunter in die Küche ihrer Schwester, die im gleichen Haus lebt. Die Filmemacherin ist viel unterwegs, hat Matriarchate in vielen Ländern und Kulturen besucht. Wo Frauen die Verantwortung tragen, sagt sie, leben die Menschen besser als in partriarchalen Strukturen, an denen die Emanzipation nicht viel ändern könne. Frau Madeisky, Sie sehen im Matriarchat eine Perspektive zum Überleben der Menschheit. Sind Frauen doch die besseren Menschen? Nein, das mütterliche Prinzip ist überlegen. Für alle, die nichts über Matriarchate wissen, muss ich das erklären. In solchen Gesellschaften ehren alle Menschen die Mutter. Sie ist die Frau, die Leben schenken kann und damit einen sehr hohen Status hat. Auch der Mann fühlt sich seiner Mutter verpflichtet. Darauf sind Sozialstruktur, Wirtschaft und Spiritualität ausgerichtet. Die Frauen verwalten und verteilen den Besitz und alle gehen davon aus, dass sie dies so gerecht wie möglich machen. Es geht also nicht um Mann oder Frau, sondern um das mütterliche Prinzip, das besser als das männliche ist, so wie wir es kennen. 14 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Ihr jüngster Film „Wo die freien Frauen wohnen“ beschäftigt sich mit einem Matriarchat in China, den Mosuo. Haben Sie dort ein Paradies für Frauen vorgefunden? Paradies ist nicht der richtige Ausdruck, aber die Frauen sind dort so frei, wie nirgendwo sonst auf der Welt, auch freier als in unserer Gesellschaft, wo sie sich männlichen Werten unterordnen. Die Frauen leben in Harmonie, sind wohlwollend zueinander, es gibt keine starke Aggression und Egozentrik. Insofern ist dies von allen Gesellschaftsformen, die ich kennengelernt habe, für Frauen und auch für Männer der schönste Ort. Wie lange waren Sie dort? Zu allen Jahreszeiten, und jeweils für mehrere Wochen. Unser Team hat immer in der gleichen Großfamilie gelebt, wir sind schon fast adoptiert. Fur Frauen und Manner der schonste Ort. : : : Wie organisieren sich die Menschen dort? Ein Clan lebt auf dem Hof, mit Mutter und Großmutter als Oberhaupt. Nach ihrem Tod geht die Großmutter in die Reihe der Ahnen ein, die verehrt werden und die Schutz gewähren. Die Babys werden von allen gehalten und sind damit umfassend umsorgt. Als Kinder kümmern sie sich auch von klein auf um andere. Sie lernen das von den Alten, es gibt gibt kein Trotzalter und keine Pubertätskrisen. Sie können sich frei entfalten, es wird kein Wissen in sie hineingestopft. In dieser Fülle wachsen anders konditionierte Menschen heran. Sie sind nicht neidisch, handeln aus Liebe. Weil sie satt sind, müssen sie andere nicht beurteilen oder belehren. Privatbesitz hat keine Bedeutung und kein Prestige, er wird auch oft weitergegeben. Und die Männer? Die Söhne bleiben bei der Mutter und übernehmen die harten Aufgaben, beispielsweise Handel, anstrengende körperliche Arbeiten, auch das Schlachten von Tieren. Frauen erledigen die Hausarbeit und bestellen auch die Felder. Damit müssen sie aber die größten Lasten tragen. Die Frauen sind körperlich sehr fit. Die Arbeit ist nicht schwer, weil sie gemeinsam und selbstbestimmt erledigt wird. Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Das Leben ist nicht aufgespalten in Arbeit, Freizeit, und Sozialkontakte wie bei uns. Man sieht sie singend bei der Feldarbeit, es wird nie eine Schuldige angeprangert, wenn etwas schief geht. Bei uns lasten oft alle Aufgaben auf einer einzigen Frau. Das ist ein enormer Druck. 15 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wo kommt das Einkommen her? Die Mosuo sind ziemlich autark und gut beschützt vor äußeren Einflüssen. Sie leben vom Fischfang und haben fruchtbares Land. Es gibt zwar Handys und Fernseher, aber es herrscht eine vorindustrielle Wirtschaftsweise. Und wie sieht es mit der romantischen Liebe aus? Die stärkste Bindung, die lebenslang hält, besteht zur Familie. Damit haben sie eine Zweierbeziehung nicht so nötig. Menschen verlieben sich schon, leben aber nicht zusammen. Die Frau lädt einen Mann ein, er bleibt über Nacht und kehrt am nächsten Tag zum Hof seiner Mutter zurück. Solche Beziehungen wechseln häufiger, können nur eine Nacht, ein paar Wochen oder Jahre dauern, aber sie sind nicht wichtig. Sex muss nicht als Ersatz für Zärtlichkeit und Berührung herhalten, denn die haben die Frauen in ihrem Familienverband immer. Haben Sie keine Liebesdramen erlebt? Nein, das Glück hängt ja nicht von einem einzigen Menschen ab. Wenn sich eine Frau mal zu sehr nach einem Mann sehnt oder traurig ist, weil er nicht mehr kommt, wird sie von der Familie aufgefangen. Es gibt auch keine Eifersucht. Bei uns basiert die Familie auf der erotischen Paarbeziehung. Bei den Mosuo passiert Sexualität außerhalb der Familie, deswegen kommt auch kein Missbrauch vor. : Chinesische Männer, die von außerhalb kommen, glauben, dass sie bei den Mosuo leicht unverbindlichen Sex haben können. Wird die Kultur durch diese Sextouristen gefährdet? Im Internet und einschlägigen Zeitungen ist viel Falsches geschrieben worden, solche Männer, die trinken und grob sind, haben keinen Erfolg. Mosuo-Frauen sind sehr wählerisch und finden nicht die dominanten abenteuerlustigen Typen attraktiv, sondern Männer, die charmant sind, sie unterstützen, gut aussehen und gute Sänger und Tänzer sind. Frauen bevorzugen Manner die sie unterstutzen. : Väter existieren nicht? Kinder kennen nur den Mutterbruder, der sich mit um sie kümmert. Der Mann als Liebhaber zeugt zwar das Kind, aber er hat keine unmittelbare Bindung zu ihm und keinen Erzeugerstolz. 16 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Und was machen Männer mit ihrem Testosteron? Sie leben es mit Humor aus. Männer müssen ja ihre Kräfte messen, das machen sie auf spielerische Art, zum Beispiel bei Bootswettkämpfen. Auch wenn sie provoziert werden, reagieren sie nur verbal schlagfertig, sie haben es nicht nötig, einen Kampf anzufangen. Sie haben Matriarchate in vielen Teilen der Welt aufgespürt. Was glauben Sie, warum gibt es nur so wenige? Ich denke, dass alle urzeitlichen Gesellschaften matriarchalisch organisiert waren. Die Dominanz der Männer ist nicht entwicklungsgeschichtlich angelegt. Es gibt die These von einer Naturkatastrophe, die einen großen Ressourcenmangel verursachte. Um zu überleben haben sich Horden gebildet, die friedliche Stämme überfallen und beraubt haben. So hat sich das auf Gewalt basierende Prinzip durchgesetzt. Heute ist der Mangel programmiert, zum einen materiell, weil einige wenige alles horten. Zum anderen emotional, durch die vielen Termine und den Druck, den Mütter erleben und auf die Kinder übertragen. Wir geben ihnen Konsumgüter zum Abspeisen, statt sie zu umfangen. Meine Mutter hat mir vertraut. Es gibt auch Naturvölker, die im Einklang mit der Natur und ohne Besitzanhäufung leben, die keine Matriarchate sind. Hängt diese ganzheitliche Lebensweise nicht stärker von den Produktionsbedingungen als von den Geschlechterverhältnissen ab? Nein, in patriarchalischen Strukturen herrscht immer auch eine gewisse Strenge und Unterdrückung, bedingt durch männliche Dominanz. Haben Sie die als Kind auch erlebt oder wie sind Sie aufgewachsen? Mein Vater war ein klassischer Nachkriegsmann, wir hatten Angst vor seinem Jähzorn. Meine Mutter war eine sinnesfreudige Frau, sie hat nicht zu viel eingegriffen und mir vertraut. Sie wollte, dass ich wie sie Lehrerin 17 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF werde, was Sicheres mache. Ich habe Soziologie und Pädagogik studiert, auch das zweite Staatsexamen abgelegt. Danach habe ich mich aber lieber aufs Filmen konzentriert. Seit den 70er Jahren haben sie sich in Frankfurt für die Frauenbewegung engagiert. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden? Die Frauenbewegung ist ja noch lange nicht am Ende, sie ist weltweit die größte soziale Bewegung überhaupt. Im Sinne des Gleichheitsfeminismus hat sie viel erreicht. Frauen haben Zugang zu fast allen Institutionen, sie sind präsent, das ist schon mal gut. Aber wir wollen ja die Institutionen nicht lassen wie sie sind, so entfremdet, unterdrückerisch und hierarchisch. Sie müssen weiblicher werden. : Grund und Boden gehoren in Mutterhand. Beim Thema Emanzipation geht es derzeit hauptsächlich um Chancen in Führungspositionen, Quoten und bessere Kinderbetreuung. Was halten Sie von solchen Forderungen? Frauen müssten eigentlich mit mehr als 50 Prozent in allen Schlüsselpositionen sein, sie vertreten ja auch die Kinder. Aber wenn die Strukturen bleiben, haben wir gar nichts gewonnen, dann wird sich nichts ändern, die Ausbeutung der Erde wird weitergehen. Ich bin auch nicht dafür, dass wir Kinder bekommen und sie dann den ganzen Tag in Krippen stecken. Kinderbetreuung muss zu Hause geschehen, allerdings in einem Kollektiv, damit sich immer jemand kümmern kann. Eine einzige Frau wird nie genug geben können. Das habe ich von den Mosuo gelernt. Eine vorindustrielle Kultur kann doch kein Modell für unsere Gesellschaft sein. Warum nicht? Grund und Boden gehören in Mütterhand, das Männliche muss zurückgehalten werden. Da müssen wir uns was ausdenken. Was meinen Sie damit? Ich spreche von fehlgeleiteter zerstörerischer Männlichkeit, die Krieg verursacht, Aggressionen, Missbrauch, Sexismus, übertriebenen Wettbewerb mit allen negativen Folgen der Wachstumsgesellschaft. Für die 18 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Ausgebrannten werden immer mehr Heiler gebraucht, und so geht das immer weiter. Frauen müssen den Männern auf die Finger schauen und sie zuhause einsperren, wenn sie Krieg machen wollen, das hat schon Erich Kästner vorgeschlagen. Im Moment führen bei uns Frauen, also eine Bundeskanzlerin und eine Verteidigungsministerin, Krieg in Syrien. Wie erklären Sie das? Sie haben das mütterliche Prinzip auf ihrem Weg nach oben aufgegeben und die männlich-patriarchalen Strukturen verinnerlicht. Solche Frauen meine ich nicht. Ich kenne kein Matriarchat, das jemals einen Krieg angefangen hat. Sie betreiben Studien, ein Archiv und eine Vernetzung der noch existierenden Matriarchate. Wie viele haben Sie erfasst? Weltweit sind es etwa 200, acht davon habe ich besucht. Der Wunsch, mehr über solche Kulturen zu erfahren, wird bei uns immer größer. Als ich vor zwanzig Jahren anfing, Filme über Matriarchate zu machen, hatten Männer Angst und glaubten, wir wollen das Patriarchat umkehren. Oder sie machten sich lustig. Wenn ich damals Fernsehredakteuren das Thema anbot, haben sie abgewinkt mit der Bemerkung: „Das hab‘ ich doch schon zu Hause.“ Wir bauen matriarchale Strukturen auf. Inzwischen werden Sie ernst genommen. Für ihr Lebenswerk haben Sie den Elisabeth-Selbert-Preis des Landes Hessen bekommen. Werten Sie das auch als gutes Zeichen für das Matriarchat? Ja, die Abwehr ist weg. Männer sind aufgeschlossener, weil die Krisen des Systems immer offensichtlicher werden und viele nach Alternativen suchen. Es gibt immer mehr Initiativen in dieser Richtung, ob Urban Gardening, Wohnprojekte, Tauschringe oder Ökodörfer. Das ist gut, wir sollten uns nicht mit Forderungen an die Politik aufhalten, sondern diese Dinge einfach machen. Das geht nur in Gruppen und wir brauchen dazu keine Ideologie. 19 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Sie haben viele Jahre mit einem Mann gelebt und gearbeitet, die Beziehung hat nicht gehalten. Wie sieht heute Ihr privates Matriarchat aus? Die Frauen meiner Familie leben zusammen in unserem gemeinsamen Haus am Stadtrand, meine Schwester, meine Nichte mit ihrer Tochter, die wir gemeinsam groß gezogen haben, und bis zu ihrem Tod auch meine Mutter. Die Frauen halten das Haus zusammen. Das funktioniert seit 13 Jahren sehr gut. Ich bin die kleine Mutter, so heißt die Tante bei den Mosuo. Die klassische Familie, Mutter, Vater, Kind, geht oft in die Brüche. Es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter mit Söhnen, die nicht zuhause ausziehen wollen. Sehen Sie das auch als Schritt in Richtung Matriarchat? Naja, Muttersöhne sind im Matriarchat keine verwöhnten, bedienten Prinzen, sondern Jungen, die ihrer Mutter aus Liebe sehr viel helfen. Nur eine Mutter mit einem Sohn als Kleinfamilie finde ich viel zu wenig, da kann das Kind kein soziales Verhalten lernen. Es ist auch nicht gesund, dass sich der mütterliche Trieb des Verwöhnens und Umsorgens voll auf ein Kind konzentriert. Die Frauen sind fur Bildung zustandig. : : Ihre nächste Reise führt sie zu Dreharbeiten in ein Matriarchat in Westsumatra in Indonesien, zu den Minangkabau, die Muslime sind. Wie passt das zusammen? Dieses Volk ist dafür berühmt, dass es eine Balance halten und den Islam in die Schranken weisen kann. Der Islam musste sich ihrem Mutterrecht fügen. Das ist ein Bravourstück, das zeigt, was möglich ist, wenn die matriarchale Kraft stark genug ist. Frauen verfügen dort über Grund und Boden, halten Wirtschaft und Bildung in den Händen. Wenn sie heiraten, kommt der Mann ins Mutterhaus, das heißt die Frau behält den Schutz ihres Clans. Die Minangkabau erfüllen damit alle Kriterien eines Matriarchats und sie sind eine große Gruppe von fast sieben Millionen Menschen, die auch in Städten leben. Der Islam unter weiblicher Kontrolle, das klingt nach einem neuen spannenden Film. Ja, ich hoffe sehr, dass sich diese matriarchalen Traditionen trotz Erstarken des Islams halten können. Interview: Regine Seipel 20 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Uscha Madeisky in MATHILDE No. 140 Jan/Feb 15 JdF auf die Frage: Was bringt Sie zum Lachen? Missverständnisse, Projektionen, falsche Erwartungen, Unterstellungen, Machtspiele, falls ich diese durchschaue. Da ich sie ohnehin meist nicht ändern kann, geben sie wenigstens etwas her, worüber ich lachen kann. www.mathilde-frauenzeitung.de Aufruf Frauenportraits Sicherlich kennt ihr eine prominente Frau, über die wir unbedingt in den Mutterlandbriefen berichten sollten. Oder, ihr habt eine Fräundin, die unbedingt dem Rest der Welt vorgestellt werden muss. Schreibt einen Bericht über eine Frau oder gute Fräundin und schickt ihn an uns. Unsere nächste Ausgabe beschäftigt sich intensiv mit Frauenportraits: promininente und weniger prominente. Auch Selbstdarstellungen können eingeschickt werden. Bringt zu Papier, was Euch bewegt und womit ihr Euch beschäftigt. Schreibt uns! Was sollte die Welt schon immer mal über Euch erfahren? Wir fräuen uns sehr über Eure Berichte. Bitte schickt uns die Artikel so früh wie irgend möglich, da die Zahl der Zusendungen immer groß ist! Eure Redaktion 21 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF 10 Jahre MatriaValMatriaVal-Verein Große Feier 24.