ZEHN PUNKTE PLAN GEGEN
RESISTENTE KEIME
24.03.2015
Gesundheitswesen (Pharma, Medizintechnik) | Regulierung & Governmental
Affairs
Kampf gegen
multiresistente
Krankenhaus-Keime
Bundesgesundheitsministerium legt 10-Punkte-Plan vor
Dr. Boris Handorn
Leiter Gesundheitswesen
(Pharma, Medizintechnik)
Rechtsanwalt
T +49 89 28628571
Am 23.03.2015 wurde bekannt, dass Bundesgesundheitsminister Gröhe einen
10-Punkte-Plan gegen die Ausbreitung multiresistenter Erreger in
Krankenhäusern – zunächst zur internen Abstimmung mit den weiteren
Ressorts der Bundesregierung – vorgelegt hat. Sollten die Vorschläge aus dem
Bundesgesundheitsministerium umgesetzt werden, sind wesentliche
Änderungen in der Gesetzgebung auf Bundes- und Landesebene, insbesondere
mit Auswirkungen auf die Hygiene- und Meldestandards der deutschen
Krankenhäuser, zu erwarten.
Hintergrund
Steigendes Risiko durch multiresistente Erreger
Mit der Infektion von über 30 Patienten mit einem gleich gegen vier
Antibiotikagruppen resistenten Erreger ( a c i n e t o b a c t e r b a u m a n n i i ) in
einem deutschen Universitätsklinikum wurde Anfang 2015 die bundesweite
Diskussion über Risiken einer (zusätzlichen) Infektion aufgrund einer
Krankenhausbehandlung neu befeuert. Im internationalen Kontext wird derzeit
zudem vermehrt über panresistente Erregerstämme berichtet, die
unempfindlich sogar gegen sog. Reserve-Antibiotika (als „letzte Instanz“) sind.
Am Beispiel des acinetobacter baumannii wird schließlich deutlich, dass sich
die ohnehin bestehenden Risiken durch multiresistente Erreger nochmals
erhöhen, da einige von ihnen als „ g e n e t i s c h e r U m w a n d l e r “ fungieren, d.h.
Resistenzgene aufnehmen, diese verändern bzw. neuordnen und das genetisch
brisante Material dann an andere Bakterienstämme weitergeben können.
Fabian Raddatz, LL.M.
Mitglied der Practice Group
Gesundheitswesen (Pharma,
Medizintechnik)
Rechtsanwalt
T +49 30 20942131
www.noerr.com
twitter.com/NoerrLLP
xing.com/companies
/NoerrLLP
Darüber hinaus gehen Experten davon aus, dass sich das Problem der
Ausbreitung multiresistenter Erreger in deutschen Krankenhäusern weiter
verschärfen wird, da sich insbesondere der Altersdurchschnitt der Patienten
(und damit die durchschnittliche Anfälligkeit) weiter nach oben verschiebt und
die Zahl der medizinisch komplexen Eingriffe (und damit das Risiko eines
gefährlichen Infektionsverlaufs) zunimmt.
Von Bedeutung ist der Kampf gegen (multiresistente) Erreger in
Krankenhäusern schließlich nicht nur für die potentiell betroffenen Patienten,
1
sondern auch für jedes der betroffenen Krankenhäuser, da die Frage, wie ein
Keim in die Klinik gelangen konnte und ob daraus ggf. strafrechtliche Vorwürfe
entstehen können, des Öfteren auch im Zuge von Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaften zu klären ist.
Der 10-Punkte-Plan des
Bundesgesundheitsministeriums
Nachdem der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene mit Neuregelungen
im Infektionsschutzgesetz (IfSG) sowie den medizinischen
Hygieneverordnungen der Länder auch in der Vergangenheit bereits
Anstrengungen unternommen hatte, das Problem der Ausbreitung
multiresistenter Keime in Krankenhäusern einzudämmen, wird nun ein neuer
Anlauf unternommen, da erhoffte Verbesserungen bislang ausgeblieben sind.
Obwohl der (interne) 10-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministers bislang
noch nicht veröffentlicht und zunächst lediglich in die Ressortabstimmung der
Bundesregierung gegangen ist, lassen sich (insofern übereinstimmenden)
öffentlich zugänglichen Berichten bereits f o l g e n d e E c k p u n k t e entnehmen:
Es soll untersucht werden, ob eine Verpflichtung, Patienten vor
„planbaren Kranken-hausaufenthalten“ einem o b l i g a t o r i s c h e n T e s t
auf multiresistente Keime zu unterziehen und bis zum Ausschluss einer
Infektion zu isolieren, vorgesehen werden kann (derzeit lediglich bei
sog. Risikopatienten und hinsichtlich bestimmter Erreger der Fall).
Die M e l d e p f l i c h t soll (insbesondere mit Blick auf besonders
gefährliche Erreger) in der Form verschärft werden, als dass
Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen künftig schon beim
ersten Nachweis das Auftreten multiresistenter Keime den zuständigen
Behörden anzuzeigen haben.