-26. Juni 16 JdF im Bella Donna Haus Bad Oldesloe Ihr seid alle herzlich eingeladen. Kommt massenhaft. Freyatag, den 24. Juni 16 JdF 18.00h Abendessen im Mai Thai Restaurant des Bella Donna-Hauses 19.00h Ankommen Begrüßungstänze Geheimtipp PREVIEW: neuester matriarchaler Film ! Grosse Feier! Samstag, den 25. Juni 16 JdF 10.00h Werden und Wirken des MatriaVal-Vereins Begrüßung und Einführung Aufgaben des Verein Jahrzehntbericht Vorteile einer Mitgliedaschaft im Verein Neugegründete Matria-Schule u.a. 11.00h Ausgelassene Geburtstagsfeier nach dem Motto: Je länger wir Kind bleiben, desto älter werden wir. 13.00h Mittagessen in der Stadt, von hier aus geht’s los: 14.00h Kreative Überraschung für alle !!!! 16.30h Pause und Aufbau des Matria-Marktes 17.00h Matria-Markt 18.00h Abendessen bei gemeinsamem (Mitbring-)Buffet 19.00h Beisammensein mit Open-End 22 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Sonntag, den 26. Juni 16 JdF 10.00h Vorstellung der neugegründeten Matria-Schule 11.30h Kaffe/Tee-Pause 11.45h Vereinssitzung 13.00h Mittagessen bei den netten Wirtinnen des Mai Thai Restaurants. Zehn rote Rosen Ende Da es die Zeit der Mitsommersonne ist, könnten wir so viel Rot, wie möglich, zusammentragen, z.B. in Form von Kleidung oder anderen schönen Dingen. Und noch etwas: Für den Matria-Markt bringe eine jede mit, was sie dafür hat und für richtig hält. Er ist eine Chance für wunderschöne Dinge...keine Verpflichtung. Liebe Leserinnen, Bitte feiert fröhlich mit uns, egal, ob ihr Mitfrau seid oder nicht. Auch für Nicht-Mitfrauen wird es spannend sein, zu hören, was unser Verein alles auf die Beine stellt. Lasst uns wissen, ob ihr kommen wollt und bringt noch Fräundinnen mit. Der Eintritt ist frei! Um eine Unterkunft sollte eine jede sich selbst rechtzeitig kümmern. Wir fräuen uns auf Euch! MatriaVal e.V. Uschi Madeisky, Dagmar Margotsdotter, Daniela Parr 23 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : “Wir huten die Weisheit“ Weisheit“ Der Rat der Großmütter vom Hohlen Fels lädt ein zum zweiten öffentlichen Ritual Samstag, 29. Oktober 2016, 16 – ca. 18 Uhr vor und im Hohlen Fels bei Schelklingen Wir freuen uns auf viele Frauen, Kinder und Männer, die mit uns dieses Ritual feiern wollen. Bitte Sitzgelegenheit und warme Kleidung mitbringen, in der Höhle ist es feucht und kalt. Der Rat der Großmütter vom Hohlen Fels besteht aus Vertreterinnen kraftvoller Kreise, die sich der Tradition Alteuropas verbunden fühlen. Sie haben sich miteinander vernetzt, um den roten Faden auf dem Weg in eine Zivilisation wieder aufzunehmen, in der Politik und Spiritualität zusammen gehören. Unser Herzensanliegen ist die Liebe zu allem Lebendigen und die Verantwortung für unsere Erde und die nächsten Generationen. In der Tradition der Alten Europa. Wir feiern an dem Ort, an dem die älteste menschliche Figur der Welt, die „Urmutter(Venus) vom Hohlen Fels“ gefunden wurde. Im Kreis um eine Mitte verbinden wir uns mit unseren Ahnen, unseren uralten Wurzeln, um neue Wege zu beschreiten. Wir bündeln die Energien für ein achtsames, geschwisterliches Sein auf Mutter Erde. Im Sinne eines unserer 13 Machtworte wollen wir miteinander zu Hüterinnen und Hütern der Weisheit werden: Wir hüten die Weisheit Du trägst das Wissen und die Weisheit deiner Ahnen und der Welt in dir. Erinnere dich! Ehre und achte deine Wurzeln! Entwickle dich selbst zum Wohle aller! Die 13 Machtworte und weitere Informationen zum Rat der Großmütter: www.ratdergrossmuetter.org 24 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF MythologieMythologie-Wochenende Thema: „Drachin, Schlange, Frauenkraft“ Mythologie hat einen Zauber. Wer einmal davon ergriffen wurde, wem sich diese Welt geöffnet hat, der kann sich ihr nicht mehr entziehen. Auf einmal ist da nicht nur eine Höhle, sondern es ist der Eingang in die Unterwelt, in das Reich der Göttin Holla und der Hel. Ein Berg ist nicht nur mehr der Berg, sondern es schwingen das Bergen, das Verbergen, das Verborgene, die Bethe Borbeth und die Geborgenheit mit. Innere Urbilder der Seele. Mythologie gibt der Landschaft ihre Tiefe, ihre Heiligkeit, ihre Stimmungen und ihre Wesen zurück. Dies ist ein Vorgang, der den Menschen mit einschließt. Es ist ein Weg aus der Oberflächlichkeit in die Vielschichtigkeit, in das Ganze und Vollständige hinein. Mythologie führt aus der toten Technikwelt hinaus in die Fülle von Ahnungen und Intuition. Diese Begegnung verlangt Liebe, Demut und Respekt. Für manchen ist es ein Heilungsvorgang, der die inneren Urbilder der Seele zum Leben erweckt. Am schönsten ist es, diesen Weg nicht allein zu beschreiten, sondern die Erfahrungen auszutauschen und Gleichgesinnte kennenzulernen. Diesem Zweck dient das Mythologie-Wochenende, das sich vor allem mit der Mythologie in den Alpen beschäftigt. Wenn Sie sich angesprochen fühlen, sind Sie herzlich eingeladen! 29.04.-01.05.2016 Im Freizeit- und Fortbildungshaus Frauensee, A 6600 Lechaschau Anmeldung: Bei Elisabeth Wintergerst: [email protected] Oder online: www.mythologie-wochenende.com 25 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Der rote Faden - Familien Familienaufstellung in der MatriMatri-Linie „Was erwartet mich, wenn ich da mitmache?“ Gestern – es schneeregnete und war kalt- zog ich mir meine Wanderschuhe an und beschloss, in die Innenstadt zu laufen und den schönsten „roten Faden“ zu erstehen, den ich finden könnte. Einige Stunden und 9 Kilometer später saß ich in meinem Wohnzimmer und wickelte einen wunderbaren Ahninnen-Wollknäuel. Tue nichts, was sieben Generationen nach dir schaden konnte. : Seit mich die Idee, Mutterlinien aufzustellen, umtreibt, habe ich die eigene unzählige Male aufgemalt und laut hergesagt. Und je öfter ich das tue, umso stärker scheint das Band zu den Ahninnen, zu der Ahninnenlinie zu werden, aus der ich „stamme“. Wenig weiß ich von den Urgroßmüttern und Ururgroßmüttern, aber immerhin ihre Namen, ihre Geburtsdaten, ihre Religionszugehörigkeit, ihren Geburts- und manchmal auch den Sterbeort. Ich, die ich mich nie irgendwo wirklich heimisch und zugehörig gefühlt habe, so lange ich der Vaterlinie folgte: mit einer Großmutter, die als Adoptivkind und mit Flüchtlingsschicksal selbst völlig traumatisiert und entwurzelt war. Erst in der Mutterlinie scheint eine erstaunliche auch regionale Kontinuität auf: Ricarda, Roswithastochter, Mariasenkeltochter, Helenesurenkeltochter, Cäciliasururenkeltochter, Katharinasurururenkeltochter… Nehme ich noch meine Tochter hinzu, dann sind es 7 Generationen in direkter Mutterlinie! Sieben Generationen – das ist die Zahl, die die indigenen Völker Amerikas als Bewusstseinskontinuum einfordern: Tue nichts, was 7 Generationen nach Dir schaden könnte. Ich erschauere ob dieser immensen Zeitspanne: Katharina, geboren 1811, wirkt sich aus bis zu Lia, geboren 1992. Dazwischen liegen 181 Jahre. Wie sah die Welt der Frauen an der saarländischen Grenze zu Frankreich 1811 aus? Und wie heute? Grenzgängerinnen, Hagazussas waren wir, sind wir. Und wäre es nicht wunderbar, wenn ich, Ricarda, in einer Aufstellung zu Katharina sagen könnte: „Schau her, Katharina, es ist gut weitergegangen! Wir alle sind aus Dir geboren.“ Und ich sehe, wie wir dastehen, in der Hand den roten Faden, den jede Mutter an ihre Tochter weitergibt, der uns verbindet und stärkt, bis zurück in uranfängliche Zeiten. 26 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Was erwartet uns also beim Aufstellungsseminar „Der rote Faden“? Verbundenheit, Kontinuität, Frauenkraft, Schutz und Stärkung. Es geht darum, wieder zu lernen, die Ahninnen zu ehren, sie im Bewusstsein zu haben. „Alles ist aus der Frau geboren“ – so lautet eines der „heiligen Gesetze“ der Ureinwohner Amerikas. Jede Geburt ist ein Geschenk des Lebens an das Leben. Und wo Leben geboren wird ist der Einsatz immer hoch. Ehre gebührt den Müttern… Es geht darum, Dank zu sagen für das Leben, das uns geschenkt wurde. Es geht darum gut hinzuhören, was sie uns zu sagen haben, die Ahninnen. Worum es nicht geht, ist „aufzuräumen“ oder „Ordnung zu schaffen“ oder altes Familien-Karma neu zu beleben. Es geht nicht darum, in die Dramen einzusteigen. Es geht darum, die Mütter sichtbar zu machen, ihr Schicksal zu ehren und bei ihnen zu lassen und damit unsere Frauenkraft zu stärken. Diese Art der Familienaufstellung ist Pionierarbeit! Meines Wissens gibt es das so noch nicht. Welche von euch also neugierig ist und mutig, welche Offenheit für den Prozess mitbringt und kein „richtig“ oder „falsch“ erwartet, welche ihre eigene Mutterlinie stärken will und sich einlassen kann, welche die Verantwortung bei sich lässt und sich doch führen lässt - diese ist eingeladen und wird fräudig erwartet am „Muttertag“ zum ersten matrilinearen Aufstellungstag in Frankfurt! Wo: Raum Frankfurt, Näheres wird noch bekannt gegeben. Die Mutter sichbar machen, die Frauenkraft ehren. : ANMELDUNG JETZT: Wann: Muttertagswochenende, 7.-8. Mai 2016, Beginn samstags um 10 Uhr, Ende um 18 Uhr, Beginn sonntags um 10 Uhr, Ende um 16 Uhr. Kosten: € 140* Mit FRÜHBUCHA-RABATT: € 100* bei Anmeldungen bis inkl. 29.2.2016 ANMELDUNG nur schriftlich, gerne per Email an: Ricarda Scherzer: scherzer(at)acca-beratung.de Ihr erhaltet ausführlichere Informationen nach schriftlicher Anmeldung. *Angemeldet ist, welche die Seminarkosten überwiesen und eine schriftliche Bestätigung von mir erhalten hat. 27 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : : Das MadesuB Filipendula ulmaria Das Mädesüß gehört zur Familie der Rosengewächse und wird auch Sonnwendwedel genannt, da es in der Zeit des höchsten Sonnenstandes, um den 21. Juni, blüht und bis zum Ende des Sommers geerntet werden kann. Kühe und Pferde meiden es, Ziegen und die Bienen lieben es, so nennt man es im Volk Impenkraut, aber auch Wiesenkönigin oder Wiesengeißbart. In Schweden hat man auf dem Land die Tanzböden damit bestreut. Botanik Oft in Gemeinschaft mit dem Baldrian finden wir es an Bächen und in Feuchtwiesen, zwischen 1 und 1,60 m hoch. Die Pflanze ist ausdauernd, der Stängel aufrecht, derb, kantig, oben verzweigt, die Blätter sind groß, unterbrochen gefiedert, deren Ränder gesägt und die Endfieder größer und 3-5 spaltig. Die Früchte sind gewunden, der Wurzelstock knotig verdickt. Ihr Geruch und Geschmack sind aromatisch angenehm, der Bittermandel ähnlich. Die Blüte gestaltet sich in vielen kleinen gelblichweißen Blütchen mit meist 5-6 Kron- und Kelchblättern in vielstrahligen Trugdolden. Ziegen und Bienen lieben es. Inhaltsstoffe Sie enthält schwach giftige Glykoide, (also nicht zuviel davon am Tag, Blüte 2,5-3,5g, Kraut 4-5g, sonst Magenweh oder Übelkeit!) und Gerbsäure, Phenolglykoside, Flavonglykoside und Mineralsalze. Entdeckung des ASPIRIN! Berühmt wurde das Mädesüß 1835, als man in ihr die schmerzstillende Salicylsäure entdeckte (hauptsächlich in Blüten und Wurzel), die auch in der Rinde der Silberweide zu finden ist. 1899 kam das berühmte ASPIRIN 28 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF auf den Markt, das zwischenzeitlich nur noch chemisch hergestellt wird (Acetylsalicylsäure). Doch bereits unsere Vorfahren kannten die fiebersenkende, schmerzstillende, entzündungshemmende und stimmungserhellende Kraft des Mädesüß. Name Ihr wunderbarer Duft und Geschmack, der Bittermandel ähnlich, wurde zum Aromatisieren des Met und des Bieres eingesetzt, daher der Name „Metesüß“. Oder war es ihr betörender Duft nach der ersten Mahd? Astrologisch wird sie dem Mond, Jupiter und Merkur zugeordnet. Heilwirkung Die stark schweißtreibende Kraft des Mädesüß bewirkt Ableitung von Giftstoffen, daher gilt es auch als blutreinigend. Zudem ist sie schmerzstillend, harntreibend, krampflösend, gefäßerweiternd, magenwirksam, entzündungshemmend, astringierend, narbenbildend und allgemein stärkend. : Mädesüß ist einsetzbar bei Fettleibigkeit, Wassersucht, Rheuma, Gicht, Durchfall, Arteriosklerose, Couperose, Steinerkrankungen, Cellulitis und Wunden. Zudem stärkt sie die Herzfunktion. Duft und Geschmack der Bittermandel ahnlich. Küche Auch heute können wir einen schmackhaften Sirup aus ihr machen oder Marmeladen mit ihr aufwerten, wenn wir sie mitkochen. Kopfwehsirup: 6 Blütenstände, 1l Wasser, 50 g Zitronensäure, 1,6 kg Rohrzucker Blüten mit Wasser, Zitronensäure und der Hälfte des Zuckers ansetzen. Nach 3 Tagen abseihen und restlichen Zucker zufügen, auf 80° erhitzen, kurz vor dem Sieden wegziehen und heiß in sterile Flaschen abfüllen, einige Minuten auf den Kopf stellen. Ernte Wir sammeln für Tee oder die Tinktur die Sproßspitzen mit den oberen Blättern bei Sonne und „Blüte“ im Mondkalender. Getrocknet mischen wir sie in Grippe- und Erkältungstees, z.B. mit Holderblüten und Lindenblüten gemischt, das bringt zum Schwitzen. Die Tinktur verwenden wir innerlich und äußerlich. Zur energetischen Reinigung und Wundbehandlung können wir auch Waschungen mit einem Absud (starker Tee!) durchführen. 29 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Räuchern Eine Räucherung mit Mädesüß eignet sich bei Übergängen vom Mädchen zur Frau (Marlis Bader). Geräuchert hilft sie, Altes loszulassen, macht Neubeginn möglich; sie weckt das unschuldige innere Kind in uns und löst Verhärtungen. Als Mondpflanze fördert sie Traumbewußtsein und Intuition. Tiere Mädesüß gilt als Heilpflanze des Milchviehs. Früher wurden Kühe und Ziegen damit abgeräuchert, Euter mit dem Absud gewaschen. Man hat die Bienenstöcke damit ausgewischt (Impenkraut). Bei Hundebiß durch einen tollwütigen Hund wurde es eingesetzt. Man kaute 3 bis 4 Tage lang klein geschnittene Wurzeln. Die Mondpflanze fordert die Intuition. : Räuchermischung nach Marlis Bader: Mädesüß, Kamille, Beifuß, Holunder, Lavendel, Myrrhe, Fichtenharz Brauchtum Im Volksglauben hieß es: Das Mädesüß zieht Glück an, ist Symbol der Unschuld und es kann Diebe anzeigen. Ulrike Aicher Literaturquellen: Griebl, Von den heiligen Pflanzen unserer Ahnen, Leopold Stocker Verlag Willfort, Richard; Gesundheit durch Heilkräuter, Trauner (1959) Marlis Bader, Räuchern mit einheimischen Pflanzen, Kösel Bächtold/ Stäubli: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens Ulrike Aicher Sagen-, Moor und Wildkräuterführerin Rößleweg 8, 87459 Pfronten Tel. 08363 925759 www.hollasaga.de; [email protected] www.mythologie-wochenende.com 30 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Isch, Isch, die Lowenzahnwurzel bin eine hervorragende Verbundete :: Ist dir eigentlich klar, wie sehr dein Leben (sozusagen) in den Händen deiner Leber liegt? in jeder Minute zirkulieren 1500 ccm (das sind 1,5 Liter) Blut durch deine Leber. Einerseits holt deine Leber Stoffe heraus; sie filtert chemische Verunreinigungen, nicht gebrauchte Hormone, Stoffwechselnebenprodukte (manchmal auch Toxine genannt), infektiöse Organismen und Ammoniak aus deinem Blut, andererseits fügt sie Stoffe hinzu: Cholesterin, Phospholipide, Plasmaproteine - um nur einige zu nennen. Excusez-moi, chérie, hab keine Angst, du musst dir das nicht alles merken – du sollst nur wissen, dass deine Leber über 500 Funktionen übernimmt und viel Zuwendung und Liebe braucht (und Docteur Löwenzahn 'ilft dir dabei!), wenn du lange und glücklich leben willst. Oui - glücklich, heureusement -! Wenn bei einem Menschen die Leber nicht in Ordnung ist, kann sie/er das Leben nicht genießen, n'est-ce pas? Sind solche Menschen nicht voll Bitterkeit? Und stört das nicht den Schlaf? oder den Appetit? oder das Liebesleben? Ah, wie kann so jemand joyeuse sein? “Isch leuschte in disch hinein.“ So, und wodurch qualifiziert sich Docteur Löwenzahn als deine Leberverbündete? Ma chérie, isch liebe das Leben isch bin die Leber des Lebens! Und bin randvoll mit lauter guten Sachen, die deine Leber liebt: Choline, Carotine, Mineralsalze,.. Ich bin also wirklich der heiße Stoff für deine Leber! Ich aktiviere und energetisiere deinen Solarplexus - lade ihn auf, leuchte in ihn hinein, versorg ihn mit Kraftnahrung, bring ihn auf Touren. Und ich rege den Gallenfluss an, in Leber und Gallenblase. Du brauchst mich, wenn du Fleisch isst und du brauchst mich, wenn du in der Stadt lebst. Also auf geht’s! Ich und deine Weisheit als Weise Frau - wir können uns verbünden, wenn du dir oder anderen bei Leberbeschwerden helfen willst - Schwellung, Empfindlichkeit, Trägheit, Stauung; oder bei Beschwerden während der Schwangerschaft, von fettem Essen, nach Chemotherapie oder wenn du sonstwie chemischen Einflüssen ausgesetzt warst, bei Schäden durch Alkohol- oder Drogenmissbrauch, Gelbsucht und Hepatitis. 31 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Docteur Löwenzahn geht ans Werk, wenn die Gallengänge geschwollen oder blockiert sind, bei Gallensteinen (auf Cholesterinbasis), Verdauungsstörungen, Dyspepsie und chronischer Verstopfung (vor allem bei alten Menschen, die nicht mehr aus dem Bett kommen). Und dann kannst du mich auch 'olen, wenn du dich vergiftet 'ast. Besonders gut bin isch bei Lebensmittel- oder Pilzvergiftungen - dann wecke ich die Lebensgeister (Holzkohle und slippery elm 'elfen mir, das Gift zu neutralisieren und die Leber zu entlasten). Alors - isch kann dir sogar 'elfen bei beginnender Leberzirrhose. Aber wart lieber nicht so lange um mich kennenzulernen, chérie! Adele Dawson berichtet, dass in chinesischen Krankenhäusern 80% der Appendizitis-PatientInnen nach Behandlung mit LöwenzahnwurzelPräparaten ohne Operation gesund wurden. Löwenzahnwurzel ist ein Tonikum - was denn sonst? (Zahlen geben Milligramm pro l00g Löwenzahnwurzel an) Bin ich etwa nicht über Jahrhunderte auf der ganzen Welt - vom Mittelmeer bis China als bitteres Tonikum benutzt worden? Docteur Löwenzahn ist stark, kann zubeißen und 'at soviel Grütze im Kopf, dass sie deine Innereien garantiert in Gang kriegt. Tu dich mit mir zusammen, dann werden wir deine Leber schon auf Trab bringen ('ab isch dir schon gesagt, n’est-ce pas?), deine Milz auch, und den Magen, die Bauchspeicheldrüse, die Nieren, die Haut, das Nerven-, Drüsen-, Verdauungs-, Harn-, Kreislauf-, Immunund Lymphsystem. Also, ich sag ja - ich bin eine phantastische Ärztin! Isch kann dir elfen, Chérie. Du weißt ja: isch bin voller Extreme, eh? Aber in meiner Zusammensetzung bin ich total ausgeglichen! Ich tonisiere alles mit einer ausgezeichneten Mischung von Erd-Mineralsalzen, und deine Ernährungsgrundlagen verbesser' ich auf der zellulären Ebene. Kein Wunder, dass man mir nachsagt, appetitanregend zu sein. Da bekommst du Lust auf das Leben selbst! Und ich verschaff' dir die nötige Kraft dazu. Susun Weed Übersetzt von Anne Gentner, Rat der Großmütter 32 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mit dem Farn fliegen Pflanzen-Begegnungen: Heilsame Wege mit der Pflanzen-Kraft Auszüge aus dem Buch von Andrea Wild SIE findet dich vielgestaltig Draußen zu mir kommen, meinen Atem verbinden mit dem Atem der Erde und allem, was wächst. Meine Verbindung zur Erde spüren und zu allem, was mit mir wächst. Mich von einer Pflanze rufen lassen. Ein Kraut? Ein Strauch? Ein Baum? Ein Pilz? Ein Gras? Zu ihr finden, ihre Bekanntschaft machen, eine Weile mit ihr zusammen sein. Schwingung, Lied, Farben, Anteil des Lebens dieser Pflanze sein. Eine Erfahrung, eine Botschaft? Eine Antwort, eine Aufgabe? Stille? Ruhe? Die Fülle? Die Leere? Alles ist willkommen. Ich bin willkommen. So viel Schönheit, deren Teil ich sein darf. Gerade jetzt. Aus der Einleitung Der noch zu Zeiten unserer Großeltern vorhandene Wissensschatz Trancehaltung der um die Nutzung von Wildpflanzen südmährischen Frau wird in unserer heutigen Zeit immer seltener. Pflanzen-Erkennungsbücher gibt es viele, das Internet bietet eine breite Palette, sich Wissen über die Pflanzen und deren Erkennungsmerkmale sowie ihre heilkundlich erforschten und medizinisch anerkannten Wirkungen zugänglich zu machen. Die Beschäftigung mit den Pflanzen ist eher auf die ergebnis- und konsumorientierte Nutzung beschränkt. 33 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Was aber wäre, wenn ich grundsätzlich zuerst einmal fragen würde, was ich geben, was ich für ein Pflanzen- oder Tierwesen tun kann, bevor ich selbst mir nehme, nehme, nehme …? Ich spreche bewusst von „ich“, bin ich doch selbst so darauf fixiert, mir von allem und jedem in meinem Leben zunächst einmal den möglichen Nutzen zu verschaffen. Sehr viele Menschen sind am größtmöglichen Profit orientiert, ohne den Sinn des Schenkens, des Gebens, des Austauschens jemals gelernt oder gar begriffen zu haben. Ich bemühe mich seit Jahren sehr darum, dies in meinem kleinen Kosmos zu verändern. Nicht immer gelingt es, aber wenn ich mich bewusst in das Feld des Wahrnehmens begebe, bin ich „im Austausch“. Pflanzen sind – wie die Tiere – unsere Partner im Ökologischen System. Wir können unsere Versorgung von einem System des Ausbeutens und Ausblutens der ökologischen Ressourcen zu einem Leben im Austausch mit, in Achtsamkeit und Respekt vor den Formen anderen Lebens entwickeln. Schritt für Schritt werden wir in den kommenden Jahrzehnten diese Wandlung vollziehen müssen, um ein Überleben unseres Planeten gemeinsam zu ermöglichen. Ein kleiner Schritt auf diesem Weg ist die Wahrnehmung der noch weitestgehend unerforschten Zugänge zu anderen Formen der Lebensenergie und der Umgang damit. : SIE fullt dich mit Frieden Andrea Wild: Schwelle Dieses Buch lädt dazu ein, den Pflanzenwesen näher zu kommen, die Lebensformen von Menschen und Pflanzen zu verbinden, eine neue Art des Zugangs zu den Heilkräften von Pflanzen zu finden und zu einem achtsamen Austausch zwischen Menschen und Pflanzen beizutragen. 34 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wie eine Pflanzen-Begegnung „passiert“ Das Konzept „Trance-Reisen in Pflanzen-Räume“ Innere Reise zum Kontakt mit der Pflanzenkraft Trance-Reise zur Botschaft der Pflanze Die rhythmische Anregung Eine allgemeine Körperhaltung, um in Trance zu reisen Kontakt mit der Pflanze herstellen Trance-Haltungen nach Prof. Dr. Felicitas Goodman Heilungstrancen Schwellengang Visualisierung und Trance Die Magie der Pflanzen … die Weise Frau Trance draußen in der Natur Baum-Trancereise in der Gruppe Dein Märchen als Spiegel Visualisierung zur Verbindung mit einem Baumwesen Andrea Wild: Veränderung SIE umarmt dich mit Leichtigkeit Das Buch umfasst 108 Seiten und ist erhältlich direkt bei der Autorin. „Mit dem Farn fliegen – Pflanzen-Begegnungen – Heilsame Wege mit der Pflanzen-Kraft“ Andrea Wild Es gibt auf Wunsch auch eine dazu erstellte CD, die Anleitungen zu Visualisierungen, Tranceritual, Schwellengang, Pflanzen-Meditation und mit Pflanzen gerasselte und getrommelte Rhythmen für die Trance enthält. Mehr dazu und zum Angebot PflanzenBegegnungen 2016 gern auf Anfrage: Andrea Wild - Remscheid - Tel. 02191/21854 [email protected] 35 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Liebe Pflanzen-Begeisterte, Begegnung mit den Pflanzen-Geistern erleben wir seit 2008 in Gruppen zwischen fünf und vierzehn Personen. Dazu haben wir das Angebot der gemeinsamen Pflanzen-Trancen mit Liebe und Freude auf- und ausgebaut. Wir lassen uns von einer Pflanze einladen, nähern uns ihr in der Natur, dort wo sie wächst, gehen später mit Ihrem Geistwesen in eine Tranceverbindung und erleben so einen ganz besonderen Austausch, erfahren Heilung und Botschaften der Pflanzengeister, die uns nähren, unterstützen, bereichern, stärken. : TranceErleben in Korperhaltungen, die uns aus vielen Kulturen der Welt uberliefert wurden, bringt uns in Kontakt mit den PflanzenWesen : Die Trance-Verbindung bauen wir auf mit Hilfe eines kleinen Rituals, in dem wir die Kräfte zu uns rufen, die uns nähren und stärken, und die Pflanze bitten, ihre Informationen und ihr Feld für uns zu öffnen. Sodann nehmen wir in dazu geeigneten Körperhaltungen den Rhythmus von Trommel oder Rassel in uns auf und reisen auf diesem Rhythmus in eine andere Wahrnehmungsebene, auch als „schamanisches Reisen“ bekannt. Die Begegnungen boten wir monatlich abends für Gruppen interessierter Menschen an, es brauchte hierzu keine besonderen Vorkenntnisse. Jeder Abend bot ein in sich geschlossenes Ritual, das heilende, klärende, verbindende Schwerpunkte offenbarte. In diesem Rahmen fand auch das Seminar "Zauberpflanzen um uns herum" mit einer festen Gruppe an fünf Abenden statt. Mit dem Jahresverlauf haben wir die Pflanzen an den Orten aufgesucht, wo sie wachsen, sind mit ihnen in Kontakt - in feinstoffliche Verbindung - gegangen, haben im geschützten Kreis Trancereisen und Pflanzenmeditationen erlebt und durften im Austausch miteinander Altes Wissen neu für uns entdecken. 36 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Welche Pflanzen wir kennen lernen, hängt von der Einladung der Pflanzenwelt selbst ab - vom Jahresverlauf, von der Witterung, der Entwicklung in der Natur – und wir schauen immer kurzfristig, welche Pflanzen uns wann erwarten und wo wir gut in Kontakt gehen können. Es geht um Kontakt auf feinstofflicher Ebene - mit Hilfe von Pflanzenmeditation und Trancereise. Dazu hilft uns im Äußeren oft die körperliche Kontaktaufnahme mit zum Beispiel dem ätherischen Öl der Pflanze oder der wässrigen Pflanzenessenz, vielleicht eine Räucherung oder ein Tee, soweit es sich um genießbare Pflanzen handelt. Auf diese Weise wollen wir in achtsame Verbindung mit dem Geist der Pflanze gehen. Ob es Kräuter, Gräser, Bäume, Sträucher oder Blumen sind – wir erleben immer wieder, wie sie sich öffnen, uns einlassen in ihr Feld, wie sie für jede und jeden der so unterschiedlichen Teilnehmenden eine ganz persönliche Botschaft haben, wie jede Person berührt und beschenkt wird. Manchmal findet eine sich in den einzelnen Erlebnissen der Trancereise ergänzende Botschaft im ganzen Kreis ihre Resonanz, und fast jedes Mal durften wir draußen in der Natur magische Momente im Feld des Pflanzenwesens erleben. DU musst nur bereit sein und vertrauen Ob es der heilsame Austausch mit dem Salbei-Gamander, überraschende Geschichten vom Hohlzahn, die am Bach murmelnde Magie der Pestwurz, die so besondere Kraft der Mistel, die Informationsnetze der Moose oder Wilde Flüge mit Eberesche oder Rotem Holunder sind, nie wissen wir vorher, was uns zuteil wird – oft ist es sehr viel mehr als die botanischen und kräuterheilkundigen Informationen, die wir zum praktischen Pflanzenwissen zusammengetragen haben. Andrea Wild Mehr dazu gern auf Anfrage: Andrea Wild – Remscheid Tel. 02191/21854 [email protected] 37 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Brutblatter Eine parthenogenetische Mutter-Pflanze Die Pflanzen der Sorte Bryophyllum, die zu den Calanchoen gehören, sind die perfekten Single-Mütter. Keine Bestäubung ist nötig, um sich zu vermehren, das können sie ganz allein. Darin sind sie so perfekt, dass ich Probleme hatte, von den Pflänzchen einen Ableger zu bekommen. Wen auch immer ich fragte, ich bekam zur Antwort: „Brutblatt? Geh mir damit! Ich habe ALLE Pflanzen ausgerissen und weggeworfen!“ Gerne wurde dann noch die Schilderung angehängt, wie aus einer einzigen Pflanze plötzlich gaaaaanz viele wurden, die alles in ihrer Umgebung gnadenlos überwucherten. Schade, denn wer mehr über sie weiß, ist vielleicht dankbar dafür, dass sich die Brutblätter so schnell vermehren, denn sie haben eine ganze Menge zu bieten. Sie gehören zu den Dickblattgewächsen, und wer ein Blatt in der Hand hat, weiß warum: Es ist fleischig, dick und saftig. Bryophyllum kommt ursprünglich aus Madagaskar und hat ca. 120 verschiedene Arten. Foto: Wikipedia Die perfekte SingleMutter Medizinisch interessant und ein bisschen erforscht sind davon zwei: Calanchoe Pinnata/Bryophyllum Pinnatum/Bryophyllum Calycinum, die Keimzumpe und Calanchoe Daigremontiana/Bryophyllum Daigremontianum, der Einfachheit halber hier „Brutblatt“ genannt. Man findet die Pflanzen in der Literatur unter Bryophyllum ebenso wie unter Calanchoe als Oberbegriff. Es herrscht ein leichtes Durcheinander, aber die beiden wichtigsten Arten sind ganz gut zu erkennen. Nicht zu den Brutblättern gehört die beliebte Zimmerpflanze „Flammendes Käthchen“ (Calanchoe Blossfeldiana), also bitte bei Experimenten nicht aus Versehen diese Pflanze verwenden! Ich habe zwar gelesen, dass sie ungiftig ist, aber über eine therapeutische Wirkung ist nichts bekannt. Gehen wir zurück zu den Brutblättern. 38 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Zusätzlich zu ihren botanischen Namen haben sie auch eine Menge volkstümliche: Teufelsrückgrat, Mother of Millions, Ferkelnde Sau, Mutter – Kind – Pflanze und Kindlpflanze. Bei den spanisch sprechenden Völkern Süd- und Mittelamerikas und der Karibik heißt die Keimzumpe Yerba Bruja (Hexengras), Hoja Bruja (Hexenkraut) oder einfach Bruja. Und die Hexe hielt man für ein Allheilmittel, rundum gesund und „gegen alles“. Bei uns ist die Zumpe auch bekannt als Goethepflanze, denn als der sie 1818 kennenlernte, war er so begeistert von ihr, dass sie ihn zu seiner Beschreibung der Urpflanze und zu seiner „Metamorphose Pflanzen“ inspirierte. Direkt beschrieb er sie in einem Brief an Marianne von Willemer, dem er auch ein Blatt beilegte: Mit einem Blatt Bryophyllum calycinum Merke, wie sie Wurzeln schlagt! : Was erst still gekeimt in Sachsen, soll am Maine freudig wachsen; Flach auf guten Grund gelegt, Merke, wie es Wurzeln schlägt! Dann der Pflänzlein frische Menge steigt in luftigem Gedränge. Mäßig warm und mäßig feucht ist, was ihnen heilsam däucht; Wenn Du's gut mit ihnen meinst, blühen sie Dir wohl dereinst. Das Brutblatt vermehrt sich, wie der Name schon sagt, indem es junge Pflänzchen an seinen Blättern bildet. Rund um den Blattrand können bei einem großen Blatt etwa 50 kleine Kindel hängen. Wenn sie ein paar Würzelchen gebildet haben, fallen sie ab und wachsen meistens gleich wieder an. Vielleicht nicht gerade auf Asphalt, aber ich habe manchmal die Vorstellung, dass ein Kindel sogar anwachsen würde, wenn man es sich in den Bauchnabel steckte. Das gäbe bestimmt ein hübsches Pflanzenpiercing. Die Keimzumpe macht es sich noch einfacher. Ein Blatt oder sogar ein Blattstück, das sie verliert, vergammelt nicht, sondern bleibt knackig feucht auf dem Boden und lässt sich Wurzeln wachsen. Die neue Pflanze lässt dann nicht lange auf sich warten. Trotz ihrer schnellen Vermehrungsmethode können sie auch Blüten und Samen bilden und sich dadurch fortpflanzen. Schließlich muss nicht die ganze Familie um die Mutter herumhocken, ein paar Samen können ruhig davonwehen und woanders eine neue Großfamilie gründen. Bevor sie eine Blüte bilden, zieren sich die Pflanzen ein bisschen. Sie blühen erst bei weniger als 10 Stunden Licht am Tag auf. In einem normalen Raum ohne künstliche Beleuchtung kann man sie bei uns im Winter ganz gut zum Blühen bringen. Auch bei den Blüten sind sie nicht sparsam und bilden Blütenkronen, in Beuteln wachsen dann winzig kleine Samen, natürlich auch hier „viele“, wegen der Winzigkeit macht sich niemand die Mühe, zu zählen, wie viele genau. 