Gesundheitseinrichtungen sollen verpflichtet werden, ihr Personal in
der Antibiotikatherapie und der Infektionsvermeidung
w e i t e r z u b i l d e n. Dabei soll der vorsichtige Umgang mit Antibiotika
eine zunehmende Rolle spielen, da deren unsachgemäßer oder
vorschneller Einsatz Resistenzen betreffender Erreger verstärken kann.
Fokussierung auf die zwingende E i n h a l t u n g b e s t e h e n d e r
H y g i e n e - R e g e l u n g e n und Standards unter fortgeschrittener
Einbindung des Robert-Koch-Instituts (RKI) als überregionaler
Experteneinrichtung.
Patienten sollen sich einfacher und schneller über die
Hygienesituation und –standards in Krankenhäusern und
Gesundheitseinrichtungen informieren können (den Gesundheitseinrichtungen sollen diesbezügliche I n f o r m a t i o n s p f l i c h t e n
auferlegt werden, in dem Qualitätsberichte mit einem –
allgemeinverständlichen – Zusatzteil zu versehen sind).
Darüber hinaus soll auch die Z u s a m m e n a r b e i t m i t d e r
p h a r m a z e u t i s c h e n I n d u s t r i e intensiviert werden. Hier sollen –
unter verstärkter Zusammenführung der Bereiche Human- und
Tiermedizin – insbesondere neue Anreize zur Entwicklung neuer
Antibiotika zur Bekämpfung (derzeit) resistenter Erreger geschaffen und
bestehende Innovationsbremsen abgebaut werden.
Mit Blick auf die i n t e r n a t i o n a l e Z u s a m m e n a r b e i t wird sich
Deutschland schließlich im Rahmen seiner G7-Präsidentschaft
(Gipfeltermin 07. / 08.06.2015) darum bemühen, die Entwicklung neuer
Antibiotika, Testmethoden und alternativer Behandlungen zu fördern.
Ausblick
Gesetzesänderungen und Auswirkungen auf den Gesundheitssektor
Da die Infektionszahlen in deutschen Kliniken im internationalen Vergleich –
bspw. mit Blick auf die Situation in den Niederlanden – immer noch teils
deutlich über den Vergleichswerten liegen, ist der Vorstoß des
Bundesgesundheitsministeriums sicherlich zu begrüßen.
Der 10-Punkte-Plan wird nunmehr mit weiteren Bundesministerien sowie (mit
Blick auf die zu erwartenden Auswirkungen auf die Länderkompetenzen) mit
2
den Landesgesundheitsministerien diskutiert. Sollte es sodann zur
verbindlichen Festschreibung der o.g. Eckpunkte kommen, werden wesentliche
Gesetzesänderungen und die Aufnahme gesetzlicher (bußgeld- oder gar
strafbewährter) Neuverpflichtungen notwendig sein werden (die vor allem das
IfSG sowie die medizinischen Hygieneverordnungen der Länder betreffen
werden). In welcher Form und in welchem Zeitrahmen die derzeitigen
Vorschläge in der Folge dann tatsächlich umgesetzt werden können, bleibt
derzeit allerdings noch unklar.
Ungeklärt bleibt dabei auch, wie der ohne Zweifel entstehende Zusatzaufwand
im Zusammenhang mit der Erfüllung der Neuverpflichtungen finanziert wird,
wobei (nicht nur aus Sicht der Gesundheitseinrichtungen) der Standpunkt
naheliegt, dass die Kostentragung vollständig durch die Bereitstellung
öffentlicher Mittel zu erfolgen hat (im Sinne der Kostentragungsregelung des §
69 IfSG). Finanziert werden könnte der (personelle) Zusatzaufwand auch über
Sonderförderungen, wie dem bereits bestehenden Hygiene-Förderprogramm
nach § 4 Abs. 11 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) zum Zwecke der
Neueinstellung von Hygiene-Fachpersonal.
Aus Sicht der pharmazeutischen Unternehmen bleibt zu hoffen, dass den
lobenswerten Aussagen des 10-Punkte-Plans auch Taten folgen und die
Entwicklung, Herstellung und Zulassung neuartiger Präparate (nach Maßgabe
des Arzneimittelgesetzes und seiner Verordnungen) tatsächlich erleichtert
wird. Eine der großen Herausforderungen wird diesbezüglich auch die EU-weite
Abstimmung, Konsolidierung und Harmonisierung veränderter
Zulassungsvorschriften darstellen.
Schließlich dürfte unwahrscheinlich sein, dass die gewünschten – allerdings
nur mit erhöhtem Aufwand zu erforschenden – Antibiotika-Varianten mit neuen
Wirkprinzipien lediglich über die Erlöse der produzierenden
Pharmaunternehmen refinanziert werden können (auch weil diese regelmäßig
„nur“ als Reserve-Antibiotika eingesetzt werden). Damit wird den
Forschungsmitteln für den Bereich der Antibiotikaresistenzen auf EU-Ebene
und nationaler Ebene künftig besondere Bedeutung zukommen.
H a b e n S i e F r a g e n ? Kontaktieren Sie gerne: Dr. Boris Handorn oder Fabian
Raddatz
P r a c t i c e G r o u p : Gesundheitswesen (Pharma, Medizintechnik)
3