39 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Brutblätter wachsen schnell. Die beiden winzigen Pflänzchen, die ich letztes Jahr zu Jul gekauft habe, sind jetzt schon stattliche Pflanzen mit vielen Jungen, die mir öfter ein Blatt spenden. Die Fähigkeiten, für die ihr der Titel „Hexe“ verliehen wurde, sind aber nicht nur ihrem schnellen Wachstum und ihrer Vermehrungsfreudigkeit geschuldet, sondern ihrer medizinischen Wirkung. Zerquetscht und äußerlich aufgetragen helfen sie bei Ekzemen, Fußpilz, Geschwüren, Entzündungen und gegen Warzen. Bei Ohrenschmerzen soll man sich etwas Saft in die Ohren träufeln. Trinken soll man ihren Press-Saft bei Schmerzen und Entzündungen aller Art, gegen erhöhte Cholesterinwerte, bei Rheuma, Husten und Erkältungen. Sogar bei Tumoren sollen sie helfen. In Russland isst man sie wohl regelmäßig zur Stärkung der Abwehrkräfte und schnuppert bei Schnupfen an den Blättern (die allerdings kaum riechen). Ich bin über die Brutblätter gestolpert, als ich auf der Suche war nach einem pflanzlichen Valium gegen hormonbedingte Panikanfälle. Gerade hier, bei Depressionen und Angstzuständen, sollen die Brutblätter besonders wirksam sein. Ich fand sie einen Versuch wert, und da ich schon seit Jahren jeden Monat zwei bis drei Nächte von Panikanfällen traktiert werde, war es leicht, es einmal auszuprobieren. Also habe ich diesmal nach der ersten Paniknacht sowohl von Zumpe als auch von Brutblatt ein großes Blatt verspeist – sie schmecken leicht nach Gurken und sonst nach nichts – und tatsächlich die Nacht darauf gut geschlafen. Dasselbe die Nacht darauf. Dasselbe im Monat darauf. Sie schmecken leicht nach Gurken. Nun ist so ein Selbstversuch natürlich noch lange kein Beweis, Placeboeffekt und Zufälle können ein Ergebnis verfälschen und eine einzige Versuchsperson mit zwei Versuchen ist noch lange nicht repräsentativ. Aber ich finde es trotzdem vielversprechend und werde weiterhin meinen Schlaf mit Hoja Bruja unterstützen. Zusätzlich landen immer mal wieder ein paar Kindel oder ein Blatt im Salat. Eine Pflanze, die einen so guten Ruf hat, kann man schon öfter essen. Ob sie wirklich bei Erkältung hilft, werde ich dann im nächsten Winter testen. Als Fertigprodukt gibt es von Weleda sowohl homöopathische Mittel als auch ein Pulver aus dem getrockneten Press-Saft, das ich als nächstes testen werde. Denn obwohl die Pflanze schon sehr schnell wächst, um ein Blatt pro Tag zu opfern, ist sie doch nicht schnell genug. Bryophyllum von Weleda unterstützt auch werdende Mütter, denn seine Wehen hemmende Wirkung hilft gegen Frühwehen. Marion www.schlangengesang.com 40 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Gemuse aus dem Sack Ein Garten auf kleinstem Raum Wie kann man sein eigenes Gemüse anbauen, ohne auch nur ein winziges Stück Land zu besitzen? In dem man die Pflanzen in einem Sack hochzieht. Man befüllt einen großen Sack aus Sisal oder Nylon mit Erde und setzt oben und in Löcher, die man in die Seiten schneidet, die Pflanzen. In der Mitte des Sackes wird ein Plastikrohr mit kleinen Steinen befüllt. Anschließend füllt man Erde und Dünger in den Sack und zieht das Rohr wieder raus, so dass die Steine wie eine Säule in der Mitte des Sacks stehen bleiben. Sie sorgen dafür, dass später das Wasser auch wirklich bis zum Boden gelangt und die gesamte Erde gut bewässert werden kann. Mutterland fur eine jede. : In mehreren Ländern halten Organisationen in den Armenvierteln nach freien Grundstücken Ausschau und verhandeln mit den Besitzern. So können ganze Grundstück mit Sackgärten bestückt werden und verschaffen den Frauen eine Möglichkeit, ihre Familie mit frischem Gemüse zu vorsorgen, welches sie sich auf dem lokalen Markt oft nicht leisten können. 41 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Filmempfehlung der Mutterlandstiftung: http://www.3sat.de/mediathek/ index.php?display=1&mode =play&obj=32468 www.mutterland-stiftung.de Buchvorstellung: Hexenwerk Wildkräuter-Sammelsurium rund ums Jahr All-Wetter-Tagebuch Zwei Krauterhexen unterwegs. : Ein Blick in die Hexenwelt, der sich lohnt: Hier sammeln zwei Kräuterhexen jeden Donnerstag Wildkräuter – einmal rund durchs ganze Jahr. Sie suchen nach vergessenen Geschichten und Bräuchen der Kräuter, Dichten und erfinden Rezepte neu. Sie lassen sich von der Natur inspirieren, sammeln Wissen um verborgene Heilkräfte der Wildpflanzen und bereiten Tees, Tinkturen, Öle, Umschläge und viel anderes zu. Sie brauen sich ein Hexenbier und setzen sich einen wirksamen Magenbitter, Waldmeisterschnaps und jede Menge Liköre, auch Limonaden an. Sie backen Wildkräuterbrötchen und verraten, woher der Name Hexe kommt. Sie erzählen sich Kräutergeschichten am Feuer und schreiben ein Raunachtsmärchen. Zu den Jahreskreisfesten holen sie ihren Besen raus und feiern auf ihre ganz eigene Art. Wenn sie nicht mehr weiter wissen, unternehmen sie einen Medizingang und gelangen so an unbekannte Wegkreuzungen. Wie? Lest selbst. Ulla Janascheck, Elise Richer, Freya Verlag, Linz, Dez. 15, 19,95 € ISBN 978-3-99025-215-4 42 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wilde Delikatessen Vom Arme-Leute-Essen zum Gaumenschmaus Daniela Parr führt ein Interview mit Dr. Markus Strauß, dem Autor der Buchreihe „Natur und Genuss“. Wie kommt es zu ihrem Interesse für Kräuter? Beim Thema Wildkräuter denken wir eher an die Kräuterfrau. Schon von klein auf habe ich mich die Natur interessiert. Ich bin auf einem Bauernhof in der Nähe des Bodensees aufgewachsen und kannte schon als Kind die Namen der meisten Bäume und Pflanzen. Lange Zeit war mir allerdings nicht klar, dass man so gut wie alles, was bei uns wächst, mit der entsprechenden Zubereitung auch essen kann. Was ist das Spezielle an Wildkräutern? In unseren Breiten gedeihen um die 1.500 essbare Kräuter, Blumen, Blätter und Früchte. Erst seit rund 6.000 Jahren bauen die Menschen Obst und Gemüse an. Davor ernährten wir uns Millionen Jahre lang von Wildpflanzen. Wildpflanzen haben einen sehr hohen Anteil an Vitaminen, Eiweißen und Mineralstoffen. Sie müssen nicht gesät, gegossen, gedüngt oder gejätet, sondern nur geerntet werden. Besser kann man es nicht haben. Besser kann man es nicht haben. Es sieht so aus, als ob das Thema Wildkräuter sich durch ihr Leben zieht. Nach meinem Geologiestudium in Heidelberg, verbrachte ich ein Jahr in Nepal im Himalaja. Ich wollte herausfinden, wie die Hochgebirgsbewohner ökologisch Tee anbauen und schrieb meine Promotion über dieses Thema. Neben Tee werden hier auch so genannte „cash crops“ kultiviert, z.B. Ingwer oder Kardamon. Diese tauschen die Bewohner gegen alltägliche Dinge, die sie zum Leben benötigen. Fast die ganze Wirtschaft funktioniert ohne Geld. Die Landwirtschaft wird als reine Subsistenzwirtschaft betrieben. 43 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Nach meinem Auslandaufenthalt arbeitete ich bei einem Finanzdienstleister, wo ich Businesspläne erstellte und Unternehmen beriet, wie sie am besten ihr Geld anlegen. Dies stand im krassen Gegensatz zu dem, was ich bei den Ureinwohnern im Himalaja erlebt hatte. Bei uns in Europa verlassen sich alle darauf, dass sie in einen Supermarkt gehen und alles kaufen können, was sie benötigen. So gut wie niemand besitzt Land, auf dem etwas angebaut werden könnte. Wir sind sehr abhängig von der Geldwirtschaft. Essbares zwischen den Gemusebeeten. : Schließlich musste ich mir eingestehen, dass der Job bei dem Finanzdienstleister nicht zu mir passte. Mein Weg führte mich in eine Lebensgemeinschaft in Thüringen, in der ich mehrere Jahre gelebt habe. Mir fiel auf, dass ich mehr von dem aß, was zwischen den Gemüsebeeten wuchs. Vor allem Löwenzahn im Salat war für mich zwischenzeitlich zur Selbstverständlichkeit geworden. In Thüringen beschäftigte ich mich schließlich auch mit den Inhaltsstoffen der Kräuter. Sämtliche Wildkräuter enthalten bei weitem mehr Nährstoffe als konventionell erzeugte Lebensmittel. Auch Bäume, die keine Obstbäume waren, rückten damals in meinen Focus. Wie kommt es, dass sie heute in einer Großstadt leben? Es dauerte nicht mehr lange, bis ich mein erstes Buch schrieb. Für meine Tätigkeit als Autor übersiedelte ich nach Stuttgart, da hier mein Verlag sitzt. Auch schnelles Internet ist wichtig für meine Arbeit. Das gab es in Thüringen nicht. Es gefällt mir, den Menschen in der Großstadt zu zeigen, dass es auch hier ohne großen Aufwand möglich ist, mit selbst gesammelten Wildkräutern den Speiseplan mehr als nur zu ergänzen. Seit über 10 Jahren schreibe ich nun Bücher, gebe Seminare über Selbstversorgung in der Natur und organisiere botanische Wanderungen in Stuttgart-Degerloch im „Haus des Waldes“. In einem Ballungsraum wie Stuttgart finden diese Veranstaltungen ein interessiertes Publikum. In ihrem Buch „Köstliches von Waldbäumen“ stellen Sie Waldbäume vor, die mit ihren Früchten und teilweise auch mit ihren Blättern zu einer gesunden Ernährung beitragen. Bei einer meiner botanischen Wanderungen sprach mich ein Mann an, dass es ja gut und schön sei mit der Ernährung durch Wildkräuter, aber eine gewisse Menge an Kohlenhydraten brauche der Körper doch auch. 44 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Da mich dieses Thema nicht mehr losließ, beschäftige ich mich seit dieser Zeit auch mit Esskastanien, Bucheckern und Lindennüsschen. Besonders die vielseitigen Eicheln rückten dabei in meinen Focus. Über ein Antiquariat kam ich an ein sehr altes Buch einer Frau, die beschreibt, wie sie ihre Kinder nach dem Krieg im ausgebombten Berlin mit einem Sack Eicheln durch den Winter gebracht hat. Das Buch enthält verschiedene Rezepte, z.B. eine sehr gute Anleitung zur Herstellung eines Brotes aus Eichelmehl. Der Trick besteht darin, die Eicheln für vier Tage in Natron einzuweichen. Dabei verlieren sie ihren bitteren Geschmack. Es ist sogar möglich, die gemahlene Eichelmasse als Fleischersatz zu verwenden. Zubereitet mit Tomatensoße ergibt sie eine sehr gute „Bolognese-Soße“ zu Nudeln. Bei meinem jährlichen Studiengang „Fachberater_innen für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen“ kommt diese Soße immer sehr gut an. Das Schälen der Eicheln ist zudem eine gute Beschäftigung, um vom Stress des Alltags herunter zu kommen und zu entschleunigen. Eicheln werden zu Brot. Welchen Rat können Sie frau geben, wenn sie gerade erst mit dem Sammeln von Wildkräutern beginnt? Auch in meiner Küche gibt es nur 15 Kräuter, die ich regelmäßig nutze. Für Einsteiger_innen empfehle ich Giersch und Brennnessel. Giersch kann als Gemüse ganz ähnlich wie Spinat zubereitet werden und schmeckt ausgezeichnet. Er wirkt Harnsäure ausleitend und enthält viel Eiweiß. Die vielseitige Brennnessel enthält viel Eisen und ist daher gerade für Frauen besonders zu empfehlen. Als drittes Wildkraut empfehle ich den Löwenzahn. Die jungen Triebe können im Frühjahr im Salat verwendet werden. Mutigere Naturen können sich auch einen reinen Löwenzahnsalat zubereiten. Dazu würde ich aber erst raten, wenn sich die Geschmacksnerven an die Bitterstoffe in den Wildkräutern gewöhnt haben. Bitterstoffe werden leider schon seit Jahren aus vielen Kulturpflanzen herausgezüchtet. Dabei regen sie die Verdauung an, reduzieren das Hungergefühl und wirken sich auf bestimmte Krankheiten positiv aus. Ich finde, eine Mahlzeit sollte alle unsere Geschmacksknospen ansprechen: von salzig über sauer, scharf, bis zu süß und bitter. 45 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wir hören oft von einer Gefahr durch den Fuchsbandwurm? Ist es gefährlich, sich Kräuter direkt aus dem Wald zu holen? Wenn diese Behauptung zutreffen würde, dürften wir auch keinen Kopfsalat aus dem Freiland essen, denn auch dort läuft der Fuchs herum. Laut Robert-Koch-Institut gibt es in Deutschland 25 Fälle einer Infektion mit dem Fuchsbandwurm im Jahr. Die meisten davon werden durch Haustiere übertragen. Die Lage ist also nicht so schlimm, wie es uns weisgemacht wird. : Anbau von Wildkrautern in Parks. Im vorigen Jahr haben Sie die Stiftung Essbare WildpflanzenParks (Ewilpa) gegründet. In den Wildpflanzenparks werden ausschließlich Wildkräuter angebaut und Bäume und Sträucher gepflanzt, deren wilde Früchte in der Küche von Nutzen sind. Das Thema „Ernährung mit Wildkräutern“ soll damit mehr in die Mitte der Gesellschaft gerückt werden. Weitere Infos zur Stiftung finden Sie unter: www.ewilpa.net Vielen Dank für dieses Interview. Ich danke Ihnen. : Das Interview fuhrte Daniela Parr Mehr Infos: www.dr-strauss.net Aus dem Buch „Köstliches von Waldbäumen“ stellen wir auf den nächsten Seiten die Sommerlinde vor und präsentieren das Rezept für erfrischende grüne Smoothies aus den Knospen der Linde. Beides hat uns Dr. Markus Strauß zum Abdruck überlassen. 46 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Sommerlinde Tilia platyphyllos Erkennungsmerkmale Sommerlinden werden bis zu 35 m hohe und bis zu 1000 Jahre alte Bäume. Der Name „plathyphyllos“ bedeutet „mit breitem Blatt“: die weichen, herzförmigen Blätter sind größer als bei der anderen heimischen Art, der Winterlinde. Die Blätter stehen wechselständig, haben einen einfach gesägten Rand uns sind lang gestielt. Die Blätter fühlen sich weich und flauschig an, da sie behaart sind. Auffallend sind die in den Winkeln der Blattnerven an der Blattunterseite in weißen Büschelchen stehenden Haare. Jeweils 3-5 der kleinen gelblich-weißen Blüten hängen gemeinsam an einem Blütenstil nach unten. Ein mit dem Blütenstil verwachsenes Hochblatt dient im Herbst als Flugsegel und hilft die Samen, kleine Linden-Nüsschen, zu verbreiten. Lindenblatter als Salat und Gemuse. : : Sammeltipps Sommerlinden zählen zu den Edellaubhölzern und gedeihen von Natur aus auf nährstoffreichen Böden in wintermilden und eher feuchten Lagen. Die Sommerlinde ist ein weit verbreiteter Zier-, Parkund Alleebaum. Vom Frühjahr bis in den Herbst hinein gibt es an der Sommerlinde immer wieder etwas wertvolles zu sammeln: von April bis Ende Juni die jungen Blätter, Blütenknospen von Mai bis Mitte Juni, die Blüten selbst etwa Ende Juni, junge Früchte ca. zwei Wochen nach der Blüte und schließlich die reifen, ölhaltigen Nüsschen im Oktober. Inhaltsstoffe Lindenblüten enthalten ätherische Öle, Flavonoide, Schleim- und Gerbstoffe. Lindenblütentee wird bei Erkältungskrankheiten verordnet. Er lindert den Hustenreiz, wirkt schweißtreibend und fördert den Schlaf. Die Früchte der Linde, kleine Nüsschen, enthalten 20-28% fettes Öl und lassen sich daher auch zur Speiseölgewinnung nutzen. Verwendung in der Küche Die jungen Blätter schmecken als Salat und eigenen sich auch zur Zubereitung von einem spinatartigen Lindenblatt-Gemüse. Die Blütenknospen lassen sich ebenfalls im Salat und auch als Gemüse zubereiten. Aus den frisch aufgeblühten Blüten lässt sich nicht nur der bekannte Tee herstellen, sondern auch „Lili“ – erfrischende Linden-Limonade. Die jungen Früchte der Linde kann man, in Balsamico- oder Estragonessigwasser gekocht, als Linden-Kapern einlegen, um diese später als Antipasti zu genießen. Mittels einer Ölpresse kann man aus den ausgereiften kleinen Nüsschen ein sehr schmackhaftes, zitronenfarbenes Speiseöl gewinnen. 6-8 kg Nüsschen ergeben 1 Liter Öl. 47 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : BaumBaum-Smoothie mit Lindenblattern Ein Rezept für das Frühjahr Das folgende Rezept ist für jeweils 4 Gläser berechnet: 100 g junge Lindenblätter (Tilia plathyphyllos oder T cordata) 2 Äpfel 2 Orangen, geschält 1 Zitrone oder Limette 2 EL Ahornsirup 400 ml reines Wasser Besondere Inhaltsstoffe der Lindenblätter: viel Chlorophyll sowie Schleimstoffe, organisch gebundene Mineralstoffe und Spurenelemente Linden findet man häufig in Laub- und Mischwäldern, Parkanlagen und Alleen. Das junge Laub beider bei uns heimischen Lindenarten ist essbar, jedoch ist das der Sommerlinde schmackhafter und weicher und kann auch längere Zeit - bis in den Juni gesammelt werden. Besonders ergiebig sind die an den Linden typischen Stockausschläge (Triebe direkt aus dem Stamm). Sie liefern bis weit in den Juni hinein noch junge und zarte Blätter. Das Abernten dieser Stockausschläge schädigt den Baum in keiner Weise und hilft sogar den Stadtgärtnern bei der Pflege der Bäume. Dr. Markus StrauB : Der Grune Mann Das unbezähmbare Leben Ein Auszug aus dem Buch: „Der grüne Mann“ von William Anderson Der Grüne Mann steht für das unbezähmbare, durch nichts zu unterdrückende Leben. Wenn man erst einmal auf ihn aufmerksam geworden ist, trifft man überall auf ihn, und er spricht zu einem. Er ist ein Bild aus der Tiefe der Prähistorie: er taucht auf und scheint wieder zu vergehen; dann tritt er nach langen Abschnitten des Vergessens in vielen Perioden der letzten 2000 Jahre wieder in Erscheinung. Seine Ursprünge sind sehr alt, sie liegen weit vor unserem christlichen Zeitalter. In all seinen Erscheinungsformen ist er ein Sinnbild der Erneuerung und der Wiedergeburt, und in diesem Buch möchte ich zeigen, dass seine Wiederkehr in der Kunst von heute und als Symbol der Umweltbewegung für die Menschheit von tiefgreifender Bedeutung ist. Sinnbild der Erneuerung und Wiedergeburt. 48 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Als visuelles Bild findet er sich in drei Hauptformen. Bei seiner ersten und ältesten Form handelt es sich um einen von einer Blattmaske gebildeten Männerkopf. Haar, Gesichtszüge und -ausdruck entstehen entweder durch ein einzelnes Blatt oder durch viele Blätter (3). Bei der zweiten Form handelt es sich um einen Männerkopf, aus dessen Mund - und oft auch aus Ohren und Augen - sich Pflanzen ergießen; dieser Pflanzenwuchs umgibt manchmal sein Gesicht und bildet Haar, Bart, Augenbrauen und Schnurrbart (10). Die dritte Form ist von einem Typus, der bisher noch nicht mit dem Grünen Mann in Verbindung gebracht wurde - meine Argumente, die dafür sprechen, das zu tun, werde ich zu gegebener Zeit anführen; in diesem Falle ist der Kopf die Frucht oder die Blüte einer Pflanze (20). Wachter uber Schatze : : : Die organische Verbindung eines menschlichen Kopfes mit einer Pflanze bedeutet, dass der Grüne Mann, vergleichbar mit Einhorn, Greif und Zentaur, ein Mischwesen bzw. Mischbild ist. Das Einhorn, ein Pferd mit dem Spiralhorn eines Narwals, symbolisiert spirituelles Wissen; es unterwirft sich nur einer Jungfrau, das heißt dem Geist im Zustand der Reinheit. Der Greif, ein Hybridwesen aus einem Adler und einem Löwen, ist der Wächter über Schätze, zu denen auch geheime Mysterien zählen können. Der Zentaur, ein Mischwesen aus Mann und Pferd, ist der Erzieher von Helden; von ihm lernen sie, sich mutig zu verhalten und instinktiv zu reagieren. Der Grüne Mann, eine Komposition aus Blättern und dem Kopf eines Mannes, steht für die Vereinigung der Menschheit mit der vegetativen Welt. Er kennt die Naturgesetze und bringt sie zum Ausdruck. Wenn ein so machtvolles Bild wie der Grüne Mann nach langer Abwesenheit unter neuem Aspekt zurückkehrt - wie das heute der Fall ist -, dann besteht der Sinn dieses Wiederauftretens nicht nur darin, vergessene Erinnerungen neu zu beleben, sondern auch, frische, unverbrauchte Wahrheiten und Emotionen zu präsentieren, die gebraucht werden, um die Möglichkeiten auszuschöpfen, die die Zukunft bietet. 49 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Der grune Mann Gedicht Ein Auszug aus dem Buch: „Der grüne Mann“ von William Anderson Wie Geweihe, wie Adern des Gehirns zeichnen Birken Muster des Geistes am roten Winterhimmel; «Ich bin das Wesen aller Pflanzen», sagt der Grüne Mann, «Ich bin das Wesen aller Pflanzen», sagt er. Hungrige Vögel plündern die letzten Beeren der Eberesche, doch weiß ist ihre Rinde in der nassen Finsternis; «Ich steige mit dem Saft», sagt der Grüne Mann, «Ich steige mit dem Saft», sagt er. Wie Schwerttänzer kreuzen die Eschen die Zweige, die schwarzen Knospen zeichnen Fratzen in die Wolken; «Ich komme mit dem Wind», sagt der Grüne Mann, «Ich komme mit dem Wind», sagt er. Die Erlen lärmen wie zum Kampf bereit, Wächter des Hains, wo sie auf den Liebsten wartet; «Ich brenne vor Verlangen», sagt der Grüne Mann, «Ich brenne vor Verlangen», sagt er. Emsig zwischen gelben Weidenruten plündern Bienen pollenglänzend Kätzchen; «Ich bin der Honig der Liebe», sagt der Grüne Mann, «Ich bin der Honig der Liebe,» sagt er. Ich bin das Wesen aller Pflanzen. Weißdornhecken prangen in Maienblüte, wenn die Tänzer sich dem laubbedeckten König nähern; «Mein Kopf muß ab», sagt der Grüne Mann, «Mein Kopf muß ab», sagt er. Der Grüne Mann wird in Flammen der Eiche erwachsen, ihr Wipfel bildet seine Maske, ihr Laub seine Züge; «Ich spreche durch die Eiche», sagt der Grüne Mann, «Ich spreche durch die Eiche», sagt er. Stechpalmen blühen, wenn die langen, glänzenden Grashalme auf den Wiesen wie Meereswellen wogen; «Ich scheine mit der Sonne», sagt der Grüne Mann, «Ich scheine mit der Sonne», sagt er. 50 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Ruthenisches Salzkraut Rollende Büsche Was sind das für Büsche, die im Western durchs Bild rollen? Gesehen haben wir sie alle schon – die Büsche, die im Western immer im Hintergrund durch die Prärie rollen. Gemeint ist das ruthenische Salzkraut. Ursprünglich stammt es aus dem Mittelmeerraum, fühlt sich aber mittlerweile auch in Asien und Afrika heimisch. Sogar in Österreich und Deutschland haben bestimmte Arten Fuß gefasst. Besonders bekannt ist das Ruthenische Salzkraut, das auch Kali-Salzkraut genannt wird in Nordamerika, wo es zwischenzeitlich besonders in trockenen Gegenden und Wüsten zu den großflächigen Unkräutern zählt. Aufgrund seines hohen Anteils an Alkalisalzen diente es früher zur Herstellung von Pottasche und Waschsoda. Beim Salzkraut handelt es sich um eine einjährige Pflanze, die je nach Wachstumsbedingungen zwischen dreißig Zentimetern und einem Meter hoch wird. Von der Pflanzenfamilie her, zählen es zu den Fuchsschwanzgewächsen. Die trockenen Büsche lösen sich von ihrer Wachstumsstelle und werden vom Wind herumgerollt und verstreut. So können sich die Samen des Busches gut verteilen. Frau Wind macht ihm Beine. Diese Eigenart ist uns aus Western-Filmen wohlvertraut. Wenn eine verlassene Gegend dargestellt werden soll, rollt im Hintergrund ein trockener Busch des Ruthenischen Salzkrautes durchs Bild, meist begleitet von Windgeräuschen und dem leisen Rascheln des Busches. Daniela Parr 51 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wie ich das Wesen des Schlehdorns kennen lernte Bäume mit heilender Kraft und Erkenntnis stiftendem Vermögen Als ich ein Kind war, führte mich mein Schulweg an einem Schlehdornbusch vorbei. Er stand in der Feldmark auf halbem Wege der Anhöhe, die ich passieren musste. Im Winter erschien er mir wie eine gestrüppig aufgetürmte schwarze Gestalt, wehrhaft mit ihren Dornen. Um den Busch herum lagen zusammengetragene Steine von den Äckern. Gelegentlich sah ich Kreuzottern, sie sich in der Form einer Spirale darauf sonnten. Hinter diesem Bollwerk fand ich Schutz, wenn aus dem Tal ein mir fremdes Auto heraufkam und ich den Eindruck hatte, ich sollte mich lieber verstecken. Im zeitigen Frühjahr verwandelte sich die Wintergestalt. Der Busch bekleidete sich mit einer Vielzahl schlohweißer Blütchen zur „Feier der österlichen Auferstehung der Natur“. Der süße, mandelähnliche Duft kroch mir in die Nase. Bald war der Blütenschleier verweht. Mit dem Früchtebringen hatte es keine Eile. Erst einmal umgab sich der Busch über und über mit dem Grün seiner kleinen Blättchen. Schlohweisse Auferstehung der Natur. Der Sommer konnte den Schlehdorn offensichtlich nicht dazu bewegen, die Früchte reifen zu lassen, wie es Kirschbaum oder Pflaumenbaum taten. Er verblieb als grüner Busch. Und langsam, ganz langsam wuchsen die senkrecht nach oben getragenen Früchte, die sich farblich nicht abhoben. Als das Getreide geerntet und der Boden bereits umgebrochen war, kam die dunkelblaue Färbung zu Tage. Unter dem ersten Frost wurden sie süß. Ich streckte die Hand aus, um eine Frucht in den Mund zu stecken. Da ist es wieder ganz nahe, das Gefühl, wie ich sie auf der Zunge spürte, diese kleine Kugel, hart, kühl. Wie ich sie im Mund hin und her schob bis sich endlich winzige Stückchen des Fruchtfleisches vom Kern lösten. Die Safttröpfchen wirkten zusammenziehend. Und dann allmählich, in der Wärme der Mundhöhle, kam die unverwechselbare herbe Süße zur Entfaltung. 52 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Die Pflanze beschäftigte meine Gedanken. Der Schlehdorn trägt seine Lebenskräfte nicht so sehr nach außen, er behält sie in einer gewissen Innerlichkeit. Wie manche Menschen, die erst in zunehmendem Alter ihre Lebensaufgaben bündeln, oder sie überhaupt sehen. Die Beobachtung des Schlehdorns schenkte mir Momente lebendiger Unmittelbarkeit. Eine in ihm wirkende Kraft kommunizierte mit mir. Für den eigenen Werdegang zeigt er Parallelen. Und da ist nicht nur die individuelle Bedeutung, ebenso auch die Spiegelung von Kreisläufen. Durch die Beschäftigung mit dem Matriarchat erhielt ich Kenntnis der triadischen Göttin als Muster der Weltdeutung früherer Menschen. Mir gefällt es, in der Natur eine spirituelle Ebene wahrzunehmen. Die weißen Blüten im zeitigen Frühjahr, die aus dem schwarzen Holz hervorbrechen, erinnern an die Göttin der 1. Phase, die Mädchengöttin. Schließlich tut sich die dunkle Farbe hervor in Form der dunkelblauen Frucht. Sie erinnert an die Göttin der dritten Phase, die weise Alte. In ihrem Gepäck hat sie den Frost, welcher der Frucht Süße gibt. Was liegt da näher als der Gedanke, die „Alte" bringt den Tod, aber auch die Hoffnung auf Wiedergeburt als ihr zyklisches Geschenk? Der Schlehdorn kommt fast in ganz Europa vor. Die Blüten enthalten Cumarine, Flavone und Blausäureglykoside, die Früchte Gerbstoffe, organische Säuren und Vitamin C. * Bereits die Menschen der Jungsteinzeit verwerteten Schlehen. Darauf weisen Schlehenkernfunde in Pfahlbauten hin. In mittelalterlichen Kräuterbüchern gibt es zahlreiche Rezepte für Heilmittel aus Blüten und Früchten. Auch heutzutage ist Schlehenelixier erhältlich. Es wird als Stärkungsmittel nach Infektionskrankheiten empfohlen. Die dunkelblaue weise Alte. Um eine so markante Pflanze wie den Schlehdorn - in welchem auffallende matriarchale Symbole stecken - ranken auch christliche Legenden. „In Posten heißt es, dass die Schlehe vom Kreuzdorn verdächtigt wurde, die Zweige für die Dornenkrone Christ geliefert zu haben. Da erbarmte sich aber Gott und überschüttete den Strauch als Zeichen seiner Unschuld plötzlich über Nacht mit weißen Blüten.*“ Marlies Kruse Wilhelm Pelikan, Heilpflanzenkunde Verlag Goetheanum Dornach/Schweiz 1988 Manfred Bocksch, Das praktische Buch der Heilpflanzen München 1996 Heide Göttner-Abendroth, Das Matriarchat Kohlhammer 2000 53 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Eine Bitte um Berichtigung zur letzten Ausgabe von Li Shalima Meine lieben fleißigen Mutterlandbriefe-Schreiberinnen und Verteilerinnen, ich möchte euch ganz herzlich bitten, eine Berichtigung zur letzten Ausgabe in den nächsten Brief mit aufzunehmen. Da heißt es, das von mir selbst geschaffene Schild „Hier ist Mutterland“ stünde in meinem privaten Garten. Ich habe aber gar keinen eigenen Garten. Leider immer noch nicht. Sehr zu meinem Bedauern übrigens. Und deshalb steht dieses Schild zusammen mit noch vielen anderen zur Aufklärung der matriarchalen Thematik, in einem öffentlich begehbaren Rasenlabyrinth, das ich im Mai 2015 im Rahmen der Veranstaltung „Kunst begegnet Kriegsdienstverweigerung“ auf der Neuwagenmühle im Jammertal bei Kördorf angelegt habe. Frieden, Paix, Paz Das Labyrinth ist eine Station des wunderschönen Wanderweges, der, immer direkt am Dörsbach entlang, durch ein felsiges Tal mit noch sehr wilder Natur, vom Mühlental bei Katzenelnbogen bis hin zum Kloster Arnstein in Obernhof verläuft. Die Künstler_innen-Gemeinschaft Neuwagenmühle liegt ca. in der Mitte und lädt das ganze Jahr u.a. auch mit Getränken zum Verweilen ein. 54 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Traditionell am 1. Mai gibt es dort jedes Jahr ein großes Fest mit Livemusik. Das ist immer der Auftakt zu den sehr interessanten Workshops und SommerCamps, in denen Menschen die Möglichkeit haben, sich zu aktuellen Themen, die uns alle etwas angehen, künstlerisch auszuprobieren und öffentlich zu zeigen. Hier ist Mutterland Von einem Aussichtspunkt aus, der bei Kördorf liegt, ist das Labyrinth in seinem ganzen Ausmaß von oben zu sehen. Es wird von Birgit Weidmann und Kalla Sieger, den Besitzer_innen und Betreiber_innen der Mühle liebevoll gepflegt, d. h. u. a., dass der Weg regelmäßig gemäht und das Labyrinth vielfach begangen und genutzt wird. Li Shalima www.neuwagenmuehle.de 55 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF “Der Anbeter“ Anbeter“ oder “das Angebetete“ Angebetete“? Vertikal oder Horizontal „Der Adorant“ Fundstück aus dem Geißenklösterle, einem Kraftort ganz in der Nähe der Höhle bei Schelklingen, Blaubeuren, in der die Ur-Mutter vom Hohle Fels gefunden worden ist. Matriarchale Sichtweise Religiöser Kult-Gegenstand oder profaner Kultur-Gegenstand? Warum nicht auch ein eiszeitlicher Mutterpass? Auf die Einkerbungen, mit denen scheinbar etwas gezählt worden ist, und die ich hier zur besseren Erkennung farbig markiert habe, hatten uns Nicola Poppe und Regina Golke bei ihrer Führung zu diesem magisch schönen Fundort hingewiesen. Das war während der Gerda Weiler Tagung, die 2014 in Blaubeuren stattfand. Ich hatte daraufhin spontan eine ganz andere Assoziation und erlaube mir mal aus der Sicht einer matriarchal (mutterzentriert) fühlenden, denkenden und handelnden Frau zu interpretieren, was ich sehe. Li Shalima www.atelier-lishalima.de 56 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Post aus Cornwall KaraMA schreibt ...den Lauf der Gestirne begleiten. 57 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : MatriMatri-Zirkel in Munchen Ursula Fournier Auf-Ruf zu einem neuen Matri-Zirkel In München möchte ich im Frühjahr 16 JdF einen Matri-Zirkel nach dem Vorbild des Rhein-Main-Matri-Zirkels ins Leben rufen. Die regelmäßigen Zusammenkünfte im Abstand von ein oder zwei Monaten sollen Gelegenheit bieten, neue Lebensmodelle wie die Gründung von Muttersippen zu erkunden, die sich an matriarchalen Gemeinschaften und ihren Werten orientieren. Hier sollen Frauen zusammenfinden können, die für sich eine neue Muttersippe suchen. : Bei Interesse meldet Euch bei Ursula Fournier [email protected] Neuer MatriZirkel in Munchen : Genahtes Labyrinth Im Stuttgarter Matri-Zirkel: MaLeDea Brigitte aus der Stuttgarter Matriarchatsgruppe hat in den Weihenächten ein Labyrinth von 4,20 x 4,30 m für uns zusammengenäht. Wir brauchen es nur auszulegen und können sofort das Labyrinth begehen. Für die Labyrinth-Mitte gibt es einen gehäkelten roten Korb, in den Überraschungen hineingelegt werden können (Karten,Bilder, etc.). Aus den Zöpfen der Figur kann frau auch andere Frisuren wie z.B. Schnecken oder Krone legen. : Ein Labyrinth aus den Weihenachten 58 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Das MatriaMatria-Zentrum Ostfriesland entsteht! Liebe Frauen, ich lade Euch hiermit herzlich ein zum vorbereitenden Treffen des "Matriarchalen Friedens- und Kulturzentrums in Ostfriesland"! Treffpunkt ist - ab März 2016 - jeden Freitag um 19 Uhr in meinen Räumen in der Schloßstrasse 8 in Großheide! (Hinweis für Mütter: Ihr könnt später eintreffen, falls die lieben Kleinen wieder mal nicht rechtzeitig schlafen. Das Treffen geht bis ca. 21.00 /21.30 Uhr...auch mal länger....ist ja Freitag....je nach Thema und Stimmung..) Früher gab es Frauenzentren, Frauencafes oder Frauen-helfen-Frauen Vereine – diese schönen Zeiten sind leider vorbei, aber nun wird es Zeit, auch hier in Ostfriesland, den neo-patriarchalen Gewalttendenzen etwas entgegen zu setzen - nämlich matriarchale Friedenskultur! Weitere Informationen über meine Beobachtungen, Erfahrungen und Rückschlüsse in den letzten dreißig Jahren sowie über meine Pläne bzgl. des Matria-Zentrums gebe ich Euch dann bei unseren Treffen. Und ich bin gespannt auf Euch und Eure Erlebnisse und Eure Ideen! Neben persönlichem Kennenlernen und Vernetzung wollen wir uns mit Kultur und Politik aus patriarchatskritischer und matriarchaler Perspektive beschäftigen und, natürlich, den Aufbau eines "Matriarchalen Friedensund Kulturzentrums" gemeinsam gestalten! Matriarchales Friedensund Kulturzentrum Jede Frau ist eingeladen, sich in ihrer persönlichen Weise einzubringen! Hast Du Ideen, Wünsche oder Beiträge, die zum Thema passen ? Neben Reden und Planen soll auch getanzt, gelacht, gesungen oder musiziert werden - denn Lebensfreude ist das zentrale Element matriarchaler Kultur.... Kulinarische Genüsse werden nicht zu kurz kommen – jede Teilnehmerin kann gern eine Kleinigkeit mitbringen. (Bitte ohne Fleisch, ohne Alkohol) Gebt mir möglichst bis einen Tag vorher telefonisch Bescheid, ob Ihr kommt, es reicht auch, kurz auf den AB zu sprechen, damit ich ungefähr weiß, wieviele Stühle etc. jeweils gebraucht werden... Oder Du kannst Dich per mail mit mir in Verbindung setzen: [email protected] Bis dahin, viele Grüße Angela Bachmann PS.: Mundpropaganda erwünscht! Hast Du Freundinnen, Töchter, Mutter, Schwiegermütter, Schwestern, Bekannte, Kolleginnen, Nachbarinnen, die vielleicht auch interessiert sind? Gerne mitbringen! Männer sind - vorläufig - noch nicht eingeladen. 59 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Kunst im Ahninnenwald MatriaWis Maria Kirsten-Haas spendet unserem Archiv in Göttingen ihre Matriarchatsgemälde Ein wahrlich königinnenhaftes Geschenk bekamen wir an Weihnachten von unserer Mitfrau und Malerin Maria Kirsten-Haas überreicht: 5 Gemälde aus ihrem Zyklus „Wo die freien Frauen wohnen“ gingen über in den Besitz des „Archive of matriarchal wisdom“. Die Jubilarin, die jüngst ihren 80. Geburtstag feierte, wollte auf diese Weise sicherstellen, dass ihr Gemäldezyklus ein angemessenes neues Zuhause findet. Wir sind sehr stolz auf diese Schenkung und das damit ausgesprochene Vertrauen. Danke, Maria! Entstanden sind Marias Gemälde in Folge ihrer Auseinandersetzung mit dem matriarchalen Volk der Mosuo in Südchina. Als Mitglied unseres Frankfurter Matri-Zirkels erlebte Maria über viele Monate die Entstehungsgeschichte des Films „Wo die freien Frauen wohnen“ von Uscha Madeisky, Dagmar Margotsdotter-Fricke und Daniela Parr. Bei der Filmpremiere im November 2014 in Frankfurt stellte Maria ihre Gemälde erstmals aus, die nun, bei entsprechendem Anlass, vom Archiv ausgeliehen werden können. : Gonnerin stiftet funf Olgemalde. : : 60 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Die Bilder im Einzelnen in der Beschreibung der Künstlerin: „Schwarz – Rot –Weiß“ - Das Wort der alten Frau, der Großmutter links in schwarzer Kleidung hat besondere Bedeutung. In der Mitte sitzt die in Rot gekleidete Mutter, sie drückt ihr Kind liebevoll an ihr Herz, mit ihrer rechten Hand hält sie Früchte auf dem Schoß, Nahrung für den Klan. Rechts neben ihr sitzt die junge Frau, ganz in Weiß, als Jüngste die Hoffnungsträgerin des Klans. Ganz links steht ein Mann mit einem Korb, auch er verpflichtet sich dem mütterlichen Prinzip. "Matriarchin mit Enkelkind" - Zur mutterrechtlichen Ethik und Kultur gehört die Verehrung des Alters, der Kinder und schwachen Menschen. Jede Person hat Rechte und Aufgaben, ganz nach Kraft und Fähigkeit. Besondere Ehre wird der Matriarchin des Klans zu Teil. Das kleine Kind auf ihrem Schoß fühlt sich geborgen, denn es ist von vielen mütterlichen Menschen umgeben. "Mutter und Tochter" - Heilige Orte sind Berg und See in der Heimat der Mosuo. Davor stehen Mutter und Tochter in bestem Einvernehmen; sie sind eines Sinnes. Dieses gute Verhältnis garantiert bis auf den heutigen Tag das Fortbestehen des Clans und die Zufriedenheit der Mosuo seit Jahrhunderten. Ein Weg führt vorbei am blühenden Baum in eine gute Zukunft. "Blumen der Liebe" - Im großen Haus eines Mosuo-Klans bewohnt jede der jungen Frauen ein eigenes Zimmer, das mit duftenden Blumen geschmückt ist. Als Blumen werden auch die jungen Frauen selbst bezeichnet. In ihrem „Blumenzimmer“ empfangen sie nachts ihren Geliebten. Die tiefe Verwurzelung der Mosuokultur in der Natur. "Wurzeln" - Die tiefe Verwurzelung der Mosuo-Kultur in der Natur kommt in der Verehrung des Sees, den sie „Mutter See“ und des Berges, den sie „Mutter Berg“ nennen zum Ausdruck. Dieser Berg wird auch als liegende Löwin gesehen, eine LöwenGöttin also. Bis zum nächsten Mal Eure ArchiVera Ricarda Scherzer 61 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Tanz Kultur Natur FrauenReise nach Rumänien 3. - 17. September 2016 Wir reisen auf den Spuren alter Frauenkulturen, lernen Land und Leute und besondere Kraftplätze kennen, tanzen rumänische und Roma-Tänze. Anmeldung& Information: Ingemar Rohn, Überlingen Tel:07551/9891678 www.kreistanz-ingemar.de Humor ist, wenn frau trotzdem lacht Frauen und Humor 62 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Sie kam, sie sah, sie klebte Portrait einer Straßenkünstlerin Die Straßenkünstlerin „Barbara" prägt das Bild in einigen deutschen Städten: Überall, wo sie strenge Schilder oder dumme Schmierereien findet, wird sie aktiv. Die Ergebnisse sind verboten schön. Am Anfang war das Hakenkreuz. Eine Schmiererei, die mit einem Filzstift auf eine Berliner Hauswand gemalt war. Die kleine Barbara, ein Kindergartenkind, begegnete der Krakelei auf einem Spaziergang mit dem Großvater. Der versuchte das. Hakenkreuz mit Spucke und einem Taschentuch wegzuwischen - Vergeblich. Der alte Mann, einst aus russischer Kriegsgefangenschaft als gebrochener Mann zurückgekehrt, erklärte ihr, wofür das Symbol steht. Und das beschäftigte das. Mädchen so sehr, dass es für den nächsten Spaziergang eine lachende Sonne auf ein Stück Papier malte. Als die beiden wieder an der Hauswand vorbei kamen, überklebte Barbara das Hakenkreuz mit ihrer Sonne und zauberte dem Großvater ein Lächeln auf die Lippen. Ich (k) lebe, also bin ich. Mehrere Jahre ist das her, Barbara ist inzwischen erwachsen. Mit dem Bekleben von Dingen hat sie aber nicht aufgehört. Auf Hakenkreuze beschränkt sich die Straßenkünstlerin dabei schon lange nicht mehr. „Wenn ich an einer Wand gelesen habe: „Nadine du fette Kuh“, oder „Jan ist ein Arschloch“, dann wurde ich tätig und habe meinen Senf dazu geklebt", erzählt sie. Besonders Verbotsschilder haben es ihr angetan. Wenn sie ein Schild mit der Aufschrift „Bekleben verboten" sieht, dann kann sie gar nicht anders, als es mit einem ihrer Plakate zu kontern. Etwa mit der Aufschrift: „Ich kam, ich sah, ich klebte!" Um Erlaubnis bittet sie dafür freilich nicht, Barbara klebt illegal. 63 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Obwohl ihre Kunst von der Öffentlichkeit lebt, will Barbara anonym bleiben. Nicht aus Angst vor Strafe, so sagt sie, ihre Kunstwerke könnten schließlich mit Leichtigkeit entfernt werden. Sondern, weil sie ihre Kunst unabhängig von ihrer Person betrachtet wissen möchte. Das klappt bisher ganz gut, schließlich starren die Menschen auf der Straße ohnehin lieber auf ihre Smartphones, als Barbara beim Plakatieren zu beobachten. Eine zum Lacheln bringen. : Barbaras Antrieb ist immer noch der gleiche, den sie auf dem Spaziergang mit ihrem Opa hatte „Wenn ich Jemanden zum Lächeln bringe, habe ich genauso viel erreicht, wie wenn ich jemanden mit einer gesellschaftskritischen Aktion zum Nachdenken anrege. "Bis vor einiger Zeit hatte sie aber selten Gelegenheit Reaktionen auf ihre Kunstwerke zu beobachten. Kunst im öffentlichen Raum ist vergänglich, besonders dann, wenn sie aus Papier besteht. Deshalb hat sie irgendwann begonnen, ihre Arbeit zu fotografieren und über soziale Netzwerke zu verbreiten. 64 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Die Rückmeldungen sind überwältigend. Vor einem Jahr hatten 11.000 Facebook-Nutzer auf Barbaras Profil „gefällt mir" geklickt, heute sind es fast zwölfmal so viele. Fast täglich gibt es dort ein neues Foto von Barbaras Schaffen. Hier empfängt sie Feedback und gibt Interviews per LiveChat. Auch der Bastei Lübbe Verlag wurde so auf sie aufmerksam - und hat nun einen Fotoband mit Barbaras liebsten Klebeaktionen herausgegeben mit dem Titel: „Dieser Befehlston verletzt meine Gefühle". Mehrere tausend Exemplare wurden bereits verkauft. Geklebt hat Barbara vor allem in Berlin, wo sie aufgewachsen ist, aber auch schon in Kopenhagen. Und in Heidelberg, wo sie zurzeit wohnt. Gerne auch in Mannheim, weil es dort, anders als in Heidelberg und mehr wie in Berlin, mitunter so schön dreckig ist. Und auch, weil sie dort noch nicht so viel Aufmerksamkeit erregt. : Facebook: 388.245 Personen gefallt das. Weder ihre Eltern, noch ihre Freunde wissen von Barbaras Doppelleben. Nicht einmal der Verlag kennt ihre wahre Identität. Wie sie an ihr Autorinnenhonorar gelangt, mag Barbara nicht verraten. „Ein Zauberer erklärt auch nicht alle seine Tricks“, sagt sie bloß. Ihr Buch kann sie auch niemandem zeigen. Fast niemandem denn eine Person gibt es doch, die Barbaras wahre Identität kennt. Über sie kommuniziert der Verlag mit Barbara, und über sie erhält Barbara auch ihr Honorar, wie ihr Lektor verrat. Wer diese Person ist? Klar Barbaras Geheimnis. Erschienen in der Süddeutschen Zeitung 65 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF BierdeckelBierdeckel-Kampagne Mach mit! Mit der Kampagne wollen wir einen Beitrag leisten, für das Thema sexuelle Übergriffe gegen Frauen in öffentlichen Räumen - und möglicherweise folgende Vergewaltigungen - zu sensibilisieren sowie das Auftreten und die Duldung sexueller Gewalt gegen Frauen zu reduzieren. Durch Hinweise sollen Reflektionen angeregt werden, welche Verhaltensweisen gegenüber Frauen bereits Übergriffe darstellen (können). Daneben soll die Kampagne durch die beispielhafte Nennung von Handlungsoptionen ermutigen und auffordern, sich frühzeitig in sexuell übergriffige Situationen einzumischen – insbesondere indem die belästigte Frau angesprochen und ihr ggf. Hilfe angeboten wird. Ziel ist es, in die herrschende Toleranz von sexueller Gewalt gegen Frauen zu intervenieren. : Uns gehort der offentliche Raum. : Die Kampagne spricht bewusst die klassische Rollenzuweisung "Täter = Männer" und "Opfer = Frauen" an, obwohl sexualisierte Gewalt auch jenseits solcher Geschlechterzuschreibungen in vielfältigen Formen ausgeübt und erfahren wird. Durch eine gezielte Konzentration auf einen wesentlichen Bereich gesellschaftlicher Realität und durch den Verzicht auf weitere Differenzierungen soll in der vorliegenden Kampagne die Prägnanz und damit die Wirksamkeit des Materials erhöht werden. Aktuelle Bestellmöglichkeit: http://antisexistischebierdeckel.wordpress.com Rückmeldungen zur Kampagne: [email protected] 66 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Herrenlose Damenunterwasche gesichtet Entnommen aus »Laut & Luise« Die Deutschen gelten bekanntlich als steif und humorlos. Zum Glück hilft uns unsere deutsche Männersprache, reichlich unfreiwilligen Humor zu produzieren. In dieser Hinsicht sind wir wahrscheinlich Weltmeister. So meldeten bspw. die Stuttgarter Nachrichten am 3. Juni: Herrenlose Damendessous Ein Rätsel um herrenlose Damenunterwäsche beschäftigt die Polizei im Main-Tauber-Kreis. Die Beamten entdeckten am Dienstag jede Menge gebrauchte Dessous an einer Kreisstraße bei Bad Mergentheim. Die Ermittler zählten 31 BHs und fünf Slips. : Mannliche Polizistinnen schwer beschaftigt : „Also normal ist das nicht“, sagte ein Sprecher. Schon in den vergangenen Wochen war in der Gegend Unterwäsche im Wald und am Fahrbahnrand aufgetaucht. Ein Foto, das die Ermittler zeigt, wie sie die genaue Anzahl der BHs und Slips ermitteln, ist leider nicht beigefügt. Auch das Auftauchen der Unterwäsche im Wald wurde leider optisch nicht zur Anschauung gebracht. Um mehr zu erfahren, googelte ich „herrenlose Damenunterwäsche“. Das Haller Tagblatt hatte noch Interessantes beizusteuern, nämlich: Warum der mysteriöse Wäscheausleger die Slips verteilt, blieb unklar. Die Polizei will einen Diebstahl etwa von einer Wäscheleine nicht ausschließen. Wer seine Höschen oder BHs vermisst, soll sich bei der Polizei melden. 67 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF „Wer seine Höschen oder BHs vermisst, soll sich bei der Polizei melden“ was für ein Satz! Leider war der Titel meiner Glosse schon vergeben, sonst hätte ich diese Perle deutschen Humors als Überschrift gewählt. Der „mysteriöse Wäscheausleger“ wird auch „Dessous-Verteiler“ genannt. Und über die Unterwäsche war noch zu erfahren, dass sie gebraucht war. Ob sie vielleicht zu der Spezies „duftende Unterwäsche“ gehörte, fragte ich mich. Nein, eine andere Zeitung meldete, die Wäsche sei gebraucht, aber gewaschen gewesen. Das ziehe sich nun seit etwa zwei Jahren hin, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Da es anfangs nur einzelne Kleidungsstücke gewesen seien, seien manche der Vorfälle nicht erfasst worden. Die Dessous lagen unter anderem auf Straßen oder Hecken in der Stadt. So viel Damenunterwäsche wie dieses Mal, sei aber noch nicht gefunden worden, sagte der Sprecher. Unsere Strasse soll weiblicher werden. Es handele sich wohl um jemand, der die Dessous aus irgendeinem Grund zur Schau stellen will. Die Ordnungshüter schließen nicht aus, dass die Wäsche gestohlen wurde. Die BHs und Slips haben verschiedene Größen. Auf jeden Fall bringt „der Wäscheverteiler“ mit „seiner Auslegeware“ die Beamten ganz schön zum Grübeln. Bemerkenswert! Aber unsere Männersprache bringt sie zuverlässig auf die falsche Fährte! Ich denke, wir haben es mit einer Gruppe (die BHs haben verschiedene Größen) von Frauen (die Slips sind gewaschen) zu tun. Sie haben sich der Land Art verschrieben: „Unser Wald / Fahrbahnrand soll schöner (weiblicher) werden“. Vielleicht auch der Konzeptkunst, wenn wir den Grübeleffekt und die sprachliche Kreativität in Betracht ziehen, die die Kunstwerke freisetzten. Leider hat aber die Polizei die Absicht der Künstlerinnen nicht erfasst und die Kunstwerke mutwillig zerstört, indem sie die Unterwäsche aus ihrem mit Bedacht gewählten Umfeld entfernte: «Die Wäsche wurde eingesammelt und liegt in einem Sack auf der Dienststelle.» Nicht nur humorlos, diese Deutschen, sondern auch ohne jeglichen Kunstverstand. Louise Pusch Dank an Sigrid und Peter Schild für den Ausschnitt aus den Stuttgarter Nachrichten. 68 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Nacktprotest im Kolner Dom Femen-Aktivistin muss Geldstrafe zahlen Sie protestierte halbnackt im Kölner Dom: Die frühere Femen-Aktivistin Josephine Witt ist auch im Berufungsprozess zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie zeigt keine Reue, will aber jetzt mit anderen Aktionen auffallen. Die frühere Femen-Aktivistin Josephine Witt, die während der Weihnachtsmesse 2013 barbusig auf den Altar des Kölner Doms gesprungen war, muss eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen. Das Landgericht Köln verurteilte die 22-Jährige im Berufungsverfahren wegen Störung der Religionsausübung und folgte damit der Forderung der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte dafür plädiert, es bei einer "gerichtlichen Standpauke" zu belassen und andernfalls das Jugendstrafrecht anzuwenden. : “Ich bin die Gottin.“ Das Kölner Amtsgericht hatte Witt im Dezember 2014 zur Zahlung von 1.200 Euro verurteilt. Dagegen hatte die Aktivistin Berufung eingelegt. Die junge Hamburgerin war mitten im Gottesdienst am ersten Weihnachtstag 2013 vor den Augen Kardinal Joachim Meisners nur mit einer Art Lendenschurz bekleidet und der Aufschrift "I am god" (Ich bin Gott) auf dem nackten Oberkörper aufgetreten. Die Studentin der Zahnmedizin wollte damit gegen die Missachtung der Frauenrechte in der katholischen Kirche und gegen Meisners Position zur Abtreibung protestieren. 69 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Vor Beginn der Berufungsverhandlung sagte sie: "Ich bin nicht hierhergekommen, um Reue zu zeigen." Aber sie habe sich weiterentwickelt und versuche jetzt, andere Wege in ihrem Protest zu gehen. Ihr jüngster Protest sei deshalb nicht topless gewesen. Im April hatte sie EZB-Chef Mario Draghi auf einer Pressekonferenz mit Konfetti beworfen und gerufen: "End ECB Dictatorship"- diesmal voll bekleidet. : “Ich schame mich nicht.“ Wichtig sei ihr, betonte sie nun vor Gericht: "Ich schäme mich nicht für das, was ich getan habe.“ Kreative Pause! Zugeschickt von Monika Bunte 70 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Humor weiblich “Die lachende Frau,” das ist viel komplizierter als nur “Lachen”. Da sind wir wieder bei der Frage, wer über was oder wen lachen darf. Frauen über Männer? Über Macht und Machthabende und das, was sie tun und sind? Es ist doch so, dass normalerweise Frauen die Witze machen, den humorvollen Input geben und Männer darüber lachen. Wenn jemand den Lebensunterhalt mit Humor verdient, dann sind es Frauen. Sie haben auch weniger Sorge, sich lächerlich zu machen oder anzuecken. Im Kabarett sehen wir hauptsächlich Frauen und wenn man Clowns sagt, dann denken alle sofort an Frauen. Natürlich nicht. Alle Forschungsergebnisse widersprechen dem. Lachen – Sprengkraft, Befreiung, Macht, Souveränität … wenn sich Frauen all das zueigen machen, dann wird es brisant. Deshalb gibt es auch so wenig weiblichen Humor im öffentlichen Raum. Clownfrauen, Kabarettistinnen, Hofnärrinnen, alle waren und sind sie gezählt. Wenn die Machthabenden schon kritisiert und belacht werden, dann wenigstens von Männern. Frauen, die dem System entgegenlachen, ihm lachend ans Bein pinkeln und den Finger in die soziale Wunde legen, sind rar. Es ist nicht erwünscht, geschweige denn gefördert. Frauen, die dem System lachend ans Bein pinkeln.... Radikale, humorvolle Frauen, die über gesellschaftliche Grenzen gehen, die neue Bilder von sich und der Welt entwerfen, die entlarven, schöpferisch und frei, sie kennen den scharfen Gegenwind. Was, wenn wir uns schamlos einfach nicht fügen, wenn wir gewaltige Veränderungen wagen, wenn wir uns lachend und uns selbst gemäß der Ordnung widersetzen? Frauen als gewürdigte Law-Outs, als Anarchietänzerinnen, Widersacherinnen, geheiligte Rebellinnen? Wir könnten die wenigen Alten von ihnen erinnern, die Lebenden besuchen und in die Zukunft investieren, indem wir uns etwas von dieser Medizin zurückholen. Sie gehört zu uns, immer schon. 71 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Humor weiblich – das ist eine andere Perspektive, wahrscheinlich ein anderer Humorstil. Gut, wenn wir uns die Verbote anschauen, durchschauen, die Sanktionen und Maßregelungen, die mit Lachen zu tun haben. Zum Beispiel dies: “Türkei, Juli 2014: Frauen sollen in der Öffentlichkeit nicht mehr lachen. Lautes Lachen verträgt sich nicht mit der Tugendhaftigkeit türkischer Frauen. Dies findet Bülent Arınç. Er ist Stellvertreter Erdoğans.” 21. Jahrhundert, Europa, nicht meine Erfindung, Tatsache. Es hätte ja auch in unserem Schulzeugnis stehen können: “Wir freuen uns über dieses unverschämte Mädchen und ihr lautes Lachen.” Im Brief an unsere Eltern stünde dann: “Gratulation, ihre Tochter sagt lachend, klar und unverblümt die Wahrheit. Das wissen wir sehr zu schätzen.” : “Wir frauen uns uber dieses unverschamte Madchen.” : : : Wenn das Lachen, der Humor, die heililigen Clownfrauen, die wildweisen Närrinnen so gefährlich sind, dann los. Dann fangen wir den Wind, der das Lachen in sich trägt in unseren Segeln und holen uns als Freibeuterinnen so viel davon, wie es nur geht. Mit den Schatzkarten des Lachens durchstreifen wir jede Insel, Schiffe mit Humorladung werden geentert. Lasst uns die verschlossenen Medizinschränke öffnen und die Humor-Depots hemmungslos plündern. Das wäre eine klassische Stealing-Fire-Story, in der wir unser Feuer, unser Lachen zurückstehlen, etwas, das uns rechtmäßig gehört. Es braucht Beherztheit, Mut, Verbündete, Mutterwitz, Tricksterqualitäten, keine falsche Scheu. Wie wohl das Lachen der Piratin über den Weltmeeren klingt, wenn sie mit ihren Schätzen nach Hause fährt? Und was es dann macht mit unseren Leben? Cambra Skadé 72 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Vogelgottin Karin von Wangenheim hat uns ein Foto einer wenige Zentimeter großen "Vogelgoddess Skulptur" geschickt, die sie aus Lehm geformt hat. „Mich fasziniert immer wieder wenn "dicke Fruchtbarkeits-GöttinnenSkulpturen" den winzigen Vogelkopf tragen, da der Vogel das einzige Lebewesen ist welches auf der Erde gehen, auf und unter Wasser schwimmen - und über den Horizont hinaus fliegen kann...“ : Vogelgottin und Himmelskonfetti : Leberblumchen - Himmelskonfetti Das Himmelsblau bricht aus der Erde, auch wenn sie braun und schwer von alten Blättern ist. Jedes Jahr aufs neue, dieser zauberhafte Liebesakt der Sonne mit dem Boden. Nun 79 mal steh´ ich als Zeugin, staunend, vor diesem Wunder und kann's nicht glauben... überall, alles ist voll vom Himmelsblau der Erde und nun tauchen auch schon die ersten weißen Wolken der Annemonen auf ! Eben sang ich noch "Schneeflöckchen, weiß Röckchen", nun tanz ich barfuß über Moos, im weichen Wind. Ganz verwirrt bin ich im Frühling - Herbstgestöber. Karin von Wangenheim 73 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Die MatriAna wird verliehen Um dem Dank Dauer und Ausdruck zu verleihen Im November des Jahres 15 JdF haben wir Frauen vom MatriaVal-Verein Ricarda Scherzer, ArchiVera unseres Archivs für matriarchales Wissen MatriaWis, unsere Anerkennung und unseren Dank ausgedrückt. Wir ehrten sie durch die Überreichung einer MatriAna - dieser schönen steinzeitlichen Godefigur mit unserem Vereinslogo - streuten Rosenblätter über die Geehrte und sangen ihr das Rosenfraulied, worin es heißt: „Sei wie Du bist!“ Ricarda hat innerhalb eines Jahres, neben dem, was sie sonst noch zu tun hat, das MatriaWis in Göttin-gen zum Blühen gebracht. In den Jahren zuvor hatten wir in erster Linie alles, was in solch ein MatriarchatsArchiv gehört, gesammelt. Nun, dank Ricardas Ausdauer, kann mit allem, was im Archiv steht, erfolgreich gearbeitet werden, denn alle Bücher, Filme, Veröffentlichungen in der Presse, Doktor- und Diplomarbeiten und vieles mehr sind nun in einer Excelliste registriert. Diese Liste kann - für alle zugänglich - über unsere Webseite gefunden werden. Ricarda schrieb auch Autorinnen und Verlage an, die dann gerne ihre Bücher MatriaWis stifteten. Schließlich hat Ricarda unserem Archiv noch Töchter verliehen, Filialen: Sie registrierte alle Matriarchatsbücher und -werke aus Uschas persönlicher Bibliothek, so dass nun klar ist: Diese gehören dem Archiv - derzeit noch von Uscha ausgeliehen. Dasselbe wird noch mit Dagmars persönlicher Bibliothek geschehen. Auch in diesen Filialen können so interessante Werke gefunden und ausgeliehen werden. Damit hat Ricarda ein erweitertes Archiv-Modell geschaffen. Und so können es andere aus der Matri-Szene ähnlich handhaben: MatriaWis-Filiale werden. Danke, liebe Ricarda Rosenfrau: “Sei wie Du bist.“ 74 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Geburtstagswunsche Für Maria Mies Herzliche Glückwünsche, liebe Maria! Eine von uns zog es früh in ihrem Leben aus ihrem kleinen Dorf in der Eifel in die große, weite Welt hinaus, trotz Heimwehs: Maria Mies. Dabei lernte sie riesige Mauern kennen, wie sie in ihrer Autobiographie „Das Dorf und die Welt“ berichtet - die Mauern, welche „uralte Herrschaftssysteme errichtet haben: die patriarchale Herrschaft zwischen Männern und Frauen, zwischen Kapitalisten und arbeitenden Menschen, zwischen Kolonialisten und Kolonisierten und schließlich zwischen Mensch und Natur.“ Unbändig verspürte Maria Mies in sich den Impuls, diese uralten Herr-schaftssysteme verändern zu wollen. Doch nicht nur, indem sie analysieren und beschreiben würde, nein: sie wollte auch gegen sie kämpfen. Und so wurde aus der Bauerntochter aus dem Deutschen Vaterland eine international bekannte activist scholar, die schließlich das Mutterland entdeckte. Auf dem Weg dahin entwickelte sie zusammen mit Veronika Bennholdt-Thomsen und Claudia von Werlhof zwei in der patriarchalen Wissenschaft bis dahin nie dagewesene Forschungsansätze: die Aktionsforschung und den Subsistenzansatz. Für die Aktionsforschung stellten Maria Mies und ihre Mitkämpferinnen sieben Methodische Postulate auf, welche bis heute weltweit gelten und ohne die feministische Forschung undenkbar ist. Dabei ging es Maria vor allem um die Einbeziehung der eigenen Subjektivität in die wissenschaftliche Forschung: Der Forschungsprozess sollte zu einem Bewusstwerdungsprozess sowohl für die bisherigen Forschungs“subjekte“ als auch für die bisherigen Forschungs“objekte“ werden. Diese sieben Postulate revolutionierten die herr-schende Wissenschaft von Grund auf. Von sich selbst ausgehen. Viel Streit gab es über den Titel der Zeitschrift „Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis“, die 30 Jahre lang ein bedeutsames Organ der Frauenbewegung war: Das Wort „Feministin“ war damals noch ein Tabu, doch Maria hielt an dem provozierenden Begriff fest. Sie argumentierte, dass „feministisch“ ein historischer Kampfbegriff sei, mit dem eine klare Position signalisiert wurde. Das erinnert doch sehr an die Auseinandersetzung um das Wort Matriarchat, das auch einen historischen Begriff darstellt und mit dem eine klare Position signalisiert werden soll. Wie wäre es - unter uns mit „Beiträgen zur matriarchalen Theorie und Praxis?“ 75 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Womit wir beim Mutterland sind. Maria verbrachte mehrmals einige Jahre in Indien und schrieb ihre Doktorarbeit über die Widersprüche, „denen gebildete und/oder berufstätige indische Mittelklassenfrauen in einem patriarchalischen System ausgesetzt sind.“ Diese Widersprüche und Konflikte hatte sie bei ihren eigenen indischen Studentinnen kennen gelernt: In diesem so patriarchalen Land gab es nicht nur sehr viel mehr Professorinnen und Frauen in gehobenen Positionen als in Deutschland – auch hatten Männer kein Problem damit, „unter“ einer weiblichen Chefin zu arbeiten. Für Deutschland unvorstellbar. Durch die Forschung über diese Widersprüche entdeckte Maria dann eine für sie neue Grundstruktur: das Mutterrecht. Sie stellte fest: „…dass indische Männer „starke Frauen“ auch deshalb akzeptieren – siehe Indira Gandhi – weil die Grundstruktur der indischen Gesellschaft mutterrechtlich ist. Dieses mütterzentrierte Erbe ist in Indien und in ganz Südasien nie ganz vernichtet worden.“ (S.137) Parallel dazu entdeckte Veronika Bennholdt-Thomsen eine große matriarchale Gesellschaft und deren Wirtschaft in Mexiko, über die sie viel publizierte, z.B. in „Frauen Wirtschaft. Juchitán, Mexikos Stadt der Frauen.“ (2000) Und Claudia v. Werlhof entwickelte die grundlegende Forschung für Patriarchatskritik und alternative Zivilisationen. Verantwortung fur das Leben. : Durch das optimistische Gemüt ihrer Mutter war Maria Mies schon immer davon überzeugt gewesen, dass Frauen die Dinge irgendwie anders anpacken. Ihre Mutter war zwar keine Feministin, doch sie hatte ihrer Tochter vermittelt, „dass wir Verantwortung für das Leben übernehmen müsLinzer Torte: sen, wenn wir wollen, dass es weitergeht.“ Vorlage „Göttin mit dem Netzhaupt“ Und dass es bislang die Frauen - Frauen wie ihre Mutter - waren, die im Alltag die Verantwortung übernahmen, sodass das Leben weiterging, für ihre Töchter, Söhne, Männer und für die Natur. Juchitán wurde in den Kreisen rund um Maria, Veronika und Claudia zu einem Beispiel für eine Kultur, die deshalb blüht, weil die Wirtschaft und damit Verantwortung fürs Leben in den Händen der Frauen liegt: Mutterland. Und damit entwickelten sie dann auch den Subsistenzansatz. „Subsistenzproduktion oder Lebensproduktion umfasst alle Arbeit, die bei der Herstellung und Erhaltung des unmittelbaren Lebens verausgabt wird und auch nur diesen Zweck hat.“ (S.189) Und wieder sind es meist die Frauen, wie Marias Fräundinnen Vandana Shiva und Farida Akhter nachwiesen, welche den Widerstand um die Erhaltung der Subsistenzgrundlagen weltweit anführen. Offensichtlich wissen Frauen als Vertreterinnen von Mutter Erde auf besondere Weise, dass, solange sie noch über Boden, 76 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Wasser, Wald, Allmenden und Subsistenzwissen verfügen und in einer noch funktionierenden Gemeinschaft leben, Menschen weniger erpressbar sind als Lohnarbeiter. Und Maria ist optimistisch: Die Subsistenzperspektive ist überall möglich – in der Stadt wie auf dem Land, in armen wie in reichen Ländern. Und: Die Subsistenzperspektive hat in vielfältiger Weise weltweit begonnen und bedeutet nicht zuletzt Frieden zwischen den Geschlechtern. (S.196 f) Als logische Folge ihrer Forschung und Aktionen beteiligt sich Maria Mies bis heute am Kampf gegen die Politik der Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung (GLP). Die Souveränität über das eigene Land und das eigene Leben zu behalten bzw. zurückzugewinnen, war und ist ihr großes Anliegen, international und regional. MAI, GATS, TTIP, CETA und wie die „GLP-Abkommen“ alle heißen, führen für sie unweigerlich dazu, dass alle natürlichen, lebenswichtigen Ressourcen der Erde zu „Roh-Stoffen“ und Privatbesitz gemacht werden – auch das Leben an sich. Viele Menschen auf der Welt fühlen und erleben sich als hilflos gegenüber „der Verwandlung aller Dinge in Waren“. Auch in den reichen Ländern grassiert längst die Volkskrankheit Depression. Doch der Optimismus ihrer Mutter hat sie selbst nie verlassen: „Was mir selbst in all den Jahren des Widerstandes gegen die Macht der Konzerne Hoffnung gab, war die Erkenntnis, dass die Menschen überall die Kontrolle über ihre unmittelbaren Lebensbedingungen wieder zurückfordern. Sie akzeptieren nicht mehr, dass über ihr Essen, ihre Luft, ihr Wasser, die Krankenversorgung, die Schulen, die Umwelt, den Personennahverkehr und viele andere Bereiche ihres unmittelbaren Lebens in irgendwelchen Chefetagen ferner multinationaler Konzerne oder von Bürokraten in Brüssel oder in Genf im Namen von globalen Abkommen, die sie nicht einmal kennen, entschieden wird.“ Protect the local, globally! „Und“, gibt uns Maria als Weise Alte mit auf den Weg, „eine andere Welt ist möglich“. Denn überall auf Mutter Erde entstehen zurzeit kleine Wirtschaftsräume, in denen die Menschen tatsächliche demokratische Mitwirkung bei der Gestaltung ihres Lebens haben. „Protect the local, globally!“ – dieser Slogan gefällt der Ökofeministin. Das Heimweh hat nie aufgehört, wenn sie in der Ferne war. Aber auch das Fernweh hörte nie auf, wenn sie ins Dorf ihrer Mutter heimkehrte. „Es kostete mich viel Kraft. Aber ich habe auch viel aus dieser Spannung gelernt. Sie hat mir Lebenskraft und Lebensfreude gegeben. Trotz allem.“ Von dieser Lebenskraft und Lebensfreude wünschen wir Dir, Maria, grenzenlos viel!!! Dagmar Margotsdotter 77 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : Geburtstagswunsche Für KaraMa KaraMa Beran, Herthastochter, Freifrau vom Bodensee, Schirmhera der Konstanzer Impera, Ratsfrau im Rat der Großmütter, MaestraSchülerin von ALMA MATER, Klanmutter, Matriarchatskundige, Reiseschriftstellerin, Kolumnistin, Chronistin, Lehrende, Schreibende, Liebende wurde gefeiert. Siebzig Menschen bewegten sich mit ihr in der Spirale. Und Tochter Anne mit Ankelinnen initiierte die Goldspirale, die ihre Fräundin in Form goss. Und was da so drin steht in dieser Goldspirale, ja, das Du bist alles, liebe KaraMa, auch wenn Du behauptest das seien Zuschreibungen für alle Frauen, für die Frau an sich, ja, das ist wohl auch richtig, da können wir kaum etwas hinzufügen lediglich unsere innigsten Glückwünsche und tiefen Dank an Deine Mutter Hertha, die Dich vor 7x10 Jahren geboren hat. Deine Wünsche mögen alle in Erfüllung gehen, sowie unser Wunsch: Lass uns weiterhin an Deinen Ur-kenntnissen und Ur-lebnissen in der MatriWelt teilhaben. Schreite in der Goldspirale. Uscha, Dagmar, Daniela KaraMA berichtet von ihrer Feier: „Das Spiralgedicht habe ich vor vielen Jahren meiner Mutter Hertha (!) zum 80. Geburtstag geschenkt und jetzt in der Einladung zu meinem 70. verwendet, zusammen mit dem Lied von Amei Helm „einfach gehen... als Motto. Dazu habe ich mit meinen Gästen getanzt.“ 78 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Lebens-Spirale So wie sich die Spirale dreht: dreht und dreht und niemals steht von innen nach aussen von aussen nach innen Anfang und Ende und Wiederbeginnen. So geht das Jahr und so geht dein Leben zur Erdmitte wurzeln zum Himmel hochstreben die Kindheit, die Jugend, die fruchtbare Zeit es dreht sich das Rad in Unendlichkeit das Altern, das Sterben ---geh durch das Tor so bringt das Leben das Neue hervor. Es trägt dich zur weisen Schwingung hin und alles hat seinen ureigenen Sinn Sei getragen, gehalten, im Tanze gedreht bis deine Mitte im kosmischen Einklang steht. So wie sich die Spirale dreht Anfang und Ende miteinander verwebt. Sei getragen und gehalten. KaraMa mit ihrem Geburtstagsgeschenk : Wichtiges Buch: Die Starken der Mutter : MatriaVal e.V. konnte bei dem Verlag Frauenoffensive wegen Schließung 100 Bücher von "Die Stärken der Mütter" von Ursula Fassbender erwerben und damit vor der Vernichtung retten. Wir zahlten 3 Euro pro Buch und bieten es jetzt für 5 Euro an, so dass auch eine kleine Spende für den Verein drin ist. Wir haben die Bücher mit folgendem Aufkleber versehen: MatriaVal e. V. feiert 10-jähriges Jubiläum und empfiehlt jeder Frau, ob Mutter oder nicht, dieses Buch. www.MatriaWis.de Das Archiv in Göttingen für matriarchale Materialien: Bücher, Filme, Bilder, alles, in dem es um Matriarchate, Matriarchatsforschung und "mütterliche Ordnung" geht. Li Shalima fertigte dafür aus unserem Logo, dieses Logo von Mutter und Tochter. Das Buch ist für 5 Euro plus 1 Euro (Versand) beim Verein zu bestellen. Eine, die es schon bekommen hat schrieb: „Heute Morgen bin ich mit dem Mutterbuch fertig geworden. Das ist der Hammer! Ich konnte es nur in kleinen Portionen lesen, weil es emotional sehr anstrengend war. Aber das Ende ist grandios! Ich kann mir vorstellen, dass es vielen Müttern helfen kann. Ich freue mich so sehr, dass es so etwas gibt. Das darf nicht von der Bildfläche verschwinden.“ 79 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Ein weiterer Protestbrief Ausstellung Mädchenland Sehr geehrte Frau Stolle, Sie haben bereits viele Protestschreiben zu Ihrer Ausstellung „Mädchenland“ bekommen. Diesen Schreiben möchte ich mich anschließen und Ihnen sagen, dass ich sehr betroffen und entsetzt war, als ich die Bilder der Ausstellung gesehen habe. Ich habe Sie immer regelmäßig mit meiner Spende bedacht in der Hoffnung, dass Sie parteilich für Frauen sind und gerade gegenüber der Sexualisierung von Frauen und Mädchen sensibel sind und sich dafür einsetzen, dass Frauen und Mädchen vor allen Formen des sexuellen Übergriffes geschützt werden. Khasimadchen sind selbstbestimmt. : In den Mutterlandbriefen habe ich Ihre Stellungnahme zu den kritischen Reaktionen gelesen. Leider musste ich zu dem Schluss kommen, dass Sie über diese Sensibilität nicht verfügen und nicht verstehen, was Sie den Mädchen der Khasi mit dieser Ausstellung angetan haben. Vielleicht wissen Sie gar nicht, wie Frauen und auch Mädchen, die selbstbestimmt, geschützt und in ihrer Gemeinschaft behütet leben, aussehen würden und welche Ausstrahlung auf ihren Fotos den BetrachterInnen ihre Lebensform vermitteln könnte. Wir leben ja nun mal alle hier nach wie vor im Patriarchat und kennen die Seite der entmachteten Frauen besser als die der ermächtigten. Ich hätte es sehr interessant gefunden, unbeschadete Mädchen und Frauen in einer Ausstellung kennen zu lernen, gerade wenn sie aus einer Kultur mit matriarchalen Wurzeln kommen. Wie konnte die Fotografin solche Mädchen nicht bei den Khasi finden, wenn sie so lange bei ihnen gelebt hat? Terre des Femmes hat jedenfalls mit dieser Ausstellung die Würde der fotografierten Mädchen massiv verletzt, indem sie Fotos aus der Perspektive der patriarchalen Sexualisierung, wo Mädchen zu Objekten werden, der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Schlimm genug, dass die Fotografin selbst dafür keine Sensibilität hat und nach meiner Meinung das Vertrauen der Khasi missbraucht hat im Namen der Kunst. Es tut mir nun wirklich Leid, dass auch mein Vertrauen in Sie und in Terre des Femmes nachhaltig gestört ist und ich Ihnen nicht mehr meine Spenden zukommen lassen kann. Mit freundlichen Grüßen Sirilya von Gagern 80 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF : AVE DEA - 13 Gottinnen der griechischgriechisch-romischen Mythologie neu begegnen : Ulrike Pittner & Ursa Krattiger Faden in die Gegenwart spinnen. : Ob Gaia, Hekate, Aphrodite, Athene oder Medusa – AVE DEA eröffnet eine neue Sichtweise auf scheinbar Bekanntes. Meist sind diese und weitere inspirierende Göttinnen nur aus der griechisch-römischen Mythologie bekannt – in ihrer Bedeutung verkürzt oder verzerrt dargestellt. AVE DEA zeigt sie in ihrer Ursprünglichkeit als Große Dreifaltige Göttinnen, als kosmische Schöpferinnen. Kulturgeschichtliche Vertiefungen legen ihre Wurzeln frei und spinnen Fäden bis in unsere Gegenwart – wo wir ihnen in Kunstwerken, Literatur, Filmen, Fantasy, Sprache und Werbung begegnen. Eine Einladung an alle, die erkennen wollen, wie Mythen unsere Vorstellungen über Frauen und Männer prägen, wie sie gesellschaftliche Strukturen spiegeln und seelische Kräfte entwickeln. Auch bereichernde persönliche Begegnungen mit den Göttinnen verdeutlichen das gemeinsame Begehren der Autorinnen: andere Geschichten von unserer kulturellen Wiege zu erzählen, besonders auch unseren Kindern – im Wissen um matriarchale Werte und Strukturen. Ulrike Pittner unterrichtete Latein, Französisch, Deutsch in Basel und Umgebung auf sämtlichen Schulstufen. Sie wirkte in der LehrerInnenausbildung und -fortbildung, in der Gleichstellungskommission und als Genderbeauftragte. Ihr Anliegen: die weitreichende Bildungsrelevanz der Matriarchatsforschung. Sie schuf eine Neuversion der Schweizerischen Landeshymne in gerechter Sprache. Dr. Ursa Krattiger wurde als erste Frau Inlandredaktorin der „Basler Nachrichten“ und war 20 Jahre als Programmschaffende und Redaktorin beim Schweizer Radio tätig. Schwerpunkte: Frauenrechte, Frauenkultur, feministische Wissenschaften, weibliche Spiritualität. 1983 erschien ihr Buch „Die perlmutterne Mönchin. Reise in eine weibliche Spiritualität“. : Christel Gottert Verlag www.christel-goettert-verlag.de 81 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Rekonstruierte Wandmalereien der Jungsteinzeit aus dem Bodensee Funde aus einer Pfahlbausiedlung bei BodmannLudwigshafen Eine archäologische Sensation aus dem Bodensee haben Archäologen und Restauratoren des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg der Öffentlichkeit präsentiert: Ein rund sieben Meter langes monumentales Wandbild, dem die Wissenschaftler den Arbeitstitel "Busenwand" gaben. Es zeigt Frauen mit vollplastisch geformten Brüsten. Das Bild befand sich an der Innenwand eines Pfahlbauhauses am Bodensee, das vor 6000 Jahren verbrannte und versank. Zwanzig Jahre dauerte es, bis das Bild aus 2000 Einzelteilen rekonstruiert und zusammen gesetzt werden konnte. Das Besondere an diesen Reliefs sind die in die Malereien einbezogene, fast lebensgroß geformte weibliche Brüste (hier in einem 3D-Scan). Lange rätselten die Wissenschaftler, was auf diesen Wandbildern abgebildet war. Inzwischen sind sie sich sicher: Es handelt sich um Ahnenreihen, die zu den sieben Frauenfiguren hinführen. Auf der Großen Landesausstellung BadenWürttemberg „4.000 Jahre Pfahlbauten“ im Kloster Schussenried und im Federseemuseum Bad Buchau (gleichzeitig) werden die Funde ab 16. April 2016 erstmals zu sehen sein. Wir hoffen, Euch alle am 16. April dort zu Treffen. 82 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Die Themen beim nächsten Mal : Mutter •Frauenportraits Frauenportraits Schickt uns Eure Artikel ! * Impressum Medieninhaberin und Herausgeberin: MatriaVal e.V., Im Klingenfeld 37, 60435 Frankfurt [email protected] Redaktion: Uscha Madeisky, Dagmar Margotsdotter, Daniela Parr Layout: Daniela Parr * Handschriftliche oder zu spät eingesandte Manuskripte können wir leider nicht berücksichtigen Erscheinungsart: vier-jahreszeitlich 83 Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF Mutterlandbriefe – Ausgabe 5 – Frühling 16JdF
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